Red Moon von HiYasha (Bellas Leben nimmt eine völlig ungeahnte Wende: sie wird zum Werwolf) ================================================================================ Kapitel 17: Dammbruch --------------------- So, wieder geht es weiter… Bella fährt los zu Jacob und alle sind sehr gespannt, was sie dort erwartet… Viel Spaß beim Lesen Eure Hi-chan Dammbruch Die Fahrt zu Jacob kam mir endlos lange vor, dabei war die Strecke doch so kurz. Der magische Mond beleuchtete die einsame Straße, die so spät nachts völlig verlassen vor mir lag. Immer noch wartete ich darauf, dass der Schmerz einsetzte. Ich war es so gewohnt, dass etwas, das mit Edward zu tun hatte, unsägliche Schmerzen bereitete, aber es wollten sich keine einstellen. Im Gegenteil. Ein gewisses Hochgefühl ereilte mich, von dem ich nicht wusste, woher es kam. Warum war ich so aufgeregt? Ich fühlte mich an, als ob ich Fieber hätte, meine Hände wurden feucht und mir entglitt beinahe das Lenkrad. Irgendwie war ich froh, dass ich alles hinter mir hatte, dass dieser Schwebezustand, in dem ich mich über Wochen befunden hatte, endgültig vorüber war, auch wenn ich es immer noch unvorstellbar fand, dass meine Liebe zu Edward wirklich verschwunden sein sollte. Hatte sie sich einfach so in Luft aufgelöst? Oder war es ein schleichender Vorgang gewesen, den ich gar nicht richtig registriert hatte? Ich wusste nur noch, dass der Zauber, der mich sonst umfing, verflogen war, als ich ihn heute Nacht erblickt hatte. Die ganze Zeit hatte ich nicht mehr gewusst, wohin ich gehörte, und egal was ich tat, es war falsch gewesen und hatte meine Mitmenschen nur verletzt. Nein, eigentlich hatte ich nur Jacob verletzt, und Leah war die einzige, die mir das so deutlich und mit aller Wucht mitten ins Gesicht geschleudert hatte. Bestimmt hasste sie mich für alles, was ich Jacob angetan hatte… denn ich hasste mich selbst dafür. Ich war weggerannt vor Scham. Aber nun… fühlte ich mich auf einmal so frei. Ich musste nichts mehr verbergen… nichts mehr verstecken… mir nichts mehr vormachen… auf nichts mehr Rücksicht nehmen. Dieses seltsame Gefühl der Freiheit durchdrang mich dermaßen intensiv. War ich so froh, weil Edward weg war? Ich fühlte in mich hinein und empfand lediglich ein dumpfes Bedauern. Nein, es war nicht wegen Edward… Was war nur mit mir los? Ich konnte vor lauter Zittern kaum noch fahren, und das Steuer entglitt fast meinen Händen. Vorsichtig ging ich vom Gas und ließ den alten Transporter ausrollen. Bis er stand, meinte ich schon zu ersticken. Diese Stelle kannte ich doch. Schon einmal hatte ich hier gestanden, weil ich nicht mehr in der Lage gewesen war zu fahren. Damals war ich von Jacob nachhause gefahren, nachdem er so schwer verwundet worden war und wir uns gerade an seinem Krankenbett unsere Liebe gestanden hatten – eine Liebe, die trotzdem so sinnlos gewesen war, weil ich ihn im gleichen Augenblick wieder verlassen hatte, um Edward zu heiraten und mit ihm wegzuziehen. Damals hatte ich nicht mehr fahren können, weil es mich regelrecht zerrissen hatte. Dabei hatte ich noch so mühsam versucht, diese Liebe zu verbergen, damit ich keinem wehtat. Und dann wurde ich Meister darin, sie komplett zu verdrängen, damit ich weiter leben konnte, um meinen Weg zu gehen, den ich mir ausgesucht hatte und der so deutlich vor mir gelegen hatte. Die Wahrheit, die ich jetzt langsam erkannte, nahm mir den Atem. Mein Herz raste, das Blut rauschte in meinen Adern. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich so etwas wie eine klare Sicht, und diese war nur noch von einem erfüllt: von Jacob. Überlebensgroß sah ich ihn vor mir, sein wunderschönes Gesicht, die blitzenden, schwarzen Augen unter den dunklen, geraden Brauen, die sanften Erhebungen der Wangenknochen, das kleine Grübchen am Kinn, die vollen Lippen und seine schimmernden, weißen Zahnreihen, wenn er lachte…aber das hatte er so selten getan in den letzten Wochen. Ich wusste, dass die Enttäuschung aus ihm sprach, sowie Schmerz und Qual, die mir Leah so deutlich vor Augen geführt hatte und vor der ich diese immer hatte verschließen wollen. Seufzend lehnte ich den heißen Kopf gegen das kühle Lenkrad. Ich war vollkommen erhitzt. Die Flut der Bilder nahm zu. Ich schloss die Augen, doch es wurde immer schlimmer. Wie in einer Collage formten sich Erinnerungen, reihte sich Szene an Szene aneinander, jagten sich Gedanken, die ich so lange mit aller Macht unterdrückt hatte. Nun bahnten sie sich einen Weg in mein Gehirn und überfluteten es restlos. Ich sah Jacob mit noch langen Haaren, rabenschwarz und glatt, die ihm weit über die Schulterblätter reichten, mit dem breiten Lächeln auf dem kindlichen Gesicht am Strand in La Push, wie er damals an meinen Lippen hing. Und wie groß er mir erschienen war, als ich ihn dann nach langer Zeit wieder sah, als er mit so großer Leichtigkeit die schweren Motorräder von der Ladefläche hob. Dabei war das nur die Ankündigung all der Veränderungen, die sein Körper noch durchmachen würde. So selbstverständlich hatte er mich aufgenommen, ohne auch nur ein Wort zu fragen. Ich erinnerte mich wie heute an die Hände, die so geschickt das Werkzeug benutzen, die so behutsam, ja beinahe zärtlich am Metall entlang strichen und mit größerer Gewissenhaftigkeit arbeiteten, als sie ein Sechszehnjähriger sonst aufzubringen vermochte. Und trotz der Ernsthaftigkeit, die er bei seiner Arbeit bewies, war da immer sein spöttisches Grinsen, sein schallendes Lachen, die Scherze, die er mit rauer, kehliger Stimme zum Besten gab. Und ich war ständig hinter ihm gewesen, neben ihm, um ihn - er war damals mein Lebensmittelpunkt gewesen, meine persönliche Sonne, die ich umkreiste. Ich erinnerte mich noch so gut, wie er meine Hand ergriff, wann immer ihm danach war, so unbeschwert, so unbefangen, so leicht. Er war mein bester Freund, mein Bruder, mein Gefährte, und nichts konnte uns trennen. Nur er wollte nicht mein Bruder sein… Und mir wurde bewusst, dass sich auch bei mir etwas verändert hatte. Ich hatte es damals nicht bemerkt, nicht wirklich. Meine Gefühle waren viel zu sehr an Edward gebunden gewesen, die Schmerzen über seinen Verlust waren viel zu groß, als dass ich es wirklich erfasst hätte. Aber als wir die Maschinen ausprobierten, als ich so schlimm gestürzt war und er dafür so spielerisch leicht auf seinem Motorrad daher preschte, als er sich das Shirt auszog und es mir gab, damit ich mir das Blut abwischen konnte, weil er nichts anderes hatte, da drang es zum ersten Mal in mein Bewusstsein, dass dieser unscheinbare Junge tatsächlich ein Mann war, der dazu auch noch einen atemberaubenden Körper hatte. „Du bist irgendwie schön!“, hatte ich gestammelt. Mehr war mir damals in meiner Befangenheit nicht dazu eingefallen, mehr hatte mein kaputtes Herz nicht bis zu meiner Zunge vordringen lassen. Und trotz seines Scherzes, mit dem er alles abtat, war ich mehr Frau für ihn geworden, als mir lieb gewesen war. Und ich erinnerte mich an feste Arme, die mich umschlangen, an Umarmungen, die mir teilweise die Luft raubten, an seinen Kopf auf meinen Haaren, an seine vollen, geschwungenen Lippen, die sich meinen näherten, seine flehende Blicke… Mir schwindelte, und doch nahm die Flut an Bilden weiter zu. Jede Sekunde, die ich mit ihm jemals verbracht hatte, schien auf einmal aufzuerstehen, sich mir mit blanker Gewalt in mein Gedächtnis zu schieben, nachdem ich alles, was mit ihm zu tun hatte, die ganze Zeit so