Seven Days von Valenfield (VanVen) ================================================================================ Kapitel 7: VII -------------- Unter den unzähligen Möglichkeiten, wach zu werden – beispielsweise liebevoll von der Person, mit der man das Bett teilte, sanft durch hereindringende Sonnenstrahlen oder auch durch den Geruch deftigen Frühstücks – erwischte Ventus grundsätzlich die Schlechteste. Heute wachte er auf dem Boden auf. Interessanterweise störte ihn das gar nicht sonderlich, da er mit nichts Anderem gerechnet hatte. „Auch schon wach, Schnarchkommando?“, wurde er herzlichst begrüßt, rieb sich die Augen und zog dann ein böses Gesicht in Richtung des Sprechenden, welcher darüber gluckste und ein schadenfrohes Grinsen aufgesetzt hatte. „Lass mich raten, du hast mich mit Absicht aus dem Bett getreten...“, schlussfolgerte Ven und knetete sich mit einer Hand den Nacken, während er sich aufrichtete. Irgendwie war er noch müde, was daran liegen konnte, dass sie sehr spät schlafen gegangen waren. Vor allen Dingen hatte er aber tierischen Hunger. „Nein, auch wenn ich stolz wäre, es getan zu haben. Du hast dich vor ein paar Minuten mit den Worten „ich will Schinken“ rausgerollt.“ Darauf lachte der Blonde lautstark und meinte, sich zu erinnern, tatsächlich von Schinken geträumt zu haben. Und Lust darauf hatte er ohnehin. Während er sich selbst wie gerädert fühlte, wirkte Vanitas schon ziemlich wach, als beobachte er ihn schon länger. „Ich sehe zwar umwerfend aus, aber musst du deswegen so starren?“ Augenrollend bewarf Ven ihn mit einem Kissen und zog sich etwas an, bevor er das Zimmer wortlos Richtung Küche verließ. Erstaunlicherweise saß hier die gesamte Mannschaft versammelt und spielte irgendein Gesellschaftsspiel. Kurz fragte er sich, ob man sie eingeladen und Vanitas abgelehnt hatte, bemerkte aber, dass es ihm egal war – er hätte sowieso keine Lust gehabt. „Guten Morgen“, grüßte er mit einem halben Lächeln, gähnte und setzte sich auf seinen üblichen Platz, um zuzusehen. Wenige Sekunden später fand Vanitas sich neben ihm ein, schien aber weitaus weniger am Spiel interessiert. „Guten Morgen. Möchtet ihr mitspielen? Wir haben gerade erst angefangen“, wurden sie eingeladen, sahen sich kurz an, schüttelten dann synchron den Kopf und Ven musste grinsen. „Nein, danke, ich denke, wir frühstücken lieber erstmal.“ Zu seinem Glück gab es tatsächlich Schinken, der vorzüglich schmeckte, und genüsslich kauend beobachtete er das Spiel. Es handelte sich wohl um Tabu, ein Ratespiel, bei dem ein Spieler einen Begriff beschreiben, ein anderer ihn erraten musste. Während Ven überaus belustig darüber war, wie begriffsstutzig sich insbesondere Sora manchmal bei Roxas' merkwürdigen Erklärungen verhielt, schien Vanitas kurz davor, die richtige Antwort in den Raum zu werfen, weil er die, wie er es nannte, geballte Dummheit, nicht mehr aushielt. „Denk dran, wenn er es nicht errät, kriegen sie keine Punkte und verlieren“, flüsterte Ven ihm zu, was den Schwarzhaarigen tatsächlich zufriedenzustellen schien. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die Runde vorbei war und alle die Karten zusammensammelten, wohl um noch mal zu spielen. Ven überlegte, was er stattdessen gern tun würde, ihm war immer noch nicht ganz nach mitspielen, so wohl auch Vanitas. „Ach kommt schon, ich würde zu gern sehen, wie Vanitas sich blamiert“, stichelte Sora mit einem Grinsen zu seinem Bruder. Dieser schien dadurch angespornt, sich eben nicht zu blamieren und beschloss für Ven mit, dass sie eine Runde spielen würden. Der Blonde seufzte, allerdings war es keine große Überraschung für ihn, dass er mal wieder nicht mit entscheiden durfte. Das Spiel stellte sich jedoch als weitaus angenehmer heraus, als er befürchtet hatte. Auch wenn er von Vanitas hier und da einen Seitenhieb verpasst bekam, wie dumm er sich doch anstellte und wie dämlich man sein musste, manche Begriffe nicht zu erraten, wusste er, dass es nicht so gemeint war und sich manche Gewohnheiten wohl nicht ablegen lassen würden. Schlussendlich triumphierten sie. Damit würde Vanitas Sora sicher ewig aufziehen. Wegen eines Gesellschaftsspiels. Ventus fing einen verstehenden Blick seines Bruders auf, sie grinsten sich an und waren wohl beide froh, dass sie sich nicht ständig ansticheln und anmotzen mussten. „So, genug jetzt, vertragt euch! Wir sind noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen, aber ihr könnt ja jetzt wieder zu viert spielen“, meinte Soras und Vanitas' Mutter lieb und beide Elternteile richteten sich damit auf, um das Feld zu räumen. Nun hatte Ven aber wirklich keine Lust auf eine weitere Runde, glücklicherweise waren die anderen da seiner Meinung, allerdings hatten sie auch keine andere Idee. „Da fällt mir ein, wir wollten doch noch in den Streichelzoo!