Voyage scolaire von Bartimaeus (oder: Was auf einer Klassenfahrt passiert, wenn man sich von der Gruppe trennt) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Hoffe, es gefällt euch :) Kaum war unser Fremdenführer dabei uns zu erklären wer der Graf Mateneaux gewesen war, sah ich meine Chance ab zu hauen. Beide Lehrer standen vorne, um ja gut mithören zu können, ich stand ganz hinten und neben mir war eine einigermaßen heile Wand, hinter der ich mich verstecken konnte, bis die Gruppe weiter gegangen war. Also nutzte ich die Gelegenheit und tauchte ab, lief ein paar Schritte und hockte mich dann hinter der Mauer, seitlich verdeckt von einem großen Deckenbrocken. Er war sogar noch mit Malereien verziert. Man konnte durch die unzähligen Bruchstücke und Risse allerdings kaum noch erkennen, was es gewesen sein konnte. Ich schloss die Augen und horchte, ob die Anderen schon weiter waren, bis ich neben mir das Atmen von jemand hörte. Mir blieb einen Moment das Herz stehen und meine Eingeweide schienen in Eiswasser getaucht zu werden. Hatte Frau Bremer meinen Ausreizversuch bemerkt?! Die würde mich erhängen! Am liebsten hätte ich die Augen feste zusammengekniffen, aber ich überwand mich. Was brachte es schon, wenn ich die Augen zuließ? Also hob ich die Lider zögernd wieder um meine braunen Augen nach oben zu wandern lassen. „Was zum… Was willst du denn?!“, zischte ich überrascht und zornig, als ich nicht Frau Bremer, sondern Steven neben mir stehen sah. Er schaute über seine dicken Brillengläser mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir herunter, in seinen Wasser blauen Augen stand Verwirrung und Ärger geschrieben. „Frau Bremer hat gesagt, wir sollen bei unserem Partner bleiben…“, meinte er leise und schob sich die Brille höher auf die Nase. Dieses Argument ließ mich kurz stocken, denn soviel Blödheit konnte ich einfach nicht fassen. Das war doch nicht die Möglichkeit! Jetzt war der mir nachgerannt! „Verpiss dich, du Arsch!“, fauchte ich ihn nach ein paar Sekunden an und machte eine weg scheuchende Handbewegung. Steven schwieg, blinzelte dann und schüttelte stur den Kopf. Sag mal, wollte der Kerl mich verarschen?! „Wenn ich jetzt zurück geh, dann fällt auf, dass wir gefehlt haben… und dann kriegst du erst recht Ärger.“. Wütend öffnete ich den Mund, um was zu erwidern, dachte dann aber kurz nach und schloss die Lippen wieder, seufzte genervt. Wo er Recht hatte… „Na toll…“, kam es dann resigniert von mir und ich stand wieder auf, klopfte mir den Sand vom Hintern und warf Steven einen genervten Blick zu. „Und was hast du jetzt vor?“, fragte dieser mich Stirn runzelnd. „Was wohl? Ich hab keinen Bock auf so eine scheiß Führung. Ich geh zum Strand.“. Zumindest war das meine Intention. Ob ich hin fand, war eine andere Sache und Steve sprach diesen Gedanken auch gleich aus. „Und wie willst du da bitte hinkommen?“. Genervt stieß ich ein Knurren aus und ging los, in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Brillenschlange mir nachlief. Naja, was sollte er auch anderes tun? Auch wenn er Recht hatte, was die Sache mit dem Strand anging… Mir egal, ich würde sicher nicht zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich zurück kam! Und eigentlich… hatte ich gar keinen Plan, ich hatte nur nicht diese Führung mitmachen wollen… Ach was soll’s, wenn er mir nachrennen wollte, dann sollte er das doch tun, konnte er ja sehen, was er davon hatte! So! Mir egal! Mit immer noch verschränkten Armen und einem leichten Schmollmund lief ich mit großen Schritten voraus, Steven immer auf meinen Fersen. Der schwieg mal wieder wie ein Fels. Noch so eine Sache, warum ihn in der Klasse keiner so wirklich mochte. Er war immer so still, sprach eigentlich nur im Unterrichtgespräch, nie einfach so. Das war echt gruselig für einen 16-jährigen, oder nicht? Er saß auch immer alleine in irgendwelchen