Live together, die alone von sherd (Der erste Orden des Phönix) ================================================================================ Prolog: -------- „Wie lange soll ich denn jetzt noch hier rumstehen!?“, brüllte Mad Eye und sah äußerst unzufrieden aus. „Ich hab’s ja gleich.“, beteuerte Sturgis und fummelte weiter an dem Gerät in seiner Hand herum. Sirius lachte. „Hast du schon jemals `ne Kamera bedient?“, wollte er schließlich wissen. Der Angesprochene schaute auf und blickte in zwanzig teilweise ungeduldige, teilweise belustigte Gesichter. „Ich… ähm… nein, aber dazu muss man kein Genie sein, oder?“ „Anscheinend schon. Also bist du völlig ungeeignet, Sturgis.“, neckte ihn Fabian, der vor seinem Zwillingsbruder ganz links an der Seite stand. Gideon konnte daraufhin ein Lachen nicht mehr unterdrücken. Lily Potter schlug ihn sanft auf den Arm. „Sei nicht so gemein. Er bekommt das ganz bestimmt gleich hin.“, versicherte sie. „Wessen Idee war das eigentlich ein Foto zu machen?“, verlangte Remus zu wissen, der so weit wie möglich hinter Lily stand – er wurde nicht sonderlich gern fotografiert. James, welcher zur Linken seiner Frau seinen Platz eingenommen hatte, wandte sich zu ihm um. „Die von Tatze natürlich. Wer auch sonst kommt auf so etwas?“ Sirius wandte sich nun ebenfalls um. „Aber nur, damit ich mein Hübsches Antlitz auch in zehn Jahren noch bewundern kann, Moony. Ich bleib‘ bestimmt nicht immer so faltenfrei.“ Wurmschwanz kicherte hinter James und Lily über diese Aussage, während Benjy Sirius eine Hand auf die Schulter legte und sich nun auch in das Gespräch einmischte. „Das ist wahrscheinlich eine deiner besten Eigenschaften, Sirius: deine Bescheidenheit.“, witzelte er und tauschte einen belustigten Blick mit Caradoc Dearborn, der hinter ihm stand. Der kleine Dädalus Diggel, der ganz vorn platziert worden war, richtete seine Schiebermütze und warf einen Blick auf Dumbledore, welcher in der Mitte und hinter ihm stand, geduldig wartete und freundlich lächelte. Hagrid, der ein wenig bedrohlich aussehende, Halbriese, von dem aber jeder wusste, der ihn kannte, dass er ein außerordentlich sanftes Wesen hatte, hatte hinter dem Schulleiter von Hogwarts - der Schule für Hexerei und Zauberei – seinen Platz eingenommen und machte einen zufriedenen, sowie stolzen Eindruck. Edgar Bones wartete, ebenfalls ohne zu murren, neben Albus Dumbledore darauf, dass das Foto endlich geschossen wurde. „Wenn das hier jetzt nicht sofort losgeht, hetz‘ ich dir ‘nen Fluch auf den Hals, Podmore!“, polterte Moody plötzlich los, woraufhin Alice und Frank Longbottom, sowie Dorcas Meadowes und Emmeline Vance instinktiv zusammenzuckten, da sie alle vier vor ihm standen und seine durchaus bedrohlich laute Stimme die vier ein wenig erschreckt hatte. Elphias Doge, ganz am rechten Rand warf nur einen skeptischen Blick zu Mad Eye hinüber. Marlene McKinnon, die ebenfalls ganz rechts außerhalb und vor Doge stand, kicherte nur über die Reaktion des Aurors und schaute weiterhin freundlich lächelnd zu Sturgis, der auf einmal von dem Stuhl, auf den er sich hatte fallen lassen, aufsprang. „Ich hab‘s, ich hab’s!“, rief er stolz. Er hielt die altmodisch aussehende Kamera vor sein Gesicht und drückte auf den Auslöser, woraufhin ein heller Blitz die zwanzig Personen vor der Linse blendete. „Na endlich!“, grummelte Moody. „Ich finde, das ist eine sehr schöne Idee, ein Foto vom Orden zu machen, wie er jetzt ist.“, sagte Dumbledore plötzlich. „Wer weiß, wie lange wir noch in dieser Konstellation zusammen sind.“ Kapitel 1: ----------- „Es ist eigentlich gar nicht so schwer zu finden. Wenn du- “ Ungeduldig schnitt Marlene James mit einer kurzen Handbewegung das Wort ab und strich einige ihrer langen blonden Strähnen zurück, die ihr ins Gesicht gefallen waren. „Ich weiß, wo dieses Pack wohnt.