Das Glücks-liebes-hormon von Ciura ((Beitrag zur 8. Taito -Challenge)) ================================================================================ Kapitel 1: An die Prinzessin ---------------------------- KdA: Es hat gedauert, aber jetzt hab ich es endlich geschafft XD“ Tut mir leid, für das lange warten. Ich hab das Lied: „Alles du, alles Dur“ - Kleingeldprinzessin gewählt. Ich fand einfach, dass das perfekt gepasst hat :D Leider hab ich irgendwie... reichlich lange fürs ausarbeiten gebraucht und dann doch wieder auf den letzten Drücker noch geschrieben, was geschrieben werden musste. Allerdings, hab ich es jetzt wenigstens geschafft mal an einem der Wettbewerbe zu denen ich angemeldet war, fertig zu werden und teilzunehmen XD“ *tot* Domo arigatou, Ciura Das Glücks-liebes-hormon *Zähneklappern, Zähneknirschen, und dazu die barschen, wirschen Mienen, Blicke, Kommentare.* „Stell dich nicht so an, Matt!“ „Du hast gut reden! Hör auf mir vorschreiben zu wollen, was ich tun soll! Ich kann das auch selbst entscheiden!“ „Davon hab ich aber jetzt noch nicht sonderlich viel mitbekommen!“ „Ach halt doch die Klappe, Mimi!“ Wütend schlug ich meine Zimmertür vor ihrer Nase zu. Reichte es denn nicht, wenn ich bereits mit Tai Stress hatte? Nein, Madame Naseweiß musste jeden ihrer freien Momente damit verbringen, mir auf die Nerven zu gehen. Schnaubend ließ ich mich auf mein Bett fallen und ignorierte das Klopfen und Nörgeln, das von vor der Tür zu hören war. Sollte die Frau sich gefälligst wieder zu Joey begeben, der hatte ihre Aufsässigkeit viel eher nötig als ich. Obwohl der wahrscheinlich am Ende der Auslöser für Mimis hinterhältige Angriffe auf mein Dasein war. Doofer zweiter bester Freund... Ein Griff zur Fernbedienung meiner Anlage und schon wurde ich von dem angenehmen Bass und Gitarrenspiel irgendeiner Band meines Lieblingsradiosenders zugedröhnt. Das war doch gleich viel besser, hob meine Laune aber nur bedingt. Missmutig starrte ich zur Decke empor, froh meine mal wieder braunhaarige Freundin nicht mehr hören zu müssen. Ich wollte mir nicht ständig Gedanken um ein und dass selbe Thema machen. Deswegen hatte ich mich ja auch in meiner Wohnung verbarrikadiert. Für jetzt mittlerweile gut eine Woche. Und Tai war schuld. Wieder einmal ging mir durch den Kopf, dass er so gut wie alle meiner Ausraster in letzter Zeit herauf beschworen hatte. Das lag an seiner momentanen Auffassung, es allen sagen zu wollen. Das wir zusammen waren und so. Und das er ja ach so glücklich darüber war, dass er am liebsten den Glücksbärchis beitreten und sein Glücks-liebes-hormon handlich verpackt verteilen wollte, damit sich alle mit ihm freuen konnten. Argh. Ich würde ihn manchmal schon gern einfach erwürgen. Was nicht hieß, dass ich diese Gefühle nicht erwiderte, oder dass ich nicht minder... gut drauf war... wegen dieser ganzen Story, aber... mein Freund mit der Frisur eines Feudels übertrieb es einfach. Was ich hätte vorher schon ahnen können, sollen, müssen. Taichi WAR nun mal so. Schrecklich. Unkontrollierbar. Hyperaktiv. Unvorhersehbar. Dämlich. Ende letzter Woche hatte er es dann wieder mal übertrieben, deswegen lag ich hier und schmollte, fühlte mich schlecht, weil ich Tai ein schlechtes Gewissen verpasste, was ich ja eigentlich auch mit meiner Aktion wollte, was aber trotzdem nicht gut war. Weil ich es nicht mochte, wenn mein Fußballfreak litt, selbst wenn er es verdient hatte. Und obwohl ich mich genauso mies fühlte, weil er sich mies fühlen musste (hoffentlich tat er das auch!), hinderte mich nun mal wieder mein Stolz und mein Sturkopf daran, ihm einfach auf ein neues zu verzeihen. Mein Blick schweifte zu meiner Gitarre