Du schweigst von Zorane ================================================================================ Kapitel 1: Du schweigst ----------------------- DU SCHWEIGST Ich sehe, wie du auf mich zukommst, stumm, ein Lächeln auf dem Gesicht. Es wirkt um so vieles müder als früher. Du wirkst älter. Mein Blick gleitet über dich, bleibt schließlich an dem Stirnband hängen, das nun ein horizontaler Kratzer ziert. Mein Stirn runzelt sich leicht, aber ich gebe keinen Kommentar dazu ab. Dein Körper ist überzogen von Wunden. Die meisten davon nicht tief, aber einige doch tief genug um auf Dauer eine Gefahr zu bilden. Eine Gefahr für dein Leben. Einen Moment zögere ich – alle haben gehört, was du angerichtet hast, auch ich alter, dussliger Mann, doch dann obsiegt mein Mitleid und ich nicke einladend zur Tür. „Komm mit.“ Du lächelst nur weiter stumm und bewegst kaum merklich den Kopf während du hinter mir eintrittst. Dein Gesicht hat nichts mehr von einem Kind. Du siehst um so vieles älter aus als du bist. Wieder muss ich mir in Erinnerung rufen, dass du erst 13 bist – 13! Es ist ausgerechnet ein Kind, dass dieses Massaker veranstalten musste. Aber ich kann nicht glauben, dass du es freiwillig getan hast. Das ist nicht deine Art. Dazu bist du zu friedliebend. Dazu hasst du die Gewalt zu sehr. Ich muss es wissen, immerhin kenne ich dich praktisch seit du in Kinderschuhen stecktest. Ich war einer von denen, die dich aufzogen. Sanft sehe ich dich an. „Du solltest dich ausruhen.“ Ich seh in dir die Traurigkeit gewinnt Dein Lächeln lügt mir etwas vor. Ich ahne nur den Grund der dich verletzt. Du bist den Tränen ziemlich nah Du gibst keine Antwort, gehst nur zum Fenster und siehst hinaus. Was du da siehst will ich gar nicht wissen. Du lächelst immer noch, gezwungen. Es hat etwas schwermütiges. „Leg dich hin. Ich muss dich untersuchen.“ Du reagierst nicht auf meine Worte. Sanft sehe ich dich an, und du lächelst bloß. Müde, aber es ist doch ein Lächeln. Es ist eine Maske, zu perfekt für mich um sie zu durchdringen... Dennoch kann ich erahnen, wieso du es getan hast. Du hast Sasuke über alles geliebt – liebst ihn bestimmt immer noch. Und du hast Konoha und den Frieden geliebt. Zu friedliebend, zu leicht auszunutzen. Zu stark. Ich bin kein Gott und kann dein Innerstes nicht sehen Was du jetzt tust kann ich nicht verstehen. Du spielst den Starken Mann für jeden den du liebst. So viel wofür du dich aufgibst Du weißt du musst jetzt alles hinter dir lassen, was du kennst, was du liebst und du tust mir unendlich Leid. Ich lege dir sanft die Hand auf die Schulter, bedeute dir stumm dich hinzulegen. Du siehst mich müde an und zuckst nur die Schultern. Noch immer lächelst du. Dann wendest du dich wieder dem inzwischen angelaufenen Fenster zu. Deine langen, eleganten Finger, die so gut mit jeder Art von Waffe umgehen können, zeichnen ein Bild, ein Gesicht hinein. Es ist das Gesicht deines Bruders. Sasukes Gesicht. „Itachi, du bist verletzt. Wenn du dich nicht heilen lässt, wirst du sterben.