Der Rabenprinz von Kampfkewob ================================================================================ Der Rabenprinz Es war einmal eine Prinzessin, die lebte in einem großen Schloss eines blühenden Landes, in dem ihr Vater König war. Die Prinzessin lebte dort glücklich und zufrieden und wurde alsbald sechzehn Jahre alt. Der König aber wollte, dass sie sich nun endlich einen Mann suche, der für sie sorgen kann. Denn die Prinzessin war nicht das einzige Kind am Hofe. Sie hatte fünf Schwestern und drei Brüder, die allesamt jünger waren als sie. Und so schön das Land auch war, war der König doch kein reicher Mann. Also kamen bald darauf viele junge Männer an den Hof, um die schöne Prinzessin zu freien. Doch keiner der Prinzen und Ritter wollte ihr gefallen. So ging sie eines Tages traurig im Wald, der um das Schloss herum wuchs, spazieren. Der Tag war noch jung und es lag noch Tau auf dem Gras zu ihren Füßen. Als sie schließlich bis zum Mittag gelaufen war, wurde sie müde und setzte sich unter einen großen Lindenbaum in den Schatten. Sie schloss die Augen und wollte ein bisschen ausruhen. Doch kaum hatten sich ihre Lider gesenkt, vernahmen ihre Ohren ein feines Lied, gesungen von einer schönen Stimme und begleitet von leisen Tönen. Die Prinzessin wurde von Neugier gepackt und lief zu der Stimme hin. Hinter drei Bäumen fand sie nun einen jungen Mann der auf einer Laute spielte und das Lied sang. Er saß im Schatten einer alten Eiche und bemerkte das Mädchen gar nicht. Erst als er sein Lied beendete, sprach die Prinzessin sanft: „Bitte hört nicht auf zu spielen. Ihr spielt wundervoll. Ich würde gerne mehr hören.“ Der junge Mann erschrak fürchterlich und sprang auf. Doch dann sah er die schöne Prinzessin und war von ihrer Schönheit so eingenommen, dass er jeden Gedanken an Flucht fallen lassen musste. Die Prinzessin sprach noch einmal: „Bitte, spielt noch ein Lied.“ Doch der junge Mann hatte nur Augen für das Mädchen: „Sagt, wer seid ihr? Ich hatte nicht erwartet, jemanden hier in diesem Wald zu treffen.“ Die Prinzessin lächelte bezaubernd: „Mein Name ist Hilda von Greifenfels. Ich bin die älteste Tochter des Herren des Landes.“ Der junge Mann ergriff die Hand der Prinzessin und drückte einen leichten Kuss darauf: „Ich bin Prinz Leonhard vom Rabensee. Und ich muss euch sagen, meine Augen haben noch nie etwas Schöneres erblickt als euch.“ Die Prinzessin errötete über die Worte des jungen Mannes und zog schnell ihre Hand weg: „Ich werde nun nach Hause gehen müssen. Es wird schon spät und bald ist es dunkel.“ Sie drehte sich um und lief auf die Bäume zu, doch bevor sie in ihnen verschwand, drehte sie sich nochmals zu dem Prinzen um: „Werden wir uns wiedersehen? Ich würde so gerne noch ein Lied hören.“ Der Prinz sprach: „Ja, komm morgen wieder hierher. Ich werde auf dich warten.“ Die Prinzessin lief beflügelt nach Hause und sang den ganzen Abend vor sich hin. Am nächsten Morgen lief sie wieder in den Wald, um den Prinzen zu treffen. Unter der Eiche wartete er auf sie und nahm ihre Hand. Zusammen setzten sie sich ins frische Gras und der junge Mann spielte ihr das versprochene Lied. So wiederholte sich das auch am nächsten Tag. Jeden Abend lief die Prinzessin beschwingt nach Hause. Doch der junge Prinz wurde immer unruhiger. Denn auf ihm lag ein Fluch. Würde er derjenigen, die er liebte, drei Lieder von Herzen vorspielen, würde er sich in einen Raben verwandeln. Um den Fluch zu brechen, war er losgezogen. Nun aber hatte er seine Liebe gefunden. Als die Prinzessin am nächsten Morgen wiederkam, wollte der Prinz ihr