Abgekarterte Spiele von abgemeldet ("Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time.") ================================================================================ Kapitel 1: Mit dem Rücken zur Wand ---------------------------------- "Wenn man einen König ermordet, dann erdolcht man ihn nicht in einer finsteren Ecke. Man tut es da, wo der gesamte Hofstaat ihm beim Sterben zusehen kann." meint er und ich muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er spöttisch lächelt. "Verstehst du was ich damit sagen will?" Ich erwidere nichts, das ist auch nicht nötig. Er erwartet auch keinerlei Reaktion. Ich sehe ihn weiterhin ungerührt an. Noch sitzt meine Maske. Ich weiß, sie hat Risse bekommen, aber ich bin nach wie vor in der Lage, sie aufrecht zu erhalten und ich werde ihm keineswegs die Gegnugtum gönnen, mich ohne sie zu sehen. Nein, ich werde nicht die Fassung verlieren. Er weiß natürlich, dass ich innerlich bebe. Er ahnt es nicht nur, er weiß es, aber zeigen werde ich es ihm nicht. "Weißt du, es hätte alles so einfach sein können, mein lieber Kaiba. Du hättest meinem Auftraggeber nur deine Firma überschreiben müssen, nicht mehr und nicht weniger." fährt er im lässigen Plauderton fort als würden wir hier tatsächlich ein freundschaftliches Gespräch führen. "Doch du musstest dich ja stur stellen..." Er seufzt gespielt theadtralisch und sieht mich mit sanftem Tadel an. "Dabei hätte dir doch klar sein müssen, dass wir dir das nicht würden durchgehen lassen. So gesehen bist du selbst Schuld an dieser Entwicklung, Kaiba." Er zuckt leicht mit den Schultern. Noch immer erwidere ich nichts, ich sehe ihn nur an und es kostet mich enorme Kraft, meine Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten. "Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde euch einfach so meine Firma übergeben? Wenn dem so ist, dann bist du dümmer als ich dachte." entgegne ich schließlich und erhebe mich langsam. Sein Lächeln wird zu einem amüsierten Grinsen. "Nein, das habe ich keineswegs. Ich wusste, dass du Widerstand leisten würdest, aber dass du so weit gehst, lieber deine eigene Firma zu vernichten als sie uns zu überlassen.... Damit habe ich nicht gerechnet, nein. Doch wie gesagt, du hättest besser daran getan, es nicht zu tun." Auch er steht auf und somit ist dieses Gespräch wohl zuende. Es gibt ohnehin nichts mehr zu sagen. Weder von meiner Seite, noch von seiner. Alles Wesentliche ist gesagt und ich spüre auch, dass ich meine Contenance nicht länger werde wahren können. Vielleicht spürt er es auch, denn er mustert mich eingehend und ich weiß, dass er insgeheim auf ein Zeichen von Schwäche wartet. Es würde seinen Triumph vollkommen machen und genau deshalb halte ich an mir. Wir wissen beide, dass ich am Boden bin, doch ich werde einen Teufel tun und es ihm deutlich zeigen. "Weißt du, Kaiba, man sagt, wenn einem die Menschen, die man liebt, genommen werden, kann man nie wieder der sein der man war." Seine Augen funkeln mich an. "Ich bin gespannt, welche Auswirkungen das auf dich haben wird." Mit einer grazilen Geste streicht er sich das Haar aus dem Gesicht. Noch immer lächelt er. Ich presse meine Lippen hart aufeinander und quittiere seinen funkelnden Blick mit Eiseskälte. "Nun, wir werden sehen, nicht wahr?" fährt er fort. Langsam geht er zur Tür, seine Schritten spüren vor Selbstsicherheit und ich weiß, dass er sich mehr als überlegen fühlt. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, ihn zu fragen, wer sein Auftraggeber ist, doch ich weiß, dass er mir diese Frage nicht beantworten würde. Genau wie ich weiß, dass er diese Frage schon die ganze Zeit erwartet. Allein deshalb hat er den Umstand, dass er einen Auftraggeber hat, überhaupt erwähnt. "Unter uns gesagt, mein lieber Kaiba." An der Tür angekommen hält er noch einmal inne und wirft mir über die Schulter einen undefinierbaren Blick zu. "Ich wollte nicht, dass es so kommt. Das wirst du mir sicher nicht glauben, doch es ist die Wahrheit. Mag sein, dass wir beide alles andere als Freunde sind, aber Familie war für mich immer wichtig und wäre es nach mir gegangen..." Er beendet den Satz nicht, sieht mir stattdessen nur kurz in die Augen. Seltsamerweise glaube ich ihm das sogar, doch das spielt keine Rolle. Die Dinge sind wie sie sind und ob es nun seine Idee war, Mokuba in das Ganze mit reinzuziehen oder nicht, tut nichts zur Sache. "Noch ein paar letzte Worte?" fragt er spöttisch als er schon halb aus der Tür ist. Ich überlege kurz. "Erwartest du wirklich dergleichen?" entgegne ich schließlich und verziehe meinen Mund zu einem sarkastischen Grinsen. "Soll ich Rache schwören?" Nun bin ich es derjenige, der theadralisch seufzt. "Nun gut, dann sag deinem Auftraggeber, dass es jetzt eine persönliche Angelegenheit ist. Eine sehr persönliche." Er mustert mich einen Moment, dann nickt er langsam und ich weiß, dass er verstanden hat. Ich sehe es in seinen Augen. Das Lächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden und er sieht mich ernst an. "Viel Glück, Seto Kaiba." höre ich ihn sagen ehe sich die Tür hinter ihm schließt. Die Worte klingen keineswegs spöttisch und ein Teil von mir weiß auch, dass er sie keineswegs so gemeint hat. Nein, er ist nur eine Marionette in diesem Spiel. Nichts weiter. Ich warte noch ein paar Sekunden, bleibe regungslos stehen und starre zur Tür, dann lasse ich mich wieder in meinen Sessel sinken und atme tief durch. Unwillkürlich wandert mein Blick zu dem Bild auf dem Schreibtisch und beinahe sofort verspüre ich einen Stich. Jetzt bin ich nicht mehr in der Lage, meine Maske aufrecht zuhalten. Ich muss es auch nicht. Ich beuge mich vor, greife nach dem kleinen goldenen Rahmen und betrachte das Bild eingehend. Mokuba. Ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Wie konnte es nur soweit kommen? Warum zum Teufel habe ich die Zeichen nicht gesehen? Hat er Recht, war es tatsächlich mein Stolz, meine Sturheit, die dazu geführt hat, dass mein kleiner Bruder von mir genommen wurde? Nein, darüber darf ich nicht nachdenken. Das führt zu nichts. Wenn ich mich dem Selbstmitleid ergebe, dann habe ich endgültig verloren und sie haben ihr Ziel erreicht. Ich muss mich zusammen reißen. Koste es was es wolle. Und ich muss nachdenken. "Sir?" Ich habe gar nicht gehört, dass sich die Tür geöffnet hat, erst als Roland neben mir steht, wird mir seine Anwesenheit bewusst. Ich erwidere nichts, mein Blick hängt immernoch gebannt an dem Bild und mein Hand, die den Rahmen hält, verkrampft sich mehr und mehr. "Kann ich etwas für sie tun, Sir?" will mein Assistent wissen und ich höre deutlich die Sorge, in seiner Stimme. Roland ist wohl der einzige Mensch, der versteht wie es mir gerade geht und auch der Einzige, dem ich es zeigen kann. Ich schüttele leicht den Kopf, noch immer starr auf Mokuba´s Abbildung blickend. Die großen, schwarzen Augen strahlen mich an und wieder verspüre ich einen Stich. Schmerz durchzuckt mich. Schmerz, wie ich ihn noch nie zuvor gefühlt habe. Ein dumpfer Schmerz, der alles erfüllt, jeden Nerv berührt und mich dazu zwingt unwillkürlich die Augen zu schließen. Einen Moment später spüre ich Roland´s Hand auf meiner Schulter. Widerwillig reiße ich mich von dem Bild los und wende meinem Kopf meinem Assistenten zu, der versucht mich aufmunternd anzulächeln. "Wir werden Master Mokuba zurückholen, Sir." sagt er und Entschlossenheit schwingt in seiner Stimme mit. Ich nicke kaum merklich, doch Roland versteht mich auch so. Er kennt mich gut genug. Es bedarf keiner Worte und für einen kurzen Augenblick lässt der Schmerz in meiner Brust ein wenig nach. "Ich habe mir erlaubt, eine Aufstellung über ihre liquiden Mittel zu erstellen, Sir." sagt mein Assistent ein paar Sekunden später. "Desweiteren habe ich angewiesen, die