Nächte der Obsession von LauraAStern ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Cathal fuhr schlagartig aus dem Schlaf, als der nass-kalte Inhalt des Eimers über ihm ausgeschüttet wurde. "Verdammt! Spinnst du, Robin?", fuhr er das Mädchen mit dem glatten, braunen Haar, welches ihn gerade so unsanft geweckt hatte, an. Das war doch unfassbar! Da war man bis zum Morgengrauen unterwegs damit die ganze Bande was zu essen hatte und das war der Dank? Davon, dass sein Schlafplatz nun völlig durchnässt war, ganz zu schweigen. Seinem besten Freund, Blutsbruder und Komplizen Kai war es immerhin nicht besser ergangen. Wenigstens etwas... Robin schob ihre Unterlippe herausfordernd nach vorne und sah ihn mehr als nur tadelnd an, setze den ausgeleerten Eimer auf den Boden und stemmte die Hände an die Hüfte. „Besser, als wenn ihr weiterstinken würdet! Wann habt ihr euch denn, bitte, das letzte Mal richtig gewaschen? Ihr seid selber schuld!“, gab sie ihm zurück und begann dann leicht zu lächeln, während sie ein kleines Stück Seife ergriff, ihm hinhielt und einen alten, abgewetzten Schwamm dazu reichte. „Aber DAS kannst du doch wohl alleine benutzen, oder?“, fragte sie ihn herausfordernd und ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie keine Diskussion dulden würde. Während Cathal sich leise weiter über die „Weiber“ und ihre verdammten Ansprüche beschwerte, fügte sein bester Freund Kai sich seinem Schicksal verhältnismässig still. Genaugenommen hatte Robin ja irgendwie Recht, dass sie sich ordentlich gewaschen hatten, war schon eine ziemliche Weile her und Flöhe oder sowas wollte er dann doch nicht bekommen. Offenbar ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund. Er wollte, bei aller Freundschaft, nicht wirklich wissen, was sich in Cathals langer, hellblonder Zottelmähne schon alles verfangen hatte… Unwillkürlich griff Kai sich in seinen eigenen braunen Schopf, der sich durch einen asymmetrischen Haarschnitt Marke Eigenbau auszeichnete. Robin hatte wirklich recht. Diese hatte sich inzwischen einen alten, beinahe borstenlosen Besen und einen ebenso alten, löchrigen Putzlappen geschnappt und liess ein lang gezogenes Seufzen vernehmen ehe sie anfing den, ebenfalls gut gewässerten, Boden zu wischen und zu trocknen. Sie wischte um die beiden durchweichten Jungs herum und nahm die fleckigen Decken und Laken an sich, um diese auch wieder einmal halbwegs ordentlich zu waschen und dann zum trocknen aufzuhängen. Die Jungs liess sie alleine zurück und kümmerte sich um Cathals Errungenschaften, um für alle eine Mahlzeit hinzubekommen, schliesslich wollte das Essen ja gerecht aufgeteilt werden. Es mochte nicht ausserordentlich viel sein, aber als Strassenkind musste man nehmen, was man kriegen konnte und im Vergleich zu anderen ging es ihnen doch ziemlich gut. Zur gleichen Zeit, jedoch an einem ganz anderen Ort, bewegte sich Delanos grossgewachsene, schlanke Gestalt auf die Stallungen zu. Die Nacht war jung und wollte schliesslich sinnvoll genutzt sein. Es war ohnehin wieder an der Zeit nach einer Mahlzeit Ausschau zu halten. Das Buch, in das er bis eben vertieft gewesen war, sicher verstauend, das vorbereitete Pferd zum Tor führend und den Mantel zurechtrückend blickte er hinab zu den flackernden Lichtern der Stadt. Ein kurzer Abschied von seiner Blutsschwester Charlotte, ehe er auf das Pferd stieg und dessen Schritte in Richtung seines verheissungsvollen Zieles lenkte. Nach einem angenehmen Ritt erreichte er das Südtor und übergab das Tier an einen der Nachtwächter, von denen er wusste, dass sie in Charlottes Diensten stand. Der würde sich angemessen um die schöne Stute kümmern und das Pferd bereitstehen lassen, wenn er sich zum Rückweg aufmachen wollte. Noch immer schlecht gelaunt und halbnackt, aber wenigstens einigermassen Sauber kletterte Cathal währenddessen über den Schutthaufen, der die Tür zu dem leer stehenden Haus, welches er und seine Bande als Heimstatt auserkoren hatten, halb verdeckte und setzte sich auf ein Mauerstück. Sein Blick ging in den wolkenverhangenen Himmel, an dem der Mond bereits damit begonnen haben musste, seine Allabendliche Bahn zu ziehen. "Sieht aus, als würd's heut noch regnen...", meinte er nachdenklich. Regen war scheisse. Eigentlich mochte Cathal Regen, er liebte das Geräusch, das Gefühl auf seiner Haut, die Art, wie die Luft nach einem Sommerregen roch, aber dennoch. Bei Regen waren kaum Leute unterwegs. Schlechte Voraussetzungen für einen Taschendieb wie ihn. Mit einer sonderlich ertragreichen Nacht war also nicht zu rechnen. Deshalb war Regen eben doch scheisse. "Da hätt ich mir die Wascherei auch sparen können..." "Hättest du nicht", lies Kai verlauten, als er sich neben Cathal gegen den Schutthaufen lehnte und dessen Blick folgte. "Du weisst doch, wie Robin ist, Cal. Eine Nacht lang im Regen rum zu sitzen, hätte sie sicher nicht als Ersatz für's Waschen gelten lassen." Er sah, wie Cathal die Augen verdrehte. "Für jemanden, der Stundenlang im Regen sitzen kann, bist du echt verdammt wasserscheu…“ Das würde er nie verstehen. Weder das eine, noch das andere… „Und was machen wir heute, wenn schon keine Passanten unterwegs sind?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern. Vermutlich würden sie irgendwo in einer heruntergekommenen Hinterhof-Kneipe wie dem Schwarzen Gockel landen. So wie immer, wenn sie nichts mit sich anzufangen wussten. "Erst mal abwarten. Vielleicht läuft uns ja doch noch jemand mit zuviel Geld über'n Weg..." Nicht, dass Cathal daran wirklich geglaubt hätte, aber man konnte ja bekanntlich nie wissen... Seine Schritte lenkten Delano die Hauptstrasse entlang, wobei er seinen Mantel nochmals höher ruckte, das Wetter sah nach Regen aus. Er mochte Regen und liebte den Geruch von nasser Erde, aber es würde seine Jagd doch sehr erschweren. Das waren für ihn nicht gerade die besten Aussichten. Er hatte seit fast einer Woche keine angemessene Mahlzeit mehr gehabt und sein Körper würde beginnen zu verfallen, wenn er nicht baldigst daran etwas ändern würde. Das hiess für ihn also: nicht wählerisch sein. Die ersten Tropfen berührten bereits den Boden, was Delano dazu brachte, seine Kapuze aufzusetzen und leicht ins Gesicht zu ziehen. Die Strassen leerten sich zudem zusehends, was seine Laune nicht gerade zu heben vermochte, er würde wohl in den Seitenstrassen weitersuchen müssen, in denen war die Jagd ohnehin leichter zu verbergen. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gesponnen, da lenkten seine Schritte ihn auch in die erstbeste Gasse, die von der Hauptstrasse abzweigte. Von drinnen war ein erneutes Seufzen von Robin zu hören. Die Jungs hatten eindeutig mehr Unordnung hinterlassen, als es sonst der Fall war. Aber jeder musste seine Aufgabe erfüllen, Cathal und Kai waren zwar Chaoten, aber immerhin sorgten die beiden dafür, dass alle, zumindest die meiste Zeit über, genug zu essen hatten, um über die Runden zu kommen. Und es war eben an Robin, für Ordnung, genähte Kleidung und Ruhe in der Familie zu sorgen. Tja ja, die Familie, wenn man diesen bunt zusammen gewürfelten Haufen denn so nennen mochte. Aber es kam Robins Vorstellungen bezüglich der Bedeutung dieses Wortes schon deutlich näher als es vorher, bei ihren Eltern, der Fall gewesen war. Der Gedanke ermutigte sie, sie wollte für die Jungs und Gwen da sein. Immerhin mussten sie zusammen halten, wenn alles so funktionieren sollte, wie bisher. Während Kai nach drinnen verschwand, um sich ein Hemd zu holen, sass Cathal noch immer auf dem morschen Mauerstück, das Gesicht noch immer dem Himmel zugewandt, scheinbar völlig in Gedanken versunken. In Tat und Wahrheit dachte er allerdings an nichts bestimmtes, genoss einfach nur die ersten Regentropfen auf seinem Gesicht, seinem blossen Oberkörper und seinen nackten Füssen. Bis ein Geräusch von der nahen Strasse ihn aufschrecken liess. Delano achtete nur wenig auf seine direkte Umgebung, so wirklich war ihm nicht nach Beute-Ausschau zumute. Wenn er erfolglos zurückkehren würde, beziehungsweise eines der Verstecke innerhalb der Stadtmauern anpeilen müsste, könnte er die Jagd auch auf morgen verschieben, wenn mehr auf den Strassen los wäre. Er seufzte und verlangsamte den Schritt etwas, taub für seine Umgebung, nur auf seine eigenen Gedanken und das leise Rauschen des Regens konzentriert. Der Blondschopf hatte seine Umgebung dafür umso genauer im Blick und als er den Fremden im Umhang an dem Hinterhof, in dem sich „ sein“ Hauseingang befand, vorbei gehen sah, oder vielmehr hörte, war seine Neugier geweckt. Der sah nicht aus, wie jemand, der hier her gehörte. „Hey Kai, mach hinne, Mann“, rief er seinen Freund leise, aber hörbar ungeduldig. Wenn sie hier noch lange rum sassen, war die vielleicht einzige Gelegenheit des Abends bald über alle Berge. „Sieht aus, als wären wir dann mal weg. Tschüss Robin, lass das Haus stehen!“, meinte Kai zu dem Mädchen und grinste sie kurz an, ehe er über den Schutthaufen vor dem Eingang kletterte. „Na endlich… Ich glaube, es gibt heute doch noch was zu tun“, meinte sein bester Freund kaum dass Kai recht draussen war, leise und nickte vage Richtung Strasse. Um ehrlich zu sein wäre ihm ein einigermassen gemütlicher Abend im Gockel sehr viel lieber gewesen. Das Lokal mochte versifft sein, aber das Dach war immerhin dicht, was seiner Attraktivität im Vergleich zu dem nassen Wetter, durch das sie die nächste Zeit schleichen würden, enorm zuträglich war. Es war ja nicht so, dass Kai nicht verstand, warum Cathal seine „Opfer“ zunächst eine Weile beobachtete, schliesslich liess sich so ganz gut heraus finden, in welchen Taschen sich etwas Brauchbares befand und wo nur Müll zu finden war, aber dennoch… Delano genoss derweil die kühle Luft und die Tatsache, dass der Regen die menschlichen Gerüche der Stadt weitestgehend dämpfte, schliesslich waren warme oder gar schwüle Nächte hier kaum auszuhalten, insofern man es wagte, durch die Nase zu atmen. Er hauchte einmal und lächelte leicht, sein Atem war so kalt, wie die Umgebung und dem entsprechend nicht zu sehen, aber bei dieser Witterung und der nächtlichen Dunkelheit fiel das ohnehin kaum auf, ausser sein Gegenüber wäre darauf hin geschult, Wesen der Nacht zu erkennen und zu entlarven. Er rechnete jedoch nicht damit, einer solchen Person zu begegnen, nicht bei diesem andauernden Regen. Es waren ohnehin kaum mehr Menschen auf den Strassen unterwegs, da machten diese Seitengassen keine Ausnahme. Nur aus diesem Grund fiel ihm nach einer ganzen Weile auf, dass man ihm folgte. Anfangs wollte er sich dem noch entziehen und selber zum Jäger werden, doch dann entschied er sich, in kindlicher Verspieltheit, jedoch dagegen und würde seine Verfolger weiterhin dulden. Schliesslich könnte es sich ja auch letzten Endes um appetitliche Happen handeln. Der Regen jedoch, machte es auch Delano schwerer genau zu erkennen, wie viele es waren, die seiner Spur folgten. Er vermutete zwei bis drei Personen, aber solange keine Waffe gegen ihn gerichtet wurde, würde er sogar mit vier bis fünf Gegnern zurecht kommen können, insofern diese keine richtigen Kampferfahrungen hatten. Er seufzte leise, liess seine menschliche Gesellschaft mal näher kommen und dann hängte er sie kurzweilig wieder ab. Dieses Katz- und Mausspiel würde er wohl eine ganze Weile durchhalten, denn er musste sich selber eingestehen, dass er neugierig auf seine Verfolger war und suchte eine Möglichkeit, sie genauer in Augenschein nehmen zu können. Er wusste, dass wenn er einen der Verfolger genauer unter die Lupe nehmen wollte, es nötig werden würde, die Gruppe zu trennen. Mit einem innerlichen Seufzen bewegte er sich dann zu einem Ort hin, wo die wenigsten des Nachts noch umherwandern wollen, oder es wagen. Er wollte es sich jedoch nicht nehmen lassen, dass ihm wenigstens einer seiner Schatten auch bis dorthin folgt und liess sich dazu hinreissen, dem einen zu faszinieren, eine unfaire Fähigkeit, mit der man normalerweise seine Beute gefügig machte, aber es war ja in diesem Fall durchaus zutreffend, dass es sich um eine Beute handelt. Er erreichte nach längerem Fussmarsch seinen Zielort, atmete tief durch und genoss den Geruch von feuchter, frisch aufgewühlter Erde, es hatte wohl erst kürzlich eine Beerdigung gegeben. Ihm nur recht, er liebte diesen Geruch. Schon vor einiger Zeit war Kai der Gedanke gekommen, dass es kaum einen Zweck hatte, den Unbekannten noch länger zu verfolgen, und das lag nicht nur daran, dass er nass bis auf die Knochen war. Doch als besagter Fremder schliesslich auf den Friedhof einbog und Cathal auch noch Anstalten machte, ihn im gebührendem Abstand zu folgen reichte es ihm wirklich. "Vergiss es, keine zehn Pferde bringen mich nachts auf den Friedhof!", meinte er, als