Das Spiel ohne Ball von Niekas ================================================================================ Kapitel 2: Das Geschenk ----------------------- Anmerkung der Autorin: Ich hassliebe dieses Kapitel. Lesen auf eigene Gefahr. „Ich habe etwas für dich!“, verkündete Alfred und grinste breit. „Ach ja?“, fragte Toris überrascht. „Was ist es?“ Anstatt einer Antwort ließ Alfred ein weiches, in Papier eingeschlagenes Paket vor ihm auf den Küchentisch fallen. „Pack es aus, pack es aus!“, verlangte er, ließ sich auf dem Stuhl Toris gegenüber nieder und stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. Toris musterte das Paket verwirrt. Er hatte keine Ahnung, was Alfred ihm würde schenken wollen. Außerdem hatte er noch nie ein unerwartetes Geschenk bekommen. Gut, von Feliks hatte er viele sehr unerwartete „Geschenke“ bekommen... aber noch nie von jemandem, der in der Lage schien, ein passendes Geschenk auszuwählen. Aufgeregt riss er das Papier auf. Was zum Vorschein kam, konnte er auf den ersten Blick nicht erkennen. Es sah aus wie ein zusammengefaltetes Stück Stoff, ein Stoff von der Art, wie manche von Alfreds Kleidern waren. Weich, glatt und mit einem seltsamen Geruch. Er zog das Ding auseinander und hielt es hoch. „Und?“, fragte Alfred gespannt. Einen Moment lang war Toris sprachlos. „Da steht mein Name drauf“, stellte er dann fest. „Toll, oder? Ich hoffe, ich habe ihn richtig geschrieben...“ Alfred lachte sorglos. „Nachdem du neulich beim Basketball so geschwitzt hast, dachte ich, ich schenke dir etwas Passenderes, was du beim nächsten Mal anziehen kannst.“ „Das ist für mich?“, flüsterte Toris und wagte es kaum, das Trikot anzufassen. Es sah so ähnlich aus wie das, das Alfred getragen hatte. Ein relativ schlichtes Oberteil mit weit ausgeschnittenen Löchern für die Arme und einem Namen auf dem Rücken. Seinem Namen. „Klar! Für wen soll es denn sonst sein, wenn Lorinaitis hinten draufsteht? Denk doch mal nach, Toris!“ „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand Toris, schüttelte den Kopf und drückte das Trikot an sich. Es schien zu passen, stellte er fest. Es kam ihm wie ein Wunder vor. „Komm!“, sagte Alfred, stand auf und klatschte in die Hände. „Zieh dich um, und dann spielen wir eine Runde!“ „Aber... meinst du...“ „Hey, ich habe es dir geschenkt, damit du es trägst! Also sei kein Frosch und komm mit!“ Toris holte tief Luft und stand auf. Ein Lächeln zog über sein Gesicht, und er stellte fest, dass er es nicht mehr loswurde. „Also gut. Ich bin sofort wieder da.“ „Du musst das Handgelenk abknicken, Toris, denk daran!“ Toris keuchte und fuhr sich durch die Haare. Entschlossen visierte er den Korb an, der einige Meter von ihm entfernt an der Wand hing. Er packte den Ball mit beiden Händen, holte tief Luft und lief los. Es war, als sei er nicht länger ein Teil seines Körpers. Er fühlte sich eher wie ein Reiter auf einem Pferd, das durchgegangen war – mit dem Unterschied, dass seine Bewegungen nicht panisch waren und er sich wegen seiner Kontrolllosigkeit keine Sorgen machte. Die Steine des Hofs rauschten verwischt unter seinen Füßen vorbei. Er hob den Blick, sah den hellen Himmel und sein Ziel, den Korb an der Wand. Ohne darüber nachzudenken, führte er die Bewegungen aus, die Alfred ihm beigebracht hatte. Hinter seinem Wurf lag mehr Kraft, als er sich je zugetraut hätte. Der Ball flog geradewegs durch das Netz hindurch. Toris bog ab, um nicht gegen die Wand zu laufen, und wurde langsamer. Sein Herz schlug schnell, als er sich umdrehte und den Ball wieder aufhob. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so froh gewesen zu sein. Fast ohne es zu wollen grinste er Alfred an, als er auf ihn zu ging und ihm den Ball in die Hände drückte. „Wie war das?“, fragte er glücklich, noch immer leicht außer Atem. Alfred erwiderte sein Grinsen. „Nicht schlecht, Toris. Aber du hast schon wieder nicht auf dein Handgelenk geachtet.“ Ratlos hob Toris die Hand und knickte sie einige Male nach vorn und wieder zurück. „Nein, wahrscheinlich nicht. Aber ich verstehe sowieso nicht ganz, wozu das gut sein soll... ich treffe den Korb doch auch so, oder?“ „Schon“, gab Alfred zu. „Aber so funktioniert die Technik nun einmal. So wurde das schon immer gemacht.“ „Also gut, wenn du es sagst... du bist der Experte von uns beiden.“ „Eben“, sagte Alfred und hob den Ball. „Und ich sage, du musst es... so machen.“ Er machte es vor. Der Ball flog ein kleines Stück und prallte auf dem Boden auf. „Natürlich mit etwas mehr Schwung.“ „Ich glaube, ich habe verstanden“, sagte Toris langsam und hob den Ball auf. „Ungefähr so?“ Prüfend sah Alfred ihm bei seinem Versuch zu und schüttelte den Kopf. Dann leuchteten seine Augen auf, als habe er einen Einfall gehabt. „Warte mal... ich zeige es dir.“ Er trat hinter Toris und griff nach dessen Hand. Toris blinzelte überrascht, beschloss aber, dass Alfred wissen musste, was er tat. Er wusste immer, was er tat. „Also... wenn du den Ball hast... Mensch, wieso bist du nur so groß?“ „Ich bin doch kaum größer als du“, erwiderte Toris lachend. Er spürte Alfreds Atem in seinem Nacken, als auch dieser lachte. „Ein Punkt für dich. Weiter im Plan des Helden... wo hast du deine andere Hand? Also, du nimmst beide Hände ungefähr... so.“ „Okay.“ „Und jetzt... wo ist der Ball?“ „Liegt immer noch da hinten, wo ich ihn hingeworfen habe.“ „Na so etwas.“ Erneut lachte Alfred laut auf. Das Lachen brachte seinen Bauch zum Beben, Toris spürte es in seinem Rücken. Er wusste nicht, ob er Alfred schon einmal so nahe gewesen war. Wahrscheinlich nicht. „Gut, dann eben ohne Ball.“ „Wieso ohne Ball?“, fragte Toris und versuchte, den Kopf zu drehen. „Geht das denn auch ohne...“ Er brach ab und erstarrte, als er etwas in seinem Nacken spürte, das dort nicht sein sollte. Etwas trockenes, sehr weiches auf seiner verschwitzten Haut. Es fühlte sich nicht unangenehm an, ganz im Gegenteil, aber es sollte nicht sein. Eine leise, aber penetrante Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass es einfach nicht sein sollte. Alfred löste seine Lippen behutsam von Toris' Hals und lachte in sich hinein. „Natürlich geht das auch ohne Ball.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)