“, rief Sora plötzlich enthusiastisch und sprang auf. Während Roxas zustimmend nickte, kam von den anderen beiden im Einklang ein genervtes Seufzen. Nicht, dass Ventus etwas gegen Streichelzoos hätte. Er fühlte sich nur zu alt, um ohne ein Kind von unter zehn Jahren hinzugehen. „Ich schätze, ein wenig frische Luft wäre gar nicht so schlecht“, lenkte er schließlich ein und bekam dafür einen angeekelten Blick von Vanitas, der sich damit auch aufrichtete. „Dann wünsche ich euch mal viel Spaß. Hatte hier ohnehin schon viel zu lange nicht meine Ruhe.“ Er verließ den Raum und Ven rollte die Augen. Eigentlich hätte er meckern sollen, zumal es ihr letzter Tag zusammen war, aber Vanitas war eben so und er fand sich damit ab. Es wäre sicher auch nett, mal was mit den anderen beiden zu unternehmen, und ewig würden sie wohl auch nicht weg bleiben. „Worauf wartest du?“, wurde er interessiert gefragt und blickte fragend zu seinem Bruder. „Mal ehrlich, Ventus. Was denkst du, wer von uns Dreien die größten Chancen hat, ihn vom Gegenteil zu überzeugen?“ „Und wie soll ich das bitte machen?“ „Setz einen Hundeblick auf. Oder drück ihn stürmisch aufs Bett und küss ihn bis zur Besinnungslosigkeit. Mensch, was weiß ich, du bist der von uns beiden, der logischer denken kann.“ Genervt und ohne ein weiteres Wort stand er auf, um Vanitas zu folgen. Den Vorschlag würde er zwar sicherlich nicht in die Tat umsetzen – und er lief bei dem Gedanken auch leicht rot an – aber sich weiterhin dem Trottel-Duo aussetzen...nein, darauf hatte er ebenfalls keine Lust. Wie erwartet fand er Vanitas in dessen Zimmer vor, jedoch nicht auf dem Bett, sondern vor dem Schrank. „Was tust du da?“ „Ich packe deine Sachen.“ „Weil?“ Schweigend packte Vanitas weiter und sah nach einigen Sekunden zu ihm hoch, als sei das eine vollkommen unberechtigte Frage und die Antwort offensichtlich. „Hier hast du was zum Anziehen, ihr wolltet doch weg.“ Ven fragte nicht nach, wieso Vanitas ihm Kleidung rausgesucht hatte, nahm es einfach hin und nickte. Für einen kurzen Moment hatte er den Ausflug sogar schon wieder vergessen, seufzte nun bei der Erkenntnis, dass er es doch nicht allein mit Sora und Roxas aushalten wollte und sah Vanitas beinahe flehend an. Der packte jedoch unbeirrt weiter und Ven beschloss, ins Badezimmer zu gehen, um sich fertig zu machen. Wie wollte er Vanitas zum Mitkommen zwingen? Er war nun wirklich nicht der Typ für Streichelzoos, zumindest konnte Ven sich ihn nicht beim Streicheln der Kaninchen vorstellen, mit denen man meist im Gehege spielen durfte. Vielleicht sollte er zu erpresserischen Mitteln greifen. Manchmal half eben nichts Anderes. Er ging zurück ins Schlafzimmer und beobachtete den Schwarzhaarigen dabei, wie er etwas in die Tasche packte. „Das ist nicht-“ „Das ist mein Lieblingshemd. Mach es schmutzig und du bezahlst mit deiner Seele. Oder deinem Körper, was dir lieber ist“, erklärte Vanitas diabolisch grinsend und wollte damit wohl vom Thema ablenken. „Wieso packst du mir das ein?“ „Nimm es hin und geh jetzt.“ „Nein, weißt du, wir haben beschlossen, dass du mitgehst. Bevor du widersprichst: Du könntest versuchen, Sora ins Bärengehege zu werfen. Ist das nicht verlockend?“ Er bekam ein leichtes Glucksen als Antwort, Vanitas sah aber nicht allzu überzeugt aus. „Nett, wie du versuchst, mich mit Angeboten zu überreden. Nein, ich wüsste was Anderes, was ich im Gegenzug gern hätte.“ Das Grinsen hatte sich wieder auf sein Gesicht geschlichen und er richtete sich auf, um zu Ven rüberzugehen. Der ahnte nichts Gutes und bereitete sich darauf vor, zu flüchten, wurde aber schneller gegen die Tür gedrückt, als er wirklich gucken konnte. Vanitas durchbohrte ihn mit undeutbarem Blick, aber breit grinsend, als erwarte er etwas, und strich ihm beinahe liebevoll über die Wange und durch die Haare. „Sicher, dass du das nicht als Ausrede nimmst, und sowieso mitgekommen wärst, weil dir ohne mich langweilig ist?“ „Wer weiß?“ Alles andere als sanft presste der Schwarzhaarige seine Lippen auf Vens und starrte ihn, wie Letzterer bemerkte, als er kurz die Augen öffnete, wieder mal dabei an, er ignorierte es jedoch, schloss die Augen wieder und beugte sich leicht vor. „Kommt ihr dann bald?!“, wurden sie lautstark von draußen unterbrochen, Vanitas seufzte genervt und wandte sich ab, Ven kicherte ein wenig kindlich, antwortete dann aber. „Ja, ich denke schon!“, und dann leiser: „Ich geh schon mal vor.“ Damit verließ er das Zimmer und wurde schon erwartet. Hin und wieder fragte er sich wirklich, ob diese beiden die ganze Nacht vor der Türe darauf warteten, dass sich drinnen irgendetwas regte, und war sich nicht sicher, ob er ihnen andere Hobbies vorschlagen sollte. „Was genau tut ihr hier?“ „Äh...warten.“ „Warten? Ihr habt auch echt überhaupt nichts Besseres zu tun, oder?