Seven years from now von Ninjagirl ================================================================================ Kapitel 14: Verlust ------------------- Weiteres außerplanmäßiges Update. Dieses Kapitel hat unfairerweise viel Spaß gemacht beim Schreiben. Feedback wie immer gern gesehen. ------------------------ "Pure hearts stumble In my hands, they crumble Fragile and stripped to the core I can't hurt you anymore (...) The sunshine trapped in our hearts It could rise again But I'm lost, crushed, cold and confused With no guiding light left inside Oooo You were my guiding light" (Muse - Guiding Light) Shindos Grinsen verblasste augenblicklich. Er hatte Touya erst ein Mal weinen sehen, als dessen Vater gestorben war. Das war so lange her, dass er es schon längst vergessen hatte. Er nahm Touyas Jackenärmel und zog ihn in die Wohnung, dann umarmte er ihn. So fest, dass der andere fast unter ihm verschwand und er sich sorgte, ihm wehzutun. Touyas Tränen flossen noch immer und sein Kinn zitterte. Es ließ ihn aussehen wie einen kleinen Jungen, verloren und hilflos. Shindo ahnte dunkel, was los war, aber er konnte nicht nachfragen. In diesem Moment konnte er nur für Touya da sein. Sie standen zehn Minuten im Gang. Shindo streichelte Touya über die Haare, bis er merkte, dass der andere nicht mehr stumm schluchzte. Er zog ihn an der Hand ins Schlafzimmer. Touya streifte abwesend die Schuhe ab und legte sich hin, Shindo legte sich dazu und umarmte ihn wieder fest. "Also?" flüsterte er nach einer Weile. Touya weinte immer noch ohne einen Laut. Konnte er nicht einfach schreien oder laut klagen? Shindo kam nicht damit klar, dass der andere nichts sagte. Er wusste nicht, was er denken sollte. Gerade, als er begann, genauer über den Grund für Touyas frühes Auftauchen nachzudenken, fing dieser an, zu reden. "Ich... ich war bei ihr." Er würde den anderen nicht drängen, schärfte Shindo sich ein, und es fiel ihm sehr schwer, sich daran zu halten. Am liebsten hätte er Touya geschüttelt und gerufen 'Komm zu dem Part, den ich noch nicht kenne!'. Aber das tat er nicht. Stattdessen strich er über Touyas Rücken. "Der Antrag... der Ring... dazu kam es gar nicht. Sie... sie hat geweint, als ich kam." Shindos Augen brannten. Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. So hatte das alles doch nicht laufen sollen. Touya sollte vor Glück weinen und in Ayumis Armen liegen. "Sie meinte..." Touya brach in leises Schluchzen aus und klammerte sich an Shindo. Dem rollten selbst die ersten Tränen aus den Augenwinkeln. Was war da nur passiert? Sie sollten doch jetzt die glücklichsten Menschen der Welt sein. Er wäre Trauzeuge gewesen, Ayumi wäre die schönste Braut geworden, die er je gesehen hatte, und er hätte Touya mit Reis beworfen, vielleicht ein bisschen kraftvoller, als es der Brauch vorschrieb. Sie wären Kanegawa Akira und Kanegawa Ayumi und er wäre der verliebteste Ehemann aller Zeiten gewesen. Sie weinten beide, Arm in Arm, Shindo konnte die Tränen nicht mehr stoppen. Irgendwann begann Touya, zu erzählen. Er hatte Ayumi weinend in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie hatte ihm erzählt, dass er sie in den letzten Wochen immer wieder enttäuscht hatte. Ständig hatte er ihre Treffen abgesagt, nie Zeit für sie gehabt, war abgelenkt gewesen. Er hatte versucht, ihr zu erklären, dass das wegen seines Titelturniers gewesen war. 'Du hast zwei Titel, wenn du nicht sogar noch mehr gewinnst. Soll das ewig so weitergehen?' hatte sie unter Tränen gefragt. Er war ganz ruhig gewesen, hatte ihr versprochen, sich zu bessern, mehr Zeit freizumachen, alles, was in seiner Macht stand. Doch es hatte nicht geholfen. 