kein Lied vortragen. Er konnte ihr aber auch nicht von dem Fluch erzählen. Das Mädchen wurde traurig und ging wieder zurück zum Schloss. Der Prinz hoffte, sie würde nicht mehr wiederkommen, auch wenn es ihm bei dem Gedanken schwer ums Herz wurde. Aber noch einmal würde er ihr den Wunsch nicht abschlagen können. Aber die Prinzessin hatte sich in den jungen Mann verliebt und wollte so gern noch einmal seine Stimme hören. So ging sie am nächsten Tag nochmals in den Wald. Der Prinz war noch nicht weitergezogen, sein Herz ließ ihn einfach nicht. Und so kam es, dass er dem Mädchen ihren Wunsch nicht nochmals abschlagen konnte und seine Laute nahm. Darauf spielte er ihr das schönste Lied von allen. Als die Prinzessin ihn am Abend verließ und die Sonne hinter dem Horizont versank, spürte der Prinz, dass sein Fluch Wirkung tat. Er schrumpfte zusammen und aus seiner Haut spross ein schwarzes Federkleid. Statt seiner schönen Stimme erklang nun nur noch ein Krächzen. Die Prinzessin ahnte davon aber nichts. Sie erzählte ihrem Vater, sie hätte ihren Mann gefunden. Der König war glücklich über diese Nachricht und veranlasste die Vorbereitungen eines großen Festes. Das Mädchen wollte den Prinzen am nächsten Tag zu sich auf das Schloss holen. In der Nacht träumte sie von ihm und freute sich auf den nächsten Tag. Schon früh am nächsten Morgen, als der Tau noch auf den Felder lag, lief die Prinzessin wieder in den Wald, um ihren Liebsten zu treffen. Doch als sie die Eiche erreichte, lag dort nur seine Laute. Von dem Prinzen war nichts zu sehen. Nur ein Rabe sah von einem Ast auf sie hinab und krächzte traurig. Da dachte die Prinzessin, der Prinz wäre gegangen und hätte sie allein gelassen. Sie fing an, bitterlich zu weinen und lief mit der Laute in der Hand nach Hause. Als der König sie sah, wusste er sofort, dass er das Fest absagen musste. Die Prinzessin weinte drei Tage lang und sprach mit niemandem. Der Rabe saß oft vor ihrem Fenster und sah hinein. Zu gern hätte er sie getröstet, denn trotzdem, dass er ein Rabe war, liebte der Prinz das Mädchen noch immer. Dann begrub die Prinzessin ihre Trauer und entschied, dass es an der Zeit war, etwas zu tun. Der Prinz wäre nie gegangen und hätte seine Laute zurückgelassen. Sie wusste, ihm war etwas geschehen. Also machte sie sich am nächsten Tag noch vor Sonnenaufgang auf, um den Prinzen zu suchen. Alle Reiter und Gefolge ließ sie hinter sich. Niemand sollte mit ihrer Suche belästigt werden. Nur ihr treues Ross nahm sie mit und ritt von dannen. Sie versteckte ihr Haar unter einer alten Haube und trug nur Kleider, die sie nicht als Prinzessin auswiesen. Als arme Frau ritt sie durch die Lande und fragte in jeder Stadt nach dem Verbleib des Prinzen. Doch niemand konnte ihr berichten, was sie hoffte. Nur der Rabe und die Laute des Prinzen waren ihre ständigen Begleiter. Sie kam in immer nördlichere Gefilde und die Kälte und der Winter griffen mit rauen Fingern nach ihr. Die Prinzessin aber ritt weiter, denn sie wollte ihre Suche nicht aufgeben. Vor ihr erstreckten sich nun bald Berge und eisige Winde wehten unter ihre Kleidung. Am Abend fand sie dann eine Hütte, aus deren Kamin einladender Rauch quoll. Sie ritt darauf zu und klopfte dann zaghaft an die Tür. Eine alte Frau, gebeugt von der Vielzahl ihrer Jahre, öffnete ihr. „Bitte, darf ich die Nacht hier verbringen? Es ist so kalt draußen.“, fragte die Prinzessin. „Ja, komm doch herein.