Bloody Snow von Moon-Cat (Wenn dein Freund ein Werwolf ist...) ================================================================================ Kapitel 3: Aufbruch ------------------- Geschockt starrte Lóme ins Feuer, während Can aufstand und zu einer Höhlenwand lief. Noch immer zitterte er. Als er vor der Wand stand, holte er weit aus und schlug mit voller Kraft zu. Die Höhle erzitterte und einige Steinchen fielen von der Decke auf den Boden. Zu gerne würde Can seine Wut an demjenigen auslassen, dem er sie zu verdanken hatte. Als es wieder mucksmäuschenstill war, seufzte Can laut auf und setzte sich zu Lóme, der sich noch immer nicht weiter bewegt hatte. Der Höhlenbesitzer klopfte ihm auf die Schulter. Das brachte den Ausschlag. „Ich verstehe es nicht!“, platzte es aus Lóme heraus. „Du hast doch gegen kein Gesetz verstoßen! Du wurdest doch herein gelegt! Warum wird dann nicht Michael bestraft, sondern du? War Galahad nicht an der Durchsetzung seiner eigenen Gesetze interessiert? Wieso wurdest du verbannt, aber nicht er?“ Lóme schrie fast, als er all die Fragen, die ihm im Kopf herum gingen aussprach. Can seufzte wieder und blickte zurück ins Feuer. „Galahad fand, dass ich zu schwach war. Wäre ich stärker gewesen, wäre ich dazu in der Lage gewesen, Michael und seine Verschwörung aufzuhalten und das Gesetz durchzusetzen. Aber ich war nicht stark, sondern naiv. Dass Michael so eine Verschwörung gelungen war, imponierte Galahad, also verbannte er mich, denjenigen, der zu so etwas nicht in der Lage gewesen wäre. Er sah das mit den Gesetzen nicht so wie ich. Es war ihm egal, ob wir jetzt Menschenfleisch aßen oder nicht, solange es nicht zu sehr ausartete und wir entdeckt wurden. Es herrschte einfach eine große Hungersnot damals“, erklärte der Höhlenbesitzer seinem jungen Freund. „Und warum vertraust du diesem Scheusal jetzt auch noch Alexandra an? Er wird sie umbringen! Selbst dieser alte Vertrag wird ihr nicht helfen!“, flüsterte Lóme mit einer niedergeschlagenen Stimme. Er hatte seinen Kopf gesenkt, doch Can konnte sich vorstellen, dass ihm die Tränen in den Augen standen. Deshalb antwortete er ruhig: „Ganz einfach. Der alte Vertrag basiert auf einer uralten Legende, die von jedem Werwolf, mag er auch noch so stark oder schwach sein, akzeptiert und respektiert wird. Jeder von uns hält sich an diesen Vertrag, leider wissen nur wenige Rudelführer von dieser Abmachung. Der alte Vertrag ist bindend, er ist nicht schriftlich festgelegt, und doch hält sich jeder an diese Abmachung, die mit einem einfachen Handschlag schon besiegelt ist.“ Lóme warf Can einen verwirrten Blick zu. Die Tränen in seinen Augen waren bereits an seinen Wangen entlang gerollt. „Im alten Vertrag ist festgelegt, dass er nur zwischen einer Partei, die für Menschen ist, also den ‚Ningen sonchô ôkami’, und einer, die gegen Menschen ist, den ‚Hi jindôtekina ôkami’, abgeschlossen werden darf. Darin geht es um den Schutz der Leute, die zwischen diese Parteien geraten. Um ihnen auch wirklich die besten Überlebenschancen zu geben, gibt es genau zwei Punkte, an die sich die Vertragspartner halten müssen.“ Can schaute zu dem Jungen. „Erstens, der Werwolf, der gegen die Menschen ist, darf ihnen nichts zuleide tun. Zweitens, der Werwolf, der für die Menschen ist, muss das Gebiet, in dem sich der ‚Hi jindôtekina ôkami’ und die Menschen aufhalten, verlassen. Wenn er die Menschen wiedersehen will, muss mit diesem Werwolf ein Termin ausgemacht werden, oder zumindest bescheid gegeben werden. Wenn sie sich bei einem Treffen wieder die Hand geben, ist der alte Vertrag gelöst. Sobald sich einer der beiden Teilnehmer nicht an die Abmachung hält, ist sein Leben verwirkt und er stirbt auf eine qualvolle Weise an Ort und Stelle durch einen Zauber, der an diesem Vertrag haftet.