'Go ist dir wichtiger als alles andere', hatte sie immer wieder gesagt. Das könnte er nie aufgeben, egal, wie oft er es ihr versprach. Und wenn er es aufgab, war er nicht mehr der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Was hätte er tun sollen? Es gab gar keinen Ausweg aus diesem Dilemma, wenn sie es so ausdrückte. 'Was willst du jetzt tun?' hatte er verzweifelt gefragt. Mit roten, verheulten Augen hatte sie ihn angesehen. 'Es ist vorbei. Ich mache Schluss.' Ab da wusste Touya nicht mehr viel von dem, was vorgefallen war. Er hatte Ayumi nichts von dem Ring erzählt. Aber er hatte versucht, sie von ihrem Entschluss abzubringen. Unzählige Male hatte er ihr gesagt, dass er sie liebte, aber sie hatte nur gesagt, dass das nun zu spät kam. Irgendwie war er dann zu Shindo gefahren. Ab da kannte der andere die Geschichte. Shindo sagte nichts mehr dazu. Er wusste nicht, womit er Touya hätte trösten können. Noch dazu heulte er selbst immer noch. Also blieb er still. Irgendwann schlief Touya ein. Shindo hielt ihn weiter fest im Arm, auch, um sich selbst zu trösten. Er konnte es einfach nicht fassen. Das war unmöglich. Er hatte zwar gewusst, dass Ayumi unglücklich gewesen war mit Touyas Terminplan, aber dass es sie zu Tränen reizen würde, hätte er nie gedacht. Warum hatte sie nicht gesehen, wie verliebt er war? Für Shindo war das glasklar gewesen. In dieser Nacht schlief er nicht mehr. Er dachte die ganze Zeit darüber nach, was vorgefallen war. Was aus der Erweiterung ihrer Familie geworden war. Als er hörte, wie seine junge Hundesitterin die Tür aufschloss und Panda abholte, wartete er, bis er die Tür zuklappen hörte. Dann stand er auf und ging ins Wohnzimmer. Er nahm das Telefon und meldete Touya im Institut krank und sagte Bescheid, dass er selbst auch zu Hause bleiben würde. Seine Gesprächspartnerin war nicht sonderlich erfreut, aber er ließ keine Widerrede zu. Danach legte er sich wieder zu Touya. Dieser war mittlerweile aufgewacht und starrte nur mit leerem Blick auf sein Kissen. Shindo strich ihm immer wieder über die Haare, weil er immer noch nicht wusste, was er sagen konnte. "Du hast meine Termine abgesagt?" murmelte Touya leise. Shindo drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und drückte dann seine eigene Stirn dagegen, doch Touya reagierte nicht einmal. "Ich kümmer mich um dich", murmelte er. ~x~ Touya blieb den Rest des Tages im Bett. Er aß, wenn Shindo ihn dazu überredete und als Panda aufs Bett gesetzt wurde, kuschelte er auch etwas mit dem Welpen, aber alles in allem verhielt er sich mehr wie eine Leiche als etwas anderes. Shindo schrieb Yun eine SMS, damit der junge Mann am Abend vorbeikam und Panda für eine Weile mitnahm. Als er kam, sagte er nichts von Touya sondern überreichte Yun nur den jungen Hund und wimmelte ihn dann wieder ab. Auch am Sonntag blieb Touya und verbrachte den ganzen Tag über in Shindos Bett. Wäre er in seiner eigenen Wohnung, würde Shindo eh die ganze Zeit bei ihm verbringen, also war es schon ganz gut so. Shindo flößte ihm literweise Tee ein und machte Suppe, er wechselte die Bettwäsche, lüftete, motivierte Touya dazu, sich wenigstens umzuziehen. Am Montag rief er wieder im Institut an. Er selbst hatte an diesem Tag eine Partie, die er auch besuchen würde, Touyas Termine sagte er jedoch wie gehabt ab und kündigte an, dass der andere noch für mindestens drei Tage außer Gefecht gesetzt war. Sageki und Hikaru riefen bei ihm an, doch er beantwortete ihre Fragen nicht und meinte nur, die Lerngruppe am Mittwoch würde ausfallen. Gegen Mittag fuhr er zu seiner Partie und ließ Touya solange allein. Der Ouza schlief die meiste Zeit, wenn Shindo nicht bei ihm war. Zu Gesprächen war er kaum fähig, nur