er Cathal am Arm zurück hielt. Dieser verdrehte die Augen. Als ob ein Friedhof so dermassen schrecklich wäre. Nichts als ein paar Steine und ‘ne Menge Erde, vielleicht hier und da ein welkes Blümchen, mehr war da nicht... Aber sein bester Freund war abergläubisch wie die Nacht finster. "Jetzt schieb keine Panik, is doch alles halb so wild...", versuchte er ihn halbwegs zu beruhigen. "Halb so wild?" Kai musste sich beherrschen, nicht laut auf zu lachen. "Es is gefährlich nachts auf nen verdammten Friedhof zu gehen, das weisst du doch. Du könntest die Toten wecken, so dass sie aus ihren Gräbern steigen! Und auf dem Friedhof haben die Toten die Macht über die Lebenden!", erklärte er dann ernst. Gwendolyna hatte ihm davon erzählt und als Zigeunerin und Hellseherin musste sie es schliesslich wissen. Cathal jedoch gab sich unbeeindruckt. "Ja, ja, schon klar... Trotzdem will ich wissen, was der Kerl da mitten in der Nacht zu schaffen hat. Du kannst ja hier warten." Damit liess er seinen Freund stehen, schlüpfte durch das schmiedeeiserne Tor des Friedhofs und huschte in den Schatten einiger naher Bäume um sein "Opfer", welches sich seinem Blick mittlerweile entzogen hatte, erneut ins Auge zu fassen. Leise bewegte Delano sich hinter einen alten Lebensbaum, welcher wohl auch schon bessere Zeiten gesehen hatte und lauschte den leisen Stimmen seiner Verfolger. Er konnte zwar nicht verstehen, worum ihre Unterhaltung ging, es schien jedoch eine kleine Diskussion zu sein, was er aus der schnellen Abfolge von Worten entnahm. Er lächelte leicht und wich noch weiter hinter den Baum zurück, ehe er seine Gestalt für das menschliche Auge auflöste und nur noch als ein Schatten in die Dunkelheit gepresst verweilte. Er genoss es richtig, diesen Menschen überlegen zu sein, auch wenn er immer wieder seine Meinung kund tat, dass solche Methoden doch unsportlich wären und er sie nicht nötig habe, aber mittlerweile ging es ihm nicht mehr um die Mahlzeit, die sich da bot, sondern um ein Spiel, was er mit allen Mitteln zu gewinnen suchte. Er wartete bis sich sein Opfer weiter auf diesen Ort der Ruhe wagte um sich hinter dieses zu bewegen und seine Gestalt, insofern beide alleine waren, wieder massiv und sichtbar werden zu lassen. Erneut musste er innerlich lächeln, sein Verfolger war noch recht jung und von ansehnlicher Gestalt, es erschien Delano nun eine gute Entscheidung gewesen zu sein, das Ganze von einer Jagd zu einem Spiel werden zu lassen. Er näherte sich dem jungen Mann leise, für einen Menschen nicht wahrzunehmen, ehe er das Wort an ihn richtete. "Ein schöne Nacht, nicht wahr?" Einen Moment lang glaubte Cathal, sein Herz würde stehen bleiben, als er unvermittelt und noch dazu von hinten angesprochen wurde, allerdings schnellte sein Puls lediglich schlagartig in ungeahnte Höhen, so dass ihm ein allzu frühzeitiger Tod gnädiger weise erspart blieb. Instinktiv fuhr er herum und machte fast sofort darauf einen ebenso instinktiven Schritt zurück, als er sein vermeintliches Opfer vor sich sah. Wo zum Teufel kam der Kerl auf einmal her? Er versuchte, seinen rasenden Herzschlag und seinen gleichermassen beschleunigten Atem unter Kontrolle zu bringen, in der Hoffnung, wenigstens einen klaren Gedanken fassen zu können. Wie er sich ehrlich eingestehen musste, bekam er es doch etwas mit der Angst zu tun, wusste nicht, wie er auf das unvermittelte Auftauchen des Unbekannten reagieren sollte. Der lächelte sein Gegenüber mit geschlossenen Lippen an, suchte dessen Blick und versuchte so normal zu erscheinen, wie es ihm in seiner teuren aber immerhin schlichten Gewandung möglich war. Er machte einen Schritt auf Cathal zu, das Lächeln beibehaltend. Delano konnte den Herzschlag seines Gegenübers förmlich hören und genoss dieses Überraschungsmoment aus ganzer Seele. Unbewusst schwenkten seine Gedanken hin zu einem der Bücher, die er letzten Winter gelesen hatte. Ein Buch, in dem es um das romantische aufeinandertreffen einer holden Maid und eines finsteren Vampirs ging. Die ganze Szenerie erinnerte ihn daran, der Regen, der erschrockene Mensch, welcher ohne es zu wissen, einem gefährlichen Raubtier gegenüberstand. Delanos Erinnerungen wurden dann jedoch dadurch getrübt, dass er solche Momente bereits mehr als nur einmal erlebt hatte und keiner war erfüllend gewesen. Ob er sich hinreissen lassen sollte, es erneut auf [ietwas mehr ankommen zu lassen? Sein Gegenüber gefiel ihm und wenn er es nicht versuchte, so würde er wohl nie finden, wonach sein Herz so sehr begehrte. "Ich sagte, eine schöne Nacht, nicht wahr?" Cathal zwang sich innerlich zur Ruhe. Vermutlich hatte er den Fremden wegen seines dunklen Umhangs im Schattend er Bäume einfach nicht bemerkt, als er sich gerade diesen Ort als Aussichtspunkt gewählt hatte. Zu dumm aber auch... "Wenn man auf Regen steht, ja...", antwortete er endlich und seine Stimme klang längst n icht so sicher, wie er eigentlich wollte. Der Fremde nickte leicht auf Cathals Anmerkung hin. Liess den Blick kurz über die Gräber, Bäume und Statuen wandern, welche vom Regen benetzt waren und seufzte leise. "Ich liebe Regen, es ist... als ob die Welt gereinigt wird, die Erde beginnt zu leben, sie duftet. Pflanzen beginnen zu wachsen und Tiere haben zu Trinken." Seine Stimme klang ein wenig abwesend, hatte er doch leicht zu träumen begonnen. Bisher erschien ihm alles richtig, beinahe perfekt. Er sah dann wieder zu Cathal, erneut das Lächeln formend. "Du bist mir doch nicht zufällig gefolgt, oder?" Bei diesen Worten wurde sein Blick ein wenig tadelnd, aber auch herausfordernd. Er wollte zu gerne wissen, wie sein Gegenüber reagiert, wenn es erkennt, dass es nicht unbemerkt geblieben war. Zunächst musterte Cathal ihn skeptisch, versuchte, unter der dunklen Kaputze etwas zu erkennen, während er den Worten den Fremden lauschte. Er musste sich allerdings bemühen, nicht die Augen zu verdrehen. Bei aller Liebe zum Regen, man konnte es mit der Lobpreisung desselben auch übertreiben... Die nächsten Worte seines Gegenübers liessen ihn allerdings stutzen. Er war also bemerkt worden. Dann war es vermutlich alles andere als ein Zufall, dass er nun allein mit einem Fremden auf einem verlassenen Friedhof stand. Mit Schrecken stellte er fest, dass er die Position des Jägers, wenn überhaupt, nur kurzzeitig inne gehabt hatte. Eine äusserst beunruhigende Erkenntnis. Dennoch versuchte, er sich kühl zu geben. "Und wenn schon. Wem ich aus welchen Gründen folge ist meine Sache...", antwortete er vorlaut und wandte sein Gesicht von dem seines Gegenübers ab. Eine unfreundliche Haltung, mit der Delano nicht gerechnet hatte. Sein Lächeln erstarb entsprechend, was sehr deutlich machte, dass es sich dabei ohnehin nur um eine eingeübte Maskerade gehandelt haben musste. "Insofern ich der Verfolgte bin, geht es mich sehr wohl etwas an." Die zuvor noch so sanfte, verträumte und ruhige Stimme war nun eher ein schneidendes Schwert, welches mit Sicherheit auch zu verletzen wusste. Ohne sich noch weiter zu äussern umrundete er Cathal schnellen Schrittes und schnitt ihm so den Weg zum Friedhofstor ab. Er musterte nun sein Gegenüber präzise und berechnend, beinahe tadelnd. Er seufzte dann, das war eindeutig nicht, wie in den Büchern beschrieben, sollte es wieder nur ein Wunschdenken von Delano gewesen sein, dass es dieses Mal anders werden würde? Nun, es war anders, die Abweisung und die Unhöflichen Gebaren waren dieses Mal schneller gekommen, als erwartet. Cathal schreckte ob des plötzlich veränderten Tonfalls unwillkürlich zurück und wurde sich schmerzlich bewusst, einen -möglicherweise fatalen - Fehler begangen zu haben. Hätte er nur auf Kai gehört... Dennoch erwiderte Delanos berechnenden, tadelnden Blick mit purem Trotz. Er dachte nicht daran, vor irgendwem zu kuschen. "Als ob einer wie du meine Beweggründe überhaupt verstehen würde...", murmelte er mehr zu sich selbst. "Beweggründe, nun wir alle haben Gründe für unsere Taten... daher wirst du jetzt meine bestimmt verstehen..." Delano zog unter seinem Umhang ein Schwert hervor und hielt die Klinge in Cathals Richtung. Sein Blick war finster und seine gesamte Haltung machte mehr als nur deutlich, dass er mit der Waffe umzugehen wusste. "Und nun, werden wir beiden zusammen einen Spaziergang machen, ausser du willst, dass ich… andere Massnahmen ergreife." Delanos Tonfall behielt das Schneidende bei, was durch die glänzende Klinge nur noch an Gewalt gewonnen hatte. Er würde sein gegenüber jetzt einfach mitnehmen, sollte er schreien oder sich gar wehren wollen, würde er ihn betäuben können, aber noch wollte er diesen Schritt umgehen, solange es möglich war. Ihm gefiel das Äussere des Burschen, der vor ihm stand und wenn dieser schon nicht als Gesellschaft dienen konnte, so wäre er doch eine reizende Mahlzeit für ihn und seine Schwester. Besagter Bursche war drauf und dran, in einem Anflug von ungesund-dummer Furchtlosigkeit, Widerworte zu geben, besann sich dann aber eines Besseren und nickte gehorsam. Vorerst würde er wohl nicht viel mehr tun können... Innerlich erfreut darüber, dass es doch nicht zu Handgreiflichkeiten kommt, lenkte Delano Cathal in die Deckung des alten Lebensbaumes. Nach aussen hin behielt er die kalte Fassade aufrecht, die er gezeigt hatte, als er das Schwert demonstrierte. Er rang jedoch in seinen Gedanken mit sich selbst, ob es wirklich klug wäre, den Kerl so mitzunehmen, oder ob er ihn vielleicht doch lieber ins Land der Träume schicken sollte. Er wog das Für und Wider beider Positionen ab und entschied sich für das Letztere. Ein Schritt nach vorne, ein Schlag in den Nacken und ein fester Biss hatten diesbezüglich noch nie ihr Ziel verfehlt. Delano festigte dann die Betäubung noch indem er seine, über die Jahrzenten erlernten, vampirischen Gaben nutzte, damit Cathal in einen langen, tiefen Schlaf verfiel. Er würde erst im Schloss wieder erwachen. Kapitel 1 -Ende- Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Vielen Dank an alle anonymen und bekannten Leser und Kommentatoren :D Wir freuen uns sehr. Charlotte sass auf der Bettkante und strich mit ihren kühlen Fingern über die Stirn des jungen Mannes, welcher neben ihr im Bett lag. Ihr Bruder Delano hatte anfangs davon gesprochen, dass er ihr etwas gebracht hätte, widersprach sich dann und meinte, dass er etwas für sich selbst mitgebracht habe und hatte sich dann, an sich selbst verzweifelnd in sein Zimmer zurückgezogen. Nun war es an ihr sich um den noch im Reich der Träume Verweilenden zu versorgen. Noch immer wanderten ihre Finger vorsichtig über Cathals Stirn, betasteten dessen Haarspitzen, die ihm ins Gesicht hingen und zogen dann die Decke bis hin zu seiner Nasenspritze. Ihr war gewahr, dass der Junge jederzeit erwachen konnte, aber sie hatte vor einiges zu erklären, denn den Bedarf nach Erklärungen würde das arme Opfer von Delanos Launen sicher haben. Cathal musste sich regelrecht zwingen, die Augen zu öffnen, dem sanften, warmen Dunkel, das ihn so plötzlich umfangen hatte, wieder zu entfliehen, als er die sanfte, fast fürsorgliche Berührung registrierte. Zunächst nahm er seine Umgebung nur verschwommen wahr, aber ihm war ziemlich rasch klar, dass er ganz bestimmt nicht zuhause war. "Wo zum Teufel bin ich?", murmelte er noch schlaftrunken ohne zu registrieren, dass er nicht allein war. Was um Himmels Willen ging hier vor? "In Sicherheit, das muss dir derweil als Antwort genügen", sagte eine sanfte Stimme zu ihm, die beinahe melodiös klang. Er zuckte zurück, als er sich ihrer Anwesenheit gewahr wurde. Wieder wanderten ihre Finger hin zu seiner Stirn, strichen über diese und führen langsam über seine Wange hinab zu seinem Hals, wobei sie die Decke mit sich zogen. Sie betrachtete die beiden blutig roten Male, die Delanos „Kuss“ dort hinterlassen hatten und wieder entrann ihr ein Seufzen. Ihr Bruder hatte es mal wieder geschafft sie vollends zu verwirren, wahrscheinlich hatte er sogar bei sich selber damit Erfolg gehabt. Nun war es also wieder an ihr, dafür Sorge zu tragen, dass alles den, ihres Erachtens nach, richtigen Gang nahm. Sie liess den Blick wieder zu seinem Gesicht wandern, welcher dann darauf verhaften blieb. "Wie ist dein Name?" Ihr wollte in diesem Augenblick einfach nichts Besseres einfallen und sie kam sich komisch vor, als sie diese doch so belanglose Frage stellte. „Cathal... Ich heisse Cathal...", antwortete er leise auf ihre Frage, zu verwirrt um die ganze Situation, die Geschehnisse dieser Nacht noch ernsthaft hinterfragen zu können. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?" Sie räusperte sich leise, überlegte kurz ihren ganzen Titel zu nennen, unterliess es jedoch. "Ich heisse Charlotte, es ist mir eine Ehre... Cathal." Sie lächelte ihn mütterlich an, so wie sie es immer bei Delano tat. Diesen vermochte sie immerhin auf diese Weise zu beruhigen, egal wie aufgebracht, verletzt oder verzweifelt ihr jüngerer Bruder auch war. Sie stand langsam vom schweren Stoff des Himmelbettes auf, löste den nicht minderschweren Samtvorhand und zog diesen langsam zu. "Ihr solltet schlafen, Verehrtester... Ihr hattet gewiss eine wenig erfreuliche Nacht." Einen kleinen Spalt liess sie den Vorhang geöffnet und entfernte sich langsam hin zu Tür. Einen Moment lang Cathal einfach nur perplex da, dann setzte er sich endlich auf. "Hey! Warte doch mal! Was zum Geier ist eigentlich passiert?", rief er ihr nach. Sie blieb stehen, wand den Blick zu ihm um und zögerte eine Weile ehe sie das Wort ergriff. "Ich bin nicht sicher, was passiert ist, ich weiss nur, dass mein Bruder euch hierher gebracht hat. Ihr wart ohne Bewusstsein, so habe ich veranlasst, dass ihr hier verweilt und euch erholt." Sie drehte sich dann in Gänze zu ihm um, noch immer der sanfte und mütterliche Blick, obwohl er recht freudlos wirkte. Sie verharrte so, den Blick auf ihn gerichtet und wartete, ob er noch weiteres Begehr für diesen Augenblick hatte. Cathal jedoch schüttelte leicht den Kopf und stütze dann seine Stirn auf seiner Handfläche ab. Seine kleine Welt geriet hier gerade ordentlich aus den Fugen... "Danke für die Gastfreundschaft", murmelte er nach einem Moment müde, "aber ich habe nicht vor, hier zu verweilen..." Er hatte keinen blassen Schimmer wie spät oder besser früh es bereits wahr. Sicher würden sich die anderen Sorgen um ihn machen, wenn er nicht bald nach Hause kam... Sie seufzte leise, immerhin würde er schon sehr bald merken, dass er nicht einfach wieder gehen können würde. Delano würde es ihr nicht verzeihen, wenn sie ihn aus Mitgefühl freilassen würde. Sie kannte ihren Bruder diesbezüglich schon zu gut. Sie wand sich wieder der Tür zu, öffnete diese, verliess den Raum und schloss ab. Erneut seufzte sie, lehnte die Stirn gegen das kalte Holz und fühlte sich nicht wohl dabei. Sie war einfach nie das kalte, herzlose Monster gewesen, das ohne Reue töten konnte, so wie man es Ihresgleichen immer nachsagte. So war keiner von denen, die sie kannte, erst recht nicht ihr Bruder. Aber Cathal erinnerte sie an einen ihrer Urenkel und das machte die Sache nicht gerade leicht. Ihre Gestalt löste sich auf, ein sanfter Nebelschleier schlich die Gänge entlang, hin zu einer wohl verschlossenen, grossen Tür. Es war Delanos Zimmer, welches sich auf der anderen Seite verbarg, sie konnte regelrecht fühlen, wie er in sich zerrissen war. Sanft strich ihre nebelige Gestalt über das Holz und entschwand in ihre eigenen Räumlichkeiten, der Tag würde bald anbrechen. Als Cathal hörte, wie der Schlüssel gedreht wurde, kletterte er aus dem Bett. Da die Tür keinen Millimeter weichen wollte, wandte er sich dem Fenster zu, musste jedoch feststellen, dass es vergittert war. Von wegen in Sicherheit... Ein Gefangener war er, nicht mehr und nicht weniger. Und vermutlich würde er seine Freunde nie mehr wieder sehen... Der Gedanke schnürte ihm die Luft ab, als er sich zurück auf's Bett warf. Mit einem Mal beschlich ihn ein Gefühl von Kälte und er merkte kaum, wie die ersten Tränen seit Jahren über seine Wangen rannen, als er über die Narbe in seiner rechten Handfläche strich. Er hätte wirklich auf Kai hören sollen. Dann sässe er jetzt nicht hier wie der sprichwörtliche Vogel im goldenen Käfig. Ob seine Freunde ihn wohl schon suchten? Bestimmt... Kai würde alles daran setzen um ihn, seinen Blutsbruder, zu finden. Aber was sollte er schon tun können, wenn Kai ihn tatsächlich fand? Robin war sicher schon ganz krank vor Sorge... Sie machte sich ohnehin zu viele davon. Unwillkürlich rollte er sich so klein wie möglich zusammen. Ihm war schlecht, ein erneuter Weinkrampf liess seinen schmächtigen Körper erzittern. Sicher gab der Anführer der Bande gerade kein sonderlich stolzes Bild ab, wie er heulend auf diesem Bett lag und einfach nur nach Hause wollte. Er biss sich auf die Unterlippe, in der Hoffnung, wenigstens die Weinkrämpfe unterdrücken zu können, doch das einzige, was es brachte, war, dass er kurze Zeit später sein eigenes Blut schmeckte. Robin seufzte und schaute immer wieder zum Eingang des Verstecks. Die beiden Jungs waren schon zu lange unterwegs und der Regen half ihr nicht gerade sich zu beruhigen, eher im Gegenteil. Sie fürchtete nicht nur um die körperliche Unversehrtheit von Kai und Cathal, sondern auch um ihre Gesundheit. Der Regen nahm sogar noch an Intensität weiter zu und nun hielt es auch Robin nicht mehr unterhalb des schützenden Daches. Sie stand auf, griff ihren alten Umhang, welcher wenigstens ein bisschen Regen von ihr fernhalten würde und ging nach draussen auf die Strasse. Sie liess den Blick sorgenvoll umherwandern und ging dann nach einer Weile die Gasse entlang, in der Hoffnung wenigstens einen dieser verdammten Streuner zu finden. Ihre Füsse lenkten sie alle möglichen Seitenstrassen, kleinere Gassen und Wege, von denen Kai und Cathal ihr erzählt hatten, dass sie dort auf ihre Beute lauern würden. Ihre Besorgnis wuchs mit jeder Minute und sie rief immer wieder die Namen ihrer beiden Freunde. Langsam bemächtigte sich Furcht ihrer Gefühle, sie bekam einen Kloss im Hals und das Rufen wurde tränenerstickt. Nach einer ganzen Weile, die ihr ohnehin bereits wie eine Ewigkeit vorgekommen war, erreichte sie das nördliche Stadttor, lauschte kurz den Gesprächen der Wachen und erfuhr auf diese Weise, dass ein Mann, welcher zu Pferd in die Stadt gekommen war, mit einem jungen Burschen, dessen Beschreibung auf Cathal zutraf, hastig fortgeritten sei. Robins Herz verkrampfte sich. Das musste ein Zufall sein! Es musste einfach! Kai hatte sich indes, getrieben von der Sorge um seinen besten Freund, doch dazu überwinden können den nächtlichen Friedhof zu betreten. Während er anfangs noch das Wort "Entschuldigung" wie ein Mantra dahin gemurmelt hatte - nur für den Fall der Fälle, dass er gerade unbeabsichtigt irgendwelche Totenruhen störte - war er mittlerweile sogar dazu übergegangen, lautstark nach seinem Freund zu rufen. "CAL! Verdammt, wo bist du? Das ist echt kein Stück witzig, Mann!" Doch sein Ruf verhallte ganz offensichtlich ungehört. Was war hier bloss passiert? Es wurde bereits langsam heller, als Kai sich eingestand, dass er Cal nicht finden würde und den Friedhof verliess. Er konnte nicht glauben, dass Cal einfach so verschwunden war, das konnte nicht sein. Sicher war der Idiot längst zuhause und lachte sich ins Fäustchen, weil er ihn hatte erschrecken können. Ja, ganz bestimmt... Dass sie Kai und Cathal nicht zuhause antraf, war nichts Neues für Gwendolyna, die spät in der Nacht zurück gekehrt war, doch dass auch Robin nicht zugegen war, beunruhigte sie. Robin war keine Streunerin wie Kai und Cathal, sie war eigentlich immer zuhause, hielt das Haus in Ordnung, kümmerte sich um alles... Was konnte vorgefallen sein, dass sie die schützenden Mauern ihres Heims verliess? Gwendolyna setzte sich auf den Boden und zog einen Stapel alter, abgegriffener Tarotkarten aus einer ihrer Taschen hervor. Vielleicht würde ihr ja wenigstens Rat aus der spirituellen Welt zuteilwerden. Sorgsam legte sie die Karten verdeckt in einem Halbkreis aus und bat die Geister um sie herum, ihr einen klaren Blick zu verschaffen. Mit geschlossenen Augen strich sie zärtlich über die Karten. Wenn sie die richtige gefunden hatte, würde sie es wissen. Da war sie. Das Rad des Schicksals. Ein Zeichen für eine grosse Veränderung, auf die sie keinen Einfluss haben würde... Aber das brachte sie nicht weiter. Erneut liess sie ihre Finger über die Karten streichen, doch das Gefühl, die richtige Karte, die Antwort gefunden zu haben, blieb aus. Ihr blieb wohl oder übel nichts anderes übrig als auf die anderen zu warten. Alles würde sich klären, davon war sie überzeugt. Noch immer hatten Robins Schritte nicht an Geschwindigkeit verloren, im Gegenteil. Nun, da sie Informationen hatten, die mehr als nur beunruhigend waren, rannte sie beinahe panisch in die Richtung ihres Versteckes. Sie nahm dabei keine Rücksicht darauf, wer ihr alles begegnen mochte, doch sie musste wissen, ob Kai vielleicht nach Hause zurückgekommen war und mehr wusste. Die Gedanken rasten in ihrem Kopf und ihr Atem ging mittlerweile schwer, laut und jeder Atemzug wurde von einem unangenehmen Stechen begleitet, dennoch nahm ihr Tempo nicht ab, bis sie in eine Person hineinlief. "Entschuldigung, ich hatte Euch nicht gesehen!" Sie rang nach Atem und schaut furchtsam denjenigen an, in den sie rein gerannt war. Es war... "KAI! Wo ist Cathal! Sag mir bitte, dass er hier irgendwo bei dir ist!" "Robin..." Einen Moment lang brachte Kai nicht weiteres über seine Lippen. Cal war also wohl doch nicht zuhause. Seine Schultern bebten, als er sich unvermittelt an seine Freundin klammerte. "Ich weiss es nicht... Ich weiss nicht, wo er ist...", murmelte er den Tränen nahe. Tränenerstickt und noch immer ausser Atem erzählte sie ihm in einer kurzen Zusammenfassung, was ihr am Nordtor zu Ohren gekommen war, während sie immer wieder unwirsch über ihr Gesicht wischte. Sie war mit den Nerven am Ende, ihr ungutes Gefühl hatte sich bestätigt, sie hatte es doch schon immer geahnt. Irgendwann würde Cathal sich bei seinem Leichtsinn die Finger verbrennen und an die falsche Beute geraten. Sie hatte es den beiden immer schon vorausgesagt und auf sie eingeredet. Doch Cathal hatte sie ja immer zu beruhigen gewusst und seine Argumente hervorgebracht, dass sie das Essen und Geld ja brauchen würden. Er hatte ja recht gehabt, aber das war in diesem Augenblick in keinster Weise ein Trost, eher im Gegenteil, es machte die ganze Situation nur noch bitterer. Sie weinte unkontrolliert und schluchzte ebenso, nicht mehr im Stande alleine auf die Füsse zu kommen. Gwendolyna blickte auf, als sie ein Geräusch vor der Tür vernahm. Leise vernahm sie Kais Stimme, der auf jemanden, vermutlich Cathal, einredete. Es waren Worte, die beruhigen sollten, doch ihr Klang war nicht beruhigend. Ausserdem... Seit wann musste man Cathal beruhigen? Ihn musste man allerhöchstens bremsen, aber nicht beruhigen. Einen Moment später erschien Robins magerer Körper in der Tür, gefolgt von Kai und Gwendolyna erkannte, dass es eben doch nicht Cathal gewesen war, den Kai zu beruhigen versucht hatte. "Was ist passiert?", wollte sie besorgt wissen. Robin wimmerte noch immer vor sich hin und schluchzte unkontrolliert, doch für Tränen war bereits nicht mehr genug in ihren Augen übrig. Sie zitterte und das nicht wegen der Kälte der durchnässten Kleidung und des aufgekommen Windes. Sie hielt sich beinahe verzweifelt an Kai fest und sah Gwen kaum durch die geröteten Augen. Sie wollte sich erst einmal setzen. Einfach sitzen und nicht mehr zittern. Sie wollte, so kindisch es auch war, dass Cathal sofort da war und sich lachend entschuldigte, dass alles nur ein Scherz gewesen wäre. Sie kaute sich leicht auf der Unterlippe rum und langsam gingen die Schluchzer zu einem regelmässigeren, wenn auch schwerem Atmen über. Sie sah Gwen noch immer nicht an, rang mit sich, wie sie es sagen sollte. Sie musste es kurz halten, denn sie ahnte, dass sie sonst der Mut verlieren würde und sie wieder zu weinen beginnen würde. "Cathal, er ist... er ist entführt worden!" Wie sie geahnt hatte liefen ihr wieder die Tränen und sie wimmerte leise. Blind mit der linken Hand nach Kai tastend, sie wollte irgendjemanden haben, der sie in den Arm nahm. Kai kam der stummen Aufforderung sofort nach. "Ich hätte ihn aufhalten sollen... Ich hätte ihn davon abhalten sollen, dem Kerl weiter nach zu laufen...", murmelte er mit einem wütenden Unterton, der untypisch für den sonst so stillen, ruhigen Jugendlichen war. "Entführt...", wiederholte Gwendolyna währenddessen leise und legte den Kopf schief, so dass ihre langen, rabenschwarzen Locken über ihre Schultern fielen. "Entführt von wem?" Sorgenvoll dachte sie an die Karte, die sie gezogen hatte. Was hatte dieser Dummkopf da bloss losgetreten? "Wenn wir das wüssten, wären wir schlauer...", antwortete Kai und erzählte Gwen, was geschehen war. Zumindest das, was er wusste. Es war seine Schuld. Er wusste doch, wie neugierig Cal sein konnte und Neugier war schliesslich der Katze Tod, also warum zum Teufel hatte er ihn nicht aufgehalten? "Was sollen wir denn nur tun? Wir können Cathal doch nicht einfach irgend so nem Kerl überlassen!" Robin hob den Blick zu den beiden anderen und sah sie mit ihren geröteten Augen verzweifelt an. Sie war mit der ganzen Sache mehr als nur überfordert. Sie war einfach nicht der Kopf der Gruppe, sondern immer die Person, zu der alle kamen, wenn sie Sorgen hatten. Sie war für den Zusammenhalt und die Ordnung des