Funeral of the sentient being von Ceydrael (Seelenjäger) ================================================================================ Kapitel 3: Stolz ---------------- Shou sah dem großgewachsenen Kampfmeister noch kurz hinterher, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit allein von den drei kleinen Phiolen in seiner Hand in Anspruch genommen. Wie immer war er fasziniert von dem milden Glimmen dieser Lebensessenzen, die in dem kristallklaren Glas konserviert wurden. Allein mit diesen Seelen waren die Wesen auf der anderen Seite zufrieden zu stellen. Nur das willige Darbringen dieser Opfergaben hielt das ganze Unheil davon ab, sich schlussendlich aus seinem Gefängnis zu zwängen und sich das zu holen, was es begehrte. Shou war nicht dumm. Er war sich im Klaren darüber, dass diese Methode mit Sicherheit nicht für die Ewigkeit geschaffen war. Denn ein Raubtier war ein Raubtier. Und die Jagd war so tief in diesen Wesen verwurzelt, wie ein Jahrhunderte alter Baum in den Tiefen der Erde. »Herr?« Equid sah den Gatekeeper fast besorgt an, was den dunkelhaarigen Mann innerlich auflachen ließ. Ein Kämpfer mit Sorge in den Zügen. Welch Wunder und welch seltenes Schauspiel. Ein Stich der Erregung schoss durch den Körper des kleineren Mannes, denn Macht war ein starkes Aphrodisiakum. Diesem stillen, kräftigen Krieger Regungen zu entlocken war ein wahrer Triumph. Takeru hatte bei seiner Ausbildung wahre Mühen und sein eigenes Herzblut in diese Kämpfer gesteckt, um ihnen die benötigte Härte und den Gehorsam aufzuzwingen. Dass er, Shou, es nun schaffte, diese eiskalte Mauer um diesen Mann ins Wanken zu bringen, war ein Sieg, den er sich nicht nehmen lassen würde. Auch wenn er nichts für diesen ruhigen Krieger fühlte; es reichte voll und ganz zu wissen, dass dessen Interesse und Emotionen geweckt waren. »Herr, wenn Ihr mit den Fähigkeiten meines Bruders Serpent unzufrieden seid, so wäre es mir eine große Ehre, wenn ich Euch das nächste Mal die benötigten Seelen bringen dürfte.« Der rothaarige Mann sank vor Shou auf die Knie und senkte sein Haupt schon fast unmöglich tief über den Boden. Die schlanken Finger des Gatekeepers schlossen sich fester um die kleinen, zerbrechlichen Phiolen in seiner Hand, die leise protestierend knirschten. Serpent… Ja, Shou war es gewohnt, alles zu bekommen. Leider entzog sich dieser hellhaarige Assassine diesem ungeschriebenen Gesetz. Denn Serpent folgte nichts und niemandem außer Takeru. Und nie konnte man Regung in diesen strahlend grünen Augen sehen, die Shou seid Anfang an mehr als alles andere hier fasziniert hatten. Die Hand des Gatekeepers legte sich neben dem Kopf des hellhaarigen Assassinen an der Wand ab, um diesen an eventueller Flucht zu hindern. »Du gefällst mir, Serpent.« Shou´s Blick glitt mit unverhüllter Bewunderung über den sehnigen, schlanken Körper des Kämpfers. Serpent ließ sich nicht beeindrucken, weder von der Autorität des Mannes vor sich, noch von dessen offensichtlicher Gier in den schwarzen Augen. Er tat das, was er am Besten konnte, er schwieg. Das schien den dunkelhaarigen Gatekeeper noch mehr anzustacheln, sodass er auch noch seine andere Hand neben dem Kopf des Größeren an die Wand stemmte und den Krieger somit einschloss. Furcht hatte Shou nicht, denn niemals würde einer dieser abgerichteten Marionetten eine Hand gegen ihn erheben. Der kleinere Mann beugte sich ein wenig vor, sodass die beiden ungleichen Augenpaare nah beieinander lagen. »Ich will, dass du das Bett mit mir teilst, Serpent.