ab und zu sagte er etwas, meist ein zusammenhangs- oder belangloser Satz. Als Shindo zurückkam fand er den anderen vor, wie er ihn zurückgelassen hatte. Das Kissen war etwas nass – Touya hatte wieder geweint. Das tat er auch noch viel zu viel. Er legte sich wieder zu ihm, strich vorsichtig über Touyas Seite und seine Arme, die ganz kalt waren. Shindo hatte schon eine Weile nichts mehr gegessen. Er war gar nicht mehr hungrig. Er hätte sowieso nichts runterbekommen, weil er sich so sehr um Touya sorgte und selbst trauerte. Diese Sache ging ihm so sehr ans Fundament, dass er auch nicht gewusst hätte, was er tun sollte, wenn Touya nicht seine Hilfe gebraucht hätte. Vermutlich wäre dann er es gewesen, der den ganzen Tag depressiv im Bett gelegen hätte. Leise erzählte er Touya von der Partie; er rekonstruierte jeden Zug, damit der andere seinen Kopf etwas anstrengte. Bei schlechten Zügen von Shindos Gegenüber zuckte er sogar manchmal unruhig mit den Zehen. Das war schon ein Fortschritt. Am nächsten Tag ging Shindo wieder zu seiner nächsten Partie ins Institut. Vor Ort warf er gleich noch einen Blick auf Touyas Monatsplan und sortierte mit einem Sekretär gemeinsam wichtige Partien nach hinten. Das Meijin-Turnier begann auch für Touya bald, bis dahin war er hoffentlich wieder halbwegs... lebendig. Als er im Parkhaus bereits zufrieden aufseufzte, weil er niemanden getroffen hatte, der über Touya reden wollte, sah er Haru am Auto lehnen. Er ignorierte den Jungen und stieg ein, doch natürlich wollte der Teufelsknirps ihn nicht in Ruhe lassen. Er stieg auf der Beifahrerseite ein. "Was ist mit Touya-sensei?" fragte er energisch. "Kann dir doch egal sein", murmelte Shindo bitter. Dieser Zwerg hatte Touya das Leben schwer gemacht und jetzt plötzlich war er besorgt? Niemandem war Touya so wichtig wie Shindo, niemand anderes hatte das Recht, ihn jetzt zu sehen oder zu wissen, wie schlecht es ihm ging. Nur er, sein bester Freund, hatte dieses Privileg. Touya lag in seinem Bett, unterlag seiner Fürsorge. Er war bei ihm. "Ist es aber nicht", fauchte Haru. "Touya-sensei war es, der mich in die Go-Welt zerrte, mich zwang, Insei zu werden und für den ich die Pro-Prüfung im Frühjahr ablege. Er ist verantwortlich für mich, ich habe ein Recht darauf, zu wissen, wieso er nicht mehr auftaucht." Shindo ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken und seufzte. "Wieso solltest du mehr Recht dazu haben als Sageki, Miyagi und Hikaru?" "Das habe ich nicht. Aber die anderen trauen sich nicht, nachzufragen." Der Meijin lachte trocken, dann atmete er einige Male tief durch. "Wenn er zurückkommt, soll er entscheiden, ob er euch das erzählt. Wenn du mal wieder Lust auf Klingelstreiche und eingeworfene Fenster hast – im Moment ist er bei mir, ziel also höher. Und jetzt raus hier." Haru murrte, stieg aber aus. Was dachte sich dieser Knirps nur? Shindo grummelte den ganzen Weg über. Er war froh, auf dem Parkplatz niemanden aufzufinden und sprintete zum Eingang. Er lief die Treppen nach oben. An seiner Tür angekommen, klammerte er sich am Türrahmen fest, weil ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde. Er musste einige Sekunden warten, bis es ihm besser ging. Dann schloss er auf und sah Touya im Flur stehen. "Ich... wollte Tee machen", meinte Touya verdutzt. Er trug immer noch die Sachen vom Vortag und seine Haare waren verwuschelt, weil Shindo so oft durch sie gestreichelt hatte in den letzten Tagen. "Tu dir keinen Zwang an", lächelte Shindo. "Du solltest übrigens mal duschen und dich umziehen." Touya lächelte nicht, er schlurfte nur wortlos weiter in die Küche. Der Meijin lehnte am Durchgang zum Flur und betrachtete den anderen. Er