Hausrates verantwortlich, aber nicht für das Planen von Rettungsaktionen. Schliesslich wusste keiner, wer der Entführer war, oder wohin er Cathal gebracht hatte. Der einzige mögliche Anhaltspunkt, der ihr einfiel, war das Nordtor. Die diensthabenden Wachen hatten schliesslich beide gesehen und eventuell gab es ja auch noch auf dem Friedhof irgendwelche Spuren, die auf den Entführer Rückschlüsse zuliessen. Kaum dass sie diese Überlegung zu Ende geführt hatte, liess sie die beiden anderen ebenfalls daran teilhaben. "Wir müssen uns aber beeilen, wenn wir etwas an Spuren finden wollen, der Regen wäscht sonst alles weg!" Sie drückte Kais Hand, fest mit ihrer umschlossen und sah zu ihm auf. Er musste wohl die Rolle des Anführers übernehmen, solange Cathal fort war. "Robin..." Er drückte ihre Hand sanft zurück. "Ich war doch schon auf dem Friedhof... Da gibt es nichts, was uns weiter helfen könnte..." Er hatte es verkackt, so sah's aus. Gwendolyna legte Kai eine Hand auf die Schulter. "Ist nicht dein Schuld", sagte sie leise. Kaum jemand vermochte, dem Rad des Schicksals ernsthaft entgegen zu wirken. Dass es auf dem Friedhof nichts gab, dass ihnen weiter helfen konnte, bezweifelte sie jedoch. Der Friedhof verfügte über mehr Augen und Ohren als jeder andere Ort der Stadt. Sie mochten tot sein, aber das hiess nicht, dass sie weder hörten noch sahen. Und Gwendolyna wusste, was sie tun musste um von eben diesen Augen und Ohren zu erfahren, was wirklich geschehen war. "Dann müssen wir eben zu der Wache am Nordtor... die haben beide gesehen und könnten den Entführer beschreiben, oder wenigstens dessen Pferd und wohin, in welche Richtung sie geritten sind", versuchte Robin es erneut. Sie sah Kai verzweifelt und flehend an. Irgendetwas mussten sie doch tun, sie konnten doch nicht einfach herumsitzen und Däumchen drehen während Cathal eventuell in Lebensgefahr war. "Die Wachen am Nordtor? Robin, die sperren uns höchstens ein", warf Kai ein. Am Ende landete Gwen auf dem Scheiterhaufen wie ihre Eltern und er selbst, der mit seinen zarten zwanzig Jahren bereits als vogelfrei galt, in einer Kerkerzelle. Und Robin? Wenn sie Glück hatte, würde sie frei kommen, immerhin hatte sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Wenn sie allerdings Pech hatte, würde man sie zu ihrem Vater zurück bringen, diesem Schläger und Säufer... Nein, die Stadtwache zu fragen kam nicht in Frage, völlig ausgeschlossen... Robin wusste sich einfach keinen Rat mehr. Kai hatte natürlich recht aber in ihrer Verzweiflung würde sie alle Schritte versuchen, schliesslich ging es um ein Familienmitglied. Sie schloss die Augen und versuchte nochmals alle weiteren Möglichkeiten, die ihr in den Sinn kommen mochten, abzuwägen, doch sie blieb ohne den erhofften Geistesblitz. Sie öffnete wieder die Augen und sah Gwendolyna flehend an. Auch wenn Kai ein abergläubischer Bursche war und das zu Recht, in Anbetracht der Tatsache, dass es wirklich Geister und dämonische Wesen gab, aber Gwen hatte gute Fähigkeiten, die über das natürliche Mass einen Menschen hinaus gingen. Nun, da sich Robin keine andere Lösung mehr gewahr werden konnte legte sie stillschweigend ihre Hoffnung in eben diese Gaben. Kapitel 2 - Ende - Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Der Tag verging und die letzten Sonnenstrahlen erhellten Cathals Zimmer nur noch spärlich. Als die Sonne dann in Gänze hinter der Bergkette verschwand klopfte es, nur wenige Herzschläge später, an der Zimmertür. "Darf ich reinkommen?", erklang die sanfte Stimme Charlottes dumpf durch das dicke Holz. Sie wartete ab, ob er es ihr gestattete oder sich verweigerte. Obgleich er hier festgesetzt worden war, wollte Charlotte doch in keinster Weise unnötige Unhöflichkeiten angedeihen lassen. Es war eben nicht ihre Art sich wie ein primitives Monster zu gebaren und würde auch heute Nacht nicht damit anfangen. Cathal allerdings antwortete überhaupt nicht. Nicht etwa aus schlichter Verweigerung, sondern viel mehr, weil er weder das Klopfen noch Charlottes Frage hörte. Erst am frühen Nachmittag hatte die Erschöpfung über seine Aufgewühltheit und einen kurzen Anflug von blindem Jähzorn, bei dem die porzellanene Waschschüssel unangenehme Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte und in tausend Teile zersprungen war, gesiegt und er war, neben dem Bett sitzend in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Sie wiederholte ihr Klopfen, doch als auch dieses unbeantwortet blieb seufzte sie und wand sich von der Tür ab. Sie wusste nicht genau wieso sie ging um ihren jüngeren Bruder zu holen, aber es war immerhin Delano gewesen, der den Menschen angeschleppt hatte. Charlotte war daher der Ansicht, dass sich dieser dann auch um den Gast zu kümmern hätte. Delano musste wohl auf den selben Gedanken gekommen sein, denn kaum dass sie in den Gang einbog, der zu seinem Zimmer führte, kam er ihr auch schon entgegen. "Er redet nicht. Und er ist dein Gast. Geh du zu ihm", sagte sie leise und erhielt ein Nicken als Antwort. Charlotte hatte recht. Es war an ihm, sich um den jungen Mann zu kümmern. Sie sah noch zu, wie Delano sich zu Cathals Zimmer hin entfernte und seufzte dann etwas. Hoffentlich würde Delano die ganze Sache nicht noch verschlimmern… Dieser wurde sich, vor Cathals Zimmer, gerade etwas zu spät gewahr, dass er den Schlüssel nicht von seiner Schwester ausgehändigt bekommen hatte. Nun, er hatte mehr als genug Möglichkeiten auch in einen verschlossenen Raum zu gelangen. Er löste seine Gestalt auf und schwebte als feiner Nebel in den Raum hinein, wo er sich dann wieder manifestierte. Er sah sich kurz um und entdeckte dann den schlafenden Cathal neben dem Bett. Er setzte sich leise und vorsichtig auf die Bettkannte und sah dem Schlafenden schweigend zu. Er würde warten, bis Cathal von alleine erwacht, Menschen brauchten immerhin ihren Schlaf. Es dauerte eine Weile, bis Cathal die Augen aufschlug und, nach seinem all-"morgendlichen" Moment der Orientierungslosigkeit, einen leisen, aber dafür umso wüsteren Fluch ausstiess. Als er dann auch noch Delano auf der Bettkante sitzen sah, war seine Laune endgültig im Eimer, ohne dass sie jemals die Chance gehabt hätte, sich irgendwie zu bessern. Auf den Typen hatte er echt keinen Bock. "Was zum Teufel willst du?", wollte er gereizt wissen. Trotz der wenig reizenden Begrüssung behielt Delano ein Lächeln bei. Es war ihm nur allzu bewusst, dass der junge Mann vor ihm von der ganzen Situation wenig begeistert sein musste, aber er würde sich noch daran gewöhnen. Beziehungsweise, er musste es. Delano würde ihm keine andere Wahl lassen. "Ich wollte mich nur nach eurem Befinden erkundigen und fragen, ob ihr Speis und Trank wünscht" Noch immer lächelte er, doch in diesem Augenblick hatte er wenig Hemmung, seine Zähne dabei zu zeigen, wenn auch dezent. Er legte den Kopf etwas schief, lehnte sich zurück, zog die Schuhe aus und fläzte sich selbstgefällig auf das Bett. "Ich nehme aber an, dass ihr nichts der Gleichen wollt, oder?" Da Cathal schon die Speisen, welche auf einem Tisch neben dem Bett bereitstanden, nicht angerührt hatte, hatte Delano mit dieser Vermutung nicht ganz unrecht. "Nach meinem Befinden?", wiederholte Cathal finster. "Wie würdest du dich denn fühlen, wenn man dich grundlos einsperren würde?" "Wie kommst du darauf, dass ich dich Grundlos eingesperrt hätte? Du bist unsere neue Blutpuppe. Die Letzte ist leider... eingegangen." Der Tonfall des Vampirs war etwas sarkastisch, beinahe neckend. Er musterte Cathal und wollte die Reaktion abwarten. Er genoss es derzeit sichtlich, der Überlegenere zu sein. Einen Momentlang sah Cathal Delano verständnislos an. "Hä?" Konnte der Kerl sich denn nicht so ausdrücken, dass man auch verstand was er von einem wollte? Was in Gottes Namen sollte denn eine Blutpuppe sein? Der hatte sie doch nicht mehr alle und wenn, dann sicher nicht der Reihe nach, soviel war gewiss. "Sag mal, welche Schraube is'n bei dir locker?", fasste er seine Gedanken schliesslich in Worte. Delano seufzte. So schwer von Begriff war bisher noch keiner gewesen. Er beugte sich dann nach vorne und gab Cathal das breiteste Grinsen, zu dem er im Stande war, wobei seine Zähne sehr deutlich als die Fänge eines Vampirs zu erkennen waren. "Blutpuppe... verstehst du es jetzt? Du bist unser Essen." Nach wie vor war sein Tonfall verspielt und herausfordernd. Er genoss es wieder, diesen unerfahrenen Burschen vor sich zu haben. "Allerdings wirst du als Blutpuppe besser behandelt, als wenn du einfach nur eine Mahlzeit wärst.", führte er dann noch fort. Er beobachtete Cathal dann wieder, lehnte sich zurück und wartete dessen Reaktion wieder ab. "Na, da fühl ich mich doch gleich besser..." Mit Missfallen bemerkte Cathal, dass seine Stimme zitterte. Wenn er eins nicht wollte, dann, dass sein Gegenüber bemerkte, dass er durchaus ernsthaft Angst hatte. Er sprang vom Bett auf und kniete sich direkt vor Cathal hin, sah ihm eine Weile schweigend in die Augen, ehe er die Hand hob um dessen Wange zu berühren. Er lächelte nun sanfter, beinahe beruhigend. "Wir werden dir nicht wehtun. Du wirst es gut haben, genug zu essen, ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf. Du wirst eingekleidet und darfst Wünsche äussern, die wir dir sogar meist erfüllen. Nur frei lassen können wir dich nicht mehr." Seine Stimme war leise und sanft. Er schaffte es sogar in einer schnell aber sachten Bewegung, die Wange seines Gegenübers zu berühren. Seine Finger waren kühl und fühlten sich beinahe hart an. Sie erinnerten an die Finger einer Statue. Erschrocken sog Cathal die Luft ein, als Delano sich vor ihn kniete und ihm für seinen Geschmack etwas zu nahe kam. Er wagte kaum zu atmen, während er wie das sprichwörtliche Kanninchen vor der Schlange sass und ängstlich Delanos Blick erwiderte. Er hatte das unangenehme Gefühl, sich in den geheimnisvollen, dunklen Augen seines Gegenübers zu verlieren. Erst, als der Vampir seine Wange berührte, war er fähig, sich los zu reissen und den Blick ab zu wenden. "Aber das ist alles, was ich will...", murmelte er. "Ich möchte nur nach Hause..." "Zurück in die Gosse? Die Kälte und Armut? Was sollte da denn sein, was du vermisst?" Der rothaarige Vampir stand auf und sah ihn auf stirnrunzelnd herunter. Delano war sichtlich verwirrt und konnte nicht nachvollziehen, wieso man ein solches Leben schon alleine diesem Zimmer vorziehen konnte. Ihm war klar, dass Menschen freiheitsliebend waren, aber bisher hatten sich alle Blutpuppen mehr als nur schnell an dieses Umfeld gewöhnt. Bei diesem Jungen würde es nicht anders sein. Ohne Cathals Antwort abzuwarten, packte Delano ihn und zog ihn auf die Füsse, hauchte ihm einen Kuss auf den Hals und liess ihn wieder los. Diese Bewegungen waren so schnell und fliessend gekommen, dass Cathal nicht einmal mehr die Zeit zum Reagieren blieb. Delano lächelte noch immer, wand sich jedoch dann der Tür und dem Gehen zu. Wenn der Mensch noch etwas wollte, dann würde er es schon rechtzeitig sagen. "Von nun an ist das hier dein Zuhause." Er breitete die Arme aus und drehte sich leicht. "Dieses Zimmer, die Burg... alles." Seine Stimme klang melodiös und zeigte deutlich Begeisterung. "Meine Freunde... Meine Freiheit... Das ist es, was ich vermisse...", murmelte Cathal leise. "Ich bin kein Vogel, den man im goldenen Käfig halten kann und der dafür auch noch dankbar singt!" Delano sah ihn, auf diese kurze Aussage hin, fragend an. Er ging auf Cathal zu, legte den Zeigefinger unter dessen Kinn und hob seinen Kopf leicht an. "Soll ich sie auch holen?" Der Ton dieser Worte war unergründlich. Es wurde nicht deutlich, ob es ein Angebot oder eine Drohung war. Auch der Gesichtsausdruck des Vampirs gab keine Auskunft über die tiefere Bedeutung des Satzes. Cathals Augen weiteten sich ob der Frage. Hastig schüttelte er den Kopf. "N...Nein!", brachte er hervor. Er wollte nicht auch noch seine Freunde in Gefahr bringen. Schlimm genug, dass er hier sitzen musste... "Fein, dann komm mit. Ich zeige dir die Räumlichkeiten." Er reichte Cathal die Hand und sah ihn auffordernd an. Er musste zwar noch den Schlüssel von seiner Schwester besorgen, aber er wollte zumindest das Einverständnis von seinem Gast, dass er mit ihm kommen würde. "Ich nehme an, ich hab keine andere Wahl?", gab der Junge zurück. Allerdings dachte er gar nicht daran die ihm dargebotene Hand zu ergreifen oder dergleichen. "Ich werde dich nicht zwingen, mir zu folgen. Du kannst diese Mauern auch gerne alleine erkunden. Ich gehe dann den Schlüssel holen." Mit diesen Worten drehte er sich um und sein Körper löste sich in einen Nebel auf. Dieser bewegte sich unter dem Türschlitz durch und verschwand so aus Cathals Sicht. Auf der anderen Seite der Tür manifestierte