“ Treudoof schüttelten beide grinsend ihre Köpfe, sahen sich dann an, kicherten und wandten sich ab, um vorzugehen. Seufzend folgte Ven ihnen, ahnend, dass es erneut ein anstrengender Tag werden würde. Wenigstens war es ein wenig sonniger als an den vorherigen Tagen, sodass er mit seinem Pullover ohne Jacke hoffentlich nicht frieren würde. „Starrst du Löcher in die Wand?“, fragte ihn Vanitas, der an ihm vorbei ins Badezimmer ging und ihn dabei in die Seite knuffte. „Nein, ich warte, dass die Diva sich ein bisschen beeilt“, erwiderte er fröhlich lächelnd, als die Tür ins Schloss fiel. „Ich zeig dir gleich, wer eine Diva ist. Wart's nur ab.“ Irgendwie klang es aber inzwischen nicht mehr sehr angsteinflößend, wenn Vanitas ihm drohte, was den Vorteil hatte, dass Ven nicht mehr so schreckhaft in seiner Nähe war. Einer der Nachteile jedoch war, dass er nie wusste, wann er wirklich flüchten sollte und Vanitas ernsthaft beleidigt war. „Wir warten dann unten, Prinzessin.“ Er wartete keine Sekunde länger und lief zügig die Treppe runter, da er befürchtete, sonst noch für diese Worte bestraft zu werden. Zu seinem unglaublichen Glück fand er unten zwei Tratschtanten, die sich irgendwas auf Roxas' Handy ansahen und wirkten wie zwei amüsierte Dreijährige. Nicht, dass sie geistig normalerweise weit davon weg waren. „Weiht ihr mich ein oder bin ich dafür nicht cool genug?“, fragte er nur mäßig interessiert und ließ sich zum Warten auf der Treppe nieder. „Es ist so lustig!“ „Das musst du dir ansehen!“ Er bekam das Handy gereicht und durfte sich ein Video ansehen, bei dem irgendwelche Menschen hinfielen und dabei anscheinend lustig aussahen. Allerdings hatte er eher Mitleid, wissend, dass ihm so was auch ständig passierte. „Ihr seid ja noch gemeiner als der Kerl da oben“, mokierte er sich, als er das Mobiltelefon zurückgab und spürte einen nicht besonders festen Schlag auf seinen Kopf. Immerhin musste er jetzt nicht mehr warten. „Niemand ist gemeiner als ich, merk dir das.“ Das Trottel-Duo gluckste im Einklang und Ven richtete sich augenrollend auf. Ja, das würde lustig werden. Warum hatte er noch mal zugestimmt? Ihm kam urplötzlich wieder das merkwürdige Bedürfnis, sich oben einzusperren und den Tag vorbeiziehen zu lassen, aber er riss sich zusammen und sie machten sich alle gemeinsam auf den Weg. Dass sie wirklich in den Streichelzoo gingen, hatte er nie bezweifelt. Dann aber wirklich davor zu stehen, vier Teenager, ohne ein Kind, kam ihm aus irgendeinem Grund einfach merkwürdig vor. „Ich frag mich ja, wie dieses Zeug schmeckt“, hörte er plötzlich von Seiten Soras und beherrschte sich, nicht eine Hand vor seine eigene Stirn zu schlagen. Natürlich hatten die beiden Trottel für jeden dieses Futter gekauft, mit dem man bestimmte Tiere füttern durfte, und nun lief jeder von ihnen mit einem – beziehungsweise Ven mit zwei, da Vanitas sich strikt geweigert hatte, das anzufassen – Beutel Futter in der Hand durch die Gegend und sahen sich Tiere an. Ventus begutachtete die zugegebenermaßen überaus niedlichen Meerschweinchen in ihren recht groß gehaltenen Käfigen, die aber ziemlich gelangweilt wirkten, und warf dann einen Blick zu Vanitas, der sich mit verschränkten Armen wohl ein Blickduell mit einer Eule lieferte. Der Anblick war zu herrlich, um nicht zu lachen, und er überbrückte die wenigen Meter zwischen ihnen, um den Schwarzhaarigen leicht zu tacklen. „Du duellierst dich wirklich mit einer Eule?“ „Von der kann ich weitaus mehr erwarten als von euch.“ Erneut lachend wandte er sich wieder ab und stellte erstaunt fest, dass Sora und Roxas es tatsächlich bereits geschafft hatten, ihr Futter fallenzulassen und den Boden damit neu zu dekorieren. „Genau das meine ich“, hörte er Vanitas sagen, drehte sich zu ihm und sah, dass dieser sich entfernte, um bloß mit keinem von ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Eigentlich war es fast drollig, denn nun starrte er wenige Meter entfernt einen Papagei an, der zurückstarrte und dabei den Kopf von einer Seite zur anderen wippte. Vanitas wirkte wahrlich nicht wie ein besonders tierlieber Mensch, aber er schien sich mit ihnen weitaus besser zu verstehen als mit seiner eigenen Familie. Ven warf einen Blick zu Sora und Roxas und musste allerdings zugeben, dass ihm ihre peinlich kindliche Art auch ein wenig unangenehm war. Sie hatten wirklich ein außerordentliches Talent dafür, sich selbst und auch ihre Mitmenschen zu blamieren. Entschlossen ging nun auch Ven weiter und stupste beim Vorübergehen Vanitas in den Rücken, rechnete allerdings nicht mit einer Reaktion und war umso geschockter, als der Schwarzhaarige plötzlich neben ihm herging und scheinbar unschuldig einen Arm um seine Schulter legte. Nein, das würde nicht gut enden, das konnte Ven aus dem süffisanten Lächeln ablesen. Für den Moment geschah aber nichts Schlimmes, weswegen er es geschehen ließ und sie zusammen ein Stück weiter trotteten, um bei den Affen anzuhalten. „Ich glaube, ich denke noch mal über deine Idee mit Sora und den Käfigen nach, jetzt, da ich seine richtige