und kurz entschlossen schaltete ich das Radio aus, setzte ich mich auf und fing selbst an zu klimpern. Half ja alles nichts, bevor ich mir weiter Gedanken machte, brauchte ich wieder einen freien Kopf. Vielleicht war Mimi mittlerweile aus der Wohnung verschwunden... obwohl das untypisch wäre, außer ich hätte es geschafft sie schon nach so kurzer Zeit weg zu ekeln. Dafür war ich aber noch nicht hitzköpfig genug. Sonst hätte ich sie einfach hochkannt rausgeschmissen, sie nicht zu Wort kommen lassen und Punkt. Keine Ahnung was mich geritten hatte, dass ich es noch nicht ausgereizt hatte. Leichte Anschläge und letztendlich ein ruhiges Einstimmen in einen meiner Songs, bescherte mir dann Zufriedenheit. Meine Kopfschmerzen lösten sich langsam auf. Bis mein Handy klingelte und mich wieder vollkommen aus dem Konzept brachte. Das war Tai. … „Was willst du?“ Vielleicht kam das jetzt ein bisschen zu gefaucht rüber, mir doch egal. „Es tut mir Leid, Yama!“ „Das hast du schon gesagt, sonst noch was?“ „Könntest du bitte wieder aus deiner Wohnung raus kommen? Ich vermisse dich und ich weißt grad nicht, was ich noch machen soll, damit du mir verzeihst, bei was auch immer ich je-!“ „Ich soll ne Runde zu dir zurück kommen, obwohl du noch nicht gecheckt hast, weswegen ich auf dich sauer bin? Tickts noch?!“ Meine Hand verkrampfte sich zur Faust und ich stand erstarrt im Zimmer. Wie blöd konnte man eigentlich sein?? „A-aber ich weiß wirklich nicht, weswegen... Ich meine, so schrecklich war es auf der Party doch gar nicht...“ Na, wenigstens wusste er noch, an welchem Ort ihm das Malheur passiert war. „Nein, es war gar nicht schrecklich, bis du vor versammelter Mannschaft von unserer Beziehung erzählen musstest! Jetzt weiß es die ganze Schule!“ „T-tut mir Leid.“ „Erinnerst du dich daran, was wir besprochen hatten, bevor wir da rein sind?“ „Das... wirs noch... geheim halten...?“ „Genau! Super! Warum konntest du dich dann nicht daran halten? Ich hatte dich darum gebeten Tai!“ Das miese Gefühl in meiner Bauchgrube wuchs erneut. Ich wollte ihn nicht so anschreien. Aber was sollte ich denn noch tun, bevor er begriff, dass mir dieses ganze öffentliche Gesülze unangenehm war und dass ich uns noch Zeit lassen wollte und dass das grad alles auf einmal einfach zuviel für mich war? An der anderen Leitung herrschte für einen Moment Stille, dann hörte ich meinen Freund schnauben. „Ich weiß echt nicht, warum du dich deswegen so anstellst. Es ist nicht so, als würdest du dir bei der Aussage, dass wir zusammen sind, etwas brechen.“ Scheiße, genau jetzt kam der Punkt, den ich hatte vermeiden wollen. Den, dem ich aus dem Weg gegangen war und gehofft hatte, dass Taichi es selbst merken würde. Aber scheinbar, bekam er von all dem nichts mit. Der Depp. *Ich wär fast verzweifelt ob der Müh der langen Straßen.* „Nein, an der Aussage bestimmt nicht, Tai.“ Meine Stimme war mit einem Mal kühl, ich unterdrückte das leichte Zittern, das durch meinen Körper jagte. Das hier wurde gerade ein schlimmeres Gespräch als geplant. „Woran dann? Wenn die dir nichts ausmacht? Ich versteh das nicht, Yama.“ „Das liegt daran, weil du durch die Welt läufst, als wäre sie strahlend und kunterbunt und egal was du machst, alles wird schon gut. Vielleicht kommst du mit den Blicken klar, aber ich nicht, Tai.“ „Was für Blicke?“ Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Die Blicke der Leute? Du hast nach deinem Geständnis nicht ansatzweise auf die Reaktion deiner Ummenschen geachtet, oder? Nein, hast du nicht. Die hab nur alle ich gesehen und abgekriegt. Du bist der Schwarm der Schule, Tai, ich bin ein Schlusslicht, ich bin anders, und hab jetzt deinen gesamten Fanclub gegen mich, weil ich dich ihnen weggeschnappt habe. Ich hab das Gefühl, dass mich alle anstarren, was sie auch mit Sicherheit tun. Mehr als eh schon. Ich wollte das vermeiden, Taichi, deswegen wollte ich nicht, dass du es in die Welt hinaus posaunst, dass wir jetzt zusammen sind.