« wisperte Shou ungeniert und mit jener Art Tonfall, der eigentlich keinen Widerspruch zuließ. Die blasse Hand des Gatekeepers löste sich von der Wand, nur um sich einen Weg über die Brust des Hellhaarigen zu bahnen und dort verschlungene Kreise auf dem Stoff von dessen Rüstung zu zeichnen. Serpent ließ auch jetzt keine Regung erkennen; wenn er etwas empfand, dann war es einzig und allein Missbilligung gegenüber dem Verhalten des Mannes vor sich. Er empfand weder Lust noch Furcht oder Abscheu. Diese Gefühle waren ihm so fremd wie seine Eltern, deren Gesichter verschwommen und unkenntlich im Nebel seiner Erinnerung verschwanden. Er fand das Benehmen des kleineren Mannes einfach nur…unpassend. Serpent selbst begehrte nicht; weder Mann noch Frau. Diese Dinge, welche zwischen zwei Menschen hinter geschlossenen Türen vorgingen, lagen nicht in seinem Interesse. Er hatte keine Verwendung für derartige Freuden. Denn sich jemandem hinzugeben würde heißen, Macht und Kontrolle einzubüßen. Und genau das hatte er sich mit Schmerz all die Jahre hart erkämpft. »Verzeiht, Herr. Aber dafür bin ich nicht der Richtige. Sucht Euch jemand anderen.« Ohne Empfindung auf den harten Zügen packte er das Handgelenk des Gatekeepers und zog dessen Hand von seiner Brust. Shou´s Augen blitzen kurz auf, Abweisung war wahrlich nichts, womit dieser Mann umgehen konnte. »Ich kann dir auch befehlen, mir zu Diensten zu sein, Serpent.« fauchte er schon fast drohend. Der hellhaarige Assassine schenkte dem Kleineren einen unterkühlten Blick aus seinen giftgrünen Augen, bevor er den Gatekeeper einfach beiseite schob und seiner Wege ging. »Versucht es, Herr. Es wird jedoch nichts an meiner Antwort ändern.« Shou erbebte in hilflosem Zorn und blieb gedemütigt zurück. Ja, Shou konnte Zurückweisung schlecht verkraften. Vor allem bei Dingen, die er mehr als alles andere wollte. Die Tatsache, dass er sie nicht haben konnte, weckte erst recht seinen Ehrgeiz und seine Wut. Er sah flüchtig wieder auf den Krieger mit den Feuerhaaren hinab, der ihm mehr als willig diente, packte die Phiolen und schritt durch den Raum auf einen verhüllten Spiegel zu. »Nicht nötig, Equid. Ich brauche dich hier.« Der Gatekeeper ließ seine dunkle Robe an seinem schlanken Körper herabgleiten und hängte sich die kleine Silberkette mit den Phiolen um den Hals, was nun das Einzige war, was ihn noch kleidete. Schamgefühl kannte der junge Mann nicht. Er wusste, dass sein Körper durchaus einen zweiten Blick wert war. Außerdem würde der Stoff die nächsten Minuten eh nicht überleben. Equid trat an seine Seite und schaffte es mit dem krampfhaften Versuch, sein Begehren verstecken zu wollen, den Körper des dunkelhaarigen Mannes wieder sanft zu erhitzen. Shou brauchte die Bestätigung, gebraucht und begehrt zu werden. Und er brauchte das Gefühl der Macht über andere Menschen, welche wie flüssiges Feuer durch seine Adern rann. Denn dieses Gefühl allein konnte sein zerstörtes und kühles Wesen erhellen. »Junger Herr, gefallen Euch die Geschenke nicht?