Kurzgeschichten von Chayenne-sama ================================================================================ Kapitel 1: 1. ------------- Es war wieder mal so ein Sonntag, wie man ihn sich vorstellt. Alles war grau in grau gehalten und von den Blättern des nahestehenden Birkenbaumes perlten die letzten Regentropfen auf die Erde. Das prunkvolle Gebäude welches am Stadtrand lag war im 18. Jahrhundert erbaut worden. Und obwohl es jetzt bereits seit mehreren Jahren leer stand befand es sich in einem ausgezeichneten Zustand. Aber warum dies so war, konnte sich keiner erklären, da die ehemaligen Besitzer verstorben waren und die Erben es sich selbst überließen. Gerüchten zufolge sollte es in den alten Gemäuern spuken. Andere wiederum vermuteten, dass das Anwesen in die Hände langjähriger und treuer Bedienstete übergegangen sei, welche es in Stand hielten und auch dafür sorgten, dass es nicht verwahrloste. „So wartet doch Herr!“ Der Reiter zügelte sein Pferd und wartete auf seinen Freund. „Entschuldigt Erik. Mein Temperament ging wieder mal mit mir durch.“ Versöhnlich lächelnd holte Erik zu seinem Freund und Herrn auf. „Wir sollten nur schnell machen und uns eine Unterkunft suchen, da jeden Moment ein Unwetter vom Zaun brechen kann.“ „Ja da habt Ihr sehr wohl Recht.“ Beide trieben ihre Reittiere an und galoppierten den schmalen Waldweg entlang, bis sie zu einer Lichtung kamen. „Seht! Da vorne ist ein Schloss.“ So schnell es ihnen möglich war ritten sie Richtung des Anwesens. „Warum habt ihr die zwei Reisenden nicht gewarnt?“ „Woher sollten wir erahnen was sie vorhatten! Hätten wir gewusst, dass sie vorhaben das Schloss außerhalb der Stadt aufzusuchen hätten wir sie davon abgehalten. Aber jetzt scheint dies bereits zu spät. Die beiden haben vor kurzem das Anwesen erreicht.“ „Oh nein!“ Entsetzt blicken sich die Dorfbewohner an und wenden dann bedrückt die Blicke gen Boden. Die zwei jungen Männer hatten doch ihr ganzes Leben noch vor sich. Um dieses mysteriöse Schloss ranken sich viele Geschichten. Einerseits wird erzählt, dass die jüngste Tochter der ehemaligen Besitzer in einer stürmischen Gewitternacht im Juni vor 20 Jahren tot in ihrem Gemach aufgefunden wurde. Die genaue Todesursache konnte niemand feststellen. Aber jeder war überzeugt davon dass sie ermordet wurde. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich vor knapp 8 Jahren. Einige Jungen aus der Stadt waren neugierig und wie Jungs im Alter von 10 Jahren so sind erkunden sie gerne Sachen. 5 Jungen gingen an einem schönen Nachmittag zum Schloss. Doch je näher sie dem Anwesen kamen, desto schlechter wurde das Wetter. Als sie schließlich beim Schloss angekommen waren hatte es Temperaturen wie im Winter. Ein eisiger Wind wehte. Das Pfeifen des Windes klang wie hohe Schreie. Die Äste der Bäume schwenkten unheilvoll und Laub wurde aufgewühlt. Zaghaft aber immer noch neugierig beschlossen sie dennoch das Anwesen zu erkunden. Was sich aber als großer Fehler erwies. Am Anfang schien alles noch normal zu sein, doch plötzlich hörten sie merkwürdige Geräusche. Am Anfang hielten sie es einfach nur für den Wind. Doch bald wurden sie eines besseren belehrt. Je näher sie dem 1. Stock kamen desto lauter wurden die Geräusche. Verängstigt und zugleich fragend blickten sich die 5 Freunde an. Das Geräusch glich einem Hilfeschrei. Zuerst zaghaft und leise, dann wurde er immer lauter und verzweifelter. In ihrer kindlichen Neugier ignorierten sie die Warnungen welche ihr Unterbewusstsein ihnen vermittelte und sie näherten sich dem Zimmer aus welchem sie die Hilferufe vermuteten. Was ihnen aber nicht aufgefallen war, war dass die Schreie verstummt waren. Lediglich der Wind pfeifte noch durch die Gänge. Einer der fünf machte kehrt und wurde daraufhin von seinen Freunden ausgelacht und Angsthase gerufen. Doch nur dieser Junge, welcher als Feigling verrufen wurde hatte diese Erkundungstour überlebt. Die vier Freunde