Voyage scolaire von Bartimaeus (oder: Was auf einer Klassenfahrt passiert, wenn man sich von der Gruppe trennt) ================================================================================ Prolog: Warnung - nicht nachmachen! ----------------------------------- Voyage Scolaire Prolog: Wer hätte gedacht, dass aus einem langweiligen Klassenausflug so was werden konnte? Wer auch immer das hier lesen wird... Eins könnt ihr dabei lernen: Es ist eine scheiß Idee zu versuchen einem Programmpunkt des Lehrers durch eine unbeobachtete Flucht zu entgehen. Wer je auf den Gedanken kommen sollte, dies zu tun... Ich rate euch es zu lassen. Ihr wisst gar nicht, was alles passieren kann, wenn man meint von der Gruppe abhauen zu können, nur um dann aufs Geratewohl davon zu spazieren, um vermeintlich zum Strand zu gelangen. Wenn ihr nicht genau wisst, wo der Strand ist und ihr mitten in der Walachei irgendeine Ruine besichtigt, bleibt bei der Gruppe! Vor allem, wenn ihr nichts zu Essen und kein Handy dabei habt! Und wenn ihr die Sprache des Landes nicht sprecht! Leute, wer wäre schon so dumm, da abhauen zu wollen? Ich zeig euch mal, wer so dumm war. Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Ich hoffe, es gefällt euch :) Falls irgendwelche Rechtschreibfehler drin sind, sagt mir ruhig bescheid, das wäre echt super! Eigentlich waren Klassenfahrten super. Man musste nicht zur Schule, das war wohl das Beste daran, man konnte mit seinen Freunden eine ganze Woche lang Unfug machen, wenn man ein bisschen kulturell interessiert war, konnte man sich auch noch auf das Reiseziel freuen und man konnte den ganzen Tag neue Sachen kennen lernen. Wie gesagt, eigentlich waren Klassenausflüge richtig cool. Wenn man nicht gerade eine Lehrerin hatte, die es sich zum Beruf gemacht hatte, ihre Schüler durch halb Frankreich zu hetzen. Nicht, dass ich was gegen Frankreich hätte (okay, die Sprache klang echt schwul und in der Gegend, in der wir waren, war momentan ein Verbrecherehepaar auf freien Fuß, das hatte die Frau Bremer auf der Hinfahrt noch erwähnt…) aber was soll’s, war mir egal. Trotzdem war es einfach nur affig, was die Frau alles mit uns machen wollte. In vier Tagen, von Montag bis Donnerstag, so schien es mir, würden wir durch ganz Frankreich latschen und uns eine Mist-Ruine nach der Anderen anschauen, irgendwelche bescheuerten Kunstmuseen besuchen und Stadtrundfahrten machen. Das einzig coole daran war wohl der Donnerstagnachmittag, da hatten wir frei. Aber die liebe Frau Bremer war ja nicht so dumm uns mal Freizeit zu gönnen. Nein, die Zeit war nämlich dazu da, unsere Zelte wieder ab zu bauen und unsere Sachen zu packen. Zelte? Ja, richtig gehört. Wir übernachteten nicht mal in einem dieser riesigen, total coolen Hotels. Nein, warum auch? Ist ja nicht so, als wäre das nötig. Wir Schüler konnten ja auch genauso gut auf einen billigen Campingplatz (der irgendwie einen ekeligen Geruch verströmte) mit ein paar selbst organisierten, von Löchern durchzogenen Zelten übernachten. Eine Alternative, falls es regnete hatten wir nicht. Naja, wenn wir dann irgendwann in einem Regenguss weg geschwemmt und in das Mittelmeer gezogen wurden, konnte Frau Bremer zumindest noch sagen, dass wir dann etwas Natur kennen lernte. Wie ich diese Frau hasste… Aber das war noch nicht mal das Schlimmste! Neben dem stinkenden Campingplatz, den Platz neben den Biomülltonnen an dem unsere Zelte standen, neben der Abwesenheit von Strom und Licht und vor allem Wärme kamen auch noch diese beschissenen Ausflüge zu irgendwelchen dämlichen, verrotteten Ruinen hinzu, die mich noch weniger interessierten als die Anzahl der Pickel am Hintern meiner Lehrerin. Wie ihr seht, freute ich mich wirklich total auf diese vier Tage… Aber was sollte man machen? Meine Eltern hatten schon bezahlt und zumindest teilte ich mir ein Zelt mit Freddy, Bastian und Marc. Das hieß dass wir abends ein bisschen Spaß haben konnten. Freddy hatte für ordentlich Alkohol gesorgt und Marc hatte seinen Laptop mitgenommen, also konnten wir Musik hören und irgendwelche Thriller-Streifen gucken. Wahrscheinlich würde unser Zelt eh wieder total voll werden, weil alle unbedingt rein wollten, um zu schnorren. Zumindest ein Lichtblick. Trotzdem kamen wir schon mit einer Fresse bis zum Boden bei unseren Platz an, denn im Bus hatten wir nicht mal laut reden dürfen. Der Fahrer (ich war immer noch davon überzeugt, dass das kein Mensch, sondern eine sabbernder Bulldogge in Uniform gewesen war) hatte beim leisesten Lacher los gebrüllt und gedroht an zu halten und uns raus zu schmeißen. So eine Scheiße. Sonst hatte man ja zumindest im Bus noch ein bisschen Spaß, aber wir mussten uns sogar anschnallen und so eine Kacke. Ich hätte mich echt am liebsten übergeben, aber dann wäre ich sicherlich an der nächsten Raststätte ausgesetzt worden… Kaum waren wir angekommen und Frau Bremer hatte angeberisch und besonders laut in Französisch mit dem Mann an der Rezeption gesprochen (der sah nicht so aus, als würde er alles verstehen, was die Olle sagte), wurden wir auch schon zu unserem Platz geführt. Wie idyllisch… Rechts neben uns die Mülltonnen, links das Klogebäude. Echt klasse. Wahrscheinlich der billigste Platz von allen… Aber zumindest war er nah am Meer und am Strand. Und nachdem wir gerade mal unsere Zelte unter der strengen Aufsicht Herr Henkels aufgebaut hatten (der konnte ja nicht mal sein eigenes richtig herum aufbauen…) und ein bisschen was gegessen hatten, ging es dann auch gleich zum ersten Tagesordnungspunkt: Eine Besichtigung der alten Mateneaux Ruinen. Das war irgendein Asbach-uralt Schloss, dass zur Zeit der französischen Revolution von den Revolutionären niedergebrannt worden war. Soweit ich richtig zugehört hatte, hatten sie den Grafen Mateneaux auch geköpft. Tja, Pech, was? Und was interessierte mich das jetzt? Richtig gehört, gar nicht! Aber ich hatte mir auch vorgenommen dieser dämlichen Führung irgendwie zu entkommen. Ich hatte keinen Bock mir zwei Stunden kaputte Grundmauern an zu gucken und irgendeiner hässlichen Elster zu zuhören, wie sie mit französischem Akzent darüber psalmodierte. Mit einem gefährlich Straßen unsicher aussehenden Bus fuhren wir dann zur eben erwähnten Ruine und schon während wir einstiegen, begann Frau Bremer zu schnabbeln und zu zetern, dass wir uns ja benehmen sollten und ordentlich zuhören mussten, denn schließlich war das ja wichtige Geschichte! Und endlich würden wir mal etwas Kultur erfahren… blah blah… Interessierte mich nicht. Schon von Weiten konnten wir die Ruinen auf einem niedrigen Berg sehen, sie waren leicht verdeckt von hohen Bäumen und Steinformationen. Schon von dieser Entfernung musste ich bei dem Anblick gähnen. Aber was dann, als wir schließlich ausstiegen und uns vor dem Eingang zum alten Schloss versammelten, passierte, war nochmal tausend mal schlimmer als jede stinkende Mülltonne neben unserem Zelt und jede laute Klospülung neben meinem Ohr. Wir wurden in Partnergruppen aufgeteilt, sollten die ganze Zeit in zweier Reihen hinter dem Fremdenführer her watscheln und immer aufpassen, dass unser Partner nicht verloren ging. Und wen bekam ich als Partner zugeteilt? Natürlich den Loser vom Dienst, Steven Parkens! Dieser Volldepp von Nerd, der vor drei Monaten in unsere Stadt gezogen war und noch immer den Rang des Neulings innewohnte, weil er sich einfach nicht integrieren konnte! Warum musste ich mich mit diesem merkwürdigen Kerl abgeben?! Was hatte ich getan, dass man mich so bestrafte? Mit einer Miene, als hätte ich in eine schimmelige Brotschnitte gebissen stand ich schließlich mit Steven in der Mitte der Schülerschaft und hatte die Arme genervt verschränkt. Hin und wieder warf ich dem Kerl einen Blick zu. Er war ein Jahr älter als ich, er hatte ein Jahr in Amerika verbracht, zumindest hatte Frau Bremer das mal verkündet. Dementsprechend größer war er auch. Das alleine nervte mich schon. Dazu kam noch dieser … nerdiger Look. Das war einfach zu viel für mich. Kurze, braune Haare, bleiches Gesicht, riesige Brille und dauernd irgendwelche T-Shirts mit amerikanischer Scheiße drauf. Ich seufzte schwer und hielt schon