vehement versteckt hatte, verborgen und unter einen Teppich gekehrt. Und nun brach dieses Behältnis auseinander und überschüttete mich mit seinem Inhalt. Mir fehlte fast die Kraft zu atmen. Ich erinnerte mich an den abrupten Wandel, die kurzen Haare, das verbitterte Gesicht, Schatten über finsteren Augen, Groll und Zorn, und ein Körper, der dabei alle Grenzen zu sprengen schien, mit Muskeln wo man hinsah, der strotze vor unbändiger Kraft und doch gepaart war mit Schnelligkeit, Anmut und Geschmeidigkeit. Er war erfüllt gewesen von bitterer Enttäuschung, Trauer, Schmerz, und noch mehr Wut. Das Rad der Erinnerungen drehte sich schneller… zeigte mir entblößte Zähne, Drohungen und Angriff. Ein brauner Körper, der explodierte und zu dem rostbraunen Wolf wurde. Ein wildes Tier, gigantisch groß, mit fruchterregenden Fangzähnen und bedrohlichem Brüllen brachte Tod und Zerstörung… und kauerte an meiner Seite wie ein Schoßhund. Und wieder die Zartheit, die in seinen Händen lag, wenn er mich berührte. Und dann wieder Jacob, wie er gegen sein Motorrad lehnte, zwei Meter groß, alle überragend, finster und furchteinflößend, ängstliche Blicke, die auf ihm ruhten, und wie er langsam den Kopf drehte und mich aus den tiefliegenden Augen mit dieser emotionslosen Miene anblickte, die mich so schmerzte. Oder der Gegensatz dazu, sein Gesicht, das wie eine Sonne erstrahlte, wenn er mich sah. Und dann… das Lächeln, diese schimmernden Zähne, die funkelnden Augen, seine Hände, die meine hielten, seine Arme, die mich umfassten. Mein Gesicht in seinen großen Händen, sein heißer Atem auf meiner Haut, seine Lippen auf meinen, so hart, so brutal und fordernd… und dann so weich und süß… Ich keuchte, und in meinem Magen tobte etwas, was mit Schmetterlingen nicht mehr vergleichbar war. Eher mit wild gewordenen Drachen. Mir schwindelte, und ich rutschte fast vom Fahrersitz herunter. Es fühlte sich schlimmer an als eine Stunde Karussellfahren. Ich war entsetzt. Entsetzt, dass mein Verstand in der Lage war, so etwas auferstehen zu lassen, dass mein Körper fähig war, sich dermaßen schwindelig zu fühlen. So etwas hatte ich noch nie gefühlt. Und Edward hatte meinem Körper viel entlockt. Und da wusste ich es. Ich erkannte endlich, dass das, was ich mit purer Gewalt mit Stumpf und Stiel ausgerottet zu haben meinte, lebte. Immer noch! Stur und beharrlich… Dass der verkohlte Teil meines Herzens, der, den ich bis auf die Grundmauern nieder gebrannt hatte, längst wieder auferstanden war. Wie der Vogel Phönix, der leuchtend und glänzend aus der Asche aufstieg, so war dieser Teil meines Herzens wieder gewachsen. Phönix, wie die Stadt, in der ich so lange gewohnt hatte. War das ein Zeichen für mich? Ich hatte diesen abgerissenen Teil die ganze Zeit ignoriert, dachte, er wäre nicht mehr da, hatte ihn nicht mehr wahrhaben wollen, ihn unterdrückt. Ich hatte mich nur noch auf Edward konzentriert, nur er war mir noch wichtig gewesen. Ich hatte mich für ihn entschieden, war entschlossen gewesen, ihn zu heiraten. Jacob sollte in meinem Leben keine Rolle mehr spielen. So hatte ich es mir zumindest vorgestellt. ‚Keine Tränen mehr für Jacob Black!‘ Aber dieser andere Teil meines Herzen, der war immer noch da, diese Liebe war immer noch da. Unentdeckt und unbeobachtet war sie gewachsen, wie eine Blume, die sich hartnäckig und zäh unter dem Asphalt durchbohrte, bis sie ihre Blüte ans Licht brachte. Nichts konnte sie aufhalten, nichts begraben. Dieser Liebe war riesig geworden, sie ließ mich erbeben, sie heftete meine Augen auf ihn, wann immer ich diesen Jungen sah. Er zog mich magisch an, in diese Hütte, an seine Seite, und ich erkannte nur zu deutlich, wie mächtig meine Gefühle für ihn geworden waren. Wie