“ Du reagierst nicht. Ist es dir egal? Gibst du jetzt auf, nachdem du dein Heimatdorf gerettet hast? Der Held, von niemandem als solcher anerkannt, der danach ins eigene Grab geht?! Nein, das kann und will ich nicht zulassen. Mit sanfter Gewalt drücke ich dich auf die Liege, sehe in deine schwarzen Augen, die jetzt seltsam glasig wirken, verschwommen. Ich glaube zu wissen, dass du es immer wieder siehst. Glaube die wagen, gut versteckten Spuren des Schmerzes zu sehen, die es hinterlassen hat. Das was du hast tun müssen. Du, ein 13-jähriger Junge. Fast noch ein Kind. Und dennoch schon stärker als alle Anderen in deinem Dorf. Die Bürde ist zu groß für dich. Und dennoch trägst du sie ohne ein Wort des Klages, du erträgst sie und keiner merkt wie schwer es dir fällt. Du schweigst, wenn jeder andre schreit, du lachst obwohl dein Schmerz verbliebt Du singst dein eigenes Trauerlied denn Trauer ist das was du liebst Ich lege meine Hände auf deinen Oberkörper und sie beginnen im Blau meines Chakras aufzuleuchten während sich die Haut darunter wieder zusammenfügt. Die ganze Zeit sehe ich in deine Augen. Du hörst auch jetzt nicht auf zu lächeln. Hast du Angst, die Fassung zu verlieren, wenn du damit aufhörst? Ich weiß es nicht. Ich wünsche mir, du würdest etwas sagen, irgendwas, aber stattdessen lächelst du nur dieses stumme Lächeln. Ich will unter deine Maske sehen, will den Itachi sehen, den ich kennen gelernt habe, den ich mit aufgezogen habe. Der mich Opa nannte. Der Sasuke beschützte, mit allem was er hatte. Nicht diesen Itachi, der keine Gefühle zeigte, sondern nur diese Maske, noch undurchdringlicher als die Tiermaske eines ANBUs. Ich will dir Hoffnung geben, aber wie soll ich das? Du musstest dir selber all das nehmen, was dir lieb und teuer war. Ich will dich zum Lächeln bringen, aber womit? Womit? Gibt es denn gar nichts mehr, was geblieben ist, rein gar nichts? Hast du denn nichts, was dir denn den Schleier nimmt und dir dein Lächeln wieder bringt. Das Dunkel hat dein Herz schon ganz verhöhnt Damals war's doch noch so wild. Ich seufze leise und beuge mich zu dir vor. „Schlaf gut, Itachi, es wird dich keiner erkennen, dafür werde ich Sorge tragen.“ Ich will wieder gehen, aber du packst mich am Arm und schüttelst den Kopf, immer noch lächelnd, aber jetzt müder, trauriger. Willst du mich zurückhalten? Willst du nicht, dass ich dich schütze? Wieso redest du nicht? „Bitte, Itachi.“, flüstere ich und streiche dir das schwarze Haar aus dem Gesicht, wie ich es immer getan habe, als du noch ein kleiner junge warst. „Bitte, werde wieder so wie früher.“ Dein Lächeln wird breiter, dann aber schüttelst du den Kopf und sieht mich an. Ein leises Seufzen dringt über meine Lippen, während ich den Raum verlasse. „Gute Nacht... Bis Morgen...“ Weißt du nicht mehr wie's war als du die Welt betratst Du hast geschrien und du hast gelacht. Wärst aufgestanden, hast gekämpft, nicht nachgedacht. Deine Tränen gaben dir die Kraft. Es überrascht mich fast, als ich dich am Morgen immer noch im Zimmer vorfinde. Du bist bereits wach und irgendwie bezweifle ich, dass du überhaupt geschlafen hast. Dein Blick geht starr zur Decke, erst als ich die Tür aufmache, wendest du den Kopf und nickst mir leicht zu. Dein Blick ist jetzt ausdruckslos. Noch immer schweigst du. „Ich hab Frühstück gemacht...“, sage ich und füge, den Gestank erklärend, hinzu: „Ich bin nicht besonders gut in der Küche...