Abgekarterte Spiele von abgemeldet ("Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time.") ================================================================================ Kapitel 95: Operation "Quentin" Teil 1 -------------------------------------- „Ich werde dir zu gegebener Zeit mitteilen, wo wir uns treffen werden. Halt dich also bereit. Nur du, dein Fahrer und das Mädchen. Niemand sonst. Hast du verstanden?“ sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung und Omar sieht mich fragend an. Ich nicke. „Verstanden.“ erwidert der Araber und es macht Klick in der Leitung. Quentin hat das Gespräch beendet und Omar legt das Handy zurück auf den Tisch. „Gut gemacht.“ meine ich an den Araber gewandt, der mich gleichgültig ansieht. „Odion wird dein Fahrer sein.“ erläutere ich ihm die Vorgehensweise weiter. „Du wirst ihn mit in das Gebäude nehmen, in das dieser Quentin dich befiehlt. Gleichgültig was er sagt. Notfalls behauptest du, Ishizu hätte Widerstand geleistet.“ Omar verzieht säuerlich den Mund. Für einen Araber ist es eine Beleidigung, ihm zu unterstellen, dass er nicht allein mit einer Frau würde fertig werden, doch seine Männlichkeit kümmert mich augenblicklich nicht im geringsten und er ist klug genug, um nicht offen zu protestieren. Ich nicke Odion zu und er deutet dem Ägypter an, aufzustehen. „Bring ihn nur ins Nebenzimmer.“ ordne ich an. „Er muss in der Nähe sein falls Quentin sich meldet.“ Odion nickt und verlässt mit Omar den Raum. Ich wende mich Marik und Alister zu. Dem jungen Ägypter ist anzusehen, dass ihm unsere nächsten Schritte nicht behagen und ich will es nicht noch schlimmer machen indem ich ihn daran erinnere. Marik weiß auch so, was er zu tun hat. „Was machen wir, wenn dieser Typ sich meldet?“ will Alister wissen und bezieht das „Wir“ wohl auf sich und mich. Ich überlege kurz. Roland ist noch nicht wieder ganz auf den Beinen. Er wird mich keinesfalls begleiten können, auch wenn ich ihn gerne an meiner Seite wüsste. Folglich bleibt mir keine andere Wahl als den Rothaarigen mitzunehmen. Zumal er sich um die Ortung des Handys kümmern muss. Schließlich kann ich es nicht riskieren, dass mein Vorhaben jetzt noch auffliegt, nur weil Quentin merkt, dass Omar verfolgt wird. Ich bin sicher, dass der Brite sich abgesichert hat. Wenn ich die Sachlage richtig einschätze, wird er Omar zu einem bestimmten Ort bestellen und ihm erst von dort aus weitere Instruktionen erteilen. Und ab dem Moment wird man den Araber auch beschatten lassen. So würde ich an Quentins Stelle vorgehen. Mag sein, dass Greys Handlanger nicht so weit denkt wie ich, aber es wäre töricht jetzt noch einen Fehler zu machen, indem ich ihn unterschätze. „Wir werden den Drei folgen. Stell am Besten schon mal eine direkte Verbindung zu dem Handy her. Ich bin sicher, dass Quentin sich nicht allzu lange Zeit lassen wird.“ antworte ich ihm nach kurzem Überlegen und der Rothaarige nickt. Sofort sitzt er wieder vor seinem Laptop. Marik seufzt kaum hörbar. „Dann werde ich mich jetzt wohl auch langsam fertig machen.“ meint er und verzieht leicht den Mund. Ich entgegne nichts, nicke nur leicht mit dem Kopf und der Junge setzt sich langsam in Bewegung. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Alister ihm grinsend nachschaut. Als er jedoch meinen Blick bemerkt, wird er wieder ernst und wendet sich seinem Laptop zu. Für ein paar Minuten ist nur das leise Rattern der Tastatur zu hören. Dann blickt der Rothaarige auf. „Verbindung steht.“ teilt er mir mit und ich nicke. „Hast du schon einen Plan, wie du mit diesem Quentin verfahren willst?“ fragt Alister nach einer kurzen Pause und ich vermute, dass er bei dieser Frage an Bakura denkt. Wäre der Dieb hier, nun, dann würde ich es sicher ihm überlassen, die erforderlichen Informationen aus Greys Handlanger herauszuquetschen. Aber Bakura ist nicht hier. „Das werde ich entscheiden, wenn ich mir ein Bild von diesem Quentin gemacht habe.