Fach Deutsch von Ilju ================================================================================ 1.1. Der Besuch der alten Dame ------------------------------ Petersche Scheune Zuvor versuchten Der Arzt und Der Lehrer die Milliardärin Claire Zachanassian von ihrem Racheplan an Ill abzubringen. ... Claire Zachanassian: Die Menschlichkeit, meine Herren, ist für die Börse der Millionäre geschaffen, mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung. Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell. Wer nicht blechen kann, muss hinhalten, will er mit tanzen. Ihr wollt mit tanzen. Anständig ist nur, wer zahlt, und ich zahle. Güllen für einen Mord, Konjunktur für eine Leiche. Los ihr beiden. Sie wird nach hinten getragen. Der Arzt: Mein Gott, was sollen wir tun? Der Lehrer: Was uns das Gewissen vorschreibt, Doktor Nüsslein. Der Arzt: Und was sagt uns das Gewissen? Der Lehrer:Horchen Sie in sich hinein. Dann werden Sie es schon erfahren. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Der Arzt: Mein Gewissen ist verwirrt. Der Lehrer: Bei Zeiten werden Sie schon wieder klar sehen können. Der Arzt: Und was, wenn diese Zeit niemals kommen wird? Der Lehrer: Sie wird kommen. Sie kam bisher immer. Warum sollte sie diesmal fern bleiben? Warum sollte uns unser Gewissen dieses Mal nicht zurecht weisen? Der Arzt: Sie sind der Lehrer. Sie sollten auf alles eine Antwort haben. Warum sind Sie Lehrer geworden, wenn dem nicht so ist? Der Lehrer: Auch ich bin nicht allwissend. Ich bin Lehrer geworden, um zu lernen. Um mein begrenztes Wissen weiter an meine Schüler zu geben und gleichzeitig von ihnen zu lernen. Wir lernen nie aus, wir können nie alles wissen. Aber wir können es zumindest versuchen. Der Arzt: Aber dann beantworten Sie mir: Wie sollen wir entscheiden, was gerecht ist und was nicht? Was vom menschlichen Standpunkt aus vertretbar ist und was nicht? Hat die Zachanassian das Recht auf Rache, weil Ill sie ihm Stich ließ, oder hat Ill ein Recht auf Leben? Der Lehrer: Instinkt. Der Arzt: Wie meinen Sie das? Der Lehrer: So wie ich es anfangs sagte: Wir müssen auf unser Gewissen hören. Der Arzt: Drücken Sie sich doch einmal so aus, dass auch ein Normalsterblicher sie verstehen kann. Der Lehrer: Lasst uns einfach warten. Ich weiß es einfach selbst nicht. Ich brauch jetzt etwas zu Trinken. Das wird helfen. Dann wird mir hoffentlich ein Licht aufgehen. Dann wird mein Verstand benebelt sein und ich werde von diesem unbeirrt urteilen können. Der Arzt: Irgendwann werden Sie sich noch ins Grab trinken. Der Lehrer: wird lauter Hören Sie bloß auf. Was wissen Sie schon?! Sie sind doch bloß Arzt! Was wissen Sie, was mir gut tut und was nicht. Er stürmt hinaus. Der Arzt: Das wird noch übel enden. Er geht langsam und besorgt ebenfalls. 1.2. Der Besuch der alten Dame ------------------------------ (Die Güllener sehen Claire nach, schweigend) Bürgermeister (flüsternd): „Ein Check.“ Pfarrer (empört): „Was haben wir uns bloß dabei gedacht! Wir haben uns hinreißen lassen. Und wofür? Für ein bisschen Reichtum. Nun haben wir jemanden verloren, der diese Stadt um Einiges mehr bereichert hat. Was sind wir bloß für Monster. Dafür werden wir sicherlich alle in der Hölle schmoren.“ Polizist: „Schweigen Sie!“ Pfarrer: „Nein, ich werde nicht schweigen! Ich war damit nie einverstanden, doch ich habe nichts unternommen. Ich habe Ill zur Flucht gedrängt, aber ich war am Bahnhof nicht dabei, als er meine Unterstützung gebraucht hätte. Ich habe versagt!“ Bürgermeister: „Das ist doch gar nicht wahr. Sie haben getan, was Sie konnten. Auch wir taten, was uns möglich war, um die Zachanassian von ihrem unmoralischen Angebot abzubringen. Wir konnten alle nichts tun. Unser Lehrer - der Lehrer, der immer so überzeugend sein konnte - auch er konnte sie nicht davon abbringen. Machen Sie sich keine Vorwürfe.“ Pfarrer: „Doch, genau das werde ich tun. Und ich werde nicht nur mir Vorwürfe machen, sondern ganz Güllen. Auch Ihnen, Herr Bürgermeister! Was sagten ie, als wir das erste Mal das Angebot hörten?“ Bürgermeister: „Das weiß ich nicht mehr. Ich denke, ich sagte, ich würde es mir überlegen.“ Pfarrer: „Sie scheinen alles vergessen zu haben. Ihr scheint alle alles vergessen zu haben. (wendet sich wieder dem Bürgermeister zu, stößt ihn vor die Brust) Ich sage Ihnen, was Sie damals sagten. Sie meinten nicht, Sie würden es sich noch einmal überlegen – nein, Sie haben für ganz Güllen gesprochen. Sie sagten, Güllen bleibe lieber arm denn blutbefleckt. Was ist aus diesem Vorsatz geworden?