Familie gefunden habe“, erklärte Vanitas staubtrocken und zeigte auf einen Schimpansen, der sich erst unter einem Arm kratzte und schließlich die Hand in den Mund steckte. Aus irgendeinem Grund musste Ventus über die Aussage, so offensichtlich sie auch gewesen war, herzhaft lachen. Er würde nicht unbedingt zustimmen, aber es klang wirklich lustig und die Vorstellung, Sora würde mit im Käfig rumhüpfen, kam ihm merkwürdigerweise gar nicht ganz so abwegig vor, wie man eigentlich glauben würde. Manchmal war der Brünette wirklich auf der Ebene eines Dreijährigen, der die Welt noch nicht so ganz verstand. Amüsiert beobachtete Ven einen Baby-Schimpansen, der sich ziemlich vorsichtig umherbewegte, aber unglaublich viel Spaß zu haben schien. Es war wirklich unfassbar süß, auch wenn Vanitas das, wie er mit einem Blick zur Seite feststellte, anders zu sehen schien. „Okay, dann lass uns weitergehen!“, schlug er vor und grinste dabei. Nein, Vanitas schien wirklich kein besonders tierlieber Mensch zu sein, aber augenscheinlich bemühte er sich. Der Arm wurde von Vens Schulter gehoben und er wollte sich schon freuen, dass nichts Schlimmes passiert war, als Vanitas weiterging, es dann aber nicht versäumte, Ven lautstark und fest auf den Hintern zu schlagen. Sein Grinsen wich einem beinahe neutralen, schwer deutbaren Blick. Seine Augenlider senkten sich und er atmete einen Moment tief durch. Es fühlte sich bescheuert an, eine solche Geste zu erfahren und das schien genau das Ziel gewesen zu sein, weswegen er entschlossen hinter Vanitas herstürmte mit dem Willen, ihn umzureißen. Dieser Plan ging jedoch mehr als nur nach hinten los, denn er hatte nicht Bedacht, dass Vanitas ziemlich standhaft war und sich – so fühlte es sich jedenfalls an – in einen Stein verwandeln konnte, wenn es von Nöten war. So ergab es sich, dass Ven in den Rücken des Monsters hineinlief, ohne irgendwelche Schäden zu hinterlassen. Stattdessen drehte sich sein geliebter Freund um und zog verwirrt eine Augenbraue hoch. „Was genau sollte das werden?“ „Ist doch egal. Idiot.“ Schmollend ging Ven weiter und verschränkte die Arme vor der Brust. Irgendwann würde er diesen Kerl in einem vollkommen unerwarteten Moment erwischen und es ihm richtig heimzahlen, einfach alles, was er je gemacht hatte, oder ihn ordentlich blamieren. Nur ein einziges Mal, mehr verlangte er wirklich nicht. „Mal eine ernstgemeinte Frage an dich: Was genau tun wir hier eigentlich?“, wurde er plötzlich gefragt und hielt inne. Im ersten Moment klang die Frage blöd, schließlich war es ziemlich offensichtlich, was man wohl in einem Streichelzoo tat, aber bei genauerer Überlegung konnte er keine richtige Antwort geben. „Worauf willst du hinaus?“, konterte er deswegen nur, weil er wusste, dass diese Worte nicht von ungefähr kommen konnten. Was hatte Vanitas dieses Mal vor? Es konnte auf jeden Fall nichts Gutes sein. „Siehst du dann. Schenk das Futter den beiden Kindern dort drüben, die haben keins mehr“, befahl Vanitas beinahe und zeigte auf ein Geschwisterpärchen wenige Meter von ihnen. Das sollte wohl heißen, dass sie den Zoo jetzt verlassen würden? Eigentlich war Ven damit sogar mehr als einverstanden, weswegen er nickte und tat, wie geheißen. Die Kinder freuten sich über das zusätzliche Futter und die Eltern darüber, dass sie fürs Erste keins nachkaufen mussten. Die strahlenden Gesichter der Kleinen entlockten Ven ein Lächeln, bevor er sich abwandte und Vanitas hinterherging, der auf den Ausgang zusteuerte. „Du könntest mir wenigstens verraten, wo wir hingehen.“ „Können und wollen sind zwei verschiedene Dinge. Wart's einfach ab.“ Augenrollend akzeptierte Ven für den Moment, keine Informationen zu bekommen, und folgte einfach. Dass sie sich nicht bei Sora und Roxas verabschieden würden, war ihm egal – die hatten sie wahrscheinlich ohnehin vergessen und schon den gesamten Boden neu eingerichtet. Jetzt, da sie in die Freiheit getreten waren, schenkte er zum ersten Mal ihrer Umgebung Aufmerksamkeit. Der Zoo lag mitten in einem kleinen Wäldchen und heute war ein wirklich sonniger Tag, wodurch die Atmosphäre ziemlich nett war. Normale Paare hätten so etwas wohl für einen schönen Spaziergang benutzt. Ven jedoch war auf irgendeine Art froh, dass Vanitas sich überhaupt mit ihm sehen ließ und dachte gar nicht daran, sich so was bei ihnen vorzustellen. „Kommst du jetzt?