“ Falls wir das jetzt noch sein würden und Tai mich nicht aufgrund von übermäßiger Paranoia einfach abservierte. Ich zitterte am ganzen Leib. Meine Stimme war ruhig. Am Ende der anderen Leitung war es auch wieder ruhig. Ich hörte es Rascheln. „Ich bin jetzt gleich bei dir, also lass mich bitte rein.“ Dann ertönte das Leerzeichen und ich fühlte, wie sich die Leere in mir ausbreitete. Nur nicht anmerken lassen, wie weh das jetzt tat. Tai würde jetzt her kommen um mir eine reinzuhauen und dann wieder abhauen. Wenigstens war er Manns genug um nicht stillos übers Telefon Schluss zu machen. Ich brauchte jetzt was zu trinken und ich brauchte Konzentration. Zehn Minuten hatte ich noch, wenn Tai rannte, fünf. Tief durchatmend öffnete ich meine Zimmertür und lief zur Küche, registrierend, dass Mimi wohl wirklich gegangen war. Oder sich versteckte um mich erneut anzugreifen. Dafür hatte ich aber jetzt keine Nerven mehr. Dementsprechend hoffte ich für sie, dass sie weg war. Aus dem Kühlschrank schnappte ich mir einen der gekühlten Cappuccinos und leerte ihn, verschaffte meinem Kopf eine kurze Frostung. Sollte reichen. Musste reichen. Danach lief ich relativ ziellos durchs Wohnzimmer und räumte hier und da ein wenig auf, um meine Nerven zu klären, was nicht so funktionierte, wie ich mir das wünschte. Mit jeder Sekunde die verstrich schien mein Herz schneller zu schlagen und ich zuckte heftig zusammen, als es klingelte. Da war Tai also. Unschlüssig starrte ich die Wohnungstür an. Die musste ich jetzt aufmachen. Alles schrie in mir es nicht zu tun. Ich wollte mich nicht von meinem Chaoten trennen. Nicht jetzt. Aber der hatte allen Grund dazu Schluss zu machen. Ich wusste schließlich, dass ich oftmals einfach unausstehlich war und im Moment wieder absolut überempfindlich war. „Yama, machst du bitte auf?“ Ich und meine Gedanken. Mann. „Moment...“ Es blieb mir ja eh nichts anderes übrig. Mit kontrolliertem Schritt, lief ich zum Flur, zur Tür und drückte die Klinke runter, zog die Tür mit mir mit, bis ich mit dem Rücken an der Wand lehnte und auf die Gegenüberliegende starrte. Ich war nicht fähig Tai an zu sehen, deswegen vermied ich es einfach gleich. Der Braunhaarige rührte sich erst nicht, dann trat er ein, zog mir die Tür weg, mich mit und mitten in seine Arme hinein. Ich schnappte nach Luft, fühlte starke Arme um mich, die meinen Kopf und meinen Körper an die Brust und Schulter des anderen drückten. Einige Sekunden standen wir einfach da. Ich versuchte meine Kontrolle zurück zu bekommen, aber das hier fühlte sich gerade zu gut an. Und dann kam mir Tai zuvor. „Du Depp! Elender Idiot!! Was sollte denn der Mist jetzt? Ich versteh dich nicht und hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich dich vermisst habe?!“ Er nahm mich bei den Schultern und drückte seine Stirn gegen meine, womit ich dazu gezwungen war ihm direkt in die Augen zu sehen. Mein Freund sah wütend und verzweifelt aus und da lag eine Sorge in seinem Blick, die da nicht hinein passte. „Meinst du, ich fühl mich gut, wenn du dich vollkommen von mir abkapselst? Du tust uns beiden keinen sonderlichen Gefallen damit“, fuhr er ruhiger fort. Ich konnte nicht wirklich antworten. Was auch daran lag, dass Tais Lippen sich von einer Sekunde zur nächsten gegen meine pressten, sich viel zu schnell wieder lösten. Seine Stirn lehnte weiter an meiner. „Ich bin doch hier, du Depp, oder? Du kannst jetzt aufhören dich hier drinnen zu verstecken...