“ Du schnaubst nur, die Andeutung eines Lachens, und stehst auf. Deine Waffen hast du abgelegt, bindest sie dir jetzt aber wieder um. Nur das Stirnband siehst du nachdenklich an. Ein tiefer, horizontaler Kratzer ziert es jetzt – der Beweis für das, was du jetzt bist: Ein Nuke-Nin, ein Verräter deines Volkes, deines Dorfes. Ein Schwerstverbrecher. Dann erst bindest du dir auch das um und siehst mich an, bittest mich mit einem Kopfnicken dazu, voranzugehen. Du schweigst, wenn jeder andre schreit, du lachst obwohl dein Schmerz verbliebst Du singst dein eigenes Trauerlied denn Trauer ist das was du liebst Wir sitzen am Frühstückstisch, stumm. Wir wissen beide, dass sich unsere Wege bald trennen werden. Du kannst und darfst nicht hier bleiben. Sie werden dich jagen, für das was du für dein Dorf aufgeopfert hast. Es ist weit mehr als nur deine Familie. Es ist deine Heimat, dein Leben und in gewisser Weise sogar die Person, die du am meisten liebtest. Sogar Sasuke musst du los lassen. Nie hätte ich gedacht, dass euch beide etwas trennen könnte. Ihr wart immer ein Herz und eine Seele. Und nun... Nun bist du ein Abtrünniger und er der einzige Überlebende eines Massakers. Der letzte offizielle Uchiha, der noch lebt. Doch auch dein Leben geht weiter – ich weiß, dass es weiter geht. Du wirst irgendwo hingehen, wo man Leute wie dich braucht, doch ich weiß, dass du niemals ganz ein Verbrecher sein wirst. Dazu hasst du die Gewalt zu sehr und liebst Konoha zu viel. Der Weg geht immer weiter, wird härter niemals leichter. Pass auf, dass du dich nicht verlierst. Du wirst nicht aufgeben. Du darfst nicht aufgeben. Ich sehe in deine schwarzen Augen, und sie sind nahezu ausdruckslos. Nur einen leichten Schimmer, eine leichte Ahnung deines Schmerzes kann ich erkennen. Und auch das nur, weil ich dich so gut kenne und weil du dir keine Mühe gibst den Schleier aufrecht zu erhalten. Du warst schon immer ein brillanter Schauspieler. Ein Grund mehr wieso dein Vater dich zum Spion gemacht hat. Du spieltest dein Spiel perfekt. Zu perfekt. Ich frage mich, ob du dir nicht manchmal jetzt wünscht, einen Fehler gemacht zu haben – aufgeflogen zu sein. Du schiebst die Schüssel nahezu randvoll wieder von dir. Ich kann dich verstehen, dass du jetzt nichts runter bringst. Das Blut deines gesamten Clanes klebt an deinen Händen. Eine Wahl zu der du nur gezwungen worden sein kannst. Niemals, niemals warst du brutal. Du hast Gewalt in jeder Form immer verabscheut. Ob man dich selbst dazu gezwungen hat, deinen besten Freund zu töten? Ich weiß es nicht. Vermutlich. Merkwürdig, dass ich erst heute feststelle, wie wenig ich eigentlich über dich weiß. Eines aber weiß ich ganz sicher: Dass du es irgendwie schaffen wirst. Du bist ein Kämpfer, einer der niemals aufgibt, der vom Leben alles verlangt – und oftmals auch alles kriegt. Vielleicht gehört das hier dazu, aber du wirst raus kommen. Du musst es einfach. Für dich und für deinen Bruder. Er wird es verstehen. Früher oder später. Das muss er einfach. Dein Wille wird dich führen. Die Welt wird dir gehören. Pass auf, dass du sie nicht verlierst. Du stehst auf, gehst zum Fenster. Dein Blick verliert sich, wird glasig und trüb und unendlich traurig. Du hebst zwei Finger und legst sie an die Glasscheiben dort wo, wäre Sasuke dort gewesen, wohl seine Stirn gewesen wäre. Du vermisst ihn. Schon jetzt, wo du gerade erst von ihm weg bist. Was für ein riesiges Loch musstest du dir selbst in die Brust reißen? Es muss Danzou gewesen sein, der dir befohlen hat, etwas derart grausames zu tun, Er muss dich vor eine gemeine Wahl gestellt haben, dich manipuliert haben. Itachi... Oh Itachi... „Was hat er getan – was haben sie getan?