wurden tot im Zimmer welches der jüngsten Tochter gehörte aufgefunden. Wie bei dem Fall der jungen Frau waren keine Tatwaffen oder ähnliches aufzufinden. Jedes Gesicht zierte ein erschrockener und überraschter Ausdruck. Die genaue Todesursache blieb auch hier ein Rätsel. Der Junge, welcher überlebte verließ mit seiner Familie die Stadt. Zu groß war die Angst, dass ihm etwas zustoßen konnte, da er ja auch im Anwesen gewesen war. Die beiden jungen Männer hatten das Anwesen erreicht. Überwältigt blickte Erik im Garten umher. „Herr! Dieses Anwesen ist bezaubernd. Hier kann man es sich gut gehen lassen.“ „Ich weiß nicht. Irgendetwas kommt mir hier seltsam vor.“ Der junge Herr kam ins grübeln. Alles kam ihm so vertraut vor, er wusste aber nicht woher. „Lasst uns reingehen. Es fängt jeden Moment an zu regnen.“ Beide brachten ihre Pferde in den kleinen Stall. Zaghaft klopfte Erik an die Pforten des Schlosses. Lange Zeit hörte man nichts, bis sich die Tür plötzlich öffnete. „Guten Abend die Herren. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Eine Frau mittleren Alters stand ihnen gegenüber und lächelte freundlich. „Wir sind zwei Durchreisende und wollten fragen, ob wir für eine Nacht bei Ihnen unterkommen könnten?“ „Aber natürlich. Kein Problem. Folgt mir, ihr müsst hungrig sein nehme ich an?“ Das Innere des Schlosses wirkte einladend und sehr gepflegt. Ein Dienstmädchen kam sofort und nahm das wenige Gepäck welches die beiden mithatten an sich und brachte es auf die Zimmer. „Setzt euch! Das Essen wird gleich gebracht.“ Kurz nach Ihnen trat ein nobel gekleideter Mann mittleren Alters mit kurzem schwarzem Haar in das Speisezimmer. „Seit mir Willkommen.“, grüßte er freundlich und wirkte fröhlich über Besuch. Beim Essen wurde nicht viel gesprochen. Die beiden Gäste bedankten sich herzlichst für das gute Essen und baten sich auf ihre Zimmer begeben zu dürfen. „Aber natürlich. Natalie wird euch die Zimmer zeigen.“ Das Dienstmädchen führte die beiden zu den zur Verfügung gestellten Zimmern. Natalie wirkte nervös und unsicher. „Entschuldigt die Frage, aber ist mit euch alles in Ordnung?“ Erik blickte die junge Frau besorgt an. „J-ja alles in Ordnung.“, stotterte diese schnell und wandte den Blick auf den Boden. Sein Herr ging einige Schritte hinter den beiden. Er blickte interessiert durch die Gänge und bewunderte die Bilder welche gekonnt an den Wänden angebracht wurden. Es waren allesamt Kunstwerke, das fiel ihm sofort auf. Aber ein Bild stach ihm besonders ins Auge. Dieses eine Bild weckte eine Erinnerung welche er verbannt hatte. Aber diese Erinnerung kam nur sehr verschwommen und unvollständig zurück. Als er in seinem Bett lag und gerade dabei war einzuschlafen, hörte er merkwürdige Geräusche. Er schob es mit dem Gedanken dass es sich ja um ein älteres Haus handelte auf die Seite und versuchte einzuschlafen. Mitten in der Nacht schreckte er aus seinem Schlaf hoch. Irgendetwas befand sich in seinem Zimmer. Er suchte nach dem Zündholz doch konnte er keines finden. „Wer ist da?“, flüsterte er in die Dunkelheit. Keine Antwort. Doch als er sich wieder schlafen legen wollte, erklang erneut ein dumpfes pochen. Doch jetzt erklang es in immer kürzeren Abständen. Er hielt es nicht mehr länger aus und erhob sich aus dem Bett. Er zog den Vorhang seines Zimmers auf und das Mondlicht strahlte in sein Zimmer. Was er da jedoch erblickte raubte ihm den Atem. Auf seinem Sessel gegenüber seinem Bett saß eine wunderschöne junge Frau. „Wer seid ihr?“ Wieder keine Antwort. Die junge Frau saß reglos auf dem Sessel und blickte traurig auf ihre verschränkten Hände welche sie in ihrem Schoß liegen hatte. „My Lady entschuldigen Sie.“ Er ging zu ihr hin und wollte ihr seine Hand auf die Schulter legen. Doch er glitt hindurch. Mit vor entsetzen geweiteten Augen blickte er ungläubig auf die junge Frau. „Ja. Ich bin das wofür du mich hältst.“, erklang ihre zarte Stimme. „W-wer bist du?