“ erwidere ich nüchtern und für einen Augenblick habe ich das Gefühl, dass ihn diese Antwort amüsiert. Vermutlich traut er mir nicht zu, jemanden auf Bakura´s Art zu verhören. Unwillkürlich frage ich mich, wie oft er solchen Aktionen des Diebes beigewohnt hat. Und was genau ihn mit dem Dieb verbindet. Alister zuckt leicht mit den Schultern. „Heißt es nicht, ein guter Spieler denkt fünf Schritte voraus?“ fragt er dann, was mich gleichermaßen überrascht wie amüsiert. Sein Blick ruht vollkommen gleichmütig auf mir und ich nicke. „Ja.“ bestätige ich seine Aussage. „Aber ein hervorragender Spieler denkt nur einen Schritt voraus. Den Richtigen.“ Der Rothaarige entgegnet nichts, aber ich glaube so etwas wie Anerkennung in seinen Augen zu sehen. Ehe noch einer von uns etwas sagen kann, betritt Odion den Raum. Sein Blick trifft meinen und der Ägypter erklärt: „Der Wagen ist bereit. Wir können starten sobald der Anruf gekommen ist.“ Ich nicke. „Sehr gut.“ entgegne ich zufrieden. „Dann hoffen wir mal, dass uns dieser Quentin nicht allzu lange warten lässt.“ Odion nickt kaum merklich. „Hast du schon etwas von Ishizu gehört?“ will ich beiläufig wissen. Der Mann schüttelt den Kopf. Ich hatte auch noch nicht wirklich mit einer Nachricht der jungen Frau gerechnet. Mein Blick wandert kurz zur Uhr. Vermutlich ist sie auch gerade erst angekommen. Es dürfte demnach noch eine Weile dauern, bis sie sich meldet und vielleicht habe ich dann auch schon die Informationen, die ich benötige. So oder so, es ist auf jeden Fall besser, zwei Eisen im Feuer zu haben, auch wenn ich mir von ihrem Besuch bei John´s Mutter nicht allzu viel verspreche. „Gehen wir noch einmal den Plan durch.“ Odion nickt. „Omar hat seine Instruktionen und ich glaube nicht, dass er es riskieren wird, ihnen zuwider zu handeln.“ erkläre ich und für einem Moment zucken die Mundwinkel des Ägypters. Ja, ich bin mir sicher, dass Odion dem Araber sehr nachdrücklich eingeschärft hat, welche Konsequenzen es haben würde, wenn er versuchen würde aus der Reihe zu tanzen. Omar ist lediglich ein Söldner. Ihm geht es nicht um die Sache an sich und er hegt weder Sympathie für Greys Seite, noch für meine. Augenblicklich dürfte es für ihn am Wichtigsten sein, wohlbehalten aus dieser Nummer herauszukommen. Ich bin mir daher sicher, dass er keinerlei Anstalten machen wird, Quentin zu warnen. Zudem wird Odion an seiner Seite sein. „Quentin wird sich natürlich nicht alleine mit euch treffen.“ fahre ich mit meinen Überlegungen fort. „Ich tippe auf zwei bis drei Wachen. Vermutlich wird er auch noch außerhalb einige Leute postieren, aber ich glaube nicht, dass wir es mit einem großen Trupp zu tun bekommen werden.“ Wieder nickt der Ägypter. „Mach dir darum keine Sorgen, Freund.“ meint der Älteste der Ishtar-Geschwister. „Marik und ich werden mit ihnen schon fertig werden.“ Ich nicke. „Ich weiß.“ entgegne ich ehrlich. „Und den Rest übernehmen Alister und ich.“ Einen Moment sieht mich der Rothaarige mit einer Mischung aus Skepsis und Überraschung an. Ich lächele. „Physisch wirst du nicht zum Einsatz kommen, Alister. Deine Aufgabe beschränkt sich auf die Observation.“ sage ich mit einem leichten Schmunzeln und bin nicht sicher ob ihn meine Aussage beruhigt oder beleidigt. Er entgegnet jedoch nichts. Ich fahre mit meiner Ausführung fort: „Ihr drei fahrt los sobald der Anruf gekommen ist. Während der Fahrt wird man euch weitere Instruktionen erteilen. Wir werden euch mit einigem Abstand folgen. Das heißt wir werden erst kurze Zeit nach euch den Treffpunkt erreichen. Solange spielt ihr eure Rollen weiter. Marik weiß Bescheid.