sah Touya nur von hinten: der Ouza wirkte kleiner als er eigentlich war, seine Schultern hingen nach unten, ebenso wie sein Kopf. Shindo ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Geh du ins Bad, ich kümmer mich hierum." Der andere nickte und drehte ab. Eine halbe Stunde später lagen sie wieder nebeneinander im Bett. Shindo hatte ihm Suppe gemacht, die Touya protestlos gelöffelt hatte. Mittlerweile schlief er wieder und Shindo strich ihm wieder über die Haare. Immerhin war Touya heute aufgestanden, das war ein weiterer Fortschritt. Am nächsten Morgen wurde Shindo schon beim Aufstehen schwarz vor Augen. Er ließ sich wieder aufs Bett fallen und wartete, bis ihm nicht mehr übel war, dann ging er ins Bad. Sein Ausflug ins Institut fiel kürzer aus, damit er bald wieder bei Touya war. Als er ankam, saß Touya mit angezogenen Knien im Bett und schaute aus dem Fenster. Sein Blick war immer noch so leer, dass Shindos Herz sich verkrampfte. Am Tag darauf machte Touya sich selbst Essen und am übernächsten Tag fand Shindo ihn im Wohnzimmer vor, wie er eine alte Go Weekly durchblätterte. "Montag gehe ich wieder zu meinen Partien", erklärte Touya ihm. Er wirkte noch längst nicht gesund oder lebendig, weit entfernt von seinem alten Selbst, aber Shindo widersprach ihm nicht. Vielleicht würde Go ihm helfen, über seinen Verlust hinwegzukommen. "Ich hole Panda morgen von Yun ab", erklärte Shindo, während er seine Jacke auszog. Er musste sich am Sofa festhalten, weil ihm so schlecht war. "Bitte bleib noch mindestens bis Montag hier, Akira." Touya nickte nur, sein Körper wirkte wie eine leere Hülle. Samstag stand er früh auf. Er stellte Touya Tee neben das Bett und verließ die Wohnung gegen neun, dann fuhr er zu Ayumi. Sie öffnete sofort und sah ihn verwundert an, dann bat sie ihn in ihre Wohnung. Ayumis Apartment war so geschmackvoll eingerichtet, dass Shindo früher immer neidisch geworden war. Jetzt hatte er keinen Blick mehr dafür. Sie bot ihm etwas zu Trinken an, was er ablehnte. "Warum hast du das gemacht, Ayumi?" fragte er sie, als sie sich in ihrer Küche gegenübersaßen. Sie senkte den Blick und sah selbst traurig aus. "Es ging einfach nicht mehr. Er... Ich habe immer die zweite Geige gespielt, das kann ich einfach nicht." "Du warst aber nie zweitrangig für ihn", erklärte Shindo nachdrücklich. "Go ist sein Beruf, sein einziges Hobby. Aber du... du... warst alles andere." Sie schüttelte nur den Kopf. "Shindo, ich habe auch einen Beruf und ich habe auch Hobbys, aber die habe ich hintenan gestellt. Wenn er angerufen hat, bin ich sofort gesprungen. Wenn ich gerade losging, hat er mir abgesagt – viel zu viele Male. Ich habe manche Tage nur hier gesessen und auf seinen Anruf gewartet." Ayumi schniefte, doch sie blieb stark. "Als er diesen Titel wieder gewonnen hat, da... ich dachte, er würde wenigstens anrufen oder vorbeikommen, aber es kam gar nichts. Ich möchte nicht mein ganzes Leben lang warten müssen." Er legte ihr die Hand auf den Rücken, weil auch sie drohte, loszuweinen. Immer musste er stark sein, dachte Shindo. Keiner tröstete ihn, obwohl es ihn genauso hart getroffen hatte. Er konnte nicht erzählen, dass Touya ihr einen Antrag machen wollte, das sollte sie lieber direkt von ihm erfahren, wenn sie je wieder befreundet sein konnten. Stattdessen blieb er nicht lange sondern verabschiedete sich bald. "Er hat sein Leben an deiner Seite gesehen", meinte er zum Abschied. Im Auto kamen die Tränen wieder. Diesmal heulte er laut vor sich hin, das Gesicht in den Händen vergraben, und schrie all die Sachen heraus, die er so lange nicht hatte sagen können. Wie sehr die beiden auch ihn verletzt hatten. Dass er nicht immer stark