mal Ausschau nach einer Möglichkeit mich zu verpissen. Denn jetzt hatte ich noch weniger Lust auf diesen Scheiß hier. Kapitel 2: ----------- Hoffe, es gefällt euch :) Kaum war unser Fremdenführer dabei uns zu erklären wer der Graf Mateneaux gewesen war, sah ich meine Chance ab zu hauen. Beide Lehrer standen vorne, um ja gut mithören zu können, ich stand ganz hinten und neben mir war eine einigermaßen heile Wand, hinter der ich mich verstecken konnte, bis die Gruppe weiter gegangen war. Also nutzte ich die Gelegenheit und tauchte ab, lief ein paar Schritte und hockte mich dann hinter der Mauer, seitlich verdeckt von einem großen Deckenbrocken. Er war sogar noch mit Malereien verziert. Man konnte durch die unzähligen Bruchstücke und Risse allerdings kaum noch erkennen, was es gewesen sein konnte. Ich schloss die Augen und horchte, ob die Anderen schon weiter waren, bis ich neben mir das Atmen von jemand hörte. Mir blieb einen Moment das Herz stehen und meine Eingeweide schienen in Eiswasser getaucht zu werden. Hatte Frau Bremer meinen Ausreizversuch bemerkt?! Die würde mich erhängen! Am liebsten hätte ich die Augen feste zusammengekniffen, aber ich überwand mich. Was brachte es schon, wenn ich die Augen zuließ? Also hob ich die Lider zögernd wieder um meine braunen Augen nach oben zu wandern lassen. „Was zum… Was willst du denn?!“, zischte ich überrascht und zornig, als ich nicht Frau Bremer, sondern Steven neben mir stehen sah. Er schaute über seine dicken Brillengläser mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir herunter, in seinen Wasser blauen Augen stand Verwirrung und Ärger geschrieben. „Frau Bremer hat gesagt, wir sollen bei unserem Partner bleiben…“, meinte er leise und schob sich die Brille höher auf die Nase. Dieses Argument ließ mich kurz stocken, denn soviel Blödheit konnte ich einfach nicht fassen. Das war doch nicht die Möglichkeit! Jetzt war der mir nachgerannt! „Verpiss dich, du Arsch!“, fauchte ich ihn nach ein paar Sekunden an und machte eine weg scheuchende Handbewegung. Steven schwieg, blinzelte dann und schüttelte stur den Kopf. Sag mal, wollte der Kerl mich verarschen?! „Wenn ich jetzt zurück geh, dann fällt auf, dass wir gefehlt haben… und dann kriegst du erst recht Ärger.“. Wütend öffnete ich den Mund, um was zu erwidern, dachte dann aber kurz nach und schloss die Lippen wieder, seufzte genervt. Wo er Recht hatte… „Na toll…“, kam es dann resigniert von mir und ich stand wieder auf, klopfte mir den Sand vom Hintern und warf Steven einen genervten Blick zu. „Und was hast du jetzt vor?“, fragte dieser mich Stirn runzelnd. „Was wohl? Ich hab keinen Bock auf so eine scheiß Führung. Ich geh zum Strand.“. Zumindest war das meine Intention. Ob ich hin fand, war eine andere Sache und Steve sprach diesen Gedanken auch gleich aus. „Und wie willst du da bitte hinkommen?“. Genervt stieß ich ein Knurren aus und ging los, in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Brillenschlange mir nachlief. Naja, was sollte er auch anderes tun? Auch wenn er Recht hatte, was die Sache mit dem Strand anging… Mir egal, ich würde sicher nicht zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich zurück kam! Und eigentlich… hatte ich gar keinen Plan, ich hatte nur nicht diese Führung mitmachen wollen… Ach was soll’s, wenn er mir nachrennen wollte, dann sollte er das doch tun, konnte er ja sehen, was er davon hatte! So! Mir egal! Mit immer noch verschränkten Armen und einem leichten Schmollmund lief ich mit großen Schritten voraus, Steven immer auf meinen Fersen. Der schwieg mal wieder wie ein Fels. Noch so eine Sache, warum ihn in der Klasse keiner so wirklich mochte. Er war immer so still, sprach eigentlich nur im Unterrichtgespräch, nie einfach so. Das war echt gruselig für einen 16-jährigen, oder nicht? Er saß auch immer alleine in irgendwelchen Ecken, las irgendwelche dicken Wälzer auf Englisch und starrte finster drein. Ein paar der Mädchen fanden das ja ganz toll, vor allem, weil er auch ziemlich groß war und schon recht erwachsen aussah. Naja, aber die meisten fanden ihn einfach… gloomy. Ich hatte eigentlich auch nichts mit ihm zu tun, er saß in der Klasse immer am anderen Ende des Raumes und ich glaube ich hatte erst ein, zweimal überhaupt ein Wort mit ihm gewechselt. Aber wie gesagt, da er eh nicht so der Konversation freudige Mensch zu sein schien, war das nichts Ungewöhnliches. Und jetzt hatte ich diesen merkwürdigen Typen an der Backe kleben. Ich versuchte ihn einfach weites gehend zu ignorieren, während ich mir einen Weg aus diesen staubigen Ruinen suchte und es sogar zurück zum Eingang schaffte. Kaum hatte ich das geschafft, lockerte sich meine Haltung etwas und auch meine schlechte Laune wurde leicht gemildert. Jetzt kam aber ein neues Problem auf. Die Ruine stand jetzt in meinem Rücken, aber welcher der Wege, die vom Berg hinab führten, war jetzt der Richtige zum Strand? Verdammt… wenn ich aufgepasst hätte, hätte ich das vielleicht gewusst. „Ich glaube wir sind von der linken Straße hergekommen.“, kam die Information dann auch von Steven, der mir leicht über die Schulter lugte und sich dabei nicht mal auf die Zehenspitzen stellen musste. „Aha…“, gab ich trocken zurück und folgte seiner Anweisung. Also stiegen wir die staubige Straße hinab und gingen eine Weile auf weiter Flur auf dem Asphalt entlang. Neben uns waren hohe Berge, hier und da riesige Sonnen gelbe Rapsfelder und an den Straßenseiten große Blumen- und Bauminseln. War eigentlich ganz nett hier, musste ich zugeben. Mir rannte sogar einmal eine kleine Eidechse vor den Füßen herum. Der Himmel war strahlend blau, nur ein paar kleine, weiße Wölkchen waren zu sehen und das smaragdgrün der Pflanzen strahlte geradezu. Warum guckten wir uns eigentlich irgendwelche scheiß grauen Ruinen an, wenn es so ein geiles Wetter war? Verstand einer diese Lehrer und ihre Programmpunkte… Seit ungefähr 15 Minuten liefen wir jetzt schon an der Straße entlang, den Berg hatte wir inzwischen hinter und gelassen und der Weg stieg allmählich wieder an. „Bist du sicher, dass wir hier lang gefahren sind?“, fragte ich schließlich Stirn runzelnd, als der Asphalt plötzlich abbrach und nur noch eine Art Sandweg weiter den nächsten Hügel hinauf führte. Steven schwieg und sah sich um. Wenn ich mich nicht irrte, sah er recht orientierungslos aus. Na super. Wir hatten uns verlaufen. Das Dumme daran war wohl, dass wir auch ein paar Mal bei Gabelungen abgebogen waren und ich mir nicht gemerkt hatte, welche Richtung. Am Anfang war es zweimal links gewesen… aber da hörte mein Gedächtnis auch schon auf. Aber da ich es nicht wirklich wahr haben wollte, dass wir uns verirrt hatten, ging ich stur weiter. Dieser Steven sagte ja auch nichts, er war schuld! Schließlich hatte er gesagt, dass wir von links gekommen waren und wir diesen Weg hier nehmen sollten. Wenn wir von wilden Bären gefressen wurden, konnte ich ihm zumindest die Schuld dafür geben! Hah! Als allerdings weitere zehn Minuten vergingen und sich der Sand-weg in einen Trampelpfad verwandelte, der eine Linkskurve beschrieb und in ein Waldstück führte, musste ich mir eingestehen, dass das wirklich der falsche Weg war. Wie hätten wir auch bitte mit dem Bus durch dieses Buschwerk fahren sollen? Jetzt drehte ich mich auch zum ersten Mal wieder nach Steven um, der ein paar Schritte vorher stehen geblieben war und sich ratlos umsah. Ja, jetzt guckst du blöd, was?! „Toll gemacht, hier sind wir sicher nicht lang gefahren!“, schnauzte ich ihn auch gleich an und hob die Hand. Am liebsten hätte ich ihn erwürgt, diesen Volldeppen! Jetzt konnten wir versuchen wieder zurück zu rennen! Und ein Handy hatte ich natürlich auch nicht dabei! Der Braunhaarige wandte seinen Blick zu mir und kratzte sich leicht am Hinterkopf. Schien ihm unangenehm zu sein. Sollte es auch! „Vielleicht.. sind wir irgendwann falsch abgebogen…“, murmelte er verlegen. „Na klasse! Darauf bin ich auch noch nicht selbst gekommen, du Genie! Jetzt hängen wir hier mitten in der Walachei rum!“, fauchte ich zornig und warf die Arme in die Luft um mich wütend wieder um zudrehen und dem Pfad zu folgen. „Wo… wo gehst du denn jetzt hin?