“ Ich halte kurz inne. „Quentin wird seine Verkleidung sicher nicht auf Anhieb durchschauen. Trotzdem wäre es gut, wenn ihr ihn etwas hinhalten könnt, um uns Zeit zu verschaffen. Wir, das heißt, ich werde mich erst um die möglichen Außenposten kümmern. Sobald das erledigt ist, werde ich zu euch stoßen und wir übernehmen.“ Odion nickt. „Verstanden.“ meint er mit ernster Miene. „Gut.“ befinde ich abschließend. „Dann wäre damit alles gesagt.“ Als Marik in den Raum zurückkehrt, blicken wir alle auf ihn. Odions Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen und Alister starrt den jungen Ägypter erstaunt an. „Wow.“ entfährt es dem Rothaarigen und Mariks Augen schleudern ihm Blitze zu, worauf sich Alister verlegen abwendet. „Ishizus Kleid steht dir wirklich gut, kleiner Bruder.“ meint Odion und Marik verzieht gequält den Mund. „Jetzt noch den Schleier davor und auf dem Basar würden dich...“ „Sag´s nicht!“ unterbricht der Grauhaarige ihn unwirsch. „Das hier ist schon beschämend genug für mich.“ Sein Blick spricht Bände und ich bemühe mich, weiterhin eine ernste Miene aufzusetzen. Aber Odion hat Recht. Selbst ohne den Schleier würde der Junge als hübsche Frau durchgehen. Wenn auch als eine hübsche Frau mit einem Blick, der einen erdolchen könnte. Jegliche Zweifel, dass Quentin dieses Manöver doch durchschauen könnte, sind dahin. Marik wird seine Rolle überzeugend spielen und auf Odion ist Verlass. Die Operation wird ein Erfolg werden. Dessen bin ich mir sicher. „Ich werde kurz nach Roland sehen.“ erkläre ich und Odion nickt. Mit ein paar kurzen Schritten verlasse ich den Raum und begebe mich zu dem Zimmer, in dem mein Assistent untergebracht wird. Kaum habe ich den Raum betreten, versucht er auch schon sich aufzurichten, doch ich winke ab. „Bleiben sie liegen, Roland.“ sage ich entschieden und er lässt sich zurück in die Kissen sinken. „Wie geht es ihnen?“ frage ich und nehme auf dem Stuhl neben seinem Diwan Platz. Seine Miene ist genau wie immer. Nichts an ihr deutet darauf hin, dass er angeschossen wurde und mit dem gewohnt ruhigen Blick sieht mich mein Assistent auch an. „Danke Sir, es geht mir schon besser.“ entgegnet er und ich schenke ihm ein kleines Lächeln. „Odion hat mir von ihrem Vorhaben erzählt.“ bemerkt er als nächstes, was mich keineswegs überrascht. Nachdem Ishizu gegangen war, war es vornehmlich der Ägypter, der sich um Roland kümmerte und ein Blick auf den Beistelltisch verrät mir, dass die Beiden wieder einmal Karten gespielt haben. „Ich gehe davon aus, dass ich meinen Plan noch heute in die Tat umsetzen kann.“ entgegne ich sachlich und Roland nickt. „Es tut mir leid, dass ich ihnen nicht bei der Umsetzung zu helfen vermag, Sir.“ höre ich ihn dann sagen und sein Gesicht nimmt einen leicht zerknirschten Ausdruck an. Ich weiß nur zu gut, dass er diese Tatsache bedauert. Schließlich kenne ich Roland zur Genüge. „Ich würde sie auch gerne an meiner Seite wissen, Roland, aber ihre Gesundheit geht vor. Sie haben auch bereits genug getan.“ erwidere ich ernst. „Machen sie sich deshalb keine Gedanken. Wir werden die Operation auch ohne sie durchziehen können.“ Wieder nickt er, doch ich sehe ihm deutlich an, dass es ihm keineswegs behagt, untätig bleiben zu müssen. „Sie müssen erst wieder vollständig genesen, Roland.“ erkläre ich. „Außerdem sind sie offiziell tot.“ „Ich weiß.“ entgegnet er ohne mit der Wimper zu zucken und ich fahre fort: „Umso größer wird der Überraschungseffekt für unseren Gegner sein, wenn sie erst wieder ganz auf den Beinen sind. Grey sind sie definitiv ein Dorn im Auge. Was ich nur zu gut verstehen kann.“ Ich weiß, dass er die eigentliche Bedeutung hinter meinen Worten versteht, doch natürlich lässt er sich nichts davon anmerken. Stattdessen wechselt er das Thema. „Master Mokuba ist also wieder in den Staaten.“ Ich nicke und auch Roland nickt leicht. Vermutlich kann er meine Beweggründe, meinen Bruder mit Joey wegzuschicken, am Besten verstehen. „Ich hoffe, dass diese Angelegenheit bald ein Ende findet.