“ Mein Herz machte einen Satz. Wie konnte es sein, dass er plötzlich so einfache Dinge doch kapierte? Warum erkannte er so einfach, was ich hier drin tat? Und warum ging das denn sonst nicht so einfach? Ich konnte meine Schuldgefühle nicht aus meinen Augen verbannen, aber Tais Arme schlossen sich lediglich wieder um mich und er zog mich mit einem erleichterten Seufzen in einen weiteren Kuss, länger, sanfter. *Und dann in Deinen Armen, alles gut, alles andre egal.* Das gute Gefühl, dass durch die Anwesenheit des Braunhaarigen in mir aufkeimte und mich dazu veranlasste, noch ein paar Minuten seine Umarmung zu erwidern, war das, was mir die Woche über gefehlt hatte und was ich auch versucht hatte zu verdrängen. Weil ich einfach wusste, dass ein gutes Gefühl allein nicht reicht. Weil ich mich nicht dieser Illusion hingeben wollte. Aber jetzt saß ich hier, auf der Couch neben Tai, der mich noch immer halb im Arm hielt und von seinem letzten grandiosen Fußballspiel erzählte, weil für ihn jetzt einfach wieder alles in Ordnung war. Weil er nun einmal einfach so war. Und mir die Möglichkeit bot, beziehungsweise mich konstant davon abhielt, mich wieder in mein Schneckenhaus, in meinen Schutzpanzer zurück zu ziehen. Durch sein breites Grinsen, durch sein Lachen, wenn ich bei einer doofen Bemerkung mürrisch guckte, durch seine Hand, die mir sanft über die Schulter strich, einfach durch die Liebe, die Taichi so überschwänglich an mich weitergab und die mir meine Sturheit eine Woche genommen hatte. Die ich vermisst hatte. Das es mir so gut ging, hing auch einfach damit zusammen, dass mein Freund mir keine Grenzen für mein Verhalten steckte, sondern sich eine unglaubliche Mühe machte zu erkennen, in welchen Bereichen er sich aufhalten durfte, mit was er mich glücklich machte und wie er einfach mehr von mir und meiner Art verstehen konnte. Es war so unbegreiflich für mich, dass Taichi mich so meistern konnte. Wie oft er mir mein seltenes Lächeln herauslockte, mein Lachen hervorkitzelte, das ich früher so oft vergraben hatte. Und dann wieder, wie er einfach schrecklich trottelig in Fettnäpfchen stapfte und es erst nach den nächsten drei bemerkte. „Ich versteh dich manchmal echt nicht...“, murmelnd, lehnte ich mich zu ihm vor und versiegelte unsere Münder unter seinem überraschten Blick. Jetzt hatte ich ihn total aus der Erzählung gerissen. Nicht unbedingt mein Problem. Taichi legte den Kopf schief, als wir uns halbwegs voneinander lösten. „Was hattest du eben gesagt, bevor du mich so hervorragend in andere Fantasien gerissen hast?“ Ich grinste. „Nur etwas, dass du schon weißt.“ Er grinste zurück und zog mich wieder in seine Nähe. „Zu schade, dass ich es überhört habe.“ Ich war da ja auch relativ leicht zu durchschauen. *Die Welt steht offen zu entdecken, also können wir uns hier genauso gut noch heute hier verstecken.* Der Abend endete schön und in meinen Augen viel zu schnell. Tai hatte bei sich angerufen und darauf bestanden, bei mir bleiben zu können. Darum lag ich jetzt in seinen Armen in meinem Bett und hörte sein Herz gleichmäßig in seiner Brust schlagen. Er schlief schon längst und ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Mein Blick war schon wieder leicht stumpf, was nicht nur von der Müdigkeit herrührte. Ich fühlte mich bei Taichi sicher, aber morgen würde ich wieder in die Schule müssen. Richtig geklärt, hatten wir unsere Probleme nicht. Wir hatten einfach unsere Zweisamkeit genossen und nicht mehr daran gedacht, dass es ja danach weiter ging. Oder zumindest hatte ich es vergessen. Für einen Moment. Tief ausatmend lehnte ich mich an den