schweizer Konten aufzulösen." Etwas an seinem monotonen, nüchternen Tonfall reißt mich schlagartig zurück in die Realität. Ich werfe noch einen Blick auf das Bild und stelle es dann zurück auf den Tisch. Dann straffe ich meine Schultern und richte mich auf. "Danke, Roland." Meine Stimme klingt seltsam fremd und mein Assistent nickt. "Ich werde ihnen die Unterlagen gleich bringen, dann können sie sich einen Überblick verschaffen." Für einen Moment treffen sich unsere Blicke und wir sehen uns wortlos an. Unwillkürlich kommen mir die Worte wieder in den Sinn, die er gestern zu mir sagte nachdem uns das gerichtliche Urteil verkündet wurde, dass mir jegliches Umgangsrecht mit meinem Bruder versagt und gleichzeitig verfügt, dass Mokuba zur Adoption frei gegeben wird. Nicht einmal während der Verhandlung war es mir vergönnt, ihn zu sehen. Seit drei Wochen haben wir uns weder gesprochen noch sehen dürfen und ich kann nur erahnen, wie der Kleine sich fühlt. "Ich werde sie nicht alleine lassen, Sir. Master Mokuba und sie sind meine Familie und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihnen zu helfen, ihren Bruder zurückzubekommen." Roland ist für gewöhnlich kein Mann, der großen Worte, umso erstaunter war ich doch über diese Aussage, auch wenn ich im Grunde nichts anderes von ihm erwartet hatte. Ich wusste, dass er mich in dieser Situation nicht im Stich lassen würde und mein Versuch ihn zu entlassen, war auch mehr eine halbherzige Geste, ihn aus dieser Angelegenheit rauszuhalten. Aber auf seine sachlich-nüchterne Art hat er mir zuverstehen gegeben, dass es nicht nur meine Angelegenheit ist und er hat Recht. Er ist ein Teil unserer Familie und nun ist er der Einzige, der mir noch geblieben ist. "Wissen sie schon, was sie als nächstes zu tun gedenken, Sir?" höre ich ihn fragen. Ich brauche einen Moment bis ich ihn der Lage bin zu antworten, denn vor meinem inneren Auge sehe ich wieder die Szene vor mir, die mich in inzwischen bis in meine Träume verfolgt. Polizeibeamte, die in die Villa stürmen und Mokuba mit sich reißen. Moki, der mich entsetzt und hilflos ansieht, seine Hand nach mir ausstreckt und meinen Namen ruft. "Ich muss wissen, wer hinter all dem steckt." sage ich schließlich mit tonloser, kalter Stimme. "Ich habe auch schon eine Idee, wie ich das in Erfahrung bringen werde. Genau wie Mokuba´s Aufenthaltsort. Das Gericht hat mir lediglich mitgeteilt, dass ein amerikanischer Millionär, die Vormundschaft bis auf weiteres übernommen hat. Mehr wollte man mir nicht sagen." Roland hört mir geduldig zu und nickt schließlich. "Soll ich einen ihrer Detektive herbestellen, Sir?" fragt er und ist mal wieder so effizient, wie ich es von ihm gewohnt bin. Ich schüttele den Kopf. "Nein, mir schwebt etwas anderes vor. Kümmern sie sich bitte, um die notwendigen Gelder. Machen sie alles flüssig, was auf die Schnelle möglich ist. Ich werde viel Geld brauchen." entgegne ich und nun klinge ich fast wieder wie immer. Kalt und überlegt. "Wie sie wünschen, Sir." sagt er und schickt sich auch schon an, meinen Auftrag auszuführen. Kaum das er den Raum verlassen hat, spüre ich wie der Schmerz wieder stärker wird, wie die Leere in mir mich zu überwältigen droht, aber das darf ich keinesfalls zulassen. Ich habe immer funktioniert und jetzt muss ich es mehr denn je. Um Mokuba´s Willen. Schließlich habe ich ihm versprochen, dass ich ihn zurückholen werde. Ich habe es meinem Bruder geschworen und ich werde mein Wort halten. Ich muss es halten und das werde ich auch. Gleichgültig was es mich kosten wird. Nichts anderes zählt. Die Firma... mein Lebenswerk... Sie ist nicht mehr wichtig. Erneut schleicht sich die Frage in meine Gedanken, ob ich wirklich Schuld bin an dieser Lage. Hätte ich die Kaiba Corporation einfach aufgegeben, wäre Mokuba noch hier. Sie wollten nur die Firma. Genau wie er gesagt hat. Ich hätte sie ihnen überlassen