sich Delano wieder und ging auf die Suche nach seiner Schwester. Als er sie fand und um den Schlüssel bat, war sie wieder in der Bibliothek und reinigte einen grossen Folianten. Sie hatte noch mehr Liebe für diese alten Bücher über, als es Delano hatte. Er kehrte nach nur wenigen Minuten zur Zimmertür zurück und öffnete mit einem lauten Klicken das Schloss, drückte die Klinke herab und öffnete die Tür. Seufzend lehnte Cathal sich gegen die Wand, als Delano verschwunden war. Wo war er hier bloss hineingeraten? Vielleicht war es ganz klug zu sehen, wo er sich befand. Früher oder später würde sich sicher eine Gelegenheit zur Flucht bieten... Als das Schloss sich klickend öffnete, stiess er sich wieder von der Wand ab. Irgendwie würde er wieder hier raus kommen. Und bis es so weit war, würde er sich einfach nicht unterkriegen lassen, darauf konnte der Blutsauger reichlich Gift nehmen. Besagter Blutsauger lächelte Cathal beinahe liebevoll an, als er für diesen einen Schritt zur Seite machte, damit er an ihm vorbei nach draussen konnte. Er seufzte dann etwas nachdenklich. Cathal erwiderte das Lächeln nicht und fröstelte leicht, als er auf den etwas zugigen Gang trat. "Ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt, nicht wahr? Mein Name lautet Delano." Er beobachtete die Bewegungen seines Gastes und dabei bekam sein Blick etwas räuberisches, fast schon begehrliches. Er seufzte dann jedoch leise und gemahnte sich zur Ruhe. Cathal gefiel ihm wohl etwas zu gut, er würde sich sehr vorsehen müssen, nicht zu sehr einen Narren an dem Burschen zu fressen. "Ich heisse Cathal", meinte er betont kühl. Vermutlich war es dem Vampir allerdings ohnehin egal, wie er hiess... "Cathal...", wiederholte er den Namen und grinste Spitzbübisch. "Der ist hübsch und ich kann ihn mir gut merken." Er ging neben Cathal her. Sein Blick haftete an dem jungen Mann und er ertappte sich immer wieder, wie er fasziniert auf diese lichtblonden Haare sah. Erneut seufzte er, genervt von sich selber, zog es aber vor, diesbezüglich zu schweigen. "Wir haben eine schöne Galerie, eine Bibliothek, die Stallungen sind auch sehr ansehnlich. Mein Zimmer ebenfalls." Er erschrak über sein eigenes, zu freimütiges Geplapper. Cathal würde wohl kaum Interesse daran haben, wie sein Zimmer aussieht, zumal dieser kleine Satz viel zu viel über seine möglichen Absichten preis gab. Der Junge hörte allerdings höchstens mit einem halben Ohr zu. Was interessierten ihn schon Bibliotheken und Stallungen, schliesslich konnte er weder lesen noch reiten. Und Delanos private Räumlichkeiten interessierten ihn, in der Tat, erst recht nicht. Er zog es also vor, etwas gelangweilt zu schweigen. Charlottes Weg führte sie hinaus zu den Räumlichkeiten, wo die bewohnten Zimmer lagen, als ihr die beiden Herrschaften entgegenkamen. Sie sah anfangs verwirrt drein, da es nicht unbedingt Delanos Art war, eine Blutpuppe so bald herumzuführen und in den Alltag zu integrieren. Sie war sogar so verwirrt, dass ihr die Gesichtszüge entgleisten, sie eine Braue hob und einfach nur, für mehrere Sekunden verwirrt, auf die Szenerie starrte. Delano hingegen lächelte seine Schwester liebevoll an, führte Cathal direkt auf sie zu und deutete mit der geöffneten Hand auf sie. "Darf ich euch Lady Charlotte vorstellen? Meine Schwester. Charlotte... das ist Cathal." Er lächelte bei dieser Höflichkeitsfloskel und Charlotte nickte nur knapp, noch immer etwas verwirrt, dass Delano so über alle Massen voreilig agierte. "Sie ist sehr reizend und gebildet.", hauchte er, mit deutlichen Stolz über seine zudem äusserst schöne Schwester, leise zu Cathal, auch wenn Delano sich der Tatsache bewusst war, dass Charlotte ihn hören musste. Cathal hatte mittlerweile die Hände in den Hosentaschen vergraben und stellte gerade fest, dass er in der Linken ein Loch hatte, als Charlotte des Wegs kam. "Wir kennen uns schon...", teilte er Delano schlicht mit. Nicht einmal die Hände nahm er aus den Taschen. "Ich habe zu tun, verzeiht bitte", erklärte Charlotte schnell, fast hastig. Sie wollte keinen Wortwechsel mit den beiden. Ihr tat der Mensch zu sehr leid, als dass sie ihn länger ansehen mochte. Er erinnerte sie einfach zu stark, an ihre Nachkommen, ihre Kinder und Kindeskinder. Sie hasste es, wenn jemand gefangen war, und Cathal war eigentlich nichts anderes als ein Gefangener, auch wenn der Käfig aus Gold zu bestehen schien. Ihm wurde gewahr, dass seine Schwester einfach nur eine Ausrede gesucht hatte, um den beiden Ausweichen zu können. Er kannte ihre Gefühle und Meinung bezüglich des Haltens von Blutpuppen. Dennoch machte er sich Sorgen. Er sah ihr eine Weile schweigend nach, doch musste er sein Augenmerk wieder auf seinen Gast lenken, welcher sich sehr unhöflich zeigte. "Du hättest sie wenigstens grüssen können, schliesslich ist sie der Grund, dass du noch atmen darfst." Sein Tonfall war zwar höflich, aber die Worte waren schneidend. Er war wirklich nicht begeistert, dass Cathal so wenig Respekt gezeigt hatte. Der schneidende Unterton in Delanos Stimme jagte Cathal einen Schauer über den Rücken, von dem er selbst nicht zu sagen vermochte ob er heiss oder kalt war, und eine leichte Gänsehaut zog sich über seinen nackten Oberkörper. Sicher, ihm war klar gewesen, dass es den Vampir nicht grossartig interessierte, ob sein Opfer lebte oder nicht -wenn man mal von der Tatsache absah, dass er sich im Falle von Cathals Ableben nach jemand anderem, den er als wandelnde Vorratskammer missbrauchen konnte, umsehen musste- aber die beiläufige, nebensächliche Art wie Delano darüber sprach, dass Cathal jetzt genauso gut auch tot sein konnte, erschreckte ihn dann doch etwas. Delano lächelte Cathal weiterhin an und deutete mit einer Handbewegung an, dass dieser doch bitte weitergehen sollte. Delano atmete tief durch und wurde sich eines schwachen Seifengeruchs auf Cathals Haut gewahr. Stadttölpel, die den Umgang mit Wasser und Seife kannten? Delano war tatsächlich etwas überrascht, was das anging, er war stets davon ausgegangen, dass Streuner, wie es Cathal ohne Zweifel war, so etwas wie Baden oder Seife nicht kannten. Aber das war ein Gedankengang den Delano weiter verfolgen wollte. Baden. "Wie wäre es mit einem schönen, warmen Bad, um die schlechten Gedanken fort zu waschen? Das kann wahre Wunder wirken." Zugegeben, die Aussicht auf warmes Wasser verbesserte die Idee, erneut mit Wasser und Seife in Kontakt zu kommen, erheblich, aber dennoch verschränkte der Junge in einem Anflug von Trotz die Arme vor der Brust. "Ich hab erst grad gebadet. Das muss reichen", gab er nach wie vor wenig respektvoll von sich, auch wenn "baden" nicht unbedingt das richtige Wort für die Waschaktion vom Vortag war. "Wie du meinst. Aber das Wasser wäre schön warm, duftend und du könntest nach dem Bad sicher hervorragend schlafen. Ich würd mich sogar dazu herablassen, dir etwas vorzulesen." Delano seufzte leise, er hatte zwar erwartet, dass Cathal ablehnen würde, aber in seiner doch etwas schmutzigen Fantasie hatte er dann doch etwas Anderes gehofft. "Vorlesen", wiederholte Cathal mit sarkastischem Unterton, "Willst du mir vielleicht auch noch die Windeln wechseln und mir 'n Fläschchen warme Milch machen?" Bei dem Typen war irgendwas definitiv nicht in Ordnung. Vorlesen... Für wie alt hielt der ihn eigentlich? Vielleicht schlug ihm das Vampirdasein auf's Hirn. Gewundert hätte es Cathal nach der Ansage jedenfalls nicht. Jedenfalls war Delano von sehr emotionaler Natur, und dazu zählte, was so mancher schon bedauert hatte, auch Jähzorn. Cathals Dreistigkeit war in diesem Augenblick einfach zu viel. Er war hier der Gefangene, in der deutlich unterlegenen Rolle, und erdreistete sich zu solch einem Benehmen? Gut, er würde es büssen. Delano packte den Burschen am Genick und riss ihn mit sich, führte ihn auf diese grobe Weise direkt zurück zu Cathals Zimmer, riss die Tür auf, drückte sich und den vermutlich nach Luft ringenden Sterblichen in den Raum. Er biss ihn ohne Vorwarnung in den Hals und trank hastig eine Menge Blut, was Cathal sehr schwächen würde. Als er dann von ihm abliess, hob er noch die Hand und verpasst dem Jungen eine gehörige Backpfeife. "Das ist für deine Unverschämtheiten!" Delano drehte sich auf dem Absatz wieder um, verliess das Zimmer und verriegelte die Tür. Den nächsten Tag sollte dieser Lümmel ohne Essen auskommen, das wäre ja ohnehin für ihn wie bei sich zuhause, Hunger müsste dieser kleine Dieb ja gewohnt sein. Cathals zitternde Knie gaben indes nach und er sank zu Boden, nur langsam begreifend, was da gerade eigentlich abgegangen war. Nur halbwegs anwesend betastete er zunächst seine von der Ohrfeige brennende Wange, dann die pochende Wunde an seinem Hals. Er betrachtete das Blut, welches an seinen Fingerspitzen kleben blieb, mit einer gewissen Faszination, bevor er sich die Hände flüchtig an seiner Hose abwischte und sich gegen das Bett lehnte, das dankenswerterweise hinter ihm stand. Die Stunden waren zäh dahin geschlichen und nur widerspenstig hat sich Delano von seiner Schwester dazu bewegen lassen, dass er Cathal zumindest etwas Wasser ins Zimmer brachte. Seine Laune war allerdings noch immer auf einem absoluten Tiefpunkt und besserte sich in keinster Weise, als er die Tür aufschloss und das Zimmer betrat. Durch den nicht gerade geringen Blutverlust müde und etwas schwindlig hob Cathal den Kopf, als die Tür sich öffnete. Er wusste nicht genau, wie viel Zeit seit seinem letzten Zusammentreffen mit dem Vampir vergangen war. Nicht einmal, ob er in der Zwischenzeit vielleicht kurz geschlafen hatte oder sich die ganze Zeit in diesem halbwachen Dämmerzustand befunden hatte, vermochte er mit Bestimmtheit zu sagen. Schweigend ging Delano an Cathal vorbei und stellte die schwere Karaffe, die gut zwei Liter fassen konnte, auf dem Tisch neben Cathals Bett ab. Er ging auch ebenso schweigend wieder in Richtung der Tür, um das Zimmer wieder zu verlassen. "Delano?", liess Cathal leise vernehmen, als der Vampir die Türe schon fast erreicht hatte. Delano blieb stehen, als er hörte, wie Cathal seinen Namen sagte. Auch wenn seine Hand bereits auf dem Türgriff ruhte, verharrte er regungslos. Er sah jedoch nicht in die Richtung, von der er aus angesprochen wurde. "Ja?" Zu mehr als diesem einfachen Wort stand ihm der Sinn einfach nicht. Er war noch immer wütend, auch wenn seine Schwester die Wogen deutlich geglättet hatte. In Anbetracht seines Zustandes erstaunlich konzentriert blickte der Junge auf den Rücken Delanos. "Wenn ich... nur eine Mahlzeit gewesen wäre...", begann er leise und stockend die Frage, die ihm schon eine ganze Weile unter den Nägeln brannte, zu stellen, "Hättest du mich wirklich getötet? Ich meine... einfach so?" Eigentlich war die Frage lächerlich. Natürlich hätte er ihn getötet. Doch irgendetwas liess ihn dennoch an der Antwort, die sein Verstand ihm überraschend klar gab, zweifeln. Der Vampir hatte mit vielen Fragen gerechnet, mit vielen Optionen, doch nicht mit dieser. Natürlich hätte er ihn nicht getötet, schliesslich hatte ihm dieser junge Mann von Anfang an viel zu gut dafür gefallen. Doch konnte er das so sagen? Er haderte kurz mit sich selber und blieb noch immer regungslos an der Tür stehen, dann schüttelte er, nach einer Weile, leicht den Kopf. "Nein, ich hätte dich nicht getötet." Auch wenn er ein Meister der Lügen und Illusionen war, er empfand es in dieser Situation angebrachter, die Wahrheit zu sagen. Hätte Delano Cathal angesehen, hätte er ihm vermutlich deutlich ansehen können, dass dies nicht gerade die Antwort war, mit der er gerechnet hatte. Einen Moment lang schwieg der Junge, eher er sich dazu durchringen konnte, eine weitere Frage zu stellen. "Warum nicht?" Die Worte waren kaum mehr als ein zaghaftes Hauchen. Delano drehte sich langsam zu Cathal um. Musterte ihn eine Weile schweigend, ging dann auf Cathal zu und kniete sich direkt vor ihm nieder. "Weil ich…“, erbrach ab. „Ach, was weiss ich... Es wäre falsch gewesen, da war ich sicher." Er sah ihn noch eine Weile, auf diese Weise, schweigend an, ehe er auf den Krug deutete. "Damit du zumindest nicht durstig wirst", erklärte er schlicht. Ihn zu töten wäre also falsch gewesen, aber ihn hier wie ein Stück Vieh einzusperren, war in Ordnung? Nach wie vor war Cathal überzeugt, dass bei seinem Gegenüber mindestens eine Schraube locker war. Glücklicherweise schaffte er es aber ausnahmsweise, seine Gedankengänge auch für sich zu behalten. Sein von Natur aus viel zu loses Mundwerk hatte ihm schon mehr als genug Ärger eingebracht. Ein leises, aber immerhin vorhandenes "Danke" für den Wasserkrug war alles, was er hervorbrachte. Kapitel 3 - Ende – Danke an alle, die uns favorisiert und/oder haben. Wir freuen uns immer sehr und fühlen uns geehrt und geschmeichelt! Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Auch Gwendolyna, Kai und Robin waren erst im Verlauf des Tages in einen unruhigen Schlaf gefallen und die Nacht brach bereits herein, als Gwendolyna aufstand. Ausnahmsweise liess sie ihre Haare, wie sie gerade waren. Heute würde sie nicht arbeiten da machte es auch nichts, wenn sie etwas zerzaust aussah. Leise, um Kai und Robin, welche noch ungewöhnlich dicht aneinander gekuschelt schliefen, nicht zu wecken, griff sie sich einen der alten Umhänge und schickte sich an, aus dem Haus zu gehen. Sicher, es war nicht unbedingt klug, die Gruppe in so einem Moment zu verlassen, aber Gwen war der Meinung, dass es ebenso unklug war, ihre beiden Freunde zu einer Geisterbeschwörung auf dem nächtlichen Friedhof mit zu nehmen. Besonders Kai und sein Aberglaube, seine Angst vor dem, was er nicht begreifen konnte, würde sie nur stören. Wenn sie aber nicht zumindest halbwegs konzentriert an die Sache heran geht, würde sie Cathal nie finden... Als sie hinter sich allerdings ein Geräusch hörte, hielt sie inne. Verschlafen hatte Kai sich aufgesetzt. "Gwen? Wo willst du hin?", wollte er wissen. "Frage jemanden, der vielleicht weiss mehr. Wegen Cal", sagte sie langsam, die vermeintlich richtigen Worte in der ihr noch immer fremden Sprache mühsam zusammenklaubend. "Du und Robin warten hier, ja?" Auch Robin wachte nun von den Stimmen der beiden anderen auf. Sich richtete sich auf ihren Händen auf und blickte in deren Richtung. Da sie noch immer zu verschlafen war, registrierte sie nicht ganz, was gerade passierte und liess den Blick nur fragend zwischen den beiden hin und her wandern. "Was ist los?" "Gwen will weg...", erklärte Kai und in seiner Stimme war eine gewisse Verbitterung zu hören. Fast, als hätte er das Gefühl, den Anforderungen als Anführer der Bande bereits nach so kurzer Zeit nicht gerecht zu werden. Robin richtete den Blick auf ihre Freundin und sah diese dann kurz schweigend und fragend an. Dann legte Robin den Kopf etwas schief, blinzelte vom Schlaf noch immer etwas benebelt und strich sich eine ihrer braunen Haarsträhne hinter das linke Ohr. "Weg? Wohin denn?" Sie sah direkt in Gwendolynas blaue Augen, welche einen ungewöhnlichen Kontrast zum dunklen Haar und der ebenfalls dunklen Haut der Zigeunerin bildeten, und musterte sie eine Weile schweigend. "Sollen wir mitkommen?", fragte sie schliesslich. Sie wusste ja, dass Gwen ab und an Dinge tat, die sie besser alleine machte, aber trotzdem wollte Robin sicher gehen, dass ihre Freundin nicht doch lieber Gesellschaft hätte, wenn sie sich aufmachte. Gwendolyna schüttelte seufzend den Kopf. „Nicht mitkommen, warten hier, bitte. Gehe Friedhof, frage Geister.“, erklärte sie noch einmal deutlicher. „Ihr stören. Angst nicht gut“, fügte sie dann noch hinzu, hoffentlich würden ihre Freunde verstehen, was sie meinte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, gerade nicht sonderlich freundlich zu sein… Robin nickte leicht und sah Gwen nachdenklich an. Sie war zwar der Ansicht, dass es nicht klug ist, vor Kai über Geister zu reden, aber Gwen wusste zumindest, dass es ihn davon abhalten würde, ihr nach zu spionieren. Sie stand dann langsam auf und sah Kai leicht von unten her an. "Kannst du mir dann hier etwas helfen, bis Gwen wieder kommt? Ich glaube, ich schaffe das sonst nicht alleine." Sie seufzte leise. "Schrecklich, wie ich mich so hängen lassen kann...", murmelte sie dann leise, sich selber tadelnd, aber sie hatte einfach keine Kraft mehr, da ihre Sorgen diese schlicht und ergreifend zu sehr aufzehrten. "Aber...", setzte Kai an, verstummte aber gleich darauf von sich aus wieder. Was sollte er denn sagen? Dass Gwen sich nicht nachts allein auf dem Friedhof rumtreiben und irgendwelche Geister beschwören sollte, die weiss Gott was mit ihr machen könnten? Er kannte Gwen, sie würde ihm bloss sagen, dass sie wusste, wie man mit Geistern umgehen musste. Und dass sie der Meinung war, er würde sie bloss stören, was ihm gewaltig auf den Sack ging, wenn er ehrlich war. Sie konnte schliesslich rausfinden, was mit Cal passiert war, eher würde er dem Teufel persönlich den blanken Hintern küssen als sie dabei zu stören. Immerhin ging es hier um Cal, seinen besten Freund, seinen Blutsbruder. Aber offenbar hatte das Zigeunermädchen sich in den Kopf gesetzt, allein zu gehen. Und Gwendolyna konnte stur sein. Verdammt stur. Er seufzte resigniert. "Sei um Himmels Willen vorsichtig, Gwen!", meinte er schliesslich ernst. "Keine Sorge", meinte sie und hielt ihm lächelnd ihre Schutzhand, ein Amulett in Form einer Hand, in deren Handfläche eine Mondsichel und ein Stern eingeritzt waren, unter die Nase. Ihr würde nichts geschehen. "Komme bald wieder!", meinte sie noch bevor sie nach ihrer Tasche griff und über den Schutthaufen vor dem Eingang des Gebäudes kletterte und sich Richtung Friedhof begab. Sie fröstelte, als sie das Friedhofstor durchschritt. Um ehrlich zu sein, hasste sie es, Totengeister zu beschwören. Die Geister der Toten waren etwas ganz anderes als die Natur- oder Tiergeister mit denen sie sonst zu tun hatte. Hinzu kam, dass ihr längst nicht alle Bewohner des Friedhofes freundlich gesinnt waren, was sie deutlich spürte. Es gab unter ihnen den einen oder anderen, den sie selbst hier her verbannt hatte. Einige Verstorbene liessen ihre Familien auch nach ihrem Tod nicht in Ruhe, verbreiteten Chaos und Angst. Auch wenn die Menschen sich wie Kai vor dem Übernatürlichen fürchteten, so war sie als Zigeunerin nur allzu oft Ansprechpartnerin und Problemlöserin für solche Leute. Doch auch wenn sie für gewöhnlich versuchte, die Verirrten Seelen ins Licht, zum Jenseits zu führen, gelang das nicht immer. Einige weigerten sich schlicht und für diese gab es nur noch eine Lösung: Sie an einen anderen Ort, an den Friedhof, zu binden. Unwillkürlich umfasste sie ihr Amulett fester. Nicht alle Geister des Friedhofs waren so. Einige hingen einfach an dieser Welt und waren noch nicht bereit, sie schon zu verlassen, egal wie gutmütig sie sein mochten. Sie hoffte inständig, dass einer eben jener gutmütigen Geister gesehen hatte, was mit Cathal geschehen war und sein Wissen mit ihr teilte. Auf einen Schutzkreis verzichtete sie. Entweder würde sie die Geister, die zu rufen sie gedachte, aussperren, so dass sie sich ihr nicht zeigen konnten oder sie würde sich ihnen, sofern sie ihnen erlaubte, den Kreis zu betreten, letzten Endes doch schutzlos ausliefern. Wie sollte der Kreis sie schliesslich schützen, wenn sie das Übel selbst einlud? Aus ihrer Tasche zog sie ein Bündel duftender Kräuter und einen Feuerstein hervor. Geschickt entzündete sie das Bündel, so dass sich schwerer, duftender Rauch entwickelte, und legte er vor sich auf den Boden. Mit etwas Glück würde dies allzu böswillige Zeitgenossen fernhalten. Sie konzentrierte sich und sprach die Worte, die nötig waren um einen Geist zu rufen, ihn für lebende Augen sichtbar zu machen. Sie sprach in ihrer Muttersprache, doch das war egal. Die Magie selbst interessierte sich nicht für Sprachen, das Sprechen der Worte, das Formulieren ihres Willens diente lediglich dazu, ihre Energie zu kanalisieren. Es dauerte nicht allzu lange, nachdem Gwen ihre Worte und die Beschwörung zu einem Ende geführt hatte, da gab es ein nur allzu lebendig wirkendes Räuspern dicht hinter ihr. "Kann ich ihnen helfen, junge Dame?" Offensichtlich hatte dieser Geist seine weltlichen Verhaltensweisen noch nicht ganz abgelegt, was dafür sprach, dass sein Ableben noch nicht sonderlich lange her war. Das war ein gutes Zeichen. "Bitte Entschuldigung", sagte Gwendolyna bemüht höflich und machte sogar einen unbeholfenen Knicks. "Ich bin Gwen. Suche Freund. Ist verschwunden, gestern." Die beinahe nebelhafte Gestalt eines älteren Herren, der es sogar bis zu seinem sechzigsten oder gar siebzigsten Lebensjahr geschafft haben mochte, neigte sich leicht zu ihr vor und nickte bedächtig. "Euer Freund, mein Kind? Wie sieht denn der Bursche aus? Es gab in den letzten Nächsten viele Unruhen hier, ich war sogar kurz davor sie zu tadeln..." Der Tonfall des Geistes zeigte keinerlei Anzeichen von Feindseligkeit, er hatte sogar eher etwas großväterliches, was beinahe tröstlich wirkte. Er mochte sogar zu Lebzeiten eine sehr angenehme Person gewesen sein. Gwen zeigte mit der Hand Cals ungefähre Grösse an. "So gross etwa, hat helle Haare, wie eine Mädchen, aber nicht gekämmt und helle Augen", beschrieb sie ihren Freund. "Sommersprossen...?", fragte er nach einigem Zögern und Nachdenken und Gwendolyna nickte hastig. Er legte dann den Kopf schief, seufzte und schüttelte den Kopf. "Wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt." Er klang beinahe entsetzt. "Das Nichtmehrleben hat meiner Etikette wahrlich nicht gut getan, verzeiht. Ich bin Herbert von Gutesberger und ja, ich meine jemanden, wie euren Freund gesehen zu haben..." Gwendolyna, welche das Kopfschütteln des Geistes zunächst falsch gedeutet hatte, atmete erleichtert auf. Herr von Gutesberger hatte Cal also gesehen. Das war doch schon Mal ein Anfang. "Freut mich", bemühte sie sich, der Etikette ebenfalls zu entsprechen. "Bitte, können sie sagen, was ist passiert?" Er seufzte tief, langgezogen und so herzzerreissend wie es nur ein Geist konnte. "Ich fürchte, meine Verehrteste, dass ich nichts Gutes für euch zu berichten weiß." Seine Stimme hatte etwas Schwermütiges und Gedehntes. Er sah Gwendolyna besorgt an, da er meinte, dass sie von dem, was er ihr nun sagen musste, hart getroffen werden würde, zumindest, wenn es sich wirklich um ihren Freund handelte. "Er wurde von einem von ihnen entführt... einer dieser bösen Brut!" Seine Worte waren beinahe nur ein Flüstern, als ob es andere erzürnen könnte, wenn er zu laut über das Geschehene sprach. "Einem dieser Blutsauger." "Himmel, nein..." Gwendolynas Worte waren nur ein Hauchen, als sie die Hand vor den Mund schlug. Wenn das wahr war, hatten sie kaum noch Chancen, Cal zu retten, falls er nicht ohnehin schon tot war. Vampire mochten Monster sein, aber sie waren verteufelt schlau. "Sie wissen, wo er mit Cal gegangen ist?" Gwendolyna war versucht, Herrn von Gutesberger an den Schultern zu packen, was natürlich angesichts seiner nebelhaften Gestalt sinnlos gewesen wäre. Dennoch war ihr Tonfall drängend. "Ich schätze, der Stiftzahn hat euren Freund mit nach Stolzentrutz genommen. Ihr wisst um die Burg, die über unserem Städtchen thront?", erwiderte der Geist. Er sah sie mitleidig an und konnte ein entsprechendes Seufzen nur schwer unterdrücken. Dieses arme Ding hatte offensichtlich jemanden verloren, der ihr sehr wichtig war und sie hatte sein vollstes Mitgefühl. Er dachte jedoch noch eine kurze Weile nach, murmelte dabei unverständlich vor sich hin und zupfte sich an den Spitzen seines imposanten Schnäuzers. "Aber, der Dämon hat euren Freund nicht getötet. Er nahm ihn lebend mit sich mit. Wer weiß, was diese Kreaturen mit ihm vorhaben? Sie hatten zu meiner Zeit schon auf der Burg ihr Unwesen getrieben, aber es starb wohl keiner der Burgbewohner durch ihre Hand." Wieder schwieg er eine Weile. "Es wäre also möglich, dass euer Freund... noch lebt." Es mochte zwar nur wenig Hoffnung diesbezüglich geben, aber auch wenn diese gering war, so existierte sie. Gwendolynas Atem stockte und ihr Herz setzte bei dieser Nachricht einen Moment lang aus. Hastig griff sie nach ihrer Tasche, welche sie zuvor auf den Boden gelegt hatte -eigentlich eine äusserst unkluge Handlung, wenn man bedachte, dass ihr gegenüber genauso gut auch ein böswilliger Geist hätte erscheinen können- und deutete rasch noch einen Knicks an. "Vielen Danke", sagte sie eilig. "Muss gehen, sagen Bescheid andere Freunde!" Wenn es noch irgendeine Hoffnung für Cal gab, mussten sie so schnell wie nur irgend möglich handeln. Sofern ihnen einfiel, wie... Der Geist versuchte, nach ihrer Hand zu greifen, was jedoch, bedingt durch seine Körperlosigkeit wenig Sinn hatte. Dennoch war die Berührung kalt und somit spürbar. Sie zuckte zurück, als der Geist sie berührte. "Mädchen, es gibt einen versteckten Weg in die Burg.", sagte er noch hastig, denn nun befürchtete er, dass sie Hals über Kopf in ihr eigenes Verderben rennen würde. Ihre blauen Augen weiteten sich, als sie seine Worte hörte. "Was? Wo?", war alles, was sie hervor brachte. Herbert nickte bedächtig und zögerte eine Weile, denn seiner Ansicht nach, sollte das Mädchen sich erst einmal beruhigen, ehe er weiter sprach. Er sah sie gutmütig an, schloss dann für eine Weile die Augen und ehe er sie wieder öffnete entrann ihm noch ein weiteres Seufzen. "Ich habe als Winzer dem Herrn des Schlosses gedient, mir wurde sogar die Ehre zu Teil, mich seinen Freund nennen zu dürfen." Er war sich