größeren Körper, der so perfekt noch mit in mein Bett passte. Das gute Gefühl hin oder her, der kommende Tag würde meine ganzen Nerven kosten und Tai konnte mich nicht vor seinen wütenden Fangirls beschützen, oder gar vor meiner Paranoia gegenüber negativer Aufmerksamkeit. Da er ja nicht mal ansatzweise davon ahnte. Zumindest nicht bewusst. Wieder in die Schule zu gehen, hieß, sich dem Gerede zu stellen, welches an dem Braunhaarigen neben mir abprallte und mich durchlöchern würde wie die Patronen eines Maschinengewehrs. Ich wusste das. Weil ich mich selbst kannte. Was es noch schlimmer machte, war der Gedanke daran, dass ich von Tais Naivität morgen nicht das geringste Abgucken konnte. Wir hatten Montags fünf unterschiedliche Kurse, Tai früh Schluss und ich noch drei weitere Stunden ohne ihn. Lediglich die erste Stunde war eine gemeinsame. Mir war jetzt schon bewusst, dass ich mich morgen dem geistigen Tod sehr nähern würde. Da ging nichts drum herum. Ich konnte mich nicht auf ewig verbarrikadieren. Nicht vor der Welt und der Zeit, die da draußen weiterlief. Heute war ich davon gekommen. Morgen funktionierte das nicht mehr. Das vergangene konnte mit dem zukünftigen nicht aufgewogen werden. *Und Patati und Patata, soviel Palaver und ich hader und ich harre und ich starre.* Ich hatte erwartet, dass es schlimm wird. Aber nicht, dass es so schlimm werden würde. Der Weg zur Schule war einfach zu bewältigen gewesen. Mit Tai an meiner Seite sowieso, auch wenn der davon nicht wirklich was ahnte. Als wir den Schulhof betraten, sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Sofort lag die Aufmerksamkeit der gesamten sich den Hauptgebäude nähernden Schüler auf uns. Auf mir. Ein leichtes Übelkeitsgefühl wallte in mir auf, eine Art natürliche Abwehrreaktion. Ich versuchte meine kalte Mauer aufzubauen und die Blicke zu ignorieren, das Tuscheln zu überhören und es wie Tai zu machen, der... nicht mehr neben mir war. Ich drehte mich halb um und sah, wie er von seinen Fußballkameraden mitgeschleift wurde. Nichts dagegen tun konnte und mich allein dem Schicksal überließ. Mich mussten meine Augen täuschen, als einer von Tais Kameraden zu mir blickte und finster grinste. Oder auch nicht. Aber ich wollte daran glauben. Ich setzte meinen Weg fort und stolperte von einer Übelkeit in die nächste. Die erste Stunde überlebte ich, weil Unterricht war, weil Tai neben mir saß und sich entschuldigte, dass er sich vorhin so hatte abschleppen lassen. Ich war nicht sauer deswegen. Ich war gar nicht sauer. Mir war lediglich schlecht. Weil meine Paranoia meinem Körper nicht gut tat. Und dann war die erste Stunde auch schon vorbei, ich atmete tief durch und versuchte einen Schutzwall aufzubauen. Irgendetwas, das mich vor den Pausen retten konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, wenn Tai nicht da war. Nur eine Frage der Zeit. Mathematik. Japanisch. Geschichte. Und dann saßen die Aßgeier vor mir, hatten mich eingekreist, bereit über mich herzufallen. Ich starrte auf meinen Tisch, meine Finger verkrampften sich um meinen Bleistift, mit dem ich gerade in der Hoffnung auf innere Entspannung etwas geschrieben hatte. Auf Hoffnung hatte ich noch nie viel gesetzt. „Yamato Ishida, ja? Nicht sehr hübsch.“ „Sind die Haare blondiert? Ist ja total unnatürlich!“ „Ich hab immer gewusst, dass der irgendwie anders ist. Irgendwann kommt alles ans Licht.“ „Ach, ihr kennt doch das Sprichwort: Stille Wasser sind tief!“ „Na, ich will nicht wissen, wie tief er sich schon hat lochen lassen!“ „IIIiieh! Sag doch nicht sowas perverses, Miya!“ „Aber es stimmt schon, schau nur, der ist doch von anfang an schwul gewesen, oder?