Ecken, las irgendwelche dicken Wälzer auf Englisch und starrte finster drein. Ein paar der Mädchen fanden das ja ganz toll, vor allem, weil er auch ziemlich groß war und schon recht erwachsen aussah. Naja, aber die meisten fanden ihn einfach… gloomy. Ich hatte eigentlich auch nichts mit ihm zu tun, er saß in der Klasse immer am anderen Ende des Raumes und ich glaube ich hatte erst ein, zweimal überhaupt ein Wort mit ihm gewechselt. Aber wie gesagt, da er eh nicht so der Konversation freudige Mensch zu sein schien, war das nichts Ungewöhnliches. Und jetzt hatte ich diesen merkwürdigen Typen an der Backe kleben. Ich versuchte ihn einfach weites gehend zu ignorieren, während ich mir einen Weg aus diesen staubigen Ruinen suchte und es sogar zurück zum Eingang schaffte. Kaum hatte ich das geschafft, lockerte sich meine Haltung etwas und auch meine schlechte Laune wurde leicht gemildert. Jetzt kam aber ein neues Problem auf. Die Ruine stand jetzt in meinem Rücken, aber welcher der Wege, die vom Berg hinab führten, war jetzt der Richtige zum Strand? Verdammt… wenn ich aufgepasst hätte, hätte ich das vielleicht gewusst. „Ich glaube wir sind von der linken Straße hergekommen.“, kam die Information dann auch von Steven, der mir leicht über die Schulter lugte und sich dabei nicht mal auf die Zehenspitzen stellen musste. „Aha…“, gab ich trocken zurück und folgte seiner Anweisung. Also stiegen wir die staubige Straße hinab und gingen eine Weile auf weiter Flur auf dem Asphalt entlang. Neben uns waren hohe Berge, hier und da riesige Sonnen gelbe Rapsfelder und an den Straßenseiten große Blumen- und Bauminseln. War eigentlich ganz nett hier, musste ich zugeben. Mir rannte sogar einmal eine kleine Eidechse vor den Füßen herum. Der Himmel war strahlend blau, nur ein paar kleine, weiße Wölkchen waren zu sehen und das smaragdgrün der Pflanzen strahlte geradezu. Warum guckten wir uns eigentlich irgendwelche scheiß grauen Ruinen an, wenn es so ein geiles Wetter war? Verstand einer diese Lehrer und ihre Programmpunkte… Seit ungefähr 15 Minuten liefen wir jetzt schon an der Straße entlang, den Berg hatte wir inzwischen hinter und gelassen und der Weg stieg allmählich wieder an. „Bist du sicher, dass wir hier lang gefahren sind?“, fragte ich schließlich Stirn runzelnd, als der Asphalt plötzlich abbrach und nur noch eine Art Sandweg weiter den nächsten Hügel hinauf führte. Steven schwieg und sah sich um. Wenn ich mich nicht irrte, sah er recht orientierungslos aus. Na super. Wir hatten uns verlaufen. Das Dumme daran war wohl, dass wir auch ein paar Mal bei Gabelungen abgebogen waren und ich mir nicht gemerkt hatte, welche Richtung. Am Anfang war es zweimal links gewesen… aber da hörte mein Gedächtnis auch schon auf. Aber da ich es nicht wirklich wahr haben wollte, dass wir uns verirrt hatten, ging ich stur weiter. Dieser Steven sagte ja auch nichts, er war schuld! Schließlich hatte er gesagt, dass wir von links gekommen waren und wir diesen Weg hier nehmen sollten. Wenn wir von wilden Bären gefressen wurden, konnte ich ihm zumindest die Schuld dafür geben! Hah! Als allerdings weitere zehn Minuten vergingen und sich der Sand-weg in einen Trampelpfad verwandelte, der eine Linkskurve beschrieb und in ein Waldstück führte, musste ich mir eingestehen, dass das wirklich der falsche Weg war. Wie hätten wir auch bitte mit dem Bus durch dieses Buschwerk fahren sollen? Jetzt drehte ich mich auch zum ersten Mal wieder nach Steven um, der ein paar Schritte vorher stehen geblieben war und sich ratlos umsah. Ja, jetzt guckst du blöd, was?! „Toll gemacht, hier sind wir sicher nicht lang gefahren!