nicht sicher, ob er ihr wirklich alles erzählen sollte, denn auch wenn sie nun eine Möglichkeit serviert bekam, wie sie in die Burg gelangen konnte, so würde sie sich dennoch in eine Gefahr begeben, in der sie höchst wahrscheinlich umkommen könnte. Dennoch, er ertrug ihren verzweifelten Blick nicht, wollte nicht, dass sich ihr Verlust noch vergrößerte. "An der Westmauer, so sagte er mir, gibt es nur vierzig Meter von der Burg entfernt, einen Gang, der in die Kerker der Burg führt. Dieser Gang ist jedoch sehr alt, ewig nicht genutzt und wahrscheinlich schon eingestürzt..." Ihm war gewahr, wie gefährlich so ein unterirdischer Weg sein konnte und mit jedem Wort viel es ihm schwerer alles, was er noch in Erinnerung hatte, ihr zu beschreiben. Dennoch erhielt Gwen eine wage Angabe, wo sie den Gang finden konnte und was das wohl Beste für sie sein würde, dass dieser von der Burgmauer nicht einzusehen war, da er sich bereits im Dickicht des nahe liegendes Waldes befand. Sie konnte ihr rasendes Herz kaum beruhigen, als sie durch die Strassen der Stadt nach Hause rannte. Ihr war egal, ob der Gang gefährlich oder eingestürzt war, es war ein Hoffnungsschimmer. Sie sprang gerade zu über den Schutthaufen und landete schmerzhaft auf ihrem Allerwertesten. "Al naibii de rahat", stiess sie einen wüsten Fluch in ihrer Muttersprache aus. Robin hatte ein Geräusch gehört, sah zum Ausgang des Versteckes und ging langsam darauf zu. Sie gab Kai mit einer Handbewegung zu verstehen, weshalb sie sich so verhielt und deutete dann an, dass er leise sein solle. Sie schlich dann in Gänze nach Draußen, erkannte dann aber, dass es Gwen gewesen war, die für den Lärm verantwortlich sein musste. Sie lief zu ihr und streckte ihr die Hände entgegen, um ihr auf die Füße zu helfen. "Was ist los? Du bist ja völlig außer dir!" Hastig und sich immer wieder zwischen den Sprachen verstrickend erklärte Gwendolyna, was sie erfahren hatte, als Robin sie auf die Füsse zog. Kai, der aufgrund seiner eher geringen Körpergrösse ein wenig länger brauchte um über den Schutthaufen zu klettern, hörte ernst zu und verschränkte dann die Arme. "Also, worauf warten wir denn noch?", wollte er voller Tatendrang wissen. Er hatte genug von Gwendolynas zweisprachigem Gebrabbel mitbekommen um zu verstehen, dass sie wusste wo Cal war und wie sie hinkommen und ihn retten konnten. "Lass sie doch erst zu Luft kommen und ausreden.", murrte sie leise, was sehr ungewöhnlich für Robin war. Sie klopfte vorsichtig den Dreck von Gwens Kleidung und sah sie dann durchdringend an. "Meinst du, wir finden diesen Gang?", war ihre Frage. Kein Meckern oder Ermahnen, kein auf-die-Gefahren-hinweisen, aber ein hoffnungsvoller Glanz in ihren Augen, dass sie vielleicht eine Chance hatten, dass doch noch alles wieder gut werden könnte. Gwendolyna nickte. "Ich meine schon", sagte sie zuversichtlich. "Aber müssen vorsichtig sein." Sie mussten sich vorbereiten, sonst rannten wirklich sie bloss in ihr Verderben. "Vampire schlafen tags, sind nachts wach. Wir besser warten." Robins Gesichtsausdruck entgleiste ihr. Sie hatte bei Gwens hastigem Reden von vorhin, wo sie zudem noch zwischendurch in den Sprachen gewechselt hatte, nicht verstanden, wer genau der Feind war. Nun erbleichte sie aber deutlich. "Va- Vampire?", war das Einzige, was sie jetzt noch hervorbrachte. Auch Kai war bleich geworden. Gwendolynas Hand traf ihre Stirn. Hatten die beiden ihr denn nicht zugehört? "Ich sage doch!" Kai rang indes mit sich. Geister waren schon schlimm genug, aber im Gegensatz zu Vampiren meistens nicht körperlich, was wenigstens ein kleiner Vorteil war. Er hatte wirklich nicht das Bedürfnis sich mit so etwas an zu legen. Andererseits konnte er Cal ja wohl kaum im Stich lassen. Und er würde ihn nicht im Stich lassen. "Kannst du denn mit sowas umgehen?", wollte er vorsichtig von Gwendolyna wissen. Robin seufzte. "Selbst wenn sie es nicht kann, haben wir eine Wahl? Können wir Cal diesen Monstern überlassen?", ihre Stimme klang ungewöhnlich entschlossen was nur noch mehr ihre Verzweiflung unterstrich. Kai war zwar kompetent genug die Gruppe zu führen, aber das war kein Argument, einen Bruder im Stich zu lassen. Sie ergriff Kais Hände, zog ihn an sich heran und umarmte ihn fest. "Wir lassen uns nicht im Stich, selbst wenn der Teufel persönlich einen von uns fängt!" Ihre Stimme war leider nicht so fest, wie sie es sich erhofft hatte, aber das war in diesem Augenblick vollkommen egal. Sie hatte sich entschieden und würde durchs Feuer gehen. "So hab ich das doch auch nicht gemeint...", murmelte der Junge. Es ging immerhin um Cal. "Aber etwas Ahnung, wie man den Blutsaugern beikommt, würde die ganze Sache etwas besser machen..." Auch Gwendolyna seufzte leise. Mit Vampiren hatte sie noch nie zu tun gehabt. Sie kannte bloss die Grundbegriffe. Es war lange her, aber ihre Mutter hatte einmal davon erzählt –und ihr vor allen Dingen geraten sich von den Blutsaugern nach Möglichkeit fern zu halten. "Ich weiss ein bisschen...", meinte sie ehrlich, aber zuversichtlich. "Das Bisschen wird zumindest reichen müssen", murmelte Robin leise. Sie löste sich wieder von Kai und sah ihm in die Augen. Ihre waren Tränenfeucht und man konnte in ihnen ihre Angst deutlich erkennen, aber es war auch zu sehen, dass sie entschlossen war und ein Aufgeben für sie nicht in Frage kommen würde. "...am Tag schlafen sie, hattest du gesagt, Gwen. Dann werden wir noch vor Anbruch des Tages losgehen, den Gang suchen und dann losgehen, wenn die ersten Sonnenstrahlen zu uns durchdringen." Ein leichter Hauch von Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit, aber auch eine Bitte an Kai, dass dieser sie nicht im Stich lassen soll. Robin im Stich zu lassen, wäre ihm allerdings im Traum nicht in den Sinn gekommen, ebenso wenig, wie Cal einfach seinem Schicksal zu überlassen. Der würde schliesslich das selbe für ihn tun. Naja, vermutlich nicht ganz das Selbe. Ungestüm wie Cal war, wäre er wahrscheinlich schon los gerannt… Kapitel 4 - Ende – *~*~* Kein Anspruch auf Richtigkeit für Gwens rumänisches Gefluche. Falls es falsch ist und einer unserer geschätzten Leser des Rumänisch mächtig ist, bitten wir um Korrektur. Des weiteren wünschen wir Euch einen schönen Sonntag und einen guten Start in die Wochen und hoffen, Euch auch nächsten Sonntag zu einem neuen Kapitel begrüssen zu können. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Die ersten Stunden des Tages flossen zäh und träge dahin. Cathal verbrachte sie alleine im Zimmer, doch hörte er nach einer Weile Schritte auf dem Flur, die vor seiner Tür inne hielten. Es dauerte nur wenige Augenblicke, da floss ein sanfter Nebel unter dem Türschlitz hindurch und manifestierte sich. Delano betrachtete Cathal, welcher auf dem Bett sass, und es war deutlich, dass der Vampir sehr müde war. Doch wie konnte es sein, dass dieses Monster bei Tag herum lief? Er bewegte sich langsam auf Cathal zu, musterte ihn schweigend und zog sich dann einen kleinen Hocker heran, auf den er sich dann nieder setzte um das Menschlein weiter beobachten zu können. All dies tat er schweigend und nur von dem Geräusch seiner raschelnden Kleidung begleitet. Unverhohlen Neugierig musterte Cathal sein Gegenüber ebenso. "Sag mal, gibt's ‘nen Grund warum du hier bist, oder willst du einfach nur spannen?", ergriff der Junge schliesslich das Wort. "Spannen, wenn du es so nennen willst", gab Delano fast schon patzig zurück. Er war allerdings nicht in der Stimmung und auch viel zu müde, um sich jetzt ernsthaft zu streiten, aber seine Neugierde unterdrückte er ohnehin nicht. Wieso auch? Cathal konnte es ihm wohl kaum verbieten. "Wenn du bloss was zum Angucken willst, hättest du dir 'nen Vogel oder 'nen Fisch in so 'nem Glas besorgen sollen. Hätte uns beiden Ärger erspart und pflegeleichter wäre so'n Vieh auch", konterte Cathal nicht weniger patzig. Delano war schliesslich nicht der Einzige, der von der durchwachten Nacht müde war. Dieser musste tatsächlich über so viel Unverschämtheit grinsen, eine ganz andere Reaktion, als es für ihn normal gewesen wäre, aber er war eben nicht ganz wach. Er zuckte leicht mit den Schultern und schob ein wenig die Unterlippe vor. "Aber weder Fisch noch Vogel sind so hübsch." Er wusste selber nicht genau, wieso er gerade das gesagt hatte, aber es entsprach seiner derzeitigen Meinung. Cathal jagte die Aussage allerdings einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Er hatte da so eine gewisse Ahnung, dass Delano auch etwas mehr als nur angucken durchaus nicht abgeneigt wäre. Und das gefiel ihm gar nicht. "Machst du deinem Essen immer Komplimente?", wollte er noch immer mit aggressivem Unterton wissen und hoffte, dass sich seine Ahnung nun nicht auch noch bestätigte. "Ich knabbere nur an dir, du bist eine Blutpuppe und nicht irgend so eine wertlose Mahlzeit.", murrte Delano leise. Er seufzte und schüttelte den Kopf, fasste sich an die Schläfen und seufzte erneut. "So wird das nichts, wir hatten eindeutig keinen guten Start. Ich will dir nichts tun, ich will... einfach nur deine Gesellschaft." Wieder seufzte er. Er lehnte sich leicht zurück, schloss die Augen und lauschte Cathals Bewegungen. Wie könnte er diesem Jungen nur klar machen, dass er in ihm nicht so etwas wie ein Stück Fleisch sieht? "Und dazu musst du mich gleich entführen? Ganz ehrlich, Kontakteknüpfen solltest du echt nochmal üben", gab der Junge zurück. Er zog die Beine dicht an den Körper. "Hast du Niemanden, der dir freiwillig Gesellschaft leistet?", murmelte er. Nachdem Cathal zu Ende gesprochen hatte, schwieg der Vampir noch einen kurzen Augenblick, seufzte und strich sich eine Strähne seines langen, roten Haares aus dem Gesicht. "Abgesehen von meiner Schwester, Dienern, Speichelleckern und Heuchlern, nein. Wenn jemand freiwillig mit mir mitkommt, dann weiß er für gewöhnlich, was ich bin. Dann ist das Begehren, welches man an mich richtet, aber immer nur, dass ich ihnen Unsterblichkeit verleihen soll." Der Tonfall hatte etwas leicht Bitteres an sich haften und auch der Gesichtsausdruck von Delano machte deutlich, dass er wenig positive Erfahrungen haben musste. Cathal betrachtete sein Gegenüber einen Moment lang mit schiefgelegtem Kopf. Er hatte nicht wirklich eine Antwort auf die Frage gewollt, aber nun, da er sie bekommen hatte, konnte er nicht umhin, sich auch den einen oder anderen Gedanken darüber zu machen. Unsterblichkeit... Sowas war doch Blödsinn. Der Grossteil des Lebens war ohnehin ziemlich Scheisse, also warum sollte man sich den Mist bitte eine Ewigkeit lang antun? Nicht, dass er nicht durchaus an seinem Leben gehangen hätte, aber dennoch. Zumal sowas ja ziemlich einsam zu machen schien. Kunststück, wenn man bedachte, dass einem eventuelle Freunde ja früher oder später zwangsläufig wegstarben... "Aber etwas Anderes...“, wechselte Delano wenig elegant das Thema. „Wärst du mit mir mitgekommen, wenn ich Bitte gesagt hätte?" Sein Blick haftete trotz seiner Müdigkeit fest auf Cathals Augen, während er die Frage an diesen richtete. "Nein", lautete die simple Antwort. "Macht jetzt ja aber eh keinen Unterschied mehr." "Und dann beschwerst du dich, dass ich dich gegen deinen Willen mit genommen habe..." Der Satz war eindeutig keine Frage, sondern eine Feststellung gewesen. Delano seufzte nachdenklich. Er legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Bilder und Verzierungen an der Decke, fuhr gedanklich ein Ornament entlang und senkte den Blick erst nach einer Weile wieder, die Augen jedoch geschlossen. Cathal beobachtete den Vampir forschend, folgte dessen Blick zur Decke. Dem Anblick des ganzen, dort angebrachten Prunkes konnte er allerdings nur wenig abgewinnen. Dieses Geld hätte man durchaus sinnvoller investieren können. Aber wer sich diesen Mist ausgedacht hatte, hatte ausser der Optik seiner Wohnräume wohl keine Probleme… Delano verharrte so eine ganze Weile und lauschte auf Cathals Herzschlag und Atem, das Rascheln seiner Kleidung, wenn der Sterbliche sich bewegte und auch das leise Knarren des Fensters, gegen das sich der Wind drückte, der geisterhaft heulend um die Burg strich. Es musste wohl angefangen haben zu regnen, denn ein leises Rauschen, von außerhalb der Mauern, begleitete die Geräusche innerhalb des Raumes. Er wusste einfach nicht, was er weiter sagen konnte. Er wollte einen Neuanfang versuchen, doch ob sich Cathal darauf einließ, war fraglich. "Hast du... Hunger?" Eigentlich hatte er dem Menschen ja die Nahrung für diesen Tag verweigern wollen, doch eine andere Idee wollte sich ihm derzeit nicht aufzwingen, so dass er eben nach diesem Anker griff. Obwohl Cathal durchaus hungrig war, schliesslich hatte er auch schon die Nacht zuvor nichts zu sich genommen, erntete Delano ein