“ „Ich frag mich nur, was Tai an ihm findet. Die haben doch gar nichts miteinander zu tun!“ „Das kam mir eh immer komisch vor.“ Und so weiter und so fort. Mein Magen drehte sich bei dem Verhalten dieser Tussen um. Das sich dann noch ein paar unser Draufgänger mit einmischten, machte es nicht besser. Immerhin sahen sie nur auf mich runter und versuchten noch nicht, irgendwas aus mir raus zu bekommen. Man sollte allerdings den Tag nicht vor dem Abend loben. Es lagen immer noch fünf Stunden vor mir, die ich ohne Tai überstehen musste. Ich redete mir ein, dass ich das konnte. Nach der sechsten Stunde, verschwand ich auf die Toilette und übergab mich. Mein Körper konnte mit so etwas nicht umgehen. Psychischer Stress kam überhaupt nicht gut. Als ich zurück in die Klasse schlich, war das Getuschel noch lauter. Ich bewegte mich in einem nicht endenden Gefahrenfeld. Egal was ich tat, wie ich saß, wie ich nach vorne blickte, alles wurde analysiert und für eklig erklärt. Für Abnormal. Mein Weg führte mich noch einmal auf die Toiletten. Richtig in Erinnerung blieb mir nur, dass mir irgendwann jemand seinen Anspitzerinhalt von hinten in die Uniform kippte. Ich wollte nicht wissen, wie ich aussah. Ich brachte kein Wort über die Lippen und war garantiert weiß wie eine Wand. Es kam mir unwirklich vor, als das Schrillen der Glocke das Ende des Schultags verkündete. Auch, wie ich es schaffte, das Gebäude zu verlassen. Aber als mich die frische Luft umgab und ich den Himmel sehen konnte, da kapierte ich langsam, dass ich es einmal geschafft hatte. Fast schon unbewusst lief ich los. Tai war zuhause. Hatte früher Schluss. Ich hielt erst völlig aus der Puste an, als ich die Klingel an der Yagamischen Haustür geklingelt hatte und vor Unsportlichkeit und Erschöpfung fast umkippte. * In deinen vier Wänden, ein bergendes Zelt. Mit dem Fenster zum Himmel und der Türe zur Welt. * „Matt?“ Das war nicht Tai. Das war Hikari. Ich blickte zu ihr auf und lächelte schwach, lehnte mich an den Türrahmen. Ihr Blick war besorgt. Aber sie sagte nichts dazu, wie ich aussah. Vielleicht weil es sie schockte? „Komm rein, setz sich!“, brachte sie dann hervor, zog mich vorsichtig am Arm ins Haus. Ich ließ es zu. War nervlich eh am Ende. Kein Protest, kein gar nichts. Normalerweise mochte ich es nicht, wenn mich irgendjemand anfasste. Aber Kari war schon in Ordnung. Sie wusste von uns. Und sie war mit meinem kleinen Bruder zusammen, soviel konnte also nicht verkehrt an ihr sein. Ich kannte sie schließlich noch von der Zeit, als sie mit TK in der Badewanne mit ihren Quietscheentchen gespielt hatte. So lange kannte ich ja Tai auch schon. „Ich hol Taichi. Warte kurz hier.“ Ich blinzelte uns saß bereits auf dem Sofa. Starrte stumpf die gegenüberliegende Wand an. Wurde wieder wach, als ich jemanden die Treppe runter trampeln hörte. „Yama!“ Der Braunhaarige blieb vor mir stehen, stockte, ging dann in die Knie, sah mich an. Ich versuchte den Blick zu erwidern. Müde. Tais alarmierte Miene brachte mich dazu, mich nochmal zusammen zu reißen und mich versuchsweise aufzusetzen. „Sieht schlimmer aus, als es ist“, hörte ich mich sagen. Mein Freund schüttelte den Kopf, ungläubig, setzte sich neben mich, zog mich in seine Arme. Es kam mir vor, als würde da endlich etwas von meinen Schultern geschoben worden, dass mich zerdrückte. Nach kurzem Zögern lehnte ich mich an ihn. „Ist aber bestimmt schlimmer, als du meinst...!“ Mehr brauchte Taichi nicht sagen. Ich schloss die Augen und krallte mich an ihn. Versuchte von der Kraft zu zehren, die er ausstrahlte. So vergingen ein paar Minuten, als ich allerdings wieder wach wurde, befand ich mich in einem Bett, der Braunhaarige war neben mir und ich fühlte mich besser, ruhiger. Mein Freund strich mir durch die Haare, dann über die Wange, als er bemerkte, dass ich wieder wach war. „Wie spät ist es...?