sein wollte. Er musste Yun sehen. Eine halbe Stunde später war er vor dessen Wohnung. Das Treppensteigen hatte ihm nicht gerade gutgetan, aber es ging noch, also klingelte er. Yun öffnete, er sah noch ganz verschlafen aus und trug Pyjamas. "Shindo? Komm rein." "Hey", lächelte Shindo und küsste ihn im Vorbeigehen auf die Wange. Das war schon so normal geworden, dass er darüber gar nicht nachdachte. Panda kam schwanzwedelnd auf ihn zugelaufen und quietschte fröhlich. Sie hatten sich eine Woche nicht gesehen und Shindo kam es vor, als sei sein Hund in der Zeit ein ganz schönes Stück gewachsen. Das war ihm vorher nie aufgefallen. Er passte längst nicht mehr in nur eine seiner Hände, mittlerweile füllte er beide. Er kniete sich zu Panda und der Hund sprang freudig an ihm hoch und leckte ihm über die Nase, wenn er sie erreichen konnte. Shindo lachte leise und streichelte ihn glücklich. Gut, Touya hatte Recht gehabt, als er ihm den Hund geschenkt hatte. Er wollte jetzt nicht mehr ohne ihn leben. "War er lieb?" "Der reinste Engel", erwiderte Yun. Shindo erhob sich wieder. Im nächsten Moment wurde ihm so schwarz vor Augen, dass er das Bewusstsein verlor und vornüber auf Panda kippte. ~x~ "...gut? ... ... mache mir Sorgen... ... was? ... Bei... ..." Shindo hörte bruchstückhaft Yuns Stimme, als er langsam aufwachte. Er lag auf der Schlafcouch im Wohnzimmer, eine Decke um ihn geschlungen und Yun schien zu telefonieren. Kurz darauf erklang ein leises Piepen und jemand setzte sich zu ihm. "Ich habe Ayumi angerufen. Du hättest mir doch davon erzählen können, Shindo..." Er öffnete die Augen und zwinkerte einige Male, bevor er merkte, dass er weinte. Der Kindergärtner beugte sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. Endlich. Endlich tröstete ihn jemand. Shindo begann zu schluchzen. "Sie... sie hat ihn verlassen!" weinte er. "Sie hat sein Herz gebrochen. Es blutet. Ich habe ihn sterben sehen, Yun." Shindo weinte immer weiter und aus ihm sprudelte immer mehr von dem Schmerz der letzten Woche. "Er ist innerlich tot." Yuns Hände streichelten seine Seiten, dann hielt der andere inne. "Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?" fragte er ernst. "Weiß nicht... gestern oder so." Am Mittwoch hatte er die Suppe gekostet, die er Touya gemacht hatte. Das war schon etwas länger her. "Ich trinke viel Tee", log er. "Du musst etwas essen." "Wie kannst du jetzt an Essen denken?? Touyas Leben ist vorbei, ich muss wieder zu ihm, er..." "Shindo." Yuns Stimme war zum ersten Mal nicht sanft. "Ich weiß, dass du dich um ihn kümmerst. Aber du musst dich auch um dich selbst kümmern. Ich mache dir jetzt Essen und du gehst erst, wenn es in deinem Magen ist." Er nickte unruhig. "Schon gut, in Ordnung." Fahrig wischte er die Tränen fort und setzte sich auf. Wieder wurde ihm schlecht. Schon möglich, dass er nicht gut auf sich geachtet hatte, aber was tat das zur Sache? Yun machte ihm gebratenen Reis und er schaffte nur wenige Happen, bevor er aufgeben musste. Der Kindergärtner zeigte sich gnädig und bestand nicht darauf, dass er alles aß, stattdessen packte er ihm den Rest, der eigentlich der größere Anteil war, ein und bat ihn, den für sich und Touya zu Hause warm zu machen. "Ich komme Montag nach der Arbeit bei dir vorbei. Wehe dir, wenn du dann noch abgemagerter bist", teilte Yun ihm mit, als er seine Sachen wieder zusammensuchte. Panda leckte ihm glücklich die Zehen, als er Shindo die Leine nehmen sah. "Dann bis Montag", murmelte Shindo und verließ mit seinem Welpen die Wohnung. ~x~ "Ich bin wieder da", rief er in die Wohnung, als er zu Hause ankam. Er hörte leise Geräusche aus dem Wohnzimmer und ging ihnen nach, nachdem er Panda von