“, sagte sie schlicht und zog ihren Tee zu sich heran. Es war ein kühler und verregneter Tag Anfang Oktober, als James, Sirius, Remus, Marlene und Edgar in der gemütlichen Küche im Hause der Longbottoms beieinander saßen, während Alice und Lily sich um das Abendessen kümmerten. Im Grunde war die Küche viel zu klein für so viele Besucher, aber nachdem der Orden des Phönix begonnen hatte, das Haus der Longbottoms als Hauptquartier zu nutzen, waren Frank und Alice gezwungen, ein wenig Platz zu schaffen. Der große Esstisch war ein wenig nach links, näher an den offenen Kamin heran, verrückt worden. Außerdem gab es nun noch einige zusätzliche Stühle, welche die beiden aus dem Rest des Hauses zusammengesucht hatten, sodass sie nicht richtig zur Einrichtung passen wollten. Auf der rechten Seite befanden sich die Spüle und der Herd, sowie auch die restlichen Küchenmöbel, die aufgrund ihrer freundlichen gelben Farbe einen perfekten Kontrast zu dem dunklen Holzfußboden bildeten. Das einzige, jedoch sehr großzügige Fenster im Raum befand sich direkt über der Arbeitsfläche und gab einen wunderbaren Blick auf den Garten frei, der zu dieser späten Abendstunde allerdings schon im dunklen lag. „Okay. Dann…“ James hatte im ersten Moment einige Mühe, den Faden wiederzufinden. „Naja, dann hör wenigstens zu, von wo aus du die Lestranges am besten beobachten kannst. Schräg gegenüber ihres Hauses gibt es- “ Wieder unterbrach sie ihn. „Danke, James. Ich bekomm das schon hin.“ Der Schwarzhaarige wirkte ein wenig vor den Kopf gestoßen und wandte sich hilfesuchend an Edgar, der sich daraufhin in das Gespräch einmischte. „Vielleicht solltest du ihm zuhören, Marlene.“, schlug er vor. Ein freundliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Immerhin waren er und Sirius die letzten zwei Wochen durchgehend dort, du noch gar nicht. Schaden kann es nicht.“ Stirnrunzelnd wandte sich die junge Frau an Edgar. „Erstens bin ich kein kleines Kind mehr, zweitens kann ich ganz gut auf mich allein aufpassen und drittens erledige ich die Dinge gern auf meine Art und Weise. Das weißt du.“ Und ob er das wusste. Jeder wusste das. „Ich bin auch kein kleines Kind mehr und in der Lage auf mich selbst Acht zu geben.“ Edgar hob seinen rechten Arm in die Höhe und zog den Hemdärmel ein wenig zurück, um so den Blick auf eine beinahe verheilte Wunde auf seinem Unterarm freizugeben. Auch er hatte die Lestranges beschattet, war dabei aber nicht so unauffällig wie James und Sirius gewesen. Bellatrix hatte ihn wohl irgendwie gesehen, sich durch seine Anwesenheit bedroht gefühlt und wild Flüche auf ihn abgefeuert. Einer davon hatte ihm ein recht großes Stück Fleisch aus seinem Unterarm gerissen, als er gerade dabei war, zu disapparieren. „Trotzdem darfst du diese Leute nicht unterschätzen.“ „Die Lestranges sind gemeingefährliche Irre.“, fügte Sirius gelangweilt hinzu und nahm einen Schluck aus seiner Teetasse. „Glaub mir ruhig, ich bin immerhin mit ihnen verwandt. Ein paar gute Tips bringen dich schon nicht ins Grab.“ Kopfschüttelnd blickte Marlene vom einen zum anderen. „Stellt euch nicht so an. Ihr macht euch ja nur selbst verrückt. Ihr macht ja geradezu eine Wissenschaft daraus. Ich denke dass ich das schon hinbekommen werde, jemand anderen zu beschatten, ohne gesehen zu werden.“ Mit diesen Worten stand sie auf, nickte den beiden Frauen, die sich mit dem Rücken an die Anrichte gelehnt und aufmerksam zugesehen hatten, zu und verschwand aus dem Raum. Als die Haustür schwer hinter ihr ins Schloss schlug, seufzte Remus. „Wenn das mal gut geht…“, murmelte er und blickte hinaus in den Regen. „Sie hat nur Angst.