Wie eine Seifenblase von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 1: Wie eine Seifenblase ------------------------------- Es goss in Strömen und ein Blick in den von dunkelgrauen Wolken bedeckten Himmel verriet, dass sich das Wetter nicht so schnell ändern würde. Mit völlig durchnässter Kleidung rannte sie die Straße entlang. Hätte sie nur nicht das Haus verlassen! Es war ein Fehler gewesen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie hatte doch nur ihren besten Freund treffen wollen und jetzt? „Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Ihre Worte hallten in ihren Ohren wider, immer noch, und es wollte nicht aufhören. Sie verstand es nicht, warum hatte sie ihm das gesagt? Sie wusste doch, dass er sie nur als gute Freundin sah. Der Wind blies eiskalt in ihr Gesicht und mit jedem Schritt in eine der vielen Pfützen auf dem Bürgersteig wurden ihre Schuhe nasser. Doch das nahm sie nur hintergründig wahr, wie durch einen Vorhang. Zu sehr war sie in Gedanken versunken. Sie achtete weder auf Autos noch auf andere Verkehrsteilnehmer, auch die roten Ampeln bemerkte sie nicht. Nach und nach verließ sie ihre Kraft und ihre Bewegungen wurden langsamer. Immer noch weigerte sie sich, stehen zu bleiben, aus Angst, er könnte ihr folgen. Normalerweise hätte sie sich mit einem kurzen Blick über die Schulter überzeugt, doch sie brachte nicht den Mut auf, das zu tun. Was, wenn er direkt hinter ihr war? Daran wollte sie gar nicht denken! Sie achtete weder auf ihren Weg noch auf ihre Umgebung. Und so bemerkte sie die Kante am Boden auch erst, als sie mit einem ihrer Füße an ihr hängen blieb, das Gleichgewicht verlor und der Länge nach auf den Gehweg knallte, mitten in eine große Pfütze hinein. Es spritzte. Einige der wenigen Passanten unter Regenschirmen sprangen erschrocken zurück. Doch keiner sprach sie an. In einem großen Bogen liefen sie an ihr vorbei. Nur langsam konnte sie sich dazu bewegen, wieder aufzustehen. Ihre Knie und Hände schmerzten von dem Sturz. Doch das war jetzt egal. Wen interessierten schon ein paar Kratzer? Ihr ganzes Leben war hinüber, da kam es darauf auch nicht mehr an. Genauso wenig, wie sie ihrer inzwischen tropfnassen und dreckigen Kleidung Aufmerksamkeit schenkte, achtete sie auf ihre Umgebung. Sie stand einfach nur da, im Regen, mitten in der Pfütze. Plötzlich hörte sie eine Stimme. Jemand rief ihren Namen. Es war seine Stimme! Erschrocken zuckte sie zusammen, bevor sie über ihre Schulter sah. Es dauerte nicht lange, da hatte sie seine rote Jacke schon zwischen den wenigen Menschen entdeckt. Er rannte ihr mit großen Schritten hinterher, verfolgte sie. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es war zum Verzweifeln. Zum Stehenbleiben fehlte ihr der Mut und für das Weiterrennen reichte ihre Kraft nicht mehr. Aber sie musste hier weg, um jeden Preis. Unter keinen Umständen wollte sie jetzt mit ihm reden. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen, nicht nachdem sie alles zerstört hatte, selbst ihre Freundschaft. Er war ihr bester Freund, schon seit Jahren. Sie kannten sich seit dem Kindergarten. Damals hatten sie jede freie Minute miteinander verbracht, so gut waren sie miteinander ausgekommen. Unzertrennlich waren sie gewesen. Doch niemals hatte sie es für möglich gehalten, dass sie einmal mehr als eine tiefe Kameradschaft für den anderen empfinden könnte. Immer war er für sie eine Art Bruder gewesen. Doch das hatte sich geändert. Nach und nach begann sie, Gefühle für ihn zu entwickeln, die über Freundschaft hinausgingen. Zuerst tat sie es als einfache Schwärmerei ab, in der Hoffnung, diese unerwünschten Gefühle würden verschwinden. Aber es