“, fragte mich Steven, der anscheinend zögerlich folgte. „Irgendwo führt der scheiß Weg ja wohl hin! Und wenn’s ein Dorf ist, Hauptsache ein Telefon!“, erwiderte ich angesäuert und stapfte durch das Gestrüpp, dass den schmalen Weg schon beinahe verdeckte. Hier schien lange keiner mehr lang gegangen zu sein… Ich wusste selbst, dass es recht witzlos war, jetzt weiter diesem Trampelpfad zu folgen, aber ich glaubte auf Steven losgehen zu müssen, wenn ich meine Wut nicht beim Laufen irgendwie abbauen konnte. Also lief ich schon beinahe im Laufschritt durch den Wald und musste gewaltig aufpassen, dass ich nicht über irgendwelche Äste stolperte und mich auf die Fresse packte. Das wäre ziemlich peinlich gewesen… Aber schon nach fünf Minuten, in denen ich mich hauptsächlich durch das immer dichter werdende Gestrüpp quälte, gab ich schließlich auf und verlangsamte meine Schritte. Inzwischen war gar kein Pfad mehr auf dem Boden zu erkennen und die Bäume standen so dicht und eng, dass ich kaum fünfzig Meter Sicht hatte. Fast im Sekundentakt verhedderte ich mich irgendwo mit meiner Kleidung oder mit meinen geigelten Haaren. Hätte ich doch heute Morgen das Haargel weggelassen! So eine verdammte Scheiße! Ich war heilfroh, als sich das Dickicht etwas lichtete und sich vor mir eine Lichtung öffnete. Sie war zwar nicht groß, aber zumindest konnte ich da meine Arme ausstrecken und mir die Blätter, Dornen und Äste aus den Haaren zupfen. „Ich glaub nicht, dass hier irgendwo ein Dorf ist.“, meldete sich Steven auch mal wieder zu Wort, der die ganze Zeit stumm wie ein Fisch hinter mir her gelaufen war. Ich wirbelte wütend zu ihm herum und starrte ihn mit todbringendem Blick an. „Ach ne, du Vollidiot!“, giftete ich zurück. Das konnte ich mir schon fast selbst denken! Ganz blöd war ich nun auch nicht! Ernüchtert saugte sich der Andere an der Lippe, wohl leicht zusammen gestaucht von meiner Erwiderung. Genervt stieß ich einem knurrigen Seufzer aus und wandte mich wieder um, sah leicht in die Runde. Und nun? Jetzt standen wir hier blöd herum. Meine Armbanduhr zeigte mir, dass wir noch gut eine und eine halbe Stunde Zeit hatten, wieder zurück zu gelangen. Genug Zeit eigentlich, nur die Frage war nicht, wie lange wir brauchten, sondern wie wir überhaupt zurück fanden… „Und jetzt?“, fragte der Brillenträger, der hinter mir stehen geblieben war. „Weiß ich doch nicht…“, gab ich knurrend zurück und sah mich weiter um. Links Bäume, rechts Bäume, überall Bäume! „Eben sind wir aus der Richtung gekommen aus der der Wind kam… also müssten wir, um zurück zu kommen, einfach gegen den Wind laufen...“, rätselte Steven leise vor sich hin. Von mir bekam er nur einen zweifelnden Blick. „Aha und das soll klappen?“. Der Größere sah zum ersten Mal wirklich zu mir und erwiderte trocken, „Hast du eine bessere Idee?“. Ich blinzelte leicht bei seinem ernsten Blick und mir fiel keine Erwiderung ein. Das Einzige, was in meinem Kopf war, war die Tatsache, dass das seit drei Monaten das erste Mal war, dass dieser Steven mit so fester Stimme sprach und mich so ansah. Ich schüttelte also nur den Kopf und der Ältere schob sich die Brille wieder höher auf die Nase, bevor er kurz hoch in den Himmel sah und sich dann auf den Weg machte. Ich folgte kurz seinem Blick und bemerkte die Wolken, die über uns hinweg zogen, bevor ich ihm rasch nachlief. Kapitel 3: ----------- hoffe, es gefällt Die Wind-Theorie die Steven aufgestellt hatte, stellte sich allerdings als ziemlich bescheuert heraus, denn das einzige, was wir davon hatten war, dass wir wohl noch tiefer in diesen grünen Dschungel eindrangen und uns nun wirklich voll und ganz verlaufen hatten. Zwei deutsche Jungen in einem französischen Wald. Und beide hatten keinen Plan wie es wieder raus ging. Langsam wandelten sich meine Wut und mein Frust in Verzweiflung. Das war wirklich nicht mehr witzig, wir hatten uns total verirrt, wir hatten kein Handy dabei, nur Steven mit seinem Rucksack und ich mit meiner Digitaluhr! Klasse! Und wie sollten die Lehrer uns wieder finden, wie sollte uns überhaupt irgendwer wieder finden in diesem verdammten Wald?! „Schlimmer geht’s echt nicht…“, nuschelte ich niedergeschlagen und rieb mir das Gesicht. Meine Füße fingen langsam an weh zu tun, weil wir die ganze Zeit auf unebenen Boden wanderten und außerdem bezog der Himmel mit unheilvoll grauen Wolken. Jetzt würde es also auch noch regnen! Klasse! Ich könnte echt kotzen… Mein Blick wanderte wieder nach vorne und blieb an Stevens Rücken hängen. Der Ältere ging wie immer schweigend vor sich hin. Er hatte einen breiten Rücken, stellte ich fest und extrem lange Beine. Er war auch ungefähr einen Kopf größer als ich und soweit ich das beurteilen konnte, war er ziemlich muskulös. Ich hatte zwar Sport mit ihm, aber schließlich guckte ich den Anderen nicht beim umziehen zu. Trotzdem.. wenn der Andere kurze Sachen trug, erkannte man schon Muskeln. Er schien recht drahtig zu sein. Also doch nicht so ein typischer Nerd… Die waren schließlich immer Sprickel dürr und sahen irgendwie ungesund aus… Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich nicht weiter auf meine Füße oder auf meinen Vordermann achtete und so bekam ich es auch nicht mit, als dieser stehen blieb. Stroh dumm lief ich gegen ihn. Das Blödeste daran war allerdings, dass der Andere stehen geblieben war, weil vor ihm ein kleiner Abhang ab fiel und er sich gerade halb zu mir umgedreht hatte, um mich zu warnen. Durch unseren Zusammenstoß verlor er das Gleichgewicht und kippte hinten über, wobei er sich erschrocken versuchte an mir fest zu krallen. Er erwischte meinen Shirt-Kragen und erwürgte mich fast bei dem Versuch sich so oben zu halten. Doch natürlich konnte ich schlecht knappe 65 Kilogramm mit meinem Nacken halten und so wurde ich mit runter gezogen und wir rollten und purzelten übereinander, während wir den Abhang hinab stürzten. Ich schrie an- und ab-schwellend, bis sich Stevens Knie in meinem Bauch rammte und mir sämtliche Luft aus den Lungen trieb. Für einen kurzen Augenblick sah ich nur noch schwarz, alles drehte sich in meinem Kopf, ich stieß dauernd mit Knien, Schultern und Kopf irgendwo an, bis ich schließlich endlich ausrollte und am Ende des Abhangs liegen blieb. „Ah…“, stöhnte ich schmerzerfüllt und krümmte mich wie ein sterbendes Insekt zusammen. Ich brauchte ein paar Augenblicke, bis der Schmerz soweit abgeklungen war, dass ich es wieder wagte meine Glieder zu benutzten. Vorsichtig und immer noch leise jammernd richtete ich mich auf und sah mich erst mal nach Steven um. Der Größere lag ein paar Meter weiter weg, mit einem Arm in dem fast ausgetrockneten Fluss. Wahrscheinlich war das hier, wo wir jetzt lagen, ein altes Flussbett. Ich rappelte mich auf alle Viere auf und krabbelte ungelenk auf ihn zu. Mein Kopf tat weh, ich war irgendwo dagegen geprallt und meine Jeans war an den Knien und am Arsch aufgerissen. Klasse.. Meine Mutter würde mich umbringen. Falls wir hier wieder raus kamen, hieß das. „Hey, lebst du noch?“, fragte ich bemüht schmerzlos und mit lockerer Stimme. Er musste ja nicht wissen, dass mir alles weh tat… Als keine Antwort kam, machte ich mir erst nichts draus, schließlich antwortete der ja allgemein nur mit 20 prozentiger Sicherheit mal auf eine Frage. Als er sich allerdings auch nicht rührte, wurde ich etwas nervöser. „Hey! Ich rede mit dir!“, rief ich zu ihm herüber, bis ich schließlich zu ihm gekrochen kam und ihn an der Schulter rüttelte. Aber keine Reaktion. „Hey, hallo? Ich rede mit dir, du Penner!“, meine Stimme zitterte leicht und wütend rüttelte ich heftiger an ihm, aber wieder keine Reaktion. Ich schluckte hart und nahm die Hand einen Moment zurück. Was, wenn… Nein! Ich schüttelte den Gedanken ab und zog Steven erst mal vom Wasser weg, bevor ich ihn mit Mühe und Not auf den Rücken drehte und mir sein Gesicht ansah. Ein Blutrinnsal sickerte aus seiner Nase und eine große Schramme blutete über seiner Augenbraue. Die Augen hatte er geschlossen, die Brille war beim Sturz verloren gegangen. „Hey, Steven!