“ Der junge Werwolf schluckte und zu zweit starrten sie in die Flammen, die immer wieder aufzüngelten. Beide hingen sie ihren Gedanken hinterher, während sich der Himmel vor der Höhle verdunkelte. Es war bereits spät und zudem zogen einige dunkle Wolken auf. Ein weiterer Schneesturm würde hereinbrechen und viele Wege unpassierbar machen – für Menschen. Can atmete auf, als er die ersten dicken Flocken sah. So würde es Alexandra recht schwer fallen, zu ihm zu kommen und ihn am Gehen zu hindern, auch wenn er nicht daran zweifelte, dass Michael ihr das Entkommen schwer machen würde. Er stand auf und holte noch ein paar Holzscheite zum Feuer, damit es nicht ausging. Er warf ein Scheit in die Flammen, während er nachdenklich nach draußen sah. Nie wieder würde er Alexandra einfach so sehen können. Sie würde ihn vergessen und sich nicht wieder an ihn erinnern – er hatte nicht vor noch einmal wieder zu kommen. Höchstens einmal im Jahr melden – Weihnachten womöglich. Er wollte sie nicht an ihn erinnern, nicht an diese Situation. „Wann brechen wir auf?“, fragte Lóme, als es draußen bereits stockdunkel war. Seufzend schaute Can zu seinem jungen Freund. „Ich werde mit Michael reden. Ich will nicht auf diesen verhängnisvollen Tag warten, um dann ihr Herz zu brechen“, antwortete er. „Ich schätze, wir werden morgen schon aufbrechen, um rechtzeitig aus dem Land zu kommen.“ „Verstehe“, war die einzige Antwort, die Lóme von sich gab. Beide legten sie sich vor dem Feuer hin und hingen ihren Gedanken weiter hinterher. Can war sehr damit beschäftigt zu überlegen, wohin sie jetzt gehen sollten. Es gab ein kleines Dorf, in dem jemand lebte, den er kannte. Doch er wusste nicht mehr, ob er es noch tat. Außerdem musste er einige Antworten auf ein paar Fragen bekommen und die bekam er nur hoch oben im Norden, wo es jeden Tag finster war und nur der Mond und die Sterne den Weg beleuchteten – seine alte Heimat. Mit einem kleinen Lächeln auf seinem Gesicht, schlief Can schließlich ein. Die Gedanken an seine Familie ließen ihn träumen, wie er es schon seit langer Zeit nicht mehr getan hatte. Schon früh erwachte Can wieder und hörte ein paar Spatzen in den Bäumen singen. Die Sonne ging gerade auf und es schien, als würde es ein recht schöner Tag werden. Schnee lag meterhoch und versperrte Wege und Pfade. Niemand würde so den Weg in den Wald wagen – nur ein paar Werwölfe. Er hörte schon von weit her das Hecheln der fünf Riesen, bevor sie überhaupt in einem Umkreis von drei Kilometern waren. Vorsichtig rüttelte er an seinem jungen Freund, der noch immer tief und fest schlief. Langsam erhob sich Lóme und schaute seinen neuen Rudelführer müde an. „Was ist los?“, fragte er verschlafen. Can schaute zum Höhleneingang. „Michael kommt vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Komm, wir werden es ihm sofort sagen“, antwortete er und stand auf. Sofort war Lóme hellwach, stand bereits kerzengerade da und sah ebenfalls hinaus in den Wald. Kurz darauf konnten die beiden bereits den Geruch der Verwandlung wittern und sahen schließlich einem nackten Michael entgegen. Ein kurzes Grinsen schlich sich auf Cans Gesicht und eine gehässige Bemerkung lag ihm bereits auf der Zunge, doch er unterdrückte sie und sah sein gegenüber ernst ins Gesicht. „Was denn? Keine Bemerkung über meinen Aufzug und das Wetter?“, fragte Michael bissig und fing an zu zittern. Doch statt zu antworten warf Can ihm eine Decke zu und bat ihn mit einer Handbewegung, sich zu setzen. Skeptisch schaute der Weißhaarige den Braunhaarigen an, tat jedoch, worum man ihn bat. Als er schließlich saß, zog Can den Brief für Alexandra heraus, schrieb noch etwas darauf und überreichte ihn Michael. „Gib das hier Alexandra, es ist ein Abschiedsbrief“, sagte Can. „Ich und Lóme werden sofort aufbrechen, um den alten Vertrag nicht unnötig zu strapazieren und unnötige Gefahren einzugehen. Ich kann schließlich nicht ganz sicher sein, dass du Alex selbst bei diesem Wetter einsperren kannst!