“ meint er nach kurzem Schweigen und sein Blick spricht Bände. „Dafür werde ich schon sorgen.“ entgegne ich und für den Bruchteil einer Sekunde huscht ein Lächeln über sein sonst so stoisches Gesicht. „Dessen bin ich mir sicher, Sir.“ Aus irgendeinem Impuls ergreife ich spontan seine Hand und diese Geste scheint ihn ebenso zu überraschen wie mich selbst. Irgendwie habe ich das Gefühl noch etwas sagen zu müssen, doch seltsamerweise fehlen ausgerechnet mir gerade die Worte und ich vermag es nur, Roland anzusehen. Doch wie immer scheint mein Assistent mich auch ohne Worte zu verstehen, denn er drückt leicht meine Hand. Ich habe gerade meine Hand zurückgezogen als Marik ins Zimmer platz. „Das Handy klingelt.“ berichtet er sichtlich aufgeregt und bemerkt dabei nicht einmal Rolands leicht irritierten Blick angesichts seines ungewöhnlichen Aufzuges. Ich bin sofort auf den Beinen. „Odion ist schon bei Omar.“ meint Marik weiter und ich folge dem Jungen durch den Salon zu dem kleinen Zimmer, in dem der Araber untergebracht ist. Omar hält sich mit steinerner Miene das Handy ans Ohr. Odions Hand liegt dabei auf seiner Schulter. „Ich verstehe.“ sagt der Araber. „Ich werde umgehend aufbrechen. Länger als fünfzehn Minuten werde ich für die Fahrt nicht brauchen.“ Damit ist das Gespräch scheinbar auch schon beendet. Fragend sehe ich den Araber an. „Ich soll mit dem Mädchen zu der alten Tankstelle fahren und mich dann wieder melden.“ übermittelt er mir Quentins Anweisungen und ich nicke. „Gut, dann wird es jetzt ernst.“ Mein Blick wandert kurz zu Odion und dann zu Marik und beide nicken zustimmend. „Komm mit.“ meint der ältere Ägypter an den Araber gewandt und zieht ihn mehr oder weniger auf die Beine. „Bis zu der Tankstelle ist es nicht weit. Sie liegt am Stadtrand.“ erklärt mir Marik knapp. „In direkter Nähe ist weit und breit nichts als Wüste. Aber die Straße dort führt direkt in den Nachbarort. Dort befinden sich mehrere Lagerhäuser abseits der eigentlichen Wohnsiedlung.“ „Verstehe.“ Scheinbar ist dieser Treffpunkt perfekt für eine Überwachung geeignet. Quentin ist also vorbereitet. Gut. Wir sind es auch. „Wir gehen vor wie besprochen.“ sage ich nur und überlasse alles weitere den beiden Ägyptern. Ich selbst begebe mich zu Alister, der noch immer nebenan sitzt. „Mach dich startklar.“ weise ich den Rothaarigen an, worauf er seinen Laptop zuklappt und sich erhebt. Während er seine Utensilien verstaut, stecke ich mir mein Handy und eine der Waffen ein, die Odion mir besorgt hat. Dabei entgeht mir nicht Alisters leicht argwöhnischer Blick. Doch der Rothaarige sagt nichts. Ich blicke auf die Uhr. „Steigen wir schon mal in den Wagen.“ entscheide ich und ohne ein weiteres Wort begebe ich mich zum Hinterausgang, wo der Geländewagen bereits auf uns wartet. Alister nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und klappt erneut seinen Laptop auf. Auf dem Bildschirm erscheint eine Karte und ich vermute, dass die rote Linie darauf, Odions Fahrspur kennzeichnet. Omar meinte, die Fahrt bis zur der Tankstelle würde nicht länger als zehn Minuten dauern. Dort werden sie also erst einmal halten müssen, um Quentin erneut zu kontaktieren. Folglich wäre es keine gute Idee gleich zu starten. Da sich in der Nähe des Treffpunktes laut Marik keine Möglichkeit befindet, die Tankstelle unauffällig zu observieren, wäre es töricht, zu früh dort hin zu begeben. Quentins Männer würden uns direkt bemerken. Wieder sehe ich auf die Uhr. „Sag mir, wenn sie anhalten.“ sage ich an Alister gewandt, dessen Blick auf der Karte ruht. Wenn ich erst losfahre, nachdem der Ägypter wieder gestartet ist, dürften wir seinen Verfolgern entgehen. „Wie weit ist es zu diesem Nachbardorf?“ will ich wissen und der Rothaarige lässt den Mauszeiger über die Karte wandern. „Ungefähr 15 Kilometer.