“, wurde er gefragt und schreckte auf. Er hatte gar nicht gemerkt, stehengeblieben zu sein, und holte zügig die paar Meter auf, die Vanitas vorgegangen war. Auch wenn er sich unglaublich umgänglich verhielt, war Ven immer noch misstrauisch und konnte absolut nicht einschätzen, wo sie denn nun hingehen würden. Eine gute Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, Vanitas wirkte zielstrebig, Ven hingegen genoss die hübsche Umgebung und belächelte ein paar Tiere, die er hier und dort entdeckte. Irgendwann, es musste eine gute halbe Stunde vergangen sein, wollte ihn die Neugierde aber doch bald auffressen, weswegen er quengelig an Vanitas' Hand zog, um zu zeigen, dass er eine Antwort erwartete. Er wurde nüchtern angesehen, seine Hand dann gepackt und schließlich weitergezogen. Glucksend dachte er sich, dass das wohl das Nächste war, was für sie beide tagsüber an ein liebevolles Händehalten herankommen würde. Sie betraten einen eigentlich ziemlich öde ausschauenden Park. Er war nicht besonders hübsch gemacht, eher ein wenig vernachlässigt, und irgendwie wunderte es Ven so gar nicht, dass sie an einen solchen Ort gehen würden. Doch er sollte überrascht werden, gleich nachdem er gezwungen wurde, einen überaus steilen Weg zurückzulegen, der sie auf eine Art Berg brachte. Erst schnaubte er leicht außer Atem, dann stockte ihm dieser kurz ganz. Das war...Er blickte sich um und fand keine Worte. Er war sich sicher, dass sie sich immer noch im Winter befanden – ihm war nämlich nicht sonderlich warm – und dennoch blühten hier schon die ersten Frühjahrsblumen, primär Krokusse, und ließen die Wiese wirken, als seien sie mitten im Frühling. „Is' nich wahr!“, hörte er sich selbst staunen und war wirklich absolut baff. Seine Hand wurde losgelassen und Vanitas ging ein paar Schritte vor, um sich dort gemütlich ins Gras sinken zu lassen. Absolut niemand war weit und breit zu sehen, auch wenn das in Anbetracht dessen, was hier zu sehen war, absolut unglaublich klang. „Woher kennst du so einen Ort?“, fragte er, immer noch mehr als hin und weg, und trat zu Vanitas rüber, um sich neben ihn zu setzen. Der Angesprochene ließ sich Zeit, um zu antworten, und hatte die Augen geschlossen, als sei er vollkommen entspannt, setzte dann aber an. „Zufällig entdeckt. Hier ist so gut wie nie jemand und ich hab noch nie jemandem davon erzählt. Es ist quasi...mein Platz“, erklärte er langsam, als könne er dabei etwas Falsches sagen, aber für Ven fühlte es sich genau andersrum an. Vanitas teilte seinen persönlichen Lieblingsort mit ihm und das war ein tolles Gefühl, dass er mit Worten nicht unbedingt hätte beschreiben können. Freude? Begeisterung? Ja, das traf es ziemlich gut. Zufrieden seufzend ließ er sich komplett fallen und drückte seinen Kopf in die etwas kühle Wiese. Er konnte sich kaum vorstellen, wie schön dieser Ort erst im Frühling oder Sommer sein würde. Etwas geknickt stellte er fest, dass er das wohl nicht erleben würde. „Was verstimmt dich?“, wurde er gefragt und dachte kurz nach. „Hab mich gefragt, wie's hier wohl im Sommer aussieht. Aber das werde ich ja kaum zu Gesicht bekommen.“ Er schloss die Augen, war aber nach einer Weile ein wenig verwundert, dass darauf nichts mehr folgte und öffnete sie deshalb wieder. Anscheinend war er die ganze Zeit skeptisch angeschaut worden, weshalb er jetzt den Kopf schieflegte. „Was denn?“ „Ich verlange, dass du darauf bestehst, mich in jeder deiner möglichen freien Minuten sehen zu dürfen.“ Kurz reagierte Ven nicht auf diese Worte, dann musste er jedoch glucksen. Das klang wirklich sehr ulkig und obwohl er sicher war, dass Vanitas das ernst meinte, konnte er es für einen kurzen Moment kaum glauben. War das seine Art, ihm zu sagen, dass er ihn um sich haben wollte? „Ich befürchte, die Fahrt dauert etwas lange, als dass es sich lohnen würde, jedes Wochenende vorbeizuschauen.“ „Dann eben jedes Zweite.“ „Vanitas...“ Nun ließ der Schwarzhaarige ein belustigtes Geräusch hören, aber er schien die Sache dennoch ziemlich ernst zu nehmen. Ventus hatte geglaubt, er wäre eher der lockere Typ, der seinen Freiraum brauchte, aber inzwischen wirkte er fast anhänglich. Nur eben auf die Art, dass er es nicht selbst zeigen wollte, sondern Ven die Rolle aufdrängte, sich darum zu kümmern, dass sie sich so oft wie eben möglich sehen konnten. „Ich mein's ernst, Ven. Du solltest darauf brennen, mich bei dir haben zu können. Und wehe, du ersetzt mich einfach.“ Das hatte er zwar ohnehin niemals vorgehabt – und er glaubte auch nicht, dass er das ohne Weiteres könnte, selbst wenn das sein Ziel wäre – aber es war mehr als niedlich, diese Worte zu hören. Es waren diese Dinge, die niemand außer ihm zu hören bekam, die ihm am besten gefielen; die ihm zeigten, dass er etwas Besonderes für diesen scheinbar unausstehlichen Kerl war – und er liebte es! „Du möchtest mir also sagen, dass du mich bei dir haben willst, aber drückst es so aus, als hätte das gar nichts mit deinen eigenen Wünschen zu tun, hm?