hatte ich das nur übersehen können? Ich hatte ihn schützen wollen… ich wusste ja, er war weggelaufen, weil alles mehr war, als er ertragen konnte. Trotzdem war er zurückgekommen, um mir zu helfen. Er wollte mich nicht alleine lassen mit all der Veränderung, dem Wandel, meiner Angst und Furcht. Er hatte mir die Vertrautheit geboten, den schützenden Hafen, den ich in den letzten Wochen so dringend gebraucht hatte, der mir half, das alles durchzustehen. Und ich habe ihn dafür bewahren wollen vor dem Schmerz, den meine Nähe mit sich brachte. Ich hatte mich so panisch auf Abstand gehalten, ich hatte mich so streng an meine eigenen Regeln gehalten, um ihm ja nicht weh zu tun, dass ich mich gar nicht mehr gefragt hatte, was ich eigentlich für ihn empfand. Ich wollte es auch gar nicht mehr wissen. Mir selbst hatte die Trennung von ihm ebenfalls große Schmerzen bereitet, und seit damals hatte ich meine Gefühle für ihn einfach in eine Schachtel gepackt und den Deckel zugemacht. Zusätzlich war ich abgelenkt, war dauernd beschäftigt - und hatte nur auf Edward gewartet. Und das mit Edward war nun so schnell vorbei gegangen. Ich hatte erkannt. Und gehandelt. Ich hatte das umgesetzt, was ich gefühlt, besser nicht mehr gefühlt hatte, ich hatte das getan, was ich tun musste, um wieder einen Schritt weiter zu kommen, um den Veränderungen gerecht zu werden, die sich in meinem Leben ergeben hatten. Nichts blieb, wie es war. Und ich hatte den Schritt getan. Und den nächsten wusste ich auch schon. Es lag deutlich vor mir. Ich raffte mich wieder auf. Die Zeit des Wartens war vorbei. Ich war vollkommen euphorisch und fühlte mich wie beschwipst. Ich wollte nur noch zu ihm, so schnell wie möglich. Ich rammte den ersten Gang ins Getriebe und gab Gas, doch sobald ich in die Nähe der weinrot gestrichenen Hütte kam, fuhr ich so leise wie möglich an den Wegrand und stellte den schnaufenden Transporter ab. Die klapprige Türe schloss ich fast ohne Geräusche. Die Haustüre war unabgeschlossen wie immer, und ich bewegte sie langsam, damit sie nicht quietschte. Den Weg zu seinem Zimmer fand ich auch in der Dunkelheit, und schon hatte ich die Türe erreicht, hinter der lag, was ich schon so vermisst hatte. Das große Bett lag im sanften Schein des roten, vollen Mondes, und ich konnte nur vage seine Gestalt erkennen. Meine Augen hatten sich noch nicht ganz an die Dunkelheit gewöhnt. Ich streifte schnell die Schuhe ab und ließ die Jacke fallen, die ich schon ausgezogen hatte, weil ich sie doch eh nicht brauchte. Mein Herz fing an wie verrückt zu pochen, jetzt, hier, wo es doch vorher die ganze Zeit geschwiegen hatte. Ich hatte schon Angst, dass ich ihn allein damit wecken würde. Er lag wie immer quer über das ganze Bett, die Decke bedeckte nur noch die schmalen Hüften und seine langen Beinen, sein Oberkörper war wie immer nackt. Sanft hob und senkte sich der mächtige Brustkorb. Er atmete geräuschlos, vielleicht schlief er noch nicht lange, und ich hatte wieder den Verdacht, dass er sich doch in meinem Garten herum getrieben hatte und gerade erst zurückgekommen war. Meinen Chevy einzuholen war für ihn keine große Kunst. Und er schlief schnell ein, wenn er müde war. Jetzt, wo ich wirklich hier war, so dicht neben ihm, war ich vollkommen befangen. Da lag ein ganzes Bett voll Mann vor mir. Ich betrachtete seinen muskulösen Körper, konnte langsam seine entspannten Züge im fahlen Mondlicht erkennen. Er strahlte eine solche geballte Ladung Erotik aus, die mir bisher nie so deutlich aufgefallen war und mich nun vollkommen schwindelig machte. Dieser Junge war Testosteron pur, so ganz anders als Edward, der immer so verhalten, so zurückhaltend, ja geradezu leidend wirkte. Jacob strotzte vor Kraft