“, versuchte ich ihn zu wecken und stupste ihn leicht an. Sein Kopf kippte nur schlapp zur Seite, als ich ihn in die weiche Wange piekste. „Oh scheiße…“, murmelte ich atemlos und fuhr mir mit zittrigen Fingern durch das schwarze Haar. „Oh scheiße…“. Ich flüsterte leise vor mich hin, immer und immer wieder, während ich mir ununterbrochen durch die Haare fuhr und mir immer kälter wurde. Mein Herz pochte plötzlich so hart und schnell gegen meine Brust, dass es weh tat und ich glaubte, nicht mal mehr Luft zu bekommen. Was, wenn er nicht mehr aufwachte? Was sollte ich jetzt machen?! Er war wegen mir hier runter gestürzt! Was, wenn er sich das Genick gebrochen hatte! Oh Gott, mir froren die Eingeweide ein bei diesem Gedanken. Was sollte ich den Lehrern sagen, was sollte ich Stevens Familie sagen?! Das war alles meine Schuld! Verzweifelt rüttelte ich nochmal an den breiten Schultern des Anderen. „Steven!“, schrie ich ihn an und vor lauter Panik schlug ich ihm ins Gesicht, damit er endlich wieder aufwachte! Und tatsächlich. Nach einem schallenden Knall, der durch den ganzen Wald zu hallen schien, war es kurz Totenstill, dann regte sich etwas in dem Gesicht des am Boden Liegenden. Er kniff die Augen zusammen und gab ein schmerzendes Geräusch von sich, hob die Hand zu seiner Wange und rieb leicht an der roten Stelle. Ich seufzte erleichtert auf und ein Stein fiel mir vom Herzen, während ich mich erschöpft zurück auf meinen Hintern sinken ließ und langsam wieder Gefühl in meine tauben Finger kribbelte. Gott, hatte der mir einen Schock verpasst. Steven blieb noch eine Weile liegen und betastete sein lädiertes Gesicht, bevor er sich vorsichtig aufrichtete und suchend umher blickte. „Meine Brille…“, murmelte er und kniff die Augen leicht zusammen, wischte sich das Blut von der Stirn und der Nase. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe bei dem Anblick und sah mich ebenfalls nach der Brille um. Nach einigen Suchen fand ich sie schließlich auch, aber viel Helfen würde sie Steven wohl nicht mehr. Das eine Glas war ganz raus gebrochen, das andere gesplittert und der Bügel war verbogen. „Hier…“, murmelte ich leicht betroffen und hielt ihm die Brille hin. Er sah sie sich kurz in meiner Hand an, seufzte dann schwer und nahm sie sich, um sie in seine Hosentasche zu stecken. „Geht’s dir… gut soweit?“, fragte ich zögerlich und ließ meine Augen über seine Erscheinung wandern. Seine Sachen waren noch soweit heile, dafür war sein Gesicht ganz schön auf geschrammt. Er brummte nur leise und nickte, sah sich um. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe. Mein schlechtes Gewissen meldete sich zu Wort und irgendwie fühlte ich mich verantwortlich für das alles hier. Ach hätte ich diese scheiß Ruinenrundfahrt doch bloß mitgemacht! Dann wäre das alles nie passiert! Ich fühlte mich schrecklich! Am liebsten hätte ich den Kopf in den Sand gesteckt und verzweifelt darauf gewartet, dass jemand kam und mich fand und wieder nach Hause brachte! Ich weiß, das klang alles andere als erwachsen, aber scheiße, ich bekam langsam wirklich Angst, dass wir hier nicht mehr raus kommen würden! Verdammt nochmal, was sollten wir denn jetzt machen? Ich sah ratlos zu Steven, der mir einen kurzen Blick zuwarf und dann seufzte. „Lass uns erst mal hier raus klettern…“, meinte er und begann den Abhang wieder hoch zu klettern. Da überall große, dicke Baumwurzeln hervor ragten, war der Aufstieg eigentlich recht einfach und wir konnten unseren Weg bald fortsetzten. Wohin wir allerdings liefen, wussten wir wohl beide nicht. Meine Füße taten nun wirklich weh. Meine Knie waren wackelig und mein Kopf pochte, als wäre irgendwie Druck in meinem Gehirn. Wenn ich durch mein Haar über die Stelle fühlte, spürte ich eine dicke Beule. Außerdem hatte ich Hunger und verdammten Durst. Allerdings wollte ich Steven nicht fragen, ob er was zu Trinken in seinem Rucksack hatte. Irgendwie.. hatte ich das Gefühl, als wäre er nicht gut auf mich zu sprechen. Irgendwo konnte ich das verstehen. Mir war buchstäblich zum Heulen zu mute. Meine Hose war zerrissen, meine Shirt ebenfalls und der Wind war aufgefrischt. Über meine Arme zog sich eine Gänsehaut und ich schüttelte mich des Öfteren mal, um die Kälte irgendwie los zu werden. Hin und wieder knirschte ich mit den Zähnen, ich hatte immer noch Sand im Mund von diesem Sturz. Stevens Schweigen schien auf mich über gesprungen zu sein und auch ich sagte kein Wort mehr, war zu erschöpft und zu niedergeschlagen. Mir taten sämtliche Knochen weh von diesem filmreifen Absturz und ich wette, Steven ging es genauso. Der allerdings lief ganz normal, als wäre das hier ein Spaziergang. Das war ganz schön unfair. Aber er lief langsamer als vorher, bestimmt weil er ohne seine Brille nicht mehr so gut sehen konnte. Ich sah die Konturen des Brillengestells in seiner Gesäßtasche und seufzte leicht. Ich bereute es mehr und mehr, überhaupt auf diese Klassenfahrt gegangen zu sein. Ich wollte nach Hause, mir war kalt, ich hatte Hunger und Durst und mir tat alles weh. Was sollte nur aus uns werden, wenn wir nicht zurück fanden? Würden die Lehrer nach uns suchen? Mein Blick glitt auf die Armbanduhr. Inzwischen liefen wir seit gut zwei Stunden durch diesen verfluchten Wald. Die Führung durch die Ruine musste auch zu Ende sein. Ob sie wohl merkten, dass zwei fehlten? Freddy würde sicher bemerken, dass ich nicht da war… schließlich hatte er im Bus neben mir gesessen! Ob sie sich wohl Sorgen machten? Frau Bremer bekam wahrscheinlich gerade einen Anfall beim durch zählen der Schüler und würde erst mal Herr Henkel zur Sau machen, der ja eigentlich als Letzter hinter der Schülergruppe hätte laufen sollen. Herr Henkels würde dann sicher nochmal selber nachzählen und dann meine Freunde mit hochrotem Gesicht anschreien und sie dabei ordentlich mit Spucke besprühen. Eigentlich ein recht witziger Gedanken, der mir auch ein kurzes Schmunzeln entlockte, aber in der momentanen Situation, war mir einfach nicht zum Lachen zu Mute. Also lief ich weiter hinter Steven her. „Es regnet gleich, lass uns irgendwas finden, wo wir uns unterstellen können.“, gab Steven zurück und sah kurz in den Himmel. Ich verzog nur das Gesicht und zog die Knie an den Körper. „Wo denn bitte? Unter ‘nem Baum? Hab ich hier auch, dafür muss ich nicht noch weiter laufen…“, gab ich stur zurück, schlang die Arme um die Beine und lehnte meinen Kopf gegen die Knie. Ich wollte nur noch zurück und in mein eigenes Bett. Man, ich klang so erbärmlich… aber egal. Mir war inzwischen alles egal. Man würde uns eh nicht wieder finden, wir würden hier verrotten und sterben. Damit mussten wir uns eben abfinden… Plötzlich wurde ich hochgezogen und wieder auf meine Füße gestellt, während sich ein Schraubstock fester Griff um mein Handgelenk schloss und mich mit zog. „He-Hey!“, stammelte ich verwirrt und empört zugleich, als Steven mich mit sich zog. Ich versuchte wütend meine Hand frei zu machen, aber er hielt mich so fest, dass ich mir nur selbst weh tat, würde ich versuchen mein Handgelenk aus seinen Griff raus zu drehen. „Man, lass mich los, Alter!“, wetterte ich und versuchte mich mit der anderen Hand zu befreien. „Hey! Hallo!“. Konnte der mich mal bitte los lassen?! Was hatte der denn plötzlich für Attacken, hm?! Ging’s eigentlich noch?! Der hatte vielleicht Nerven! Kapitel 4: ----------- Hoffe, es gefällt! :) Seit geschlagenen zehn Minuten zog der mich jetzt schon hinter sich her. Ich hatte es inzwischen aufgegeben zu versuchen mich zu befreien. Seine Finger waren wie Stein, ich konnte sie nicht von meinem Arm lösen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu stolpern, während er im nunmehr strammen Tempo durch das Dickicht marschierte. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dass von der Mutter durch den Supermarkt gezogen wurde, weil es keine Lust mehr hatte zu laufen. Irgendwie peinlich… Allgemein war es recht peinlich, dass der Kerl mich hinter sich herzog. Ich lief ja, ich lief ja, er musste mich nicht mehr bei der Hand nehmen und mitziehen. Also echt mal… Der Himmel war inzwischen fast schwarz und es war so dunkel geworden, dass meine Sichtweite kaum noch zwanzig Meter betrug. Kam es mir nur so vor, oder war der Wald noch dichter geworden? Inzwischen mussten wir uns durch die Bäume schlängeln und immer wieder über umgefallene Stämme klettern, oder Löchern ausweichen. Der Wald sah immer… wilder aus, so als würde er einfach nur so wachsen, wie er wollte, ohne dass irgendeine Menschenhand hier kontrollierte, wie es sich entwickelte. Das war echt beunruhigend… Was, wenn wir hier so tief im Wald waren, dass auch Tiere auftauchen konnten? Rehe waren ja vielleicht noch ganz harmlos… aber was war mit Füchsen, Hirschen, Wildschweinen und so weiter? Oder vielleicht sogar Wölfe oder Berglöwen?! Mir wurde ganz bang bei diesem Gedanken und unwillkürlich griff ich nach dem Jackenärmel von Steven. Dieser bemerkte das zum Glück nicht, sondern ging weiter ohne sich um zu drehen. Inzwischen war der Wind so heftig, dass man über das Rascheln der Blätter nicht mal mehr unsere Schritte hörte. Es rauschte geradezu durch das Laubwerk und ich fühlte mich wie in einem schlechten Horrorfilm mit sehr guten Soundeffekten. Schluckend sah ich mich hin und wieder um. Es wurde richtig finster um uns herum, gar nicht mehr so schön grün wie am Anfang und irgendwie lief mir immer öfters ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Tropfen landete auf meiner Wange. Dann noch einer auf meiner Nase und noch einer auf meiner Stirn. Ich hob den Blick zum tief grauen Himmel und weitere kleine Tropfen landeten auf meinem Gesicht, ließen mich blinzeln. „Na herrlich…“, nuschelte ich leise, als der Regen einsetzte. Steven sah ebenfalls kurz hoch, dann blickte er sich um. Er zog mich ohne weiter zu fragen nach links zu ein paar umgekippten Bäumen, die aufeinander gefallen waren und eine Art unsymmetrisches Tipi bildeten. Sie sahen sehr alt und morsch aus, waren voller Moos und Fahnen und ihre Wurzeln ragten hoch in den Himmel. Endlich ließ Steven mich los und setzte sich unter die Baumformation. Ich betrachtete das Gebilde noch kurz kritisch, bevor ich ihm folgte und mich neben ihn setzte. Wir saßen auch kaum zwei Minuten hier, da brachen die Wolken geradezu auf und ergossen mit lautem Prasseln Unmengen an Wasser auf uns. Der Regen war so laut, dass ich nichts anderes mehr hörte. Es rauschte in meinen Ohren und der Wind wehte feinen Sprühregen direkt in den Eingang des improvisierten Unterstands. Super Sache… Ich zog wie schon eben die Beine wieder an meinen Körper und versuchte mich so weg zu drehen, dass ich nicht soviel Regen abbekam, aber egal wo ich mich auch hinsetzte auf meiner Seite, entweder bekam ich den Regen ins Gesicht geweht, oder mir tropfte er auf den Kopf, weil überall durch die Ritzen das Wasser drang. Verdammt… jetzt war ich auch noch nass, zusätzlich zu meinen anderen Beschwerden. „Komm hier weiter her.“, meinte Steven irgendwann und winkte mich zu sich heran. Ich sah ihn Stirn runzelnd an. „Hier regnet es nicht durch.“, war seine Begründung er und rückte noch ein Stück zurück, damit ich Platz hatte. Ich folgte seiner Anweisung und setzte mich ins Trockene. Seufzend glitt mein Blick wieder hinaus und ich sah dem Regen beim Fallen zu. Ich wusste nicht, wie lange es regnete, aber irgendwann, nachdem er es noch kurzzeitig richtig schlimm geworden war, hörte es langsam wieder auf und als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es halb sechs Uhr abends. Langsam begann es auch zu dämmern. Wir hätten nicht in der Herbstzeit nach Frankreich fahren sollen… Jetzt wurde es schon langsam düster. Ich seufzte schwer und warf Steven einen Blick zu. Dieser saß im Schneidersitz neben mir und sah ebenfalls raus, seine Augen gingen ins Leere. Schließlich erhob er sich allerdings und krabbelte aus dem Baumversteck. „Lass uns weiter.“, murmelte er und ich nickte schweigend, folgte ihm. Eine unangenehme Stille hatte sich zwischen uns ausgebreitet. Man hörte nur unsere Schritte, wie sie durch das Laub raschelten, oder durch Pfützen und Matsch stapften. Hin und wieder fielen Regentropfen auf meinen Kopf, die Bäume waren noch nass und der Wind wehte nach wie vor. Ich seufzte leise und sah hoch zu Steven, blickte kurz wieder nach unten, bevor ich zwei große Schritte machte und neben ihm weiter lief. Warum ich das machte, wusste ich selbst nicht genau. Mein Magen knurrte leise und ich musste ein erneutes Seufzen unterdrücken. Die Luft roch nass und rein, das feuchte Laub sonderte einen Duft ab, der mich irgendwie ein bisschen belebte. Die Kälte vertrieb auch die Müdigkeit und die kleine Pause hatte meinen Füßen gut getan. Ich bemerkte, wie Steven mir einen Seitenblick zuwarf, aber das war auch alles an Reaktion. Der Typ war wirklich ein sehr ruhiger Geselle. Eigentlich war das ganz angenehm. Wenn wir nicht gerade verirrt in einem riesigen, nicht enden wollenden Wald stecken würden. Ein Rascheln ließ uns gleichzeitig den Kopf heben. „Was war das?“, fragte ich verwundert und auch Steven hob fragend die Brauen. Das Rascheln wurde lauter, es kam von vorne, aus den Gebüschen und zusätzlich zu dem Schütteln der Sträucher kam auch ein merkwürdig an- und abschwellendes Knurren. Nur kein gewöhnliches Knurren… Ich brauchte ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, dass das kein Knurren, sondern Grunzgeräusche waren. Grunzgeräusche? Moment mal… Mein Blick glitt zu Steven, der wie gebannt auf das Gebüsch sah. Dann wandte er sein Gesicht zu mir. Ein erneutes Grunzen ließ uns wieder auf das Dickicht starren und mein Herz begann schneller zu schlagen. Der Strauch schüttelte sich heftig und es kam… ein kleines Ferkelchen zum Vorschein. Wie hießen die noch bei Wildschweinen… Frischling. Ein Frischling. Er entdeckte uns und hob die süße Schnauze. Erleichtert entspannte ich mich wieder. „Das blöde Vieh hat mich ganz schön erschrocken.“, lachte ich und sah hoch zu Steven, der sich panisch umblickte. Was denn, hatte der Angst vor so einem Mini-Kotelett? Ich grinste ihn an, aber er beachtete mich gar nicht. „Den Baum hoch…“, murmelte er dann und deutete mit einer Kopfbewegung auf einen dicken Baum, an dem ich eh nie hochgekommen wäre. „Hä?“, kam es nur recht geistlos von mir. Er sah zu mir. „Den Baum hoch, schnell!“. Ich verstand die Panik in seinen Augen nicht, bis es Klick bei mir machte und ich heftig zusammen zuckte. Scheiße! Als würde so ein Vieh alleine rumrennen! Irgendwo musste ja auch der Rest sein! Entsetzt lief ich auf den Baum zu, den er mir gezeigt hatte. Allerdings war ich nicht gerade der Sportlichste und selbst als ich endlich mit viel Gehoppse endlich den niedrigsten Ast erreichte, war ich zu schwach um mich hoch zu ziehen. Steven stand hinter mich. „Warte, hier, Räuberleiter.“, er faltete die Hände zusammen und ich setzte meinen Fuß hinein und drückte mich hoch, bis ich einigermaßen sicher in den untersten Ästen stand und dann anfing höher zu klettern. Mein Blick glitt zu Steven, der gerade versuchte selbst hoch zu kommen, als das kleine Wildschwein einen spitzen Schrei ausstieß, als seine Mutter durch das Dickicht brach wie eine Dampfwalze und ohne auch nur zu gucken auf Steven zu rannte. Ich stieß einen entsetzten Laut aus, Steven drehte sich um und sah nur noch wie das Muttertier auf ihn zu gestürmt kam. Nur mit einem halben Hechtsprung konnte er aus ihrer Bahn springen und landete gekonnt auf dem... Kopf?! Was war dass denn für ein Sprung?! Steven gab ein Stöhnen von sich und hielt sich den sicher schmerzenden Schädel, während das Wildschwein mit heftigem Schnauben und schäumenden Maul herum drehte und ihn anvisierte. „Steven! Steven, lauf!