“, neckte er ein wenig und richtete sich damit auf, damit sie auf Augenhöhe des jeweils anderen waren. Für einige Zeit blickten sie sich an und schwiegen. Ven mit einem zufriedenen, breiten Lächeln, Vanitas mit einem beinahe hochnäsigen, leichten Grinsen. Normalerweise mochte Ven es überhaupt nicht, jemanden über einen längeren Zeitraum anzustarren, geschweigedenn, lange angesehen zu werden, aber jetzt fühlte es sich absolut richtig und gut an. Als sei es einfach so vorbestimmt. Und trotzdem wurde ihm langsam aber sicher kalt. Er hatte wieder einmal vergessen, dass es Winter war und somit früh dunkel und auch kühler werden würde. Nun bereute er es, keine Jacke angezogen zu haben, aber zu seinem Glück hatte er jemanden neben sich sitzen, der nicht wirkte, als sei ihm ansatzweise so kalt wie ihm selbst. Genau deswegen löste er den Blickkontakt, um näherzurücken und sich anzulehnen in der Hoffnung, dass ihm das genügend Wärme spenden würde. Es war tatsächlich angenehm – und das in vielerlei Hinsicht – aber kalt war ihm trotzdem noch. „Ob du je daran denken wirst, dich ausreichend warm anzuziehen?“ „Wer weiß? Vielleicht will ich nur, dass du mich warm halten musst.“ Nun, eigentlich er an so etwas gar nicht gedacht, aber es war trotzdem sehr nett, einfach hier zu sitzen und die Zeit zu genießen, die sie eben noch zusammen verbringen konnten. Gerade deswegen rückte er noch etwas näher heran, als wolle er in den Körper neben sich hereinkriechen, und schloss zufrieden murrend die Augen. Ja, es fühlte sich gut an, auch wenn er das vor einigen Tagen für irrsinnig gehalten hätte. Zusätzlich bekam er die Reaktion, die er sich gewünscht hatte – ein Arm, der sich um seinen Körper legte und ihm zusätzliche Geborgenheit wie auch Wärme schenkte. Könnte es besser werden? „Bring mich nicht auf falsche Gedanken“, wurde seine beinahe aufdringliche Geste des Herankuschelns kommentiert, wenn auch vollkommen kritiklos, was ihn aus irgendeinem Grund wieder zum Grinsen brachte. „Was für Gedanken denn?“, fragte er mit neugierigem Unterton und blickte dabei in Vanitas' beinahe gierig schauende Augen. Schneller, als es ihm lieb war, wurde er am Brustkorb zurück in eine liegende Position gedrückt und drängend sowie gleichzeitig sanft geküsst. Sein Herz schlug ein wenig schneller als üblich und sein Magen zog sich ein bisschen zusammen. Es war zwar nicht ihr erster Kuss, aber – wie er feststellte, als er es kurz wagte, ein Auge zu öffnen – der Erste, bei dem Vanitas tatsächlich seine Augen geschlossen hatte. Aus irgendeinem Grund gab Ven diese Tatsache ein triumphartiges Gefühl, als hätte er etwas Besonderes erreicht, und entlockte ihm ein Lächeln, bevor er sich ziemlich gedankenlos weiter in den Kuss lehnte. Ihm hätten die Worte gefehlt, es zu beschreiben, und er vergaß für einen Moment sogar, zu atmen. Er bekam jedoch die Gelegenheit, tief Luft zu holen, als sich ihre Lippen voneinander lösten, hielt seine Augen aber geschlossen, als würde er sonst etwas verpassen, und gab ein zufriedenes Geräusch von sich, als seine Wange gestreichelt wurde. Für mehrere Minuten verharrten sie stumm in dieser Position und gerade, als er seine Augen öffnen wollte, wurde er aufgehalten, indem nun seine andere Wange mit Küssen bedeckt wurde, die bis zu seinem Nacken wanderten. Ein leichtes Zucken durchfuhr seinen Körper und er bekam eine mehr als angenehme Gänsehaut, war jedoch insgeheim ein wenig panisch, hier doch von irgendwem gesehen zu werden, und daher froh, dass Vanitas sich lediglich ausgiebig an seinem Hals zu schaffen machte. Das würde wahrscheinlich wieder einen deutlich sichtbaren Knutschfleck geben, auch wenn es ihn dieses Mal überhaupt nicht störte. Er kicherte, als irgendeine Bewegung an seinem Hals ihn kitzelte, und wurde daraufhin erstmal losgelassen und konnte sich aufrichten. „Ist dir jetzt wärmer?“ Etwas peinlich berührt nickte er. Ihm war sogar viel wärmer, seine Wangen fühlten sich ziemlich heiß an und er fühlte sich einfach nur großartig. Wenn er daran dachte, dass er das eigentlich mehr als nur einen Tag hätte genießen können, kam er sich ein bisschen dumm vor, aber es war nicht mehr zu ändern. „Das gefällt mir so noch nicht“, hörte er Vanitas sagen und kam nicht dazu, ihn fragend anzusehen, bevor sein Kopf gepackt und leicht zur Seite gelegt wurde, um seinen Hals freizulegen. Der Knutschfleck? Ven lachte auf und hatte ein bisschen das Gefühl, dass Vanitas sich Mühe geben würde, einen zu machen, der möglichst lange hielt. „Halbfertig gibt es bei dir nicht, hm?“ „Absolut nicht.“ Aber er kam nicht dazu, weiterzumachen, da ein Handy – Vens – zu klingeln begann und beide genervt aufstöhnen ließ. Typisch. Im Normalfalle verzichtete das Trottel-Duett dankend auf sie beide, aber natürlich mussten sie genau jetzt nerven. Ein wenig unzufrieden hob er ab und ließ sich einen Kurzvortrag darüber halten, wie gemein es doch sei, einfach abzuhauen, schließlich hätte auch etwas passiert seinen können. Skeptisch hob er eine Augenbraue. „Und was sollte bitte passiert sein?“ „Es hätte jemand ins Bärengehege gefallen sein können!“ „Ist das nicht eher euer Spezialgebiet?“ „Wo seid ihr denn jetzt?!“ „Sag ich nicht. Bis später.