Abgekarterte Spiele von abgemeldet ("Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time.") ================================================================================ Kapitel 1: Mit dem Rücken zur Wand ---------------------------------- "Wenn man einen König ermordet, dann erdolcht man ihn nicht in einer finsteren Ecke. Man tut es da, wo der gesamte Hofstaat ihm beim Sterben zusehen kann." meint er und ich muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er spöttisch lächelt. "Verstehst du was ich damit sagen will?" Ich erwidere nichts, das ist auch nicht nötig. Er erwartet auch keinerlei Reaktion. Ich sehe ihn weiterhin ungerührt an. Noch sitzt meine Maske. Ich weiß, sie hat Risse bekommen, aber ich bin nach wie vor in der Lage, sie aufrecht zu erhalten und ich werde ihm keineswegs die Gegnugtum gönnen, mich ohne sie zu sehen. Nein, ich werde nicht die Fassung verlieren. Er weiß natürlich, dass ich innerlich bebe. Er ahnt es nicht nur, er weiß es, aber zeigen werde ich es ihm nicht. "Weißt du, es hätte alles so einfach sein können, mein lieber Kaiba. Du hättest meinem Auftraggeber nur deine Firma überschreiben müssen, nicht mehr und nicht weniger." fährt er im lässigen Plauderton fort als würden wir hier tatsächlich ein freundschaftliches Gespräch führen. "Doch du musstest dich ja stur stellen..." Er seufzt gespielt theadtralisch und sieht mich mit sanftem Tadel an. "Dabei hätte dir doch klar sein müssen, dass wir dir das nicht würden durchgehen lassen. So gesehen bist du selbst Schuld an dieser Entwicklung, Kaiba." Er zuckt leicht mit den Schultern. Noch immer erwidere ich nichts, ich sehe ihn nur an und es kostet mich enorme Kraft, meine Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten. "Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde euch einfach so meine Firma übergeben? Wenn dem so ist, dann bist du dümmer als ich dachte." entgegne ich schließlich und erhebe mich langsam. Sein Lächeln wird zu einem amüsierten Grinsen. "Nein, das habe ich keineswegs. Ich wusste, dass du Widerstand leisten würdest, aber dass du so weit gehst, lieber deine eigene Firma zu vernichten als sie uns zu überlassen.... Damit habe ich nicht gerechnet, nein. Doch wie gesagt, du hättest besser daran getan, es nicht zu tun." Auch er steht auf und somit ist dieses Gespräch wohl zuende. Es gibt ohnehin nichts mehr zu sagen. Weder von meiner Seite, noch von seiner. Alles Wesentliche ist gesagt und ich spüre auch, dass ich meine Contenance nicht länger werde wahren können. Vielleicht spürt er es auch, denn er mustert mich eingehend und ich weiß, dass er insgeheim auf ein Zeichen von Schwäche wartet. Es würde seinen Triumph vollkommen machen und genau deshalb halte ich an mir. Wir wissen beide, dass ich am Boden bin, doch ich werde einen Teufel tun und es ihm deutlich zeigen. "Weißt du, Kaiba, man sagt, wenn einem die Menschen, die man liebt, genommen werden, kann man nie wieder der sein der man war." Seine Augen funkeln mich an. "Ich bin gespannt, welche Auswirkungen das auf dich haben wird." Mit einer grazilen Geste streicht er sich das Haar aus dem Gesicht. Noch immer lächelt er. Ich presse meine Lippen hart aufeinander und quittiere seinen funkelnden Blick mit Eiseskälte. "Nun, wir werden sehen, nicht wahr?" fährt er fort. Langsam geht er zur Tür, seine Schritten spüren vor Selbstsicherheit und ich weiß, dass er sich mehr als überlegen fühlt. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, ihn zu fragen, wer sein Auftraggeber ist, doch ich weiß, dass er mir diese Frage nicht beantworten würde. Genau wie ich weiß, dass er diese Frage schon die ganze Zeit erwartet. Allein deshalb hat er den Umstand, dass er einen Auftraggeber hat, überhaupt erwähnt. "Unter uns gesagt, mein lieber Kaiba." An der Tür angekommen hält er noch einmal inne und wirft mir über die Schulter einen undefinierbaren Blick zu. "Ich wollte nicht, dass es so kommt. Das wirst du mir sicher nicht glauben, doch es ist die Wahrheit. Mag sein, dass wir beide alles andere als Freunde sind, aber Familie war für mich immer wichtig und wäre es nach mir gegangen..." Er beendet den Satz nicht, sieht mir stattdessen nur kurz in die Augen. Seltsamerweise glaube ich ihm das sogar, doch das spielt keine Rolle. Die Dinge sind wie sie sind und ob es nun seine Idee war, Mokuba in das Ganze mit reinzuziehen oder nicht, tut nichts zur Sache. "Noch ein paar letzte Worte?" fragt er spöttisch als er schon halb aus der Tür ist. Ich überlege kurz. "Erwartest du wirklich dergleichen?" entgegne ich schließlich und verziehe meinen Mund zu einem sarkastischen Grinsen. "Soll ich Rache schwören?" Nun bin ich es derjenige, der theadralisch seufzt. "Nun gut, dann sag deinem Auftraggeber, dass es jetzt eine persönliche Angelegenheit ist. Eine sehr persönliche." Er mustert mich einen Moment, dann nickt er langsam und ich weiß, dass er verstanden hat. Ich sehe es in seinen Augen. Das Lächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden und er sieht mich ernst an. "Viel Glück, Seto Kaiba." höre ich ihn sagen ehe sich die Tür hinter ihm schließt. Die Worte klingen keineswegs spöttisch und ein Teil von mir weiß auch, dass er sie keineswegs so gemeint hat. Nein, er ist nur eine Marionette in diesem Spiel. Nichts weiter. Ich warte noch ein paar Sekunden, bleibe regungslos stehen und starre zur Tür, dann lasse ich mich wieder in meinen Sessel sinken und atme tief durch. Unwillkürlich wandert mein Blick zu dem Bild auf dem Schreibtisch und beinahe sofort verspüre ich einen Stich. Jetzt bin ich nicht mehr in der Lage, meine Maske aufrecht zuhalten. Ich muss es auch nicht. Ich beuge mich vor, greife nach dem kleinen goldenen Rahmen und betrachte das Bild eingehend. Mokuba. Ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Wie konnte es nur soweit kommen? Warum zum Teufel habe ich die Zeichen nicht gesehen? Hat er Recht, war es tatsächlich mein Stolz, meine Sturheit, die dazu geführt hat, dass mein kleiner Bruder von mir genommen wurde? Nein, darüber darf ich nicht nachdenken. Das führt zu nichts. Wenn ich mich dem Selbstmitleid ergebe, dann habe ich endgültig verloren und sie haben ihr Ziel erreicht. Ich muss mich zusammen reißen. Koste es was es wolle. Und ich muss nachdenken. "Sir?" Ich habe gar nicht gehört, dass sich die Tür geöffnet hat, erst als Roland neben mir steht, wird mir seine Anwesenheit bewusst. Ich erwidere nichts, mein Blick hängt immernoch gebannt an dem Bild und mein Hand, die den Rahmen hält, verkrampft sich mehr und mehr. "Kann ich etwas für sie tun, Sir?" will mein Assistent wissen und ich höre deutlich die Sorge, in seiner Stimme. Roland ist wohl der einzige Mensch, der versteht wie es mir gerade geht und auch der Einzige, dem ich es zeigen kann. Ich schüttele leicht den Kopf, noch immer starr auf Mokuba´s Abbildung blickend. Die großen, schwarzen Augen strahlen mich an und wieder verspüre ich einen Stich. Schmerz durchzuckt mich. Schmerz, wie ich ihn noch nie zuvor gefühlt habe. Ein dumpfer Schmerz, der alles erfüllt, jeden Nerv berührt und mich dazu zwingt unwillkürlich die Augen zu schließen. Einen Moment später spüre ich Roland´s Hand auf meiner Schulter. Widerwillig reiße ich mich von dem Bild los und wende meinem Kopf meinem Assistenten zu, der versucht mich aufmunternd anzulächeln. "Wir werden Master Mokuba zurückholen, Sir." sagt er und Entschlossenheit schwingt in seiner Stimme mit. Ich nicke kaum merklich, doch Roland versteht mich auch so. Er kennt mich gut genug. Es bedarf keiner Worte und für einen kurzen Augenblick lässt der Schmerz in meiner Brust ein wenig nach. "Ich habe mir erlaubt, eine Aufstellung über ihre liquiden Mittel zu erstellen, Sir." sagt mein Assistent ein paar Sekunden später. "Desweiteren habe ich angewiesen, die schweizer Konten aufzulösen." Etwas an seinem monotonen, nüchternen Tonfall reißt mich schlagartig zurück in die Realität. Ich werfe noch einen Blick auf das Bild und stelle es dann zurück auf den Tisch. Dann straffe ich meine Schultern und richte mich auf. "Danke, Roland." Meine Stimme klingt seltsam fremd und mein Assistent nickt. "Ich werde ihnen die Unterlagen gleich bringen, dann können sie sich einen Überblick verschaffen." Für einen Moment treffen sich unsere Blicke und wir sehen uns wortlos an. Unwillkürlich kommen mir die Worte wieder in den Sinn, die er gestern zu mir sagte nachdem uns das gerichtliche Urteil verkündet wurde, dass mir jegliches Umgangsrecht mit meinem Bruder versagt und gleichzeitig verfügt, dass Mokuba zur Adoption frei gegeben wird. Nicht einmal während der Verhandlung war es mir vergönnt, ihn zu sehen. Seit drei Wochen haben wir uns weder gesprochen noch sehen dürfen und ich kann nur erahnen, wie der Kleine sich fühlt. "Ich werde sie nicht alleine lassen, Sir. Master Mokuba und sie sind meine Familie und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihnen zu helfen, ihren Bruder zurückzubekommen." Roland ist für gewöhnlich kein Mann, der großen Worte, umso erstaunter war ich doch über diese Aussage, auch wenn ich im Grunde nichts anderes von ihm erwartet hatte. Ich wusste, dass er mich in dieser Situation nicht im Stich lassen würde und mein Versuch ihn zu entlassen, war auch mehr eine halbherzige Geste, ihn aus dieser Angelegenheit rauszuhalten. Aber auf seine sachlich-nüchterne Art hat er mir zuverstehen gegeben, dass es nicht nur meine Angelegenheit ist und er hat Recht. Er ist ein Teil unserer Familie und nun ist er der Einzige, der mir noch geblieben ist. "Wissen sie schon, was sie als nächstes zu tun gedenken, Sir?" höre ich ihn fragen. Ich brauche einen Moment bis ich ihn der Lage bin zu antworten, denn vor meinem inneren Auge sehe ich wieder die Szene vor mir, die mich in inzwischen bis in meine Träume verfolgt. Polizeibeamte, die in die Villa stürmen und Mokuba mit sich reißen. Moki, der mich entsetzt und hilflos ansieht, seine Hand nach mir ausstreckt und meinen Namen ruft. "Ich muss wissen, wer hinter all dem steckt." sage ich schließlich mit tonloser, kalter Stimme. "Ich habe auch schon eine Idee, wie ich das in Erfahrung bringen werde. Genau wie Mokuba´s Aufenthaltsort. Das Gericht hat mir lediglich mitgeteilt, dass ein amerikanischer Millionär, die Vormundschaft bis auf weiteres übernommen hat. Mehr wollte man mir nicht sagen." Roland hört mir geduldig zu und nickt schließlich. "Soll ich einen ihrer Detektive herbestellen, Sir?" fragt er und ist mal wieder so effizient, wie ich es von ihm gewohnt bin. Ich schüttele den Kopf. "Nein, mir schwebt etwas anderes vor. Kümmern sie sich bitte, um die notwendigen Gelder. Machen sie alles flüssig, was auf die Schnelle möglich ist. Ich werde viel Geld brauchen." entgegne ich und nun klinge ich fast wieder wie immer. Kalt und überlegt. "Wie sie wünschen, Sir." sagt er und schickt sich auch schon an, meinen Auftrag auszuführen. Kaum das er den Raum verlassen hat, spüre ich wie der Schmerz wieder stärker wird, wie die Leere in mir mich zu überwältigen droht, aber das darf ich keinesfalls zulassen. Ich habe immer funktioniert und jetzt muss ich es mehr denn je. Um Mokuba´s Willen. Schließlich habe ich ihm versprochen, dass ich ihn zurückholen werde. Ich habe es meinem Bruder geschworen und ich werde mein Wort halten. Ich muss es halten und das werde ich auch. Gleichgültig was es mich kosten wird. Nichts anderes zählt. Die Firma... mein Lebenswerk... Sie ist nicht mehr wichtig. Erneut schleicht sich die Frage in meine Gedanken, ob ich wirklich Schuld bin an dieser Lage. Hätte ich die Kaiba Corporation einfach aufgegeben, wäre Mokuba noch hier. Sie wollten nur die Firma. Genau wie er gesagt hat. Ich hätte sie ihnen überlassen können. Ich hätte mich vorerst zurückziehen und überlegen könne, wie ich sie zurück bekomme, doch ich konnte diese Niederlage nicht zulassen. Also habe ich meine Firma lieber zerstört als sie in die Hände anderer fallen zu lassen. Sie glaubten sich am Ziel, hatten die Kaiba Corporation fast in der Hand und hätte ich ihnen diesen Sieg doch nur gegönnt... "Hör auf darüber nachzudenken." ermahne ich mich und versuche mich daran zu erinnern, dass wir die Entscheidungen, die wir treffen nicht zurücknehmen können, wir können nur die Entscheidungen steuern, die wir in Zukunft treffen. Und um die Zukunft geht es jetzt. Mokuba´s Zukunft. Meine Zukunft. Fast automatisch gehe ich zu dem kleinen Wandschrank, öffne ihn und greife nach einem Glas und der Flasche Gin. Normalerweise trinke ich nicht. Ich habe nie getrunken. Doch jetzt kann ich nicht anders, auch wenn ich weiß, dass der Alkohol mir keineswegs helfen kann. Wie sollte er auch? Trotzdem stürze ich ein Glas runter und fülle es erneut. Das wohlige Brennen tut gut, Wärme breitet sich schlagartig in meinem Magen aus. Mit Glas und Flasche gehe ich zurück zu meinem Schreibtisch und lasse mich in meinen Sessel sinken. Einen Moment starre ich auf die Papiere, die auf meinem Tisch liegen, dann gebe ich mir einen Ruck und greife nach den Unterlagen des Gerichts. Die Verleumdung war wirklich perfekt. Dass muss ich meinen Gegnern lassen. Sie haben ihr Vorhaben präzise in die Wege geleitet und mir keinerlei Schlupfloch gelassen. Selbst meine Anwälte waren machtlos gegen die gefälslchten Beweise und die falschen Zeugen. Unwillkürlich muss ich an Muto denken. Er war der Einzige, der versuchte zu meinen Gunsten auszusagen, aber seiner Aussage wurde keinerlei Bedeutung beigemessen. Sie hätte ohnehin nichts geändert. Die Richter waren bestochten worden und das Urteil stand ohnehin fest. Die Presse stürzte sich auf die Geschichte wie Hyänen auf ihre Beute und Mokuba´s Schicksal war besiegelt, noch bevor der Urteilsspruch verkündet wurde. Immerhin war es mir möglich, die Klage gegen mich abzuwenden. Doch auch dabei hatten meine Gegner wohl ihre Finger im Spiel. Dessen bin ich mir sicher. Und hat er bei unserem Gespräch vorhin nicht auch angedeutet, dass er gespannt darauf ist, wie ich fortan reagieren werde? Auch das gehört zu ihrem Plan. Ja, sie wollte mich nicht im Gefängnis sehen, deshalb bin ich noch auf freiem Fuß, denn sie wollen sehen was Seto Kaiba nun tun wird, jetzt wo sie mich in die Enge getrieben haben. Die Würfel mögen gefallen sein, aber das heißt noch nicht, dass das Spiel zu Ende ist. Ich spüle das zweite Glas runter und schließe für einen Moment die Augen. Es fällt mir schwer, den Schmerz auszublenden. Noch schwerer ist es allerdings Mokuba´s Gesicht aus meinen Gedanken zu verbannen. Einzig der Gedanke, dass ich mich konzentrieren muss, wenn ich den Kampf aufnehmen will, vermag es, dass ich einigermaßen in der Lage bin, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Meine weitere Vorgehensweise. Die Strategie steht schon fast in meinem Kopf. Nun bedarf es zweierlei, um meine Pläne in die Wege zu leiten: Geld und Informationen. Roland kümmert sich um den ersten Punkt. Ich bin sicher, dass es ihm möglich sein wird, das Bestmögliche aus der aktuellen Situation herauszuholen. Ein Glück, dass ich in der Vergangenheit bereits diverse Konten im Ausland angelegt habe. Eines der wenigen Dinge, die ich von meinem Adoptivvater übernommen habe. Was die Informationen anbelangt... Da habe ich in der Tat schon eine Idee. Sie behagt mir nicht wirklich, aber es ist eindeutig die effektivste Möglichkeit. Doch dafür bedarf es vermutlich mehr als nur Geld. Aber was habe ich für eine Wahl? Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Und ich habe nichts mehr zu verlieren. Im Grunde die beste Vorrausetzung, um in die Offenive zu gehen. Kapitel 2: Beunruhigt --------------------- "Na, steht was interessantes in der Zeitung, mein Sohn? Du scheinst ja ganz gebannt." vernehme ich die Stimme meines Gegenübers und blicke über den Zeitungsrand zu dem Sprecher. Meinem Vater. Obgleich ich nun seit fast drei Jahren bei ihm bin, ist es noch immer seltsam, in ihm meinen Vater zu sehen. Dabei ist er es. Dessen bin ich mir mehr als bewusst. Dennoch erscheint es mir nach wie vor fantastisch und ab und an habe ich selbst jetzt noch das Gefühl zu träumen, so unwirklich erscheint mir das Ganze. Albern eigentlich, ich müsste mich doch längst daran gewöhnt haben. Immerhin ist der Alltag schon längst eingekehrt und das nicht erst seit gestern. "Nur ein Bericht über einen alten Klassenkameraden." erwidere ich und er nickt. Ich widme mich erneut dem Artikel, dessen Schlagzeile ich nun schon fünf Mal gelesen habe und überfliege zum zweiten Mal die nüchtern geschriebenen Zeilen, die von dem Gerichtsurteil berichten, dass über Mokuba Kaiba´s Zukunkft gesprochen wurde. Jetzt ist es offiziell. Seto Kaiba wurde das Sorgerecht für seinen kleinen Bruder entzogen und jeglicher Umgang mit dem Kleinen wurde ihm per Gerichtsbescheid untersagt. Der Reporter berichtet weiterhin, dass man nun nach einem geeigneten Vormund für den jungen Kaiba suche. Die Informationen über Seto Kaiba dagegen sind mehr als dürftig. Scheinbar hat er der Urteilsverkündung beigewohnt und die Entscheidung des Gerichts ohne jede Regung angehört. Von einem Verfahren gegen ihn selbst wurde offensichtlich abgesehen. In leicht reißerischem Ton erwähnt der Schreiber lediglich, dass der ehemalige Firmenchef sich bis auf weiteres aus der Öffentlichkeit zurückgezogen habe und legt ihm seine Emotionslosigkeit als deutliches Indiz für die Richtigkeit der Anklagepunkte aus. Unwillkürlich schüttele ich den Kopf. Dieser Journalist hat keinerlei Ahnung. Soviel steht fest. Der gesamte Artikel, gleichwohl er bemüht ist, objektiv zu erscheinen, prangert Kaiba als schuldig an und unterstreicht somit, dass der Urteilsspruch korrekt ist. Der Verfasser bezieht eindeutig Position gegen Kaiba, auch wenn er sich zurückhält auf die prekären Details der Anklage einzugehen. "Diese Anklage ist absoluter Unsinn." entfährt es mir und mein Vater sieht mich erstaunt an. Ich lächele ihn verlegen an. "Entschuldige, aber was hier steht, kann einfach nicht der Wahrheit entsprechen." erkläre ich meinen unerwarteten Ausbruch. "Du redest von dem Kaiba-Prozess?" kommt prompt die Frage und ich nicke. Seit Wochen verfolge ich die Geschichte, lasse mir tätglich die neusten japanischen Zeitungen kommen und je mehr ich erfahre, desto sicherer bin ich, dass ein abgekartertes Spiel im Gange ist. Schon der erste Bericht über Seto Kaiba, der seinen Bruder vernachlässigt und misshandelt haben sollte, war für mich eine Farce. Allerdings war ich anfangs der Ansicht, dass es sich dabei lediglich um das Gewäsch eines übereifrigen Journalisten handeln würde und dieser sicher umgehend von Kaiba verklagt werden würde. Doch dann erschienen weitere Berichte und schließlich wurde ein eingeleitetes Verfahren in dieser Angelegenheit spruchreif. Doch ich konnte es noch immer nicht glauben. Gut, eine Woche zuvor hatte die Kaiba Corporation ihre Firmenauflösung bekannt gegeben, was mir auch schon utopisch erschienen war. Allein der Gedanke, dass dieser arrogante Eisklotz sein Lebenswerk, seine treue Geliebte, aufgeben würde, erschein mir haarsträubend verrückt. Doch die Nachricht stimmten. Sämtliche Aktien der Kaiba Corp. wurden in Windeseile verkauft und die Börse stand Kopf. Die Finanzwelt konnte sich diesen Schachzug Kaiba´s nicht erklären, abe rman munkelte von einer feindlichen Übernahme und scheinbar hatte Kaiba seine Firma lieber zerstören wollen als sie in fremde Hände zu geben. Diesen Punkt konnte ich mir noch vorstellen, auch wenn es mir schwer fiel, zu glauben, dass jemand Kaiba tatsächlich so überlistet haben konnte, dass er zu dieser Handlung gezwungen war. Aber diese Geschichte mit Mokuba... Nein, das kann einfach nicht der Wahrheit entsprechen und auch wenn die Zeitungen immer wieder Beweise für die Misshandlungen vorlegten, Bilder gezeigt wurden, die eindeutig Mokuba Kaiba zeigten, übersäht mit blauen Flecken und blutigen Wunden... Ich konnte es nicht glauben und ich glaube es auch jetzt noch nicht. "Du denkst, das Urteil ist nicht gerechtfertigt, Joey?" will mein Vater wissen und ich nicke heftig. "Es kann nicht gerechtfertigt sein. Er würde nie so etwas tun. Nie." entgegne ich vehement, was mir einen leicht erstaunten Blick einbringt. "Ich dachte, dieser Kaiba und du... nun, hast du nicht erzählt, dass ihr nicht gerade Freunde wart?" Ich nicke. Nicht gerade Freunde ist deutlich untertrieben. Vor drei Jahren war Seto Kaiba mein persönlicher Erzfeind, meine Nemesis und es verging kein Tag an dem ich mich nicht mit ihm in die Haare bekam. Unsere Streitereien waren geradezu legendär und dieser eingebildete Eisklotz ließ keine Gelegenheit aus, mich vorzuführen und zu demütigen. Lange Zeit war ich der Ansicht, dass dies neben seiner geliebten Firma und seinem Bruder sein Hauptexistenzgrund wäre. Mir das Leben schwer zu machen, schien seine Passion. "Er vergöttert Mokuba. Er würde sich eher einen Arm abhaken lassen, als dem Kleinen etwas zu tun. Kaiba´s gesamtes Lebenswerk baut auf dem Wunsch auf, Mokuba ein besseres Leben zu bieten. Nein, das Urteil ist nicht nur nicht gerechtfertigt, es ist verrückt." entgegne ich und bin selbst überrascht wie energisch ich gerade reagiere. Meine Stimme bebt und ich wette, dass meine Augen gerade wilde Blitze schleudern. Mein Vater nickt nachdenklich und ich vermute, dass er nicht so recht weiß, was er sagen soll. Auch ein Punkt, bei dem wir noch nicht wirklich zusammen gefunden haben. Wir gehen freundlich, fast liebevorll miteinander um, aber über meine Zeit in Japan sprechen wir so gut wie nie. Ich vermute, er bemüht sich das Thema auszublenden, um keine Wunden aufzureißen. Immerhin weiß er, dass meine Zeit dort alles andere als rosig war. Zumindest die Zeit, die ich mit meinem Stiefvater verbrachte, von dem ich bis zu meinem 16. Geburtstag dachte, dass er mein leiblicher Vater sei. Dann stand mein Leben mit einem Mal Kopf. Ich war gerade dabei meinen Abschluss zu machen, mehr schlecht als recht, wenn ich ehrlich bin und dann ging alles ganz schnell. Zwei Anrufe veränderten mein Leben grundlegend. Eine Tür wurde geschlossen, eine andere aufgestossen, wenn man so will. Eben erfahre ich, dass meine Mutter und meine Schwester bei einem Autounfall, um´s Leben gekommen sind, im nächsten Augenblick sitze ich einem Notar gegenüber, der mir nicht nur den letzten Willen meiner Mutter offenbart, sondern auch noch verkündet, dass ich eigentlich der Sohn eines Amerikaners bin, mit dem sie eine kurze Affäre hatte. Er wusste nicht von mir, erfuhr von meiner Existenz auch erst durch den Notar und kaum zwei Tage später standen wir uns zum ersten Mal gegenüber. Gott, war das vielleicht eine verrückte und unwirkliche Situation. Ich kam mir mehr als seltsam vor. Teilweise war es so als würde ich neben mir stehen und wie ein stummer Zuschauer das Geschehen beobachten. Nun, uns war wohl beiden seltsam zumute. Ihm ging es auch keineswegs besser und ich schätze, das machte die Dinge letztlich doch leichter. Ich meine, wenn er von mir gewusst hätte, ich wäre sicher anders mit ihm umgegangen. So aber standen wir beide vor vollendeten Tatsachen. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Jack Wheeler hat weder Kinder noch eine Familie. Ich bin sein einziger Sohn, sein einziger noch lebender Verwandter. Seine Entscheidung, mich mit sich zu nehmen, stand demnach schnell fest. Doch er überließ es mir, mit ihm zu gehen oder in Japan zu bleiben. Im ersten Moment wusste ich nicht was ich von diesem Angebot halten sollte. Ein fremder Mann, ein unbekannter Vater und ein noch fremderes Land... Doch was hielt mich letztlich in Japan? Dem Mann, den ich bis dato als meinen Erzeuger angesehen hatte, war ich egal und meine Freunde... Nach dem Schulabschluss schickte sich jeder an seinen Weg zu gehen und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen bis wir uns ohnehin aus den Augen verloren hätten. Also nahm ich die dargebotene Chance auf ein neues Leben an und kaum drei Wochen später betrat ich zum ersten Mal amerikanischen Boden. Nun lebe ich seit fast drei Jahren in New York, besuche ein renomiertes College und arbeite nebenbei in der Firma meines Vaters, Wheeler Industries. Keine Wunder eigentlich, dass mir das alles noch immer unwirklich vorkommt. Wer hätte auch gedacht, dass ich einmal solch einen Weg einschlagen würde? Die Meisten sahen mich wohl als geborenen Versager an, der zwangsläufig in der Gosse enden würde. Kaiba zum Beispiel. Wenn er mich jetzt sehen könnte... Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass unsere beider Wege, die eigentich festzustehen schienen, sich so anders entwickelt haben. Von ihm vermutete man, dass er es nur noch weiter nach oben schaffen würde. Schon während unserer Schulzeit war er ein Genie, hatte seine eigene Firma und es war offensichtlich, dass man nur noch Größeres von ihm erwarten konnte. Bei mir dagegen waren die Erwartungen minimal. Nun haben wir es beide scheinbar geschafft, die in uns gesetzten Vorstellungen zu enttäuschen. Ich bin aufgestiegen und er befindet sich auf dem absteigenden Ast. Ich muss gestehen, für einen Moment habe ich mich wirklich gefreut als ich hörte, dass er seine Firma verloren hatte. Ja, für ein paar Minuten verspürte ich ein nie gekanntes Gefühl von bitterem Triumph. Zu gerne hätte ich ihm gegenüber gestanden und mit dem Finger auf ihn gezeigt. Für einen winzigen Augenblick war tatsächlich die Versuchung da, einen Abstecher nach Japan zu machen und ihm gegenüberzutreten als Joseph Wheeler, Sohn eines Millionärs, angehender Geschäftsführer einer weltweit expandierenden Firma für Automobilbedarf. Zu gerne hätte ich sein Gesicht gesehen, wenn er mich in einem perfekt geschnittenen Armanianzug gesehen hätte. Doch der Triumph war schnell verflogen und als ich die erste Schlagzeile über Mokuba las, da schämte ich mich sogar für diesen kurzen Moment. Kaiba mochte ein Arsch gewesen sein, aber das habe ich ihm nicht gewünscht. Zugegeben, oftmals hab ich mir vorgestellt, ihm gründlich seine vornehme Fresse zu polieren, aber Mokuba, das ist ein Kapitel, an dem ich nie gerührt hätte. Never. Unter keinen Umständen. "Dann bist du der Ansicht, dass er reingelegt wurde?" fragt Jack und ich nicke. "Es kann nicht anders sein." antworte ich. "Kaiba hat sich einige Feinde gemacht, schon damals waren eine Menge Leute hinter ihm und seiner Firma her, aber das jemand mal so weit gehen würde... " Ich schüttele ungläubig den Kopf. Wer auch immer hinter dieser Intrige steckt, er scheint eine gehörige Portion Wut auf Kaiba zu haben. Nein, er muss ihn hassen. Abgrundtief hassen. Ich schaudere unwillkürlich. Dann muss ich an Mokuba denken. Was der Kleine wohl gerade macht? Wo er wohl ist? "Sag, du hast doch Freunde beim auswertigen Amt, Vater." Jack sieht mich ein wenig überrascht an, nickt jedoch. "Wäre es dir vielleicht möglich, in Erfahrung zu bringen, was mit Mokuba ist? Ich meine, hier steht nur, dass er einen Vormund bekommen soll." Mein Vater mustert mich einen Moment lang. "Dir geht die Sache wirklich nahe, Joey." stellt er schließlich fest. Ich kann nicht umhin zu nicken. "Kaiba war zwar nie ein Freund, aber bei dieser Sache ist er unschuldig. Das weiß ich einfach und ich schätze, er macht gerade die Hölle auf Erden durch. Von Mokuba ganz zu schweigen." Ich weiß nicht warum, aber die Worte sprudeln im nächsten Moment nur so aus mir heraus. Ich erzähle Jack von Kaiba´s Kindheit, dem Waisenhaus, aber auch von Gozaburo Kaiba und er hört mir bedächtig zu. Unwillkürlich muss ich auch wieder an Serenity denken und mein Magen zieht sich leicht zusammen. Noch immer tut es weh. Daran wird sich wohl nie etwas ändern. Vielleicht kann ich mir deshalb augenblicklich auch vorstellen wie es Kaiba gehen mag, auch wenn Mokuba nicht tot ist. Doch Serenity und ich waren schließlich auch getrennt worden und ich weiß noch sehr gut, wie ich mich gefühlt habe. Wie sehr ich sie vermisste und wie schrecklich es war, sie nicht sehen zu dürfen. "Du würdest dem Jungen gerne helfen wollen." Wieder ist es keine Frage, sondern eine Feststellung. Er meint Mokuba und ich nicke. "Ja, das würde ich wirklich gerne tun, zumal ich sicher bin, dass es sonst niemanden gibt, der sich um ihn kümmert. Ich würde zwar wetten, dass Kaiba bereits dabei ist, sich etwas auszudenken, aber bis dahin ist Mokuba auf sich allein gestellt und..." "Ich versteh dich." unterbricht er mich sanft und lächelt. "Du hast wirklich ein gutes Herz, mein Sohn. Ich werde sehen was ich tun kann." Ich erwidere das Lächeln. "Ich werde versuchen Tea oder Yugi zu erreichen, die Beiden wissen vielleicht etwas." entgegne ich und schlagartig wird mir bewusst, wie lange ich schon nichts mehr von den Beiden gehört habe. Anfangs hatten wir noch regelmäßig geschrieben, ab und an sogar telefoniert, aber seit über einem Jahr sind es nur noch gelegentliche Postkarten, die mich erreichen. Allerdings bin ich auch nicht besser. Zu Weihnachten ein Gruß und am Geburtstag die besten Wünsche, mehr nicht. Schade eigentlich, denn der Kindergarten, wie Kaiba uns stets zu nennen pflegte, war das Beste was ich in meinem bisherigen Leben hatte. Was Tristan wohl macht? Oder Duke? Vermutlich leben sie ihr eigenes Leben, genau wie ich. Wie jeder von uns. Und ich... ich bin ja auch irgendwie ein neuer Mensch geworden. Von heute auf morgen wurde ich zu Joseph J. Wheeler. Ein neues Land, ein neuer Namen, eine neue Identität. Und neue Freunde. Hätte ich je wieder an Kaiba und Mokuba gedacht, wenn ich nicht von ihrem Unglück gelesen hätte? Seltsam, dass ich mir diese Frage gerade jetzt stelle. Noch seltsamer, dass ich Kaiba mit einem Mal vor mir sehe. Sein Bild ist in meiner Erinnerung keineswegs verblasst. Ich sehe ihn genauso deutlich vor mir, als hätten wir uns gestern noch gegenüber gestanden. Genauso wie ich Yugi in meinen Gedanken sehe oder Tea. Mein Vater erhebt sich und ich leere meine Tasse Kaffee. Er ist schon fast kalt und schmeckt bitter. Erneut wandert mein Blick über diesen Artikel und abermals schüttele ich den Kopf. Nein, ich kann es einfach nicht glauben. Auch wenn ich Kaiba´s sadistische Seite wohl besser kenne als manch anderer, er würde nie die Hand gegen Mokuba erheben. Zu gut erinnere ich mich an die Szene nach dem Tunier im Königreich der Duellanten als Mokuba Kaiba in die Arme fiel und sie sich gegenseitig ihre Medaillons zeigten. Damals hatte ich Tränen in den Augen, so rührend war diese Szene und so sanft erschien mir der sonst so kalte Eisklotz mit einem Mal. "Wen zur Hölle hast du so verärgert, dass er diese Nummer mit dir abzieht, Seto?" überlege ich mit einem Mal laut. Gozaburo Kaiba ist tot, Noah ebenso, auch die Big Five. Pegasus hat sich zurückgezogen... und selbst ihm würde ich so eine Intrige nicht zutrauen, auch wenn er schon einmal versucht hat Mokuba für seine Zwecke einzusetzen. Damals jedoch stand der Erfinder unter dem Einfluss des Milleniumauge. Wer also käme in Frage? Ich schaudere unwillkürlich. Dann aber gebe ich mir einen Ruck und falte die Zeitung zusammen. Die Arbeit wartet auf mich. Es ist bereits nach acht. Ich wollte um neun spätestens in der Firma sein, um den neuen Produktionsplan durchzugehen, doch augenblicklich fällt es mir seltsam schwer mich auf die anstehende Arbeit zu konzentrieren. "Ich habe heute Nachmittag ein Treffen mit meinem Freund aus dem Ministerium arangiert." teilt mir mein Vater plötzlich mit. "Er wird versuchen, dir Informationen über Mokuba Kaiba´s Aufenthaltsort zu beschaffen. Er hat bereits angedeutet, dass der Junge nach Amerika gebracht werden soll, damit man ihm dem Einflusskreis seines Bruders entziehen kann. Um 14:30 Uhr wissen wir mehr." Ich nicke ihm dankbar zu. Kapitel 3: Erster Schritt aus der Defensive ------------------------------------------- "Wie zum Teufel hast du mich gefunden?" Er ist sichtlich überrascht, funkelt mich herausfordernd an und ich stelle fest, dass sich an seiner Art nicht das Geringste geändert hat. Er ist noch genau wie damals, vor drei Jahren, als wir uns zum letzten Mal gesehen haben. "Ich würde es vorziehen, diesen Punkt nicht zwischen Tür und Angel zu erörtern." entgegne ich kühl. Er zögert, mustert mich einen Moment abschätzend und öffnet dann die Tür, so dass ich eintreten kann. Ich nicke ihm kurz zu, ehe ich an ihm vorbei gehe und meinen Blick durch den Raum wandern lasse. Ich hatte damit gerechnet, dass seine Behausung schäbig sein würde. Das Bild, dass sich mir nun allerdings bietet, ist noch chaotischer als ich dachte. "Sehr spartanisch." bemerke ich und er verzieht spöttisch den Mund. "Immernoch herzallerliebst, Kaiba." entgegnet er und lässt die Tür ins Schloss fallen. Dann verschränkt er die Arme vor der Brust und sieht mich abfällig an. "Also, wie hast du mich gefunden?" will er wissen. "Und was noch interessanter sein dürfte, was willst du von mir?" Wie immer kommt er direkt zur Sache. Schön, das erspart mir eine lange Vorrede. Unwillkürlich muss ich sogar leicht lächeln. Er hat sich keineswegs verändert, wie ich erneut feststellen muss. Noch immer die gleiche Haltung, sogar das spöttische Grinsen ist wie eh und je. Seltsamerweise finde ich das in diesem Augenblick keineswegs beunruhigend. Im Gegenteil. Es ist vertraut und so wie die Dinge liegen, brauche ich augenblicklich ein paar vertraute Dinge. Was natürlich nicht heißt, dass ich diesem Kerl auch nur einen Millimeter über den Weg trauen würde. Das habe ich nie und das werde ich nie, aber ich weiß, dass er genau die richtige Adresse ist, an die ich mich in meiner aktuellen Lage wenden konnte. "Ich habe die ganze Zeit gewusst wo du steckst." erkläre ich kurz und bündig, was mir einen undefinierbaren Blick einbringt. "Und ich bin hier um dir ein Angebot zu machen." Meine Worte hängen im Raum und ich sehe ihm deutlich an, dass er sie sich auf der Zunge zergehen lässt. Sofort bekommt seine Haltung etwas lauerndes, eine blitzartige Verwandlung vollzieht sich. War er eben noch abwehrend und skeptisch, so ist er nun interessiert und lauernd. Das obligatorische Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Seine Augen weiten sich kaum merklich und er mustert mich erneut kurz. Ich halte seinem Blick gelassen stand, zeige keinerlei Regung und warte geduldig aus seine Erwiderung. "Da braucht wohl jemand dringend Hilfe." bemerkt er und fast habe ich den Eindruck, dass er bei diesen Worten wohlig schnurrt. "Aber das du dich ausgerechnet an mich wenden würdest... Deine Lage muss noch verzweifelter sein als ich dachte." Es war anzunehmen, dass ihm die aktuelle Entwicklung keineswegs entgangen sein würde. Er kennt mich, meinen Namen und auch wenn er sich nicht tiefergehend für meine Situation interessiert, was ich wage zu behaupten, so hat er doch mit Sicherheit die Pressemitteilungen verfolgt. Einen Moment denke ich über meine Erwiderung nach, wäge ab in wie weit ich mich offenbaren soll. Im Grunde liegen die Karten auf dem Tisch. Er weiß wie es um die Firma steht und er wird auch wissen, was es mit Mokuba auf sich hat. Den Rest kann er sich zusammenreimen. Ich schätze, das tut er auch gerade. Sein Blick verrät zwar keineswegs was er denken könnte, aber ich kenne ihn immerhin gut genug und ich weiß, wie sein verquerer Verstand funktioniert. Auch ein Punkt über den ich im Vorfeld nachgedacht habe bevor ich hier her gefahren bin. "Sagen wir, die Lage ist keineswegs angenehm." entgegne ich schließlich und sein Grinsen wird breiter. "Was das Thema Hilfe anbelangt... " Ich mache eine kurze Pause und er sieht mich erwartungsvoll und herausfordernd zugleich an. "Wenn du es so nennen willst, bitte. Ich habe keine Zeit zu verlieren, daher brauchen wir über die Definitionen nicht weiter zu streiten. Fakt ist, dass ich dir ein Angebot machen möchte. Ein Geschäft. Ich möchte eine Dienstleistung von dir und ich werde dich dafür angemessen bezahlen." erkläre ich wobei er leicht zu nicken beginnt. "Hilfe, Dienstleistung... wie auch immer... Ich kann mir denken, was du willst. Die Frage ist, bist du überhaupt in der Lage mich zu bezahlen?" In seinen Augen blitzt es kurz auf und ich ziehe unwillkürlich die rechte Augenbraue nach oben. "Wäre ich sonst hier?" entgegne ich lässig. "Ich kenne dich schließlich gut genug, um zu wissen, dass du nicht umsonst arbeitest." Einen Moment noch sieht er mich abschätzend an. Dann ändert sich seine Haltung abermals. Er lässt die Arme sinken, macht einen Schritt in den Raum und lässt sich schließlich betont lässig auf einen der abgewetzten Sessel sinken. Dabei lässt er mich natürlich nicht aus den Augen. Ich halte seinem Blick nach wie vor Stand und ich weiß jetzt schon, dass er mir eine Zusage geben wird. Er mag zwar noch den Unschlüssigen spielen, aber sein Interesse ist erwacht und in Anbetracht der Tatsache, dass er in dieser schäbigen Hütte hier haust, dürfte mein Angebot mehr als verlockend sein. "Sagen wir, ich wäre interessiert." meint er nach einer kurzen Pause und ich muss mir ein sarkastisches Grinsen verkneifen. "Was genau willst du? Ich schätze, es geht um deinen Bruder. Der steht wohl ganz oben auf deiner Prioritätenliste. Tut mir übrigens leid, dass sich die Dinge für dich so negativ entwickelt haben." Wieder huscht ein anzügliches Lächeln über sein Gesicht und ich vermute, dass er mich zu provozieren versucht. Mitleid habe ich von ihm keineswegs zu erwarten, aber das habe ich auch keineswegs vorausgesetzt. Ich bin hier um eine Geschäft abzuschließen. Seine Einstellung kümmert mich nicht weiter solange er tut was ich sage und das weiß er auch. "Man hat Mokuba ins Ausland gebracht. Amerika. Es heißt, dass irgendein Millionär die Vormundschaft für ihn übernimmt. Genaueres konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ich habe allerdings den Verdacht, dass eine Menge Geld geflossen ist, um das zu bewerkstelligen. Meine Gegner wollen ihn so weit wie möglich von mir wegschaffen." erzähle ich in ruhigen, fast schon gleichgültigem Tonfall und für einen Moment bilde ich mir sogar ein, dass ich wirklich nur über irgendeine unbedeutende geschäftliche Angelegenheit rede. Natürlich bleibt der dumpfe Stich nicht aus als ich Mokuba´s Namen sage und innerlich bin ich keineswegs so gelassen wie ich vielleicht gerade wirke. Ich weiß, dass er die Fassade durchschaut. Er kennt mich schließlich und weiß daher sehr gut, dass meine Selbstbeherrschung augenblicklich an einem seidenen Faden hängt, aber da er sich dieser Methoden ebenfalls bedient und sie ihm durchaus vertraut sind, geht er nicht näher auf diesen Umstand ein. Er nickt bedächtigt und ich sehe ihm deutlich an, dass es in seinem Kopf schon zu rattern begonnen hat. "Da scheint sich jemand verdammt viel Mühe zu geben, dir eins auszuwischen, Kaiba." bemerkt er nachdenklich. "Ich soll also für dich herausfinden, wo der Kleine ist und wer ihn sich gekauft hat." Ich nicke. "Das ist ein Teil, dessen was ich von dir erwarte." stimme ich zu und er sieht mich vergnügt an. "Und Teil 2?" will er wissen. "Ich möchte, dass du eine Kleinigkeit für mich besorgst." erwidere ich vage, aber ich weiß, dass er mich nur zu gut versteht. Seine nächsten Worte beweisen es. "Ein kleiner Einbruch also." Wieder leuchtet es in seinen Augen auf und ich stelle fest, dass der Dieb in ihm zu erwachen scheint. "Ich brauche die Gerichtsakten. Alle." erkläre ich unumwunden und er pfeift. "Du willst, dass ich in eine staatliche Behörde einsteige? Nun, das wird nicht billig." entgegnet er lässig und sein Lächeln nimmt diabolische Züge an. Genau mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. "Alles eine Frage des Preises, ich weiß." sage ich spöttisch und stelle meinen Aktenkoffer auf den wackligen Holztisch in der Mitte des Raumes. Obgleich ich ihm den Rücken zugewandt habe, weiß ich, dass er jede meiner Bewegungen genau beobachtet. Ich öffne lässig den schwarzen Koffer und deute auf dessen eindeutigen Inhalt. "Das müsste für den Anfang genügen." meine ich und stelle zu meiner Überraschung fest, dass er bereits neben mir steht. Eine Sekunde lang bin ich überrascht. Ja, wirklich überrascht. Ich habe weder gehört, dass er aufgestanden noch zu mir getreten ist. Doch das beweist nur, dass ich mich an die richtige Person gewandt habe. Schlanke Finger greifen sich ein Bündel aus dem Koffer und er blättert kurz über die Scheine. "Ja, für den Anfang genügt das." entgegnet er und ich nicke zufrieden. "Hätte nicht gedacht, dass du so flüssig bist." höre ich ihn kurz darauf sagen. "Es heißt, du hättest alles beim Verkauf deiner Firma verloren." Ich erwidere nichts auf diese versteckte Frage, aber er erwartet auch keine Antwort. "Hast du eine Ahnung, wer hinter dieser netten kleinen Intrige stecken könnte?" will er wissen. Ich schüttele den Kopf. "Nein." gebe ich zähneknirschend zu und er nickt. "Das spricht dafür, dass derjenige sehr gut arbeitet." bemerkt er und ich kann nicht umhin ihm zuzustimmen. So weit war ich allerdings auch schon. "Es gibt wohl einige Leute, die ein Motiv haben..." spinnt er den Faden weiter und sieht mich dabei genau an. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. "Die Motive sind mir egal. Ich will wissen wer der Drahtzieher ist." erkläre ich mit eisiger Stimme. "Dann sind wir im Geschäft?" Er lässt sich mit seiner Antwort einen Moment Zeit. "Sind wir. Aber dir ist klar, dass du dich damit auf höchst illegalen Pfaden bewegst. Ein Einbruch bei der Justizbehörde ist kein Kavaliersdelikt und ich gehe stark davon aus, dass man dich ohnehin im Auge behalten wird." meint er ungewohnt ernst und ich muss zugeben, dass ich er mich damit zum zweiten Mal überrascht. Etwas an seinem Tonfall, dieser Ernst, irritiert mich für einen Moment. "Ich nehme an, die gesetzlichen Wege hast du ausgeschöpft?" Die Frage stellt er sicherlich nur pro forma. Ich nicke. "Diese ganze Sache ist so perfekt eingefädelt worden, dass mir auf diesem Wege keinerlei Möglichkeit mehr bleibt." entgegne ich und spüre wie Wut in mir aufsteigt. Wer auch immer hinter dieser Angelegenheit steckt, er versteht was von seinem Werk und er ist keineswegs zu unterschätzen. Vermutlich war das mein größter Fehler bei dieser Sache. Ich habe meinen Feind unterschätzt. Doch das werde ich kein zweites Mal tun. "Wie lange wirst du brauchen, um die Akten zu besorgen?" frage ich und er überlegt kurz. "Gib mir drei Tage. Das müsste reichen." kommt dann die Antwort und ich sehe ihn etwas skeptisch an. "Dein Auftrag hat natürlich oberste Priorität, Kaiba." versichert er mir mit einem amüsierten Grinsen und ich verdrehe leicht die Augen. "Ich wage zu bezweifeln, dass du augenblicklich ansonsten viel zu tun hast, Bakura." Der Weißhaarige zuckt mit den Schultern, erwidert jedoch nichts. "Darf ich fragen, was du vor hast, wenn du den Schuldigen gefunden hast?" fragt er nach einer Weile und die Frage trifft mich unerwartet. Unwillkürlich ziehe ich die Augenbrauen zusammen und werfe ihm einen fragenden Blick zu. "Reine Neugier." erklärt er achselzuckend. "Ich gehe mal davon aus, dass du sie nicht dem Gesetz übergeben wirst..." Das eben noch amüsierte Grinsen nimmt wieder diabolische Züge an und wieder einmal kommt mir in den Sinn, dass er eine mehr als sadistische Ader hat. Ich lächele ihn kalt an. "In gewissen Extremsituationen ist das Gesetz unzulänglich." erkläre ich schließlich. "Diese Sache... sie ist etwas persönliches und mir geht es um mehr als nur ausgleichende Gerechtigkeit. Wer auch immer hinter dieser Aktion steckt, ist zu weit gegangen. Viel zu weit." Bakura sieht mich für ein paar Sekunden abschätzend an. "Du willst Vergeltung." meint er dann urteilssicher. "Vergeltung in einem biblischen Ausmaß." erwidere ich und habe fast das Gefühl, dass er mir nicht nur verstehend, sondern auch anerkennend zunickt. "Verstehe." sagt er nur und sein Blick wandert wieder zu dem Koffer. Für einen Moment betrachtet er die gebündelten Scheine. "Blut ist dicker als Wasser." höre ich ihn dann sagen und seine Stimme klingt anders als je zuvor. Seine Züge erscheinen mit einem Mal weicher, doch sein Blick, der starr auf das Geld gerichtet ist, würde manch einem einen Schauder über den Rücken jagen und es mit Leichtigkeit schaffen, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. Unwillkürlich frage ich mich woran er gerade denkt, denn es ist offensichtlich, dass er in Gedanken ganz wo anders ist. "Im Grunde kümmern mich deine Belange nicht, aber ich verstehe deine Motivation." sagt er nach einer weiteren Pause. "Rache ist nur eine emotionale Reaktion. Vergeltung... das ist etwas ganz anderes." sinniert er. "Die Wenigsten verstehen den Unterschied." Ich nicke automatisch und seltsamerweise habe ich fast das Gefühl, dass er mich tatsächlich verstehen kann. Ja, irgendetwas in seinen Augen deutet darauf hin. "Du wirst deine Akten bekommen." versichert er mir und der Ernst verschwindet schlagartig aus seinen Zügen. "Genau wie deine Vergeltung. Ich werde dir helfen und nicht nur wegen des Geldes, auch wenn es ein sehr hübscher Anreiz ist. Gleichgültig was ein Mensch getan hat, um eine Abreibung zu verdienen und du hast sicherlich mehr als eine verdient, mein lieber Kaiba, man vergreift sich nicht an der Familie. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Und ja, sogar ich halte mich an diesen Ehrenkodex." Zu meinem Erstaunen reichte er mir die Hand. Einen Moment sehe ich ihn sichtlich irritiert an. Ich hatte gewusst, dass er mein Angebot annehmen würde, das war mehr als offensichtlich, doch diese Reaktion seinerseits... Seine Finger umschließen meine fest als ich meine Hand ins eine lege. "Nebenbei bemerkt... ich wüsste noch jemanden, der dir behilflich sein könnte." meint er lächelnd und ich funkele ihn eisig an. "Ich brauche keine..." setze ich unwillkürlich an, aber er fällt mir umgehend ins Wort. "Glaub mir, du brauchst augenblicklich jede Hilfe, die du kriegen kannst, Kaiba. Diese Nummer ist zu groß für dich alleine. Also freunde dich damit an, dass du über deinen Schatten springen musst, wenn du Mokuba wieder haben willst." Ich presse hart die Lippen aufeinander und schlucke eine bissige Erwiderung runter. Er hat Recht. So schwer es mir auch fällt mir das einzugestehen, alleine werde ich nicht viel ausrichten können, zumal mein Feind mich sicherlich auch beobachten wird. Trotzdem behagt mir der Gedanke keineswegs und das ist mehr als offensichtlich, denn Bakura grinst mich schon wieder sichtlich amüsiert an. "Dein Stolz ist einerseits deine Stärke, andererseits deine größte Schwäche, mein Lieber." bemerkt er und ich seufze. So sehr mich diese alberne Belehrung ärgert, mein Stolz hat mich erst in diese Situation gebracht und es hat schon eine gewisse Ironie. Jahrelang hat Muto mir gepredigt, dass ich mit Stolz und Ehrgeiz alleine meine Ziele nicht ereichen werde. Immerzu er mich mit seinem Gerede über das Herz der Karten, Freundschaft und Teamwork genervt und nun zeigt sich, dass er Recht hatte. Als Einzelkämpfer werde ich diese Schlacht nicht schlagen können, gleichgültig wie genial meine Strategie ist und auch wenn ich mich im Grunde immer auf mich selbst verlassen konnte, mir meiner eigenen Stärke stets bewusst war, das Risiko ist augenblicklich zu groß. Jetzt und hier geht es nicht um ein albernes Duell, einen bedeutungslosen Titel oder eine Firma. Es geht um Mokuba und um seinetwillen werde ich alles tun was in meiner Macht steht. Wenn das heißt, dass ich im Team spielen muss, bitte. Dann werde ich das tun. Herrje, ich wäre sogar bereit meine Seele dem Teufel zu verkaufen, wenn es hilfreich wäre. "Nun gut. An wen hast du gedacht?" will ich wissen. Kapitel 4: Spontane Anfrage --------------------------- "Danke, Tea. Halt mich auf dem Laufenden, ja?" sage ich und sie verspricht es mir. Dann ist das Gespräch beendet und ich lasse mich erst einmal in den Sessel zurückfallen. Ich atme kurz durch, bemühe mich das gerade gehörte zu verarbeiten und stelle fest, dass ich mich mit einem mal leer und ausgelaugt fühle, was keineswegs daran liegt, dass Tea unaufhörlich geredet hat. Damit hatte ich schließlich gerechnet. Es war zu erwarten, dass die gute Tea munter drauf los plappern würde und einerseits war es schön, ihre Stimme zu hören. Einen Moment hatte mich ihr Tonfall zwar irritiert, ich hatte nicht erwartet, dass sie so mir mir reden würde. So als hätten wir uns gestern noch gesehen, aber auch das hätte ich mir eigentlich denken können. Typisch Tea. Selbst wenn mein Anruf unerwartet kam, sie schien mehr als erfreut darüber, das war ihr deutlich anzuhören und für einen kurzen Augenblick musste ich sogar die Augen schließen, weil die Wärme ihrer Stimme, mich zu überwältigen drohte. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich meine Freunde vermisse, mehr vermisse als ich bis dahin bereit war mir selbst einzugestehen. Als das Gespräch auf Kaiba kam, wurde sie so ernst, dass sich mir der Magen unwillkürlich zusammenzog, was den Ernst der ganzen Lage noch mehr betonte. Als ob das notwendig gewesen wäre. Doch es war etwas anderes, die Dinge von ihr geschildert zu bekommen als sie bloß aus der Zeitung zu erfahren. Es war offensichtlich, dass die ganze Angelegenheit Tea mitgenommen hatte. Einen Moment hatte ich sogar den Eindruck, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hatte und wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Doch sie fasste sich schnell wieder, auch wenn ihre Stimme brüchig blieb. Sie hatte wie erwartet den Prozesse genaustens verfolgt. Mehr noch, Yugi und sie waren mehr als einmal nach Domino gefahren und Yugi hatte sogar versucht sich für Kaiba einzusetzen. Tea schimpfte auf die Behörden, für sie war das Ganze genauso unverständlich wie für mich und auch wenn sie in der Vergangenheit Kaiba mehr als einmal unterstellt hatte, dass er kein Herz hätte, wenn es um Mokuba ging, so waren wir uns einig, dass wir es beide nicht glauben konnten. Nein, Seto Kaiba würde nie die Hand gegen seinen Bruder erheben. Das war Tea´s Überzeugung genauso wie die von Yugi und ich konnte nur zustimmen. "Wir waren einmal bei ihm... Roland hat uns vorgelassen... Du hättest ihn sehen müssen, Joey! Er war ein Schatten seiner Selbst. So habe ich Kaiba noch nie gesehen. Noch nie. Nicht einmal nach dem ersten Duell gegen Yugi. Damals dachten wir ja, dass er gebrochen war, aber das war nichts im Vergleich zu jetzt. Du weißt, ich bin auch nie sonderlich gut mit ihm ausgekommen, aber in dem Augenblick... es brach mir fast das Herz ihn so zu sehen... Wirklich. Yugi musste auch mit den Tränen kämpfen. Er versteht das Ganze genauso wenig wie ich... Wie kann nur jemand ernsthaft behaupten, dass er..." Yugi´s Intentionen hatten nichts erreicht. Genau wie es in der Zeitung gestanden hatte. Seine gut gemeinte Aussage war in dem Schall der Indizien, Beweise und anderen Zeugenaussagen vollkommen untergegangen. Keiner hatte ihm Beachtung geschenkt und sowohl Tea als auch Yugi hatte hilflos mit angesehen, wie man Mokuba weggebracht hatte. Wer hinter all dem stecken könnte, wusste sie nicht. Sie hatte nicht einmal einen Verdacht. Allerdings erwähnte sie, dass Pegasus bei der Verhandlung anwesend gewesen wäre, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Im Grunde bin ich nach dem Gespräch nicht schlauer als zuvor. Einzig Kaiba´s Zustand ist mir nun noch klarer und die Tatsache, dass sowohl Tea als auch Yugi so mitgenommen von seiner Erscheinung waren, spricht für sich. Aber genauso hatte ich es mir bereits vorgestellt. Ein Seto Kaiba, der nicht nur seine Firma sondern auch seinen Bruder mit einem Schlag verloren hatte, musste mehr als nur gebrochen sein. Er war vermutlich am Ende. Schlagartig muss ich wieder daran denken, wie oft ich mir gewünscht habe, ihn so zu sehen. Am Boden, geschlagen, gedemütigt... Vor drei Jahren hatte ich mir diese Szene immer wieder vorgestellt, sie mir in den buntesten Farben ausgemalt und ab und an war es genau diese Szene gewesen, die mich über den Tag gerettet hatte. Während des Unterrichts hatte ich mich diesem Tagtraum oft ergeben und dabei Löcher in seinen Rücken gestarrt. Doch all das ist lange her und schon lange ist der Wunsch in mir erloschen, Kaiba zu besiegen. Duel Monsters habe ich auch schon ewig nicht mehr gespielt. Eigentlich seit ich Japan verlassen habe. Natürlich gibt es auch eine Liga in Amerika, die Tuniere veranstaltet und hin und wieder habe ich mir sogar ein, zwei Duelle angesehen, aber gespielt... nein. Die Zeiten sind vorbei, obgleich ich mein Deck noch habe und es nach wie vor in Ehren halte. Immerhin habe ich damit mehr als einmal geholfen die Welt zu retten und wer weiß, wann ich es mal wieder brauche. Ob Kaiba sein Deck noch hat? Soweit ich weiß, hat er seither auch an keinem Duell mehr teilgenommen. Nachdem Yugi seinen Rücktritt erklärt hatte und somit den Titel "König der Spiele" mit sich nahm, sah der Eisklotz wohl keine Veranlassung mehr, sich mit jemandem zu messen. Zudem hätte er seinen ewigen Rivalen, den Pharao ohnehin nie besiegen können. Vielleicht hat er das am Ende sogar begriffen, wer weiß? Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es Zeit ist aufzubrechen. Mein Vater hat das Treffen mit seinem Freund auf halb drei angesetzt. Bei dem Verkehr in dieser Stadt werde ich mindestens eine halbe Stunde brauchen, um das Restaurant zu erreichen. Ich bin mit einem Satz auf den Beinen, klappe meinen Laptop zu und greife mir mein Jacket. Meine Sekretärin ist bereits über den spontanen Termin unterrichtet. Ich nicke ihr kurz zu und verlasse das Gebäude auf dem mein neuer Name prangert. Habe ich Kaiba früher darum beneidet, dass fast alles in Domino seinen Namen trug, so musste ich, als ich das erste Mal dieses Gebäude betrat und meinen Namen darauf lesen konnte, feststellen, dass das Gefühl keineswegs so befriedigend war. Doch das war nicht die einzige Erkenntnis, die ich gemacht habe. Ich habe schnell gelernt, dass das Leben eines Geschäftsmannes keineswegs so angenehm ist, wie ich es mir in meiner kindlich-naiven Vorstellung oftmals ausgemalt habe. Der Tag beginnt früh und ein Termin jagt den Nächsten. Ständig geht das Telefon, irgendjemand hat immer eine Frage und die unzähligen Geschäftsessen, sind nicht nur langweilig und ermüdend, sie sind Schwerstarbeit. Nach weniger als einem Monat habe ich begriffen, dass Kaiba´s Leben keineswegs so ein Zuckerschlecken sein kann. Und dabei bin ich nicht einmal der eigentliche CEO von Wheeler Industries, sondern lediglich der Vize auf dem Papier, genau genommen noch in der Lehrphase. Nein, bei näherer Betrachtung musste ich im Nachhinein bei vielen Dingen meine Meinung über Kaiba revidieren. Eine Firma zu leiten ist harte Arbeit, genau wie er es immer gesagt hat und wenn ich dran denke, dass er nebenher noch einen Bruder zu erziehen hatte, zur Schule ging und Tuniere veranstaltete, so kann ich verstehen, warum er oftmals so missmutig aussah und seine Freizeit sich auf Null belief. Unzählige Male, wenn ich vom College in die Firma gejagt bin, um meinem Vater zu assistieren, musste ich an ihn denken, wie er in seinem majestätischen Cybermantel in die Limousine stieg und Roland, so hieß doch sein Assistent, ihn direkt nach der Schule in die Kaiba Corp. brachte, während ich mit Yugi im Spielladen saß und mir Karten ansah oder sonst einen Unsinn veranstaltete. Ja, auch eine Ironie des Schicksals. Hätte ich ihn damals vielleicht schon besser verstanden, nun, vielleicht wären wir uns nicht so oft an die Gurgel gegangen, wer weiß? Schon seltsam, dass ich bislang fast den ganzen Tag immer wieder an meinen ehemaligen Erzfeind denken muss und wieder und wieder frage, wie es ihm augenblicklich wohl gehen mag. Ich hoffe nur, dass ich etwas über Mokuba in Erfahrung bringen kann. Dem Kleinen geht es sicherlich nicht viel besser als Kaiba. So sehr wie er an seinem Bruder hängt, muss diese Trennung für ihn genauso schmerzlich sein. Abermals kommt mir die Frage in den Sinn, wie ein Gericht der Welt tatsächlich nicht in der Lage ist erkennen zu können, dass die beiden Geschwister sich lieben und einander brauchen. Aber heißt es nicht, Justizia sei blind? Offensichtlich ist dem tatsächlich der Fall. "Guten Tag, Mister Wheeler." begrüßt mich der Portier des Restaurants, der mich vom sehen her, nur zu gut kennt und lächelt mir freundlich zu. Ich erwidere das Lächeln knapp und er erklärt mir auch schon, dass ich bereits erwartet werde. Ich nicke und betrete den nobel eingerichteten Salon und muss auch nicht lange suchen. Mein Vater winkt mir bereits zu und ich trete mit schnellem Schritt zu dem kleinen Tisch. "Da bist du ja endlich. War wohl wieder einmal viel Verkehr." Vater lächelt mir zu und ich nicke. Dann deutet er auf seinen Begleiter, der sich umgehend erhebt und mir die Hand reicht. "Mein Sohn, Joseph." werde ich vorgestellt und mir entgeht keineswegs der Stolz, der in der Stimme meines Vaters mitschwingt. Auch etwas an das ich mich gewöhnen musste. "Patrick Harker vom Außenministerium." Ich reiche dem älteren Herrn die Hand und erwidere seinen festen Händedruck ebenso fest. Er nickt mir freundlich zu und es folgen ein paar Floskeln, die ich inzwischen in- und auswendig kenne. Doch es dauert zum Glück nicht lange bis wir zum Wesentlichen kommen. Gerade hat der Kellner meinen Drink gebracht, setzt Mr. Harker auch schon zu seinem Vortrag an. "Die japanischen Behörden haben es sichtlich eilig, den jungen Kaiba außer Landes zu schaffen. Man möchte einem erwarteten Versuch seines Bruders, ihn zu entführen, vorgreifen. Es bestehen diesbezüglich erhöhte Sicherheitsmaßnahmem. Es wurde dem Gericht nahe gelegt, den Jungen ins Ausland zu bringen und ihm dort einen Vormund zu suchen. Nach wie vor verfügt der Kleine über ein beträchtliches Eigenkapital, immerhin gehörten ihm fünf Prozent der Kaiba Corporation und es laufen auch mehre Konten auf seinen Namen." Mr. Harker hält kurz inne, um uns die Möglichkeit zu geben, ihm zu folgen, dann fährt er auch schon routiniert und sichtlich gut vorbereitet, mit seinem Monolog fort. "Ein beträchtlicher Anteil des Kaiba-Vermögens ging für die Prozesskosten drauf und Seto Kaiba wurde auch eine hohe Summe auferlegt, die er für eine außergerichtliche Einigung bezüglich der Anklage wegen Kindesmisshandlung, zu entrichten hatte. Zudem wurden einige der Kaiba-Konten eingefroren, um zu verhindern, dass Maßnahmen in die Wege geleitet werden, die eine Entführung Mokuba´s ermöglichen könnten. Die Lage für ihren Bekannten ist demnach alles andere als rosig. Allerdings wird gemunkelt, dass er noch eine Menge Geld auf geheimen Konten haben könnte. Im Übrigen steht Seto Kaiba nach wie vor unter Beobachtung, was wohl auch noch der Fall sein wird bis man seinen Bruder sicher außer Landes gebracht hat." Wieder eine kurze Pause, die mir Gelegenheit gibt, eine Frage zu stellen. "Bestehen denn schon konkrete Pläne bezüglich einer Vormundschaft?" will ich wissen. Harker schüttelt den Kopf. "Bislang ist nur klar, dass er in die Staaten gebracht wird und das vermutlich noch diese Woche." Ich nicke nachdenklich. "Dann steht also noch keineswegs fest, wer die Vormundschaft übernehmen wird?" hake ich weiter nach. Der Grauhaarige nickt. "Nein, ich gehe auch davon aus, dass man sich erst vor Ort darum kümmern wird. Die Situation ist schließlich sehr ungewöhnlich und Mokuba Kaiba ist nicht irgendein Kind. Er ist jetzt schon Millionär, sein eigenes Vermögen blieb bislang unangetastet und wird in Zukunft bis zu seiner Volljährigkeit von seinem Vormund verwaltet. Aufgrunddessen kann man den Jungen natürlich nicht in irgendwelche Hände geben. Die Gefahr, dass jemand es auf sein Geld abgesehen hat, dem das Wohl des Kleinen gleichgültig ist, ist viel zu groß." Über diesen Punkt hatte ich bereits nachgedacht. Schließlich wusste ich von Mokuba´s Teilhaberschaft an der Kaiba Corp. und auch, dass Kaiba einen Teil des Gewinnes für seinen Bruder angelegt hatte. Zumindest in dem Punkt scheint der Kleine abgesichert. Was Kaiba selbst anbelangt, ich wette dass es eine Menge geheime Konten gibt. Seto Kaiba ist nicht der Typ, der unüberlegt handelt. Er wird sich, besonders nach der Erfahrung, die er mit seinen Verwandten nach dem Tod seiner Eltern gemacht hat, gehütet haben, sein Geld allzu offen anzulegen. Dennoch stellt sich die Frage, welche liquide Mittel er zur Zeit hat. Inzwischen weiß ich, dass Vermögen nicht gleich Vermögen ist und es somit keinesfalls so leicht ist, schnell Geld, dass angelegt wurde, flüssig zu machen. Doch genau das wird Kaiba brauchen. Sofern er eine Entführung plant, sowieso. Solch eine Vorgehensweise würde ich ihm in der Tat zutrauen. Wenn es um Mokuba geht, wird Kaiba zu jedem Mittel greifen. Das hat er damals schon bewiesen als er im Duell gegen Yugi sogar bereit war sein Leben einzusetzen. Nein, es ist absolut sicher, dass Kaiba alles riskieren wird, nur um seinen Bruder zurück zu bekommen. Und was hat er nun auch noch zu verlieren? "Worüber denkst du nach, Joey?" Die Stimme meines Vateres reißt mich aus meinen Gedanken und ich lächele entschuldigend. Ich war mir nicht bewusst gewesen, dass es so offensichtlich sein würde, dass ich in Gedanken bin. "Was wäre, wenn ich die Vormundschaft für Mokuba übernehmen würde? Wäre es möglich? Theoretisch?" frage ich an Mr. Harker gewandt. Ich weiß selbst nicht so genau warum ich die Frage stelle. Sie sprudelt aus mir heraus und... sie scheint irgendwie das einzig Logische, was ich zu dieser Sache sagen kann. Ok, als ich heute Morgen meinen Vater um Informationen über diese Angelegenheit begebeten hatte, war mir noch nicht klar gewesen, was ich damit eigentlich anfangen wollte. Bis vor einer Minute habe ich es nicht gewusst, aber nun bin ich mir sicher, dass ich etwas tun muss, auch wenn ich mich gerade selbst nicht wirklich verstehe. Vielleicht ist es die Erinnerung an meine Trennung von Serenity, die Folgen, die das für mich hatte, was mich dazu bewegt, diese Frage aufzuwerfen. Vielleicht ist es auch, weil ich Mokuba wirklich gerne habe und der Gedanke, dass der Kleine in die Hände irgendeiner obskuren Person fallen könnte, mir nicht behagt. Was es auch sei, irgendetwas hat mich dazu gedrängt diese Frage zu stellen und sie erscheint mir keineswegs unsinnig. Ich würde wetten, dass Tea und Yugi mir beipflichten würden. Einen Moment wirkt mein Gegenüber überrascht, auch mein Vater sieht mich erstaunt an. Der Grauhaarige scheint einen Moment nachzudenken, dann räuspert er sich. "Nun ja... grundsätzlich wäre es möglich, aber aufgrund ihres Alters..." Er beendet den Satz nicht, aber das ist auch nicht nötig. Ich verstehe auch so. "Und wie würde es in meinem Fall aussehen?" höre ich zu meiner Überraschung meinen Vater fragen und nun ist es an mir erstaunt zu sein. Harker mustert meinen Vater einen Augenblick. "Ich weiß nicht genau, wer das letztlich beurteilen wird, aber deine Chancen würden keineswegs schlecht stehen, Jack, und mit der richtigen Fürsprache wäre es durchaus möglich." erwidert der Mann vom Ministerium und es ist seltsam, aber fast habe ich das Gefühl, dass mein Herz vor Aufregung zu hüpfen beginnt. Ich werfe meinem Vater einen kurzen Blick zu und er lächelt mich an. "Dann werde ich die Vormundschaft für den Jungen beantragen. Es dürfte sicherlich auch ein Vorteil sein, dass Joey und Mokuba sich bereits kennen." meint Jack und Harker überlegt erneut. "Das kommt darauf an... " Er wirft mir einen kurzen abschätzenden Blick zu. "Wie gut kennen sie die beiden Kaiba-Brüder?" fragt er mich schließlich. Ich zucke mit den Schultern. "Naja, Seto und ich waren in einer Klasse, aber wirklich befreundet waren wir nie. Mokuba war schon eher etwas wie ein Freund..." beginne ich vorsichtig und werde an dieser Stelle zu meinem Erstaunen auch schon unterbrochen. "Ich frage, weil man vermuten könnte, dass sie als Freund, wohlmöglich geneigt werden Seto Kaiba zu helfen. Aber wenn ihre Beziehung zu dem älteren der Kaiba-Brüder keineswegs freundschaftlich ist, nun, dann könnte man diese gegen eine solche Mutmaßung anführen." "Ich verstehe." Ich nicke und kratze mir in alter Gewohnheit verlegen am Kopf. "Genau genommen waren Kaiba und ich immer so was wie Erzfeinde. Das können eine Menge Leute bezeugen. Sogar Mokuba. Ich würde sogar wetten, dass Kaiba aus der Haut fahren würde, wenn er von diesem Vorhaben wüsste." Ich grinse mein Gegenüber schief an und Harker nickt. "Dann stehen die Chancen ihres Vaters gut." meint er abschließend. "Und ich wüsste auch jemanden, der ein gutes Wort für dich einlegen könnte." Er zwinkert meinem alten Herrn zu und dieser lacht kurz auf. "Dann würde ich sagen, leite diese Angelegenheit in die Wege, Pat." entgegnet Jack und wendet sich dann wieder mir zu. "Das ist doch in deinem Sinne, Joey?" fragt er ernsthaft. "Aber hallo!" Mein Grinsen wird noch breiter. "Natürlich." Wieder durchzuckt mich ein merkwürdiges Gefühl. Kaiba würde sicher nicht begeistert von dieser Aussicht sein. Ich wäre wahrscheinlich die letzte Person, die er gern als Vormund seines Bruders sehen würde und ich schätze, er würde dieses Missfallen auch auf andere Mitglieder meiner Familie ausbreiten, aber so gesehen, dürfte es letztlich auch für ihn die beste Lösung sein. Für Mokuba sowieso. Und wenn ich den Kleinen auch sicher nicht würde an Kaiba ausliefern können, so könnte ich ihn doch wissen lassen, dass es ihm gut geht und über mich könnten die Beiden in Kontakt treten bis Kaiba einen Weg gefunden hat, um das Sorgerecht zurück zu bekommen. Kapitel 5: Schmerzliche Seelensplitter -------------------------------------- "Streck deine Hände aus!" befiehlt er. Die harte Stimme duldet keinerlei Widerspruch und ich muss mich zwingen zu gehorchen. Widerwillig und den Impuls, genau das Gegenteil zu tun, unterdrückend, tue ich was er sagt und strecke meine Arme aus, meine Handflächen nach oben gerichtet. Im nächsten Augenblick saust der Rohrstock auch schon nieder und trifft hart auf meine Handflächen. Schmerz durchzuckt mich und ich beiße mir auf die Zunge ehe ich scharf die Luft einziehen muss. Der Schlag bringt meine Hände zum nachgeben, für einen Moment lasse ich die Arme sinken, zwinge mich dann jedoch sie wieder hoch zu halten. "Keinen Ton, habe ich gesagt. Zuck nicht einmal mit der Wimper." höre ich ihn sagen. "Wir werden das so lange üben bis du es richtig machst." Ich nicke kaum merklich und bereite mich auf den nächsten Schlag vor. Der erfolgt auch zugleich. Mein Blick ist starr auf die Wand vor mir gerichtet, fokusiert irgendeinen unbestimmten Punkt und ich bemühe mich meine Atmung ruhig zu halten. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen... Verzweifelt versuche ich einen ruhigen Rhythmus zu finden als auch schon der nächste Schlag auf meine Hände zielt. Brennender Schmerz durchzuckt meine Finger und ich habe das Gefühl als würden sie aufquellen, sie fühlen sich seltsam taub und dick an, doch ich schaffe es die Hände oben zu behalten. "Schon besser." befindet er und lässt den Rohrstock erneut durch die Luft gleiten. Hart und unbarmherzig schlägt er zu und irgendwo in einer dunklen Ecke meines Verstandes weiß ich, dass er es genießt. Das hier ist nicht nur eine weitere Lektion, die er mir auferlegt. Nein, sie dient auch seinem Vergnügen. Weitere sechs Schläge und er gewährt mir eine kurze Pause. Regungslos stehe ich da, blicke ungerührt auf die Wand während meine Hände qualvoll schmerzen und ich den Eindruck habe, dass ich mich nicht mehr lange auf den Beinen werde halten können. Vor meinen Augen beginnt die Wand schon etwas zu verschwimmen und kleine Sternchen tanzen im matten Licht. Aber ich beiße auf die Zähne und behalte eine Haltung bei. Rühre mich nicht einen Millimeter. Ich weiß, dass die Qual nicht zu Ende sein wird, wenn ich diese Lektion zu seiner Zufriedenstellung verinnerlicht habe. Nein, dann wird die Nächste folgen und sie wird ebenfalls schmerzhaft werden. Ich mache mir nicht vor, dass es ein Ende finden wird, aber ich bemühe mich den Schmerz auszublenden und mehr und mehr scheint es mir zugelingen. Ich muss mich einfach nur auf etwas anderes konzentrieren. Meinen Geist an einen anderen Ort schicken und mit einem Mal sehe ich Mokuba vor mir. Mokuba, der mich anlächelt. Mokuba, der mit strahlenden Augen zu mir aufblickt. Mokuba, der jetzt in seinem Kinderzimmer schläft und sich darauf freut, mich morgen endlich wiederzusehen und sei es auch nur für eine jämmerliche Stunde. Doch der Alte wird diese Stunde Freizeit streichen, wenn ich jetzt nicht funktioniere und das ist ein weitaus größerer Ansporn als die Tatsache, dass er mir in Aussicht stellt der Erbe seines gigantischen Vermögens zu werden. Was kümmert mich sein Geld? Seine Firma? Für mich zählt nur eins. Mokuba Seinetwegen werde ich das hier durchstehen. Für ihn werde ich jede weitere Lektion meistern, gleichgültig wie schmerzhaft es werden wird und wenn ich morgen zu ihm darf, dann werde ich lächeln, ihm zärtlich über den Kopf streicheln, selbst wenn meine Finger dabei schmerzen. Er wird nichts von all dem hier erfahren, denn dann würde er mich nicht länger anstrahlen und den Gedanken kann ich nicht ertragen. "Schultern gerade, Junge." ermahnt er mich und sofort komme ich seinem Befehl nach. Aus dem Augenwinkel werfe ich ihm einen kurzen Blick zu. Würde er mich ansehen, mich wirklich ansehen, müsste er den Hass in meinen Augen erkennen. Oh ja, ich hasse ihn. Alles in mir hasst diesen Menschen, von dem ich gehofft hatte, dass er uns eine bessere Zukunft bieten würde als das Waisenhaus uns offenhielt. Die Illusion war schnell verschwunden. Und seither beherrscht nur noch ein Gedanke meinen Verstand. Ich muss einen Weg finden, mich von dem Alten zu befreien. Ich muss ihn loswerden. Um meinetwillen, aber vor allem um Mokuba´s Willen. Noch hat Gozaburo keinerlei Interesse an ihm. Doch das kann sie jeden Tag ändern und ich weiß, was es bedeutet, wenn einen mit diesem halb wahnsinnigen, halb anzüglichen Blick ansieht. Ich weiß es nur zu gut. Aber ich werde es nie soweit kommen lassen. Nein, vorher bringe ich den Alten selbst um. Noch ein Schlag und ich befürchte fast, dass ich es nicht länger ertragen kann. Verzweifelt reiße ich meine Augen auf, bemühe mich nicht zu blinzeln und versuche erneut Mokuba´s Gesicht vor mir erscheinen zu lassen. Ich habe ihm versprochen, dass alles gut werden würde. Er verlässt sich auf mich. Er vertraut mir. Ich darf ihn nicht enttäuschen. "Langsam scheinst du zu begreifen." Gozaburo lacht und ich schlucke. Für einen erbärmlichen Moment verspüre ich so was wie Erleichterung. Diese Worte läuten für gewöhnlich die Endphase ein. Das heißt, ich muss nur noch ein klein wenig durchhalten und er wird von mir ablassen. Für heute. Mit letzter Kraft schaffe ich es zehn weitere Schläge zu ertragen und dann ist es tatsächlich vorbei. Er lässt den Rohrstock sinken, mustert mich spöttisch und weist mich dann harsch an, mich meinen Aufgaben zu widmen. Ich schlucke den bissigen Trotz und auch meine Wut geflissentlich runter und nicke nur. Wortlos trete ich zu den Büchern. Meine Finger fühle ich kaum und fast rechne ich damit, dass mir das Buch, nach dem ich greife, aus den Händen gleiten wird. Er beobachtet mich dabei und ich weiß genau, dass ich es nicht fallen lassen darf. Mein Herzschlag ist fast panisch und verdammt, ich habe solche Angst, aber irgendwie schaffe ich es tatäschlich das Buch in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen. Er gibt ein undefinierbares Geräusch von sich, dann schließt sich endlich die Tür hinter ihm und ich atme erleichtert auf. Zitternd gleitet mir das Buch aus der Hand und fast panisch blicke ich zur Tür, doch er scheint bereits zu weit weg zu sein, um den dumpfen Aufprall noch zu hören. Ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen sammeln und wische mir mit dem Ärmel schnell über die Augen. Nein, ich werde nicht weinen. Nicht jetzt, nie. Nicht seinetwegen. Diesen Triumph werde ich ihm nicht gönnen. Dazu bin ich fest entschlossen. Einen Augenblick sitze ich einfach nur da und starre zur Tür. Wie gerne würde ich jetzt zu Mokuba gehen, auch wenn er schon schläft, aber ich wage es nicht das Zimmer zu verlassen. Also greife ich stattdessen erneut zu dem Buch und schlage es mit brennenden Fingern auf. Jede Bewegung durchzuckt schmerzhaft meinen ganzen Körper und ich habe nicht die geringste Ahnung wie ich überhaupt den Stift halten soll, um meine Aufgaben zu erledigen. "Master Seto?" höre ich eine vertraute Stimme flüstern und wende unwillkürlich den Kopf nach links. Meine Züge werden schlagartig weicher, wahrscheinlich hellt sich meine gesamte Miene mit einem Mal auf und ich lächele Roland zu. "Hier habe ich etwas kleines zu essen für sie. Die Köchin hat heute Plätzchen gebacken." Zaghaft und sichtlich nervös, denn jeden Augenblick könnte der Alte erscheinen schiebt er mir den Teller hin. Ich nicke nur und der Sekretär meines Adoptivvaters schenkt mir ein Lächeln. Er wagt es sogar mir kurz über den Kopf zu streicheln und ich genieße diese ungewohnt sanfte Berührung. Ich muss sogar die Augen schließen. "Gute Nacht, Master Seto." höre ich Roland traurig sagen und als ich meine Augen wieder öffne, ist er auch schon verschwunden und ich bin wieder allein mit meinen Büchern und diesem Schmerz. Ob Mokuba auch Plätzchen bekommen hat? Ich hoffe es. Zitternd greife ich danach und schlinge eins nach dem anderen gierig runter, lasse mir nicht einmal Zeit sie zu genießen. Zu groß ist meine Angst, erwischt zu werden und ich schäme mich dafür. Ja, ich schäme mich, dass ich solche Angst habe und das ich so hilflos sein muss. Aber irgendwann... irgendwann, das weiß ich, wird der Tag kommen an dem ich Gozaburo Kaiba alles vergelten werde. Schlag um Schlag Und dann... dann wird alles gut werden. Es wird genauso sein, wie ich es Mokuba im Waisenhaus versprochen haben. Wir werden zusammen sein und glücklich leben. Spielen. Plätzchen essen. Wir werden all das tun, was wir wollen. "Woran denken sie, Sir?" höre ich Roland fragen und seine Stimme reißt mich jäh zurück in die Realität. Ein Ruck geht durch meinen Körper und unwillkürlich zucke ich zusammen. Es dauert einen Augenblick bis ich wirklich wieder in der Gegenwart bin und die Szene, die ich gerade vor meinem inneren Auge wie einen Film habe ablaufen sehen, sich auflöst. Langsam wende ich meinem Assistenten den Kopf zu und bemerke, dass er mich besorgt ansieht. "An einen Abend vor aller Zeit." antworte ich ehrlich und frage mich im nächsten Augenblick ob er sich wohl auch an diesen Abend erinnern kann. Ob er sich erinnert, dass er sich in mein Zimmer geschlichen hat, um mir Plätzchen zu bringen und dass meine Hände geschwollen waren. Für den Bruchteil einer Sekunde spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, ihn das zu fragen. Doch ich tue es nicht. Stattdessen stelle ich eine andere Frage. "Habe ich ihn vernachlässigt, Roland?" Meine Stimme klingt brüchig und fremd und ich sehe, dass sich seine Augen erstaunt weiten. Eine minimalistische Regung, aber mir entgeht sie keineswegs. Er scheint einen Augenblick zu überlegen und seine nächsten Worte kommen bedacht und zögerlich. "Vernachlässigt wäre nicht das Worte, dass ich gebrauchen würde, Sir..." erwidert er. "Und welches Wort würde sie gebrauchen?" frage ich weiter. Er räuspert sich leicht. "Nun, sie hätten mehr Zeit mit Master Mokuba verbringen können..." hebt er vorsichtig an und ich schenke ihm ein sarkastisches Lächeln. "Also habe ich ihn tatsächlich vernachlässigt." Roland schüttelt den Kopf. "Nein, Sir." widerspricht er fast sofort und ich bin ein wenig erstaunt, dass seine Stimme so energisch klingt. "Sie hatten viel zu tun. Sie mussten die Firma leiten und dann war da auch noch die Schule. Die Universität. Master Mokuba hat das verstanden, das weiß ich." Ich mustere ihn einen Augenblick, reagiere jedoch nicht auf seine Anmerkung. Mein Blick richtet sich wieder auf dem Bild, dass auf meinem Schreibtisch steht. "Ich dachte, alles wird gut, nachdem ER weg war. Ich wollte, dass alles gut wird, dass Mokuba glücklich ist..." sage ich und muss unwillkürlich schlucken. "Wann habe ich aufgehört das zu wollen?" Wieder wandert mein Blick zu meinem Assistenten und ich kann deutlich sehen wie Wehmut in seine Augen tritt. "Master Mokuba´s Wohl war doch immer ihre oberste Priorität." erwidert er sichtlich unsicher und ich vermute, dass er nicht weiß, wie er sich sonst verhalten soll. Natürlich wählt er den diplomatischen Weg. "Wenn ich diese Firma doch nie übernommen hätte... Ich hätte es dem Aufsichtsrad überlassen können, das Vermögen zu verwalten. Ja, ich hätte mich um Mokuba kümmern sollen und stattdessen..." Ich beende meinen Satz nicht und streiche mir fahrig durch´s Haar. Was rede ich da eigentlich? Warum sage ich diese Dinge? Noch nie habe ich solche Gedanken laut ausgesprochen. Nicht einmal Roland gegenüber und er ist neben Mokuba wohl der einzige Vertraute, den ich habe. Der einzige Freund, wenn man so will. Ja, so gesehen ist Roland mein einziger Freund, auch wenn er mein Angestellter ist. Unwillkürlich muss ich an Muto und seine Kindergartentruppe denken. Wie oft hat der Zwerg mir seine Freundschaft angeboten? Unzählige Male. Jedesmal habe ich ihn verspottet und ihm gesagt, dass ich niemanden brauche. Stets hat er mich nachsichtig angelächelt und in seinen Augen lag eine Spur von traurigem Bedauern. Und dann dieser Katsuya Jonouchi, der Köter. Schlagartig fallen mir seine Äußerungen wieder ein. Wie hat er mich immer genannt? Ach ja, reicher Pinkel, Eisklotz... gefühlstoter Egomane... Gefrierschrank. Der Kerl hatte ein breites Repertoire an niveaulosen Beleidigungen. Sogar er hat mich mehrmals darauf hingewiesen, dass ich mir etwas vormache, wenn ich behaupte, dass ich niemanden brauche. Genau wie dieses Mädchen, Gardner. Einmal hat sie es sogar gewagt mir eine Art Standpauke zu halten und ich glaube, sie hat mir vorgeworfen, dass ich zuviel Zeit mit meinen Maschinen verbringen würde, jede Menschlichkeit verloren hätte. Warum muss ich jetzt daran denken? Warum kommen mir ausgerechnet jetzt diese infantilen Nervensägen in den Sinn? Hatten sie mit einen Mal Recht mit dem was sie über mich gesagt haben? "Ich hätte nie die Hand gegen Mokuba erhoben." Die Worte kommen so plötzlich aus meinem Mund, dass ich selbst überrascht bin. "Das glauben sie mir doch, Roland, oder?" Unsicher sehe ich zu meinem Assistenten auf und mit einem Mal spüre ich wie mir die Kontrolle entgleitet. Meine Züge entgleisen, ohne dass ich es zu verhindern vermag und fast schon mit Entsetzen stelle ich fest, dass meine Augen sich mit Tränen füllen. Tränen. Echte Tränen. Nach all den Jahren. Ich kann mich nicht erinnern wann ich zum letzten Mal wirklich geweint habe. Es muss Jahre zurück liegen. Meine Schultern beginnen unkontrolliert zu zucken und ein undefinierbarer, halb erstickter Laut entweicht meiner Kehle. "Master Seto..." Roland´s Stimme zittert und mit einem Satz ist er neben mir. Fast ängstlich und sichtlich erschüttert blickt er zu mir runter. "Ich hätte das nie getan. Ich schwöre es ihnen. Ich mag vielleicht wie mein Adoptivvater geworden sein, aber Mokuba... nein, ich hätte nie..." Meine Stimme versagt plötzlich und ich kann nicht länger an mir halten. Mit letztem Aufbäumen versuche ich meine Augen zu schließen, um zu verhindern dass die Tränen mein Gesicht überschwemmen, doch es ist bereits zu spät. Ich spüre sie auf meinen Wangen und Roland verschwimmt vor meinen Augen. Hastig senke ich wenigstens den Blick und balle meine zitternden Hände zu Fäusten, doch da spüre ich auch schon wie ich fest an den Schultern gepackt werde. Roland ist in die Knie gegangen. Meine Schultern beben noch immer und ich kann nicht aufhören, dieses klägliche, erbärmliche Geräusch von mir zu geben. Gleichgültig wie sehr ich mich bemühe es zurückzuhalten, es gelingt mir nicht. Ich bin machtlos gegen das Gefühl, dass mich gerade zu überwinden droht und nicht einmal die Tränen vermag ich zu unterdrücken. "Seto." Ich blicke unwillkürlich auf als ich meinen Namen aus dem Mund meines Assistenten höre. Früher hat er mich oft so genannt. Nein, eigentlich Master Seto. Seit ich älter geworden bin, ist er zu Master Kaiba übergegangen. Doch jetzt... Keiner außer Mokuba hat mich in den letzten zehn Jahren je bei meinem Vornamen genannt. Nicht einmal meine Lehrer habe es gewagt. Etwas am Klang seiner Stimme zwingt mich in anzusehen, auch wenn es mir zutiefst widerstrebt und ich es hasse, dass er mich so sieht. Niemand sollte mich je so sehen. Der Köter würde sich ausschütten vor Lachen bei dem Anblick, den ich gerade biete. Sogar Muto würde sicher schadenfroh kichern müssen. Der große Seto Kaiba, blass und zitternd, tränenüberströmt und nicht einmal mehr in der Lage sich klar zu artikuleren. Ein erbärmlicher Haufen, nichts weiter. "Sie sind nicht wie er." sagt Roland mit einer so unbestechlichen Entschiedenheit, die ich noch nie bei ihm gehört habe. "Sie sind nicht wie er." wiederholt er seine Worte ernst und ich schlucke hart. Das seltsame Geräusch wird dadurch unterdrückt und kommt zu meinem Erstaunen auch nicht wieder zurück. Nur ein kleines Glucksen entringt sich meiner Kehle. "Ich versichere ihnen, Sir, sie sind nicht wie Gozaburo Kaiba und ich würde nie, niemals, gleichgültig wer es behaupten würde, glauben, dass sie ihrem Bruder weh getan haben. Keiner, der sie beide kennt, würde das glauben. Haben sie gehört?" Ich nicke leicht, unfähig meine Stimme zu benutzen. Augenblicklich würde sie ohnehin nicht nach mir klingen. Sie wäre sicherlich nur ein tonloses Krächzen, nichts weiter. "Sie müssen jetzt stark sein, Sir. Ich weiß, dass sie das können. Ich habe es oft genug erlebt." spricht Roland auch schon weiter und ich sehe ihn gebannt an. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass jemand so mit mir spricht. "Sie müssen stark sein für Master Mokuba und einen Weg finden, ihn nach Hause zu bringen. Ich weiß, dass sie das schaffen werden. Ich vertraue ihnen. Genau wie ihr Bruder ihnen vertraut. Denken sie daran, Sir. Bitte." Er sieht mich eindringlich an und ich schlucke erneut. Sekunden vergehen in denen wir uns nur ansehen. Sein Blick ist flehend und energisch zugleich und ich nicke schließlich. "Ja." hauche ich und schließe für einen Moment die Augen, um mich zusammeln. "Ja, Roland." sage ich erneut. "Sie haben Recht." Ein kleines Lächeln erscheint auf seinem sonst so stoisch gelassenen Gesicht und langsam löst er seine Hände von meinen Schultern. Er erhebt sich wieder und ich wische mir kurz mit dem Handrücken über die Augen. "Danke... Roland." Meine Stimme klingt wieder fast normal, wenn auch keineswegs so kühl wie man es wohl sonst von mir gewohnt ist. Kapitel 6: Eine gespenstige Offenbarung --------------------------------------- "Ihr verdammten Blödmänner... " höre ich jemanden fluchen und blicke von meinen Unterlagen auf. Die Stimme hallt durch den Flur und ich lausche unwillkürlich. "Ihr könnt mich nicht gegen meinen Willen festhalten, ich werde abhauen und..." Der Satz wird nicht beendet, stattdessen vernehme ich einen unterdrückten Schrei und wildes Geraschel. Sofort bin ich auf den Beinen und eile zur Tür. Ich kann mir denken was los ist und scheinbar komme ich auch gerade rechtzeitig. Ich muss ein Lachen unterdrücken, denn das wäre augenblicklich keineswegs angebracht. Die Szene, die sich mir bietet, ist allerding unfreiwillig komisch. Mokuba Kaiba hängt mehr oder weniger am Bein eines unserer Bodyguards und scheint ihn gerade gebissen zu haben. Der Mann verzieht schmerzverzerrt das Gesicht und funkelt den Kleinen an, während Mr. Harker etwas unschlüssig und sichtlich überfordert daneben steht und scheinbar überhaupt nicht weiß was er tun soll. "Man sollte seine Fluchtpläne in der Regel nicht im Voraus ankündigen, Mokuba." sage ich amüsiert von dieser obskuren Darbietung und drei Augenpaare richten sich sofort auf mich. Mr. Harker scheint erleichtert über mein Erscheinen und Victor´s Miene nimmt wieder regungslose Züge an. "DU?" höre ich Mokuba erstaunt sagen und seine Augen weiten sich zu einer schier übermenschlichen Größe. Ich grinse den Kleinen an. "Ich." erwidere ich und im nächsten Moment lässt das schwarze Bündel das Bein meines Bodyguards auch los und auch dieser lockert seinen Griff. Mokuba steht einen Moment unschlüssig da und sieht mich an als wäre ich ein rosa Einhorn oder etwas ähnlich unfassbares. Ein paar Sekunden vergehen, dann hellen sich seine Züge auf und ein strahlendes Lächeln erscheint in seinem Gesicht. "Katsuya Jonouchi." sagt er schließlich und mustert mich staunend. Ich lächele bei der Erwähnung meines alten Namens. "Naja, inzwischen heiße ich Joey... Joey Wheeler." Der Kleine wirkt irritiert, doch auch nur für einen kurzen Augenblick, dann zuckt er gleichgültig mit den Schultern und ist im nächsten Moment auch scho bei mir. Ich hatte mit einer freudigen Begrüßung gerechnet, aber keineswegs mit einer solch stürmischen. Ein bisschen irritiert es mich schon als er mir praktisch um den Hals fällt. Dann aber erwidere ich die freudige Umarmung und drücke den Kleinen. Naja, ganz so klein ist er inzwischen nicht mehr. "Aber... wie kommt es, dass man dich zu dir bringt?" fragt er einen Augenblick später und seine Augen leuchten schlagartig auf. "Ist Seto hier?" Seine Stimme bebt vor Hoffnung und es versetzt mir einen dumpfen Stich, ihn enttäuschen zu müssen. Langsam schüttele ich den Kopf. "Tut mir leid, Mokuba." Ein klein wenig lässt das fröhliche Strahlen nach, doch noch immer scheint er freudig überrascht. "Komm erstmal rein, ich erkläre dir dann alles." sage ich und er nickt. "Ich gehe davon aus, dass sie mich nicht länger brauchen?" Auch in Harkers Stimme schwingt so etwas wie stille Hoffnung mit und ich nickt. "Ich schätze, ich komme gut alleine klar." entgegne ich und er nickt erleichtert. "Ihr Vater hat bereits alle notwendigen Papiere erhalten und die Details habe ich ebenfalls schon mit ihm besprochen. Bis auf weiteres ist die Angelegenheit somit geklärt. Sie müssen sich allerdings darauf einstellen..." Er bricht ab, denn ich nicke bereits wissend. "Danke, ich bin im Bilde." Auch er nickt und es ist ihm deutlich anzusehen, dass er froh ist, sich verabschieden zu können. Ich bin allerdings auch froh, dass ich erst einmal mit Mokuba alleine reden kann. "Du wohnst hier?" fragt er überrascht als ich ihn in den Salon führe. Ich nicke und gebe Victor ein Zeichen, dass er sich ebenfalls zurückziehen kann. Scheinbar hat er auch kein weiteres Interesse dran, Mokuba´s Anwesenheit zu genießen. "Willst du was trinken?" frage ich fast schon automatisch. Inzwischen habe ich Routine als Gastgeber und bin mit dem Knigge mehr als vertraut. Der Kleine schüttelt den Kopf und sieht sich weiterhin sichtlich überrascht um. "Ich hab gehört, dass du nach Amerika bist, aber das hier hätte ich nicht erwartet." gesteht er und verlegene Röte zeichnet sich auf seinen Wangen ab. Ich lächele. "Dann sind wir schon zwei. Ich war auch mehr als erstaunt als ich hier angekommen bin." Ich zwinkere ihm zu und schenke mir einen Drink aus. Er beobachtet mich dabei und erneut scheint er mich zu mustern. "Du siehst anders aus." stellt er immer noch etwas verlegen fest. "Tja, ich bin nicht mehr ganz der Köter, den du kanntest." erwidere ich mit einem süffisanten Lächeln und für einen Moment senkt er den Blick. Vermutlich denkt er genau wie ich in diesem Augenblick an seinen Bruder. Oft genug hat er Kaiba´s Theorien zur Abstammung meiner Wenigkeit vom besten Freund des Menschen mitangehört. Inklusive des gesamten Repertoire an Kosenamen für Vierbeiner. "Also wie ein Hund siehst du echt nicht mehr aus." meint er schließlich und ich verneige mich. "Danke, danke." sage ich mit einem weiteren Zwinkern und wir lachen beide. Doch dann wird er schlagartig ernst und ich ahne, dass nun der schwere Teil beginnt. "Am besten setzen wir uns." schlage ich vor und er nickt. Wortlos nimmt er mir gegenüber auf der großen, breiten Ledercouch Platz und ich merke seiner Haltung deutlich an, dass er sich innerlich auf alles nur denkbare vorzubereiten versucht. Genau wie er es von seinem Bruder gelernt hat, bemüht er sich die Situation zu analysieren und errichtet zugleich schon einem die Defensive. Er ist und bleibt eben ein Kaiba. Ich muss unwillkürlich schmunzeln. Dann nippe ich an meinem Drink und er sieht mich erwartungsvoll an. "Raus mit der Sprache, Katsuya." drängt er mich und ich seufze. "Geduld ist eine Tugend, Mokuba." entgegne ich. "Und nenn mich bitte Joey, ja?" Er nickt, aber die Ungeduld steht ihm deutlich in den Augen. "Also gut." setze ich schließlich an. Es führt immerhin doch kein Weg daran vorbei. Ich muss ihm sagen, wie seine Situation augenblicklich aussieht. "Die Situation ist nicht so einfach." Er nickt erneut und verschränkt dann die Arme vor der Brust. Auch eine Geste, die er sich bei Kaiba abgeschaut hat. "Ich habe durch die Presse von eurer Situation erfahren. Erst vom Verkauf der Kaiba Corp. und dann von dem Prozess um das Sorgerecht." Seine Miene verfinstert sich unwillkürlich und es lodert geradezu in seinen Augen auf. "Das war eine miese Falle. Seto wurde reingelegt. Diese Schweine haben dem Gericht falsche Beweise untergeschoben und auf mich wollte keiner hören. So ein dämlicher Psychiater hat gesagt, ich wäre nicht vernehmungsfähig, aber das war gelogen. Sie wollten nicht, dass ich aussage, weil dann die Wahrheit ans Licht gekommen wäre..." Die Worte sprudeln nur so aus ihm, wie ein Vulkan bricht er schlagartig aus und schleudert mir seine ganze aufgestaute Wut entgegen. Ich höre ihm geduldig zu und nicke zustimmend. "Ich weiß." unterbreche ich seinen Wortschwall schließlich. "Ich dachte mir bereits so etwas. Immerhin kenne ich euch beide und ich weiß, dass... " "Seto würde mich nie schlagen. Nie." unterbricht er mich. Ich nicke. "Natürlich nicht. Dein Bruder mag zwar ein eiskalter Geschäftsmann sein, aber an dich würde er nie Hand legen. Daran habe ich keinerlei Zweifel. Tea und Yugi ebenso wenig." Meine Worte scheinen ihm ein klein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, denn er nickt und das wütende Funkeln seiner Augen lässt ein wenig nach. "Ich dachte auf Anhieb, dass irgendjemand deinen Bruder fertig machen will und wie könnte man das besser bewerkstelligen, als ihm dich wegzunehmen? Nein, die Sache ist so offensichtlich, dass es schon an Dummheit grenzt, diese Wahrheit zu ignorieren. Doch scheinbar haben eure Gegner ihre Sache gut gemacht. Denn augenblicklich haben sie gewonnen." Ich sehe wie er schluckt und mit der nächsten Frage habe ich gerechnet. "Was ist mit Seto?" Jetzt klingt er wieder wie der kleine Junge, den ich in Erinnerung hatte. Ängstlich sieht er mich an und ich ahne, dass er sich um Kaiba die ganze Zeit wohl die meisten Sorgen gemacht hat. Ich zögere einen Moment. Immerhin weiß ich nicht wirklich was mit seinem Bruder ist. Mokuba scheint mein Zögern falsch zu interpretieren, denn seine Augen weiten sich entsetzt. Doch bevor er etwas sagen kann, ergreife ich auch schon das Wort. "Es geht ihm soweit gut. Man hat die Anklage gegen ihn fallen lassen und sich außergerichtlich geeinigt. Scheinbar wollten eure Feinde ihn nicht im Gefängnis sehen oder sie waren zufrieden mit dem was sie bislang erreicht haben." Ich zucke leicht mit den Schultern. "Seine Konten wurden zum größten Teil eingeforen und es wurde ihm strengstens untersagt, Kontakt mit dir aufzunehmen. Er hat absolutes Umgangsverbot, Mokuba." Ich gebe ihm einen Moment, um meine Worte sacken zu lassen und ihren Sinn zu begreifen, aber Mokuba Kaiba braucht nicht lange, um zu erfassen was ich gerade gesagt habe und meine Worte richtig zu deuten. Wieder erscheint Entsetzen in seinen Augen. "WAS?" schreit er und ist auch sofort auf den Beinen. "Aber... aber das können die doch nicht machen! Er ist mein Bruder." Der Schmerz in seiner Stimme ist nicht zu überhören und ich zucke unwillkürlich zusammen. Wenn Seto Kaiba nur halb so heftig reagiert hat, dann war das die menschlichste und erschütternste Reaktion, die er je gezeigt hat. Nicht einmal im Angesicht des Todes hatte Kaiba je so einen Ausdruck in den Augen wie Mokuba gerade. "Sie können, Mokuba. Sie können. Der Urteilsspruch ist rechtsgültig und dein Bruder wird sicherlich auch erst einmal überwacht. Sie rechnen sogar damit, dass er versuchen wird dich zu entführen. Augenblicklich hat er sich in eurer Villa verschanzt und ist für niemanden zu erreichen. Tea meinte allerdings, dass sie nach ihm sehen wolle und Roland ist bei ihm." erzähle ich ihm und hoffe, dass ich ihn mit meinen letzten Worten wenigstens ein wenig aufmuntern kann. Der Kleine scheint zu überlegen. "Dann weiß Seto nicht, dass ich bei dir bin?" Es ist ein Schuss ins Blaue seinerseits, aber mit seiner Analyse liegt er goldrichtig. Der Scharfsinn liegt eindeutig in der Familie. Ich nicke. "Stimmt. Kaiba weiß es nicht." gebe ich ihm Recht. "Die Behörden wollten dich so schnell wie möglich außer Landes haben, damit er keinerlei Möglichkeit mehr haben könnte, dich zu entführen oder was auch immer sie dachten, dass er tun würde. Jedenfalls habe ich durch einen Freund meines Vaters davon erfahren und auch, dass man hier in den Staaten nach einem Vormund für dich suchen würde. Tja... und an dieser Stelle komme ich eben ins Spiel." Ich grinse ihn aufmunternd an, doch seine Miene bleibt ernst. Erneut beäugt er mich skeptisch. "DU bist mein Vormund?" Die Frage kommt so fassungslos, dass es mich eigentlich kränken sollte. Er wirkt sichtlich erschüttert bei dieser Vorstellung. So erschüttert, dass ich nicht anders kann als ihm einen schmollenden Blick zu zu werfen. "Na, hör mal. Mit ein wenig mehr Begeisterung hätte ich schon gerechnet." erwidere ich gespielt entrüstet und er schluckt verlegen. Seine nächsten Worte scheint er mit Bedacht zu wählen. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder verfügt er also über Taktgefühl. "Entschuldige Ka-Joey, aber naja... du als mein Vormund? Das klingt irgendwie... " Er beißt sich auf die Unterlippe und zuckt entschuldigend mit den Schultern. Ich sehe ihn einen Augenblick an, dann lache ich los. "Keine Panik, ich bin nicht dein Vormund, auch wenn ich den Job sicherlich genauso gut hinbekommen würde wie Kaiba, in Anbetracht eurer jetztigen Lage sogar besser, aber lassen wir das. Mein Vater ist dein offizieller Vormund. Ich bin sozusagen eine Art Stiefbruder, wenn man so will." erkläre ich ihm die Sachlage und rechne fast damit, dass er erleichtert aufatmet, was er jedoch nicht tut. "Dein Vater?" fragt er weiterhin skeptisch. Himmel, dieser Argwohn... Ob das eine angeborene Kaiba-Eigenschaft ist? "Mein Vater ist Jack Wheeler, Eigentümer von Wheeler Industries, einer weltweit operierenden Firma für spezielle Autoteile und Spezialausstattungen." sage ich und in meiner Stimme schwingt Stolz mit. Gut, es ist zwar der falsche Kaiba, dem ich diese Ansage mache, aber immerhin ein Kaiba. Im nächsten Moment wird mir allerdings bewusst, wie albern ich mich damit benehme. Die Lage ist schließlich ernst und es geht hier auch keineswegs um Kaiba und mich. "Aha." macht Mokuba nur und ich bin nicht sicher ob er er mir nicht glaubt oder mich einfach nur für total übergeschnappt hält. Doch dann wandert sein Blick wieder durch den Raum und ich schätze, diese Wohnung ist ihm Beweis genug. "Dein Vater ist jetzt mein Vormund." wiederholt er. Ich nicke. "So sieht es aus. Eigentlich wollte ich erst die Vormundschaft beantragen, aber das wäre aufgrund meines Alters nicht so günstig gewesen, deshalb hat mein Vater es übernommen. Und um deine nächste Frage vorwegzunehmen, auch wenn du sie dir auch selbst beanworten könntest: Ich habe es deshalb getan, weil ich nicht wollte, dass du zu irgendjemandem kommst. Ich kenne dich schließlich und ich wage zu behaupten, dass wir so was wie Freunde waren in der Vergangenheit... oder Verbündete, wie man will. Jedenfalls wollte ich dir helfen und hier bist du also." Ich lächele und er lässt meine Worte nachdenklich sacken. Schließlich nickt er langsam. "Gut, ich denke ich verstehe und... ich danke dir, Joey. Wirklich. Das werde ich dir nie vergessen. Seto ebenso wenig." sagt er und ein scheues Lächeln huscht über sein Gesicht, wahrscheinlich weil er unwillkürlich an Kaiba´s bisherige Beziehung zu mir denken muss. "Und was hast du jetzt vor zu unternehmen?" will er weiter wissen. "Wann sehe ich Seto?" Es war klar, dass diese Frage kommen würde. Sie ließ sich nicht vermeiden, genau wie die aufkeimende Hoffnung in seinem Blick. Ich seufze. "Das ist nicht so leicht. Dein Bruder wird überwacht und es wäre dumm, wenn wir gleich versuchen würden mit ihm Verbindung aufzunehmen. Nein, wir müssen uns erst einmal ruhig verhalten, eure Gegner in Sicherheit wiegen. Ich glaube, das wäre auch in Kaiba´s Sinne. Ich werde ihm natürlich eine Nachricht zukommen lassen. Dafür gibt es immer Mittel und Wege. Notfalls machen wir das über Yugi oder Tea, den beiden können wir schließlich trauen. Wichtig ist erst einmal, dass du in Sicherheit bist und dass dein Bruder es erfährt. Dann sehen wir weiter." erkläre ich ihm eine Überlegungen, die ich in den letzten Stunden angestellt habe. Wider Erwarten nickt er bedächtig. "Du hast Recht. Es wäre zu riskant." stimmt er mir zu und ein Stein fällt mir vom Herzen. Ich hatte mit Protest gerechnet, umso erleichterte bin ich, dass er es versteht. "Wir werden einen Weg finden, Mokuba. Ich verspreche es dir." versichere ich ihm aufrichtig und sehe ihm dabei in die Augen. Er nickt. "Danke, Joey." entgegnet er ebenso ehrlich und wir lächeln uns an. Schließlich muss ich auch eine Frage stellen. "Wer steckt hinter dieser Sache? Wer hat deinen Bruder so überlisten können, dass er seine eigene Firma verkauft hat? Das passte schon nicht zu Kaiba... Hast du eine Ahnung was dahinter steckt?" will ich wissen. Er scheint zu überlegen. Dann schüttelt er den Kopf. "Ich weiß es nicht... alles passierte ganz plötzlich. Jemand fing an Aktien der Kaiba Corp. aufzukaufen. Dann tauchte Pegasus bei uns auf. Danach war Seto vollkommen aufgebracht. Er wollte mir nicht sagen was los ist, meinte nur ich solle ihm vertrauen, gleichgültig was er tun würde. Im nächten Moment fing er auch schon damit an selbst Aktien abzustoßen. Ich wollte wissen was das soll, aber er wollte es mir nicht sagen. Und dann... dann löste er das Labor auf. Den gesamten Entwicklungsbereich. Nächtelang saß er in der Firma, um Daten vom Rechner zu ziehen und kurze Zeit später hat er diesen vollkommen platt gemacht. Im ersten Moment dachte ich, er wäre übergeschnappt. Ja, wirklich. Dieser Rechner... das war sein Leben. Alles was er je entwickelt hat, war darin gespeichert. Jeder Entwurf, jeder Plan. Er hat diesen Computer selbst gebaut. Es war als würde er... sein Kind töten." Mokuba schaudert unwillkürlich und ich tue es ihm gleich. Ich kenne die Geschichten über das Hirn der Kaiba Corp. Den superhypermega Rechner. In der Schule wurden von einigen Witze darüber gerissen. Man munkelte, dass Kaiba in das Gerät so vernarrt sei, dass er... Naja, dämliche Gerüchte auf die ich nie groß was gegeben habe, aber sie spiegelten zumindest einen Teil der Wahrheit wieder. Dass Kaiba ihn selbst platt gemacht hat... dann heißt das, dass hinter dieser Sache etwas wirklich übeles steckt und er verhindern wollte, dass jemand an den Rechner heran kommt. Nicht nur an die Daten. "Weißt du, Joey... für einen Moment hatte ich fast das Gefühl, dass Seto Angst hat." höre ich Mokuba sagen und starre den Kleinen entgeistert an. "Was?" frage ich fassungslos. Er nickt, um mir zu verstehen zu geben, dass ich mich nicht verhört habe. Kaiba und Angst... Allein die Vorstellung. Nie habe ich Angst in seinen Augen gesehen und ich habe wirklich eine Menge mit ihm durchgemacht. Wer oder was schafft es Kaiba Angst einzujagen? Kapitel 7: Nächtlicher Besuch ----------------------------- Das eisige Wasser, dass über meine Hände läuft, spüre ich nicht wirklich. Routiniert wasche ich mir meine Hände und das Gesicht und als ich in den Spiegel blicke stelle ich fest, dass mein Spiegelbild mir fremd erscheint. Ich sehe aus wie ein Schatten meiner Selbst. Dunkel Ringe sind unter meinen Augen, auf meiner blassen Haut zeichnen sie sich nur allzu deutlich ab und meine Frisur... Von Frisur kann man augenblicklich wohl nicht mehr reden. Selbst mein Blick ist anders. Meine Augen wirken glasig und bei genauer Betrachtung würde wohl jeder feststellen, dass ich geweint habe. Ich presse unwillkürlich meine Lippen aufeinander bis sie mir im Spiegel als schmale, fast farblose Linie erscheinen. Wirre braune Strähnen, von denen Wasser tropft, fallen mir ins Gesicht und beschämt denke ich daran, welches Bild ich gerade eben noch im Salon abgegeben habe. Dagegen ist meine jetztige Erscheinung fast schon wieder normal. Ein Glück, dass nur Roland mich so gesehen hat. Der Gedanke, dass ein Anderer mich in diesem Moment erblickt hätte, ist so gräßlich, dass ich es mir gar nicht erst vorstellen darf. "Ich hoffe es geht dir gut, Mokuba." flüstere ich mit fremder, tonloser Stimme und beiße mir im nächsten Moment auch schon fest auf die Unterlippe. So fest, dass ich Blut schmecke, aber der Schmerz bleibt aus. Ein leichtes Ziehen geht durch meine Lippen, nichts weiter und ich bemühe mich meine Sorgen zu verdrängen, mich nicht zu fragen, was mein kleiner Bruder im Moment macht oder mir auszumalen was diese Gestalten, die ihn weggebracht haben, mit ihm anstellen. Nein, daran darf ich nicht denken. Fange ich erst an, darüber nachzugrübeln, wird ein Horrorfilm vor meinem inneren Auge ablaufen. Szenen meiner Vergangenheit werden sich mit Bilder von Mokuba vermischen und aufgrund meiner eigenen Erfahrung werde ich nicht anders können als mir das Schlimmste auszumalen. Und genau das darf ich nicht zulassen. Diese Bilder dürfen meine Sinne nicht trüben, denn ich brauche jeden davon, wenn ich einen Weg finden will Mokuba zurückzuholen. Ich muss mich konzentrieren und mich auf das Wesentliche, mein Vorhaben, besinnen. Deshalb rufe ich mir erneut ins Gedächnis, dass Mokuba ein cleverer Junge ist. Er hat eine schnelle Auffassungsgabe und sein analytischer Verstand funktioniert so gut wie meiner. Er hat die Situation sicherlich begriffen und passt sich ihr an so gut er es vermag. Ja, darauf muss ich mich besinnen. Mokuba ist stark und klug und ich kann mich auf ihn verlassen. Das konnte ich immer. Für sein Alter ist er erwachsener als manch anderer und genau wie ich hat er zuviel gesehen, um sich naiven Gedanken hinzugeben. Auch wenn all das der Wahrheit entspricht und mein logischer Verstand mir sagt, dass die Leute, in deren Obhut er gegeben wurde, ihm sicherlich nichts antun werden, beruhigen mich diese Gedanken keineswegs und es braucht all meine Kraft, nicht länger darüber nachzudenken und den Stich, den ich wieder und wieder in meinem Herzen fühle, dass so viele als nicht vorhanden angesehen haben, zu ertragen. Diese Bastarde werden büßen. Jeder Einzelen von ihnen. Sie werden bezahlen für das was sie meinem Bruder angetan haben, für die Dreistigkeit, ihn in diese Angelegenheit miteinzubeziehen. Bakura hatte Recht. Es gibt eine Grenze. Eine Grenze, die man nicht überschreiten darf und ich selbst auch nie überschritten habe. Familie und Geschäft sind klar zu trennen. Ich spüre wie sich meine Hände schmerzhaft um das Waschbecken verkrampfen und sich meine Unterlippe langsam blutrot färbt. Ja, sie werden es büßen, dass sie Mokuba das angetan haben und ich hoffe für sie, dass es ihm wirklich gut geht, denn sollten sie ihm auch nur ein Haar krümmen, dann... Dann kann ich für nichts mehr garantieren. Dann habe ich nichts, absolut nichts mehr zu verlieren und ich würde mich an ihrer Stelle davor fürchten, zu was ich dann fähig sein werde. Er hatte Recht als er sagte, dass es einen verändert, wenn man einen geliebten Menschen verliert, dass man nie mehr der Gleiche sein kann. Doch er hat seinen Gedanken nicht zu Ende geführt, denn dann hätte er sicher erkannt wie gefährlich es sein kann, einen Menschen bis zum Äußersten zu treiben. "Sie brauchen Schlaf, Sir. Heute können sie ohnehin nichts mehr tun. Ich werde mich um alles notwendige kümmern, was die Finanzen anbelangt. Ruhen sie sich aus. Ich weiß, dass Roland es gut gemeint hat und vermutlich brauche ich tatsächlich Schlaf. Vier Nächte in Folge habe ich nun kein Auge zu getan. Gut, das ist früher auch das eine oder andere mal vorgekommen, aber es ist etwas anderes über einem Berg von Akten zu sitzen als in die Dunkelheit zu starren und sich zu fragen, wie es dem Menschen, den man mehr liebt als das eigene Leben gerade geht. Warum habe ich ihnen auch nicht die Firma überlassen können? Die Frage ist müßig und die Antwort stets die Gleiche. Wäre es nur um die Kaiba Corp. gegangen, Herrje, sie hätten sie haben können, wenn das alles andere verhindert hätten, aber... Ich schüttele den Kopf und reiße mich endlich vom Waschbecken und meinem desillusionierten Spiegelbild los. Das Schlafzimmer ist dunkel und ich habe auch nicht den Wunsch, Licht anzumachen. Ich bezweifle, dass ich heute Nacht ein Auge zu tun werde, aber Roland zuliebe werde ich es versuchen. Meine Schritte sind schwer als ich zu dem großen Bett gehe und auch die Bettdecke erscheint mir auf einmal zentnerschwer als ich sie zurückschlage. "Hübscher Pyjama." vernehme ich eine Stimme und wirbele herum. Sofort sind meine Schultern gestrafft und ich finde die Gestalt selbst im Dunkeln sofort. Ihre Umrisse zeichnen sich im Mondlicht deutlich ab und innerhalb von zwei Sekunden verarbeitet mein Hirn die Informationen. Die Umrisse kommen mir vertraut vor und auch die Stimme... Meine Hände, die ich eben noch kampfbereit erhoben hatte, sinken wieder und ich entspanne mich auch ein wenig. Im Dunkeln leuchtet kurz etwas auf und ich registriere, dass mein Besucher sich eine Zigarette anzündet. Lässig hockt die Gestalt auf der Fensterbank und ich würde wetten, dass er mich gerade grinsend mustert. "Du scheinst ein Faible für dramatische Auftritte zu haben." bemerke ich kühl und knipse das Licht auf meinem Nachttisch an. Er grinst tatsächlich. Dann zieht er ungerührt an seiner Zigarette und das Leuchten der Glut legt einen rötlichen Schein auf seine funkelnden Augen. "Was willst du?" frage ich und verschränke automatisch die Arme vor der Brust. Er lässt sich mit der Antwort Zeit. Inhaliert tief und bläst den Rauch ringförmig wieder aus. "Willst du nicht wissen, wie ich hier reingekommen bin?" fragt er vergnügt und ich verdrehe genervt die Augen. "Du bist ein Dieb. Ich setze voraus, dass du in der Lage bist ein Haus ohne Probleme zu betreten. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dir selbst einen Auftrag dieser Art erteilt." entgegne ich ungerührt und er lacht. "Touché, mein Lieber." meint er lässig und stößt sich im nächsten Augenblick von der Fensterbank ab. "Eine überflüssige Frage." gibt er zu und sieht sich gemächlich im Raum um, dann wandert mein Blick wieder zu mir und sein Grinsen wird breiter. Ich sehe deutlich, dass sein Blick über meinen Körper wandert und er es sichtlich zu genießen scheint mich so zu sehen. Wenn er allerdings denkt, dass er mich damit auch nur im Mindesten einzuschüchtern vermag, dann unterschätzt er mich. Pyjama hin oder her, ein Seto Kaiba vermag es selbst in dieser Kleidung seine Contenance zu bewahren. Zudem kümmert es mich nicht, dass er mich so sieht. Hätte er mich eben mit Roland gesehen, das wäre etwas ganz anderes. "Ich muss allerdings zugeben, dass Alister doch etwas Probleme mit deinem Sicherheitssystem hatte. Es ist also wirklich gut." meint er dann lässig und ich ziehe missbilligend eine Braue nach oben. Also wartet Alister draußen. Bei unserem letzten Treffen hatte er mir schon zu verstehen gegeben, dass er hin und wieder mit dem Kleinen zusammen arbeitet. Seine Fähigkeiten als Dieb und Alister´s technische Kenntnisse ergänzen sich seiner Meinung nach hervorragend, was ich sogar einleuchtend fand. Immerhin hatte er es früher nicht mit technischen Sicherheitssystemen zu tun, wenn man seiner abenteuerlichen Geschichte Glauben schenkt. Auf seine näheren Erläuterungen zu diesem doch recht ungewöhnlichen Team bin ich allerdings nicht näher eingegangen. Es reichte, dass Bakura mir versicherte, dass er Alister trauen würde, zumindest bis zu einem gewissen Grade und dessen Fähigkeiten sich auch für meinen Fall als nützlich erweisen könnten. Ich sehe ihn erwartungsvoll an und ich weiß, dass er mir sein Erscheinen auch ohne weitere Fragen erklären wird. Insgeheim hege ich die Hoffnung, dass er bereits einen Teil meines Auftrages erledigt hat. Welchen Grund sollte er auch sonst haben, mitten in der Nacht bei mir aufzutauchen? "Nebenbei bemerkt... du wirst überwacht." sagt er nach einer Weile und lässt sich mit einem lässigen Grinsen auf meinem Bett nieder. Ich taktiere ihn für einen Moment, frage jedoch nicht weiter nach. "Davon bin ich ausgegangen." entgegen ich lediglich und er nickt. "Und dabei handelt es sich nicht nur um amtliche Ausseher." fährt er fort. "Deine Gegner scheinen dich auch im Auge behalten zu wollen." Ich nicke leicht. Auch das hatte ich bereits vermutet. Es war abzusehen, dass sie mich keineswegs aus den Augen lassen würden. "Sie haben mir einen kleinen Besuch abgestattet." meint er nach einer weiteren Pause. Für einen Moment bin ich überrascht. Ich war der Ansicht gewesen, dass ich alle Verfolger abgehängt hatte als ich zu ihm gefahren bin. "Und?" frage ich. Er zuckt mit den Schultern. "Jemand hat gestern meine Wohnung durchsucht. Was sie zu finden hofften, hm, verrat du es mir?" antwortet er und sieht mich abschätzend an. Ich denke kurz nach, doch der Sinn dieser Aktion verschließt sich mir. Also schüttele ich den Kopf. "Ich wüsste nicht was." gebe ich zu und zu meinem Erstaunen nickt er. "Jedenfalls haben sie ihre Arbeit gründlich gemacht. Ich werde dir das in Rechnung stellen." meint er und lässt sich gelassen in die Kissen fallen. Dann verschränkt er die Arme hinter dem Kopf und lächelt mich kaltblütig an. "Ich musste mir ein neues Domizil suchen. Ich mag es nicht, wenn jemand unangemeldet bei mir auftaucht und sich dann auch noch an meinen Sachen vergreift." erklärt er weiter. "Wie dem auch sei... Es scheint als hätten diese Vögel ein übersteigertes Interesse an dir und deinen weiteren Schritten. Aber keine Sorge, was deinen Auftrag anbelangt. Darüber haben sie nichts in Erfahrung bringen können. Im Übrigen wirst du dich sicher freuen, wenn ich dir sage, dass ich einen Teil der vergnüglichen Aufgabe bereits erfüllen konnte." Sein Lächeln wird zu einem gerissenen Grinsen und ich nicke anerkennend. "Ich nehme an du meinst die Akten." vermute ich und eine leichte Kopfbemerkung seinerseits bestätigt es. "Für eine Behörde war das Gebäude sträflich nachlässig gesichert. Man konnte problemloser reinspazieren als in Ra´s heiligen Tempel." erzählt er und schüttelt leicht missbilligend den Kopf. "Keine Herausforderung für einen Profi." Ich verkneife mir einen Kommentar bezüglich seinen Honoras angesichts dieser Leichtigkeit. Er fährt allerdings mit seiner Erzählung auch schon fort. "Ich habe sämtliche Daten über deinen Prozess kopiert und ich müsste auch alle Akten gesichtet haben. Ich befürchte allerdings, dass dir das nicht groß weiterhelfen wird." Seine Züge verändern sich mit einem Schlag und er sieht mich ernst an. "Wem auch immer du auf die Füße getreten bist, Kaiba, derjenige ist kein Amateur. Er hat sämtliche Spuren, die zu ihm führen, verdammt gut verwischt. Selbst in den Akten der Staatsanwaltschaft sind die Namen der Drahtzieher nicht zu finden. Lediglich ein Vermerk, dass der Staatsanwalt aufgrund eine anonymen Hinweises auf die Sachlage im Fall Mokuba Kaiba aufmerksam gemacht wurde." Ich nicke unwillkürlich. Im Grunde hatte ich mit dergleichen bereits gerechnet. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn man es mir so leicht gemacht hätte. "Was ist mit den Photos? Den angeblichen Beweisen?" will ich wissen. Bakura seufzt. "In den Akten heißt es, dass sie ebenfalls anonym an einen Journalisten geschickt worden sind. Dreimal soll der Typ, seinen Namen habe ich irgendwo notiert, aber ich glaube kaum, dass er hilfreich sein wird, Umschläge mit Schnappschüssen von Mokuba erhalten haben. Jedes Mal mit der Bitte, sich der Angelegenheit anzunehmen." "Saubere Arbeit." befinde ich gefasst und Bakura nickt. "Was ist mit Mokuba? Irgendeinen Hinweis, wohin man ihn gebracht hat?" Der Weißhaarige nickt und seine Miene ist nach wie vor ernst. "Es stimmt, dass man ihn in die Staaten geschafft hat. Gestern um genau zu sein. Dafür gab es einen extra Vermerk. Die Sache hatte allem Anschein nach oberste Priorität, zumal es noch ein interssantes psychologisches Guthaben gibt. Der gleiche Psychiater, der Mokuba als nicht vernehmungsfähig eingestuft hat, hat noch eine Menge anderer hübscher Theorien verfasst." Bakura wirft mir einen vielsagenden Blick zu. "Wenn man dem Herrn Glauben schenkt, haben der Kleine und du ein hochgradig gestörtes Verhältnis." Seine Stimme klingt spöttisch wie immer, doch sein Blick ist mehr als ernst. Ich spüre wie erneut Wut in mir aufsteigt und meine Schläfen zu pochen beginnen. Ich bemühe mich zwar, meine Mimik unter Kontrolle zu halten, doch meine Reaktion auf seine Worte kann er mir deutlich ansehen. "Man unterstellt Mokuba eine Art... Stockholm-Syndrom. Er wird weiterhin als prädisponiertes Opfer eingestuft, dass deiner psychischen und physischen Dominanz nicht gewachsen ist. Alles in allem ein recht... sagen wir... skurilles Bild, dass da von euch gezeichnet wird. Ein Wunder, dass du je das Sorgerecht bekommen hast, wenn man diesen Bericht liest." Ekel steigt in mir auf. Ein widerlicher Geschmack und ich muss dem Impuls widerstehen heftig zu würden. Ich mache einen Schritt auf das Bett zu und es kostet mich ein enormes Maß an Selbstbeherrschung nicht hilfesuchend nach dem Bettpfosten zu greifen. Bakura beobachtet mich schließlich und ich will ihm kein Zeichen der Schwäche liefern. Langsam setze ich mich ans Fußende und versuche meine Gedanken zusammeln. "Kurz und gut, nichts weißt auf die eigentlichen Täter hin. Und was deinen Bruder anbelangt... Eine Eilmitteilung der amerikanischen Botschaft besagt, dass man bereits einen Vormund für ihn gefunden hat." fährt Bakura in ruhigem, fast sachlichem Ton fort und ich starre ihn entgeistert an. "Wen?" frage ich scharf und mein Herz hämmert mit einem Mal so hart gegen meinen Brustkorb, dass es in meinen Ohren dröhnt. "Einen gewissen Jack C. Wheeler. Ein Industriemagnat aus New York. Er hat die Vormundschaft beantragt und aufgrund verschiedener Gutachteraussagen und Fürsprecher war man wohl der Ansicht, dass der Kerl der Richtige ist." Bakura zuckt ungerührt mit den Schultern. "Der Richtige." wiederhole ich zähneknirschend und merke dabei gar nicht, dass sich meine Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohren. "Jack C. Wheeler." In Gedanken gehe ich meine amerikanischen Kontakte durch, doch der Name sagt mir nicht das Geringste. Vielleicht ist es mir anzusehen, dass mir der Name unbekannt ist, denn Bakura meint: "Alister ist bereits dabei, Informationen über den Typen zu beschaffen, was allerdings nicht so leicht ist. Die Amerikaner und ihre Paranoia, du verstehst." Ich nicke. Vermutlich hat man deshalb auch Amerika gewählt. Gott, dass der Gedanke, dass mein kleiner Bruder jetzt bei irgendeinem amerikanischen Industriellen in New York ist... Nein, ich darf mir das nicht vorstellen. Ich muss darauf vertrauen, dass es ihm gut geht und Mokuba weiß was er tut, wie er sich zu verhalten hat. Ja, ich bin sicher, dass er das weiß. Mokuba ist ein schlaues Kerlchen. Er wird... Unwillkürlich schließe ich die Augen, trotz Bakura´s Anwesenheit und schlucke hart. "Man wird ihm nichts tun." höre ich den Weißhaarigen im nächsten Augenblick sagen und seine Stimme klingt seltsam sanft. Ich öffne schlagartig wieder die Augen und werfe ihm einen eisigen Blick zu. "Woher willst du das wissen?" zische ich ihn gereizt an, doch er übergeht meine harsche Art und sieht mich ungerührt und irgendwie sogar nachsichtig an. "Weil sie ihn vielleicht noch brauchen." entgegnet er ernst. "Diese Typen sind noch nicht fertig mit dir, Kaiba." Ich richte meinen Blick von ihm und blicke aus dem Fenster. "Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber das weißt du auch." fährt Bakura fort. Ich erwidere nichts, doch das scheint der Dieb auch keineswegs zu erwarten. "Diese Kerle... sie wollten mehr als nur deine Firma, oder? Da steckt noch etwas anderes dahinter und das weißt du auch. Ich habe recherchiert. Du hast nicht nur die Kaiba Corp. verkauft, du hast alle Projekte deiner Firma aufgelöst und sämtliche Spuren verwischt, was du sonst noch in deinen heiligen Hallen getrieben hast. So ist es doch, Kaiba?" Bakura´s Stimme hat einen scharfen Zug angenommen. "Diese Typen, sie waren doch hinter etwas bestimmtem her. Etwas, dass du ihnen unter keinen Umständen überlassen konntest, nicht wahr? Also raus mit der Sprache. Was wollten diese Kerle von dir?" Für einen Moment herrscht Schweigen und ich denke nach. Seine Schlussfolgerungen sind gut, wenn auch kein wirklich großes Kunststück. Immerhin hatte ich weder die Zeit noch die Gelegenheit meine Spuren gründlich zu verwischen und ich weiß, dass Bakura kein Idiot ist. Er mag verrückt sein, aber er hat einen überaus logisch funktionierenden Verstand. Ich seufze unwillkürlich und bemerke, dass er mich erwartungsvoll ansieht. "Nicht schlecht." befinde ich schließlich und schenke ihm ein kaltes Lächeln. Er grinst. "Tja, ich bin eben gut. Aber deshalb hast du dich schließlich auch an mich gewandt, nehme ich an." Genüßlich leckt er sich über die vollen Lippen und ich verdrehe instinktiv die Augen. Dieser Kerl ist unverbesserlich, aber er hat Recht. "Also..." drängt er mich als ich nicht weiter rede. "Die Sache ist kompliziert." entgegne ich und er verzieht spöttisch den Mund. "Ach?" meint er. "Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen..." Ich quittiere seine Bemerkung mit einem eisigen Blick, was zwar sein Grinsen verschwinden lässt, jedoch nichts an seiner Haltung ändert. "Jetzt spuk schon aus, was hast du in deiner Hexenküche getrieben? Irgendeine bahnbrechende Erfindung?" will er wissen. Ich nicke leicht. "So etwas in der Art." gebe ich vage zu und er mustert mich eingehend. Schließlich richtet er sich auf und packt mich unerwartet am Arm. "Jetzt hör mir mal gut zu, Kaiba." fährt er mich an und sein Tonfall könnte man in diesem Augenblick wirklich als gefährlich bezeichnen. Ich halte seinem Blick dennoch gelassen stand. "Ich habe dir bereits gesagt, dass du diese Nummer nicht alleine durchziehen kannst und wie es aussieht, reißt man sich nicht gerade darum dir zu helfen. Kein Wunder, so ein Herzchen wie du schließlich bist. Also bin ich wohl der Einzige, auf den du dich aktuell verlassen kannst. Daher wäre es gut, wenn du mir sagen würdest was Sache ist. Das gehört übrigens auch zur Teamarbeit. Man teilt die Informationen." Einen Moment sehe ich ihn wütend an. Mir liegt sogar schon die passende Erwiderung auf der Zunge und es juckt mich, sie ihm angesichts des harschen Tonfalls, den er an den Tag legt, an den Kopf zu werfen. Doch dann denke ich wieder an Mokuba und verdammt, der Weißhaarige hat Recht. Die Zahl meiner Verbündeten ist schwindend gering und er ist zumindest jemand, den ich bei meinem Vorhaben wirklich gebrauchen kann, wie er heute bewiesen hat. Dennoch widerstrebt es mir, mich ihm anzuvertrauen. "Eine Erfindung." sage ich schließlich. "Diese ganze geplante Übernahme zielte nur darauf ab, an das technische Labor der Kaiba Corp. zu kommen und somit an all meine Daten." Ich weiß, dass ich mich noch immer vage ausdrücke, aber ich bin nicht bereit an dieser Stelle mehr Preis zu geben und meine Haltung drückt diese Entschlossen auch wohl auch aus. Bakura mustert mich einen Augenblick lang, dann nickt er leicht. Zu meiner Überraschung lässt er es dabei bewenden und hakt nicht weiter nach. Vielleicht weil er ahnt, dass es ohnehin keinen Sinn hat. "Deshalb hast du also die Firma platt gemacht." stellt er fest. Ich nicke. "Und diese Typen waren davon so angepisst, dass sie sich durch Mokuba an dir gerächt haben." spinnt er den Faden weiter. Wieder nicke ich. "Davon gehe ich aus. Ich habe ihnen jede Möglichkeit genommen, zu bekommen was sie wollen." entgegne ich zustimmend und der Weißhaarige seufzt. "Tja, dann hast du es echt geschafft, jemanden tierisch gegen dich aufzubringen. Jemanden, der bereit ist, sich alle Mühe zu geben, dir einen Denkzettel zu verpassen." sinniert Bakura und pfeift. "Oder steckt da noch etwas dahinter?" fragt er weiter. "Und was gedenkst du nun in puncto Mokuba zu unternehmen?" Kapitel 8: Gedankenspiele und Überlegungen ------------------------------------------ Ich mustere den Kleinen, der nun an meinem Schreibtisch sitzt und hochkonzentriert einen Brief schreibt. Ich habe ihm geraten seinem Bruder zu schreiben, doch er hätte es auch sicher ohne meine Aufforderung getan. So wie er da sitzt, wirkt er irgendwie wie eine jüngere Ausgabe seines Bruders. Genau die gleiche Haltung, genau der gleiche fokusierende Blick und ich wette, seine Schrift ist genauso perfekt wie ich sie von Seto Kaiba aus meiner Schulzeit kenne. Ansonsten haben die Brüder wenig Ähnlichkeiten miteinander. Auf den ersten Blick würde man sie nicht für Geschwister halten, aber das ist nichts ungewöhnliches. Serenity und ich sahen uns auch nur als kleine Kinder wirklich ähnlich. Doch wir haben auch verschiedene Väter. Seltsamerweise kommt mir der Gedanke, dass es sich bei Mokuba und Seto ähnlich verhalten könnte, so verschieden wie sie aussehen. Nicht nur von der Statur her unterscheiden sie sich extrem, auch ihre Hautfarbe, Haarfarbe... Unwillkürlich frage ich mich wie ihre Eltern wohl ausgesehen haben. Während der Kleine in sein Schreiben vertieft ist, denke ich darüber nach wie ich weiter vorgehen soll. Ich bin einerseits beruhigt, dass Mokuba so schnell verstanden hat, dass es keine gute Idee ist, Kaiba direkt zu kontaktieren. Zumal mir heute aus verlässlicher Quelle bestätigt wurde, dass Kaiba tatsächlich überwacht wird und ich daher auch davon ausgehe, dass man seine Telefonleitung anzapft und auch seine Internetbewegungen kontrolliert. Tja, willkommen im 21. Jahrhundert wo solch eine Überwachung möglich ist. Sogar wie ich vermute bei einem Genie wie Seto Kaiba, auch wenn ich vermute, dass dieser sich dessen bewusst ist. Darüber hinaus hat Mr. Harker mir zuverstehen gegeben, dass auch wir in der nächsten Zeit dezent im Auge behalten werden. Folglich wäre es alles andere als klug, sich direkt an Kaiba zu wenden. Die Möglichkeit über Tea an ihn heranzukommen, erscheint mir augenblicklich als die beste Lösung. Tea ist eine alte Freundin von uns beiden, wenn man so will und sie hat Kaiba bereits besucht in der letzten Zeit. Wenn sie also wieder zu ihm gehen würde, müsste man dahinter nicht gleich etwas vermuten. Allerdings werde ich dabei dennoch beachten müssen, wie ich mit ihr in Kontakt trete. Nur für den Fall der Fälle, dass auch unsere Gespräche abgehört werden. Doch auch dafür habe ich schon eine recht gute Lösung gefunden. In erster Linie erscheint es mir augenblicklich das Wichtigstes Kaiba wissen zu lassen, dass es Mokuba gut geht. Das wird ihn erst einmal beruhigen und auch wenn er sicher nicht begeistert sein wird, dass sein Bruder sich ausgerechnet in meiner Obhut befindet, so wird er doch hoffentlich inzwischen so vernünftig sein, dass er diese Lösung als das Beste für Mokuba ansehen wird. Plötzlich muss ich an jene regnerische Nacht denken als Mokuba zu Yugi kam, um ihn um Hilfe zu bitten. Sein Bruder war damals in seiner eigenen virtuellen Welt festgesetzt worden und der Kleine wusste sich nicht weiter zu helfen. Im Nachhinein war der gute Kaiba allerdings alles andere als begeistert davon, dass ausgerechnet der von ihm so verhöhnte Kindergarten ihm zur Hilfe kam. Mokuba hatte später einmal erzählt, dass er Seto gesagt habe, dass er sich an Yugi gewandt hatte, weil er sonst auch niemanden gewusst hätte, zu dem er hätte gehen können. Und Kaiba´s Erwiderung war wieder einmal so typisch für diesen Eisklotz. Und als er Yugi, Mai und mich dann sah, zugegeben zu dem Zeitpunkt hatte er sich schon aus eigener Kraft befreit, war seine erste Reaktion auch wieder eine abfällige Bemerkung. Natürlich in meine Richtung. Ging es nicht immer in meine Richtung? Irgendwie schon. Yugi mag sein Erzrivale gewesen sein, aber ich... ich war seine ultimative Nemesis. Den Grund dafür habe ich nie wirklich verstanden. Warum zum Beispiel war es nicht Tristan oder Duke? Warum konzentrierte er nicht all seine Wut auf Yugi, der doch tatsächlich derjenige war, der ihn immer wieder vernichtend schlug? Nein, stets war ich die Zielscheibe seines Spottes und naja, ich war im Grunde auch nicht besser. Schließlich habe ich auch nie eine Gelegenheit ausgelassen, diesen reichen Pinkel von der Seite anzumachen, obgleich ich jedes Mal bei unseren Wortgefechten den Kürzeren gezogen habe. Ob es heute noch so verlaufen würde? Inzwischen hat sich mein Wortschatz enorm erweitert. Ich muss längst nicht mehr jedes zweite Wort, dass dieser Großkotz von sich gibt, nachschlagen. Allerdings könnte ich ihn heute auch nicht mehr als reichen Pinkel bezeichnen. Ich bin inzwischen ja auch einer und er... Gut, er mag seine Firma nicht mehr haben, aber Mokuba hat meine Vermutung bereits bestätigt, dass Kaiba sich abgesichert hat. Alles andere hätte mich auch enttäuscht. Mokuba scheint inzwischen fertig zu sein, denn er hat den Stift niedergelegt und überfliegt nun die geschriebenen Zeilen. Unwillkürlich muss ich grinsen. In der Hinsicht sind die Beiden sich dann doch sehr ähnlich. Ab und an legt Mokuba auch diesen kritisch-skeptischen Blick auf, nur dass die Wirkung bei ihm nicht die Gleiche ist. "Joey?" höre ich ihn plötzlich fragen und er sieht mich an. Ich schenke ihm ein schiefes Lächeln. "Was ist denn?" will er wissen als ich nichts sage und ich ringe einen Moment mit mir ob ich ihn an meinen Gedanken teilhaben lassen soll. "Ich hab mich gerade gefragt, ob du es inzwischen auch schaffst, eine Augenbraue hochzuziehen wie dein Bruder." gebe ich schließlich zu und für einen kurzen Augenblick starrt der Kleine mich verständnislos an. Dann verzieht sich sein Mund zu einem breiten Grinsen und er schüttelt den Kopf. "Nein, schaff ich nicht." entgegnet er kichernd. "Aber das ist auch Seto´s Markenzeichen." "Ich dachte das wäre schon der Mantel." kontere ich und erneut lacht Mokuba auf. "Trägt er die Dinger eigentlich immer noch?" will ich mit einem Mal wissen, obwohl ich selbst nicht weiß warum. "Klar." kommt prompt die Antwort, die ich auch erwartet habe und Mokuba zwinkert. Ich glaube, was diese Mäntel anbelangt, vertreten wir die gleiche Meinung. "Ich hab mir erlaubt, Seto von dir zu grüßen." meint er dann und ich nicke. Die Vorstellung ist seltsam, aber wohl durchaus angebracht. "Ich habe ihm auch schon ein paar Zeilen geschrieben." erkläre ich, verkneife es mir allerdings, dass das der wohl mit Abstand schwerste Brief gewesen ist, den ich je gezwungen war zu schreiben. Dabei habe ich inzwischen so was wie Routine mit diesen Dingen und mache auch längst keine grammatikalischen Fehler mehr. Ich bin schaffe es mittlerweile sogar mit zehn Fingern flüssig zu tippen ohne permanent auf die Tastatur zu blicken, auch wenn ich zugeben muss, dass ich bei weitem nicht auf die Anschlagszahl komme, die der gute Kaiba schon während unserer Schulzeit drauf hatte. Ich schätze, das wird eine Sache bleiben, bei der er mir auch überlegen ist. Die nächsten Worte, die aus meinem Mund kommen, irritieren mich selbst weitaus mehr als Mokuba. Denn er antwortet mir schnell und ohne das geringste Anzeichen der Verwunderung. "Sag mal, spielt dein Bruder noch ab und an DuelMonster?" will ich wissen und fuck, ich habe wirklich keine Ahnung, warum mich das interessiert. Mokuba schüttelt den Kopf. "Nein. Sein letztes offizielles Duell hatte er gegen Yugi ähm... den Pharao und das letzte inoffizielle Duell war das gegen dich. Damals auf dem Schuldach. Erinnerst du dich? Kurz vor dem Abschluss. Du hast ihn so lange genervt bis er sich darauf eingelassen hat." entgegnet Mokuba mit einem zuckersüßen Lächeln um die Lippen. "Und dabei hat er dich wieder einmal geschlagen." Nun zwinkert er mir zu. Diese miese kleine Ratte. Natürlich erinnere ich mich daran. Ich glaube, es war auch mein letztes Duell. Ja, eigentlich bin ich mir sogar sicher. Und ich musste ihn in der Tat über eine Woche bearbeiten bis er sich endlich dazu herabließ sich mit mir zu duellieren. "Hast wohl Schiss, dass du unterliegen könntest, Großkotz!" "Köter, ich werde dir bei nichts je unterliegen." Bei dem Wortwechsel wäre ich ihm tatsächlich fast an die Gurgel gegangen. Duke musste mich zurückhalten und schließlich hat Kaiba geseufzt und gemeint ich solle nach der Schule auf´s Schuldach kommen. Dann würde ich meine nächste Abreibung bekommen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass er Recht hatte. Bei dem Duell hat er mich gnadenlos platt gemacht. Kein Vergleich zu meiner triumphalen Leistung beim BattleCityTunier, wo ich ihn wenigstens noch ein bisschen ärgern konnte. Nein, auf dem Schuldach hat er mich innerhalb von sieben Zügen geschlagen und ich hatte nicht den Hauch einer Chance. Seltsam zu wissen, dass so unser beider Karriere bei Duell Monsters geendet hat. Wenn auch inoffiziell. Erst als ich Mokuba´s Blick bemerke, fällt mir auf, dass ich versonnen lächele und kratze mir verlegen am Kopf. Irgendwie fühle ich mich ertappt und der Kleine ist so gerissen, dass ich fast wagen würde zu behaupten, dass er ahnt, dass ich an seinen Bruder gedacht habe. Etwas in mir rechnet fast damit, dass er jeden Moment so etwas sagt wie "Mach dir nichts drauß, Joey, Seto ist eben der Beste.", aber er tut nichts dergleichen. In seinen Augen war Kaiba stets der Beste. Gleichgültig ob er gewann oder verlor. Mokuba´s Heldenverehrung kannte keinerlei Grenzen und daran scheint sich auch in den letzten drei Jahren nichts geändert zu haben. Ich bezweifle, dass sich je etwas daran ändern wird. Für Mokuba wird Kaiba stets der Held sein. Selbst jetzt noch. Gleichgültig was auch geschehen wird. "Hast du Tea schon angerufen?" reißt Mokuba´s Stimme mich aus den Gedanken. Ich schüttele den Kopf. "Das mache ich später. Jetzt würde ich sie auch nicht erreichen. Die Zeitverschiebung." Er nickt. "Ich hoffe, dass sie schnell zu Seto kann. Dann wird er beruhigt sein und wenn er dann meinen Brief bekommt..." Der Kleine beginnt schon wieder zu lächeln und ich bin wirklich erleichtert, dass er die letzten Wochen scheinbar so gut weggesteckt hat. Aber Mokuba ist auch ein außergewöhnliches Kind. Er hat bislang ja auch ein außergewöhnliches Leben geführt. Wer ist schon in seinem Alter Vize einer weltweiten Spielefirma? Und wie er mir erzählt hat, ging man während der gesamten Zeit seit man ihn von Kaiba getrennt hat, mehr als gut mit ihm um. Er war bei einer angesehen japanischen Familie untergebracht, wenn auch unter strengster Bewachung. Mit Stolz hat er mir allerdings berichtet, dass er zwei Fluchtversuche unternommen hat und es einmal sogar bis fast zur Villa geschafft hätte. Danach hatte man ihm einen ständigen Aufpasser zur Seite gestellt, der auch nachts mit ihm in einem Zimmer schlief und an Flucht war nicht mehr zu denken. Doch man hatte ihn gut versorgt, allerdings jede Auskunft über seinen Bruder verweigert und er hatte sich nur anhand von Gesprächsfetzen zusammenreimen können, was eigentlich los war. Nur der Psychiater... auf den hat er nach wie vor eine Mordswut und angesichts dessen was er mir über den Typen erzählt hat, kann ich das sogar verstehen. Ich halte ohnehin nicht viel von diesen Quaksalbern. Mein Vater hatte mir nachdem ich zu ihm gezogen war vorgeschlagen, einen Psychologen aufzusuchen, da er der Ansicht war, dass mir das helfen könnte mich einzuleben und mit der ganzen Umstellung klar zu kommen. Zwei Sitzungen habe ich durchgestanden und was soll ich sagen, ich fand sie überflüssig. In Amerika ist das mit Psychologen allerdings so eine Sache. Hier in New York scheint jeder einen zu haben und geht zu ihm wie andere Leute ins Fitnesscenter. Der Typ, irgendein Dr. Dr. was auch immer, hatte Mokuba versucht einzureden, dass Kaiba gefährlich wäre. Dass die dominante Art seines Bruders und dessen offensichtliche psychotische Störung, Einfluss auf Mokuba´s Entwicklung habe und alleine schon die Tatsache, dass Kaiba so ein zynischer, ablehnender Mensch sei, belege, dass er keinen guten Umgang darstelle. Dass jemand diesen Unsinn echt glauben konnte, ist mir ein Rätsel. Gut, Kaiba ist größenwahnsinnig und sicher auch nicht ganz richtig im Kopf, aber naja... gemeingefährlich war er eigentlich nie. Zur Gewalt hat er auch nicht geneigt und auch wenn er es immer geleugnet hat, im Grunde hatte er doch einen guten Kern, wenn auch einen sehr, sehr gut versteckten. Schließlich hat er Yugi immer wieder geholfen, wenn auch meistens unfreiwillig oder aus Eigeninteresse, aber wie dem auch sei, er mag ein Arsch sein, aber es gibt eine Menge Arschlöcher. "Was hältst du davon, wenn ich dir ein wenig die Stadt zeige? Zudem soll ich eine Schule für dich suchen." frage ich den Kleinen. Mokuba sieht mich verständnislos an. "Eine Schule? Wozu?" Im gleichen Moment in dem er die Frage ausgesprochen hat, scheint er sie sich auch schon selbst zu beantworten. Er senkt leicht den Blick und seine Haltung nimmt etwas resignierendes an. Ich seufze und stehe auf, um zu ihm zu gehen. Lässig lasse ich mich auf dem Schreibtisch nieder und versuche ihn aufmunternd anzulächeln. "Hey, das ist doch alles nur pro forma bis wir die Sache mit deinem Bruder wieder ins Reine gebracht haben." meine ich und er wirft mir einen zweifelnden Blick zu. "Wenn man denkt, dass du dich damit abfindest hier zu bleiben, ja, man sogar dein Eindruck hat, dass es dir gefällt und du dich einlebst, dann lassen sie uns sicherlich aus den Augen und wir können versuchen deinem Bruder zu helfen." Er scheint einen Augenblick zu überlegen. Die großen dunklen Augen mustern mich aufmerksam und auch ein wenig kritisch. "Dann willst du Seto wirklich helfen?" fragt er und eine Spur Unglaube schwingt in seiner Stimme mit. "Ich meine, du wirst mir helfen seinen Ruf wiederherzustellen?" Ich grinse schief. "Klar, was dachtest du denn?" entgegne ich gespielt lässig. "Hey, allein die Vorstellung, dass ich dem großen Seto Kaiba... " Ich beende den Satz nicht, aber er versteht auch so, denn seine Züge hellen sich wieder auf und er schenkt mir ein grinsen, dass fast schon diabolisch wirken würde, wenn er nicht so ein kleiner Knirps wäre. Wobei... so klein ist er eigentlich gar nicht mehr. Er ist immerhin schon fünfzehn. Wenn ich daran denke, wie ich in seinem Alter war... "Ernsthaft, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um euch zu helfen und naja, wenn dabei ein Danke des großen Kaiba´s herausspringt, dann bin ich mehr als selig, den Tag würde ich mir im Kalender sogar anstreichen. Man müsste ihn zum Feiertag erheben." meine ich weiter halb ernst, halb scherzend, aber ich weiß, dass Mokuba versteht was ich ihm zu sagen versuche. "Los, machen wir die Stadt unsicher!" rufe ich und stosse mich vom Schreibtisch ab, um aufzustehen. Mokuba grinst noch immer. "Also, so ganz verändert hast du dich dann doch nicht, Joey." Kapitel 9: Tödliche Klarheit ---------------------------- "Oder besser gesagt, wer bei Ra könnte hinter all dem stecken?" fragt Bakura weiter und ich verdrehe genervt die Augen. "Ich sagte doch bereits, ich weiß es nicht. Pegasus hat nur etwas von einem Auftraggeber geredet, aber er wollte mir nicht sagen, wer dieser sein soll." entgegne ich mürrisch. Bakura sieht mich erstaunt an. "Pegasus?" Ich nicke und der Weißhaarige scheint zu überlegen. "Er hat also zugegeben, dass er im Auftrag eines anderen handelt?" hakt er weiter nach. "Hat er. Ohne große Umschweife." bestätige ich und der Dieb pfeift. "Interessant." befindet er und ich stöhne auf. "Unglaublich interessant. Nur hilft mir das nicht wirklich weiter." entgegne ich scharf, aber der Weißhaarige tut meinen harschen Ton mit einer galanten Handbewegung ab. "Dann hast du ihm nicht die richtigen Fragen gestellt." meint er grinsend. Ich ziehe eine Braue nach oben und frage in verächtlichem Ton. "Ach? Und wie hätte ich ihn deiner Ansicht nach fragen sollen?" Das Grinsen auf seinem Gesicht wird breiter und im nächsten Augenblick bringt er auch schon einen silbrig glänzenden Gegenstand zum Vorschein. Ein Dolch. Ein antiker Dolch, keineswegs eine billige Nachbildung und ich ahne was er als nächstes sagen wird. Er hat den Kopf schief gelegt und betrachtet beinahe liebevoll den sichtlich scharfen Gegenstand in seiner Hand. "Nun, damit habe ich es bislang immer geschafft, die Informationen, an die ich wollte, aus jemandem herauszukitzeln." Seine Augen leuchten kurz auf und ich komme nicht umhin amüsiert zu lächeln. Ich kann mir durchaus vorstellen wie er den Dolch zum Einsatz gebracht hat. Mehr noch. Ich würde wetten, dass es ihm jedes Mal ein Vergnügen war. Dieser Umstand und auch die Tatsache, dass seine sadistische Ader doch noch weiter ausgeprägt ist, beunruhigt mich keineswegs. Warum sollte es mich auch beunruhigen? Sein nächster Vorschlag kommt auch keineswegs unerwartet. Im Gegenteil. Auch mir ist der Gedanke bereits gekommen. "Vielleicht sollten wir diesem Snob einen kleinen Besuch abstatten?" meint er immernoch grinsend und obgleich ich die gleiche Idee hatte, überlege ich einen Moment. Pegasus ist in der Tat, die einzige Spur, die ich habe. Er weiß definitiv wer hinter dieser Intrige steht und es bedarf scheinbar etwas exquisieterer Mittel, die gewünschten Informationen aus ihm rauszubekommen. Ich betrachte Bakura einen Moment abschätzend und komme zu dem Schluss, dass es wahrhaft eine wirklich geniale Idee war, mich an ihn zu wenden. Wenn ich schon mit jemandem zusammen arbeiten muss, dann doch mit jemanden, der was von diesem Geschäft versteht und das scheint der Dieb durchaus. "Ja, vielleicht sollten wir das tun." stimme ich zu und grinse nun ebenfalls. Allein der Gedanke an Pegasus überraschtes Gesicht. Seine Eloquenz wäre dahin. Mit Sicherheit. Bakura scheint sichtlich zufrieden über meine Zustimmung. "Dann zieh dir mal etwas anderes an." meint er und mustert mich ein letztes Mal von Kopf bis Fuß. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast glauben, dass etwas mehr als nur Anzüglichkeit in seinem Blick liegt. Ich zögere nur einen Moment. Wahrscheinlich hat er Recht und es ist besser diese Angelegenheit gleich zu erledigen. Warum die Dinge auf die lange Bank schieben, das war ohnehin noch nie meine Art. Einen Augenblick überlege ich ob ich Roland Bescheid sagen soll, doch vermutlich schläft er längst. Die letzten Tage haben auch an seinen Nerven gezerrt und ich brauche ihn auch nicht wirklich für diese Art der Unternehmung. Vielleicht ist es sogar besser allein mit Bakura aufzubrechen. Zumal ich der Ansicht bin, dass Roland solch eine Vorgehensweise nicht unbedingt billigen würde. Wortlos gehe ich zum Schrank und ziehe eine schwarze Hose und einen schwarzen Rolli hervor. Dann wende ich mich in Richtung Bad und bemerke aus dem Augenwinkel, dass Bakura mir einen leicht spöttischen Blick zuwirft. Er kann nicht ernsthaft erwartet haben, dass ich mich vor ihm umziehen würde. Ich lehne die Tür an und entledige mich schnell meines Pyjamas. Ich streife mir meine Sachen über und bringe meine Frisur ein wenig in Ordnung. Dann streife ich mir meinen Mantel über. Kurz schweift mein Blick durch den Raum und ich überlege, wie wir am Besten vorgehen sollten und was ich für diese Operation benötigen könnte. Pegasus ist für gewöhnlich von einer Meute Gorillas umgeben. Eine Schutzmaßnahme wäre demnach angebracht. Ich bezweifle nämlich, dass Pegasus unser Erscheinen billigend in Kauf nehmen wird. Ich gehe zum Schreibtisch und öffne die oberste Schublade. Die Waffe habe ich vor fünf Jahren gekauft. Ich weiß nicht mehr warum. Damals erschien es mir eine gute Idee, zumal Mokuba mir permanent in den Ohren lag, dass ich zu leichtsinnig unterwegs wäre und oftmals ganz auf Bodyguards verzichten würde. Von der Pistole weiß er jedoch nichts, er würde es auch keineswegs gut heißen, dass ich eine solche trage und bislang hatte ich sie auch nie wirklich bei mir. "Eine Walther." bemerkt Bakura anerkennend und scheint keineswegs überrascht. "Etwas dagegen?" frage ich ungeduldig. Er schüttelt den Kopf. "Keineswegs. Ich hätte nur nicht mit dieser Art von Waffe bei dir gerechnet." entgegnet er und ich verziehe spöttisch den Mund. "Ach? Womit denn dann? Einem Lichtschwert?" Er lacht trocken auf und zuckt mit den Schultern. "Zum Beispiel. Wäre passender." Ich verdrehe unwillkürlich die Augen und gedenke dieses absurde Gespräch nicht weiter zu führen. "Ich hoffe du kannst damit umgehen." Ich werfe ihm einen sarkastischen Blick zu, erwidere doch nichts auf diese unnötige Frage, doch ich vermute auch, dass er nicht ernsthaft eine Antwort erwartet. Ich weiß, dass er mich genauso gut einzuschätzen weiß wie ich ihn, folglich wird er wissen, dass ich im Umgang mit dieser Pistole mehr als geübt bin und da es ihn auch keineswegs erstaunt, dass ich solch ein Ding besitze, bedarf es keiner weiteren Worte mehr. Ich schreite an ihm vorbei Richtung Tür. Er steht immer noch ungerührt im Raum. "Wir nehmen die Tür." erkläre ich und nun ist er es, der die Augen verdreht. "Komm, Chewbacca." Aus irgendeinem Grund kann ich mir diese Bemerkung nicht verkneifen und stelle sogar befriedigt fest, dass ich ihn damit aus dem Konzept bringe. Zum ersten Mal sieht er mich wirklich erstaunt an, setzt sich allerdings brav in Bewegung. "Du überraschst mich, Kaiba." meint er als er mit mir auf den Flur tritt. "Ich hätte nicht gedacht, dass du über Humor verfügst." Ich quittiere die Aussage mit einem verächtlichen Blick und gehe zielstrebig zur Treppe. "Was ist mit Alister?" fällt mir ein. "Er wartet draußen im Wagen." entgegnet er. Ich nicke. "Dann nehmen wir euren Wagen." entscheide ich und ich sehe ihm deutlich an, dass eine spöttische Bemerkung ihm auf der Zunge liegt. "Damit fallen wir sicher weniger auf." füge ich erklärend hinzu. "Oder dachtest du, ich will mein Luftschiff nehmen?" Der Drache wäre nun wirklich etwas auffällig. "Kein Problem." entgegnet er. "Ich schlage allerdings vor, dass wir die Hintertür benutzen. Muss ja nicht jeder wissen, dass du das Haus verlässt." Ich schenke ihm einen knappen Blick. "Danke, darauf wäre ich nie gekommen." Aber der Spott ist an Bakura im Grunde verschwendet, auch wenn er oftmals durchaus die passende Antwort auf Lager hat. Diese Wortduelle sind... Nun, eigentlich sind sie keine Duelle. Sie sind mehr eine Art Ping-Pong-Spiel. Fast schon ein harmonischer Austausch. Keineswegs von dem Kaliber wie meine legendären Wortgefechte mit dem Köter. Nein, das war etwas ganz anderes und nicht nur, weil ich diesen Kläffer mit Leichtigkeit besiegen konnte. Der Streuner hatte einfach Feuer. Bei Bakura ist es mehr eine kühle Kalkulation und in der Hinsicht sind wir uns zu ähnlich, um ein wirklich befriedigendes Duell zu führen. Er schafft es nicht mich aus der Reserve zu locken und umgekehrt vermag ich es auch nicht. Gut, ich habe es auch nie wirklich versucht. Allerdings liefert der Weißhaarige auch keinesweg solch einen Anreiz. Warum muss ich ausgerechnet jetzt an Katsuya Jonouchi denken? "Alister parkt hinter dem Haus links, direkt bei der Mauer." erklärt mir Bakura und ich nicke. Ich lasse den Weißhaarigem den Vortritt und bemerke, dass er sich, sobald wir die Tür geöffnet haben, erst einem bedächtig umsieht. Dann geht er fast lautlos los und ich tue es ihm gleich. Instinktiv passe ich mich seinen Bewegungen an und überbrücke so die Veranda. Hier dürfte uns eigentlich niemand sehen, doch Vorsicht ist besser als Nachsicht und Bakura scheint ebenso zu denken. Dass ich je über meine eigene Mauer klettern würde, hätte ich nie für notwendig erachtet und zu meiner Zufriedenheit stelle ich fest, dass ich es bei weitem so behände zu tun vermag wie der Dieb. Den Wagen sehe ich sofort. Ein kleiner Laster und ich hoffe insgeheim, dass er nicht mit irgendwelchen seltsamen Verzierungen bedacht wurde. Das würde ich nämlich sowohl Alister als auch Bakura durchaus zutrauen. Leider kann ich im Dunkeln die Farbe nicht gleich ausmachen, stelle beim Näherkommen jedoch erleichtert fest, dass der Wagen einfach nur dunkelblau ist. Alister sitzt auf dem Beifahrersitz und sieht uns durch den Rückspiegel kommen. Einen Moment rechne ich damit, dass er die Tür öffnet, doch stattdessen rutscht er lediglich auf den Fahrersitz und Bakura hält mir die Tür auf. "Wenn ich bitten darf, der Herr." meint er spöttisch und legt sogar eine recht galante Verbeugung hin. Wortlos steige ich ihn den Wagen und mein Blick trifft den von Alister. Überraschung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab und er blickt fragend zwischen Bakura und mir hin und her. Der Weißhaarige kommt sofort zur Sache. "Wir werden Pegasus einen Besuch abstatten." erklärt er dem Rothaarigen knapp und dieser stellt zu meiner Überraschung keine weiteren Fragen sondern klappt lediglich den Laptop auf, den er bei sich hat. Flink wandern seine Finger über die Tastatur und ehe ich fragen kann, was er damit bezwecken will, fährt Bakura auch schon los. "Pegasus befindet sich zur Zeit in der Stadt." erklärt Alister während er weiterhin stur auf den Bildschirm blickt. "Ich versuche herauszufinden in welchem Hotel er eingecheckt hat." Bakura nickt und ich mustere den Rothaarigen. Er scheint mich geflissentlich nicht anzusehen und in Anbetracht unserer letzten Begegnungen kann ich es ihm nicht verübeln. Seine Begeisterung mich zu sehen hält sich sicherlich ebenso in Grenzen wie die meine und insgeheim frage ich mich, wie Bakura ihn wohl dazu gebracht hat, ausgerechnet mir zu helfen. Dann aber erinnere ich mich daran, dass er nachdem dieser Psychopath Dartz von der Bildfläche verschwunden war, bereit war von seinem Irrglaube, mein Adoptivvater hätte etwas mit dem Tod seiner Familie zu tun abgekommen war. Ich hatte sogar gehört, dass er sich bei Muto und dem Rest des Kindergartens für sein Verhalten entschuldigt hatte, doch das hatte mich nicht näher interessiert. Im Grunde hätte er sich bei mir entschuldigen müssen. Immerhin hatte er mich mehrmals zu Duellen genötigt. Insgeheim kommt mir der Gedanke, dass er vielleicht deshalb an dieser Aktion teilnimmt. Als eine Art Wiedergutmachung, wenn man so will. Vielleicht aber hält er es ähnlich wie Bakura, ja, der Gedanke scheint mir wesentlich zutreffender. Immerhin hat er seine Familie verloren und ähnlich wie ich hatte er einen kleinen Bruder. "Innenstadt. Carlsen Hotel. Achter Stock." sagt er schließlich und klappt den Laptop zu. Sein Blick ist nun geradeaus gerichet und ich tue es ihm gleich und blicke stur auf die Fahrbahn. Die Fahrt dauert nicht lange. Kaum fünfzehn Minuten später haben wir unser Ziel erreicht und Bakura parkt in einer nahegelegenen Seitenstraße. "Dir ist klar, dass wir nicht so einfach durch die Lobby spazieren können." meint Bakura und ich seufze. "Spar dir diese überflüssigen Hinweise." entgegene ich eisig und er lacht. "Ich wollte nur sicher gehen." Sein Blick wandert zu Alister. "Zimmernummer?" fragt er knapp. "128." ist die Antwort. Der Weißhaarige nickt. "Ich schlage vor, wir nehmen die Feuerleiter." Ich nicke und ohne ein weiteres Wort steigt er auch schon aus. Ich folge ihm und wie erwartet bleibt Alister im Wagen. Wieder treffen sich für einen Moment unsere Blicke und fast habe ich den Eindruck, dass er mich schüchtern anlächeln. Ich nicke ihm nur zu und wende mich dann wieder zu Bakura um. Der steht bereits auf der anderen Straßenseite und wie erwartet hat der Dieb auch schon einen Plan. Ich folge ihm hinter das Hotel und tatsächlich... es gibt eine Feuerleiter und die Hinterseite ist zudem auch noch spärlich beleuchtet. Bakura wirft mir noch einen kurzen Blick zu, dann schickt er sich auch schon an den Aufstieg zu warten. Anerkennend stellte ich fest, dass er über eine hervorragende Kondition verfügt und seine Bewegungen mehr als professionell sind. Ich lasse mich allerdings auch keineswegs abhängen. Körperlich befinde ich mich auf dem gleichen Level. Es dauert eine Weile bis wir den achten Stock erreicht haben und Bakura zum ersten Mal vorsichtig in ein Fenster späht. "Der Flur." raunt er mir zu und macht sich auch schon an die Arbeit. Er bringt etwas dünnes, metallenes zum Vorschein und fasziniert beobachte ich wie der Dieb sein Werk verrichtet und routiniert das Fenster öffnet. Ohne es zu beschädigen oder auch nur einen verräterischen Laut zu verursachen. Er steigt als erstes ein und ich bin direkt hinter ihm und erneut beschleicht mich der unwirkliche Gedanke, dass ich hier etwas illegales tue. Seto Kaiba steigt in ein Hotel ein, mehr noch. Ich befinde mich in Gesellschaft eines professionellen Diebes und was ich hier vorhabe ist auch alles andere als legal. Aber wie ich Bakura bereits bei unserem ersten Treffen gesagt habe, das Gesetz ist unzulänglich und bei dieser Angelegenheit bedarf es auch außergewöhnlicher Maßnahmen, um mein Ziel zu erreichen. Es ist schließlich eine Extremsituation. Folglich sind extreme Maßnahmen legitim. Zudem scheren mich diese Begrifflichkeiten gerade einen Dreck. Nachdem meine Gegner zu illegalen Mitteln gegriffen haben, ist es nur recht und billig, dass ich mich ebenso solcher Methoden bediene. Mein Blick wandert über den Flur. Kein Mensch zu sehen. Alles ist ruhig. Umso besser. Wir stehen direkt neben Zimmer 121. Pegasus Domizil ist also nur ein paar Türen weiter. Bakura scheint das Gleiche zu denken, denn er macht eine leichte Kopfbewegung in Richtung linker Seite und will sich auch schon auf den Weg machen. Doch ich packe ihn am Arm. "Was?" fragt er leise. "Wir sollten nichts überstürzen." erwidere ich. "Ohne Strategie loszustürmen wäre mehr als dämlich." Meine Worte scheinen ihm einzuleuchten, denn er bleibt stehen und ich lasse ihn los. Seine Augen funkeln mich herausfordernd an. "Na, dann schieß mal los." fordert er mich auf. In kurzen Zügen schildere ich ihm meine Überlegungen. Pegasus wird keinesfalls allein sein. Mindestens ein Gorilla ist bei ihm, wahrscheinlich eher zwei. Diese zu überwältigen dürfte kein Problem darstellen, wenn wir schnell vorgehen. Allerding ist die Frage wie sich Pegasus in dem Augenblick verhält. Schlägt er Alarm, bekommen wir Schwierigkeiten. Bakura nickt. "Wenn wir wüssten wieviele es sind..." überlegt er und in dem Augenblick kommt mir auch schon eine Idee. "Das lässt sich herausfinden." Ich krame mein Handy aus der Manteltasche und tippe auch schon los. Per Handy habe ich es zwar noch nie versucht, aber im Grunde müsste es funktionieren. Bakura beobachtet mich skeptisch bei meinem Tun. "Ich versuche den Raum zu scannen." erkläre ich und seine Miene nimmt fast kindliches Entzücken an. Begeistert mustert er mein Handy. "Wer hätte gedacht, dass dein technisches Spielzeug mal wirklich für was nütze wäre." meint er und ich verdrehe die Augen. "Ignorant." zische ich. "Nur eine Person. Gleich in der Mitte des Raumes." Bakura scheint darüber genauso erstaunt zu sein wie ich. Einen Moment lang sehen wir uns an und überlegen wohl beide, was das zu bedeuten hat. Ich hätte gewettet, dass Pegasus nicht allein sein würde. Natürlich wäre es eine Möglichkeit, dass der Scan nicht wirklich funktioniert hat, aber das schließe ich aus. Dann hätte er gar keine Umrisse angezeigt. Es ist schließlich Bakura, der den nächsten Schritt unternimmt. Er nähert sich der Tür und ich folge ihm ebenso lautlos. Erneut macht er sich mit seinem filigranen Werkzeug zu schaffen und bearbeitet lautlos das Schloss. Kaum eine Minute braucht er, dann öffnet sich die Tür und er schiebt sie vorsichtig einen Spalt auf. Kurz darauf ist er auch schon in dem Raum verschwunden und ich betrete ebenfalls das Zimmer. Bakura steht noch immer dicht bei der Tür und etwas an seiner Haltung irritiert mich. Da zischt er mich allerdings auch schon an. "Schließ die Tür." Etwas an seiner Stimme lässt mich diesen Befehl tatsächlich ausführen. Dann trete ich neben ihn und begreife schlagartig. Auf dem Boden liegen drei Personen. Maximillian Pegasus und zwei seiner Gorillas. Einen Moment starre ich fassungslos auf das Bild. Die Stirn, der beiden Männer in schwarz ziert jeweils ein kleiner roter Kreis. Zarte Rinnsale haben auf dem dunkelroten Teppich eine schwärzlich glänzende Lache gebildet und es besteht kein Zweifel daran, dass die beiden Bodyguards tot sind. Exekutiert mit je einem Schuss aus nächster Nähe würde ich vermuten. Mein Blick wandert zu Pegasus, der ebenfalls ausgestreckt auf dem Boden liegt und einen grotesken Anblick liefert. Sein fast weißes Haar ist wie ein Fächer ausgebreitet worden und bildet einen krassen Kontrast zu dem roten Boden. Er trägt einen eleganten seidenen Kimono und ich schätze, dass er kurz zuvor im Badezimmer war. Seine Haare sind sogar noch feucht, wenn ich es richtig zu deuten vermag. Auf seiner Stirn prangert jedoch kein rotes Loch und in Anbetracht der Tatsache, dass der Scan mir eine Person angezeigt hat... Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, stürze ich auch schon vor und will mich zu ihm beugen, doch Bakura hält mich zurück. "Nichts anfassen." ermahnt er mich und ich halte sofort in meiner Bewegung inne. Wortlos reicht er mir ein paar Einmalhandschuhe und streift sich ebenfalls welche über. Dann knien wir uns beide neben den Erfinder und ich fühle nach seinem Puls. "Er atmet noch." raunt Bakura mir zu und beugt sich weiter über das Gesicht des Millionärs. Tatsächlich, ein schwacher Puls ist noch vorhanden. "Pegasus." sage ich. "Pegasus!" Die Lider zucken kaum merklich und ein seltsames Röcheln entringt sich seiner Kehle. Nun weiß ich auch, was mit ihm passiert ist. Jemand hat ihm einen Stich in den Hals verpasst. Vorsichtig schiebe ich den Kimono etwas zur Seite und meine Vermutung bestätigt sich. Der schwarze Stoff ist blutgetränkt und eine klaffende Wunde ziert den weißen Hals. Instinktiv greife ich nach dem Gürtel seines Kimonos und ziehe ihn an mich. Dann nicke ich Bakura zu. Der Dieb versteht sofort und hebt den Kopf des Erfinders an während ich den Gürtel um seinen Hals wickele, auch wenn ich keine große Hoffnung habe, dass dieser Versuch noch irgendetwas bringen wird. Noch immer flackern Pegasus Lider leicht und erneut kommt ein merkwürdig gurgelnder Laut über seine Lippen. "Wer hat das getan?" will ich wissen, auch wenn ich nicht wirklich mit der Antwort rechne. Doch der Millionär reagiert. Für den Bruchteil einer Sekunde öffnen sich seine Augen und er scheint sogar zu versuchen den Kopf zu heben. Seine Lippen öffnen sich und ein undefinierbarer Ton kommt aus seinem Mund. Ich beuge mich zu ihm runter in der Hoffnung, irgendetwas brauchbares aufzuschnappen, aber das Wort, dass er schließlich flüstert, verstehe ich nicht. Dann spüre ich wie sein Kopf zurück sackt und sich seine Augen endgültig schließen. Maximillian Pegasus stirbt mehr oder weniger in meinen Armen, wenn man so will und ich starre fassungslos auf seinen regungslosen Körper. Ich weiß nicht wie lange ich dasitze und ihn ansehe und es einfach nicht fassen kann, dass das hier wirklich passiert ist, doch dann reißt mich Bakura´s Stimme jäh zurück in die Gegenwart. "Wir müssen verschwinden, Kaiba." raunt er mir zu. Ich nicke. Er hat natürlich Recht. Wir sollten schleunigst verschwinden. Dennoch brauche ich noch einen Augenblick. Mein Blick schweift kurz durch das Zimmer, irgendwie hoffe ich einen winzigen Anhaltspunkt zu finden, doch nichts. Alles wirkt absolut normal, einmal abgesehen von den drei Leichen. Das Bett ist unberührt, lediglich ein Handtuch liegt darauf und auf dem Nachttisch steht ein Glas Rotwein. Keine Spur von sonstigen persönlichen Gegenständen, nicht einmal von Kleidung und ich vermute, es ist zwecklos den Raum näher zu durchsuchen. Bakura ist schon längst wieder auf den Beinen und deutet in Richtung Tür. Ich nicke und werfe einen letzten Blick auf den Mann am Boden. Noch vor ein paar Tagen stand er in meinem Salon. Unwillkürlich kommen mir seine Worte wieder in den Sinn. "Wenn man einen König ermordet, dann erdolcht man ihn nicht in einer finsteren Ecke. Man tut es da, wo der gesamte Hofstaat ihm beim Sterben zusehen kann." Welche Bedeutung seine Aussage nun in Bezug auf sein eigenes Ableben hat? Ermordet in einem Kimono in einem Hotel in Domino. Ich weiß, dass er den Spruch in Bezug auf mich, nur im übertragenen Sinne gemeint hat. Eine hübsche Metapher für die Art meines Abstieges, doch in seinem Fall... Ich schlucke und reiße mich dann endlich los, um Bakura zu folgen. Kurz überlege ich noch ob ich irgendetwas im Raum angefasst habe bevor ich die Handschuhe trug, doch da Bakura bereits den Türknauf abgewischt hat, fällt mir nichts anderes mehr ein. Mir ist unbehaglich zumunte als ich den Raum verlasse und über den Flur Richtung Fenster eile. Niemand ist da, der uns sehen könnte. Wir können problemlos und ohne Aufsehen das Hotel wieder verlassen. Sowohl an der Tür als auch am Fenster befinden sich keinerlei Spuren. Folglich muss der Täter entweder genau wie Bakura darin geübt sein, Türen zu öffnen oder aber Pegasus hat ihn eingelassen. Ich würde auf letzteres Tippen. Flink wie ein Affe klettert Bakura die Feuerleiter hinunter und ich folge ihm dicht auf den Fersen. Wir sprechen kein Wort, nicht einmal als wir im Auto sind und Alister uns fragend ansieht. Bakura startet schweigend den Wagen und fährt zu meinem Erstaunen ungewöhnlich sanft an. Erst nach ein paar Meilen gibt der Dieb etwas von sich. "Fuck." entfährt es ihm und er schlägt mit der Faust auf das Lenkrad. "Auch wenn ich eine solche Ausdrucksweise sonst für unangemessen erachte, dieses Mal stimme ich zu." Er wirft mir einen kurzen Seitenblick zu und schüttelt den Kopf. "Du bist merkwürdig, Seto Kaiba." meint er und ich bin nicht sicher, wie ich das verstehen soll. Da meldet sich auch Alister endlich einmal zu Wort. "Darf man fragen was los ist?" will er wissen. Ich wende ihm kurz das Gesicht zu. "Pegasus wurde ermordet. Inklusive Bodyguards." erkläre ich ihm und der Rothaarige reißt entsetzt die Augen auf. "Wow... das ist... heftig." sagt er und ich verziehe spöttisch den Mund. "So kann man es auch ausdrücken." "Was machen wir jetzt?" fragt Alister weiter. Bakura zuckt mit den Schultern. Ich weiß allerdings was zu tun ist. Ich habe nämlich eine ungute Ahnung. Kapitel 10: Schlechte Nachrichten --------------------------------- Ich liege auf meinem Bett und starre an die Decke. Das tue ich seit über einer halben Stunde, genauer gesagt, seit ich mein Gespräch mit Tea beendet habe. Ich versuche nachzudenken, über das was sie mir erzählt hat und was ich als nächstes tun soll. Vor allem über die Frage, wie ich Mokuba die neusten Entwicklungen beibringen soll. Leider habe ich mir bislang mein Hirn zermattert, ohne auch nur einen Ansatzpunkt zu finden. Die Sache ist allerdings auch mehr als verzwickt. Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl als ich Tea nicht erreichen konnte, obwohl das vielleicht nicht einmal ungewöhnlich war. Doch irgendwie war da gleich so ein Gefühl, dass es etwas mit Kaiba zu tun haben könnte und bedauerlicherweise hat sich meine Vermutung bestätigen müssen. Fuck, dieses Mal hätte ich mich lieber geirrt. Allerdings hatte ich auch keineswegs mit solch einem Hammer gerechnet. Ich meine, dass Pegasus ermordet wurde kam mehr als unerwartet und ist echt ein ganz schöner Schocker. Nach dieser Ansage konnte ich auch verstehen, dass Tea mich mitten in der Nacht angerufen und mich mehr oder weniger aus dem Bett geworfen hat. Ich habe ihr gleich angehört, dass etwas nicht stimmt. Sie klang aufgeregt, fast panisch und das kommt bei Tea nur selten vor. Normalerweise schafft sie es in jeder Lage einen halbwegs kühlen Kopf zu halten. Im Gegensatz zu mir. Zumindest war das früher so bei ihr, doch ich glaube kaum, dass sich daran etwas geändert hat. "Es ist etwas passiert, Joey..." Die obligatorischen Worte, die nie etwas Gutes verheißen. Sofort war ich hellwach und mein Magen zog sich unwillkürlich zusammen. "Pegasus ist tot. Man hat ihn heute Nacht gefunden. Er wurde ermordet. Seine Bodyguards auch... Ryou hat mich angerufen und es mir erzählt, sonst wüsste ich es auch noch nicht. In der Zeitung steht nämlich noch nichts davon." Einen Moment war ich irritiert und verstand nicht ganz was Ryou mit der Sache zu tun hatte. Doch bevor ich nachhaken konnte, erklärte sie mir diesen Sachverhalt auch schon. Ryou hatte sein Geschichtsstudium geschmissen und angefangen stattdessen forensische Anthropologie zu studieren. Aktuell macht er ein Praktikum in der Gerichtsmedizin und hatte zu seiner eigenen Überraschung in den frühen Morgen ein bekanntes Gesicht auf dem Tisch. Und es war auch Ryou, der Tea vom Rest der Sache in Kenntnis gesetzt hatte. "Noch weiß man nicht was passiert sein könnte, aber irgendwie hatte Pegasus was mit dem Verkauf der Kaiba Corporation zu tun und Ryou hat aufgeschnappt, dass man Kaiba mit in den Kreis der Verdächtigen einbezieht. Es heißt er hätte ein mögliches Motiv." Das war also Hammer Nr. 2 gewesen und auch der Grund warum Ryou sich bei Tea gemeldet hatte. Er wusste, von ihrem Interesse an dem Prozess um Mokuba und wohl auch davon, dass ich mich bei ihr gemeldet hatte. Zumindest vermute ich das, denn Tea hat dazu nichts ausdrücklich gesagt. Sie meinte nur, dass Ryou später noch einmal angerufen hätte und eröffnete mir somit Hammer Nr. 3. "Die Polizei wollte zu Kaiba, doch der war nicht da. Er muss das Haus irgendwann in der Nacht verlassen haben und keiner weiß wohin. Roland sagte, er wisse nicht wo er sei und könnte auch keine Vermutungen anstellen und naja, die Polizei hat eins und eins zusammen gezählt... Sie denken, dass er auf der Flucht ist, Joey. Sie glauben, er versucht sich ins Ausland abzusetzen. An die Presse wurde noch nichts gegeben, weil es bislang nur Mutmaßungen sind und kein konkreter Verdacht besteht, aber Ryou meinte, die Polizei behandele die Angelegenheit als oberste Priorität." Fuck, war das Einzige was ich dazu sagen konnte. Das war vielleicht eine Offenbarung gewesen. Eine Flut an schlechten Nachrichten, mit der ich keineswegs gerechnet hatte und der mit einem Schlag auch meine ganzen Pläne zunichte machte. Wenn Kaiba abgetaucht war, dann wurde es schließlich unmöglich für Tea ihn über Mokuba zu informieren und mir würde es noch weniger gelingen Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ryou will mich auf dem Laufenden halten, was die Ermittlungen anbelangt. Er hat zwar nicht direkt damit zu tun, aber er hat immerhin Gelegenheit ein paar Insiderinformationen aufzuschnappen... Oh Joey, diese ganze Sache, da ist doch was faul, oder? Was denkst du? Faul? Diese Sache stinkt zum Himmel und mehr und mehr beschleicht mich der Verdacht, dass Kaiba sich dieses Mal mit dem Falschen angelegt hat. Alleine Mokuba´s Vermutung, sein Bruder hätte Angst gehabt, sprach schon Bände, aber diese Entwicklung? Tea sprach die Frage nicht aus, die eigentlich im Raum stand. Wir beide taten das nicht. Die Frage, ob Kaiba Pegasus getötet haben könnte. Auch darüber denke ich seit über einer halben Stunde nach und es ist die einzige Frage, die ich für mich selbst beantworten konnte. Nein, ich glaube es nicht. Mag sein, dass Kaiba ein Motiv hatte, ok, aber solch eine Aktion traue ich ihm einfach nicht zu. Selbst wenn er vermutet hätte, dass Pegasus hinter der Sache mit Mokuba stecken würde, bezweifle ich, dass er zu solchen Mitteln greifen würde. Kaiba hat nie zur Gewalt geneigt. Im Gegenteil. Er war stets darauf bedacht diese zu vermeiden und auch bei unseren Auseinandersetzungen war er nie handgreiflich geworden, auch wenn ich ihm immer wieder einmal mit einer Abreibung gedroht hatte und er es mehr als einmal Yugi verdankte, dass er sie nicht kassiert hatte. Dass Kaiba kämpfen konnte, weiß ich. Ich hatte ihn einmal in Aktion gesehen und naja, da hatte er es drauf. Um ehrlich zu sein, in diesem Augenblick war ich froh, dass Yugi mich immer zurück gehalten hatte, denn der Firmenchef hätte mich eindeutig platt gemacht. Meine Straßenkampferfahrung in allen Ehren, Kaiba hatte es technisch drauf. Mehr als das. Aber seine ganze Art, seine Haltung, alleine schon seine Ausdrucksweise... all das widerspricht der Theorie, dass er fähig wäre nicht nur einen, sondern gleich drei Menschen umzubringen. Natürlich konnte er auch nur den Auftrag dazu erteilt haben, aber auch darin sehe ich momentan immer noch keinen Sinn. Welchen Nutzen hätte es für ihn, Pegasus zu beseitigen? Seine Firma bekäme er dadurch genauso wenig zurück wie Mokuba. Nein, Kaiba ist kein Killer und auch wenn ich mir früher oft vorgestellt habe, dass er ein paar Gorillas hat, die dunkle Aufträge für ihn erledigen und er auch mich irgendwann mit Beton an den Füßen entsorgen lassen würde, so weiß ich inzwischen, dass diese Gedanken mehr meiner wilden Phantasie entsprungen sind. Kaiba ist Geschäftsmann, kein Yakuzza. Denke ich zumindest inzwischen. Und vor allem passt es einfach nicht in das Bild, dass ich von Seto Kaiba habe. Der Mann hat sich stets lieber mit Worten duelliert als mit Fäusten und schien mir sogar eine pazifistische Haltung einzunehmen. Dafür spricht schließlich auch, dass er die Kaiba Corp. nach dem Tod seinen Adoptivvaters von einer Waffenfirma in eine Spielefirma umgewandelt hat. Dabei lässt sich mit Kriegsgerät wesentlich leichter und schneller Geld verdienen. Selbst wenn Kaiba wütend auf Pegasus gewesen sein mag, diese Nummer traue ich ihm einfach nicht zu. Mokuba würde es genauso sehen. Mokuba... Bei dem Gedanken an den Kleinen zieht sich mein Magen nur noch mehr zusammen. Natürlich würde er seinen Bruder vehement verteidigen, was allerdings nicht heißt, dass dieser automatisch unschuldig sein würde. Mokuba würde ihn immer verteidigen, auch wenn... "Wie geht es Mokuba? Was haben sie mit ihm gemacht? Grüß ihn ganz lieb von mir. Und auch von Yugi. Wir haben uns echt Sorgen, um ihn gemacht. Ach Joey, ich wünschte alles wäre wieder wie früher... Damals erschien alles so leicht. Ich weiß, dass klingt verrückt, immerhin hatten wir es ständig mit irgendwelchen Psychopathen zu tun, aber das war irgendwie etwas anderes, oder? Es ist nie jemand gestorben und auch wenn Mokuba entführt wurde, das war... Es war etwas anderes, verstehst du was ich meine?" Natürlich verstehe ich es. Mehr als gut und ein Teil von mir sehnt sich auch nach den guten, alten Zeiten zurück, auch wenn sie rückblickend nicht wirklich so gut waren. Doch ich wusste auf Anhieb was Tea mit ihren Worten ausdrücken wollte. Damals waren wir noch zusammen gewesen. Der gesamte Kindergarten und... Sie fehlen mir. Tristan, Yugi, Duke, Tea... Selbst Ryou und auch Bakura. Sogar Kaiba. Vielleicht sogar vor allem Kaiba, auch wenn das verrückt klingt und ich diesen Gedanken meist schnell wieder zu verdrängen versuche. Mein neues Leben ist so perfekt, dass mir täglich die Sonne aus dem Arsch scheinen müsste. Ich habe endlich einen Vater, wie ich ihn mir immer gewünscht habe. Ich mache was aus meinem Leben und ich bin sogar erfolgreich. Natürlich habe ich auch Freunde in New York und hin und wieder sogar eine Freundin, wobei meine Beziehungen bisher nie lange gehalten haben. Vom Geld ganz zu schweigen. Im Grunde habe ich genau das was ich mir immer erträumt habe, dennoch... In machen Stunden, wenn ich alleine bin und meine Gedanken auf Wanderschaft gehen, denke ich zurück an meine Zeit in Domino und an die Freunde, die ich dort hatte, die immer noch irgendwie meine Freunde sind, daran wird sich auch nie etwas ändern. Das hat jeder von ihnen mir bei meiner Abreise damals auch versichert, aber nun ja... die Zeit vergeht und hat man sich erst einmal aus den Augen verloren... So entwickeln sich die Dinge eben, das ist normal. In diesen Stunden werde ich wehmütig und manchmal auch traurig und auch wenn es paradox klingen mag, dann kommt auch Kaiba mir in den Sinn. Mein persönlicher Erzfeind. Hey, wer kann mit 16 auch schon von sich behaupten eine Nemesis zu haben? Und auch der Pharao fehlt mir. Es war eine tolle Zeit. Wir hatten Spaß, auch wenn wir oftmals Kopf und Kragen riskieren mussten. Das gehörte dazu. "Was willst du jetzt machen? Ich meine, wie nehmen wir Kontakt mit Kaiba auf? Wir müssen ihn doch informieren, dass es Mokuba gut geht... Ich könnte es bei Roland versuchen. Vielleicht hat er nur der Polizei nicht sagen wollen wo Kaiba steckt. Ich schätze, er ist augenblicklich die einzige Möglichkeit, die wir haben. Aber vielleicht weiß Mokuba auch, wo sein Bruder hin gehen würde..." Mokuba Tea´s Idee ist natürlich nicht schlecht. Der Kleine könnte wissen, was Kaiba in so einem Fall tun würde, wo er sich verstecken könnte. Doch das heißt, dass ich ihm sagen muss was passiert ist und genau diese Sache liegt mir augenblicklich im Magen. Der Kleine hat bis jetzt schon eine Menge weg stecken müssen, doch wieviel kann er noch ertragen? Andererseits... Es führt sicher keine Weg daran vorbei. Früher oder später wird die Polizei die Informationen ohnehin an die Presse geben und dann werde auch wir in den Staaten davon hören. Es bleibt also nicht aus, dass der Kleine davon erfährt. Und die Sicherheitsmaßnahmen um ihn, wird man sicher verstärken. Man wird vermuten, dass Kaiba ihn aufzuspüren gedenkt, was meine Möglichkeiten, mit ihm in Verbindung zu treten, zusätzlich erschweren dürfte. Verdammt. "In was bist du da nur reingeraten, Kaiba?" frage ich mich zum zehnten Mal und spreche die Frage dieses Mal sogar laut aus. Wenn ich die Sachlage richtig beurteile, würde ich denken, dass Kaiba vorsorglich abgetaucht ist. Irgendwie muss er von Pegasus Ermordung erfahren haben und es für klüger gehalten haben, zu verschwinden. Er hat sich immerhin ausrechnen können, dass man in als Verdächtigen in Betracht ziehen würde. Dagegen spricht, dass es ihn verdächtig macht, dass er abgehauen ist. Allerdings wäre es auch möglich, dass sein Verschwinden und der Mord zufällig zusammen fallen. Kaiba wollte weg und nun ist es sein Pech, dass... Es ist müßig zu spekulieren und vor allem führt es zu nichts. Wenn ich nur einen Möglichkeit wüsste, wie ich ihn kontaktieren könnte, aber mir will einfach nichts einfallen. So gesehen ist Mokuba die einzige Chance. Wer wenn nicht er, würde wissen was Kaiba tut? Der Verstand des Kleinen arbeitet schließlich ähnlich. Gott, wer hätte gedacht, dass ich mir mal solche Gedanken, um Seto Kaiba machen würde? Oder dass ich verzweifelt versuchen würde, Kontakt mit ihm aufzunehmen? Hätte man mir das vor ein paar Monaten erzählt, ich hätte gelacht und auch jetzt verstehe ich mich selbst immer noch nicht so ganz. Gut, es war Ehrensache Mokuba zu helfen. Immerhin ist er tatsächlich so was wie mein Freund, im Gegensatz zu seinem Bruder hat er ja schon fast zum Kindergarten gehört. Aber dass es einmal so weit kommen würde... Das hat vermutlich auch der große Seto Kaiba nicht kommen gesehen. Schon seltsam wie die Dinge sich manchmal fügen. Doch auch wenn mir augenblicklich merkwürdig zumute ist und ich ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache habe, irgendwie hat es auch was für sich. Ich habe schon lange keinen solchen Nervenkitzel mehr gespürt und es war auch schön Tea wieder zu hören und Zeit mit Mokuba zu verbringen. Fehlt eigentlich nur noch ein Duell. "Mann, Joey, du hast sie doch nicht alle." sage ich zu mir selbst und schüttele den Kopf. Ich werde morgen mit Mokuba reden müssen. So schwer es mir auch fällt ihn damit zu belasten, er hat ein Recht darauf zu erfahren was los ist und ich kann nur hoffen, dass uns zusammen etwas einfällt, was wir tun können. Langsam aber sicher missfällt es mir nämlich, dass ich nicht aktiv etwas unternehmen kann. Kapitel 11: Suspekte Maßnahmen ------------------------------ Merci für die lieben Kommis an dieser Stelle, ich hoffe ihr fiebert mit. :-) Everybody knows that the dice are loaded Everybody rolls with their fingers crossed Everybody knows that the war is over Everybody knows the good guys lost Everybody knows the fight was fixed The poor stay poor, the rich get rich That's how it goes Everybody knows Everybody knows that the boat is leaking Everybody knows that the captain lied Everybody got this broken feeling Like their father or their dog just died... Die Stimme im Radio ist monoton und ich höre eigentlich nur zu, weil ich mich auf irgendetwas konzentrieren muss. Der Song ist allerdings gar nicht mal so übel wie der sonstige Mist, den die Sender rauf und runter spielen, und irgendwie erscheint er mir gerade sogar ungemein passend. Bakura scheint es ähnlich zu gehen, denn er beugt sich vor und stellt das Radio lauter, dann wirft er mir einen fragenden Blick zu und ich schätze, dass er darauf wartet, dass ich ihm sage, was ich gedenke nun zu tun. Bisher hat keiner von uns ein Wort gesagt, er ist einfach losgefahren und dem Weg nach zu urteilen ist er unterwegs zu meiner Villa. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass es schon früher morgen ist. Wieviel Zeit wir in dem Hotel verbracht haben, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Ich überlege einen kurzen Moment, doch im Grunde steht meine Strategie längst. "Ich muss verschwinden." sage ich im Grunde mehr zu mir selbst als zu den beiden anderen. Bakura wirft mir erneut einen Seitenblick zu. "Du meinst, wir müssen verschwinden." korrigiert er mich und ich schüttele den Kopf. "Ihr habt damit nichts zu tun." entgegne ich. "Warum musst du verschwinden?" mischt sich Alister nun ein. Der Junge scheint die Situation im Gegensatz zu Bakura und mir noch nicht ganz erfasst zu haben, denn der Weißhaarige wirkt als denke er das Gleiche wie ich oder zumindest in eine ähnliche Richtung. Ich seufze. Eigentlich habe ich keinerlei Lust dem Rothaarigen eine Erklärung zu liefern, aber angesichts der Tatsache, dass er mir mehr oder weniger zu helfen versucht hat, will ich mal nicht so sein. Zudem hat Bakura Recht. Augenblicklich habe ich kaum Verbündete aufzuweisen, nicht dass mich das groß stören würde, bislang kam ich immer gut ohne solche klar, aber augenblicklich liegt der Dieb vielleicht gar nicht so falsch mit seiner Einschätzung. "Ich gehe davon aus, dass man spätestens morgen früh, Pegasus Leiche finden wird. In Anbetracht der Tatsache, dass er auf gewisse Weise mit dem Verkauf meiner Firma zu tun hatte, wird man wohl vermuten, dass ich wiederum etwas mit seiner Ermordung zu tun hatte." setze ich an und schildere nüchtern meine Überlegungen. Die Beiden sehen mich an. Bakura sagt nichts, richtet seinen Blick wieder auf die Straße. Älister dagegen sieht mich verständnislos an. "Selbst wenn? Du hast sozusagen ein Alibi. Du warst mit uns zusammen." meint er und ich lächele ihn kühl an. "Sicher, das verschafft mir auch ein wasserdichtes Alibi." entgegne ich spöttisch. "Bakura ist vorbestraft und du bist auch kein unbeschriebenes Blatt. Zudem warst du nicht bei uns als wir im Hotel waren. Man würde also sagen, dass Bakura ein möglicher Mittäter wäre." Der Rothaarige überlegt. "Aber ihr habt ihn doch nicht umgelegt." wirft er ein. "Man wird nicht einmal wissen, dass ihr dort wart. Wie sollte man euch das auch beweisen?" Zugegeben, der Einwurf ist gerechtfertigt, aber ich habe einfach ein ungutes Gefühl bei der Sache. Bakura und ich waren zwar darauf bedacht keine Spuren zu hinterlassen und haben das meiner Ansicht nach auch nicht, aber diese ganze Sache kommt mir mehr als seltsam vor. Selbst wenn ich nicht zum Hotel gefahren wäre, ein Alibi hätte ich nicht gehabt. Roland schläft und selbst wenn er es nicht tun würde, man würde ihm keinen Glauben schenken. "Realistisch betrachtet gehöre ich zu den Verdächtigen. Gleichgültig ob man beweisen kann, dass ich dort war oder nicht. Das heißt, man wird mich vernehmen und solange man keine andere Spur findet, wird das Hauptaugenmerk auf mir liegen. Was wiederum bedeutet, dass ich die Stadt nicht verlassen darf während der laufenden Ermittlungen. Und das kann ich augenblicklich nun wirklich nicht gebrauchen." erkläre ich ernst und Alister scheint sich meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Bakura nickt. "Du bist gut." bemerkt er. "Die Sachlage hast du schnell erfasst. Ich denke auch, dass es so laufen wird. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der oder die Killer den Verdacht absichtlich auf dich lenken werden, wenn sie das nicht bereits getan haben. Immerhin haben wir das Hotelzimmer nicht weiter gesichtet." "Das heißt, ich muss verschwinden." rekapituliere ich. "Aber würde das nicht wie ein Schuldgeständnis aussehen?" meint Alister nachdenklich. Ich nicke. "Ja, man könnte es so auslegen und wird es vermutlich auch. Doch das ändert nichts daran. Wenn ich bleibe, sitze ich auf unbestimmte Zeit erst einmal fest und diese Zeit kann ich mir nicht leisten. Mokuba ist in Amerika und ich darf nicht noch mehr Zeit vergeuden. So oder so, ich stecke in Schwierigkeiten." stimme ich zu und der Rothaarige senkt den Blick. "Fuck." meint er und ich lächele erneut. Wo er Recht hat, hat er allerdings Recht. Inzwischen haben wir die Villa fast erreicht, aber Bakura biegt in eine der Seitenstraßen ab und hält schließlich an. "Am Besten ihr verschwindet schleunigst. Ihr habt mit der Sache bislang nichts zu schaffen." erkläre ich, aber der Weißhaarige schüttelt den Kopf. "Du vergisst, dass diese Typen schon bei mir waren. Ich schätze, sie wissen sehr wohl, dass ich mit von der Partie bin und wenn sie nicht gerade dämlich sind, was ich glaube, dann können sie sich ausrechnen, wozu du meine Hilfe brauchst." Für einen Moment sehen wir uns direkt in die Augen. Sein Blick ist ernst und ich stelle fest, dass mir das Grinsen zu fehlen beginnt. Irgendwie würde es die Situation entspannen, wenn dieses süffisante Lächeln um seine Mundwinkel spielen würde. "Aber die Polizei weiß nichts von euch." widerspreche ich und zu meiner Überraschung grinst er mich eine Sekunde später an. "Die ist dein geringstes Problem." meint er keck und ich verdrehe die Augen, muss aber zugeben, dass ich mich dank seiner lässigen Art doch wieder etwas entspanne. "Ich sehe die Sache so... du musst untertauchen, da führt kein Weg dran vorbei, aber alleine wirst du nicht weit kommen oder hat der Herr schon einen Plan?" Er sieht mich herausfordernd an und ich erwidere den Blick trotzig. "Oh, mach dir bloß keine Sorgen, ich komme gut alleine klar." entgegne ich und er seufzt wobei er tadelnd den Kopf schüttelt. "Kaiba, das ist hier keine One-man-Show, wenn ich dich erinnern darf." Ich zucke mit den Schultern und verschränke im nächsten Augenblick auch schon die Arme vor der Brust. "Also, was gedenkst du zu tun? Wohin willst du dich absetzen? Wenn du Pech hast, wird morgen in ganz Japan nach dir gefahndet und mit deinem Drachen wirst du nicht weit kommen. Zudem..." Er mustert mich betont auffällig. "... bist du alles andere als unauffällig unterwegs, mein Lieber." "Denkst du wirklich ich würde so eindimensional denken?" zische ich ihn an. "Ich weiß sehr gut, wie man untertaucht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich verschwinde." Bakura´s Augen funkeln und das eben noch tadelnde Lächeln wird zu einem amüsierten Grinsen. "Cool down, ich sage ja nur, dass es besser ist, wenn du nicht alleine los ziehst. Deinen Sekretär wirst du doch wohl nicht mitnehmen wollen, oder?" Nein, das hatte ich keinesweg vor. Natürlich werde ich Roland von meinen Plänen in Kenntnis setzen müssen, daran führt kein Weg vorbei, aber er muss hier bleiben - als Rückendeckung und um sich für mich um die Finanzen zu kümmern. Ein Glück, dass ich bereits im Vorfeld einige Konten auf seinen Namen angelegt habe. Meine wird man wohl in den nächsten 24 Stunden einfrieren und ohne liquide Mittel werde ich nicht weit kommen. "Bist du etwa scharf darauf mich zu begleiten?" frage ich spöttisch und er zuckt mit den Schultern. "Vielleicht." entgegnet er zu meiner Überraschung gelassen. "Um ehrlich zu sein, ich hatte schon lange Zeit keinen solchen Spaß mehr... also warum jetzt aussteigen, wenn es doch gerade interessant wird? Und auch wenn du´s nicht zugeben willst, Kaiba, meine Hilfe kannst du gebrauchen. Ich bin schließlich ein Meister im Verschwinden. Immerhin habe ich es zu meiner Zeit geschafft, ganz Ägypten in Atem zu halten." Einen Augenblick starre ich ihn abschätzend an. Mir ist klar, dass er diese Rede ernst meint. Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Trotzdem erstaunen mich seine Worte. "Deine Vorstellung von Spaß ist absurd." entgegne ich und muss unwillkürlich lachen. Dennoch... er hat Recht, auch wenn es mir schwer fällt das zuzugeben. Auf dem Gebiet ist er mir sicherlich voraus, auch wenn ich diese abstruse Geschichte, er wäre einst der König der Diebe gewesen, nicht glaube. Wahrscheinlich war er ein kleiner Taschendieb in Kairo, aber wie dem auch sei. Seine Fähigkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Noch während ich darüber nachdenke, ob ich das wirklich in Anspruch nehmen soll, was er mir mehr oder weniger aufdrängt, fährt er auch schon sichtlich vergnügt fort. "Nebenbei bemerkt, wüsste ich auch wo wir für den Anfang abtauchen könnten." meint er und ich sehe ihn zweifelnd an. "Lass dich überraschen, mein lieber Kaiba. Und by the way, wir sollten etwas Dampf machen. Reden können wir später noch genug. Ich schätze, du willst noch ein paar Sachen aus deiner Villa holen und deinen Spezi unterrichten." "Ich weiß, ich werde es bereuen..." murmele ich als ich nach ihm aus dem Wagen steige und meine dann an den Weißhaarigen gewandt: "Aber ich warne dich, Bakura, erspar mir überflüssige Fragen, sinnlose Wiederholungen und unqualifizierte Kommentare." Als er als Antwort nur grinsend salutiert, verspüre ich den Wunsch, gewalttätig zu werden. Alister wartet im Wagen während wir uns zurück in meine Villa schleichen wie wir sie vorhin verlassen haben. Im Salon mache ich gedämpftes Licht und weise Bakura an, dort auf mich zu warten. Dann eile ich nach oben, ziehe einen Koffer aus dem Schrank und werfe nach einem kurzen Blick in den Schrank ein paar Kleidungsstücke hinein und was ich sonst für einen Ausflug auf unbestimmte Zeit brauchen werde. Mit dem Koffer kehre ich zurück in den Salon und krame unter Bakura´s wachsamem Blick einige Papiere aus meinem Schreibtisch. Meinen Pass halte ich kurz zögernd in der Hand. Wenn man tatsächlich nach mir fahnden sollte, werde ich ihn nicht brauchen können. Dennoch nehme ich ihn mit und stecke auch das Bild von Mokuba ein. Als nächstes öffne ich meinen Wandtresor und rechne fast mit einem Kommentar des Weißhaarigen, doch er sieht mir schweigend dabei zu wie ich einen Aluminiumkoffer zum Vorschein bringe und dann einen großen Turm gebündelter Scheine, welche ich ebenfalls in dem Koffer verstaue. Mein Laptop und zwei externe Festplatten folgen. Dann kommt der schwierige Teil. Ich muss Roland unterrichten. Wieder weise ich Bakura an zu warten und gehe eiligen Schrittes zum Zimmer meines Assistenten. Es fällt mir schwer ihn aus seinem Schlaf zu reißen, denn er gibt ein friedliches Bild ab, doch ich habe keine andere Wahl. Eine Nachricht zu hinterlassen wäre zwar auch eine Option, aber ich ziehe es vor, ihm die Sachlage selbst zu schildern. Ich muss ihn zum Glück nicht lange rütteln, denn er öffnet bereits die Augen nachdem ich zweimal seinen Namen gesagt habe. "Ist etwas passiert, Sir?" fragt er mich verschlafen und richtet sich unverzüglich auf. Ich schüttele rasch den Kopf. "Nein, Roland." sage ich und versuche ihn anzulächeln. "Nun ja... wie man es nimmt. Ich werde auf unbestimmte Zeit wegfahren." Ich weiß nicht ob es an meinen Worten liegt oder ob es seiner Natur entspricht, jedenfalls ist er ein paar Sekunden später hellwach und steht im Morgenmantel vor mir. "Ich ziehe mich an." erklärt er und will sich auch schon ans Werk machen, doch ich halte ihn zurück. "Sie werden mich nicht begleiten, Roland." erkläre ich nachdrücklich und er sieht mich irritiert an, fragt aber nicht nach sondern überlässt es mir zu reden. In schnellen Zügen erkläre ich ihm die Situation, wobei ich allerdings den eigentlichen Grund für meinen nächtlichen Abstecher bei Pegasus außen vor lasse. Wie erwartet begreift mein Assistent schnell. Er mustert mich besorgt während ich ihm alle notwendigen Instruktionen erteile. "Wie kann ich sie erreichen, Sir?" will er wissen und ich überlege schnell. Guter Punkt. Ich werde ihn schließlich nicht einfach anrufen können. Wenn die Polizei ihre Arbeit gründlich macht, wird man die Leitung überwachen lassen, was meine Gegner ohnehin schon tun. Doch da kommt mir auch schon eine Idee. "Besorgen sie sich eine neue Handykarte. Prepaid. Ich gebe ihnen gleich eine Nummer unter der sie mich erreichen können, ich werde sie dann zurückrufen." erkläre ich und Roland nickt. Dann lasse ich ihn erst einmal stehen und kehre zurück in den Salon. Bakura wandert lässig durch´s Zimmer und begutachtet meine Gemälde. "Was interessantes für dich dabei?" frage ich und er grinst. "Eher etwas lohnenswertes." entgegnet er und ich schenke ihm ein spöttisches Lächeln. "Ich nehme an du verfügst über ein Mobiltelefon." Er nickt und bringt es als Beweis auch gleich zum Vorschein. "Deine Nummer?" will ich wissen. Er sieht mich fragend an und ich bedenke ihn mit einem kühlen Blick, der hoffentlich sagt, dass ich nicht geneigt bin weitere Erklärungen abzugeben. Scheinbar versteht er, was ich sagen will, denn im nächsten Augenblick diktiert er mir auch schon eine Nummer, die ich notiere. Roland ist inzwischen zu uns getreten und beobachtet die Situation irritiert und argwöhnlich zugleich. Ich reiche ihm den Zettel. Er betrachtet ihn kurz, dann sieht er mich an und ich kann deutlich die Sorge in seinen Augen sehen. "Sind sie sicher, dass dies der richtige Weg ist, Sir?" fragt er zweifelnd und mir entgeht nicht der kurze Seitenblick auf Bakura. Ich weiß, dass Roland jede meiner Entscheidungen akzeptiert, auch wenn er sie nicht immer billigt und ich verstehe auch den Zweifel, den er augenblicklich hegt. Ein Teil von mir hat selbst Zweifel an dem was ich tue. Doch ich habe die Situation genaustens analysiert und meine Schlussfolgerung ist korrekt. Die Polizei wird mich ins Visier nehmen und auch wenn sich die Mörder von Pegasus nicht die Mühe gemacht haben, den Verdacht auf mich zu lenken, wird man mich im Auge behalten. Folglich wäre ich gezwungen in Domino zu bleiben. "Ich muss Mokuba finden, Roland. Ich kann ihn nicht noch länger Fremden überlassen." versuche ich meinem Assistenten meine Entscheidung zu erklären, auch wenn es keinesfalls notwendig ist mich zu rechtfertigen. Er nickt nachdenklich und ich weiß, dass er mich versteht. Er macht sich schließlich ebenfalls Sorgen um meinen Bruder. "Was soll ich der Polizei sagen, wenn sie herkommt?" will er weiter wissen. Auch daran habe ich bereits gedacht. "Sagen sie einfach, ich wäre für ein paar Tage außer Landes. Geschäftlich. Am Besten deuten sie an, dass ich mich in Europa befinde. Ihnen wird schon etwas konkreteres einfallen." entgegne ich und wie immer denkt Roland mit. "Ich könnte eine Buchung in einem Hotel vornehmen lassen... und wenn ich zusätzlich veranlasse, dass ihr Flieger noch heute Nacht nach... Paris aufbricht, dann würden wir damit eine falsche Fährte legen." meint er und ich muss unwillkürlich grinsen. Soviel kriminelle Energie hätte ich ihm nicht zugetraut. Bakura scheint ebenfalls beeindruckt. "Dein Assistenst ist gerissener als er aussieht." bemerkt er, was ihm einen kühlen Blick von Roland einbringt. Ich nicke. "Hervorragende Idee, Roland. Veranlassen sie alles notwendige." diktiere ich. "Das wird mir im Notfall Zeit verschaffen." Zeit, die ich dringend brauche. "Wir sollten langsam aufbrechen." erinnert mich Bakura und ich nicke. Roland sieht mich einen Augenblick unschlüssig an und erst als ich die Tür schon erreicht habe, meldet er sich noch einmal zu Wort. "Seien sie vorsichtig, Master Seto." meint er und ich nicke kaum merklich. Ich überlege noch einmal ob ich alles notwendige bei mir habe, dann verlasse ich mit Bakura die Villa und erneut schleiche ich wie ein Dieb durch meinen eigenen Garten, steige über meine Mauer und haste fast schon zu dem kleinen Laster, in dem Alister noch immer auf uns wartet. Bakura hilft mir meine zwei Koffer zu verstauen und einen Moment später fahren wir auch schon los. "Nun, wo gedenkst du abzutauchen, wie du es vorhin ausgedrückt hast?" will ich wissen. Bakura grinst. "Bei einem alten Freund." entgegnet er gelassen und ich ziehe unwillkürlich die Brauen zusammen. Irgendwie behagt mir diese Aussage nicht so recht. "Wenn du an Muto denkst, dann..." setze ich an, doch er fällt mir ins Wort. "Keine Sorge, den Kleinen hatte ich nicht im Sinn. Würde ohnehin nicht viel bringen." unterbricht er mich. "Lass dich einfach überraschen." Ich verziehe spöttisch den Mund. "Lass dich einfach überraschen hat in etwa die gleiche Wirkung auf mich wie vertrau mir." erkläre ich entschieden und er lacht. "Ob du´s glaubst oder nicht, diese Worte lagen mir zuerst auf der Zunge, Kaiba." meint er und ich stöhne auf. "Und was bringt dich auf die Idee, dass dieser alte Freund uns helfen wird?" frage ich weiter. Er zuckt mit den Schultern. "Bauchgefühl." antwortet er und ich verdrehe die Augen. Wieder lacht er. "Entspann dich. Das war ein Witz." feixt er. "Er wird uns helfen. Ich weiß es einfach, ok?" Ich erwidere nichts. Es hat ohnehin keinen Sinn. Er wird mir weder verraten wohin die Reise geht, noch warum er sich seiner Sache so sicher ist. So gut kenne ich Bakura. Er genießt es mich im ungewissen zu lassen und überhaupt hat er sichtliches Vergnügen an dieser ganzen Aktion. Im Gegensatz zu mir. Ich hoffe nur, dass er sich nicht irrt und einmal etwas glatt geht. Noch mehr Rückschläge kann ich nicht gebrauchen. Mein Blick wandert zu Alister. Er hat sich bislang nicht mehr zu Wort gemeldet und wie es scheint, wird er Bakura und mich begleiten. Nun, seine Entscheidung. Ich habe beiden die Option gelassen auszusteigen. "Wenn du über etwas nachdenken willst, Kaiba, dann überleg dir schon mal, wie wir außer Landes kommen. Ich schätze doch, dein nächstes Ziel sind die Staaten." meint Bakura. "Keine Sorge, soweit bin ich schon." entgegne ich vage und der Dieb grinst mich an. "Sag was du willst, aber wir sind doch ein gutes Team." höre ich ihn im nächsten Moment sagen und zu allem Überfluss zwinkert er mir auch noch zu. Ich stöhne erneut auf. Der Kerl hat echt Nerven. Ich gebe keinen Kommentar zu dieser Äußerung ab. Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, was ich dazu sagen sollte. So ganz von der Hand zu weisen ist seine Feststellung zu meinem Leidtragen nämlich nicht. In Gedanken rekapituliere ich die jüngsten Entwicklungen. Innerhalb von etwas mehr als einem Monat habe ich nicht nur meine Firma verkaufen müssen, meinen Bruder durch eine Intrige verloren und bin ich knapp einer Anklage wegen Kindesmisshandlung entgangen, nein, ich habe es auch geschafft, zum potentiellen Hauptverdächtigen in einer Mordermittlung zu werden (sofern meine Schlussfolgerungen in dieser Hinsicht korrekt sind, woran eigentlich kein Zweifel besteht), ich bin zudem in ein Hotel eingebrochen und nun auch noch mit zwei Kriminellen auf der Flucht, von denen einer davon ein sadistischer Psychopath ist. Wahrhaftig alles andere als rosige Zeiten... And everybody knows that you're in trouble Everybody knows what you've been through From the bloody cross on top of Calvary To the beach of Malibu Everybody knows it's coming apart Take one last look at this Sacred Heart Before it blows And everybody knows Everybody knows, everybody knows That's how it goes Everybody knows Oh everybody knows, everybody knows That's how it goes Everybody knows Everybody knows Kapitel 12: Überzeugungsarbeit ------------------------------ "Hast du mit Tea geredet?" fragt Mokuba erwartungsvoll. Ich wusste, dass die Frage kommen würde. Ich wusste auch, dass sie schnell kommen würde. Es wundert mich sogar ein wenig, dass er es noch geschafft hat mir "Guten Morgen" zu wünschen ehe er sie gestellt hat. Mein Vater wirft mir einen kurzen Blick über den Zeitungsrand zu und nickt leicht. Ich deute das als Aufforderung, Mokuba zu sagen, was ich inzwischen erfahren habe. Bevor der Kleine da war, hatte ich noch kurz die Gelegenheit, meinen Vater über die jüngsten Entwicklungen aufzuklären und er riet mir, die Karten auf den Tisch zu legen. Mokuba könne das schon verkraften. Er sei zäh. Ich musste lächeln als Jack die Worte sagte. Mokuba ist eindeutig zäh. Er ist schließlich auch ein Kaiba. Dennoch zögere ich noch kurz, was den aufmerksamen Augen des Kleinen nicht entgeht. Ich sehe wie sein Blick ernst wird und seufze. "Ja, ich habe mit Tea geredet." beginne ich zaghaft und wahrscheinlich ist meinem Tonfall zu entnehmen, dass das Gespräch nicht ganz so verlaufen ist wie erwartet. Mokuba sagt nichts, sieht mich weiterhin nur mit ernsten großen Augen an und wartet. Ich hatte lange genug Zeit mir zu überlegen wie ich es ihm am Besten beibringen soll, aber auch wenn ich mir ein paar Worte zurecht gelegt hatte, mit einem Mal sind sie weg und ich habe auch das Gefühl, dass eine einstudierte Rede alles andere als gut ankommen würde. Zudem ist Joey Wheeler ein Genie, wenn es um freie Improvisation geht. Ich kratze mir am Kopf und tue das was ich am Besten kann. Ich agiere nach Gefühl und genauso erkläre ich dem Kleinen die Sachlage auch. "Es gibt ein paar Neuigkeiten, Mokuba, die alles andere als rosig sind. Ehrlich gesagt, dein Bruder steckt in großen Schwierigkeiten, aber keine Angst, wir werden auch das irgendwie hinbekommen." Nicht gerade ein toller Anfang und wahrscheinlich auch nicht so optimistisch wie ich es mir gewünscht habe, aber naja, wie soll ich es ihm sonst sagen? Die Lage ist schließlich ernst. Mokuba´s Augen weiten sich und ich schätze, dass sein Puls langsam zu steigen beginnt. Meiner tut es jedenfalls. "Pegasus wurde ermordet." fahre ich fort und der Kleine schreit fast: "Was?" Ich nicke. "Man hat ihn in einem Hotelzimmer gefunden. Jemand hat ihn umgebracht, soviel ist sicher. Ihn und zwei seiner Bodyguards." Ich sehe wie der Kleine schluckt und es in seinem Kopf zu rattern beginnt. "Und was ist mit Seto?" fragt er und seine Stimme ist ungewohnt schrill. "Dein Bruder ist abgetaucht. Niemand weiß wo er ist." erwidere ich aufrichtig. "Roland weiß es auch nicht oder hat das zumindest der Polizei gesagt. Ich schätze, dein Bruder ist untergetaucht, weil..." "Seto ist kein Mörder." schreit Mokuba mich an und ist mit einem Sprung auch schon auf den Beinen. Sein Hocker fällt mit lautem Getöse zu Boden. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und seine Augen funkeln mich wild an. Ich nicke und beeile mich ihm zu versichern, dass ich das auch keineswegs denken würde. "Ich weiß, Mokuba. Ich glaube auch nicht, dass er was damit zu tun hat. Aber die Polizei denkt es und ich vermute, dein Bruder hat das geahnt und ist deshalb verschwunden." sage ich schnell und auch wenn seine Haltung nach wie vor offensiv bleibt, habe ich den Eindruck, dass er sich ein klein wenig entspannt. "Es wird nach ihm gefahndet." erzähle ich weiter und Mokuba starrt mich noch immer an. "Ich denke, er ist deshalb auf und davon, weil seine oberste Priorität ist, dich zu finden." Mokuba schluckt und nun mischt sich mein Vater ein. Er legt ihm die Hand auf den Arm und ich sehe wie der Kleine kaum merklich zusammen zuckt. Dann wendet er Jack allerdings das Gesicht zu und sieht ihn fragend an. "Dein Bruder scheint ein kluger Kopf zu sein nach allem was Joey mir über ihn erzählt hat. Er wird wissen was er tut und du wirst wissen, dass du dir keine Sorgen, um ihn zu machen brauchst, oder?" meint mein Vater sanft und obgleich mich seine Worte erstaunen, scheinen sie tatsächlich Wirkung zu zeigen. Mokuba denkt nach und nickt schließlich leicht. Einen Moment steht er noch da, dann hebt er seinen Stuhl wieder auf und nimmt Platz. Eine Weile ist sein Blick starr auf den Teller vor sich gerichtet und es herrscht Schweigen. Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Es erscheint mir unpassend ihm zu sagen, dass er doch was essen soll. Ich bekomme ja selbst heute morgen keinen Bissen runter. "Das erschwert es natürlich, Kontakt mit ihm aufzunehmen." sage ich obgleich ich weiß, dass Mokuba sich das denken kann. Er nickt und ich ahne, wie er sich augenblicklich fühlt. Seine Hoffnungen, Kaiba bald zu sehen oder wenigstens von ihm zu hören, wurden mit einem Schlag zunichte gemacht und das ist doch schließlich das, was er sich augenblicklich am meisten wünscht. Ich kann ihm ansehen, dass er sich bemüht sich zusammen zu reißen. Wahrscheinlich kämpft er mit den Tränen, aber ein Kaiba weint nicht einfach los. Das wäre ein Zeichen von Schwäche und er will es seinem großen Bruder gleich tun und stark sein. Wieder weiß ich nicht was ich tun soll. Wenn Tea hier wäre, würde sie ihn vermutlich in den Arm nehmen und von ihr würde er es sich vielleicht sogar gefallen lassen. Aber ich bezweifle, dass es gut ankäme, wenn ich das mache. Gerade als ich ihn fragen will ob er vielleicht eine Idee hat, wo Kaiba sich verstecken würde, hebt er den Blick. "Darf ich bitte in mein Zimmer gehen?" fragt er mit tonloser Stimme. In seinen Augen glitzert es verräterisch. Ich schlucke unwillkürlich. "Natürlich, Mokuba." antwortet mein Vater und er nickt ihm dankbar zu. Dann setzt er sich auch schon in Bewegung und ich werfe Jack einen hilflosen Blick zu. "Gib ihm einen Moment, Joey. Er muss das jetzt erst einmal verarbeiten." meint mein Vater und ich nicke. Ich verstehe Mokuba ja auch. Ich würde mich wahrscheinlich genauso verhalten. Ach was, im Gegensatz zu ihm wäre ich vermutlich ein Wrack. Ich bezweifle, dass ich das alles so verkraften würde, wie er es tut. Wahrscheinlich wäre ich einfach weggelaufen. "Er ist in einer fremden Stadt, mit mehr oder weniger fremden Menschen und er hat nichts hier, dass ihm gehört." höre ich meinen Vater weiter sagen und seufze. Natürlich hat er Recht. Auch wenn Mokuba mich von früher kennt, wir haben uns drei Jahre lang nicht gesehen und selbst damals war es ja nicht so, dass wir besonders engen Kontakt gehabt hätten. Trotzdem würde ich gerne irgendetwas tun, ihm irgendwie helfen und ihm nicht nur ein Dach über dem Kopf bieten. Nur weiß ich leider nicht, was ich tun kann. Der Stadtbummel mit mir hat ihn zwar kurzfristig abgelenkt, aber als ich auf die Schule zu sprechen kam und das musste ich wohl oder übel, verfinstere sich seine Miene auch schon wieder. "Ich habe nicht die geringste Ahnung was ich jetzt machen soll." gebe ich offen zu und mein Vater nickt. Er faltet seine Zeitung zusammen und ich sehe ihn hilflos an. "Das Einzige was du augenblicklich tun kannst, ist für ihn da zu sein, Joey. Alles andere liegt nicht in deiner Hand." Ich nicke. "Weißt du, ich hatte schon überlegt, ob ich nicht nach Japan fliegen soll..." Jack schüttelt den Kopf. "Wozu? Du kannst dort ohnehin nichts ausrichten und wir wissen nicht einmal ob Kaiba überhaupt noch dort ist. Nein, Joey, du musst dich um den Kleinen kümmern. Du bist sein Freund, dir vertraut er." sagt mein Vater ernst und ich weiß, dass er Recht hat. Nur fühle ich mich so verdammt hilflos und ich habe einfach keine Ahnung was ich tun soll. Wie zum Teufel soll ich für ihn da sein? Ich bin nicht Kaiba. Ich überlege einen Moment, dann stehe auch ich auf. "Ich werde nach ihm sehen. Er sollte auch was essen." Jack nickt zustimmend und ich mache mich auf den Weg zu Mokuba´s Zimmer. Dem Gästezimmer. Die Tür ist geschlossen, doch schon als ich mich nähere, höre ich leises Schluchzen und verspüre einen Stich. Zaghaft klopfe ich an die Tür und warte bis ein gedämpftes "Herein." ertönt. Ich warte noch einen Moment, dann öffne ich die Tür und trete ein. Mokuba sitzt auf dem Bett. Ich vermute, dass er sich gerade aufgerichtet hat und es ist offensichtlich, dass er geweint hat. Er hat den Blick gesenkt und vermeidet es mich anzusehen und für einen Augenblick erkenne ich den gleichen sturen Trotz und die bittere Entschlossenheit in seinen Zügen, die ich nur zu gut kenne. Eine fast perfekte Kopie von Seto Kaiba. Ich trete schweigend näher und lasse mich dann neben ihm auf dem Bett nieder. Ich weiß noch immer nicht was ich sagen soll, vermutlich gibt es nichts zu sagen. Nichts was ich anführen könnte, würde die Lage für ihn besser machen. Darüber bin ich mir im Klaren. Und unwillkürlich muss ich an damals denken... als meine Mutter mir sagte, dass sie meinen Vater verlassen würde und sie und Serenity aus Domino fortgehen würden. Damals bin ich auf mein Zimmer gerannt, habe die Tür hinter mir zugeknallt und mich auf´s Bett geschmissen. Ich habe so lange geweint bis mir die Augen weh taten und auch ein wenig getobt. Irgendwann war dann Serenity zu mir gekommen und hatte sich zu mir gesetzt. Sie hatte einfach meine Hand genommen und wir hatten schweigend dagesessen und schließlich hatten wir einander versprochen, dass wir immer Bruder und Schwester bleiben würden, egal wie weit wir getrennt wären. Ich schlucke leicht und spüre, dass auch mir Tränen in die Augen treten, aber ich schließe die Augen fest, um sie zu unterdrücken. Nein, ich darf jetzt nicht auch noch weinen. Ich muss stark sein. Für Mokuba. Trotzdem habe ich bei dem Gedanken an diese Erinnerung einen Kloß im Hals und eine Weile sitzen wir einfach schweigend da. Ich suche nach Worten, überlege mir was ich sagen könnte, um die Atmosphäre aufzulockern und schließlich rede ich einfach frei drauf los. Wie in alten Zeiten. "Du bist echt ein Kaiba." meine ich und grinse ihn an. Er wirft mir einen verwunderten Blick zu. "Echt jetzt, du machst deinem Bruder alle Ehre. Er kann stolz auf dich sein. Ich glaube, jeder andere in deiner Situation wäre durchgedreht. Ich würde es tun." In seinen Augen glitzert es noch immer, aber er presst fest die Lippen aufeinander und sieht mich an. "Dein Bruder mag in Schwierigkeiten stecken, aber hey, er ist Seto Kaiba." Ich grinse erneut und diese Mal zucken auch seine Mundwinkel. "Außerdem hat er immer behauptet, dass er aus jeder Lage allein rauskommen würde und weißt du was, ich habe ihm das auch immer geglaubt." Ich seufze und er beobachtet mich genau wie ich spüre. "Hast du irgendeine Idee wo er hin sein könnte? Gibt es irgendeinen Ort wo er sich verstecken würde?" frage ich und hoffe, dass ich es so schaffe ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken. Er überlegt einen Moment. Dann schüttelt er den Kopf. "Seto hat nie mit mir über so was gesprochen..." gibt er zu und senkt erneut den Blick. "Dein Bruder ist auch verschlossener als eine Auster." bemerke ich und könnte mir im nächsten Moment auf die Zunge beißen für diese Bemerkung, aber Mokuba nickt nur. "Er wollte nie, dass ich in solche Angelegenheiten reingezogen werde. Immer hat er versucht alles von mir fernzuhalten." sagt er mit wehmütiger Stimme. "Er hat immer gesagt, dass er mich nicht belasten will, dass ich meine Kindheit genießen soll..." Er seufzt und seine Schultern beginnen verdächtig zu zucken. Wieder kämpft er mit den Tränen und ich versuche es zu ignorieren so gut ich kann. "Ich schätze, er wollte einfach nicht, dass deine Kindheit so verläuft sie seine. Ich meine, es ist ja bekannt, dass er..." Ich beende den Satz nicht. Mokuba versteht auch so. "Ich weiß. Er hat es gut gemeint. Ich verstehe das auch." höre ich ihn sagen und ein kleiner Schluchzer folgt. "Weißt du, er hat mir im Waisenhaus versprochen, dass er dafür sorgen wird, dass es mir immer gut geht, dass ich alles bekomme, was ich mir wünsche und... er hat sein Wort gehalten. Immer. Egal was er dafür tun musste." Er schnieft und ich nicke als würde ich wirklich verstehen. "Das Einzige, was ich mir immer gewünscht habe, war bei ihm zu sein." meint er leise und erneut verspüre ich einen Stich. Ich kenne diesen Wunsch zu gut. "Ihr werdet wieder zusammen sein, Mokuba." versichere ich ihm. "Kaiba will genau das Gleiche und du kennst deinen Bruder, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann bringt ihn niemand davon ab. Er würde sich mit dem ganzen Planeten anlegen, wenn es sein müsste. Er würde sich mit Gott persönlich anlegen und ihn aus dem Weg räumen, wenn der sich seinem Vorhaben in den Weg stellen würde..." Ich gestikuliere schon wieder wild. Eine Eigenschaft, von der ich eigentlich geglaubt hatte, dass ich sie mir abgewöhnt hatte und irgendwie komme ich auch nicht umhin zu grinsen und Mokuba... Mokuba hat den Kopf schief gelegt und mustert mich abschätzend. Ein kleines Lächeln zuckt um seine Mundwinkel und ich sehe ihn fragend an. "Was?" frage ich etwas irritiert über die Art wie er mich ansieht und er zuckt mit den Schultern. "Keine Ahnung..." gibt er zu und scheint mit einem Mal etwas verlegen. "Ich hätte nur nie gedachte, dass... naja, dass du mal so über Seto reden würdest." Irgendwie habe ich das dunkle Gefühl, dass ich rot werde. "Ähm...." Und zudem bin ich mit einem Mal sprachlos. Diese Aussage ist irgendwie... Ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll. Im Grunde hat er Recht. Ich rede hier von meinem Erzfeind als wäre er Superman oder zumindest Batman, naja, irgendein Superheld. "Ich dachte immer, dass du Seto nicht ausstehen kannst..." höre ich Mokuba sagen. Ich zucke leicht mit den Schultern. "Dein Bruder macht es einem auch nicht gerade leicht ihn zu mögen." gebe ich zu bedenken und zu meiner Überraschung nickt der Kleine. "Ich weiß. Seto macht es niemandem leicht." bemerkt er. "Außer dir." korrigiere ich. Er nickt. "Ja... aber das ist etwas anderes. Ich bin sein Bruder." meint er und ich bin nicht sicher ob ich ihn richtig verstehe. Unerwartet hebt er den Blick und sieht mir direkt in die Augen. "Und auch mir macht er es nicht immer leicht... nicht ihn zu mögen, aber ihn... zu verstehen." gesteht er mir im nächsten Augenblick. "Aber das liegt einfach daran, dass er..." Er bricht ab und scheint zu überlegen. "Unser Adoptivvater ist schuld daran, dass er so ist. Dass er denkt, er dürfe niemanden an sich heran lassen und könne keinem vertrauen außer mir." Ich nicke unwillkürlich. Schon einmal hat Mokuba mir von seiner Kindheit erzählt. Mir und den anderen und ein Teil von mir hatte Kaiba danach tatsächlich etwas besser verstanden. Es war Yugi, der immer schon meinte, dass Kaiba im Grunde ein gutes Herz habe, es aber verstecken würde, um es zu schützen. Ich hatte das damals nicht wirklich verstanden und auch jetzt verstehe ich seine Worte nicht ganz, aber vermutlich hängt es mit dem zusammen, was Mokuba mir gerade zu sagen versucht, auch wenn ich nicht sicher bin, warum er gerade jetzt davon anfängt. "Er denkt, ich wüsste nicht alles was damals wirklich passiert ist, aber ich weiß es. Ich habe nicht alles mitbekommen, aber genug. Einmal wollte ich mit ihm darüber reden, aber er hat direkt geblockt und... ich hab es dann gelassen, weil ich diese Erinnerungen nicht wieder aufwecken wollte." Mokuba redet unbeirrt weiter und ich versuche ihm zu folgen. Er scheint in Gedanken ganz wo anders zu sein und irgendwie habe ich fast den Eindruck, dass er sich etwas von der Seele reden will. "Manchmal..." fängt er nach einer kurzen Pause an. "Manchmal denke ich, dass ich an allem schuld bin." Entsetzt starre ich ihn an. "Wie kommst du denn darauf?" frage ich ein klein wenig zu scharf. Er zuckt mit den Schultern und ich sehe, dass Tränen über seine Wangen laufen. Seine Hände hat er zu Fäusten geballt und der zierliche Körper fängt an zu beben. "Weil er all das meinetwegen auf sich genommen hat, Joey. Verstehst du?" Er schreit die Worte hinaus und ich zucke unwillkürlich zusammen. "Er hat mir versprochen auf mich aufzupassen, für mich zu sorgen und das hat er gemacht. Einzig deshalb sind wir zu Gozaburo Kaiba und nur deshalb hat er die Firma übernommen." fährt Mokuba auch schon fort. "Meinetwegen. Wäre ich nicht gewesen... Und jetzt ist er auch wegen mir in Schwierigkeiten." Ich brauche einen Moment um seinem Gedankengang folgen zu können, dann weiß ich was für ein Film in seinem Kopf abläuft und schüttele energisch den Kopf. "Das ist Unsinn." widerspreche ich ungewohnt harsch. "Es ist nicht deine Schuld. Es war auch nie deine Schuld." Er schluckt und seine Schultern beben nur noch mehr. "Sieh mich an." befehle ich und bin selbst überrascht über meinen Tonfall. Doch Mokuba gehorcht und sieht mich mit tränenverhangenen Augen an. "Mokuba." sage ich sanft. "Das ist nicht deine Schuld. Und auch nicht die Schuld deines Bruders. Keiner von euch konnte wissen, was für ein Bastard dieser Gozaburo ist. Und keiner konnte ahnen was eure Gegner unternehmen würden. Wenn dein Bruder das geahnt hätte... Denkst du er hätte es so weit kommen lassen? Mokuba, er hätte die Firma mit Freuden aufgegeben, wenn euch das all das hier erspart hätte. Kaiba würde alles für dich tun." Mokuba blinzelt, sagt aber nichts. "Und wenn er wüsste, dass du so was denkst..." Ich schüttele energisch den Kopf und blonde Strähnen fallen mir ins Gesicht. "Das darfst du nicht denken. Hörst du? Es ist nicht deine Schuld. Streich diesen Blödsinn aus deinem Kopf. Diese Bastarde sind schuld, dass die Dinge so sind wie sie sind. Dafür kannst du nichts. Sie haben diese Lage heraufbeschworen. Und ihr müsst jetzt mehr denn je zusammenhalten. Du darfst weder an dir noch an deinem Bruder zweifeln." Er streift sich mit dem Ärmel über die Augen. "Glaubst du das wirklich?" Ich springe auf und lege meine Hand auf mein Herz. "Aber hallo! Ich schwöre es dir, so wahr ich Joseph Jay Wheeler heiße." verkünde ich mit dem Brustton der Überzeugung und er betrachtet mich skeptisch. "Gilt so ein Schwur auch, wenn du eigentlich schon einen anderen Namen hast?" fragt er und ich verdrehe die Augen in bester Kaiba-Manier. "Mokuba, du bist eindeutig ein Kaiba." erwidere ich tadelnd und bemühe mich eine ernste Miene aufzusetzen. Der Kleine lacht und ich stimme ein. Dann stämme ich die Hände in die Hüften und sehe ihn ernst an. "Und jetzt solltest du etwas frühstücken. Dein Bruder wird mir nämlich den Arsch aufreißen, wenn du vom Fleisch fällst und darauf kann ich gut verzichten." Kapitel 13: Skuriles Wiedersehen -------------------------------- "Kaiba?" Ich schrecke etwas zusammen, dann reiße ich die Augen auf und sehe im ersten Augenblick nur Bakura, der sich über mich beugt. Ich brauche einen Moment, um zu realisieren wo ich bin. Ich sitze noch immer in dem kleinen Laster, wir haben angehalten und es dämmert langsam. Sofort richte ich mich auf und Bakura zieht sich zurück. "Gut geschlafen?" fragt er gutgelaunt und ich quittiere seine Frage mit einem scharfen Blick. Der Weißhaarige lächelt nur. "Wir sind fast da." verkündet er. "Wo?" zische ich ihn an und ärgere mich, dass ich tatsächlich eingeschlafen bin. Dergleichen ist mir noch nie passiert. Bakura ist sichtlich gut gelaunt und zeigt auch keinerlei Spur von Müdigkeit, aber er hat vermutlich auch in den letzten Nächten gut geschlafen. Im Gegensatz zu mir. "Augenblicklich befinden wir uns an einer Raststätte. Der letzten Raststätte vor Tokio, was übrigens unser Ziel ist." erklärt er mir gnädig und ich stöhne auf. "Kaffee?" fragt er auch schon im nächsten Moment. Ich nicke nur und der Weißhaarige verschwindet. Ich sehe mich nach Alister um, doch der ist ausgestiegen und steht neben dem Wagen. Ich strecke mich kurz, dann steige ich auch aus und schon nach wenigen Minuten kommt Bakura zurück und reicht mir einen dampfenden Pappbecher. "Schwarz, oder?" Er zwinkert und ich sage nichts, doch den Becher nehme ich dankbar entgegen. Ich frage nicht wie lange ich geschlafen habe, das kann ich alleine einschätzen, jetzt wo ich weiß wo wir uns befinden. Ich habe demnach etwas über eine Stunde geschlafen und wenn er mich nicht geweckt hätte, würde ich es immer noch tun. Der Kaffee schmeckt grauenvoll, aber er ist stark und heiß und tut seine Wirkung. Bakura hat seinen Becher auf der Motorhaube abgestellt und zündet sich lässig eine Zigarette an. Er bemerkt meinen aufmerksamen Blick und hält mir eine zerknüllte Packung hin. Ich greife ohne zu Zögern zu und weiß selbst nicht warum. Er gibt mir Feuer und ich inhaliere tief. Einen Moment stehen wir schweigend da und ich spüre wie meine Lebenskräfte zurück kehren, Nikotin und Koffein sei Dank. Jetzt erst bemerke ich, dass er etwas abseits der anderen Wagen geparkt hat. Es ist doch mehr los um diese Zeit als ich vermutet hätte, aber keinem der Leute, die über den Parkplatz zu der Raststätte huschen, fallen wir weiter auf. Man beachtet uns nicht. Wir gehen in der Menge unter, sind nur weiterer Fahrer, die sich eine Pause gönnen. Ich nippe gerade an meinem Kaffee und versuche den schrecklichen Geschmack zu ignorieren als ich Bakura´s Stimme höre. "Wenn du schläfst, sind deine Züge fast weich." bemerkt er und ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. Muss er mich jetzt damit auch noch aufziehen? "Man könnte meinen, dass du zu einem vollkommen anderen Menschen wirst, Kaiba." fährt er trotz meines sträflichen Blickes fort. "Was du nicht sagst." zische ich. "Soll ich mich geschmeichelt fühlen, weil du dir solche Gedanken über mich machst?" Ich versuche spöttisch zu lächeln, aber irgendwie will es mir nicht ganz gelingen. Bakura sieht mich derweil nur an und irgendwas an seinem Blick behagt mir nicht so ganz und es fällt mir schwer den Blickkontakt aufrecht zu erhalten, aber ein Seto Kaiba sieht nicht weg. Das wäre ein Eingeständnis von Schwäche und so etwas zeige nicht nicht. Ich mag verschlafen aussehen und auch noch nicht auf der Höhe sein, aber ich bin immer noch Seto Kaiba. "Willst du mir jetzt endlich sagen, zu wem wir fahren?" frage ich und rechne nicht wirklich mit einer Antwort. "Du kannst es wirklich nicht verkraften, einmal nicht die Kontrolle zu haben, was?" kontert er und ich verdrehe die Augen. Er zieht ungerührt an seiner Zigarette und wechselt dann das Thema. "Alister hat ein paar Infos über diesen Jack Wheeler gefunden. Nicht wirklich viel, aber immerhin. Scheint als wäre der Kerl sehr auf Privatsphäre bedacht." Bakura zuckt mit den Schultern und ich nicke nur. "Du solltest deinen Mantel übrigens langsam mal ablegen." meint er dann und ehe ich diese Äußerung zu kommentieren vermag, fährt er auch schon grinsend fort. "Wir sind gleich in Tokio und mit dem Ding fällst du so auf, dass wir sicher gleich eine Truppe Fangirlies auf den Fersen haben." Erneut verdrehe ich genervt die Augen und ziehe an meiner Zigarette. "Was hat er jetzt über diesen Wheeler rausgefunden?" will ich wissen und wie auf´s Stichwort erscheint Alister. Er hat seinen Laptop bei sich und stellt ihn nun auf der Motorhaube ab. "Der Kerl ist 45, Eigentümer von Wheeler Instustries und sein Hauptwohnsitz ist in New York, Upper East Side. Sein Privatvermögen wird auf eine halbe Milliarde geschätzt, wahrscheinlich ist es doppelt so vie." Alister grinst und Bakura ebenfalls. "Er hat einen Sohn, Joesph