« Der Butler sah entsetzt auf das Chaos, welches der Junge angerichtet hatte. Seine gesamten Weihnachtgeschenke hatte er zerstört und achtlos durch die Gegend geworfen. Das Zimmer glich eher einem Schlachtfeld als dem Zimmer eines Kindes. Shou saß zwischen einem Haufen Plüschtieren, welchen er mit kühlem Blick die Gliedmaßen vom Körper getrennt hatte. Gerade war er dabei, einem Teddybären die Augen zu entfernen und mit sichtlicher Genugtuung in den Kamin zu werfen. »Wo sind meine Eltern?« »Herr, Ihr wisst doch, dass sie heute Abend nicht da sein können. Sie haben geschäftlich-« Der arme Mann wurde unterbrochen, als ihn ein hartes Ding an der Schläfe traf, welches sich als Holzbaustein herausstellte. »Sie lieben mich nicht! Warum sind sie nie hier? Warum? Warum?« kreischte der zierliche Junge aufgebracht. »Junger Herr, bitte. Sie werden schon noch kommen. Vorerst kann ich Euch doch Gesellschaft leisten.« Der Junge verstummte und musterte den Butler mit schiefgelegen Kopf und beängstigendem Glitzern in den Augen. »Du willst mir Gesellschaft leisten?« Der ältere Diener schluckte und verbeugte sich leicht, wobei ein eisiger Schauer über seinen Rücken strich, der sich anfühlte wie Totenfinger. »Ja, Herr.« Der Junge klatschte begeistert in die Hände und grinste so breit und emotionslos, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. »Gut, dann lass uns spielen.« Shou bedeutete Equid, dass er den Stoff von dem Spiegel ziehen und diesen somit enthüllen sollte. Die älteren Zeremoniendiener und Berater hatten sich hinter dem Gatekeeper ungefragt versammelt, waren auf die Knie gesunken und stimmten leisen Singsang an, der schwerelos und beruhigend durch den Raum schwebte. Der nun nicht mehr verborgene Spiegel schimmerte in leichtem Purpur, ohne das das Glas irgendetwas im Raum zurückgeworfen hätte. Fast war es so, als würde die Wirklichkeit, das Hier und Jetzt in das bodenlose Schwarz des umrahmten Glases gezogen. Hier befand sich einer jener Risse, die wie Wunden in den Grenzen zwischen den Dimensionen klafften. Ein Tor in eine andere Welt; in eine Welt, die Menschen normalerweise niemals freiwillig aufsuchten. Shou schritt langsam, fast gemächlich auf das schwarze Glas zu und sofort begann die Dunkelheit dahinter zu vibrieren. Einem Herzschlag ähnlich zogen Wellen über das Glas wie über eine aufgewühlte Wasseroberfläche und schickten ein tiefes Summen durch den Raum. Der dunkelhaarige Mann ging ohne Zögern weiter, wobei der rothaarige Kämpfer ein wenig abseits stehen blieb. Nah genug, um im Notfall einzugreifen, doch weit genug entfernt, um diesem verfluchten Ding nicht zu nah zu kommen. Denn jeder, der nicht die mentalen Fähigkeiten des Gatekeepers besaß, würde in dieser Schwärze verlorengehen und nicht nur seinen Verstand, sondern auch seine Seele einbüßen. Shou spürte wenig Angst. Vielleicht war gerade sein kaltes, skrupelloses Wesen die Versicherung für seine unversehrte Wiederkehr. Etwas begann sich unter der dunklen Oberfläche des Spiegels zu bewegen, drückte gegen den Widerstand des Glases wie ein Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpfen wollte. Ab und an konnte man vielleicht sich windende Körper in diesem schwarzen Nichts ausmachen; Klauen und Gesichter, die sich aufstöhnend und kreischend gegen diese zarte Mauer drückten. Eine wahrlich schwächliche Grenze für diese Schrecken, die dahinter lauerten. Equid spürte Unbehagen. Der große, rothaarige Krieger, der sonst nichts fühlte, selbst dem wurde bei diesem Anblick immer wieder aufs Neue unwohl. Er hatte viel gesehen bisher in seinem Leben. Er