“, sagte Lily leise, deren ganze Aufmerksamkeit nun wieder den blubbernden Töpfen galt. „Dann hat sie ‘ne echt schräge Art, das zu zeigen, meinst du nicht?“, erwiderte Sirius und lachte bitter. „Mir kam es eher so vor, als wöllte sie unbedingt in ihren Tod rennen. Euch nicht?“ Lily hatte ihnen noch immer den Rücken zugewandt und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass sie keine Angst hat. Ich meine, wer von uns fürchtet sich nicht?“ Darauf erhielt sie keine Antwort. Allerdings sagte die Stille viel mehr als tausend Worte. Das Schweigen wurde schließlich von Frank, Mad Eye und Dorcas Meadowes unterbrochen, die mit tropfnassen Kleidern in die Küche stolperten. Frank küsste seine Frau zur Begrüßung und lies sich dann erschöpft auf einen Stuhl nahe am wärmenden Feuer des Kamins fallen, Dorcas tat es ihm gleich. Mad Eye hingegen bevorzugte einen Stehplatz im Türrahmen. „Anstrengenden Tag gehabt?“, fragte Sirius und zog die Abendausgabe des Tagespropheten zu sich heran, die Frank aus seinem durchnässten Umhang gekramt hatte. „Und wie.“, bestätigte Dorcas. „Ich weiß nicht, wann wir zum letzten Mal so viel außerhalb zu tun hatten.“ „Hätten heute beinahe Rosier geschnappt.“, knurrte Moody. Lily und Alice fuhren herum, als sie den Namen des Todessers hörten, auch die anderen am Tisch blickten die drei Auroren fragend an. Dorcas und Frank machten keine Anstalten, etwas zu sagen; stattdessen hatten sie betreten ihre Köpfe gesenkt. „Was ist denn passiert?“, wollte Lily flüsternd wissen und wandte sich an Mad Eye. Sein magisches Auge zuckte wild in der Augenhöhle hin und her, während er weitersprach. „Wir erhielten den Hinweis, Rosier und ein paar andere Todesser würden sich in der Nähe von London rumtreiben. Das stimmte – wir haben sie gefunden. Sah aber so aus, als hätten die uns erwartet, also muss der Hinweis eine Falle gewesen sein. Frank konnte einen entwaffnen, das war Rosier. Hab‘ ihn erkannt, als ihm seine Maske vom Gesicht gerutscht is‘. Der feige Hund is‘ die Straße entlang gerannt, während seine Kollegen disappariert sind. Auf so ‘nem alten Fabrikgelände konnten wir ihn stellen, schien aber auch abgesprochen zu sein, denn die Todesser sind da wieder aufgetaucht. Haben White getötet und sind dann abgehauen.“ Alice schlug die Hände vor den Mund, die restlichen Anwesenden im Raum schwiegen. Marcus White war gemeinsam mit Frank, Alice und den Rumtreibern in Hogwarts gewesen. Ein netter Kerl, der sich geschworen hatte, jeden einzelnen Todesser zu töten, nachdem diese seine Eltern in seinem fünften Schuljahr umgebracht hatten. „Ja. Armer Kerl. War wirklich begabt.“, knurrte Mad Eye nur und humpelte hinüber zum Fenster. Schweigend starrte er in die Dunkelheit. Wieder war Stille eingekehrt, bis Lily sich schließlich wieder fing. „Wollt ihr… zum Essen bleiben? Dorcas, Mad Eye?“, fragte sie betont freundlich, während sie den riesigen Topf voll Eintopf mit ihrem Zauberstab hinüber zum Tisch schweben lies. „Gerne.“, antwortete Moody und humpelte hinüber zum Tisch. „Todesser jagen macht einen schrecklich hungrig.