“, antwortete die Alte. Die Prinzessin trat herein und wurde von Wärme umfangen. Sie ließ sich am Feuer nieder und schlief sofort ein. Der Rabe saß draußen am Fenster und wachte über sie. Der Winter kam und die Prinzessin blieb bei der alten Frau, um von ihr zu lernen. Die Alte war eine weiße Hexe und lehrte ihr die Kunst zu heilen. Die Prinzessin lernte schnell, mit Kräutern umzugehen und sie lernte auch, auf der Laute zu spielen, die sie immer bei sich getragen hatte. Als der Frühling kam, wurde sie in die hohe Kunst der weißen Magie eingeweiht und schloss ihre Studien ein Jahr später ab. Mittlerweile hatte sich ihr schönes Gesicht verändert. Es war durch die Strapazen der Reise reifer und rauer geworden. Ihre Haare waren nicht mehr golden, doch gaben ihr einen Hauch von Würde. Auch ihr Körper war nicht mehr der einer verwöhnten Prinzessin. Durch die harte Arbeit, die am Haus der alten Hexe anfiel, war er gestählt und nicht mehr zerbrechlich. Sie war zufrieden mit sich und ihrem Leben. Doch als der zweite Frühling nahte, verspürte sie einen starken Kummer. Sie hatte ihren Prinzen noch immer nicht gefunden. Dann eines Tages fragte sie die alte Frau, ob sie sie ziehen lassen würde. Sie erklärte ihre Situation und die Hexe stimmte zu. Mit dem Wunsch, sie möge nur gutes verbreiten, ließ sie sie gehen. Die Prinzessin ritt nun weiter westlich in ferne Länder. Wo sie Leid fand, half sie und wurde bald unter dem Namen Hilda, die Weiße, bekannt. Auch ihr Vater hörte irgendwann von der weißen Frau, die die Leiden in den Nachbarländern milderte. Er glaubte in ihr seine Tochter wiederzuerkennen, die er verloren hatte. Also lud er sie ein, ihn in seinem Schloss zu besuchen. Die Prinzessin kam der Einladung nach und die Freude war groß, als sie ihrem Vater um den Hals fiel. Dieser ließ ein großes Fest veranstalten und es wurde die ganze Nacht hindurch gefeiert. Doch die Prinzessin war nicht glücklich. In ihrem Zimmer fühlte sie sich eingeengt und ihre Trauer über die erfolglose Suche wuchs. Sie wusste keinen Ausweg mehr. Am nächsten Tag ritt sie ohne ein Wort zu sagen los. Sie wollte die weiße Hexe um Rat fragen. Doch als sie nach langer Reise wieder vor dem Haus der alten Frau stand, war nichts mehr davon übrig, außer ein paar Ruinen. Ein Feuer hatte alles verschlungen. Mutlos sank sie in den Staub. Der Rabe, der sie noch immer begleitete, setzte sich auf einen alten Mauerstein. „Ach Rabe, was soll ich denn nur tun? Ich finde meine Liebe nicht und die weiße Frau ist auch verschwunden.“, sagte die Prinzessin hilflos. Der Vogel krächzte eine Antwort, die sie aber nicht verstand. Traurig lief sie auf das Feld hinaus, das sich in sanften Hügeln bis in weite Ferne erstreckte. Sie lief recht lange und blieb dann stehen. Sie breitete ihre Arme aus und ließ sich eins mit der Natur werden. Der Wind strich ihr durch die Haare und wirbelte sie hinauf. Ein paar Tränen liefen ihre Wangen hinab und benetzten die Haut, die jetzt immer rauer und spröder zu werden schien. „Das ist mein Geschenk an dich, Rabe, weil du mich immer begleitet hast.“, sprach die Prinzessin und aus ihrem Körper wurde ein kräftiger Baumstamm, ihre Füße wurden zu Wurzeln. Ihre Haare und Arme wurden zu Ästen, die sich gen Himmel streckten. Der Rabe ließ sich ebenfalls traurig darauf nieder. Doch schon merkte er, wie seine Federn schwanden und er wieder wuchs. Durch die aufrichtige Liebe der Prinzessin war sein Fluch gebrochen worden. Nun aber war er allein. Er lehnte sich gegen den Baumstamm und Tränen liefen auch ihm vom Gesicht. Er zerfloss in Trauer zu Wasser und benetzte die Wurzeln des Baumes. So waren sie trotz allem doch noch eins geworden. noch eins geworden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)