können. Ich hätte mich vorerst zurückziehen und überlegen könne, wie ich sie zurück bekomme, doch ich konnte diese Niederlage nicht zulassen. Also habe ich meine Firma lieber zerstört als sie in die Hände anderer fallen zu lassen. Sie glaubten sich am Ziel, hatten die Kaiba Corporation fast in der Hand und hätte ich ihnen diesen Sieg doch nur gegönnt... "Hör auf darüber nachzudenken." ermahne ich mich und versuche mich daran zu erinnern, dass wir die Entscheidungen, die wir treffen nicht zurücknehmen können, wir können nur die Entscheidungen steuern, die wir in Zukunft treffen. Und um die Zukunft geht es jetzt. Mokuba´s Zukunft. Meine Zukunft. Fast automatisch gehe ich zu dem kleinen Wandschrank, öffne ihn und greife nach einem Glas und der Flasche Gin. Normalerweise trinke ich nicht. Ich habe nie getrunken. Doch jetzt kann ich nicht anders, auch wenn ich weiß, dass der Alkohol mir keineswegs helfen kann. Wie sollte er auch? Trotzdem stürze ich ein Glas runter und fülle es erneut. Das wohlige Brennen tut gut, Wärme breitet sich schlagartig in meinem Magen aus. Mit Glas und Flasche gehe ich zurück zu meinem Schreibtisch und lasse mich in meinen Sessel sinken. Einen Moment starre ich auf die Papiere, die auf meinem Tisch liegen, dann gebe ich mir einen Ruck und greife nach den Unterlagen des Gerichts. Die Verleumdung war wirklich perfekt. Dass muss ich meinen Gegnern lassen. Sie haben ihr Vorhaben präzise in die Wege geleitet und mir keinerlei Schlupfloch gelassen. Selbst meine Anwälte waren machtlos gegen die gefälslchten Beweise und die falschen Zeugen. Unwillkürlich muss ich an Muto denken. Er war der Einzige, der versuchte zu meinen Gunsten auszusagen, aber seiner Aussage wurde keinerlei Bedeutung beigemessen. Sie hätte ohnehin nichts geändert. Die Richter waren bestochten worden und das Urteil stand ohnehin fest. Die Presse stürzte sich auf die Geschichte wie Hyänen auf ihre Beute und Mokuba´s Schicksal war besiegelt, noch bevor der Urteilsspruch verkündet wurde. Immerhin war es mir möglich, die Klage gegen mich abzuwenden. Doch auch dabei hatten meine Gegner wohl ihre Finger im Spiel. Dessen bin ich mir sicher. Und hat er bei unserem Gespräch vorhin nicht auch angedeutet, dass er gespannt darauf ist, wie ich fortan reagieren werde? Auch das gehört zu ihrem Plan. Ja, sie wollte mich nicht im Gefängnis sehen, deshalb bin ich noch auf freiem Fuß, denn sie wollen sehen was Seto Kaiba nun tun wird, jetzt wo sie mich in die Enge getrieben haben. Die Würfel mögen gefallen sein, aber das heißt noch nicht, dass das Spiel zu Ende ist. Ich spüle das zweite Glas runter und schließe für einen Moment die Augen. Es fällt mir schwer, den Schmerz auszublenden. Noch schwerer ist es allerdings Mokuba´s Gesicht aus meinen Gedanken zu verbannen. Einzig der Gedanke, dass ich mich konzentrieren muss, wenn ich den Kampf aufnehmen will, vermag es, dass ich einigermaßen in der Lage bin, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Meine weitere Vorgehensweise. Die Strategie steht schon fast in meinem Kopf. Nun bedarf es zweierlei, um meine Pläne in die Wege zu leiten: Geld und Informationen. Roland kümmert sich um den ersten Punkt. Ich bin sicher, dass es ihm möglich sein wird, das Bestmögliche aus der aktuellen Situation herauszuholen. Ein Glück, dass ich in der Vergangenheit bereits diverse Konten im Ausland angelegt habe. Eines der wenigen Dinge, die ich von meinem Adoptivvater übernommen habe. Was die Informationen anbelangt... Da habe ich in der Tat schon eine Idee. Sie behagt mir nicht wirklich, aber es ist eindeutig die effektivste Möglichkeit. Doch dafür bedarf es vermutlich mehr als nur Geld. Aber was habe ich für eine Wahl? Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Und ich habe nichts mehr zu verlieren. Im Grunde die beste Vorrausetzung, um in die Offenive zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)