Das Spiel ohne Ball von Niekas ================================================================================ Kapitel 1: Orangensaft ---------------------- (Nur zwei Dinge zu Beginn. Erstens, einige Hetalia-Fans werden nicht müde, zu betonen, Toris sei zu klein dargestellt (Litauer seien im Schnitt größer). Zweitens, Nationalsport Litauens ist Basketball. Frage mich, ob es da einen Zusammenhang gibt.) - Es war heiß. Die Sonne brannte auf das hübsche Holzhaus, das einige Fahrminuten abseits von der großen Stadt stand. Eine asphaltierte Straße führte in respektvollem Abstand daran vorbei. Ein Gartenzaun trennte ein Stück schon leicht vertrocknete Wiese von der Außenwelt. Es war ein kleiner Zaun, doch Toris fühlte sich von ihm mehr geschützt als von allen Mauern dieser Welt. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und ließ den letzten Rest des Wassers aus der Gießkanne tropfen. Die Blumen in dem kleinen Beet hielten sich wacker in der Trockenheit, wenn auch nur, weil er sie täglich goss. Dennoch machte es ihm nichts aus, in der Hitze zu arbeiten. Hitze war viel besser als Kälte, und auch wenn sie ihn auf die Dauer ermüdete, war er dankbar, hier sein zu dürfen. Sehr dankbar. Sein Blick wanderte über die Umgebung. Ein gutes Stück weiter links von ihm sah er ein zweites Haus, doch rechts von ihm lag nichts als offenes Land unter einem strahlend blauen Himmel. Einige Büsche standen hinter dem Gartenzaun und streckten ihre Zweige über die Holzlatten. Keine Menschenseele war zu sehen, doch von hinter dem Haus erklangen Geräusche, die ihm verrieten, dass Alfred sehr wohl zu Hause war. Mit einem Lächeln drehte er sich um und stieg die hölzernen Stufen zur Veranda hinauf. Nachdem er die Gießkanne beiseite gestellt hatte, betrat er das Haus und ging in die Küche. Dort nahm er eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank und füllte zwei große Gläser damit, die er auf ein kleines Tablett stellte. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, machte er sich auf den Weg zur Hintertür. Warme Luft schlug Toris entgegen, als er die Tür öffnete. Vor ihm führten drei Stufen auf einen kleinen Hinterhof. Bevor er noch einen klaren Gedanken fassen konnte, erklang ein lautes „Vorsicht!“, das ihn zusammen zucken und beinahe das Tablett fallen lassen ließ. Etwas Großes rauschte an ihm vorbei, schlug neben ihm auf dem Boden auf und federte wieder nach oben. „Hepp!“, sagte Alfred, fing das Ding auf und grinste Toris an. Er atmete schwer und war verschwitzt, doch wie üblich strahlte er über das ganze Gesicht. „Hey, Toris! Beinahe wärst du getroffen worden!“ „D-das habe ich gemerkt“, erwiderte Toris, leicht zitternd nach dem Schreck. „Was gibt es?“ „Ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht etwas trinken wollten. Bei dieser Hitze...“ „Oh, wie zuvorkommend! Ist es Cola?“ Toris zuckte heftig zusammen. „Nein, Orangensaft...“ „Auch nicht schlimm“, sagte Alfred großzügig, griff nach einem der Gläser und nahm einen tiefen Schluck. Nervös beobachtete Toris ihn. Er war froh, dass Alfred nicht wütend war, weil er keine Cola gebracht hatte. Diese Sorge mochte lächerlich wirken (Alfred hätte sie zumindest so bezeichnet), doch Toris war andere Arbeitsbedingungen gewohnt. Und wie er das war. „Ah“, machte Alfred, holte tief Luft und ließ das halb leere Glas sinken. „Danke, Toris. Mir wurde langsam echt heiß.