und Selbstbewusstsein, und trotzdem hatte er eine so natürliche Eleganz und Schönheit wie auch eine gewisse Bescheidenheit an sich. Ich war wohl nicht vorsichtig genug, als ich mich sachte auf die Bettkante setzte. Ich bemerkte, dass er wach wurde und seinen Kopf leicht hob, um zu prüfen, was los war. Als er mich erkannte, rutsche er hoch und setzte sich wortlos aufrecht mit dem Rücken gegen das hohe Kopfteil, dabei schob er einen Arm angewinkelt hinter seinen Kopf. Er schien abzuwarten, was ich ihm wohl unterbreiten wollte. Dabei spürte ich seinen Blick auf meinem Gesicht mehr, als dass ich ihn sah, nur seine dunklen Augen glänzten ein wenig. Eigentlich hätte ich mich ihm am liebsten sofort an den Hals geworfen und ihn gedrückt. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Verdammt! Jetzt hatte ich ihm endlich mal etwas Schönes zu sagen, und nun saß ich da und bekam kein Wort heraus. Ich schaute ihn nur an, strich mit meinem Blick über seinen Körper, über den muskulösen Bauch, die breite Brust, den sehnigen Hals entlang, über die geschwungenen Kanten seines Kinns bis hin zu diesen Lippen, die mich magisch anzogen. Gerne hätte ich diese Spur mit meinen Fingern nachgezogen, aber das traute ich mich nicht. Sie hätten auch viel zu sehr gezittert. Er saß auch einfach nur so da, und ich meinte, ein kleines, spöttisches Lächeln in seinen Mundwinkeln zu sehen, oder hatte ich mich getäuscht? Rein gar nichts ging von ihm aus, keine Aufforderung, kein Entgegenkommen. Er saß nur stumm da und schaute mich an, und ich war noch befangener als zuvor, und auch ein wenig enttäuscht. Er machte es mir auch verdammt schwer. Ich riss all meinen Mumm zusammen, kniete mich neben ihn auf das Bett und schwang ein Bein über seinen Körper. Gott, woher nahm ich nur den Mut? Ich setzte das Knie wieder neben seinem Brustkorb ab und beugte mich dann über ihn, wobei ich deutlich seinen heißen Körper unter mir spürte. Mir war augenblicklich genauso heiß. Vorsichtig schielte ich zu ihm hoch, wie er reagierte. Er zog die schwarzen Brauen ein wenig zusammen und ich sah, dass er die Nasenflügel kraus zog. Was hatte er nur? Wenn, dann roch ich nach Hund wie er auch. Dabei konnte ich das gar nie riechen, nur die Vampire machten so einen Terz darum. Aber ich wollte mich jetzt nicht bange machen lassen, und bevor ich zu lange nachdachte, streckte ich einfach beide Arme nach ihm aus. Wie in Zeitlupe strich ich mit meinen Handflächen an seinen Wangen entlang, und ein Prickeln schoss meine Arme hoch bis in die Ellbogen. Ich erfasste sanft sein Gesicht, ließ die zittrigen Fingerspitzen an seinen Wangenknochen entlang wandern bis hinauf zu seinen pochenden Schläfen, die ich dann bedeckte. Er schaute mich leicht fragend an, hielt aber immer noch still. Allein sein Gesicht in meinen Händen zu halten, warf mich beinahe um, und ich musste meinen Atem beruhigen, weil ich merkte, dass ich ziemlich keuchte. Mein Herz pochte wie verrückt und die Drachen sprangen Trampolin in meinem Bauch. Ich hielt inne, dann beugte ich meinen Kopf weiter zu ihm hinab, näherte mich ihm immer mehr, aber ich berührte ihn nicht. Ich schloss die Augen und spürte die unglaubliche Ladung, die in der Luft lag. Allein sein Atem auf meiner Haut reichte aus, um mich vollkommen verrückt zu machen. Alle Härchen meines Körpers stellten sich auf, und ich war mir sicher, dass um meine Gestalt ein blaues Licht leuchten würde. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen, und ich vergrößerte den Abstand wieder, um klarer zu werden. Aber es gab keine Rettung mehr. Wieder beugte mich über ihn, senkte den Kopf und da kam sie: die Explosion, als ich seine Lippen gerade mal sacht berührte. Sie war so heftig, wie wenn ich mich verwandelte und das Tier aus mir heraus platze, und ich zitterte genauso. Es war so ganz anders als all die brutalen, rohen Küsse, die er mir schon geraubt hatte. Und doch war der letzte Kuss damals auf dem Berg, den er mir gegeben hatte, eine Andeutung von dem, was sich mir gerade auftat. Seine Lippen waren vorsichtig und unendlich weich, und ich schien zu brennen, als ich sie spürte. Ich löste mich wieder, konnte nur flach über die sanften Konturen streichen, sie fester zu berühren hätte mich in Flammen aufgehen lassen. Ich fuhr mit meinen Händen langsam in seine struppigen, halblangen Haare und griff fester hinein, während ich meine Wangen in geringem Abstand über seine bewegte. Dabei atmete ich reichlich angestrengt, denn ich konnte mich kaum noch zurück halten, aber ich wollte auch nicht über ihn herfallen. Ich schloss die Augen, suchte seine Lippen wieder und legte meine so unendlich sanft auf seine wie ich nur konnte. Meine ganze Liebe für ihn lag in dieser Berührung, mein Herz war auf Reise gegangen seinen Körper zu besuchen. Ich vertiefte die Bewegung, erhöhte sanft den Druck, und ich spürte, wie Leben in seinen Lippen kam. Mein Mund tastete seinen ab, strich weit hinaus bis über die hohen Wangenknochen, um wieder zurück zu kehren und von ihm begrüßt zu werden. Das war ein vollkommen anderer Jacob, aber ich spürte, dass dies der echte war, der sich nichts mehr beweisen musste, der keinen Sieg erringen und kein Spiel spielen musste. Er war wahr und aufrichtig, und er war so unendlich süß und verlockend wie ein ganzer Stock voll Honig. Ein Ruck ging durch seinen Körper, und ich dachte schon einen kurzen Augenblick, er wolle mich wegstoßen. Aber dann drückte er mir seinen Mund entgegen, und ich spürte seine Finger, die sich zittrig durch meine Haare wühlten, und das Gefühl inniger Berührung umfing meinen ganzen Kopf. Überall war Hitze, überall Bewegung, überall Berührung, überall war Jacob. Ich hatte längst diesen Ort verlassen, dieses Bett, in dem ich so lange unschuldig neben ihm geschlafen hatte. Ich hatte Sphären unter dem Himmel erreicht, unter dem roten Mond, schwebte davon auf einer Wolke, eingehüllt von funkelnder Elektrizität. Blitze schossen auf mich herab, mein Körper war nur noch Sensor für seine Berührung, nahm die Geschmeidigkeit und die intensive Nähe seiner Haut auf… da war nur noch er. Auf einmal bäumte er sich auf und stieß mich grob von sich. Mit voller Wucht stürzte ich von meiner Wolke. Er hatte meine Oberarme gepackt und hielt mich mit etwas Abstand von sich entfernt, als ob ich ihn beschmutzen würde. Entsetzt blickte ich ihn an. Wut stand auf einmal in sein Gesicht geschrieben. „Jacob, was ist?“ Mehr als ein Hauch brachte meine Stimme nicht zusammen. Ich war so erschrocken, mit einer Gegenwehr hätte ich nicht gerechnet. „Was willst du hier?“, fauchte er mich heiser an. So echt der Kuss gewesen war, den er mir gegeben hatte, so echt war auch seine Wut. Mein Herz blieb augenblicklich stehen und mir wurde schlecht. „Du riechst noch nach ihm“, schleuderte er mir entgegen und zog angewidert die Nasenflügel hoch. Das hatte er also gerochen… natürlich! Edward war ja vor kaum einer halben Stunde noch bei mir gewesen. Das hatte ich vollkommen vergessen… und kam mir jetzt vor wie ein Flittchen. Zu gerne wäre ich in den Erdboden versunken, am besten gleich bis in die Hölle. „Du schmeckst noch nach ihm…“ Jetzt war sein Gesicht nur noch Abscheu. Ich konnte kein Wort sagen, mir liefen einfach nur die Tränen die Wangen hinab. Es war so, er hatte Recht, und ich hatte nicht daran gedacht. Weil es für mich keine Bedeutung mehr hatte. Aber für ihn war es wichtig. „Er ist weg, nicht wahr? Und drum kommst du angekrochen. Ich will aber nicht sein Ersatz sein. Such dir jemand anderen, mit dem du dieses Spielchen spielen kannst. Ich bin mir langsam zu schade dafür.