“ Michael nickte. „Sie ist ziemlich aufgeregt und geht hin und her, als würde sie wissen, was du vorhast. Aber das soll ja unseren Vertrag nicht beeinträchtigen, nicht wahr?“, meinte er und schaute Can aufmerksam an. Dieser schüttelte den Kopf und schaute zum Höhleneingang. „Dein Rudel kann sich jetzt hier einnisten. Im Winter ist es recht kühl, deswegen sollten sie dafür sorgen, dass das Feuer nicht ausgeht. Im Sommer ist es angenehm kühl für sie. Sie sollten also keinerlei Probleme haben. Falls sie in Menschengestalt herumlaufen, habe ich für sie ein paar alte Hosen in einen der Schränke geräumt“, sagte er. „Ich danke dir, Can.“ Er schaute wieder zurück zu seinem Vertragspartner. „Ich tue das nicht für dich, sondern weil ich Alexandra nicht weiter beschützen kann. Sie ist mir sehr wichtig und ich will nicht, dass sie am Ende wegen mir Probleme bekommt.“ – Can blickte zur Seite. – „Auch wenn es dazu schon fast zu spät ist.“ Schnell schüttelte er den Kopf, lief zum Eingang der Höhle, zog sich die Hose aus und fing an, sich zu verwandeln. Er fühlte das Reißen seiner Haut und hatte das Gefühl, dass er auseinander gezogen wurde. Sein Körper verformte sich vor Michaels und Lómes Augen, während er selbst die Augen schloss und bereits nach nur einer Sekunde verwandelt vor den anderen stand. Wartend sah er Lóme mit seinen braunen Augen an, während dieser nun zu Michael blickte. „Ich werde nun meinen eigenen Weg beschreiten“, sagte er nur, zog sich ebenfalls die Hose aus und verwandelte sich. Can rannte los, als er Lóme in Werwolfsgestalt sah und warf keinen Blick mehr zurück zu seiner Höhle. Falls er jemals zurück kommen sollte, würde sie nicht mehr dieselbe sein und er wollte sie nicht mehr so in Erinnerung behalten. Er wollte für immer die Bilder mit Alexandra in seinem Herzen tragen, die diese Höhle so gemütlich gemacht hatten. Nachdem sie ein paar Stunden gerannt waren, blieben sie stehen und schauten zurück. Can stieß einen kleinen Seufzer aus, während Lóme traurig zu seinem Rudelführer blickte. „Was nun?“, fragte der junge Werwolf Can. Seufzend drehte sich dieser wieder um und lief ein paar Schritte voraus. „Wir sollten jetzt weiter in den Norden laufen“, antwortete er und blickte nach vorne. „Ich habe einige Dinge aufgeschoben, die ich endlich erledigen muss.“ „Was für Dinge?“, wollte Lóme wissen. Can lief gemütlich weiter und achtete darauf, nicht zu viele Spuren zu hinterlassen. Er wollte nicht unbedingt von einem Jäger verfolgt werden, während er auf dem Weg in seine alte Heimat war. „Ach, das siehst du dann schon, Ló“, meinte Can und grinste ihn etwas an. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber zuerst einmal müssen wir noch einem alten Freund von mir einen Besuch abstatten!“ Rätselnd legte Lóme seinen Kopf schief und schaute Can hinterher, der gemütlich weiter lief. Der junge Werwolf lief ihm hinterher, wobei er versuchte, in Cans Fußstapfen zu laufen. Er würde schließlich seine Gründe haben, solche riesigen Schritte zu machen. Sie liefen und liefen, während Lóme sich nervös umschaute. Irgendwie hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Ab und zu dachte er auch, etwas zu hören. Das Rascheln eines Busches oder das Fußstapfen eines anderen Werwolfes. Er schluckte und schaute nach vorne. „Du... Can... Ich hab das Gefühl, wir werden verfolgt!“, flüsterte Lóme Can zu und schaute sich weiter um. Dieser antwortete ganz ruhig: „Keine Panik. Sie wollen uns nichts böses, doch sie wissen noch nicht, wie sie uns einschätzen sollen. Sei einfach vorsichtig und lass dir deine Angst nicht zu sehr anmerken. Sie sind nicht gefährlich.