funktionierte nicht, im Gegenteil: Ihre Gefühle für ihn wurden von Tag zu Tag stärker. Vorhin hatte sie es ihm gesagt. Es war keine Absicht gewesen. Die Worte waren ihr einfach herausgerutscht, ohne dass sie eine Chance hatte, es zu verhindern. Sie setzte sich wieder in Bewegung und rannte weiter. Ihr Körper fühlte sich kraftlos an und das einzige, was sie noch antrieb, war die Tatsache, dass er ihr folgte. Wieder blickte sie über die Schulter. Er war noch immer hinter ihr, geschätzte siebzig oder achtzig Meter entfernt, und holte langsam auf. Sie lief schneller. Es war schwach, jetzt vor ihm zu fliehen, das wusste sie, aber es war ihr egal. Was hatte sie denn schon noch groß zu verlieren? Die Freundschaft war hinüber und er hasste sie jetzt. Schlimmer konnte es also nicht mehr werden. Sie entdeckte etwa zwanzig Meter von ihr entfernt eine kleine Gasse zwischen zwei Häusern, direkt vor der nächsten Kreuzung. Das war ihre Chance. Vielleicht wurde sie so ihren Verfolger los. Schnell huschte sie in diese hinein und presste sich gegen die Wand, hoffend, dass er es nicht gesehen hatte. Und sie schien Glück zu haben. Er rannte an ihr vorbei, blieb nach wenigen Metern kurz stehen, um sich umzusehen, und folgte dann weiter dem Verlauf der Straße, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Erst jetzt ließ die Anspannung von ihr ab und ihre Atmung wurde langsam wieder ruhiger. Die Häuser schützten sie etwas vor Wind und Wasser, doch froh war sie darüber nicht. Nasser konnte sie kaum noch werden, so wie sie im Moment mit tropfnassen Sachen und am Kopf klebendem Haar an die Mauer gelehnt dastand. Langsam begann sie, die Ereignisse der letzten Stunde zu verarbeiten. Sie konnte es noch immer nicht glauben, was eben geschehen war. 'Ich Idiot', dachte sie wütend und schlug mit der Faust gegen die Hausmauer. Tränen liefen über ihr vom Regen nasses Gesicht und sie sank auf ihre Knie. Das war alles zu viel für sie. Ihre kleine Welt war zerplatzt wie eine Seifenblase. Warum hatte sie nicht geschwiegen? Dann wäre es nie so weit gekommen. Er wüsste nichts von ihren Gefühlen und sie könnte ihm weiterhin die heile Welt vorspielen. Irgendwann hätte sie sich in einen anderen verliebt und die Sache wäre gegessen gewesen. Aber nein, anstatt froh darüber zu sein, dass es ihm bis jetzt noch nicht aufgefallen war, musste sie es ihm ja auf die Nase binden. Damit hatte sie alles zerstört, was zwischen ihnen gewesen war und das tat ihr leid. Sie hatte nicht gewollt, dass es so endete. Sie wollte doch nur glücklich sein. Und so kniete sie hier, mit dem Rücken gegen die Mauer des Gebäudes gelehnt, völlig durchnässt, und weinte um ihre zerstörte Freundschaft und die Liebe, die nie erwidert werden würde. Plötzlich hörte sie Schritte aus Richtung der Straße, die direkt neben ihr stoppten. Zuerst hob sie nur langsam ihren Kopf, doch als sie seinen Rücken erblickte, sprang sie erschrocken wieder auf und presste sich erneut gegen das Gebäude. Er schien sie noch nicht gesehen zu haben, denn er warf suchende Blicke in die Gegend. Doch sah er nicht in ihre Richtung, sondern in die der gegenüberliegenden Seite der Straße auf der er sich gerade befand. Vermutete er sie dort? War er umgekehrt, weil er bemerkt hatte, dass sie sich nicht mehr vor ihm befand und suchte sie jetzt? ‚Bitte sieh mich nicht.’, flehte sie in Gedanken, als er sich langsam von ihr entfernte, ihr immer noch den Rücken zugewandt. Einige Schritte ging er die Straße entlang. Doch gerade als sie erleichtert ausatmen wollte, drehte er sich in ihre Richtung und schaute ihr direkt in die Augen. „Ich glaube, wir müssen reden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)