“ antwortet er und ich nicke. Die Fahrt von der Tankstelle zu Quentins Unterkunft dürfte demnach nicht lange dauern, vorausgesetzt dass er sich tatsächlich in diesem Dorf aufhält. „Was ist sonst noch in der Nähe? Wie weit ist es bis zu der nächsten Stadt oder Ortschaft?“ frage ich weiter und Alister antwortet unverzüglich: „Da ist noch ein kleinerer Ort westlich, 20 Kilometer entfernt und eine Stadt in etwa 30 Kilometer Entfernung.“ Ich bezweifle, dass Quentin sich für die Stadt entschieden hat. Ein abgelegenes Dorf passt besser zu seinem Vorhaben, auch wenn ein Ausländer dort wohl eher auffallen dürfte. Doch die Ägypter kümmern sich in der Regel nicht weiter um Fremde und ich vermute auch, dass der Brite ohnehin für einen solchen Fall Vorkehrungen getroffen hat. Nun, in Kürze werde ich mehr wissen. Ich ziehe eine Packung Zigaretten aus meiner Jackentasche und halte sie Alister hin. Der Rothaarige winkt ab, aber ich zünde mir eine an. Ich habe sie erst halb geraucht als Alister sagt, dass Odion nun angehalten hätte. Ich rauche auf und starte den Motor. „Welche Richtung?“ frage ich worauf Alister mich zu dirigieren beginnt. Ich fahre bewusst langsam, halte mich an die örtlichen Verkehrszeichen und werfe hin und wieder einen Blick in den Rückspiegel. Niemand scheint uns zu folgen. Ein gutes Zeichen. Wir haben etwa die Hälfte des Weges zum Treffpunkt zurückgelegt als mein Beifahrer meint: „Jetzt starten sie wieder. In südwestlicher Richtung.“ Ich nicke nur und beschleunige das Tempo ein wenig. Als wir die Tankstelle passieren, ist weit und breit nichts auffälliges zu sehen. Hier und da parkt ein älteres Auto, doch nichts davon weist darauf hin, dass es sich um einen Observationsposten handelt und als wir das freie Feld erreichen, bin ich sicher, dass uns niemand folgt. Erleichtert atme ich kurz tief durch. Teil eins meines Planes hat demnach funktioniert. Bleibt nur zu hoffen, dass sich auch die zweite Phase ohne weitere Probleme umsetzen lässt. „Sie fahren zu dem nächstgelegenen Dorf.“ höre ich Alister sagen. „Sicher?“ hake ich nach. Der Rothaarige nickt. „In der Nähe ist sonst nur Wüste.“ entgegnet er schlicht. Wortlos fahre ich weiter, wobei ich nach wie vor mein Umfeld im Auge behalte. „Sie halten an.“ bemerkt Alister schließlich. Es dauert nicht lange und ich sehe wie sich die ersten kleineren Häuser am Horizont abzeichnen. Im ersten Augenblick sieht es so aus, als würde das Dorf nur aus ein paar Häusern und Hütten bestehen, doch als wir den Ortseingang passieren, entdecke ich in der Ferne ein paar größere Gebäude und erkenne, dass das Dorf größer ist, als es auf Anhieb wirkt. Auf der Straße befinden sich kaum Menschen, was wohl an der Uhrzeit liegen mag. Kaum einer ist in der direkten Mittagshitze in Ägypten unterwegs, was der Brite wohl einkalkuliert hat. „Wie weit sind sie entfernt?“ will ich wissen und steuere den Wagen in eine kleine Gasse. „Etwa zweihundert Meter.“ ist die Antwort. Hinter einem größeren Gebäude bringe ich den Wagen zum stehen und schalte den Motor ab. „Hier dürfte uns niemand entdecken.“ sage ich mehr zu mir selbst als an Alister gewandt, der mich dennoch fragend ansieht. „Du bleibst hier.“ erkläre ich und greife mir von dem Rücksitz die Galabija, die ich von Odion bekommen habe und die mir schon einmal als Verkleidung diente. Zwar tragen die meisten Einheimischen inzwischen nur noch selten diese traditionelle Kleidung, aber für einem Ausländer falle ich damit sicherlich weitaus weniger auf als in zivil. Alister beobachtet mich schweigend während ich mir das Gewand überstreife. Dann reicht er mir einen Kommunikator, den ich an meinem Ohr befestige. „Du kannst mich hören, ich dich aber nicht.“ erklärt er und ich nicke. „Ich werde dich zum Zielpunkt dirigieren.“ Sein Blick wandert wieder zu dem Bildschirm. „Ich kann nicht genau ausmachen, wie viele Personen in der Nähe sind. Dafür habe ich nicht die richtige Ausrüstung am Start.