“ Ich schüttelte ablehnend den Kopf. „Nein, Jake, so ist es nicht. Ich… ich… ich habe mich entschieden… also… für dich… ich… ich liebe dich…“ Mir fiel nichts Vernünftiges ein, was ich sagen könnte und was mein wohl reichlich vorschnelles Auftauchen bei ihm irgendwie hätte rechtfertigen können. Ich hatte nicht nachgedacht. Ich hatte nur gehandelt. Voll aus meinem Gefühl heraus. Wohl zu schnell… für ihn zu schnell. Er schob mich wie eine Puppe zur Seite, setzte sich im Bett auf und schaute mich zornig an. „Ach ja?“ Seine Stimme klang so höhnisch. „Ich habe an dich geglaubt, an uns geglaubt über so lange Zeit. Nie habe ich aufgegeben, und wenn es noch so schmerzte. Aber was kam von dir? Eine Abfuhr nach der anderen.“ Ich starrte ihn nur an. Ich wusste ja, dass er Recht hatte. Trotzdem hob ich die Hand und streckte sie nach ihm aus, aber er schob sie weg. „Und jetzt erlaubst du dir echt, zu mir zu kommen, wo du gerade noch mit ihm zusammen warst? Ja, ich hab ihn gesehen. Du kannst mir nichts verheimlichen. Und ich habe ihn wegrennen sehen. Er hat dich stehen lassen. Wieder mal! Und ich hab noch mit mir selbst gewettet, dass es nicht lange dauern wird und du wieder bei mir auf der Matte stehst, dass ich doch dein bester Freund sei und du mich so brauchst. Dass du so schnell bist, hätte ich nicht gedacht.“ „So war es nicht… ich… ich habe mich von ihm…“ „Ach was, was hast du? Dich von ihm getrennt? Das denkst auch nur du.“ Ich schluchzte. Warum wollte er mir nicht einmal das glauben? Wieder fischte ich nach seiner Hand, wieder entzog er sie mir. „Aber ich habe…“ „Was? Er kam mit der Schwarzhaarigen her, und sie haben noch beraten, wie er es dir am Besten beibringen kann. Mach dir doch nichts vor.“ Sein Blick wirkte fast ein wenig mitleidig, und ich verstand nicht so recht, was er meinte. „Jacob, ich habe ihn weggeschickt, glaub mir. Sonst wäre ich auch nicht zu dir gekommen.“ Meine Wangen wurden jetzt von Tränen regelrecht überflutet, und ich bekam die Worte kaum noch heraus. Der unberechtigte Vorwurf machte mich vollkommen fertig. Ich fühlte mich so hilflos. Warum wollte er mir nicht glauben? „Ach, das ist doch vollkommen egal. Verstehst du nicht? Ich habe genug. Ich bin es leid. Er kommt und geht. Dann kommst du zu mir und haust wieder ab. Und ich bin immer der Idiot, der in die Röhre schaut. Ich habe dir gezeigt, dass ich dich liebe. Und ich habe dir gezeigt, dass du mich auch liebst. Mehr kann ich nicht tun. Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Ich liebe dich, Bella Swan, aber ich habe genug. Genug von dir und deinen Spielchen.“ Er war inzwischen aufgestanden, während ich noch mit hängenden Schultern auf dem Bett saß. Er war so richtig in Fahrt, und ich merkte, wie er vor Aufregung am ganzen Körper zitterte. Er würde nicht mehr lange an sich halten können. „Hör auf, mir wieder etwas vorzumachen. Lass mich einfach in Ruhe.“ Die Wut verzerrte seine Züge, und er zitterte immer mehr. Er stand schon drüber bei dem kleinen Fenster, durch das der kupferne Mond schien. Mit einem Ruck schob er das Fenster weiter hoch. Dann drehte er sich noch einmal zu mir um. „Tut mir leid, ich glaube dir nicht… nicht mehr. Das hast du schon zu oft gebracht. Ich lasse mich nicht tausend Mal brechen. Überleg dir was Besseres.“ Dann sprang er einfach durch das Fenster und verschwand. Ich hörte noch das reissende Geräusch, als er sich verwandelte. Tja, nicht das, was die meisten von euch erwartet haben, oder? Was meint ihr? Wird Jacob sich wieder beruhigen? Scheibt mir doch… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)