“, murmelte ich. Seine Daumenkuppe, wanderte über meine Lippen und jagten mir einen wohligen Schauder durch den Körper. „Kurz vor Sieben. Soll ich dir was zu Essen holen? Dein Magen hat rumort.“ War wohl kein Wunder. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte von der leichten Schamröte, die mir in die Wangen wanderte, abzulenken. Ich wollte eigentlich lieber liegen bleiben. Einfach so liegen bleiben, mit Tai. Der richtete sich aber gerade auf. Bei meinem Vorwurfsvollen Blick, weil er aus dem Bett geklettert war, beugte er sich nochmal über mich, drückte mir einen Kuss auf den Mund. „Ich bin doch gleich wieder da.“ Dann war er weg. Wie anstrengend. Ich atmete ein und drehte mich in seine Decke ein, auf seinen Liegeplatz hin und dann atmete ich aus und nochmal ein um den schwachen Duft, der von all seinen Sachen ausging aufzunehmen. Ich registrierte halb, dass der Fußballfreak mir eins seiner überdimensionalen Shirts angezogen haben musste, ich hatte nämlich meine Uniform nicht mehr an. Sollte er mal tun. Mein Blick wanderte durch den Raum, Poster über Poster von westlichen Fußballstars. Durch das Fenster konnte man nach draußen ins Blaue sehen. Die Wipfel von Bäumen des anliegenden Parkstücks waren zu erkennen, wie sie sich im Wind leicht hin und her wiegten. Langsam sammelte ich mich wieder. War besser, wenn Tai nicht schon wieder einem nervlichem Wrack gegenüber stehen musste. Angesprochener betrat auch grade wieder seine Räumlichkeiten und balancierte ein Tablett in der einen, eine Flasche Wasser in der anderen. „Die Prinzessin hat nach ihrem Prinzen gerufen?“ Meine Augenbrauen wanderten fragend in die Höhe. Taichi grinste über beide Ohren. Ich wusste echt nicht, was ich ohne diesen liebenswerten Idioten machen sollte. Kopfschüttelnd hockte ich mich aufrecht hin. „Wieso hast du mir nie erzählt, dass deine Familie irgendwelche hochwohlgeborenen Vorfahren aufzuweisen hat. Aber danke fürs Essen.“ Er überging das und reichte mir das Tablett, stellte die Flasche ab. „Stets zu Diensten.“ Dann hockte er sich wieder neben mich drückte mir einen Kuss gegen die Wange. Ich aß schweigend. Danach legten wir uns hin. Irgendwie war es komisch, dass wir nicht über das Sprachen, was passiert war. Vielleicht ahnte Tai aber auch einfach, dass ich kein weiteres Wort darüber verlieren würde. *Du mein Prinz und Findelkind im Wunderland. Ich trete ein, als Prinzessin in dein Königreich. * Wenn ich gewusst hätte, was er statt dessen tun würde, hätte ich mich womöglich anders verhalten. Aber wer verstand schon, was in dem Kopf eines Taichi Yagami vor sich ging. Und dass die Bemerkung mit dem Prinz und der Prinzessin vom Vorabend nichts damit zu tun hatte, wollte ich hinterher auch nicht mehr wirklich glauben. Obwohl es unlogischerweise logisch klang, wäre Tai auf die Aktion des nächsten Tages, nach seiner Äußerung gekommen. Ich hatte bei dem Braunhaarigen übernachtet und wir waren am nächsten Tag zusammen zur Schule gegangen, er hatte seine Kumpel zu meinem Erstaunen abgewimmelt und war direkt mit mir zum Unterrichtsraum gegangen. Dann waren vier seltsam entspannte Stunden vergangen, die ich nicht so ganz fassen konnte. Wobei es klar war, dass sich niemand ein schlechtes Wort erlaubte, wenn Taichi dabei war. Der Knaller kam, als Mittagspause war und ich überrumpelt von ihm mit nach draußen auf den Schulhof gezogen wurde. Die Blicke aller folgten uns erneut und dann in der Mitte des Hofes, drehte sich der Kerl mit der Feudelfrisur, den ich meinen Freund nannte zu mir um, zog mich an sich und küsste mich. Ich kam gar nicht dazu großartig zu reagieren. Ich wusste nur, dass ich mich jetzt lieber sofort und zwar auf der Stelle, auf die Sekunde in Luft auflösen wollte. Das hatte er jetzt nicht getan. Das. Hatte. Tai. Jetzt. Nicht. Wirklich. Getan! „Spinnst du?!