“ meint er dann und ich winke ab. „Sag mir einfach wo ich lang muss.“ entgegne ich und steige ohne ein weiteres Wort aus dem Wagen. Ungefähr kenne ich die Richtung, in welche ich mich bewegen muss. Zum Glück ist weit und breit kein Mensch zu sehen. So fällt es nicht weiter auf, dass ich an den nächsten Häuserwänden vorbei haste. „Halte dich nordöstlich.“ höre ich Alister sagen und blicke nach rechts. Noch zwei Häuser und ich werde einen offenen Platz überqueren müssen. Schnell begebe ich mich zur Ecke des letzten Hauses und sehe mich um. Auf der anderen Straßenseite sitzen ein paar Ägypter vor einer Hütte. Einer davon ist mit einem größeren Topf beschäftigt, die anderen schlafen wie es scheint. Ohne sie weiter zu beachten folge ich der Abzweigung in nordöstlicher Richtung und werfe nur einmal einen Blick über die Schulter. Die Männer scheinen mich nicht zu bemerken. Sie stören sich zumindest nicht weiter an mir. Und auch ein Wagen, der langsam an mir vorbeifährt, schenkt mir keine größere Aufmerksamkeit. „Das äußerste Gebäude.“ vernehme ich Alisters Stimme und verstehe auch sofort was er damit meint. In kurzer Distanz sehe ich drei größere Lagerhäuser. Von Odions Wagen ist nichts zu sehen. Vermutlich hat man ihn hinter dem Haus geparkt. Ich bleibe kurz stehen, um im Kopf meine Vorgehensweise durchzugehen und mir die Umgebung genauer anzusehen. Bislang sind keine Wachen zu erkennen. Dennoch zögere ich. Gleichgültig welchen Weg ich jetzt in die Richtung der Häuser einschlage, man wird mich direkt sehen. Nirgendwo ist eine Möglichkeit mich unauffällig zu näheren. Fall jemand die Straße von einem der Häuser aus im Auge behält, falle ich ihm direkt ins Auge. Der Weg an sich ist nicht weit. Ein kurzer Sprint und ich könnte hinter einem der Häuser wieder Deckung beziehen. Aber dadurch würde ich mehr als nur auffallen. Folglich bleibt mir nur die Möglichkeit, mich langsam zu nähern. Gerade als ich mich endlich dazu entschließe, meinen Weg fortzusetzen, bemerke ich eine Frau, die mir langsam entgegenkommt. Sie passiert die Lagerhäuser in gemächlichem Gang. Mein Blick wandert zu den Fenstern des letzten Gebäudes, doch nichts ist zu erkennen. Als die Frau fast an den Häusern vorbei ist, setze ich mich in Bewegung und gehe direkt auf sie zu. Ich muss mich bemühen, langsam zu gehen, zu schlendern und senke im letzten Moment ehe wir uns begegnen den Blick. Wie ich aus dem Augenwinkel wahr nehme, tut sie es mir gleich. Eine tiefe, warme Stimme, die mich ein wenig an Ishizu erinnert, murmelt einen beiläufigen Gruß und auch ich wiederhole die hier gebräuchliche Grußformel, dann habe ich ihr den Rücken zu gewandt und setze meinen Weg der Straße folgend fort, um für einen möglichen Beobachter den Eindruck zu erwecken, ich würde mich anschicken das Dorf zu verlassen. Als ich das vorletzte Gebäude erreicht habe, dränge ich mich an die Hauswand und spähe vorsichtig um die Ecke. In etwa fünfzehn Metern Entfernung steht Odions Wagen. Daneben parkt ein neuerer Jeep und ein unauffälliges Mittelklassemodell. Von den Autos sind es wiederum ungefähr fünf Meter bis zum Eingang des letzten Lagerhauses. Keins der Autos ist besetzt. Vor dem Jeep steht lediglich ein ägyptisch aussehender, hochgewachsener Mann mit einer AK101 bewaffnet, die er augenblicklich aber recht lässig über der Schulter trägt. Er raucht und lässt seinen Blick gelangweilt durch die Gegend schweifen ohne dabei einen besonders wachsamen Eindruck zu machen. Scheinbar rechnet dieser Quentin nicht mit ungebetenen Gästen. Einen Augenblick beobachte ich den Mann intensiv. Dann sehe ich mir die Wagen näher an. Der Escort war allem Anschein nach als erstes hier. Vermutlich ist Quentin damit gekommen. Dann traf Odion ein und schließlich der Jeep, der ihm