“ „Wieso treiben Sie auch bei dieser Hitze noch Sport?“, fragte Toris vorsichtig und betrachtete den großen Ball, der ihn gerade beinahe erschlagen hätte und den Alfred mittlerweile unter seinen freien Arm geklemmt hatte. „Hmm? Ach, mir wurde gesagt, ich soll abnehmen. Und da ich ein Held bin, kann es sicher nicht schaden, wenn ich mich sportlich betätige!“ „Aber doch nicht bei dieser Hitze... Sie könnten einen Sonnenstich bekommen...“ „Ach was!“, winkte Alfred ab. „Im Schatten doch nicht!“ Er stellte das Glas wieder auf dem Tablett ab und ließ den Ball einmal auf den Boden springen. „Willst du mitmachen, Toris?“, fragte er dann plötzlich. „Was meinen Sie?“, fragte Toris verwirrt. „Magst du Basketball?“ „Was bitte?“ „Basketball“, wiederholte Alfred und deutete auf den Korb, der einige Meter weiter an der Hauswand angebracht war. Toris blinzelte ihn an. Er hatte sich bereits gefragt, wozu dieser Korb gut war. Jetzt war es ihm peinlich, nie gefragt zu haben. „Kennst du das nicht?“, fragte Alfred, der es gewohnt war, dass Toris sich mit einigen Dingen nicht auskannte, die für ihn selbstverständlich waren. „Warte, ich zeige es dir. Du machst es so...“ Er musterte den Korb prüfend, lief in ein paar großen Schritten darauf zu, sprang ab und warf den Ball durch die Luft. Der Ball flog, stieß gegen den Ring aus Metall, wurde davon gebremst und fiel durch das Netz wieder nach unten. „Siehst du?“, fragte Alfred zufrieden, fing den Ball wieder auf und sah sich gespannt zu Toris um. „Ganz einfach!“ Toris zwang sich zu einem Lächeln. Es sah wirklich einfach aus, wenn Alfred es vormachte – andererseits sah alles, was Alfred tat, einfach aus. „Ich habe so etwas noch nie gemacht...“ „Dann kannst du es lernen!“, unterbrach Alfred ihn. „Ich bringe es dir bei, jetzt und hier, denn ich bin ein Held!“ „Aber ich...“ „Du würdest einen guten Basketballspieler abgeben“, sagte Alfred, trat näher und musterte Toris prüfend. „Bei deiner Größe!“ „Ich weiß nicht...“, murmelte Toris. „Weißt du, wie du da stehst?“ Alfred schüttelte den Kopf. „Du umklammerst dieses Tablett, als wärst du zu nichts anderem gut, als dazu, Tee zu servieren. Aber das stimmt nicht, Toris! Du kannst viel mehr als das! Und wenn du nicht immer die Schultern so hängen lassen würdest...“ Toris errötete leicht und richtete sich auf. „Siehst du!“, rief Alfred und boxte ihm spielerisch gegen den Arm. „Hey, du bist viel größer, als ich gedacht hatte, Toris! Wenn du nicht Basketball spielst, wenn du es nicht wenigstens versuchst, fall ich aber vom Glauben ab.“ „Also gut“, sagte Toris und stellte das Tablett auf der obersten Treppenstufe ab. Sein Herz schlug schnell und er spürte, dass er rot geworden war. Es kam sehr selten vor, dass jemand versuchte, sein Selbstbewusstsein zu stärken. Um genau zu sein, kam es niemals vor. „Ich wusste, du würdest zur Vernunft kommen!“ Alfred grinste sein triumphierendes Grinsen. „Also gut. Ich mache es dir noch einmal vor, und dann versuchst du es, okay? Schau gut hin!“ „Gut“, sagte Toris nervös und zupfte an einer Haarsträhne, die ihm in die Augen hing. Er hatte sich einen kurzen Zopf gemacht, da das bei der Hitze praktischer war. Zum Basketball spielen war es sicher auch nicht schlecht, dachte er. „Jetzt du“, sagte Alfred, nachdem er den Ball ein weiteres Mal im Korb versenkt hatte, und hielt ihn Toris hin. Toris nahm ihn an. Der Basketball war wesentlich schwerer und größer als die meisten anderen Bälle, die er bisher in den Händen gehalten hatte. Die Oberfläche war rau und hart unter seinen Fingern. „Willst du das ausziehen?