“ (Schweigen) Pfarrer: „Wir sind Mörder geworden. Elende, feige Mörder!“ (Schweigen) Bürgermeister: „Wir mussten es tun, wir hatten keine andere Wahl.“ Pfarrer: „Oh doch, die hatten wir. Es gibt immer mindestens zwei Möglichkeiten. Und wir haben die falsche ergriffen.“ Polizist: „Wie können Sie so etwas Absurdes behaupten? Ich sorge hier für Recht und Ordnung. Ill hat es verdient. Es war kein Unrecht, es war Recht. Er musste für seine Taten bestraft werden.“ Pfarrer: „Aber die Todesstrafe? Dafür, dass er vor vielen Jahren Claire schwanger sitzen ließ? Das ist doch keine gerechte Strafe!“ Polizist: „Oh doch, das Kind starb durch sein Verschulden. Wie heißt es so schön in Ihrem Lieblingsbuch? 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'.“ Pfarrer: „Dies kann man doch heute nicht mehr anwenden. Als dieses gesagt wurde, bedeutete dieser Grundsatz doch eine Abschwächung der allgemein üblichen Strafe.“ (geht) Bürgermeister (langsam): „Vielleicht hat er doch Recht.“ Polizist: „Und wenn schon? Das macht jetzt keinen Unterschied mehr. Es ist passiert und wir sollten nicht länger darüber nachdenken. Wir können es ohnehin nicht mehr ändern.“ 2.1. Alois Sträubleder ---------------------- Ich heiße Alois Sträubleder und führe zusammen mit Lüding die Lüstra, Lüding und Sträubleder Investment. Ich bin ein verheirateter, erfolgreicher Geschäftsmann, gut aussehend und bei den Damen allseits beliebt - für gewöhnlich. Nur bei einer konnte ich leider nie landen: bei der jungen Katharina Blum. Obwohl ich mein Menschenmöglichstes getan habe, ließ sie mich immer wieder abblitzen und seit sie ihr eigenes Auto hatte, gab es auch keine Gelegenheit mehr für mich, die nach Hause zu fahren und möglicherweise mit ihr in ihre Wohnung zu gehen. Nun hatte ich nicht mehr diese Ausrede vor meiner Frau, trotzdem schaffte ich es, Katharina gelegentlich zu besuchen und, wie ich nun erfahren muss, wurde dabei von ihren Nachbarn durchaus gesehen. Bei diesen Besuchen übergab ich ihr kleine Präsente, von denen, ob nun glücklicher- oder unglücklicherweise, nur ein Ring und ein Umschlag bei der Durchsuchung Katharinas Wohnung gefunden wurde. Auch der Schlüssel zu meinem Sommerhaus, den ich Katharina geradezu aufgezwungen hatte, wurde bei der Durchsuchung nicht gefunden - was mich auch anfangs mit Erleichterung erfüllte. Der Schreck folgte jedoch dicht auf, als mir der Grund für das Verschwinden dämmerte: Ich vermutete, sie habe den Schlüssel an diesen Schwerverbrecher, diesen Mörder, weitergegeben, damit er sich in meinem Haus verstecken konnte. Ich traute mich nicht, nach zu sehen, ob diese Vermutung der Wahrheit entsprach. Ich rief also meinen langjährigen Freund und Anwalt Dr. Hubert Blorna an, der sich zur Zeit im Ski-Urlaub mit seiner Frau befand, und bat ihn, dringend zurück zu kommen. Ich war vollkommen aufgelöst und so fragte er nicht lange nach, bevor er seine Rückreise antrat. Ich fürchtete um meine Existenz, ich fürchtete, mein Name könne in Zusammenhang mit diesem Verbrecher in der Presse fallen. Mit Bangen erwartete ich Blornas Rückkehr und besuchte ihn sofort, als er wieder zu Hause war, um ihm meine Bitte vorzutragen. Ich hoffte inständig, er würde zu meinem Sommerhaus fahren und nach dem Rechten sehen. Ich wurde jedoch enttäuscht: Nicht nur, dass er es ablehnte, diese Aufgabe für mich zu übernehmen, er machte sich zu allem Überfluss sogar lustig über mich! Eine lange Zeit des Bangens begann für mich, obgleich es nur ein paar wenige Tage waren: Ich konnte mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren, aus Angst, Katharina könne meinen Namen an die Presse weitergeben oder man könne Götten in meinem Sommerhaus finden! Wobei ich letzteres sowohl fürchtete, als auch erhoffte. Glücklicherweise hat sich alles zum Guten gewendet: Katharina verriet nicht, wer der "Herrenbesuch" war und mein Name wurde nicht im Zusammenhang mit Götten erwähnt. Nur meinen langjährigen Freund Blorna habe ich verloren aus Gründen, die ich nicht verstehe. Und leider trennten wir uns nicht im Frieden, sondern im Streit - der äußerst schmerzhaft für mich endete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)