“ Damit legte er auf und las nicht mal mehr die vollkommen entrüstete SMS, die er daraufhin erhielt, bevor er das Handy abschaltete und in seine Tasche steckte. Absolut oscarreif, sich ausgerechnet jetzt zu melden. „Du kannst ja ganz schön zickig sein, wenn man dir auf die Nerven geht.“ „Aber das wusstest du schon, nicht wahr?“ Er grinste ein wenig keck, auch wenn diese Erinnerungen vielleicht nicht die Nettesten waren. Sein schlechtes Gewissen hielt sich zwar, gelinde gesagt, in Grenzen, aber er würde alsbald nicht vergessen, wie gruselig ein wütender Vanitas sein konnte, wenn er wollte. Ein wenig verwunderte blinzelte er und erwachte aus seiner nachdenklichen Trance, als ihm vor die Stirn geschnipst wurde. „Hey!“ „Wir gehen jetzt nach Hause. Du zitterst.“ Das stimmte sogar, auch wenn es ihm selbst wahrscheinlich nicht aufgefallen wäre. Ihm war sogar ziemlich kalt, aber eigentlich war ihm noch nicht danach, diesen Ort zu verlassen. „Müssen wir?“ Er bekam keine Antwort, stattdessen wurde er auf die Beine gezogen, was ihm ein Schmollen entlockte, und wurde dazu gezwungen, mitzugehen. Na gut, dachte er sich. Aber irgendwann wollte er diesen Ort wiedersehen. Für einen kurzen Moment hielt er an, als sie an dem steilen Weg nach unten ankamen und drehte sich ein letztes Mal um. Der Gedanke, der einzige Mensch zu sein, mit dem Vanitas diesen Ort wohl teilen würde, entlockte ihm ein kindliches Lachen und ein breites Lächeln, bevor sie sich schließlich auf den Weg machten. Sie trafen auf ungewöhnlich wenige Menschen – und Ven war sich sicher, dass das seinen Grund hatte – und kamen weitaus schneller an ihrem Ziel an, als es ihm lieb gewesen wäre. Dennoch würde er nicht bestreiten, sich zu freuen, ins Warme zu kommen. Es war wirklich sehr kalt gewesen, auch wenn er versucht hatte, es zu verdrängen. Zielstrebig wurde er an der Hand die Treppe herauf gezogen, ohne die Gelegenheit zu bekommen, das zu hinterfragen. „Hey, hey! Was denn?“ „Du hast mir noch nichts von dir gegeben, was dich davon abhält, mich abzuschreiben.“ Vanitas klang toternst, was Ven glucksen ließ. Die Sache mit dem Hemd – welches ihm höchstwahrscheinlich nicht mal besonders gut stehen würde – hatte er schon fast wieder vergessen, dachte dann aber nach. Wahrscheinlich sollte es also etwas sein, was er nicht so gern entbehren würde. Davon hatte er mehrere Teile. Sein Lieblingsshirt, seinen Lieblingspullover... Er entschied sich für das Shirt, da er den Pulli wohl brauchen würde, schließlich war es immer noch sehr kalt und er hatte nicht so viele. Zu seinem Glück befand sich beides noch im Schrank und war nicht bereits gepackt. „Grün steht mir nicht“, erklärte Vanitas mit leicht pikiertem Blick, als Ven ihm das Objekt der Begierde hinhielt, was den Blonden die Augen rollen ließ. „Damit hätte ich irgendwie rechnen sollen, oder?“ Er blieb jedoch dabei; dieses Oberteil war für ihn persönlich ein Opfer, dass er gar nicht gern erbrachte, also sollte dieser Kerl es gefälligst annehmen! „Damit musst du wohl leben, denn ich werde mich nicht umentscheiden“, erklärte er, streckte seine Zunge aus, legte das Oberteil wieder in den Schrank und machte sich dann daran, den Rest zu packen. Ihm kamen Erinnerungen an den dämlichen Aufenthalt in der Skihalle, während welchem sie sich beidermaßen alles andere als elegant angestellt hatten; an den Schwimmbadbesuch, der ihn ziemlich verwirrt zurückgelassen hatte; an den Abend, an dem er sich geweigert hatte, in ihr gemeinsames Zimmer zurückzukehren. Nun, da er darüber nachdachte, war das meiste wahrscheinlich unfassbar kindisch wie unnötig gewesen, andererseits glaubte er auch nicht, dass sie sich einander ohne die Streitigkeiten angenähert hätten, also war es wohl in Ordnung. „Erwachst du heute noch mal aus dem Delirium?“ Er schreckte hoch, schüttelte kurz verwirrt den Kopf und lachte dann mit entschuldigender Tonlage. „Ich musste an die letzten Tage denken.“ „Sicher ist dir bewusst geworden, wie schrecklich unumgänglich du dich verhalten hast.“ Damit ließ der Sprechende sich grinsend auf sein Bett fallen, wahrscheinlich noch vollkommen überzeugt von dieser Aussage. Nein, da war Ventus definitiv anderer Meinung, aber es würde wohl nichts bringen, darüber zu diskutieren. „Hoffentlich war das an dich selbst gerichtet.“ „Ich bin doch nun wirklich menschenfreundlich.“ „Nee, ist klar.“ „Ven!“ Sein Blick huschte zur Tür und sein Blick verfinsterte sich. Nun blieb wirklich nicht mehr viel Zeit, die man nutzen könnte, und irgendwie fühlte er sich wieder einmal unangenehm beobachtet. Kurz überlegte er, gar nicht erst zu antworten, ging dann aber doch zur Tür rüber. Nun, da er darüber nachdachte, hatte er wohl noch einen Vortrag vor sich, wie unhöflich es doch sei, einfach aufzulegen und das Handy abzuschalten. Dennoch öffnete er die Tür. „Oh, ihr seid also doch da! Ich hab mir schon Sorgen gemacht...jedenfalls fahren wir bald, du kannst deine Sachen schon mal runterbringen!