“ Bis spät in die Nacht kehrten die Mitglieder des Ordens aus und ein – um Nachrichten auszutauschen, Bericht zu erstatten oder kleine Mitteilungen für andere Mitglieder da zu lassen. Gegen zwei Uhr verabschiedete sich Caradoc Dearborn als letzter Besucher. Er arbeitete für das Werwolf-Fangkommando im Ministerium und hatte soeben berichtet, dass die Zahl der Werwölfe in letzter Zeit beinahe rasant zunahm. Nachdem Alice die Tür hinter ihm geschlossen hatte, kam sie zurück ins Wohnzimmer und lies sich auf das Sofa neben Frank fallen. Der Raum lies sich in beinahe einem Wort beschreiben: gemütlich. Jeweils am linken und rechten Ende gab es eine Tür; eine davon führte in die Küche, die andere in den Flur. Zwischen den beiden Türen führte eine Treppe nach oben zum Schlaf- und den Gästezimmern. Lily und James bewohnten im Moment eines davon, Remus und Sirius das andere. Weiterhin gab es einen großzügigen Kamin. Davor war der niedrige weiße Couchtisch auf einem Bärenfell platziert. An dessen beiden Enden standen die großen Ohrensessel, die ein hübsches Blumenmuster hatten, auf der anderen Seite das dazu passende Sofa. An den übrigen Wänden standen einige Regale mit Büchern, gerahmten Fotos und etlichen anderen Dingen. Die Wände waren mit dunkelroter Vliestapete verziert, der Boden mit dunklen Holzdielen ausgelegt. „Steht etwas Interessantes im Propheten, Tatze?“, wollte James wissen, der es sich in einem der beiden Sessel gemütlich gemacht hatte. Er lies gerade einen neuen Holzscheit in den Kamin schweben, damit das Feuer nicht erlosch. Sirius schaute über den Rand der Zeitung hinweg. „Nein, nichts.“, erwiderte er und faltete sie zusammen. „Zumindest nichts anderes als sonst. Verschwundene Muggel und Zauberer. Kopfgelder, die auf diverse Todesser ausgesetzt sind. Aber nichts weiter.“ „Ich frage mich, wie lange das noch gut geht.“, sagte Alice plötzlich. Frank legte den Arm um sie und zog seine Frau ein wenig näher zu sich. „Was meinst du?“ „Naja, wie lange wird es wohl dauern, bis auch der Tagesprophet in Voldemorts Hand ist? Ihm wird es wohl kaum gefallen, dass auf Leute aus seinem Gefolge Kopfgelder ausgesetzt werden.“ James starrte auf das nun wieder auflodernde Feuer im Kamin. „Ist nur eine Frage der Zeit. Genauso wie mit dem Ministerium. Ich frage mich, wann er es wohl schaffen wird, die Ministerin mit dem Imperius zu unterwerfen. Wundert mich, das er das noch nicht getan hat.“, murmelte er und fuhr sich durch das ohnehin schon zerzauste schwarze Haar. „Vielleicht ist es ihm ja schon gelungen.“, gab Frank zu bedenken und gähnte ausgiebig. Sirius lachte. „Dafür ist das Ministerium allerdings noch zu Muggelfreundlich. Meinst du nicht auch?“ „Vielleicht will er ja, dass es nicht gleich auffällt. Eventuell lässt er es ja langsam angehen.“, spekulierte Frank weiter. Alice stand auf und zog ihren Mann ebenfalls in die Höhe. „Darüber will ich gar nicht nachdenken.“, sagte sie. „Und du gehörst übrigens ins Bett.“, fügte sie an Frank gewandt hinzu. Dieser nickte und wandte sich an Sirius und James. „Tja, wenn meine Frau das sagt, sollte ich es wohl nicht wagen, zu wiedersprechen. Ich wünsche euch eine angenehme Nacht.“ „Schlaf gut.“, erwiderten die beiden im Chor, woraufhin Frank die Treppenstufen nach oben stieg. „Ihr habt heute Nachtdienst, oder?“, fragte Alice an James und Sirius gewandt, nachdem ihr Mann den Raum verlassen hatte. Die beiden nickten. „Dann wünsche ich euch eine ruhige Nacht.“, sagte sie daraufhin und ging ebenfalls in Richtung Treppe. „Gute Nacht, Alice.“, wünschte James ihr. „Und, was machen wir beide jetzt?“, wollte Sirius wissen, nachdem die Tür im oberen Stockwerk ins Schloss gefallen war. James streckte sich ausgiebig auf dem großen gemütlichen Sessel. „Was wohl? Wir warten darauf, dass jemand vom Orden auftaucht.“ Die Nachtdienste waren besonders unbeliebt, aber notwendig. Es war schlicht und ergreifend einfacher, wenn noch jemand wach war, sollte während der Nacht ein Ordensmitglied auftauchen und Informationen haben, die nicht bis zum Morgen warten konnten. Außerdem gaben die Nachtwachen den Schlafenden ein gewisses Gefühl von Sicherheit. Sirius ließ plötzlich das Zauberschachbrett von einem der Regale mit seinem Zauberstab zwischen sich und James auf den Tisch schweben. „Lass uns ne Runde spielen, Krone. Es sind zwar nur vier Stunden, bis Lily und Remus aufstehen und uns ablösen, aber die ganze Nacht nur rumsitzen will ich auch nicht.