“ „Es wundert mich nicht, dass du dich nicht mehr an mich erinnern kannst.“ Sie seufzte fast lautlos und hob ihren Blick. Als ihre Blicke sich trafen strömten die Erinnerungen auf ihn ein. Wie er als einziger seiner Freunde umkehrte, wie er als einziger auf die Warnende Stimme in seinem Kopf hörte. Wie er als einziger überlebt hatte und danach die Stadt verließ. „Du scheinst dich zu erinnern.“, sagte sie. „J-ja. Aber warum?“ „Du hast als einziger auf meine Warnung reagiert. Die anderen waren schon von Anfang an zum Tode verurteilt. Du hast eine sehr gute Auffassungsgabe und bist Intelligent. Dies hat dir dein Leben gerettet.“ „Aber was ist mit meinen Freunden damals passiert?“ „Das ist nicht von belangen. Ich bitte dich nur um den Gefallen, dass du der Öffentlichkeit die Wahrheit über meinen Tod offenlegst.“ „Aber wie soll ich das machen?“ „Ganz einfach. Ich habe am Tag meines Todes einen Abschiedsbrief verfasst…“ „Was? Das heißt ihr wurdet gar nicht ermordet wie vermutet?“ „Nein…ich beging Selbstmord. Aber der Brief in der untersten Schublade sollte alle deine Fragen beantworten.“ „Aber verzeiht die Frage: Warum seit ihr nach all den Jahren noch hier?“ Die junge Frau erhob sich aus dem Sessel und trat ans Fenster. Das Mondlicht verlieh ihr einen wunderschönen und zugleich Unheimlichen Glanz. „Das Anwesen ging nach dem Tod meiner Eltern an meine ältere Schwester über. Diese weigerte sich jedoch es zu übernehmen. Ihre Tochter Celina, ihr habt sie bereits kennen gelernt, hat es anstelle meiner Schwester übernommen. Sie weiß um meine Geschichte und hat ebenfalls versucht mit mir Kontakt aufzunehmen. Jedoch scheint es nur dir gewährt sein mit mir zu sprechen und mir zu helfen.“ Nathael nickte. „Aber warum ist dies so?“ „Das wird für ewig und noch länger ein Rätsel bleiben lieber Nathael.“ Nathael durchsuchte unter Aufsicht der Schönheit die Kommode und wurde schließlich fündig. „Ja das ist der Brief.“ Dieser lag noch ungeöffnet im untersten Fach der Kommode. Ehrfurchtsvoll öffnete Nathael den Abschiedsbrief. In diesem hatte sie beschrieben warum sie keinen anderen Ausweg mehr fand als den Tod. Ihre Eltern waren von ihrem Tod so betroffen und erschüttert, dass sie den Brief außeracht gelassen hatten. „Tu mir und vor allem meiner verbleibenden Familie den gefallen und klärt diesen Missstand auf. Auch um Natalies Frieden willen.“ „Natalie? Was hat sie damit zu tun?“ „Sie ist meine Nichte und leidet ebenfalls an den Gerüchten um das Spukschloss.“ „Oh. Verstehe.“ Nathael blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Ich werde dir helfen. Ich weiß nicht warum ich auserwählt wurde, aber wenn es Gottes Wunsch war werde ich ihn natürlich erfüllen.“ „Vielen Dank! Ich bin dir darüber überaus dankbar.“ Nathael ritt mit Erik am nächsten Tag zurück in die Stadt. Alle Einwohner, welche gerade am Stadtplatz versammelt waren blickten erschrocken zu den beiden hoch. „Seht doch!“, hörten sie die Leute rufen „Sie haben es überlebt!“ Erik verstand nicht was sie meinten, Nathael hingegen wusste genau um was es ging. Er ging zum Bürgermeister der Stadt, erzählte ihm die Kurzfassung und legte ihm den Brief vor, welcher eindeutig die Handschrift der Verstorbenen Alicia trug. „Also war alles was über das Gespensterschloss erzählt wurde nur erfunden?“ „Ja. Und die 4 Jungen vor ca. 8 Jahren starben nicht durch Geisterhand sondern hatten von vergifteten Beeren gegessen, welche am Waldrand wuchsen. Die Wirkung des Giftes setzte dann zufällig genau da ein, wo sie das Zimmer der Verstorbenen Alicia durchforschten.“ Der Bürgermeister verkündete dies seinen Mitbürgern und alle waren froh, dass es sich nur um ein großes Missverständnis handelte und seit dem Tag an wurden viele der Stadtveranstaltungen auf das Anwesen verlegt. Alicias Geist hatte endlich seinen Frieden gefunden und ihre Familie war wieder Teil der Gemeinschaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)