“ Der Junge schluckte. Can war sicherlich erfahrener als er, aber seine Angst konnte er nicht einfach so abschalten. Er war bisher noch nie anderen Werwölfen begegnet und er war auch noch nie weiter von Zuhause weggegangen. Er war zum ersten Mal auf einer Reise über die Landesgrenze. Aber er war mit einem erfahrenen Werwolf unterwegs, das konnte nur gut sein. Plötzlich blieb Can stehen, lief aber sicherheitshalber noch einen Schritt vor, da Lóme fast auf ihn drauf gelaufen wäre. Verwundert blickte er nach vorne. Zwei große, dunkelbraune Werwölfe standen vor ihnen, allerdings in einem gemäßigten Abstand. Einer von ihnen verwandelte sich in einen Wolf. Can tat es ihm gleich. „Wer seid ihr?“, fragte der dunkelbraune Wolf. Can trat einen Schritt nach vorne. „Mein Name ist Can. Der Werwolf hinter mir ist mein junger Freund Lóme und ihr?“, antwortete der Rudelführer. „Can?“, wollte der andere Wolf neugierig wissen. „Diesen Namen habe ich schon einmal gehört! Woher kommst du?“ Er lächelte und trat noch weiter vor. „Komm schon, Marie. Du weißt genau, dass ich in den letzten Jahrhunderten im Süden des Landes gelebt habe, aber eigentlich aus dem Norden komme“, meinte Can und verwandelte sich in einen Menschen. Der Wolf gegenüber bekam große Augen und drehte sich um. „CAN! Verwandle dich wieder zurück!“, rief sie und legte die Pfoten auf den Kopf. Natürlich kam er ihrer Bitte nach und hatte ein breites Grinsen im Gesicht hängen. „Dürfte ich nun mit meiner lieben Schwester reden, Cousinchen?“, fragte Can. Marie schaute ihn mit einem traurigen Blick an. „Ich kann dich leider nicht zu ihr bringen.“ – Ein kleines Lachen entfuhr ihr. – „So gesehen ist es ganz praktisch, dass du vorbei gekommen bist. Da kannst du dein Leben für deine Schwester aufopfern!“, antwortete sie. „Was? Wo ist Keha? Was ist passiert?“, fragte Can aufgeregt und stellte sich vor seiner jüngeren Cousine auf. Sie hatten sich schon einige Zeit lang nicht mehr gesehen, trotzdem hatten sich beide anhand der Farbkennzeichnung und des Geruches wiedererkannt. Eigentlich wollte Can hier nur einen kurzen Zwischenstopp machen. Seine kleine Schwester besuchen und nachfragen, wie es Zuhause so lief. Doch dass Keha in Gefahr schweben könnte, hätte er niemals angenommen. Traurig blickte Marie ihn an. „Hunter hat sie erwischt, als wir auf Jagd waren“, antwortete sie. „H... Hunter? Willst du mich verarschen?“, wollte der hellbraune Wolf fast schreiend wissen. „Sie könnte niemals dem Jäger in die Hände fallen, der schon seit Jahren nach uns Werwölfen jagt! Wieso habt ihr nicht besser aufgepasst? Warum habt ihr sie nicht verteidigt? Warum habt ihr Keha nicht schon befreit?“ Auf einmal hatte er eine riesige Pranke auf seiner Schulter liegen. „Can, beruhig dich. Sie haben sicherlich ihre Gründe!“, meinte Lóme zu seinem Rudelführer. Der junge Werwolf wurde von dem dunklen Wolf skeptisch gemustert. „Dein kleiner Freund hat Recht, Can. Wir wollten ihr ja helfen, doch sie hat uns befohlen zurück zu bleiben, als wir sie in einer Nacht retten wollen. Sie hat gesagt, dass ihr Retter bald käme. Ich schätze, sie meinte dich damit.“ Can knurrte und rannte an den Wölfen vorbei. „Ich kümmere mich sofort darum! Nimm Lóme mit und seid nett zu ihm!“, rief er ihnen noch zu und verschwand in dem Schnee, den er mit seinen Pfoten aufgewirbelt hatte. „Verdammtes Balg!“, knurrte Marie und blitzte Lóme an, der zurück zuckte. Sie gab ihrem Begleiter einen Befehl und lief voraus. Der Junge schluckte, schaute in die Richtung, in die Can verschwunden war und folgte dem seltsamen Paar. Er konnte nur hoffen, dass ihm nichts geschehen würde. ----------------------- Tut mir leid, dass es so lang gedauert hat ^^; Und dann auch noch so kurz >.< Sorry. Aber ich werde mich für das Vierte mehr anstrengen ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)