seiner Leine und sich selbst von den Schuhen befreit hatte. Dort saß Touya auf der Couch und sah Star Wars, eine Tasse Tee in den schlanken Fingern. Er sah auf, als Shindo hinzutrat. "Den hab ich noch nie gesehen." "Wurde langsam mal Zeit", lächelte Shindo. "Yun hat uns Essen mitgegeben." Yun hatte auch gesagt, dass er mehr trinken solle, dann würde sein Kreislauf sich bald wieder erholen. Also nahm er Touya den Tee aus der Hand und trank die Tasse selbst leer. Der andere leistete keinen Widerstand. Dann schlurfte er in die Küche und häufte den Reis auf einen großen Teller, den er in die Mikrowelle stellte. Nach zwei Minuten nahm er den dampfenden Teller wieder heraus, holte zwei Löffel und brachte das Essen ins Wohnzimmer. Er setzte sich neben Touya und stellte den Teller auf seinem Knie ab, bevor er dem anderen einen der Löffel reichte. Mit seinem Löffel zog er eine Linie durch die Mitte des Reis' und erklärte: "Jeder eine Hälfte." Er war zwar selbst noch satt von den wenigen Happen, die er bei Yun gegessen hatte, aber dann würde er eben seine Hälfte verkleinern, wenn Touya nicht hinsah. Sie brauchten bis zum Ende des Films, um den Teller gemeinsam zu leeren und durch geschickte Einwürfe wie 'Oh, die Szene ist jetzt wichtig' hatte Shindo seinen Anteil am Essen deutlich verringert. Danach räumte er das Geschirr weg und sah, wie Touya wieder ins Schlafzimmer trottete. Er legte sich wieder zu dem anderen und schob sein Knie zwischen Touyas Beine. "Tja, jetzt sind wir ja doch miteinander im Bett gelandet", schmunzelte Shindo, als sie eine Weile dort gelegen hatten. Touya schien tatsächlich leicht zu lachen, obwohl er nicht sicher sein konnte. "Shindo..." murmelte Touya und legte das erste Mal auch einen Arm um den anderen. "Es tut mir leid, dass ich dich hängengelassen hab. Ich... ich weiß, dass ich nicht der einzige bin, dem es schlecht geht." "Shhh", machte Shindo, sein Mund strich dabei über Touyas Stirn. "Du hilfst mir, indem du hier bleibst, bis du wieder fit bist." Der erste große Schritt war gemacht. Touya sprach wieder. Shindo war froh, dass er anscheinend den schwersten Part überstanden hatte. ~x~ Tatsächlich ging Touya am Montag wieder zu seinen Partien. Er gab das Meijin-Turnier auf, weil er wusste, dass er in den höheren Runden, spätestens gegen Shindo, nicht bestehen konnte. Seine anderen Partien ließ er auf den Vormittag verschieben. Die Lerngruppe am Mittwoch sagte er ab, rief die Jungen aber selbst an, obwohl Shindo anbot, das zu übernehmen. Wenn er mittags von seinen Partien wiederkam, ging er mit Panda raus. Viel mehr tat er allerdings immer noch nicht. In der Mitte der Woche kam Touyas Sofa an. Er betrat das erste Mal seit fast zwei Wochen wieder seine eigene Wohnung, doch er blieb nicht lange. Shindo war froh, dass Touya sich so auf ihn verließ. Als sein Vater damals gestorben war, hatte er versucht, alles mit sich selbst auszumachen und Shindo hatte sich ihm aufdrängen müssen, damit er die Hilfe annahm; jetzt blieb Touya von sich aus in der Nähe. Freitag war der erste Tag, an dem Touya sich nicht tagsüber ins Bett legte. Er blieb zwar auf dem Sofa, aber Shindo empfand es wieder als großen Fortschritt. Sein eigenes zertrümmertes Herz schien auch langsam zu heilen. Er weinte nicht mehr im Schlaf. Sogar seine Alpträume traten nicht mehr auf, wenn er bei Touya schlief. Nach einer weiteren Woche lächelte Touya das erste Mal. Am Samstag, drei Wochen nach seiner Trennung, schimpfte er das erste Mal wieder mit Shindo. An diesem Tag war Shindo sich sicher, dass er Touya endlich zurückhatte, dass sein Freund vielleicht bald wieder unter den Lebenden weilte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)