bissiges und äusserst trotziges „Nein“ auf seine Frage. Peinlich berührt blickte der Junge zu Boden, als sein Magen allerdings in exakt diesem Moment geräuschvoll protestierte und ihn Lügen strafte. Zwar hatte Cathal keine grösseren Probleme damit, zu lügen und zu betrügen, auf der Strasse durfte man kein Problem damit haben, wenn man langfristig überleben wollte, aber dennoch war es ihm immer wieder äusserst unangenehm, dabei erwischt zu werden. „Na gut, vielleicht ein bisschen…“, räumte er seufzend ein. "Fein, dann komm mit." Delano stand auf und streckte Cathal die Hand entgegen, als dieser jedoch nicht reagierte und ihn nur trotzig ansah, seufzte der Vampir resigniert und ging langsamen Schrittes zur Tür. Er schloss diese auf, sah sich auf dem Flur um und murrte einmal kurz. Der Regen hatte so schnell wieder aufgehört, wie er begonnen hatte. Die dicken, bleigrauen Wolken zogen zwar noch ihre Bahnen über den Himmel und verhiessen neue Regenschauer für den jungen Tag, doch hier und da gaben sie auch den Weg für die gleissenden Strahlen der Morgensonne frei. Die dicken Vorhänge hielten zwar den größten Teil des Sonnenlichtes ab, aber dennoch würde der Weg zur Küche und Speisekammer sehr unangenehm, wenn nicht gar schmerzhaft für Delano werden. Aber er war ja selber schuld. Warum musste er auch den Vorschlag, etwas zu Essen, machen? Langsam schritt er auf den Flur hinaus und zog scharf die Luft ein, als er das gedämpfte Licht auf seiner Haut spürte, welche sich sogar alsbald zu röten begann. "Komm bitte schnell, ich hab keine Lust herum zu trödeln", setzte er hastig an, um seine eigene Misslage herunter zu spielen. Eilig machte Cathal, dass er vom Bett, auf welchem er bisher gesessen hatte, herunter kam. Endlich raus aus diesem Zimmer. Auch wenn es nur kurzzeitig sein mochte, war das schon mal ein Lichtblick. Apropos Licht... "Sag mal... ich dachte Typen wie so sind mehr so... nachtaktiv?", begann der Junge vorsichtig. Delano lachte kurz, aber freudlos auf. Er sah, während er zügig über den Flur huschte, nach hinten zu Cathal. "Es sollte besser heißen: Hauptsächlich nachtaktiv...", sagte er mit einem Grinsen, welches jedoch nur allzu schnell erstarb, als er, unachtsam wie er derzeit war, in einen direkten, wenn auch nur sehr schmalen Sonnenstrahl geriet. Ein leises Zischen, ein Aufjaulen des Vampirs und ein schwaches, doch durchdringend nach verbranntem Fleisch riechendes Rauchen, waren das Ergebnis seiner Unachtsamkeit. Er wicht hastig zurück, gegen die Wand, nur um aus dem Licht zu kommen, stieß dabei eine Vase um, welche krachend und zerberstend zu Boden ging. Er hielt sich die Hand, auf die das wenige Licht so unbarmherzig geschienen hatte, und besah sich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht die Brandfläche, die jedoch bereits zu heilen begonnen hatte. "Die Fenster müssen wieder geschwärzt werden, so viel steht fest!", fauchte er mehr an sich selbst gerichtet, ging dann aber weiter in Richtung seines Ziels. Spätestens als die Vase zu Bruch ging, war Cathal erschrocken zurück gezuckt. Einen Moment lang blieb er unschlüssig stehen, noch immer damit beschäftigt, das eben gesehene zu verarbeiten, bemühte sich dann aber eilig, mit dem bereits weiter gegangenen Vampir Schritt zu halten. Verstohlen schielte er auf die kleine Brandwunde an Delanos Hand, beobachtete mit einer gewissen Faszination, wie eben diese vor seinen Augen verheilte. Delano ging indes etwas vorsichtiger weiter. Er wollte sich nicht erneut verbrennen, besonders nicht, wo er seinen Gast bei sich hatte. Er ging eine elegante Wendeltreppe runter, immer wieder inne haltend, um sich nach Cathal um zu sehen, dass dieser ihm auch ja weiter folgte. "Magst du eigentlich Fleisch?" Er war sich nicht sicher, wieso er das gefragt hatte, aber da er von seiner eigenen, oder in diesem Fall eher Charlottes Zeit als Lebende ausging, wäre es durchaus denkbar, dass Cathal eher kein Fleischesser war. Der Junge zuckte mit den Schultern. "Wer nicht?", gab er zurück. Auch wenn man auf der Strasse nicht wählerisch sein durfte, ein ordentliches Stück Fleisch war schliesslich was Feines. "In Ordnung", sagte er lächelnd mit einem leichten Nicken. Es dauerte nicht mehr lange und sie kamen an der Küche an. Delano lauschte, ob sich Personal drinnen befand, nickte dann wieder und öffnete die Tür vorsichtig, da er nicht wusste, inwiefern die Küche Sonnendurchflutet war. "Geh rein und hol dir etwas... sag, dass ich es dir erlaubt habe." Ungewöhnlich schüchtern schlüpfte Cathal durch die Tür in die grosse, belebte Küche. Es war lange her, dass er das letzte Mal in einer richtigen Küche gewesen war und sich zudem etwas hatte nehmen dürfen. Damals hatte seine Mutter sogar noch gelebt, wenn ihn nicht alles täuschte... Seither kannte er Küchen nur in nächtlich-verlassenem Zustand, wenn er zusammen mit Kai irgendwo eingestiegen war. Unschlüssig blieb er einen Moment lang an der Tür stehen. Delano jedoch musste draußen bleiben, da der Raum eindeutig zu stark mit Sonnenlicht erhellt wurde. Er lehnte sich gegen die Wand an und sah zur Decke auf. "Beeil dich...", flüsterte er Cathal noch zu, ehe dieser in Gänze in den Raum entschwand, doch das hörte der Junge kaum. Zu laut war es in dem Raum mit den von Russ geschwärzten Wänden, zu eingenommen war er von all diesen Eindrücken; dem flackernden Feuer in dem wahrhaft grössten Kamin, den er in seinem Leben zu sehen bekommen hatte, an der Stirnseite des Raumes, über dem ein ganzer Hammel am Spiess briet; dem Zischen und Brodeln der schier unzähligen Kessel und Töpfe aus denen wohlriechender Dunst aufstieg, welcher den Raum erfüllte und Cathal das Wasser im Mund zusammenlaufen liess; den vielen Köchen, Knechten und Mägden die geschäftig hin und her liefen. Auf einmal kam er sich ganz klein und verloren vor. Plötzlich sprach ihn jemand von der Seite an. Ein Mädchen, vermutlich eine der Mägde, mit langen, blonden Haaren, die zu einem losen Zopf geflochten waren, stand vor ihm. Ihre Augen funkelten hell wie zwei Kupfermünzen. „Äh… was?“, gab der Junge verdutzt von sich. „Ob ich dir helfen kann, hab ich gefragt. Du siehst nicht aus, als würdest du hier her gehören. Bist du neu? Soll ich Herrn Lorenzo Bescheid sagen?“, plapperte das Mädchen gut gelaunt drauf los. Cathal hatte natürlich keine Ahnung, dass es sich bei Lorenzo um dem Küchenchef handelte. Dennoch schüttelte er etwas unschlüssig den Kopf. „Eigentlich hab ich bloss Hunger…“, setzte er an, doch bevor er weitersprechen konnte, unterbrach das Mädchen ihn mit einem lauten, irgendwie penetranten Lachen. „Na dann bist du hier ja richtig“, verkündete sie kichernd. „Das ist die Küche.“ „Ich weiss“, antwortete er unwirsch, es war schliesslich kaum zu übersehen, wo er sich befand. Er wurde das Gefühl nicht los, das dies genau die Sorte von Mädchen war, die Robin als „dumme Gans“ zu bezeichnen pflegte. „Delano sagte, ich könnte mir war holen…“ Die Küchenmagd blickte ihn kurz forschend an. „So ist das also“, sagte sie dann bedächtig. Cathal konnte sich nicht recht vorstellen, dass sie wissen, was Delano tatsächlich war, doch ganz geheuer schien ihr der Vampir dennoch nicht zu sein. „Na dann komm mal mit. Ich bin übrigen Rebekka“, stellte sie sich rasch vor. „Aber du kannst mich Becky nennen.“ Wieder dieses penetrante Lachen. „Ähm… freut mit. Ich heiss‘ Cathal.“ Cathal war sich nicht ganz sicher ob er sich wirklich freuen sollte, aber vorerst war ihm das auch recht egal; Hauptsache er bekam etwas zu Essen. Rebekka führte ihn vorbei an aufgehängten Fasanen und Hasen, in Richtung des grossen Kamins. Das Küchenmädchen erwies sich als äusserst schwatzhaft, während sie Cathal grosszügig Eintopf in eine feine Porzellan-Schale schöpfte, plapperte sie unaufhaltsam, doch der Junge hörte kaum hin. Viel mehr als Rebekkas scheinbar immerwährendes Gequassel, interessierte ihn die Tür, in deren Nähe sie standen. Durch das kleine Fenster daneben konnte er hinaus spähen, in den engen Hof, auf dessen Kiesboden die Pfützen des vergangenen Regenschauers glitzerten. Verstohlen glitt sein Blick zu Rebekka, die gerade damit beschäftigt war, eine Wurst aus dem Kamin zu fischen. Und natürlich stand ihr Mundwerk auch dabei nicht still. Ob ihr jemand zuhörte schien Nebensächlich zu sein. So leise wie möglich öffnete er die Tür und spähte hinaus. Der Hof war leer, bis auf einen alten Ochsenkarren, der langsam, aber sicher vor sich hin rottete und zwei Wächtern neben einem grossen Tor, vermutlich das Haupttor, der Weg nach draussen. Cathal seufzte. Hier kam er nicht weiter, zumindest nicht im Moment. Aber immerhin kannte er nun einen Weg hinaus. Alles, was er nun noch brauchte, war ein Plan. Hals über Kopf fort zu rennen brachte ihm nichts ausser Ungewollter Aufmerksamkeit und das wusste er. Mit einem erneuten Seufzen schloss er die Türe wieder und drehte sich zu Rebekka um, die ihm sogleich die Eintopfschüssel, Wurst und ein grosses Stück feines, weisses Brot in die Hände drückte. „Die siehst aus, als wäre deine letzte ordentliche Mahlzeit schon länger her“, bemerkte sie treffend. Tatsächlich war es Jahre her, dass er das letzte Mal etwas, was Rebekka als „ordentliche Mahlzeit“ bezeichnet hätte, gegessen hatte. Wie er all dieses Zeug verputzen sollte, was ihm allerdings dennoch ein kleineres Rätsel. Delano wartete indes noch immer vor der großen Küchentür. Er musste immer wieder blinzeln, da ihm die Auge regelrecht zufielen. Ein leises Seufzen entrann ihm und er schnappte sich den erstbesten Burschen, der die Küche verließ, es war ein Knabe von nicht einmal 16 Jahren. "Geh nochmal in die Küche zurück... in den Räumen wirst du jemanden finden, der nicht zum Küchenpersonal gehört, er soll sich beeilen. Richte ihm das aus, Bursche!" Delanos Blick ließ keine Widerrede zu und er schob den Burschen alsbald wieder zurück in die Küchenräumlichkeiten. Denjenigen, dem der Küchenbursche die Nachricht überbringen sollte, zu finden, war keine grosse Sache. Barfuss, nur mit einer fleckigen Hose bekleidet und besonders mit dieser völlig verzottelten Mähne, fiel Cathal selbst in der Küche auf wie ein bunter Hund. Der Bursche fragte sich ernsthaft, wer der Junge wohl sein mochte und was er mit den Gästen des Schlossherren zu schaffen hatte. Nach allem, was er gehört hatte, waren diese von durchaus exzentrischer Natur und brachten auch ihre eigenen Gäste mit in die Burg, doch so etwas? Das konnte er sich nicht vorstellen. Dennoch überbrachte er die Nachricht rasch und so kam es, dass Cathal schon einen Augenblick später wieder draussen auf dem Flur stand - nachdem er Rebekka versichert hatte, dass sie nicht mit zu kommen brauche, um ihm beim Tragen zu helfen. Delano lächelte, als sich Cathal wieder zu ihm begab und er nickte dann in die Richtung, aus der die beiden zuvor bis zu diesem Raum gegangen waren. "Lass uns wieder zurück gehen... Du könntest ein heißes Bad gebrauchen." Er lächelte noch immer und wirkte so gar nicht wie ein schreckliches, blutsaugendes Monster. Cathal verdrehte die Augen, als er sich in Bewegung setzte. "Ich sagte doch, ich hab erst grad gebadet...", lies er missgelaunt hören. Delano hört ihm offensichtlich nicht zu, oder ignorierte einfach, was Cathal von sich gab, denn er sprach einfach weiter über die möglichen Badeöle und dass er dann Cathal auch neue Kleidung zukommen lassen würde. Er genoss es aber sichtlich, über dieses Thema zu reden. Nur ab und an ließ er den Blick wieder zu Cathal nach hinten wandern, immer gekrönt von diesem zufriedenen Lächeln. Eben dieses Lächeln ging Cathal inzwischen gehörig auf den Senkel. Was war denn nicht gut an seiner Kleidung? Na schön, die Hose war ihm etwas zu gross, hier und da ein bisschen zerrissen und hatte auch den einen oder anderen Fleck, den Robin beim Waschen nicht mehr zur Gänze rausgekriegt hatte, aber noch gut tragbar. Er konnte gut auf irgendwelche affigen Klamotten verzichten. Ausserdem war er schliesslich keine Anziehpuppe oder sowas... Und dieser Badeöl-Scheiss interessierte ihn schon gleich dreimal nicht. Kapitel 5 - Ende - ______________________________________________________________________________ So hier ist erst mal Schluss für diese Woche. Wir entschuldigen uns inständig für die unheimlich lange Wartezeit und hoffen, euch trotzdem beim nächsten Kapitel, welches voraussichtlich am 19. Dezember rauskommen wird, begrüssen zu dürfen. Ausserdem danken wir allen unseren Abonennten (die im Vergleich zu den Kommentaren wirklich überraschend zahlreich sind) für ihre fortwährende Treue. Wir wissen, wir strapazieren eure Geduld zeitenweise stark ^^; Seht euch doch mal unseren Wettbewerb an, die Preise sind wirklich Hammer! Den Link gibt's in der Beschreibung :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)