“, schrie ich entsetzt, als das Tier wieder los brach und der Braunhaarige rappelte sich entsetzt auf und nahm die Beine in die Hand. Das Vieh setzte ihm nach, ich sah ihnen hinterher, wie sie sich immer mehr entfernten, bis Steven mit viel Anlauf den nächst besten, einigermaßen dicken Baum geradezu hochflog und sich an den Stamm krallte. Die Wildschweinmutter rannte einfach stur gegen den Baum, der heftig erzitterte, aber Steven blieb oben. Erleichtert atmete ich die Luft, die ich bis eben angehalten hatte, wieder aus und ließ mich auf den Ast sinken, die Beine baumelten leicht in der Luft. Scheiße… Das war so ziemlich das Gefährlichste, was ich je auf einer Klassenfahrt erlebt hatte. Das blöde Vieh von einem Wildschwein lief noch eine Weile schäumend und bedrohlich grunzend zwischen uns her, aber irgendwann schien sie wohl zu merken, dass wir nicht runterkommen würden und ihre Kinder nicht weiter in Gefahr waren. Nach zwei Stunden haute dieses saublöde Vieh auch endlich ab. Inzwischen war es dunkel geworden und durch die Baumkronen konnte man den schwarzen Himmel erkennen. Vereinzelte Sterne leuchteten zu uns runter und sogar die Mondsichel konnte man erkennen. „Ich glaub… wir können wieder runter…“, rief ich nach einer Weile zu Steven rüber. Dieser nickte wohl, ich konnte es nicht erkennen, aber er stieg langsam von seinem Baum und ich tat es ihm gleich. Ich ging in seine Richtung und wir beide blieben schließlich nebeneinander stehen, sahen uns mehr oder weniger an. Durch die Dunkelheit konnte ich ihn nicht mehr so gut erkennen, aber ich glaubte, dass wir uns ungefähr in die Augen sahen. Eine Weile herrschte Schweigen. Dann wandte ich den Blick wieder ab. „Danke… fürs hoch helfen…“, nuschelte ich schließlich. „Mm Mm…“, kam es von Steven zurück und er kratzte sich im Nacken. Und wieder liefen wir. Doch jetzt deutlich langsamer. Durch die Dunkelheit konnte man kaum noch die Hand vor Augen sehen und anscheinend war Steven entweder nachtblind oder die Brille war sehr stark gewesen, denn er lief fast gegen Bäume, stoppte immer erst kurz davor und machte dann unsicher einen Bogen um sie. Ich ging schweigend neben ihn her und sah mich um. Alles war stockduster und irgendwie unheimlich. Ich fragte mich gerade, ob wir die ganze Nacht durchlaufen würde, als ich die Schemen von etwas entdeckte, was sicher nicht natürlich gewachsen war. „Hey, warte mal...“, meinte ich an Steven gewandt und blieb stehen. Dieser sah verwundert zu mir runter. „Da hinten steht ein Ausguck, glaub ich…“, fügte ich hinzu und deutete in die Richtung. Zwischen den Bäumen stand ein hoher Kasten, nicht besonders groß, aber reinpassen würden wir bestimmt. „Das ist bestimmt sicherer, als auf dem Boden zu pennen.“, fand ich und ging in die Richtung. Steven folgte mir zögerlich. „Ich finde das geht…“, meinte ich, recht stolz, das hier gefunden zu haben, als wir schließlich in dem Ausguck hockten und uns zusammen drängen mussten. War wirklich ziemlich klein… Aber zumindest trocken und erhöht, damit wir nicht irgendwann mitten im Schlaf von irgendeiner wild gewordenen Wildschweinmutter zertrampelt wurden. „Hm…“, erwiderte Steven, gesprächig wie er nun mal war und lehnte sich gegen einer der Holzwände. Wieder herrschte Schweigen zwischen uns. Allerdings fiel mir auch nichts ein, was ich hätte sagen können, also blieb ich ebenfalls still und rollte mich irgendwann auf die Seite, um ein wenig Schlaf zu finden. Wir waren den ganzen Tag durch diesen verfluchten Wald gelatscht. Mir tat alles weh und ich war froh endlich liegen zu können. Zwar stank es hier drin irgendwie und es war alles andere als gemütlich, aber ich war so erschöpft, dass mich das nicht weiter störte. Etwas rüttelte an mir, so heftig, dass meine Zähne aufeinander schlugen und ich riss entsetzt die Augen auf. „Hey!“, beschwerte ich mich lautstark und sah genervt zu Steven hoch, der mich aufgeweckt hatte. „Es ist hell und es regnet gerade nicht.“, informierte er mich und ich verdrehte die Augen. „Hrm…“, seufzend erhob ich mich, so gut es in dem Ausguck eben ging. Mein Magen fühlte sich an wie ein großes, schwarzes Loch und ich hielt mir den Bauch. „Hunger?“, fragte Steven mich überflüssigerweise, bevor er in seine Tasche griff und mir einen Müsliriegel hinhielt. Zögerlich griff ich danach. „Danke…“, murmelte ich, während ich ihn auspackte und mir in den Mund steckte. Der Brillenträger selbst wühlte kurz in seinem Rucksack herum, bevor er seine Wasserflasche hervor zog und einen Schluck nahm. Er warf mir einen kurzen Blick zu und hielt die Flasche dann mir hin. Ich schluckte und nahm die Flasche entgegen, um ebenfalls ein bisschen daraus zu trinken. Ich lächelte leicht, als Dank. Das war zwar jetzt nicht gerade das beste Frühstück, was ich mir vorstellen konnte, aber da ich seit gestern Mittag nichts mehr in den Magen bekommen hatte, war ich froh überhaupt was zu Essen zu bekommen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich seufzend, als wir den Ausguck verlassen hatten und jetzt unter ihm herum lümmelten. „Ich glaube es hat wenig Sinn, hier zu warten… Der Ausguck sieht ziemlich… alt aus. Ich denke nicht, dass hier regelmäßig ein Förster oder ein Jäger entlang kommt… Außerdem ist es gerade trocken…“. Ich seufzte schwer und fuhr mir durch das Haar. Es war ganz wuschelig und ungeordnet. „Dann heißt es wohl weiter laufen, hm?“, schlussfolgerte ich und sah nicht gerade begeistert aus. „Sieht wohl so aus…“, entgegnete Steven und auch er wirkte alles andere als erfreut über diese Tatsache. Unsere Blicke trafen sich kurz und ich wusste, dass wir beide genau wussten, wie sinnlos es war, einfach weiter zu laufen. Aber sollten wir sonst tun? Hier warten würde nichts bringen und zurück gehen… ja, wenn wir mal wüssten, wo –zurück- war. Wir hätten Brot mitnehmen und eine Spur legen sollen… Wie bei Hänsel und Gretel. Wer weiß, vielleicht fanden wir ja ein Pfefferkuchenhäuschen… Man, ich wurde langsam echt… Und wieder war die Devise, einen Schritt vor den Anderen zu tun, einfach immer die Füße heben und in Bewegung bleiben. Wahrscheinlich wären wir verzweifelt, wären wir einfach stehen geblieben. Hätte ich mich jetzt hingesetzt.. ich wäre nicht mehr aufgestanden. Und wäre ich alleine gewesen, wäre ich wohl schon gestern liegen geblieben wie ein kaputtes Auto. Aber Steven ging weiter und ich folgte… Ich wusste gar nicht, was für ein Glück ich eigentlich hatte, dass Steven mit mir mitgekommen war. Bildete ich mir das nur ein.. oder lichtete sich der Wald? Seit dem frühen Morgengrauen liefen wir nun schon, es war nass, die Luft angefüllt mit Feuchtigkeit. Es war grau und es sah so aus, als würde es jeden Augenblick wieder anfangen zu schütten. Feiner Nebel umwaberte unsere Fußknöchel und wenn wir uns durch dichtes Gestrüpp kämpften, hinterließen die nassen Blätter ihren Tau auf unserer Kleidung. Die allmorgendliche Kälte ging durch mein Shirt und ich glaubte, dass sie mir bis durch die Knochen ging und mich zu erfrieren versuchte. Und trotz der Kälte fielen die Sonnenstrahlen hier und da durch die Wolken auf den Boden. Sie waren so deutlich und gebündelt, ich hatte das Gefühl, ich könnte die einzelnen, gelben Strahlen berühren und mit den Händen umfassen, als wären lange, leuchtende Seile vom Himmel bis zum Boden gespannt worden. Es war vielleicht sehr kalt… aber auch wunderschön. Einen Moment konnte ich sogar vergessen, in was für einer Situation wir uns eigentlich befanden. Ich betrachtete das glitzernde Farbenspiel, wenn sich die Sonnenstrahlen in den Wassertropfen auf den grünen Blättern brachen und alles wie Kristalle blitzen und blinken ließen. Eigentlich… war es ganz nett hier. Und trotzdem wollte ich hier raus und wenn nötig würde ich mich auch mit einer Axt durchkämpfen. wenn ich denn eine hätte. „Ich glaube, der Wald lichtet sich langsam…“, kam es von Steven. Ich sah verwundert zu ihm hoch. Seit wann sprach der denn ohne Aufforderung? „Hm… hoffentlich finden wir eine Straße.