hatte Schmerzen ertragen, die jeden normalen Leib zerstört hätten, hatte getötet, ohne mit nur einer Wimper zu zucken. Doch dieser Anblick, dieses Aufbegehren des reinen Bösen, dass brachte selbst ihn dazu, zumindest ein Schaudern zu fühlen. Der schlanke Gatekeeper blieb kurz vor dem Spiegel stehen; nun beschleunigte sich auch sein Herzschlag leicht und ein feiner Schweißfilm bedeckte seine blasse Haut. Sich in diese Welt zu wagen war jedesmal ein Risiko, genauso gut hätte er mit Gevatter Tod um sein Leben feilschen können, wobei seine Chancen da wohl noch besser gestanden hätten. Die Luft im Raum wurde drückend heiß, der Sauerstoff schien sich in unbekannte Gefilde zu verflüchtigen. Eine allumfassende Dunkelheit legte sich über die Halle, als hätte jemand das Licht einfach aus dem Raum gezogen. Selbst die vereinzelten Kerzen schafften es nicht mehr zur genüge, die fast greifbare Schwärze zu durchdringen. Shou überwand die letzten Meter zu der wabernden Oberfläche und streckte die Hand aus. Bevor seine Finger jedoch die dunkle Masse berühren konnten, spürte der junge Gatekeeper etwas Ungewöhnliches. Ein kalter, unseliger Hauch strich an seinem erhitzen Körper vorbei und hinterließ ein Gefühl von Leere und Beklemmung. Shou´s Kopf ruckte sofort herum, doch er konnte nichts entdecken, was dieses Gefühl hervorgerufen haben könnte. Der Raum blieb dunkel, allein Equid´s roter Haarschopf leuchtete in der Finsternis und die leisen Stimmen seiner Berater und Helfer ertönten weiterhin. Nun war auch Shou unruhig. Wenn es nicht völlig unsinnig gewesen wäre, so hätte er die Vermutung geäußert, dass irgendetwas durch die Grenze gebrochen war… Schwachsinn. Das war unmöglich. Shou konzentrierte sich wieder auf die Aufgabe, die vor ihm lag und tippte mit einem Finger an die vibrierende Mauer aus Schwärze. Sofort, als nur ein Finger diese Grenze zwischen den Welten berührte, kam Aufruhr in die bodenlose Leere dahinter. Spinnenfingergleich schossen teerartige Tentakel aus dem Glas, umschlossen den Finger Shou´s, um rasend schnell über dessen Hand den Arm hinauf zuwandern und den gesamten, nackten Körper des blassen Mannes einzuweben. Shou schrie, denn die Berührung dieser tiefschwarzen Substanz war immer wieder unerträglich schmerzhaft. Ein Brennen und Ziehen erfüllte seinen Leib, sodass er jedes Mal das Gefühl hatte, dass ihm die Haut bei lebendigem Leib vom Körper gezogen würde. Sein Herz hämmerte aufgeregt und protestierend in seiner Brust, während er reflexartig zu entkommen versuchte. Doch das war natürlich vergeblich. Equid musste sich enorm beherrschen, um die Schreie seines Herrn tonlos über sich ergehen zu lassen und nicht in Versuchung zu geraten, zu ihm zu stürzen, um seine Klinge durch diese verfluchte Substanz zu ziehen. Dieses Schauspiel war jedes Mal aufs Neue grausam und erschreckend. Die schwarzen Tentakelfinger schoben sich in jede Pore des Gatekeepers, erfüllten schlussendlich sogar Augen und Ohren und ergossen sich wie ein grausiger Wasserfall in den aufgerissenen Mund des jungen Mannes. So erstarrt, in einem lautlosen Schrei, blieb sein Körper zurück; kristallisiert zu einer schwarzen, leblosen Statuette. Sein Geist allerdings wurde unerbittlich hinein in diese Welt aus Wahnsinn, Hass und Gewalt gezogen, in der man schon ungeduldig auf seine Ankunft wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)