“, schlug er vor. James nickte und musste grinsen. „Du willst unbedingt, dass ich dich total fertig mache, oder? Du weißt, dass du nicht gegen mich gewinnen kannst.“ „Das werden wir ja sehen.“ Kapitel 2: ----------- Gegen fünf Uhr morgens, als James gerade zum fünften Mal „Schach Matt!“ verkündete, schwang plötzlich die Eingangstür auf und jemand stolperte ins Wohnzimmer hinein. Das Feuer im Kamin verbreitete nur spärliches Licht, sodass sie im ersten Moment nur einen Schemen wahrnehmen konnten. Allerdings konnte man deutlich erkennen, dass der Besucher eine weitere Person auf den Armen trug. Sirius und James sprangen von den gemütlichen Sesseln auf und zogen ihre Zauberstäbe. „Ich bin es!“, keuchte Edgar und stolperte noch zwei weitere Schritte nach vorn, bevor er zu Boden sank, wo er die leblose Gestalt ablegte. Sirius schwang den Zauberstab, woraufhin sich die restlichen Lichter im Raum entzündeten. Dort auf den Holzdielen kauerte Edgar Bones, mit zerrissenem Umhang und etlichen Schürfwunden im Gesicht, sowie an Händen und Armen. Am Kopf hatte er eine große Platzwunde, die unaufhörlich blutete. Vor ihm lag Marlene, die sich nicht regte. Ihre Haut schien beinahe schon weiß zu sein und auch ihre Kleidung wies etliche große Löcher auf. Überall am Körper schien sie Verletzungen zu haben; das Blut war allerdings schon getrocknet. James stürzte zu den beiden und lies sich ebenfalls zu Boden sinken. Zuerst überprüfte er Marlenes Puls. Währenddessen ging Sirius neben Edgar in die Hocke, der sich auf beide Hände stützte und auf die Holzdielen starrte. Außerdem zitterte er am ganzen Leib. „Edgar, was ist passiert?“, wollte Sirius wissen und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er erhielt keine Antwort. „Sie ist tot.“, flüsterte James plötzlich und tauschte einen kurzen Blick mit seinem besten Freund. Sirius schien sofort zu wissen, was er zu tun hatte: mit einem kurzen Ruck zerrte er Edgar, der fürchterlich blass aussah, in die Höhe und bugsierte ihn dann vor sich her in die Küche. James lief unterdessen die Treppen nach oben, um Remus zu wecken. „Was is‘ los?“, brummelte dieser nur im Halbschlaf und wollte sich auf die andere Seite drehen. „Moony, Marlene ist tot.“ Sofort war Remus wach. Kerzengerade setzte er sich im Bett auf, seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. „Was!?“, keuchte er. „Komm, steh‘ auf. Ich brauch deine Hilfe.“ Sofort sprang er aus dem Bett und machte sich nicht einmal die Mühe, etwas über seinen Pyjama zu ziehen. Schnell liefen sie die Treppen nach unten ins Wohnzimmer, wo noch immer der leblose Körper von Marlene lag. „Ich… was sollen wir jetzt machen?“, stammelte James. Remus musste sich dazu zwingen, den Blick von Marlene abzuwenden. „Frank und Alice haben doch noch zwei weitere Betten für Besucher in der Garage aufgestellt. Lass sie uns erst einmal dort hinbringen.“ Stumm hob James sie hoch. Der Körper hing leblos und schwer in seinen Armen, stumm ging er voraus. Remus betätigte den Lichtschalter, als sie die Garage durch die Verbindungstür, die sich im Flur befand, betraten. Der Raum wirkte mehr wie ein gemütliches Gästezimmer, als dass er einem Abstellraum glich, was er ja eigentlich war. Zwei Betten standen an der ihnen gegenüberliegenden Wand, rechts von der Tür gab es einen Tisch mit zwei Stühlen. Die Wände hatte Frank mit einer hübschen dunkelroten Tapete verziert, der Boden bestand aus dunklen, knarrenden Holzdielen. Remus schritt zu einem der beiden Betten und schlug die Decke zurück, damit James den leblosen Körper der jungen Frau hineinlegen konnte. So wirkte es beinahe, als würde sie nur schlafen… Als ihm dieser Gedanke kam, schüttelte Remus kurz ungeduldig den Kopf und legte dann die Decke über Marlene, sodass auch ihr Gesicht verdeckt war und man nur noch ihre Umrisse wahrnehmen konnte. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln verließen sie den Raum. James zog die Tür sorgfältig ins Schloss. „Ich geh die anderen wecken.“, murmelte Remus und lief schnellen Schrittes die Treppen nach oben ins Schlafzimmer. James blieb unschlüssig im Flur stehen. Er kam sich furchtbar fehl am Platz vor… Selbstverständlich war der Tod nichts Neues für ihn – kurz nach seinem Abschluss waren seine Eltern, die als Auroren gearbeitet hatte, den Todessern zum Opfer gefallen. Auch im Tagespropheten waren jeden Tag solche Nachrichten zu lesen und oft waren es auch Personen, die er kannte. Aber das mit Marlene war etwas anderes. Der Orden bestand nun schon so lange und bisher war niemandem etwas passiert. Warum gerade jetzt? Er rief sich innerlich selbst zur Ordnung – wenn er nur unnütz hier herumstand, würde er niemandem eine große Hilfe sein. James zückte seinen Zauberstab und schloss die Augen. Er rief sich Lilys Gesicht in Erinnerung, den Tag ihrer Hochzeit, den ersten Kuss… kurz darauf brach der silberne Hirsch aus der Spitze hervor. Der Patronus verschwand, indem er einfach durch die Eingangstür hindurch galoppierte. Anschließend ging er zu Sirius in die Küche und hörte auch schon mehrere Personen schnellen Schrittes die Treppenstufen hinab laufen. Edgar saß auf einem der Stühle und war noch immer furchtbar blass. Die Tasse, die vor ihm stand, schien er bislang noch nicht angerührt zu haben. James ging hinüber zu Sirius und lehnte sich neben ihn an die Anrichte. Kurz darauf betraten Alice, Frank, Lily und Remus in die Küche, die alle noch ihre Pyjamas und darüber nur dünne Morgenmäntel trugen. Die Haare waren zerzaust und unter den Augen von jedem lagen tiefe Ringe. Zusätzlich glitzerten in denen von Lily Tränen. Die Rothaarige ging hinüber zu ihrem Mann, der sie fest in die Arme schloss. Frank, Alice und Remus setzten sich, gegenüber von Edgar, an den Küchentisch. Sirius war der erste, der sprach. „Er will nicht reden.“ „Wahrscheinlich steht er unter Schock.“, vermutete Alice und sah besorgt aus. Remus erfasste Edgars rechtes Handgelenk. „Was ist passiert?“, fragte er eindringlich. Der Angesprochene sah auf. Sein Gesicht war zwar noch immer blutüberströmt, aber immerhin schien kein frisches Blut mehr heraus zu quellen. „Ich… ich konnte nichts mehr ändern. Ich war zu spät.“, sagte er und seine Stimme brach. „Niemand macht dir Vorwürfe, Edgar. Erzähl einfach, was passiert ist.“, forderte Remus ihn mit sanfter Stimme auf. „Ich sollte sie ablösen. Als ich am vereinbarten Treffpunkt ankam, da… lag sie da und hat sich nicht bewegt. Ich wollte nachsehen, bin zu ihr gegangen… als plötzlich jemand einen Fluch auf mich abgefeuert hat. Glücklicherweise hat’s nur den Umhang erwischt… hab meinen Zauberstab gezogen und mich umgedreht, um mich zu wehren… keine Ahnung, gegen wen ich da gekämpft habe. Er hat eine Maske getragen… hat wohl auf mich gewartet. Irgendwie hab ich’s geschafft, Marlene und mich von da wegzubringen… ich weiß nicht mehr wie.“ Edgar verstummte wieder und zog die Tasse zu sich heran. „Jemand sollte die anderen aus dem Orden benachrichtigen.“, meinte Frank schließlich. „Ich hab schon einen Patronus zu Dumbledore und Moody geschickt.