“, fragte Alfred stirnrunzelnd und deutete auf Toris' Hemd. „Nein. Wieso sollte ich?“ „Bei der Hitze schwitzt du dich ja kaputt mit den langen Ärmeln!“ Toris musterte Alfreds Oberteil, das überhaupt keine Ärmel hatte, und schluckte leicht. Das war sicher viel luftiger, dachte er. Aber dennoch... „Nein, das ist schon in Ordnung. Ich halte das aus.“ „Du kannst es ausziehen“, sagte Alfred und zuckte die Achseln. „Lieber nicht...“ „Ach, Toris. Wir sind doch unter uns!“ Alfred lachte, doch Toris war nicht zum Lachen. Er konnte sich nicht erinnern, wie lange schon niemand mehr seinen nackten Rücken gesehen hatte. Es wäre ihm lieber, wenn es nie jemand tun würde. Es gab zu viel, woran er nicht gern erinnert wurde und womit er am liebsten auch niemand anderen belasten würde. „Es ist schon in Ordnung so“, sagte Toris und versuchte, überzeugend zu klingen. Alfred legte den Kopf schief und zuckte die Achseln. „Wenn du meinst. Also, Toris, dann leg mal los!“ „A-also... drei Schritte, ja? Zuerst links, oder... welchen Fuß zuerst?“ Alfred war sehr ausdauernd, das musste man ihm lassen. Er feuerte Toris an, auch als beide schon völlig erschöpft waren. Geduldig sah er sich jeden Wurf an, der daneben ging, und das waren zu Anfang alle. Als Toris es nach etwa einer Stunde schaffte, einen fast tadellosen Wurf im Netz zu versenken, jubelte Alfred so laut, dass Toris sich ängstlich fragte, ob die Nachbarn sich wegen Ruhestörung beschweren würden. Allerdings, dachte er, waren es Alfreds Nachbarn. Sie mussten viel gewohnt sein. „Das war großartig!“, verkündete Alfred, als die Sonne schon tief stand, und klopfte Toris auf den Rücken. Toris lachte unsicher. „Naja.“ „Dafür, dass du das zum ersten Mal gemacht hast, war es grandios!“, erklärte Alfred. „Und das sage ich nicht einfach so, Toris. Du hast das Zeug dazu!“ „Es hat Spaß gemacht“, gab Toris zu und strich sich die Haare aus der Stirn. „Aber ich denke, jetzt muss ich erst einmal duschen...“ „Tu das!“, erwiderte Alfred, ging zur Treppe und nahm sein erst halb leeres Glas wieder auf. „Oh nein... warm“, sagte er und verzog das Gesicht. „Ich werde neuen Saft holen. Oder soll ich Cola...“ „Du hast gesagt, du gehst duschen“, sagte Alfred entschieden und hob das Tablett auf. „Wenn du fertig bist, komm nach unten, dann hab ich uns was zu Trinken gemacht.“ „Aber...“, begann Toris, doch Alfreds Blick ließ ihn seine Meinung ändern. Er lachte nervös und zupfte an seinem verschwitzten Hemd. „Also gut. Vielen Dank, dass Sie...“ „Und außerdem“, unterbrach Alfred ihn und grinste breit. „Hör auf, mich zu siezen, Toris. Ich fühle mich so alt, wenn du das tust. Und so... so, als würde ich dich ausnutzen, verstehst du?“ „Oh“, sagte Toris und errötete. „I-ich wollte nicht...“ „Sag einfach du zu mir“, sagte Alfred, zwinkerte ihm zu und verschwand im Inneren seines Hauses. Toris stand noch im Hof, den großen Ball mit beiden Händen vor seiner Brust festhaltend. Erst nach einigen Sekunden gab er sich einen Ruck und folgte Alfred. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)