“ Er nickte und schloss seinem Bruder die Tür wieder vor der Nase. Wenn er sich im Laufe der Woche eins von Vanitas abgeschaut hatte, dann absolute Dreistigkeit und Unhöflichkeit. Seufzend stellte er fest, dass das vielleicht eine der harmlosesten Charaktereigenschaften war, die er sich hatte abschauen können, und war demnach doch recht froh darüber. „Willst du über belanglose Dinge grübeln oder die Zeit nutzen?“, wurde er gefragt und wandte sich zum Sprechenden, der skeptisch aussah, als sei es vollkommen irrational, in so einem Moment in Gedanken versunken zu sein. Grinsend überbrückte Ven die paar Schritte zwischen Tür und Bett, ließ sich auf Letzteres sinken und starrte in ein paar goldene Augen, das ihn prüfend musterte. „So belanglos ist das gar nicht, weißt-“ Er wurde unterbrochen, indem man ihn in die weiche Matraze drückte und begutachtete. Wollte er wissen, was das nun sollte? Verwirrt zog er also eine Augenbraue hoch und zuckte zusammen, als er eine Hand an seinem Hals spürte. Damit hatten er wohl unwiderruflich gezeigt, dort mehr als kitzlig zu sein, und es war wohl überflüssig, zu erwähnen, dass dies nicht unbemerkt blieb und sofort ausgenutzt wurde. „Nein, bitte nicht!“, rief er unter Lachen und versuchte, sich zu wehren, war jedoch am Bett festgepinnt und körperlich weitaus weniger kräftig, konnte es also nur über sich ergehen lassen. „Du weißt...was...ich mache!“, presste er angestrengt hervor, aber anscheinend wurde ihm nicht geglaubt. Sollte er es wagen? Eigentlich wäre es verdient, schließlich war kitzeln auch nicht besonders nett, er kam jedoch nicht dazu, da von ihm abgelassen wurde. „Nächstes Mal solltest du mich besser anflehen, dich zu verschonen. Bereite dich schon mal drauf vor.“ Dafür würde er zwar erstmal genügend Zeit haben, er glaubte allerdings nicht, dass man sich auf so etwas vorbereiten konnte. Schwer atmend stand er auf, richtete seine verwühlte Kleidung und rieb sich die Augen. Es wurde schon spät, dunkel war es ohnehin schon vollständig, und er hatte auch eine Menge Schlaf nachzuholen. „Geht's los?“ Er nickte und versuchte, Vanitas' recht ungreifbaren Blick zu deuten. Zu einem direkten Schluss kam er nicht, meinte aber, eine Spur Bitterkeit zu erkennen, was ihn schmunzeln ließ. So ging es ihm gleichermaßen. Mit einem hoffentlich halbwegs aufmunternden Lächeln drückte Ven ihm einen kurzen Kuss auf, nahm dann seine Tasche und verließ das Zimmer. Einen letzten Blick wagte er, dachte noch einmal an die Woche zurück, nickte dann zufrieden und machte sich auf den Weg. „Da seid ihr ja endlich! Ihr lasst einen aber auch wirklich warten.“ „Hi Mama. Hi Papa.“ Geflissentlich ignorierte Ven die Worte seines Bruders, wissend, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, darauf einzugehen. Es würde wahrscheinlich nur einen peinlichen Spruch auf seine kosten provozieren. Ihre Eltern lächelten zufrieden, offenbar glücklich darüber, dass alle in einem Stück waren und sich anscheinend gut verstanden hatten. Was im Detail dahintersteckte, mussten sie in Vens Augen noch nicht unbedingt wissen, aber da er ohnehin ein eindeutiges Mal am Hals hatte, würden sie irgendwann schon von selbst fragen. Gemeinsam brachten sie ihre Taschen zum Auto, verstauten alles und machten sich dann bereit zum Aufbruch. Seufzend, wenn auch nicht direkt unzufrieden, ließ Ven sich neben Roxas nieder und warf ihm ein kurzes Lächeln zu, bevor er sich an seine Fensterscheibe wandte, an die geklopft wurde, um sie ein Stück weit zu öffnen. „Nun hätte ich beinahe vergessen, dir etwas Wichtiges zu sagen!“ Das Grinsen auf Vanitas' Gesicht war mehr als nur diabolisch und verärgert über sich selbst kam Ven der Gedanke, dass es auch naiv wäre, zu glauben, er käme ohne einen letzten peinlichen Moment nach Hause. „Ach, was denn?“, fragte er und versuchte locker zu klingen, war aber doch ein wenig beunruhigt und hätte das Fenster am liebsten wieder hochgefahren, um sich nicht blamieren lassen zu müssen. „Oh, die Sache mit dem ersten Knutschfleck...“ Sein Grinsen weitete sich noch, falls das möglich war, und Ven meinte, von neben sich ein unterdrücktes Glucksen zu hören, für welches er sich später noch rächen würde. Nun aber galt seine Aufmerksamkeit aber Vanitas, der dazu ansetzte, seinen Satz zu beenden. „Der war volle Absicht!“ Lachend wandte er sich ab, um zum Haus zurückzukehren, und Ven blieb nichts, als ihm mit vor Schock weit offen stehendem Mund nachzublicken. Dieser Mistkerl! Diese fiese Ausgeburt der Hölle, dieses Monster! Das würde er ihm so heimzahlen! Mit dem Ziel vor Augen, die gesamte Fahrt über mit niemandem zu reden, und aus Selbstschutzgründen nicht mal einen Blick zu seinem Bruder zu wagen, starrte er im Fenster sein tiefrot angelaufenes Spiegelbild an. Aber eigentlich, wenn er so darüber nachdachte, war es wohl ganz besonders diese überaus dreiste, gar unverschämte Art, die er an Vanitas ganz besonders mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)