“, erwiderte James. Alice stand auf und ging zum Fenster; suchend blickte sie umher. Für die nächsten Minuten herrschte wieder Schweigen, bis sie hörten, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Kurz darauf humpelte Moody in die Küche. Seine Kleidung war zerknittert und schien in großer Eile angezogen worden zu sein. Wahrscheinlich hatte er sich sofort, nachdem der Patronus ihn erreicht hatte, auf den Weg gemacht. „Was ist passiert?“, verlangte er zu wissen. Sirius erzählte ihm, wie Edgar mit der toten Marlene hereingestürmt war und wiederholte die kurze Erzählung, die sie wenige Minuten zuvor gehört hatten. Moody nickte. „Longbottom, Potter, Black, Lupin! Mitkommen!“, befahl er dann. Als die beiden Frauen sich ebenfalls zu den aufgerufenen dazugesellen wollten, winkte er ungeduldig ab. „Nicht ihr. Jemand muss bei Bones bleiben.“ „Wohin wollt ihr denn?“, fragte Lily und schaute ihren Mann besorgt an. „Zu McKinnons Familie. Wenn die Todesser rausbekommen haben, dass sie ‘ne Widerstandskämpferin is‘, müssen wir dafür sorgen, dass sie sicher sind.“ Alice und Lily tauschten einen Blick, der verriet, dass ihnen ganz und gar nicht wohl dabei war. Allerdings wussten beide, dass es unklug war, Mad Eye zu widersprechen. Das Haus der McKinnons lag ein wenig außerhalb von dem kleinen Muggeldorf Ottery St. Catchpole. Die vier apparierten in einem kleinen Wäldchen; innerhalb kürzester Zeit waren ihre Kleider von dem eisig kalten Herbstregen durchnässt. Moody humpelte voran und seine Begleiter folgten ihm mit gezogenen Zauberstäben. Nach wenigen Minuten erreichten sie das auf einem Hügel gelegene Häuschen. Sie verringerten die Geschwindigkeit ihrer Schritte und liefen ein wenig gebückt, um nicht gleich entdeckt zu werden, sollte sich hier in der Nähe doch noch jemand anderer als Marlenes Familie befinden. „Jemand war schneller als wir.“, knurrte Moody und wies auf die leicht geöffnete Eingangstür, als sie diese erreicht hatten. Ein ungutes Gefühl breitete sich in James‘ Magengrube aus. Nacheinander schlichen sie in den Flur hinein, wobei nur das spärliche Licht ihrer Zauberstäbe den Weg erhellte. Mad Eye bedeutete den vieren, ihm zu folgen – wahrscheinlich vermutete er, dass sie der Eindringling, wer auch immer er sein mochte, noch immer im Haus befand, was ja auch sehr naheliegend war. Nachdem sie im Untergeschoss außer einer sehr sauberen und einem unwahrscheinlich penibel aufgeräumten Wohnzimmer und einem unbewohnten Gästezimmer nichts gefunden hatten, gingen sie die Treppen nach oben. Rechterhand hingen etliche Familienfotos, die Marlene mit ihrem Mann und den zwei Töchtern zeigten. James hoffte inständig, dass ihnen nichts geschehen war. Die beiden Mädchen waren erst fünf und sieben Jahre alt... Als sie schließlich den oberen Treppenabsatz erreicht hatten und die erste Tür zur rechten öffneten, bot sich ihnen ein grausiger Anblick: Marlenes Mann Oliver lag mit dem Rücken auf dem Boden, die Augen vor Schreck weit aufgerissen, der Zauberstab wenige Zentimeter von seiner rechten Hand entfernt. Die beiden Mädchen lagen leblos und mit seltsam abgewinkelten Gliedmaßen auf dem Bett. James mochte sich gar nicht vorstellen, was man den drei angetan haben mochte… Auch der Raum, den man unschwer als Kinderzimmer erkennen konnte, war verwüstet worden: die himmelblauen Gardinen lagen am Boden, etliche Stofftiere waren überall verteilt, von den einstmaligen Kommoden waren nur noch Trümmer übrig. Eines war sicher: Oliver hatte nicht kampflos aufgegeben. Mad Eye seufzte schwer und trat vollends in den Raum ein. „Seht mal.“, murmelte Remus und richtete seinen Zauberstab auf die mit Sternen verzierte Tapete. In großen, schwarzen Buchstaben stand dort: „Wer sich dem Dunklen Lord entgegenstellt, hat kein anderes Schicksal verdient“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)