“, fauchte ich, als er endlich von mir abließ, wollte mich losreißen. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Lass mich machen.“ Seine ernste Stimme jagte mir einen Schauder über den Rücken. Oh Gott, was wollte er denn jetzt noch? Mir war klar, dass ich ihn nicht mehr davon abhalten konnte. Tai drehte sich zu der gaffenden Schülermenge um und starrte zurück. Ich atmete tief durch und wagte ebenfalls einen Blick, erkannte das, was ich schon erwartet hatte. Angewiderte Gesichter, negative Reaktionen, peinliches Anstarren. „Hey, was glotzt ihr bitte so?“, ertönte dann die Stimme meines Partners. Entschlossen drückte er meine Hand. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass er sie hielt. „War das jetzt so etwas unnatürliches, zu sehen, wie sich zwei Männer küssen?! Ihr posaunt doch sonst immer alle raus, dass ihr die moderne Meinung vertretet, dass jeder lieben kann, wen er will! Was schaut ihr also so? Am Schwul sein, ist nichts verkehrtes, nichts falsches! Man darf jawohl noch seinen Freund am helllichten Tag küssen! Ihr knutscht mit euren Freundinnen doch auch vor versammelter Mannschaft rum!“ Die Mienen wechselten nicht unbedingt ihre Ausdrücke. Ich wollte mich gerade wirklich gerne in Luft auflösen. Tai schaufelte sich da gerade sein eigenes Grab. Er brachte sich mit auf meine negative Seite. „Schwule sind Krank!!!“, tönte es aus der Menge. Taichi donnerte dagegen an. „Nein, sind sie NICHT! Man kann sich nicht aussuchen in wen man sich verliebt!! Und jegliche Liebe sollte respektiert werden!! Und ich liebe Yamato, einen Kerl, meinen besten Freund! Sollte auch nur noch einer ihn wegen meiner Liebe geringer wertschätzen, dann soll er mir bitte die Gründe erklären! Ihr benehmt euch alle wie kleine Kinder ohne Verstand!!“ Danach herrschte Stille. Ich starrte meinen Freund an. Sprachlos. So hatte ich ihn noch nie schreien hören. Und das wegen mir. Er hatte sich seinen ganzen Ruf wegen mir versaut. Aber das schien ihm relativ egal zu sein. Schnaubend drehte er sich zu mir und zog mich Richtung Schulgebäude davon. Wir saßen rechtzeitig zum Klingelzeichen auf unseren Plätzen und ich konnte immer noch nicht fassen, was da gerade passiert war. Später an dem Tag, schob mir Tai einen Zettel zu: An die Prinzessin: Stets zu ihren Diensten! Würde die Dame dem Prinzen die Ehre erweisen, heute Abend erneut Einzug in seinem Schloss zu halten? Er will sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die Ihrer Hochwohlgeboren durch ihn zugefügt wurden. Ihr Prinz *Und dann in deinem Arm, alles gut, alles andere egal, das Gerede der Welt scheint banal. * Ich konnte nichts dagegen tun, dass das gute Gefühl sich wieder flatternd in meinem Inneren ausbreitete. Dieser Idiot. Seufzend schüttelte ich den Kopf über soviel provozierten Kitsch. Ich hatte ja geahnt, dass Tai zu einer romantischen Ader neigte, aber manchmal übertrieb er es. Wenigstens war er sich bewusst, wie peinlich das vorhin gewesen war. Meine Antwort war relativ kurz gehalten. An den Prinz: Einem Abendmahl ist Ihre Hochwohlgeboren nicht entgegen geneigt. Und ich liebe dich auch. Idiot. Ihre Prinzessin *Hier kann ich sein, was ich bin. Frei mit dem Herz in der Hand und drei Worten im Sinn und drei Worten im Sinn, drei Worten im Sinn. * And they happily lived ever after. +:. The End .:+ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)