“, schnauzte ich ihn auch gleich an und hob die Hand. Am liebsten hätte ich ihn erwürgt, diesen Volldeppen! Jetzt konnten wir versuchen wieder zurück zu rennen! Und ein Handy hatte ich natürlich auch nicht dabei! Der Braunhaarige wandte seinen Blick zu mir und kratzte sich leicht am Hinterkopf. Schien ihm unangenehm zu sein. Sollte es auch! „Vielleicht.. sind wir irgendwann falsch abgebogen…“, murmelte er verlegen. „Na klasse! Darauf bin ich auch noch nicht selbst gekommen, du Genie! Jetzt hängen wir hier mitten in der Walachei rum!“, fauchte ich zornig und warf die Arme in die Luft um mich wütend wieder um zudrehen und dem Pfad zu folgen. „Wo… wo gehst du denn jetzt hin?“, fragte mich Steven, der anscheinend zögerlich folgte. „Irgendwo führt der scheiß Weg ja wohl hin! Und wenn’s ein Dorf ist, Hauptsache ein Telefon!“, erwiderte ich angesäuert und stapfte durch das Gestrüpp, dass den schmalen Weg schon beinahe verdeckte. Hier schien lange keiner mehr lang gegangen zu sein… Ich wusste selbst, dass es recht witzlos war, jetzt weiter diesem Trampelpfad zu folgen, aber ich glaubte auf Steven losgehen zu müssen, wenn ich meine Wut nicht beim Laufen irgendwie abbauen konnte. Also lief ich schon beinahe im Laufschritt durch den Wald und musste gewaltig aufpassen, dass ich nicht über irgendwelche Äste stolperte und mich auf die Fresse packte. Das wäre ziemlich peinlich gewesen… Aber schon nach fünf Minuten, in denen ich mich hauptsächlich durch das immer dichter werdende Gestrüpp quälte, gab ich schließlich auf und verlangsamte meine Schritte. Inzwischen war gar kein Pfad mehr auf dem Boden zu erkennen und die Bäume standen so dicht und eng, dass ich kaum fünfzig Meter Sicht hatte. Fast im Sekundentakt verhedderte ich mich irgendwo mit meiner Kleidung oder mit meinen geigelten Haaren. Hätte ich doch heute Morgen das Haargel weggelassen! So eine verdammte Scheiße! Ich war heilfroh, als sich das Dickicht etwas lichtete und sich vor mir eine Lichtung öffnete. Sie war zwar nicht groß, aber zumindest konnte ich da meine Arme ausstrecken und mir die Blätter, Dornen und Äste aus den Haaren zupfen. „Ich glaub nicht, dass hier irgendwo ein Dorf ist.“, meldete sich Steven auch mal wieder zu Wort, der die ganze Zeit stumm wie ein Fisch hinter mir her gelaufen war. Ich wirbelte wütend zu ihm herum und starrte ihn mit todbringendem Blick an. „Ach ne, du Vollidiot!“, giftete ich zurück. Das konnte ich mir schon fast selbst denken! Ganz blöd war ich nun auch nicht! Ernüchtert saugte sich der Andere an der Lippe, wohl leicht zusammen gestaucht von meiner Erwiderung. Genervt stieß ich einem knurrigen Seufzer aus und wandte mich wieder um, sah leicht in die Runde. Und nun? Jetzt standen wir hier blöd herum. Meine Armbanduhr zeigte mir, dass wir noch gut eine und eine halbe Stunde Zeit hatten, wieder zurück zu gelangen. Genug Zeit eigentlich, nur die Frage war nicht, wie lange wir brauchten, sondern wie wir überhaupt zurück fanden… „Und jetzt?“, fragte der Brillenträger, der hinter mir stehen geblieben war. „Weiß ich doch nicht…“, gab ich knurrend zurück und sah mich weiter um. Links Bäume, rechts Bäume, überall Bäume! „Eben sind wir aus der Richtung gekommen aus der der Wind kam… also müssten wir, um zurück zu kommen, einfach gegen den Wind laufen...“, rätselte Steven leise vor sich hin. Von mir bekam er nur einen zweifelnden Blick. „Aha und das soll klappen?“. Der Größere sah zum ersten Mal wirklich zu mir und erwiderte trocken, „Hast du eine bessere Idee?“. Ich blinzelte leicht bei seinem ernsten Blick und mir fiel keine Erwiderung ein. Das Einzige, was in meinem Kopf war, war die Tatsache, dass das seit drei Monaten das erste Mal war, dass dieser Steven mit so fester Stimme sprach und mich so ansah. Ich schüttelte also nur den Kopf und der Ältere schob sich die Brille wieder höher auf die Nase, bevor er kurz hoch in den Himmel sah und sich dann auf den Weg machte. Ich folgte kurz seinem Blick und bemerkte die Wolken, die über uns hinweg zogen, bevor ich ihm rasch nachlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)