“ Du zuckst nur mit den Schultern, lächelst stumm, aber eine einzelne Träne rinnt über dein Gesicht. „Verzeih mir, Sasuke. Verzeih mir, dass ich dir das antun musste.“ Dann erst drehst du dich zu mir um. „Danke. Danke für alles.“ Ich seh in dir, die Traurigkeit gewinnt. Dein Lächeln lügt mir etwas vor. Wieder liegt dieses undefinierbare Lächeln auf deinem Gesicht. Aber ich sehe die unterdrückten Tränen in deinen Augen. Du willst nicht weinen, willst stark sein. Du willst stark sein für die die du liebst, für dein Dorf und vor allem für deinen kleinen Bruder, von dem du weißt, dass er dich von jetzt an hassen und jagen wird. Der nur noch Rache von dir will... Ich sehe den Schmerz in deinen Augen, sehe wie du langsam zerbrichst und es tut mir weh. Dennoch sage ich nichts, sondern ziehe dich einfach kurz in meine Arme. „Pass auf dich auf, Itachi. Und komm irgendwann zurück...“ Du schnaubst nur. „Das kann und werde ich nicht. Das hier ist das letzte Mal, dass du mich siehst.“ Ich kann sehen wie du innerlich zerbrichst. Dies ist keine Wahl, vor die man dich hätte stellen dürfen. Vielleicht magst du der Beste sein, aber dennoch bist du immer noch fast ein Kind mit deinen dreizehn Jahren... Ich sehe dich nachdenklich an, streiche dir ein letztes Mal das schwarze Haar aus dem Gesicht. Ich werde dich vermissen. Ich tue es jetzt schon, wo du noch vor mir stehst, Itachi. Du bist mir ans Herz gewachsen, mein Enkelsohn. Und dabei weiß ich, dass ich dich hassen sollte, bist du doch verantwortlich für den Tod deiner Mutter, meiner einzigen Tochter, aber ich kann es nicht und ich weiß, dass ich es nie können werde. „Pass auf dich auf.“ Damit gebe ich dir einen Klaps auf den Arm und reiche dir einen schwarzen Umhang. Du nickst dankbar, schweigst aber wieder. Ich bezweifle, dass du jemals wieder zu dem lebensfrohen, lustigen Itachi werden wirst, der du einmal warst. Stumm nimmst du den Mantel entgegen und ziehst ihn dir über. „Leb wohl“, sagst du noch, dann öffnest du die Tür und gehst hinaus. Du schweigst, wenn jeder andre schreit, du lachst obwohl dein Schmerz verbliebst Du singst dein eigenes Trauerlied denn Trauer ist das was du liebst Sekundenlang sehe ich dir nach. Du siehst genauso aus, wie alle ANBUs aussehen, hast wieder die entsprechende Ausstattung an und sogar die Maske trägst du in der Hand. Ich weiß, so wirst du ohne Probleme aus Konoha hinaus kommen. Du bist ein Meister in allen Gebieten. Dein Sharingan hilft dir dabei. Von hinten siehst du aus, wie du immer aussiehst, wenn du auf eine Mission gehst und fast kann ich glauben, dass du in ein paar Tagen wieder zurück sein wirst, fröhlich und glücklich wie immer, mit deinem kleinen Bruder am Rücken hängend, lachend. Noch einmal drehst du dich zu mir um, wirfst mir ein Lächeln zu, aber es ist so leer, so unendlich leer, genau wie deine Augen; auch sie haben keine Aussagekraft mehr. Dann setzt du dir die Maske auf, drehst dich um und im nächsten Moment bist du weg. Für immer. Ich sehe in dir die Traurigkeit gewinnt. Dein Lächeln lügt mir etwas vor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)