“, war meine Antwort. Ich versuchte meine Freude im Zaun zu halten, denn Steven blieb ganz lässig und ich wollte nicht vor Erleichterung ausflippen, während mein Partner nur gelangweilt dastand. Irgendwie hatte das ja was Cooles an sich… Und tatsächlich… Es wurde immer leichter sich einen Weg durch das Dickicht zu bahnen, die Bäume wuchsen in größeren Abständen zueinander und schließlich, nach einem Tag und einer Nacht (naja nachts hatten wir ja gepennt…) fanden unsere Füße ebenen Boden, auf dem sie wandeln konnte. Ein Weg! Ein Weg, verdammt nochmal! Jetzt war es mir scheiß egal, ob ich uncool aussah, aber ich freute mich einfach zu sehr, um es nicht zeigen zu können. Meine Schritte beschleunigten sich, um möglichst schnell auf diesem Pfad zu gelangen und am liebsten wäre ich auf die Knie gefallen und hätte den Boden geknutscht. „Endlich…“, seufzte auch Steven erleichtert, während ich einen kleinen Freudentanz aufführte und auf dem Weg rumhoppste, wie ein Behinderter. Dieser verdammte Weg würde uns rausführen aus diesem Höllenwald! Egal wie hübsch ich ihn den anderen Moment noch gefunden hatte! Endlich, endlich raus hier! Wo ein Weg war, war auch irgendwo Jemand, der diesen gemacht hatte und nutzte und dieser Jemand hatte sicher ein Telefon und dann könnten wir Jemanden anrufen und nach Hause kommen! Mir war es inzwischen egal, dass wir wahrscheinlich bis an unser Lebensende nachsitzen würden müssen und meine Eltern mir zusätzlich noch Hausarrest verpassen würden, bis ich dreißig war. Das war mir sowas von scheiß egal! Steven und ich hatten unser Tempo merklich angezogen und wir liefen nun fast im Laufschritt den Pfad entlang, der sich durch das immer lichter werdende Dickicht schlängelte. Der Pfad wandelte sich langsam aber sicher zum Schotterweg und schließlich zu einer richtigen Straße, die Platz genug für ein Auto hatte. Auch wenn es sicherlich nicht gut für die Achsen wäre, hier lang zu fahren, denn überall waren Schlaglöcher und Risse im Asphalt. Wenn es denn Asphalt war. Es war irgendwie eher sowas wie ein Steingemisch... Ach kannte ich mich etwa mit den verschiedenen Arten von Straßen aus? Egal! Straße war Straße! Ich grinste zu Steven hoch. „Na endlich raus aus dem Unkraut! Wetten wir kommen bald zu irgend ‘nem Dorf? Dann können wir beim Campingplatz anrufen, damit die uns abholen!“. Begeistert klatschte ich mir in die Hände und hatte kurzzeitig sogar den Drang einmal um Steven rum zu tanzen und ihn zu umarmen, einfach, um ihn auch mal strahlen zu sehen, zu sehen, dass auch er sich freute… oder zu gucken, ob der Kerl überhaupt dazu in der Lage war sowas wie Freude zu empfinden. Aber ich bekam nur einen kurzen Blick über seine Brillengläser hinweg geschenkt und das war’s. Langweiler… Nicht mal eine Antwort erhielt ich! Das könnte mich ja schon wieder ärgern… Wir folgten der merkwürdigen Straße geraume Zeit, bis das Gelände langsam anfing sich an zu heben. Ging es jetzt wieder einen Berg rauf? Der Anstieg wurde nicht gerade leichter durch die Höhe und als die Straße eine Kurve beschrieb und wir um diese herum waren, baute sich vor uns ein Gebäude auf. Aber kein Block- oder Pfefferkuchenhäuschen. „Was ist… Das denn?“, fragte ich langsam und mein Blick glitt an der riesigen Mauer entlang, die das alte Gemäuer umrahmte, dass hier, inmitten des Waldes stand. „Ein…“, begann Steven verwirrt, „Schloss?“. Kapitel 5: ----------- Hoffe, es gefällt!^^ Wir beide standen da und starrten das Gebäude an. Die verwitterte Schutzmauer war an mehreren Stellen zusammengebrochen und der schwarze Eisenzaun, der das Tor darstellte war verbogen und verrostet. Alles wurde schon von Moos und Schlingpflanzen überwuchert, was darauf schließen ließ, dass dieses alte Gebäude schon lange leer stehen musste. Oder der Besitzer war einer von der faulen Sorte und kümmerte sich nicht darum, dass es langsam in den Wald überging. Das Gemäuer selbst bestand aus zwei hohen Türmen... eine Art sechseckiges Gebilde vor diesen Türmen und hinter ihnen noch ein Gebäude, dass in die Länge gezogen war und ungefähr die Ausmaße eines halben Fußballfeldes hatte. Alles wurde geschmückt von… verwitterten Zinnen, zerbrochenen Buntglasfenstern, kaputten Verzierungen, wie Engelsstatuen und großen Säulen. Vor ein paar Jahrhunderten war dieses Schloss sicher mal atemberaubend schön gewesen. Jetzt war es eher… eine Kulisse für einen schlechten Dracula-Streifen. Und trotzdem… irgendwie juckte es mich in den Fingerspitzen und ich ging auf das verbogene Tor zu. „Was… Hast du vor?“, fragte eine Stimme hinter mir und eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich sah verwundert hinter mich. „Was wohl? Rein gehen!“, erwiderte ich und schüttelte die Hand ab, um weiter zu gehen. „Lass uns weiter...“, kam es mit unwohler Stimme von dem Größeren. „Es bringt uns doch nichts, da jetzt rein zu gehen…“. Ich hob die Brauen. „Was denn? Hast du Schiss, oder was? Jetzt komm schon, Mann, wann hat man schon mal die Gelegenheit in so ein Ding rein zu kommen, ohne was zahlen zu müssen und ohne nervige Aufseher??“, erwiderte ich begeistert und packte Steven am Arm um ihn mit mir mit zu ziehen. Jetzt war ich es mal, der hier vorweg ging! So! „Aber…“, kam es zweifelnd von dem Braunhaarigen. „Sei kein Frosch, man… Vielleicht ist ja sogar was Wertvolles drinnen… Oder, wenn wir Glück haben, lebt vielleicht ja doch jemand da.“, auch wenn ich das bezweifelte. Ich zwängte mich durch den verbogenen Stahl und Steven folgte mir zögernd. „Alter… Ich hätte echt gern mein Handy dabei…“, dann würde ich das hier alles fotografieren. Das war wirklich wie in einem waschechten Gruselfilm, mit allen drum und dran! Überwucherter Garten, ein Springbrunnen, an dem der Efeu schon hinauf kletterte… Ein einst weißer Kiesweg, der durch den Vorgarten zu dem riesigen Tor führte. Ein großer aus Eisen geformter Torbogen empfing uns. Große Rosenbüsche wucherten darüber und empfingen uns mit riesigen Blüten. „Wow… echt schick…“, musste ich zugeben und blieb kurz stehen, um eine der Rosen auf meiner Höhe zu betrachten und versuchsweise daran zu schnuppern. Schade… sie dufteten nicht. Ich verzog den Mund und hob den Kopf wieder. Dabei bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass Steven mich anstarrte. „Was is?“, fragte ich leicht angegriffen und wandte mich rasch wieder ab, um weiter zu gehen. Was glotzte der so dumm?! Durfte man jetzt nicht mal mehr an Blumen riechen, oder was? Ich folgte dem Kiesweg, es knirschte leise unter meinen Füßen. Ein bekanntes Geräusch… Jedes mal wenn ich unsere Auffahrt hochging, knirschte es genauso… „Abgeschlossen ist schon mal nicht…“, stellte ich verwundert fest, als wir schließlich vor der großen Tür standen und ich sie einfach aufdrücken konnte. Das Holz war mindestens armdick und ließ sich nur langsam und mit viel Kraft aufschieben. Ein stickiger, modriger Geruch stieg mir in die Nase, als ich das Innere des Schlosses betrat. Es war einigermaßen hell durch die großen, rechteckigen Fenster zu beiden Seiten. Der Boden war zwar mit einer dicken Staubschicht bedeckt, aber man erkannte Fließen. Sie bildeten verschlungene Muster, in der Mitte der Eingangshalle war sogar ein roter Teppich ausgelegt. An den Wänden hingen große Gemälde, Waffen und riesige Schilde. Hier und da sogar Matratzen große Teppiche, die ganze Geschichten zeigten. Dicke, rote Vorhänge wurden von gelben Kordeln festgehalten und von der Decke hingen mehrere, kleine Kronleuchter. An den Seiten standen sogar große Vasen und da war, ich glaubte es kaum, eine vollständige Ritterrüstung! Das alles hier schien wirklich verdammt alt zu sein, was die Staubschicht anbelangte, die wirklich Zentimeter dick sein musste. „Das muss alles ein Vermögen wert sein…“, flüsterte Steven neben mir, der mit weit aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund umher starrte. „Alleine diese Teppiche.. Oder die Gemälde…“. Ich kannte mich zwar nicht aus mit Antiquitäten oder sowas, aber ich glaubte ebenfalls, dass das hier verdammt viel Wert war. „Und du wolltest nicht hier rein gehen, hm?“, meinte ich schelmisch an Steven gewandt und schlug mit der Faust leicht gegen seine Schulter. Er warf mir ein flüchtiges Stirnrunzeln zu und ging dann auf dem Teppich entlang zur breiten Treppe, die wohl in den ersten Stock und in die Türme führen musste. Also echt mal.. konnte der nicht wenigstens mal lächeln? Das war doch nicht zu viel verlangt! Grummelnd folgte ich ihm die Treppe rauf, auch wenn ich noch kurz stehen blieb, um mir die Porträts an zu sehen. Meistens waren Frauen mit pompösen Frisuren und Kleidern zu sehen, die ihm Halbprofil dasaßen und kleine Hündchen auf ihrem Schoß sitzen hatten. Auch ein Mann mit einer richtigen Uniform war auf einem der Gemälde abgebildet. Er stand mit strenger Haltung da und starrte geradezu herrisch zu mir hinunter. „Man… hier wird’s ja immer teurer…“, stellte ich fest, als wir uns im ersten Stock umsahen und uns noch mehr Kostbarkeiten entgegen schrien. Gemälde, Kronleuchter, Möbel, noch mehr Ritterrüstungen, ganze Waffenausstattungen hingen an den Wänden. Schwerter, Morgensterne, Lanzen, Schilde mit Drachenköpfen oder Löwen. Sogar das selbst mir bekannte ‚P‘, das mit dem Kreuz, war auf einen der Schilde zu sehen. „Wundert mich, dass das hier alles noch so unberührt steht…“, murmelte Ich und kratzte mir am Kinn. „Vielleicht ist das Schloss Privatbesitz von irgendeinem reichen Sammler.