scheinbar gefolgt ist, kombiniere ich angesichts der Parksituation. Der Brite kam sicher nicht alleine und im Jeep dürften sich auch mehrere Leute befunden haben. Stellt sich nun also die Frage wo die anderen sind und Quentin tatsächlich nur diesen einen Mann vor dem Haus postiert hat. So oder so, es besteht keine Möglichkeit, mich dem Mann ungesehen zu nähern. Sobald ich mich um die Ecke gehe, müsste er mich sehen oder zumindest hören, selbst wenn er nicht von der wachsamsten Sorte zu sein scheint. Wieder überlege ich kurz. Dann greife ich mir eine Handvoll Kies vom Boden und werfe einen etwas größeren Stein in Richtung des Escorts. Er prallt an der Seitentür ab und fällt zu Boden. Ich ziehe meinen Kopf zurück und lausche. Der Ägypter scheint sich aufzurichten. Ich höre wie der Boden unter seinen Füßen knirscht und er ein paar Schritte macht. Erneut nehme ich mir einen Stein und werfe ihn ohne genau zu wissen wohin um die Ecke. Er trifft nur auf den Boden, macht aber dabei ein kleines Geräusch und wieder scheint die Wache ein paar Schritte zu gehen. Als ich das dritte Mal geworfen habe, setzt er sich zügiger in Bewegung und ich höre deutlich, dass er in meine Richtung steuert. Ich weiche ein zwei Schritte von der Ecke zurück und werfe die restlichen Steine gegen die Hauswand vor mir. Vage höre ich den Mann irgendetwas murmeln und glaube zu vernehmen, dass er sein Gewehr in die Hand nimmt. Vorsichtig nähere ich mich wieder der Hauswand und presse meinen Körper gegen den kühlen Stein. Die Schritte bewegen sich nun eindeutig in meine Richtung, halten jedoch kurz inne und ich verdrehe unwillkürlich die Augen. Scheinbar habe ich den Mann noch nicht genug aufgescheucht. Kurz überlege ich, erneut Steine zu werfen, entscheide mich dann allerdings dafür einfach ein wenig mit den Füßen auf dem Boden zu scharren. Wie erwartet reagiert er nun. Ich vernehme ein kleines Klicken, dann wieder Schritte und die Mündung der Waffe erscheint in meinem Blickfeld. Mag der Mann auch sonst nicht von der schnellen Truppe sein, er nähert sich zumindest langsam und vorsichtig der Ecke des Hauses. Ich halte die Luft unwillkürlich die Luft an und hoffe, dass er sich noch ein Stück weiter hervorwagt. Kaum ist dies geschehen, schlage ich zu. Ich greife mit einer Hand nach der Mündung des Gewehres und reiße sie nach oben. Mit der anderen Hand packe ich ihm am Hals und drücke zu. Sofort schnellt seine freie Hand nach oben und um schließt mein Handgelenk. Schnell versetze ich ihm einen gezielten Tritt gegen das Knie und er gibt ein leises Röcheln von sich. Mein rechter Fuß wandert zwischen seine Beine und ich bringe ihn endlich zum Fall. Das Gewehr gleitet ihm aus der Hand, ich packe ihn an der Schulter und ziehe ihn, wohl bedacht darauf nicht zu viel Druck auf seine Kehle auszuüben um die Ecke. Im nächsten Augenblick bin ich auch schon über ihm. Mein Knie drückt hart gegen seinen Brustkorb und ich lockere den Griff um seinen Hals. „Ein Ton und ich zerquetsche deinen Kehlkopf.“ raune ich in das zornige Gesicht. Der Mann scheint mich zumindest zu verstehen. Er blinzelt kurz. Ich taste mit meiner freien Hand nach dem Gewehr ohne den Blick von ihm zu wenden. „Wie viele Leute sind in dem Gebäude?“ will ich wissen und lasse gerade soweit von seinem Hals ab, dass er mir zu antworten vermag. Er scheint kurz zu überlegen. „Sieben.“ keucht er schließlich. „Insgesamt?“ frage ich nach, da ich vermute, dass er damit nicht nur Quentins Handlanger meint. Er nickt leicht. „Gibt es noch weitere Wachen?“ Der Ägypter schüttelt den Kopf. Ohne den Briten gibt es folglich nur noch drei weitere Gegner. Das heißt wir stehen zu dritt gegen vier. Omar wird sich an einem Kampf sicherlich nicht beteiligen, aber Odion alleine dürfte schon mit zwei von Quentins Helfern fertig werden. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, den Mann einfach bewusstlos zuschlagen und ihn liegen zu lassen. Doch dann kommt mir eine bessere Idee. „Du wirst jetzt tun, was ich dir sage.“ erkläre ich ihm und fixiere die dunklen Augen, die mich nach wie vor wütend ansehen. Widerwillig nickt der Mann und ich löse meine Hand von seinem Hals. „Ein Mucks und du bist tot, verstanden?“ frage ich und deute auf das Gewehr, das an mich genommen habe. „Verstanden.“ entgegnet er und ich stehe von ihm auf. „Richte dich ganz langsam auf, keine falsche Bewegung.“ fordere ich ihn auf, wobei ich das Gewehr auf ihn richte. Er tut wie befohlen und rappelt sich wieder auf die Beine. „Wir gehen jetzt zum Eingang.“ Ich deute ihm mit der Waffe an, vorauszugehen. Einen Moment zögert der Ägypter. Dann setzt er sich träge in Bewegung und ich folge ihm. An der Tür angekommen, hält er inne und wartet auf weitere Anweisungen. „Klopf an.“ befehle ich und er hebt die Hand. Beim dritten Klopfen vernehme ich Schritte. Die Tür wird einen Spalt geöffnet und über die Schulter des Ägypters sehe ich einen weiteren Mann. Europäer. Er sieht die Wache fragend an. „Was ist?“ zischt er ungehalten, doch ehe meine Geisel etwas erwidern kann, gebe ich ihr einen Schubs und schleudere sie gegen die Tür, die knarrend nachgibt. Der Ägypter fällt ins Innere des Raumes und zufrieden stelle ich fest, dass auch der andere ins taumeln geraten ist. „Was zum- .“ höre ich ihn überrascht ausrufen, dann versetze ich ihm einen harten Schlag mit dem Kolben und er geht zu Boden. Mein Blick wandert kurz durch den Raum und in knapper Entfernung entdecke ich Odion und Marik. „Jetzt!“ rufe ich den Beiden zu und versetze der Wache ebenfalls einen Schlag. Der Mann fällt wie ein nasser Sack zu Boden, dann eile ich zu meinen Freunden. Omar ist zur Seite gewichen und sichtlich bemüht, sich nicht in das weitere Geschehen verwickeln zu lassen. Marik hat sich auf einen der Männer gestürzt und auch Odion hat bereits einen am Kragen. Meine Zielperson erkenne ich sofort. Ein hochgewachsener Mann in dunklem Anzug. Auf seiner Miene zeichnet sich deutlich Überraschung ab, dennoch reagiert er schnell. Er greift in seine Jackentasche und hat die Pistole schon fast auf Odion gerichtet als ich einen Warnschuss abgebe. Schlagartig halten alle in ihren Bewegungen inne. „Lassen sie die Waffe fallen, Quentin.“ sage ich an den Briten gewandt, dessen Blick mich nun trifft. Er zögert und ich bin sicher, dass er im Kopf seine Möglichkeiten durchgeht. Odion ist es gelungen, einen der Männer zu Boden zu ringen und Marik hat seinen Gegner entwaffnet. „Nimm ihm die Waffe ab, Marik!“ fordere ich den jungen Ägypter auf, der sich den Schleier vom Gesicht gerissen hat. Für einen Moment rechne ich damit, dass Quentin seine Pistole auf ihn richtet. Doch er rührt sich nicht. Selbst als Marik zu ihm tritt, um ihm die Waffe aus der Hand zu nehmen, sieht er mich nur regungslos an. Dann scheint er sich einen Ruck zu geben und reicht Marik, ohne ihn eines Blickes zu würdigen die Waffe. Odion hat seinen Gegner inzwischen wieder auf die Beine gezogen und sieht mich nun fragend an. „Fesselt alle bis auf Quentin.“ erkläre ich und mein Blick wandert kurz zu den zwei Bewusstlosen am Boden, dann zu Omar. „Verschwinde, ehe ich es mir anders überlege.“ sage ich an den Araber gewandt. Er zögert keine Sekunde. Er wirft Quentin noch einen kurzen Seitenblick zu, dann eilt er auch schon zum Ausgang. „Willst du ihn wirklich gehen lassen?“ fragt Odion skeptisch und ich nicke. „Er wird uns nicht weiter behelligen.“ versichere ich dem Ägypter. Ein paar Minuten später haben Odion und Marik Quentins Helfer gefesselt. Der Brite steht noch immer regungslos da und sieht mich an. „Ich nehme an, sie wissen wer ich bin.“ „Seto Kaiba.“ presst Quentin hervor und ich lächele ihn kalt an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)