“, mutmaßte Steven und hob die Brauen. „Wir sollten wieder gehen… wenn das hier jemanden gehört, dann dürften wir nicht mal hier sein.“. Ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Meinst du, hier kommt jemand und kontrolliert das? So verwahrlost wie das hier aussieht…“. Ich konnte irgendwie nicht glauben, dass sich hier jemand um das Schloss kümmerte, bei der dicken Staubschicht. „Lass uns trotzdem gehen.“, nuschelte Steven, etwas drängelnder und wandte sich zurück zur Treppe. Aber aus dem Weggehen wurde nichts mehr, denn als wir in der Eingangshalle waren, konnten wir durch den Fenstern sehen, wie es heftig regnete. „Na herrlich.“, kam es trocken von Steven und er verschränkte die Arme, schenkte mir einen strengen Blick. „Was is?“, erwiderte ich und hob unschuldig die Hände. „Als ob ich was dafür kann, dass es regnet. Zumindest haben wir ein Dach über den Kopf und müssen uns nicht wieder unter Bäumen verkriechen.“, murrte ich angegriffen zurück. Also echt, konnte der mal aufhören zu nörgeln? Es wurde eh langsam dunkel und für die Nacht hatten wir schon mal einen Schlafplatz! Ich wusste gar nicht, warum sich der Kerl so aufregte. War doch ziemlich praktisch, oder nicht? „Ich schlaf hier.“, stellte ich fest, als wir nach Schlafzimmern suchten und eins mit einem großen Bett fanden. Es war so, als wäre ich in einem alten Sissi-Film gelandet. Großes Himmelbett, riesiges Balkonfenster, ein Ebenholzschrank, der bis zur Decke reichte (leider leer) und alles mit Teppich ausgelegt. Die Vorhänge waren weinrot, der Rest des Zimmers in einem leichtem Lachs-ton. Die Decke war bemalt. Kleine, dicke Engelskinder auf Wolken, die mit Instrumenten spielten. Ich fand diese dicken Kinderengel immer scheiße hässlich. Was war an den Teilen nur so toll? „Nebenan ist noch ein Zimmer…!“, rief Steven aus dem Flur. „Schön!“, rief ich ironisch zurück und runzelte die Stirn. „Dann schlaf mal da...!“. Irgendwie war es ein gruseliges Gefühl… In diesem riesigen Zimmer ganz alleine zu pennen, in so einem unbekannten, leeren Schloss, dass sicher älter war, als unser ganzes Lehrerkollegium zusammen. Und das sollte schon was heißen bei den ganzen Tattergreisen, die wir als Lehrkraft hatten. Aber was soll’s… War ja nicht so, als hätte ich Schiss, oder sowas, es war einfach nur ungewohnt. Mitten in der Nacht riss mich ein lautes Krachen aus dem Schlaf. Ich zuckte heftig zusammen und fiel seitlich aus dem Bett. „Was?! Was?!“, rief ich alarmiert und sah mich panisch um, während ich versuchte mich aus den unzähligen Decken zu befreien. „Scheiße, man! Was zum...!“, fluchte ich wild herum und schlug diese scheiß Decken von mich, strampelte mich frei und sprang endlich auf die Beine. Wütend und verwirrt sah ich mich um. Alles war stockduster. Ich seufzte entnervt und fuhr mir durch das Gesicht, wollte gerade wieder zum Bett tasten, da donnerte er es heftig und ein greller Lichtblitz erhellte kurzzeitig das Zimmer. Mein Blick glitt zur Tür, in dessen Rahmen eine schwarze Gestalt stand. Ich schrie entsetzt auf, stolperte rückwärts und fiel über die Decken auf dem Boden. „Ich bin‘s…“, kam es dann in dem kurzen Moment der Stille von dem Kerl an der Tür. „DU ARSCHLOCH! WEISST DU EIGENTLICH WIE SEHR ICH MICH ERSCHROCKEN HABE??!!“, brüllte ich Steven an, den ich jetzt, wo der Blitz erloschen war, kaum noch sehen konnte. „‘Tschuldige…“, nuschelte Steven und ich hörte seine Schritte. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und ich erkannte, wie er auf mich zukam und mir die Hand hinhielt. Ich war versucht sie weg zu schlagen, ließ mir dann aber aufhelfen. Seine Hand war groß und er hatte ganz warme Handflächen. Meine waren vor Schock ganz kalt. Mit einem starken Ruck stand ich auch schon auf den Füßen und spürte neben mir Stevens Atem im Nacken. Es war ein merkwürdiges Gefühl kaum etwas zu sehen und dann so dicht nebeneinander zu stehen. „Was… War das für ein Krach?“, fragte ich schließlich und ließ seine Hand wieder los. Ich faltete meine Hände zusammen und spürte noch die Wärme der anderen Hand. „Ich weiß nicht. Es kam von oben… Vielleicht… ist ein Blitz eingeschlagen.“, seufzte Steven und seine Kleidung raschelte, als er sich durch die Haare fuhr. „Lass uns nachsehen.“, beschloss ich und ging Richtung Tür. „Warum?“, erwiderte Steven ungläubig. „Weil ich wissen will, was da passiert ist!“. „Hab ich doch gesagt… ein Blitz ist-“, ich unterbrach ihn genervt, „Jaja, ich will trotzdem gucken!“. Nach dem Schock war ich eh zu aufgekratzt, um mich wieder hin zu legen. Ich hörte, wie Steven hinter mir grottig seufzte. Aber er folgte mir. „Man, ist das finster…“, murmelte ich, während wir durch den Flur gingen und ich mich zur Treppe wandte. Naja, zumindest wusste ich wo es zur Treppe ging, schließlich hatten wir genug Zeit gehabt, uns hier um zu sehen. Auch der zweite Stock war unversehrt. Also musste wohl das Dach und vielleicht der Dachboden was abbekommen haben. „Lass uns lieber nicht da hoch.“, kam es von Steven, als wir schließlich vor der Holztreppe hoch zum Dachboden standen. „Wieso nicht?“, gab ich genervt zurück. „Du bist echt ein Angsthase, Steven.“. Die Stufen knarrten heftig, als ich die Treppe hochstieg. Steven folgte mir nicht. „William…“, murmelte Steven mit Unbehagen in der Stimme. Entnervt sah ich mich zu ihm um. „Alter, reg dich mal ab! Du bist sowas von übervorsichtig! Als würd gleich irgendein Massenmörder auf mich zu-“, plötzlich brach der Boden unter meinen Füßen weg und ich fiel vorne über, rutschte nach unten und konnte mich gerade noch so an der nächsten Holztreppenstufe festhalten. „Will!“, rief Steven entsetzt und stürzte nach vorne, um mich aus dem Loch in der Treppe zu ziehen. „Ah! Verdammt! Scheiße! So eine Scheiße!“, fauchte ich, während ich versuchte mich hoch zu ziehen. Meine Beine taumelten im Nichts und ich versuchte verzweifelt Halt zu finden. „Ha-Halt still!“, versuchte Steven mir zu befehlen, während er mit seinen Armen in das Loch griff und sich seine Hände um meinen Brustkorb schlangen. „Au-Aua-Hey, was machst du-AUA!“, beschwerte ich mich schmerzerfüllt, als Steven an mir ruckelte und mich hoch zu ziehen versuchte. Er stemmte die Beine rechts und links von mir und riss mich dann mit einem Ruck aus dem Loch. Ich flutschte geradezu aus heraus direkt in die Arme des Größeren. Wir fielen beide hinten über, naja ich landete zumindest weich auf Steven drauf. „Au…“, murrte ich trotzdem nochmal, um meinen Unmut kund zu tun und rollte ich mich von dem Anderen runter. Dieser blieb einen Moment liegen und richtete sich dann mit trockener Miene auf, schenkte mir einen Blick über seine Brillengläser hinweg und richtete sich auf. Erst wollte ich genervt etwas kommentieren zu diesem –Du bist so dumm-Blick von der Brillenschlange, ließ es dann aber bleiben. Meine Augen wanderten zu dem Loch in der Treppenstufe, in dem ich vor ein paar Sekunden noch gehangen hatte und rieb mir die schmerzenden Hüften, mit denen ich steckengeblieben war. „Danke…“, überwand ich mich dann doch noch und sah wieder zurück zu Steven, aber dieser hatte sich schon abgewandt und ging wieder zurück. Hey! Sag mal, konnte der mal zuhören, wenn ich mich bedankte?! So ein Arschloch! Beleidigt verzog ich das Gesicht und folgte dem Anderen dann in einigem Abstand. Blödes Arschloch, dummer Mistkerl.. Wie konnte der mich einfach ignorieren, wenn ich mich schon durchrang und mich bedankte, hm?! In Gedanken bombardierte ich den Rücken des Größeren mit Schimpftiraden, bis wir schließlich wieder zu den Beiden Zimmern kamen. Wütend stapfte ich in mein eigenes und knallte die Tür zu. Vielleicht ein etwas alberner Auftritt, aber gut… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)