J. Wheeler, 19 Jahre. Keine Frau." Ich sehe Alister an. "Das war´s?" Er nickt. "Ansonsten nichts wirklich interessantes. Er scheint sich für ein paar soziale Projekte zu engagieren, sammelt chinesische Kunst und hat Verbindungen zu mehreren Senatoren." Alister zuckt mit den Schultern. "Vermutlich spielt er auch noch Golf und hat eine dralle Blondine als Betthäschen." meint Bakura anzüglich. Ich verziehe leicht den Mund und gehe im Kopf das Gehörte noch einmal durch. Klingt nach einem normalen Geschäftsmann, nichts auffälliges. Warum zum Teufel hat der Kerl Interesse an Mokuba, wenn er einen Sohn hat? Am Geld kann es nicht liegen. Also welchen Grund hat der Mann, immerhin hat er die Vormundschaft für meinen Bruder gezielt angestrebt. "Dann werde ich New York wohl einen Besuch abstatten müssen." bemerke ich mehr zu mir selbst und Bakura nickt. "Soweit klar, aber wie gedenkst du dort hin zu kommen? Falls man nach dir fahndet wird es schwierige werden einen Flug zu buchen und ich schätze, an deine eigenen Flugzeuge kommst du nicht ran." gibt er zu bedenken und ich schenke ihm ein kühles Lächeln. "Ich habe Mittel und Wege, mach dir darum mal keine Gedanken." entgegne ich und er sieht mich abschätzend an. "An ein paar falsche Pässe ranzukommen ist keine große Schwierigkeit." erkläre ich und er nickt. "Dann geht´s also in die Stadt, die niemals schläft. Gut, ich war noch nie dort." befindet er. "Was ist mit dir, Alister?" Doch der Rothaarige widmet sich schon wieder seinem Laptop und Bakura wendet sich wieder mir zu. "Und wie sieht deine weitere Strategie aus, Kaiba? Mokuba entführen?" will er wissen. Ich inhaliere tief und zucke mit den Schultern. "Das wäre eine Option." entgegne ich vage und denke nicht daran, ihm meine Pläne hier und jetzt zu offenbaren. Bakura lässt es damit auch dabei gewenden und trinkt seinen Kaffee aus. Ich ziehe derweil mein Handy aus der Tasche und versuche eine Verbindung zu meinem Hauptrechner aufzubauen, doch der Empfang ist alles andere als gut. Ich fluche kurz auf und Bakura sieht mich interessiert an. "Ärger mit der Technik?" Er grinst wieder. "Was tust du da eigentlich?" fragt er weiter. "An deiner Stelle würde ich mit dem Handy vorsichtig sein, die Dinger lassen sich übrigens orten." Ich ziehe missbilligend eine Braue hoch. "Denkst du ernsthaft, das wüsste ich nicht? Mach dir darum keine Gedanken. Mich wird niemand orten." entgegne ich kalt. "Solange ich nicht telefoniere, kann überhaupt nichts passieren. Im Übrigen versuche ich nur, mich in meinen Rechner einzuloggen." füge ich hinzu. Bakura runzelt die Stirn. "Und der ist...?" Ich stöhne auf. "In meiner Villa." Herrje, warum antworte ich überhaupt auf solche dämlichen Fragen. "Und ich schätze einmal, dass die Polizei nicht an ihn herankommt, falls sie dein Haus durchsuchen lassen wird." "Korrekt. Alleine bis sie den Raum gefunden haben, vergeht über eine Woche, wenn sie ihn überhaupt finden und bis sie das Sicherheitssystem ausgehebelt haben, ich würde auf mehr als einen Monat tippen, wenn sie gut sind. Und dann sind sie immer noch nicht in der Lage etwas mit dem Rechner anzufangen." erkläre ich nicht ohne Stolz. Immerhin habe ich die Anlage selbst konzipiert und gebaut. Niemand wird an den Rechner heran kommen. Nicht einmal Roland. Und ihn zu hacken ist unmöglich. Bakura nickt versonnen. "Scheint als wäre deine Paranoia mal für etwas gut." meint er dann lässig und fängt schon wieder an zu grinsen. "Ohnehin dürfte es die Polizei schwer mit dir haben." Ich weiß nicht warum, aber irgendwas an seinem Tonfall bringt mich dazu ihn fragend anzusehen. "Naja... wenn man versucht ein Profil von dir zu erstellen, dürfte das recht kurz ausfallen. Keine Freunde, keine Bekannte, keinerlei soziale Kontakte. Was die Suche eindeutig erschweren dürfte. So gesehen bist du eigentlich der perfekte Verbrecher." Ich mustere den Weißhaarigen irritiert. Hat er mir gerade ein Kompliment gemacht? "Wir sollten langsam mal los. Ich will Tokio erreichen bevor es hell ist. Sonst stehen unsere Chancen schlecht, unsere Freund aus den Federn zu bekommen." sagt er schließlich und ich nicke. Kaum fünf Minuten später sind wir wieder auf der Autobahn und mein Mantel liegt bei meinen Koffern. Bakura´s Ratschlag irgendwas mit meinen Haaren zu machen, habe ich ohne Erwiderung abgelehnt, was er nur mit einem Achselzucken quittierte. Seine Freude an dieser ganzen Aktion ist offenkundig. So offenkundig, dass ich nicht so recht weiß was ich davon halten soll und ich frage mich auch, wohin er eigentlich will. Welchen alten Freund meint er? Ich wüsste keinen, der in Tokio lebt. Doch er scheint seiner Sache mehr als sicher. Wir fahren noch etwa eine dreiviertel Stunde, dann sehe ich die ersten Lichter der Hauptstadt. Bakura ordnet sich zielsicher in das konfuse Verkehrssystem ein und erneut dauert es fast eine Stunde bis wir unser Ziel erreicht haben. Er fährt in eine hell erleuchtete Straße, parkt schließlich den Wagen in einem Seitenweg und grinst mich an. "Voilá, wir wären da, die Herrschaften." verkündet er und ich sehe mich um. Außer ein paar Restaurants, mehreren Nachtclubs und Spielhallen sehe ich nicht viel und was er eigentlich meint, bleibt mir auch verschlossen. Er steigt aus und ich tue es ihm gleich und folge ihm zusammen mit Alister auf ein grell erleuchtetes Gebäude zu. Ein Nachtclub wie ich feststelle und der Weißhaarige betritt ihn so selbstsicher, dass der Verdacht naheliegt, dass er schon öfter da war. Ich folge ihm in die dunkle Bar und brauche einen Moment bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben und ich mich in dem Raum umsehen kann. Eindeutig ein Nachtclub. Und er ist gut besucht. Selbst um diese Zeit. In matt rötlichem Licht sehe ich mehr als zehn Männer am Tresen sitzen und noch mehr scharen sich um eine Tanzfläche auf der sich eine zierliche Blondine lasziv an einer Stange bewegt. Bakura geht zur Bar und begrüßt den Barkeeper per Handschlag. Dann flüstert er ihm etwas zu und der Mann nickt in eine unbestimmte Richtung. Auch Bakura nickt, dann winkt er Alister und mir zu und bedeutet uns ihm zu folgen. Ich dränge mich an den Tischen vorbei und bemühe mich keine der Personen anzusehen oder zu berühren. Bakura steuert in eine Ecke des Raumes und ich mache eine runde rote Couch aus auf der mehrere Personen sitzen. Genau genommen räckeln sie sich vielmehr und mir wird das Ganze immer suspekter. Aber was habe ich erwartet? Dieses Etablissement passt eindeutig zu dem Dieb. Ich schätze, dass er sich hier des öfteren vergnügt. "Scheint als hättest du wieder einmal alle Hände voll zu tun." höre ich Bakura zu einer der Personen sagen. Der Angesprochene lacht dunkel auf und ich versuche ihn zu erkennen, doch Bakura versperrt mir die Sicht. "Eifersüchtig?" kommt es von dem Angesprochenen zurück und die Stimme kommt mir seltsam bekannt vor. "Sollte ich?" kontert der Weißhaarige auch schon und sein Tonfall ist süffisant. Das wechselt bei den nächsten Worten schlagartig. "Dieses Mal bin ich nicht zum Spaß hier." erklärt Bakura und deutet mit einem Kopfnicken auf mich. Mir ist seltsam zumute. Ich fühle mich unwohl an diesem Ort und ich verfluche mich dafür, dass ich mich überhaupt darauf eingelassen habe. Ich sollte im Flieger sitzen und nach New York unterwegs sein anstatt in diesem Nachtclub dem anzüglichen Gespräch dieses Diebes zu lauschen. Ein jähes Pfeifen reißt mich aus meinen Gedanken und im nächsten Augenblick höre ich meinen Namen. "Wow..." gibt der Fremde von sich und ist sichtlich erstaunt, das lässt sich nicht überhören. "Dass ich das noch erleben darf... Seto Kaiba in meiner bescheidenen Hütte." Im nächsten Augenblick hat der Mann sich auch schon erhoben und ich presse meine Lippen fest aufeinander, um einen erstaunen Ausruf zu unterdrücken. Vor mir steht Duke Devlin und grinst mich an. "Du und Kaiba... also auf die Story bin ich jetzt echt gespannt." meint der Würfelfreak, der sich keineswegs verändert hat und wendet sich im nächsten Moment auch an die anderen Personen auf der Couch. "Lasst uns allein." sagt er und die Leute hören zu meinem Erstaunen tatsächlich auf ihn. Zwei Frauen und ein zierlicher junger Mann, den ich im ersten Moment ebenfalls für eine Frau handele erheben sich und gehen an Alister und mir vorbei. Bakura lässt sich dann auch schon auf dem Sofa nieder und Devlin macht eine galante Handbewegung in meine Richtung. "Nehmen sie Platz, der Herr." meint er grinsend und am liebsten würde ich mich umdrehen und aus diesem Loch verschwinden, aber ich bin müde und erstaunt und deshalb komme ich seiner Aufforderung auch wohl nach und setze mich auf das rote Sofa. Alister nimmt neben Bakura Platz und auch Devlin setzt sich wieder. "Wollt ihr was trinken?" fragt er und ich schüttele schnell und energisch den Kopf. Bakura grinst. "Er braucht nen Drink." meint er an Devlin gewandt und fügt dann hinzu: "Das Übliche." Der Würfelfreak ruft einen Namen in den Raum und gibt besagter Person dann ein Zeichen, dass mir unverständlich ist. Lässig lässt er sich zurück auf die Couch fallen und mustert mich sichtlich amüsiert. "Na, dann schießt mal los, Leute. Ich brenne darauf zu erfahen was zu dieser Kombi geführt hat und vor allem was mir die Ehre verschafft, dass ihr mich besucht." "Besuch würde ich es nicht nennen." entfährt es mir eisig und Devlin grinst mich an. "Immer noch der alte Grieskram, was Kaiba?" Ich entgegne nichts, funkele Bakura nur an, der mir ein zuckersüßes Lächeln schenkt. "Ich hab dir doch gesagt, wir besuchen einen alten Freund." meint der Weißhaarige und ich verdrehe die Augen, verkneife mir jedoch die Frage, wie ausgerechnet Duke Devlin uns helfen sollte. Eine hübsche Rothaarige bringt kurz darauf Drinks und stellt vor jedem ein Glas ab. Ich mustere das bunte Zeug skeptisch während Devlin und Bakura ihre Gläser auch schon ergreifen. "Na, dann trinken wir mal auf dieses unverhoffte Zusammentreffen." schlägt der Würfelfreak vor und schickt sich tatsächlich an mit mir anzustoßen. Gequält erhebe ich das Glas, ich kann tatsächlich einen Drink gebrauchen, führe es aber keinen Millimeter an seins heran. Er stößt dennoch mit mir an und ebenso mit den beiden anderen und ich nehme einen großen Schluck von dem undefinierbaren Gesöff. Wider Erwarten schmeckt es besser als es aussieht und ich schätze, dass eine Menge Alkohol darin ist. "Also?" fordert Devlin uns zum reden auf. "Ich bezweifle, dass dies der richtige Ort ist, um die Angelegenheit zu besprechen." entgegne ich kalt, aber Bakura macht eine wegwerfende Geste. Dann legt er auch schon mit seiner Erzählung los. In kurzen, ungewohnt präzisen und nüchternen Zügen erläutert er Devlin unsere oder besser gesagt, meine Situation. Eine Vorrede kann er sich sparen, denn die Fakten sind dem Schwarzhaarigen vertraut. "Das mit Mokuba tut mir echt leid. Ich hab´s aus der Presse erfahren und konnte es erst nicht glauben. Ich hätte nie gedacht..." fängt er an mich gewandt an, doch ich falle ihm sofort ins Wort. "Erspar mir dein Mitgefühl. Deshalb bin ich nicht hier." Er zuckt leicht mit den Schultern. "Wirklich noch ganz der Alte..." meint er dann kopfschüttelnd und fragt an Bakura gewandt. "Wie kann ich euch nun helfen? Braucht ihr Geld?" Ich ziehe scharf die Luft ein und stelle mein Glas laut auf dem Tisch ab. "Ich brauche kein Geld." erkläre ich entschieden und kassiere einen halb amüsierten, halb entschuldigenden Blick aus grünen Augen. "Ok, ok... war ja nur... Vergiss es, Kaiba. Also, was kann ich für euch tun?" "Wir sind eigentlich nur auf der Durchreise. Unser nächstes Ziel ist New York, aber dafür müssen wir..." Bakura wirft mir einen kurzen Blick zu. "Noch einiges organisieren und solange ist Untertauchen angesagt." erklärt er dem Schwarzhaarigen und dieser nickt verständnisvoll. "Verstehe." erwidert Devlin. "Kein Problem. Ihr könnt bleiben solange ihr wollt." Als würde ich hier auch nur eine Stunde bleiben wollen. Doch ich geha auch davon aus, dass er damit seine Wohnung oder ähnliches gemeint hat. "Hab ich´s nicht gesagt." Bakura zwinkert mir zu und ich wende den Kopf zur Seite. "Wir werden nicht lange bleiben. Vielleicht einen Tag, höchstens zwei. Keine Ahnung wie lange unser Genie braucht, um unsere Abreise in die Wege zu leiten." sagt Bakura und ich greife zu meinem Drink. Es gibt Situationen aus denen es nur zwei mögliche Auswege gibt. Alkohol ist der eine, der Tod der andere. Augenblicklich ziehe ich ersteren vor. "Kein Thema, wie gesagt. Wenn ihr wollt, können wir auch gleich zu mir. Schätze, ihr wollt erst mal schlafen, was? Hier läuft heute ohnehin nicht mehr viel." meint Devlin und jetzt erst realisiere ich, dass dies wohl sein Club ist. Fragend sehe ich ihn an und er versteht mich wortlos. "Ja, das ist mein Laden. Einer meiner Läden um genau zu sein. Ich hab noch zwei weitere und ein kleines Casino, wenn man so will. Beeindruckt, Kaiba?" Er zwinkert mir tatsächlich zu. "Dass du Glücksspiel und Prostitution betreibst, Devlin? Die beiden leichtesten Wege an Geld zu kommen zu wählen ist ungemein beeindruckend." kommentiere ich seine Bemerkung, doch er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Erneut wendet er sich Bakura zu und mir stellt sich insgeheim die Frage, wie es kommt, dass die Beiden so vertraut mit einander umgehen. Ihr Wortwechsel eingangs deutet darauf hin, dass sie wirklich sehr vertraut sind. Aber das geht mich nichts an und es interessiert mich auch nicht. Was das Thema Schlaf anbelangt, muss ich zugeben, dass ich tatsächlich noch immer müde bin und es durchaus begrüßen würde, wenn ich irgendwo ein paar Stunden schlafen könnte, auch wenn es mir nicht wirklich behagt, dass in Devlin´s Absteige zu tun. Die Unterhaltung von Bakura und Devlin höre ich nicht weiter mit an. Alister widmet sich interessiert der Show auf der Bühne und ich versuche beides zu ignorieren: Die Show und die Personen neben mir. Schneller als gewollt leere ich mein Glas und befürchte fast, dass Devlin eine neue Runde orderen wird, doch stattdessen schlägt er vor aufzubrechen. Wieder folge ich schweigend Bakura und nun auch dem Schwarzhaarigen, der noch kurze Instruktionen an einen höchst zwielichtig aussehenden Kerl weitergibt. Dann verlassen wir endlich den stickigen Laden und Devlin führt uns um das Gebäude herum zu einer Treppe. Er wohnt also über seinem Club. Wie praktisch. Spöttisch verziehe ich den Mund, sage jedoch nichts. "Willkommen in meinem Reich." verkündet Devlin und breitet die Arme aus. Ich stelle erst einmal meinen Koffer ab, dann lasse ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Für ein Loft gar nicht mal so übel, muss ich zugeben. Devlin hat sogar zum ersten Mal so etwas wie Geschmack bewiesen, denn die Einrichtung ist keineswegs schäbig und verrät sogar einen Anflug von Stil. Vermutlich hatte er Hilfe dabei. Einen Flur gibt es nicht, man steht direkt in einem riesigen Raum, der Küche, Wohn- und Esszimmer kombiniert und ich habe den Eindruck, dass der Schwarzhaarige eine Abneigung gegen Wände hat. Alles ist offen und großzügig angehaucht. Lässig wirft der Würfelfreak seine Schlüssel in eine Schale neben der Tür. "Ich habe nur ein Gästezimmer." meint er schließlich. "Die Couch lässt sich allerdings ausziehen und ist recht bequem. Einigt euch wer wo pennen will. Das Bad ist da vorne links." Er deutet in eine Richtung und ich stehe unschlüssig da. Unser Gastgeber tritt zu dem Tresen, der ihm wohl auch als Küchentisch dient und sieht uns fragend an. "Hat jemand Hunger? Ich hätte Pizza, Lasagne und ein paar Fertigsuppen im Angebot." Ich schüttele den Kopf, aber Bakura und Alister entscheiden sich für Pizza. Einen Moment später macht sich Devlin auch schon ans Werk und die beiden anderen nehmen auf den Hockern am Tresen Platz. Ich überlege einen Moment was ich tun soll, dann setze ich mich auch und beobachte wie Devlin zwei Tiefkühlpizzen in den Backofen schiebt und jedem von uns Gläster hinstellt und verschiedene Getränke offeriert. Spontan entscheide ich mich für Gin Tonic, auch wenn mir ein Kaffee lieber wäre, doch da ich gedenke noch ein wenig zu Schlafen, ist das keine gute Idee. "Das muss echt die Hölle für dich sein, Kaiba." bemerkt Devlin und dieses Mal verkneife ich es mir ihn zurecht zu weisen. Ich nippe an meinem Drink und erwidere nichts. "Und für Mokuba erst. Ihr sagt, er ist in Amerika? Fuck, das ist echt mal hart. Ich hätte nie gedacht, dass man so was einfach tun kann..." Devlin schüttelt den Kopf und leert sein Glas in einem Zuge. Von einfach kann keine Rede sein, aber ich verkneife mir diese Bemerkung. Ich weiß auch, wie er es meint, auch wenn der Kerl noch immer nicht gelernt hat, sich präzise zu artikulieren. "Dann seid ihr jetzt sozusagen als die drei Musketiere im Einsatz?" Der Schwarzhaarige grinst. "Na, ich hoffe echt, dass Mokuba bald wieder bei dir ist, Kaiba." Ich nicke nur und nippe weiter an meinem Drink, der mir wider Erwarten mehr als gut tut. Langsam entspanne ich mich und ich denke, ich werde auch schlafen können. "Ich nehme das Gästezimmer." verkünde ich schließlich und meine Stimme duldet keinen Widerspruch. Ich vermute, die Drei haben auch nichts anderes erwartet. Kapitel 14: Nachdenklich ------------------------ Ich seufze. Wie erwartet hat sich das eingestellt, was Tea bereits vermutet hat. Es wird tatsächlich nach Kaiba gefahndet. Jetzt ist es offiziell. Eine Großfahndung läuft und augenblicklich vermutet man den ehemaligen Firmenchef aufgrund der Überprüfung der Flugrouten eines seiner Privatjets in Europa. Angeblich soll Kaiba in einem pariser Hotel eingecheckt haben, doch irgendwie glaube ich, dass das eine Finte ist. Zumal Roland auch diese Buchung bestätigt hat, wie ich durch Tea erfahren habe. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Kaiba wirklich so dämlich wäre, sich so offensichtlich abzusetzen. Es passt einfach nicht zu ihm, so viele Spuren zu hinterlassen. Ich wette, es ist ein Ablenkungsmanöver von seinem eigentlichen Vorhaben. Aber was zum Geier hat der Kerl vor? Und wo steckt er? Nach Rücksprache mit Tea bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Roland, auch wenn er der Polizei etwas anderes erzählt hat, weiß wo Kaiba steckt und ich vermute auch, dass der Assistent irgendeine Möglichkeit hat, ihn zu kontaktieren. Deshalb habe ich Tea auch angewiesen sich mit ihm in Verbindung zu setzen. So haben wir wenigstens eine Chance, Kaiba davon in Kenntnis zu setzen wo Mokuba ist und was noch entscheidender ist, bei wem. Wenn er das erst weiß, wird er sicher einen Weg finden, mich zu kontaktieren und das ist augenblicklich auch das Einzige, dass ich tun kann. Tea war der gleichen Ansicht und meinte, dass Yugi und sie auch schnellstmöglich versuchen würden, mit Roland zu reden. Ich hege keinen Zweifel daran, dass der Assistent den Beiden trauen wird. Er hat in der Vergangenheit eine Menge mit uns erlebt und weiß, dass sowohl Yugi als auch Tea nie etwas tun würden, um Kaiba zu schaden. Jetzt, wo wieder etwas Hoffnung keimt, geht es mir schon um einiges besser und auch Mokuba war schon etwas entspannter, nachdem ich ihn von dieser Idee in Kenntnis gesetzt hatte. Bleibt also nur zu hoffen, dass wir richtig liegen und Roland tatsächlich weiß wo sein Herr steckt. Auch die anderen Neuigkeiten, die Tea mir mitgeteilt hat, waren nicht unbedingt schlecht, einmal abgesehen davon, dass nach Kaiba gefahndet wird. Laut Ryou hat man bislang keinerlei Beweise gefunden, die wirklich für eine Verbindung zwischen Kaiba und dem Mord sprechen. Am Tatort waren keinerlei Spuren zu finden und demnach waren eindeutig Profis am Werk. Profis, die die beiden Bodyguards jeweils sauber mit einem Kopfschuss erledigt haben und Pegasus die Kehle durchschnitten. Warum man nicht auch ihn erschossen hat, bleibt weiterhin ein Rätsel. Die Polizei vermutet ein persönliches Motiv dahinter, was wieder vage gegen Kaiba sprechen könnte. Aber solange es keine Beweise gibt... Das ist zwar nicht wirklich beruhigend, aber immer noch besser als wenn tatsächlich etwas handfestes gegen ihn vorliegen würde. Die pariser Polizei wurde eingeschaltet, aber bislang hat sich in der Hinsicht noch nichts ergeben, was meinen Verdacht, dass diese Paris-Geschichte, nur eine Finte ist verstärkt. Auch Mokuba meinte, dass das wahrscheinlich wäre. Der Ausbruch des Kleinen hat mir doch zu denken gegeben. Dass er sich die Schuld an der Misere gibt, oh Mann, das hatte ich nicht erwartet und ich hoffe, dass es mir gelungen ist, ihn von diesem Unsinn abzubringen. Gestern hatte ich den Eindruck und heute... Beim Frühstück war er zwar recht still, aber keineswegs verschlossen. Ich hoffe nur, dass sein erster Schultag gut verläuft. Die Privatschule ist eine der Besten und ich weiß, dass der Kleine ein guter Schüler ist, aber wie es mit der Eingewöhnung aussehen wird... Mir fiel es ja schon schwer, mich einzuleben und ich war freiwillig hier. Ein Glück eigentlich, dass die amerikanische Presse sich nicht groß für den Fall Kaiba interessiert. In der Zeitung stand auch nur ein knapper Bericht, keine spektakuläre Meldung. Alles andere würde es Mokuba sicherlich nur erschweren und ich weiß auch nur zu gut wie er darauf reagiert, wenn irgendjemand etwas gegen seinen Bruder sagt. Ihn heute morgen gehen zu lassen, fiel mir schwerer als gedacht. Ich weiß auch nicht warum, aber es war ein seltsames Gefühl, auch wenn es natürlich die normalste Sache der Welt ist. Er muss schließlich zur Schule und mein Vater hatte Recht, je schneller desto besser. Zudem wissen wir auch nicht, wie lange er letztlich hier bleiben muss. So wie die Dinge liegen, schätze ich mehr als ein paar Wochen. Diese Sache um Kaiba wird sich schließlich nicht so schnell in Luft auflösen. Wenn überhaupt. Doch daran darf ich jetzt gar nicht denken. Wenigstens geht es Mokuba soweit gut und wenn Kaiba das erst weiß, dürfte es ihm auch schon leichter um´s Herz werden. Kaiba´s Herz. Ich muss unwillkürlich lächeln. Früher dachte ich immer, er hätte keins und wenn doch, dann nur so ein verschrumpeltes winziges Ding, dass wie eine alte Rosine aussehen würde. Ich glaube, ich hab ihm das sogar irgendwann einmal an den Kopf geschmissen, ich weiß es nicht mehr genau. Ich hab ihm eine Menge Beleidigungen, um die Ohren gehauen. Gott, waren wir kindisch. Beide. Tea hatte schon recht. Wir waren echt wie zwei Kleinkinder, auch wenn er immer darauf bedacht war sich gehoben zu artikulieren, um diesen Verdacht von sich zu weisen. Im Grunde war er nicht besser als ich. Wäre er tatsächlich so abgebrüht gewesen, dann hätten ihn meine Beleidigungen doch kalt lassen müssen, oder? Aber nein, Kaiba hat jede einzelne davon quittiert. Nicht einmal hat er sich einen Konter verkniffen und stets wollte er das letzte Wort haben, was eigentlich auch recht kindisch ist. Schon seltsam, dass ich jetzt, drei Jahre später in meinem Büro sitze und darüber nachdenke. Dass ich überhaupt an ihn denke, ist schon erstaunlich. Vermutlich liegt das an Mokuba. Er redet einfach pausenlos von seinem Bruder und beteuert immer wieder, dass dieser eigentlich gar kein solches Arsch sei. Es ist schon merkwürdig, mit welcher Vehemenz er mir das immer wieder versichert, fast so als wolle er mich davon überzeugen. Ja, in gewisser Weise wirkt es tatsächlich so und ich frage mich, warum es ihm so wichtig ist, was ich über Kaiba denke. Doch vielleicht interpretiere ich auch einfach zuviel in seine Worte, wer weiß? Fakt ist jedoch, dass er mich zum nachdenken bringt damit und ich seltsamerweise immer mehr Details über meinen ehemaligen Erzfeind erfahren als ich je wissen wollte. Ich hätte zum Beispiel nie geahnt, dass Kaiba Mokuba immer ins Bett gebracht hat. Ich hatte ehrlich gesagt vermutet, dass der alte Eisklotz bis spät nachts in seiner Firma sitzt und der Kleine von irgendeinem Dienstmädchen oder Roland ins Bett gebracht wurde. Aber nein, laut Mokuba hat sich Kaiba bemüht das selbst zu tun, wenn er nicht durch dringende Termine oder Geschäftsreisen verhindert war. Mokuba gibt zwar zu, dass sein Bruder nicht viel Zeit für ihn hatte, aber er scheint das auch zu verstehen und rechtfertigt es sogar, auch wenn ich ihm anmerke, dass es ihn doch mehr bedrückt als er es zugeben will. "Du willst wirklich etwas mit mir spielen, Joey? Der erstaunte Ausdruck, der in seinen Augen lag. Wann Kaiba wohl das letzte Mal mit ihm gespielt hat? Im Waisenhaus? Es fällt mir schwer mir einen spielenden Seto Kaiba vorzustellen. Natürlich ist DuelMonster auch ein Spiel, aber für Kaiba war es das nie. Er hat sich nie duelliert, weil es ihm Freude gemacht hat, wie es bei Yugi und mir der Fall war. Er hat es gemacht, um sich etwas zu beweisen. Sich und jedem anderen, aber ich glaube, am meisten sich selbst. "Klar, will ich mit dir spielen, Pappnase. Warum nicht? Aber stell dich schon mal darauf ein, dass ich dich platt mache werde!" Der Kleine hatte gelacht und gemeint, dass ich das immer sagen würde, aber wir ja sehen würden und dann hatten wir gespielt. Irgendein komisches Kartenspiel mit Zauberern und Narren, bei dem man im Voraus sagen musste, wieviele Stiche man bekommen wird. Ich hatte es spontan gekauft und nicht weiter darürber nachgedacht, aber es war wirklich lustig und der Kleine hat mir nichts geschenkt. Genau wie sein Bruder. Nur das wir Spaß dabei hatten und Popcorn aßen und lachten. Fast habe ich mich wieder gefühlt wie früher, wenn ich mit Yugi im Laden seines Opas gesessen hatte und versuchte dem Zwerg Feuer unter dem Hintern zu machen, was mir einige Male sogar ganz gut gelungen ist. Ja, irgendwie war es schön und ich glaube, Mokuba fand das auch. Zumindest war er irgendwie gelöst und wenn er auch nur diesen einen Moment seine Sorgen vergessen hat, dann hat es sich gelohnt. "Und jetzt einen Film. Einen guten, amerikanischen Actionfilm. Du holst das Popcorn, ich die Getränke." "Aye, Aye, Captain Joey" Der Film war eigentlich total bescheuert, keinerlei logische Handlung, nur Action und jede Menge Explosionen, Schusswechsel und derbe Worte. Mokuba jauchzte neben mir und stopfte sich so viel Popcorn in den Mund, dass ich ein paar Mal dachte, dass er gleich ersticken würde. Ich war allerdings auch nicht besser. Mit einem Mal war ich wieder der 16jährige Chaot, der den Fernseher viel zu laut stellt und Maschinengewehrgeräusche nachahmt und irgendwie war das ganze eine aberwitzige Situation. Trotzdem habe ich seit langem nicht mehr so viel gelacht. "Wie ist das eigentlich für dich, hier in Amerika? Vermisst du die anderen nicht oft oder hast du neue Freunde?" Eine typische Kinderfrage, naiv gestellt. Ich hatte kurz überlegt, wie ich sie am Besten beantworten sollte. Natürlich vermisste ich meine Freunde hin und wieder, oft sogar, aber ich hatte auch neue Freunde gefunden. Zugegeben, in Amerika war einiges anders als in Japan. Manchmal erschienen mir die Leute hier so konservativ und auch kälter, nüchterner... oberflächlicher. Es war schwer gewesen Anschluss zu finden. Irgendwie hatte ich anfangs immer wieder den Eindruck gehabt, dass man mich seltsam beäugt und mustert und das hatte mich verunsichert. Ein Gefühl, dass gänzlich neu für mich war, dass ich nicht kannte. Dazu kamen diese Cliquen. Natürlich gab es die an meiner alten Schule auch, immerhin war ich ja auch Mitglied einer, aber hier war das etwas vollkommen anderes. Irgendwie schienen die Leute noch mehr in Schubladen zu denken, was mich noch mehr irritierte. War man mit dem einen befreudet, durfte man mit dem anderen kein Wort wechseln. Alles irgendwie skuril und bis ich endlich jemanden gefunden hatte, der auf meiner Wellenlänge war... Es heißt immer, aller Anfang sei schwer. Das ist leicht untertrieben, wenn ich den Spruch auf meine Anfangszeit hier beziehe. "Hast du eigentlich eine Freundin?" Die Frage hatte mich dann vollenst überrumpelt und ich hatte erst einmal fragen müssen, wie er jetzt darauf kommen würde. Mokuba hatte mit den Schultern gezuckt und gemeint, nur so. Und da musste ich mir wieder ins Gedächnis rufen, dass er ein Teenager ist und das Thema für ihn ja langsam interessant wird. Also hatte ich ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, womit ich auch noch nie ein Problem hatte, auch wenn es im ersten Moment komisch war, mit ihm darüber zu reden, aber es fiel mir weitaus leichter als bei Yugi. Der wurde bei dem Thema Mädchen jedes Mal so rot, dass ich dachte, er kippt mir gleich um. Das musste ich Mokuba aus irgendeinem Grund auch erzählen und wir lachten beide. Der Kleine war bei dem Thema eigentlich ganz locker und sichtlich interessiert. Ich musste mir die Frage verkneifen, ob es ihn Japan vielleicht irgendeine Kleine gibt, die er im Auge hat. Das hätte nur alle Sorgen wieder aufgewirbelt und ich war doch so froh, dass er sich langsam zu entspannen schien. "Eine Freundin? Naja... mehrere würde ich sagen. Hey, ich bin schließlich noch jung. Also momentan hab ich keine feste Freundin oder so, nur ein paar Mädchen mit denen ich mich hin und wieder treffe, wenn ich Zeit habe. Leider hab ich nicht so viel Freizeit... Als Geschäftsmann ist das echt ein Problem, hätt ich nie gedacht, aber ich kann deinen Bruder jetzt sogar ein wenig verstehen... Insgeheim hätte ich ihn gerne gefragt, wie es sich in dem Punkt wohl bei Kaiba verhielt. Gab es eine Freundin? Dates? Irgendwie konnte ich mir das nicht vorstellen und kann es auch jetzt noch nicht, wenn ich darüber nachdenke. Nicht, dass Kaiba Probleme hätte an eine Frau zu kommen, der Kerl hatte schon vor drei Jahren seinen eigenen Fanclub und die Mädchen in unserer Klasse seufzten jedes Mal auf, wenn Mr. Unwiderstehlich den Raum betrat. Wie mich das damals geärgert hatte. Der Kerl musste nichts tun und jedes Mädchen im Umkreis von zehn Meilen spielte verrückt. Sie benahmen sich wie rollige Katzen und er schien es nicht mal zu bemerken, geschweige denn bemerken zu wollen. Selbst zum Abschlussball kam er ohne Begleitung, dabei hätte er jede mitnehmen können. Jede! Ich habe damals fünf Mädchen gefragt und vier teilten mir mit, dass sie sich für Seto Kaiba frei hielten, für den Fall der Fälle. Die andere sagte, dass sie mit Duke hingehen würde. Welch eine Blamage! Ich wäre in dem Moment am liebsten im Erdboden versunken. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Freihalten überflüssig gewesen war, Kaiba wollte keine Begleiterin. Er tanzte auch mit keiner und trotzdem oder vielleicht sogar deshalb, fanden die Mädchen ihn noch anziehender. Damals habe ich begriffen, dass ich Frauen nie verstehen werde. Keine von ihnen. Tea war schließlich auch ein schwieriger Fall, auch wenn sie wenigstens nicht der Kaiba-Mania erlag, auch wenn ich hin und wieder den Verdacht hatte, dass sie... Frauen sind einfach ganz anders konzipierte Wesen. Punkt. Als Mann kann man sie nicht verstehen. Man sollte es gar nicht erst versuchen. Das erste Mädchen, dass ich hier in den Staaten datete, war auch so ein seltsamer Fall. Eine lazive Blondine, die mich ansah als würde sie jeden Moment über mich herfallen, aber als ich das dann versuchte, aus die Maus. Dass ich keine Ohrfeige kassiert habe, war alles. Mit der Nächsten lief es schon besser, obwohl die auch ein Fall für sich war. Aber ihre Augen, ich dachte immer ich würde darin versinken. Unglaubliches Blau. Eine kleine Raubkatze. Eben noch sanft und anschmiegsam und im nächsten Moment... Mokuba wurde richtig verlegen und ich auch. Ich denke, mit Kaiba hat er noch nie über das Thema geredet. Sein Bruder würde wahrscheinlich aus den Latschen kippen bei so einem Gespräch. In der Hinsicht erschien mit der Eisklotz immer sehr zugeknöpft. Ob das heute noch so ist? Und verdammt, warum frage ich mich das eigentlich? Ich beschäftige mich ja mehr mit Kaiba als damals. Ich bin fast schon froh als mein Handy klingelt und mich somit aus meinen Gedanken reißt. Ich nehme den Anruf entgegen und verdränge meine Überlegungen zum Thema Kaiba. "Hey, Joey." meldet sich eine wohl bekannte Stimme. "Hallo, Nick. Na, wie ist die Lage, Kumpel?" grüße ich meinen Freund und er lacht kurz auf. "Bestens und bei dir?" will er wissen. "Du machst dich rar in der letzten Zeit." Ich seufze. "Tja, Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit. Du kennst mich ja." entgegne ich lachend und mir kommt plötzlich der Gedanke, dass meine alten Freunde mich so nicht unbedingt kennen. "Schon klar." meint er. "Sag mal, bist du eigentlich immer noch interessiert an diesen DuelMonster-Karten?" Ich brauche einen Moment, um die Frage richtig zu verstehen. Das Thema hatten wir vor Ewigkeiten einmal. Nick war früher auch ein Duellant und hat sich nur zu gerne meine Geschichten über meine Zeit mit dem König der Spiele angehört, auch wenn ich den Verdacht hatte, dass er mir das eine oder andere nicht wirklich geglaubt hat. "Klar, wie kommst du darauf?" antworte ich und seine nächsten Worte reißen mir fast den Boden unter den Füßen weg. Um ein Haar rutscht mir das Handy aus der Hand. "Du wirst es mir sicher nicht glauben, aber in einer Auktion sind gerade die legendären drei weißen Drachen aufgetaucht!" erzählt er. Ich schreie das nächste Wort fast raus. "WAS?" frage ich fassungslos. "Das kann nicht sein.... Die Drachen gehören Seto Kaiba und der würde sie nie verkaufen." Nick gibt ein komisches Geräusch von sich. "Tja, scheinbar tut er es doch. Sie sind jedenfalls auf dem Markt. Ich hab´s gerade erst entdeckt. Warte, ich schicke dir den Link per Mail." Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Mein Freund hat wahrscheinlich keine Ahnung was für eine Wirkung seine Worte auf mich haben. Schnell klappe ich den Laptop auf und logge mich ein. Kaiba und die Drachen verkaufen? Never. Nein, das kann einfach nicht sein. Es muss sich um einen Irrtum handeln. So was würde er nie tun. Diese Karten... sie sind sein Herz. Sie sind ihm neben Mokuba wahrscheinlich das Wichtigste auf diesem Planeten. Ungeduldig warte ich auf Nick´s Mail. "Die Auktion ist echt. Daran besteht kein Zweifel." höre ich meinen Freund sagen und kann nun endlich auch die Seite aufrufen, die er vor sich zu haben scheint und tatsächlich... es sind die drei weißen Drachen. Eindeutig. Ich kenne die Karten so gut wie meine Eigenen. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen und ich blinzele. Kaiba verkauft seine stärksten und seltensten Karten. Ich scrolle auf der Seite herunter und entdecke noch weitere Karten, die zweifellos aus seinem Deck stammen. Aber warum? Mokuba hat gesagt, Geld wäre kein Problem. Er hätte versteckte Konten und... "Ich ruf dich nachher zurück, Nick." sage ich beiläufig und lege auf ohne eine Antwort abzuwarten. Dann sehe ich mir die Seite genauer an. Kaiba löst sein gesamtes Deck auf. Kapitel 15: Amüsante Vorbereitungen ----------------------------------- Na, wie gefällt euch der bisherige Verlauf? Ich hoffe, dass ihr mit den Personen bislang zufrieden seid. Ich muss sagen, ich liebe die Dialoge zwischen Bakura und Kaiba augenblicklich sehr, aber ich freu mich auch auf das erste Zusammentreffen von Herrchen und Hündchen. Fragt sich nur, wer dann wer ist. ^^ Ich erwache in einem fremden Bett, in einem fremden Zimmer und sofort macht sich unbehagen in mir breit, dabei bin ich das eigentlich gewohnt. Wie oft habe ich in Hotels übernachtet? In Zimmern, die ich selten ein zweites Mal gesehen habe? Trotzdem ist es jetzt anders und das liegt an den Umständen, die dazu führten genauso wie an der Tatsache, dass ich mich in Devlin´s Wohnung befinde. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass ich länger geschlafen habe als beabsichtigt. Es ist bereits viertel nach eins. Mit einem Satz bin ich aus dem Bett. Meine Kleider habe ich noch immer an. Gestern oder besser gesagt heute früh als ich mich in das Bett fallen ließ war ich zu müde, um mich noch auszuziehen. Ich horche einen Moment an der Tür und Stimmen verraten mir, dass die anderen schon auf den Beinen sind. Ich zögere noch einen Moment, fahre mit fahriger Hand durch´s Haar und verlasse dann das Gästezimmer. Sofort stehe ich in dem riesigen Wohnraum. Devlin routiert in der Küche oder präziser ausgedrückt, in dem Teil des Raumes, der die Küche darstellt. Er scheint auch noch nicht lange auf den Beinen zu sein, denn er trägt lediglich einen knallroten Kimono und sein Haar hängt ihm in nassen Strähnen über die Schultern. Bakura lümmelt sich auf einem der Hocker und trägt zu meinem Erstaunen auch lediglich einen Kimono. "Auch endlich wach?" fragt er mich und grinst mich an. "Guten Morgen, Kaiba." Ich verziehe automatisch den Mund und murmele etwas undefinierbares. "Kaffee?" fragt mich Devlin und ich nicke. Dann eile ich an Alister, der wieder mit seinem Laptop beschäftigt ist, ins Badezimmer. Kaum habe ich die Tür geschlossen, vernehme ich auch schon Devlin´s Stimme: "Handtücher sind unten rechts." Ich erwidere nichts, entledige mich nur meiner Kleider und steige unter die Dusche. Das kalte Wasser weckt mich endgültig und ich spüre wie sich meine verknoteten Muskeln langsam wieder etwas lösen. Exakt sieben Minuten später verlasse ich das schwarz-weiße Badezimmer wieder und sowohl Bakura als auch Devlin sehen mich an als würde ich einen absonderlichen Anblick bieten. "Was?" zische ich die Beiden an. Bakura grinst. "Nichts." meint er lässig. "Es ist nur ein ungewohnter Anblick." Devlin nickt und gibt sich wenigstens Mühe ein Grinsen zu unterdrücken. "Der große Seto Kaiba hat bei mir geduscht... " sagt er und schluckt ein Kichern runter. "Vielleicht sollte ich aus dem Bad jetzt so eine Art Schrein machen?" Bakura nickt. "Du könntest Eintritt verlangen." stimmt er zu. Ich verdrehe die Augen und streiche mit nasse Strähnen aus dem Gesicht. "An eurer Stelle würde ich es mir verkneifen. Augenblicklich werde ich schließlich polizeilich gesucht. Man würde euch als Gehilfen verhaften." entgegne ich kühl. Bakura zuckt mit den Schultern. "Wenn sie uns schnappen, sage ich sowieso, dass ich nur deine Geisel bin." meint er gelassen und Devlin pustet los. "Als ob dir das jemand glauben würde! Damit kommt höchstens Alister durch." Der Weißhaarige wirft ihm einen gespielt wütenden Blick zu. "Halt dich lieber klein, Duke, du hängst jetzt auch mit drin." Ich übergehe dieses unsinnige Geplänkel und wende mich an Alister, der mir augenblicklich der Vernünftigste zu sein scheint. "Gibt es schon Neuigkeiten aus Domino?" frage ich und er nickt mit düsterem Gesicht. "Du wirst gesucht." bestätigt er meine Vorahnung. "Ich schätze, die Bullen waren schon bei dir zuhause." Ich nicke und gehe rüber zu dem Tresen wo Devlin mir eine Tasse Kaffee hinschiebt. "Vom CEO der Kaiba Corp. zum gesuchten Verbrecher." meint er grinsend und ich stöhne auf. "Mutmaßlicher Verbrecher." korrigiere ich ihn und nippe an meinem Kaffee. "Das mit Pegasus ist echt der Hammer." befindet der Schwarzhaarige. "Und du hast wirklich keine Ahnung wer ihn umgepustet hat?" Ich schüttele den Kopf. "Nicht die Geringste." Devlin nickt nachdenklich. "Vielleicht hat es ja auch gar nichts mit dir zu tun. Der Typ war schließlich ein seltsamer Vogel. Der hat sich bestimmt genug Feinde gemacht." sagt er und ich zucke mit den Schultern. "Irrelevant." kommentiere ich diesen Gedankengang und versuche meine Gedanken wieder in logische Bahnen zu lenken. "Wie ist die weitere Vorgehensweise?" will Bakura wissen. "Ich muss nach New York. So schnell wie möglich." entgegne ich und trinke meinen Kaffee. "So weit waren wir schon. Wie gedenkst du das zu tun?" fragt Bakura weiter. "Ich brauche einen falschen Pass. Das ist der erste Schritt." antworte ich und er sieht mich kurz abschätzend an. "Und Flugtickets." fügt er hinzu und ich seufze. "Du willst also tatsächlich mitkommen?" frage ich obgleich ich die Antwort längst kenne. "Klar, was dachtest du denn? Dass wir dich nur nach Tokio bringen? Und wie ich bereits ausführlich erklärt habe, Kaiba, alleine wirst du nicht viel ausrichten können." Ich verdrehe leicht die Augen, widerspreche jedoch nicht. "Und wie willst du an einen falschen Pass kommen?" mischt Devlin sich ein und ich werfe ihm einen spöttischen Blick zu. "Ich weiß an wen ich mich wenden muss. Ein Anruf genügt." Der Schwarzhaarige sieht mich anerkennend an, sagt aber zu seinem Glück nichts. "Und dann?" hakt Bakura nach und meine Schläfen beginnen zu pochen. "Dann nehmen wir den nächstbesten Flieger nach New York." Herrje, das ist doch wohl logisch, oder? "Kannst du dich etwas präziser ausdrücken?" verlangt Bakura. "Hast du eine Ahnung wo du unterkommen willst? Oder wie du an Mokuba herankommen willst?" Ich stelle meine Tasse lautstark ab. "In Amerika gibt es so etwas wie Hotels, Motels, Pensionen... eine große Auswahl an Möglichkeiten, abzusteigen, wie du es ausdrücken würdest. Dann werde ich mir die Lage näher ansehen und meine Möglichkeiten berechnen, an Mokuba heranzukommen." Bakura nickt. "Ok, du hast also einen Plan. Wollte ich nur wissen." Er nippt an seinem Kaffee. "Dann kümmer dich mal um deinen Pass." Wortlos gehe ich zurück in das Gästezimmer und hole mein Handy. Dann kehre ich zurück zu den anderen. "Gib mir dein Handy." fordere ich Bakura auf und er reichte es mir ohne weitere Umschweife. Schnell tippe ich die gewünschte Nummer ein und nach zweimaligem Läuten habe ich auch schon die Person am Apparat, die ich zu sprechen wünsche. Ich entferne mich ein Stück von den anderen, die mich aufmerksam beobachten und übermittele in kurzen, präzisen Sätzen meine Anweisungen. Dann frage ich Devlin nach seiner Adresse und der Schwarzhaarige antwortet mir so automatisch, dass er selbst erstaunt darüber wirkt. Nachdem das Gespräch beendet ist, wende ich mich an Alister und sage ihm, dass er drei Flüge nach New York buchen soll, sofern er vorhat mitzukommen. Er nickt nur und seine Finger huschen wieder so schnell über die Tastatur, dass ich lächeln muss. So ähnlich muss es aussehen, wenn ich meinen Laptop bearbeite. "Nachher kommt ein Bote und bringt mir den Pass." erkläre ich an Devlin gewandt und dieser nickt. Dann herrscht einen Moment Schweigen und ich trinke meinen Rest Kaffee. "Möchtest du was essen, Kaiba?" fragt mich der Schwarzhaarige, aber ich schüttele den Kopf, was mir allerdings einen missbilligenden Blick von Bakura einbringt. "Ich will ja nichts sagen..." hebt er an und ich unterbreche ihn sofort. "Dann tu es auch nicht." Doch er spricht unbeirrt weiter. "Du solltest einen Happen essen. Nur Kaffee bringt nichts auf die Dauer." meint er ungerührt und ich seufze. "Danke, ich brauche kein Kindermädchen, Bakura." Der Weißhaarige zuckt mit den Schultern. "Ich meine es nur gut." Überflüssig dazu noch etwas zu sagen. Devlin schenkt mir derweil Kaffee nach und ich nicke ihm dankbar zu. Dann fällt mir auf, dass der Würfelfreak mich abschätzend mustert. "Du solltest irgendwas an deinem Aussehen verändern." schlägt er vor. "Auch wenn du deinen Mantel nicht trägst, so wie du jetzt aussiehst, erkennt dich jedes Kind." Bakura nickt zustimmend. "Lach doch mal." fordert er mich auf und ich starre ihn entgeistert an. "Dann wirken deine Züge anders. Man kennt dich schließlich nur als stocksteifen..." "Halt die Klappe." fahre ich ihn an und er grinst. "Ernsthaft, Kaiba, so kommst du auch mit falschem Pass nicht weit." mischt Devlin sich ein und ehe ich in der Lage bin etwas zu erwidern, wirbelt er auch schon davon. Ich blicke ihm irritiert nach und ahne nichts gutes. Meine Vermutung wird auch prompt bestätigt. "Auf welchen Namen soll ich dein Ticket ausstellen lassen?" fragt mich Alister und ich antworte automatisch. Er nickt. "Wir zahlen bei Abholung." erklärt er mir und widmet sich wieder dem Laptop. Devlin ist inzwischen wieder zurück und wie gesagt, meine Ahnung bestätigt sich. Er hat einen Stoss Kleider über dem Arm und ich vermute, ich weiß, was er damit vor hat. "Vergiss es, Devlin." erkläre ich und verschränke die Arme vor der Brust. "Glaub mir, Kaiba, du wirst mir noch einmal dankbar sein." meint der Schwarzhaarige unbeirrt und hält mir ein rotes Hemd hin. Ich schüttele rigeros den Kopf. "Nein." sage ich fest entschlossen mich nicht von meinem Vorsatz abbringen zu lassen, aber Bakura eilt seinem Freund zu Hilfe. "Kaiba, es mag dir nicht behagen, aber bis wir aus Japan raus sind, ist das die beste Lösung, also versuch es. Denk an Mokuba." meint der Weißhaarige grinsend und ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. "Sag mir nicht an was ich denken soll." entgegne ich wütend, doch das Argument zieht zu meinem Verdruß. Ich mustere die Kleider, die Devlin angeschleppt hat und mein Blick fällt auf ein Shirt, dass noch reletiv human ist. Ich deute darauf und Devlin grinst. Er legt die anderen Sache beiseite und reicht es mir. Ich falte es ausseinander und verstehe warum er sich ein Lachen zu verkneifen versucht. Auf dem schwarzen Shirt steht in riesigen roten Lettern "My girlfriend sucks." Ich verdrehe instinktiv die Augen. Grundgütiger. "Ich hab eine Jeans, die passt perfekt dazu." sagt Devlin und reicht mir auch schon ein abgetragenes, verwaschenes Exemplar. Bakura kichert neben mir. Ich ignoriere den Weißhaarigen und atme tief durch. Dann gehe ich mit den Sachen ins Gästezimmer und füge meiner Liste an Verfehlungen, die ich in den letzten 48 Stunden begangen habe, einen weiteren Punkt hinzu. Devlin´s Jeans passen im insgesamten recht gut, sie sind sogar lang genug, was heißt, dass sie ihm nicht wirklich passen können. Das Shirt anzuziehen kostet mich allerdings noch größere Überwindung und als ich mich im Spiegel betrachte... Angewidert verziehe ich den Mund. Aber die Beiden haben Recht. Das Risiko ist zu groß, wenn ich in gewohnter Manier am Flughafen erscheine. Doch dass ich mich gleich anziehen muss als würde ich zu einer Halloween-Party gehen... Widerwillig verlasse ich in diesem Aufzug das Zimmer und stelle mich der Jury. Bakura und Devlin mustern mich kritisch und auch Alister blickt von seinem Laptop auf. Wie entwürdigend. Es bedarf all meiner Selbstbeherrschung ungerührt stehen zu bleiben. "Dreh dich mal." fordert Bakura mich auf und mein Geduldsfaden reißt. "Vergiss es." zische ich ihn an und stelle zu meiner Befriedigung fest, dass er wenigstens ein klein wenig zuckt. "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber... du siehst direkt gut aus." befindet Devlin mein Outfit und kommt auch schon auf mich zu. Ich bin so überrascht, dass ich nicht einmal reagieren kann. Im nächsten Augenblick wuschelt er mir auch schon durch die Haare und meine Augen weiten sich entsetzt. "Was zur Hölle tust du da?" frage ich ihn schockiert und er grinst. "Zu so einem Outfit passt keine strenge Frisur." erklärt er und wendet sich an Bakura. "Hol mal etwas Gel." Der Weißhaarige erhebt sich tatsächlich und auch wenn ich liebend gerne Devlin´s Arme packen und seine Hände aus meinem Haar entfernen würde, ich lasse ihn gewähren. Ich schließe instinktiv die Augen und versuche ruhig durchzuatmen. Geschlagene fünf Minuten veranstaltet dieser Freak irgendetwas mit meinen Haaren und mir wird immer unbehaglicher zumute. Was muss ich noch ertragen bis ich diese Sache hinter mir habe? "Fertig." verkündet Devlin schließlich und beäugt sein Werk. "Noch ein wenig Kajal und du siehst aus wie Sid Vicious." sagt er. "Leg Hand an mein Gesicht und du wirst es bereuen." warne ich ihn vor und er zuckt mit den Schultern. Ich frage nicht, wer dieser Typ ist, von dem er redet. Wie ich Devlin einschätze, irgendeine Transe aus einem Horrofilm. "Die Lederjacke passt perfekt dazu." sagt Bakura und mustert mich nun auch interessiert. "Können wir das Thema nun abhaken?" frage ich genervt und greife nach meinem Kaffee. Wortlos reicht Bakura mir seine Packung Zigaretten. Ich nehme mir eine und er gibt mir grinsend Feuer. "Sag jetzt nichts." warne ich ihn und er seufzt. "Schade." meint er lässig und ich inhaliere tief. Für eine Weile herrscht betretenes Schweigen und ich fühle mich unwohl in dieser Verkleidung, zudem habe ich den Eindruck, dass die anderen mich immer wieder ansehen und auch wenn sie nicht grinsen, so kann ich mir denken was in ihnen vorgeht. "Hast du eigentlich schon eine Idee wie es weitergehen sollte, wenn du Mokuba wieder bei dir hast? Ich meine, ihr könnt dann doch nicht zurück nach Japan. Eigentlich könnt ihr nirgendwo hin..." sinniert Devlin und ich seufze. "Es gibt Länder, die nicht ausliefern." Der Schwarzhaarige starrt mich an. "Aber... naja, schon klar, aber wie geht es weiter? Ich meine, hast du eigentlich genug Geld nachdem du deine Firma..." Seltsamerweise ärgert es mich in diesem Moment nicht, dass er sich erdreistet solche Fragen zu stellen. "Wir kommen schon klar. Ich habe Roland bereits angewiesen alles flüssig zu machen, was möglich ist. Einige Grundstücke und Häuser laufen auch auf Mokuba und Roland. Es wird zwar schwierig werden an das Geld zu kommen, aber für den Anfang habe ich ausgesorgt. Dann sehe ich weiter." erkläre ich ruhig und ziehe an meiner Zigarette. Sowohl Bakura als auch Devlin mustern mich nachdenklich. "Solange diese ganze Angelegenheit nicht geklärt ist, werdet ihr auf der Flucht sein müssen." bemerkt Bakura und ich nicke. Der Blick des Weißhaarigen ist ernst und ich schätze, er denkt an seine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet. "Mokuba wieder zubekommen hat augenblicklich oberste Priorität. Danach kümmere ich mich darum, diese Sache zu bereinigen." Bakura nickt. "Und wie willst du das anstellen?" fragt Devlin. "Und was heißt eigentlich bereinigen?" Irgendwas in den grünen Augen, die mich ansehen bringt mich zum lachen. "Das heißt, dass ich dafür sorgen werde, dass die Schuldigen für ihr Tun bezahlen werden." Devlin schluckt. "Du meinst... du willst..." Ich verdrehe lächelnd die Augen, erwidere jedoch nichts. Bakura lacht ebenfalls. "Das heißt, Vergeltung in biblischem Ausmaß." erklärt der Weißhaarige seinem Freund und Devlin ist sichtlich schockiert. "Oh Mann." ist das Einzige was er von sich geben kann. Ich zucke ungerührt mit den Schultern. "Es gibt einen Grundsatz, den ich diesen Leuten begreiflich machen werde. Auf die eine oder andere Weise." erkläre ich kaltblütig und Devlin sieht mich fragend an. "Ach, das wäre?" fragt er tatsächlich. Ich lächele ihn kühl an. "Dass jeder Mensch für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen werden muss." erwidere ich und sehe wie er schluckt. "Da fällt mir ein, deine Knarre kannst du schlecht mitnehmen." erinnert mich der Weißhaarige. "Du deinen Dolch auch nicht." kontere ich. Er grinst. "Ach, ich habe Mittel und Wege." Wieder zittiert er meine Worte und einen Augenblick sehen wir uns in die Augen, ehe wir beide loslachen. Warum ich lache, weiß ich ehrlich gesagt nicht einmal, vermutlich weil das alles wie ein grausiger Witz erscheint. Ja, ein skuriler Alptraum, anders kann es nicht sein. "Da haben sich scheinbar zwei gesucht und gefunden." bemerkt Devlin grinsend und ich funkele ihn wütend an. "Eifersüchtig?" fragt Bakura und ich spüre wie sich meine Wangen zu färben beginnen. Hatten wir das nicht schon? "Sollte ich?" erwidert Devlin lässig und plötzlich kommt mir die Frage in den Sinn, wer wohl heute Nacht auf der Couch geschlafen hat oder besser gesagt, wo Bakura die Nacht verbracht hat? Ich wende den Blick von den Beiden ab. Das geht mich nichts an. Was auch immer zwischen den Beiden ist, ist ihre Sache. Trotzdem bleibt dieser Gedanke in meinem Hinterkopf. "Da fällt mir ein, Katsuya lebt doch jetzt in den Staaten." meint Devlin plötzlich und ich erinnere mich schlagartig. Ja, davon habe ich auch gehört. Kurz nach dem Abschluss ging der Köter nach Amerika. Zumindest hieß es so. Irgendwas war mit seinen Eltern. Ich erinnere mich nicht mehr genau daran. Damals hat es mich allerdings auch nicht wirklich interessiert. Jetzt verhält sich das auch nicht anders. Bakura nickt. "Stimmt, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Weißt du wo er steckt?" Devlin schüttelt den Kopf. "Keine Ahnung, hab schon länger keinen Kontakt mehr mit ihm. Vor zwei Jahren kam noch ne Karte, das war´s dann auch. Er hat nur erwähnt, dass er auf´s College gehen würde. Ich glaube irgendwo an der Westküste." "Der Köter geht auf´s College?" frage ich spöttisch grinsend. "Nun, in Amerika sind die Anforderungen ja auch gering." Beide übergehen meinen bissigen Kommentar. "Tea könnte wissen wo er ist. Sie hatte noch länger Kontakt glaube ich. Vielleicht könnte er euch helfen, dann hättet ihr einen Verbündeten vor Ort." meint Devlin, aber ich schüttele den Kopf. "Ich brauche keine Hilfe von dem Köter." erkläre ich. Bakura seufzt. "Du kannst jede Hilfe gebrauchen, die man dir bietet." erinnert er mich, aber der Punkt ist nicht verhandelbar. Ich werde den Teufel tun und mich an den Kläffer wenden. Das würde meine Demütigung vollkommen machen. Ausgerechnet ihn um Hilfe zu bitten, nein, das kommt nicht in Frage. Der Köter würde sich sicher an meiner Lage weiden. Ja, ich sehe ihn direkt vor mir wie er sich vor lachen den Bauch hält und mit dem Finger auf mich zeigt. Entschieden verschränke ich die Arme vor der Brust. "Ich diskutiere nicht über diesen Punkt." erkläre ich ernst und Devlin zuckt mit den Schultern. "Du musst es wissen." sagt er. "Aber für den Fall der Fälle wäre es doch nicht schlecht... Ich könnte Tea anrufen und..." "NEIN!" falle ich ihm ins Wort. "Du rufst niemanden an. Es reicht schon, dass du mit in diese Sache gezogen wurdest. Ich verzichte auf den Rest des Kindergartens." Es hat schon gereicht, dass Gardner und Muto bei der Verhandlung anwesend waren. Ich werde es nicht zulassen, dass sie mich jetzt auch noch so sehen. In diesem Zusand. In diesem Aufzug. Das ist zuviel des Guten. Zudem könnten sie mir ohnehin nicht helfen. Bei dieser Angelegenheit hilft kein Herz der Karten und wenn Muto auch nur einmal etwas über das Schicksal vom Stapel lassen würde, würde ich tatsächlich zum Mörder werden. Diese Schmach ertrage ich nicht. Wieder herrscht betretenes Schweigen und ich bin fast schon erleichtert als Bakura´s Handy geht. Ich ahne, dass es der Bote ist, den ich erwarte. Bakura scheint nach einem Blick auf das Display ebenfalls dieser Ansicht zu sein, denn er reicht mir wortlos das Handy und ich melde mich. "Zehn Minuten. Verstehe." Damit ist das Gespräch auch schon beendet. "Wir können gleich aufbrechen." erkläre ich. "Wann geht unser Flug?" Alister blickt kurz auf. "In zwei Stunden." erwidert er. "Gut. Das reicht." Mein Herz schlag beschleunigt sich unwillkürlich. Nicht mehr lange und ich bin in den Staaten, in Mokuba´s Nähe. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis ich meinen Bruder wieder habe. Die Hälfte wäre somit schon einmal geschafft. An ihn ranzukommen dürfte schwierig, aber nicht unmöglich sein. Und für den Fall, dass es mir nicht so leicht gelingen wird ihn aus den Händen dieses Wheeler´s zu befreien, nun, dann tritt Plan B in Kraft. Alister sagte, dieser Wheeler habe einen Sohn. Nun gut, sollte es mir nicht gelingen Mokuba zu entführen, dann werde ich mir eben Wheeler Junior schnappen. Nach all dem was ich bislang unternommen habe, dürfte es auf ein Verbrechen mehr oder weniger nicht mehr ankommen und eine kleine Erpressung kann ab und an mehr als nützlich sein. Zudem ist mir augenblicklich jedes Mittel recht, um an mein Ziel zu kommen. Kapitel 16: Offene Worte ------------------------ "Hey Joey." Mokuba lächelt, dennoch bin ich nicht sicher wie ich seine Stimmung einschätzen soll. Gerade hat Victor ihn nach Hause gebracht, sein erster Schultag ist zu Ende und ich bin gespannt, was er mir zu erzählen hat. "Na, wie war´s?" platzt es auch schon aus mir raus. Er zuckt mit den Schultern. "Ok." befindet er und ich sehe ihn abschätzend an. "Ok?" wiederhole ich. "Sonst gibt es nichts zu sagen?" Ich lächele ihn aufmunternd an. Er zuckt mit den Schultern. "Hast du dich wenigstens einigermaßen wohl gefühlt?" will ich wissen. "War man nett zu dir?" Es dauert einen Moment bis er antwortet. Dann nickt er leicht. "Ja, es war ok. Die Lehrer waren recht nett." Er folgt mir in die Küche und ich gehe zum Kühlschrank. "Hunger?" frage ich, aber er schüttelt den Kopf. "Ich habe in der Schule gegessen." erklärt er und ich nicke. "Was ist mit dem Unterricht? Deinen Mitschülern?" hake ich weiter nach während er sich auf einem der Hocker niederlässt. Wieder scheint er einen Moment zu überlegen bis er antwortet. "Der Unterricht ist... lockerer." Bei ihm klingt das kritisch, fast schon verwerflich und ich muss grinsen. "So kann man es ausdrücken." stimme ich zu und nehme ihm gegenüber Platz. "Hast du dich schon mit jemandem angefreundet?" Wieder zögert er. Dann zuckt er mit den Schultern. "Ein paar der Jungs haben mich ausgefragt. Wollten wissen, wie es in Japan so ist." meint er schließlich. "Die Fragen waren teilweise wirklich seltsam." Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht und ich nickt verstehend. "Ich kann´s mir denken." erwidere ich grinsend. "War bei mir nicht anders. Die Amerikaner scheinen recht merkwürdige Vorstellungen von Japan zu haben. Einmal wurde ich ernsthaft gefragt ob es die Power Ranger wirklich gibt." Mokuba starrt mich eine Sekunde fassungslos an, dann lachen wir beide lauthals los. "Was hast du gesagt?" will er wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Was wohl? Dass ich selbst einer war." erwidere ich und er wirft mir einen dieser Typisch-Joey-Blicke zu. "Hey, stimmt doch auch irgendwie. Immerhin habe ich mehrmals geholfen die Welt zu retten." rechtfertige ich mich gespielt ernst und er grinst. "Wenn´s danach geht, bin ich auch ein Power Ranger." meint er dann vergnügt und wieder lachen wir los. "Denkst du, du kannst es dort aushalten?" frage ich schließlich. Er nickt. "Werde ich wohl auch müssen, oder?" Ich erwidere nichts darauf und das ist auch nicht nötig. "Weißt du, was ich mir überlegt habe?" Er sieht mich fragend an. "Wir müssen dir noch ein paar Sachen besorgen, ich meine nicht nur zum anziehen. Dein Zimmer ist so kahl und ich will, dass du dich wohl fühlst. Ich weiß, es ist nicht dein Zuhause, aber naja... " Ich zucke unsicher mit den Schultern und er scheint über den Vorschlag nachzudenken. "Wie war es denn bei euch? Ich meine, ich hab dein Zimmer nie gesehen." Wieder überlegt er und zuckt dann mit den Schultern. "Seto hat eine Innenausstatterin bestellt und gesagt, sie solle tun was ich sage." erwidert er knapp und ich lache. Typisch Kaiba. Ich kann mir die Szene direkt vorstellen. "Dein Bruder ist schon ein außergewöhnlicher Härtefall." befinde ich immer noch lachend. Mokuba grinst. "Ja, Seto ist recht speziell." entgegnet er und seufzt. "Ich weiß, dass er immer so dominant und kalt wirkt und naja, das ist er auch irgendwie, aber das hat eben mit unserem Adoptivvater zu tun und es ist schwer für ihn diese Maske abzulegen." Ich nicke unwillkürlich. "Ich kann es mir vorstellen. In seiner Welt muss man wohl auch eine harte Schale haben. Das merke ich auch mehr und mehr. Anfangs bin ich offen und ehrlich auf jeden zugegangen, so wie ich es immer getan habe, aber wenn man erst einmal hinter die Kulissen blickt, merkt man schnell, dass man von Heuchlern und Speichelleckern, umgeben ist und es ist schwer dann noch jemandem vertrauen zu können." meine ich nachdenklich und er sieht mich interessiert an. Also fahre ich fort damit zu erzählen. "In der Geschäftswelt herrscht ein eigener Ton. Man lächelt sich zwar an und schüttelt sich die Hände, aber das alles sind nur leere Floskeln und das Lächeln ist im Grunde niemals echt. Man ist gezwungen eine Rolle zu spielen, ob man will oder nicht." Ich zucke mit den Schultern. Mokuba scheint mir aufmerksam zuzuhören. "Ich weiß auch nicht, mir kommt das teilweise seltsam vor, ich verstehe es auch nicht so ganz, aber es ist das System und wenn man nicht mitspielt, dann ist man schnell draußen." "Und wie machst du das?" will er wissen. Ich überlege kurz. "Naja, ich spiele meine Rolle. Gut, ich heuchle nicht und ich versuche auch weitgehend ich selbst zu bleiben, aber auch ich lächele ab und an jemanden an, den ich am liebsten anspucken würde und es ist auch nicht gerade leicht mit Mitarbeitern zu reden, die doppelt so alt sind wie ich. Ich kann mir daher echt vorstellen, dass die Kaiba Corp. zu leiten für deinen Bruder ein Knochenjob war... Ich bin nur der Sohn des Chefs, aber ich sehe wie die Leute mich ansehen. Sie erwarten, dass ich Fehler mache und freuen sich teilweise hämisch darüber. Sie belächeln mich auch manchmal, weil ich noch so jung bin und es war schwer, bis man mich erst einmal ernst genommen hat." Mehr als schwer. Anfanges hatte ich das Gefühl, dass die Leute mich für einen blöden blonden Chaoten halten, für das was ich eigentlich auch war bevor ich hier her gekommen bin und dass sie mir nur Respekt entgegen brachten, weil ich eben Joey Wheeler bin. Manchmal hätte ich gerne alles hingeworfen, so mies fühlte ich mich, doch ich habe die Zähne zusammen gebissen und durchgehalten. Joey Wheeler gibt schließlich niemals auf. "Seto hatte es auch nicht leicht. Der gesamte Aufsichtsrat ist so alt, dass sie alle seine Väter sein könnten und sie haben am Anfang auch gelacht als er meinte, dass er eine Spielefirma gründen möchte. Sie dachten alle, das Ganze nur ein paar Wochen andauern würde. Aber Seto hat sich reingehängt und es ihnen bewiesen, aber... " Mokuba hält kurz inne und senkt den Blick. "Aber er musste es ihnen immer wieder beweisen. Deshalb hat er auch so hart gearbeitet. Er meinte, er müsse doppelt so hart arbeiten und dürfe keine Fehler machen, denn nur so könne er seine Position stärken und die Leute würden ihn respektieren." Ich nicke nachdenklich. Ja, genauso sieht es auch tatsächlich aus. Man muss mehr als sein Bestes geben, wenn man in dieser Position ist. Nach meinen ersten Erfahrungen in der Firma, konnte ich Kaiba auch weitaus besser verstehen als früher und ich musste ihm auch Respekt zollen ob ich wollte oder nicht. "Aber im Gegensatz zu dir, konnte Seto nie abschalten." höre ich Mokuba sagen und sehe ihn etwas erstaunt an. "Ich meine, du wirkst jetzt so locker, so normal..." Er lächelt mich kurz verlegen an. "Du gehst einkaufen, spielst mit mir... Das konnte Seto nicht. Er war immer in der Rolle des CEO, hat sie nie abgelegt, so als hätte er Angst, es könnte überraschend jemand auftauchen und sehen, dass er doch ein ganz normaler Jugendlicher ist." Kaiba und ein ganz normaler Jugendlicher. Ich verkneife mir einen Kommentar. Kaiba war nie ein normaler Jugendlicher und Mokuba weiß das insgeheim auch, denke ich. Aber ich verstehe was er meint. Kaiba´s Anspruch an sich selbst ist so hoch, dass er den Anspruch, den sein Adoptivvater an ihn stellte, übertrifft. Er wollte immer in allem der Beste sein. Ein Übermensch ohne jeden Makel, jede Schwäche, der perfekt funktioniert in einer unperfekten Welt. Ein Schauder läuft mir über den Augen bei dem Gedanken. Ich sehe ihn erneut vor mir: die kerzengerade Haltung, die makellos sitzende Kleidung und Frisur und die regungslose, kühle Mimik, die sich jedes Lachen versagt und schließlich die eisigen Augen, die es schaffen mit einem Blick gestandene Männer in die Knie zu zwingen. Ich habe es selbst erlebt. Kein Lehrer konnte diesen Blicken stand halten ohne wegsehen zu müssen. Ich nannte sie immer Todesblicke und gab ihnen sogar verschiedene Abstufungen, Kältegrade. Ich glaube, ich bin der Einzige, der es vermochte ihm in die Augen zu sehen ohne zusammen zu zucken und selbst mir lief jedes Mal ein Schauder über den Rücken, wenn er mich ansah. Aber irgendwann hatte ich den Bogen raus, konnte an der Farbe seiner Augen genau abschätzen wie seine Laune gerade war und somit erkennen wann es gesünder für mich war, einen Bogen um ihn zu machen. "Unser Adoptivvater hat ihn verändert." höre ich Mokuba erzählen. "Früher war Seto ganz anders. Er hat oft mit mir gelacht und er war... Aber Gozaburo hat ihn zerbrochen, etwas in Seto kaputt gemacht und egal was ich auch versucht habe, ich konnte es nicht reparieren. Seto machte jedes Mal dicht." Der Kleine schluckt und ich hoffe innerlich, dass er nicht mehr anfängt zu weinen oder noch schlimmer, dass er wieder denkt, dass er an allem Schuld sein. "Es ist wahrscheinlich schwer für ihn, die Erinnerungen an Gozaburo zu verarbeiten. So etwas prägt einen sehr. Ich weiß wovon ich rede." sage ich und Mokuba wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich seufze. Über das Thema rede ich nicht gern, aber augenblicklich habe ich das Gefühl, dass ich es nicht nur kann, ohne dass gleich wieder dieses unbehagliche Gefühl da sein wird und auch, dass es der Sache dienlich ist. Mit meinen Freunden habe ich nie groß darüber gesprochen, eigentlich habe ich mit niemandem gesprochen. "Mein Stiefvater war alles andere als einfach. Zwar bei weitem nicht vergleichbar mit Gozaburo, aber naja... es kam oft genug vor, dass er betrunken war und dann..." Ich zucke mit den Schultern. "Anfangs habe ich den Fehler immer bei mir gesucht und ihm auch geglaubt, dass ich selbst Schuld bin. Dann habe ich mich bemüht, beim nächsten Mal alles richtig zu machen... aber ich konnte es nie richtig machen. Im Gegenteil. Egal was ich tat, immer war es falsch." Mokuba nickt langsam und mustert mich erneut. "Ich hab mir ständig Ausreden einfallen lassen, habe sogar meine Freunde belogen, obwohl sie eigentlich ahnten was los war, aber ich konnte einfach nicht darüber reden und habe auch immer geblockt, wenn Yugi oder Tea was zu sagen versucht haben. Irgendwie habe ich versucht es zu verdrängen, als wäre es nie passiert. Ich schätze, dein Bruder macht es ähnlich, nur auf seine Weise." Ich lächele dem Kleinen zu und er nickt. Unwillkürlich muss ich wieder an Kaiba denken. So seltsam es auch ist, bei näherer Betrachtung haben wir doch mehr gemein als man auf den ersten Blick meinen sollte. Ich habe eine Ahnung davon, was er bei seinem Adoptivvater durchstehen musste und ich kenne Kaiba´s Stolz. Auch darin sind wir uns ähnlich, auch wenn er es vermutlich nie so sehen würde. "Ich hoffe, dass Seto irgendwann mit unserer Vergangenheit abschließen kann. Genau wie du es geschafft hast." vernehme ich Mokuba´s ernste Stimme. "Ich bin sicher, dass er es irgendwann schafft." meine ich ehrlich und mir fällt plötzlich wieder diese Auktion ein. Kaiba, der seine geliebten Karten verkauft. Etwas, dass bisher kaum ihn mein Bild von ihm gepasst hat, aber im Grunde ist es durchaus logisch. Wenn er tatsächlich Geld braucht, dann ist dies wohl einer der beste Wege. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass es ihm alles andere als leicht gefallen sein muss. Aber vielleicht fiel es ihm doch leicht, immerhin geht es um Mokuba und sein Bruder steht über allem. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, dem Kleinen davon zu erzählen, doch ich halte es für klüger es nicht zu tun. Es würde ihn nur unnötig beunruhigen und nach seinem Ausbruch neulich möchte ich das keineswegs riskieren. Wir sitzen immer noch schweigend am Tisch als das Telefon geht. Ich stehe auf und gehe zur Station und einen Augenblick später vernehme ich auch schon Tea´s Stimme. "Hallo Joey, ich hoffe, ich störe nicht..." fängt sie an. Ich unterbreche sie unhöflicherweise und versichere ihr, dass das keineswegs der Fall ist. "Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?" will ich wissen und sehe, dass Mokuba mir aus der Küche gefolgt ist und mich hoffnungsvoll ansieht. "Yugi und ich waren heute bei Roland." erzählt Tea und ich fühle wie sich mein Herzschlag beschleunigt. "Wir haben ihm erzählt, dass Mokuba bei dir ist und er war erleichtert. Du sollst den Kleinen von ihm grüßen. Er hat sich auch wahnsinnige Sorgen gemacht. Wahrscheinlich wird er sich auch versuchen bei dir zu melden." Ich nicke. "Das sind endlich mal gute Nachrichten. Und weiß er wo Kaiba steckt?" "Nicht ganz. Kaiba hat ihm nur gesagt, dass er verschwinden müsste. Wohin genau er ist, weiß Roland nicht, aber er hat ihm eine Handynummer gegeben, unter der er ihn erreichen könnte, bislang allerdings ohne Erfolg, denn das Handy ist ausgeschaltet." Ich seufze und Mokuba sieht mich besorgt an. Ich werfe ihm schnell einen beruhigenden Blick zu. "Aber sobald er ihn erreicht hat, wird er ihm sagen, dass Mokuba in Sicherheit ist. Er schätzt, dass Kaiba sich selbst bald bei ihm melden wird. Roland sollte auch ein paar Finanzangelegenheiten für ihn klären." fährt Tea aufgeregt fort. "Und wie es aussieht ist Kaiba nicht allein auf der Flucht." "Was soll das heißen?" frage ich irritiert. "Bakura ist bei ihm. Zumindest war Bakura mit bei Kaiba als dieser ihm von seinem Vorhaben, zu verschwinden mitgeteilt hat und Roland meint, dass er ihn begleiten wird. Die Handynummer ist übrigens die von Bakura." "Bakura." wiederhole ich und kassiere einen fragenden und mehr als ungeduldigen Blick von Mokuba. "Naja... nicht unbedingt ein Dreamteam, aber immerhin ist er nicht alleine, ich schätze, dass ist dann doch irgendwie beruhigend." "Denke ich auch." bestätigt Tea. "Yugi meinte auch, dass es ihn ein wenig beruhigen würde. Man kann über Bakura ja sagen was man will, aber im Ernstfall kann man auf ihn zählen. Ich frage mich allerdings, was dazu geführt hat, dass die Beiden zusammen los sind." Ich überlege kurz. "Das kann ich mir auch nicht erklären, aber es ist auch egal. Hauptsache ist, dass Roland schon mal Bescheid weiß und Kaiba beruhigen kann." erwidere ich. "Gibt es was neues von den Mordermittlungen?" "Eigentlich nicht. Die Polizei tappt immer noch im Dunkeln. Ryou meldet sich aber sobald es was neues gibt." antwortet Tea und ich nicke. "Naja, besser keine News als schlechte." befinde ich. Tea und ich tauschen die allgemeinen Floskel aus und ich gebe ihr auch kurz Mokbua. Der Kleine brennt darauf zu erfahren was Roland gesagt hat und scheint auch sichtlich froh zu sein eine weitere vertraute Stimme zu hören. Derweil denke ich über das Gesagte nach. Bakura und Kaiba.... Ich frage mich, wie es zu diesem Duo gekommen ist. Bislang verkehrten die Beiden nicht unbedingt auf freundschaftlichem Fuße, aber mit wem tat das Kaiba auch schon? Aber dass er ausgerechnet mit diesem Dieb losziehen würde? Nun, er wird schon seine Gründe haben, wie ich Kaiba kenne. Ich hoffe nur, dass Bakura sein Handy bald mal wieder anschaltet. Doch wenigstens haben wir ein bisschen was erreicht. Kapitel 17: Abstruse Gedankengänge ---------------------------------- Ich fühle mich mehr als seltsam in diesen albernen Klamotten und dass ich tatsächlich in diesem Aufzug am Flughafen von Tokio stehe, kann ich selbst noch nicht ganz fassen. Ständig habe ich das Gefühl, dass man mich von der Seite ansieht und ein paar Mädchen gehen auch kichernd und errötend an mir vorbei. Ich werfe ihnen einen skeptischen Blick zu und Bakura grinst. "Die halten dich wohl für irgendeinen Rockstar." meint er und ich verdrehe die Augen. Dann wende ich mich an Alister und reiche ihm ein Bündel Scheine. "Du gehst die Tickets abholen." dirigiere ich und der Rothaarige sieht mich einen Moment feindselig an. "Bin ich dein Laufbursche?" fragt er und ich werfe ihm einen kalten Blick zu. "Augenblicklich bist du derjenige von uns, der am wenigsten auffällt." erkläre ich und er seufzt. Setzt sich dann jedoch in Bewegung und ich verziehe mich mit Bakura in eine Ecke. "Bislang läuft doch alles recht gut." meint der Weißhaarige und ich nicke leicht. Mein Blick wandert durch die Menge, die umher schwirrt wie aufgescheuchte Ameisen. Die Wahrscheinlichkeit in dem Trubel hier entdeckt zu werden ist gering, denn doch werde ich mich erst etwas entspannen können, wenn ich im Flieger sitze. "Mit dem Gepäck müssen wir uns auch nicht lange aufhalten..." fährt Bakura fort und erneut nicke ich nur. Ich hoffe insgeheim, dass Alister die Tickets ohne große Probleme gekommen wird. Der falsche Pass ist gut und nachdem Devlin mich umgestylt hat, dürfte ma mich auch nur bei näherer Betrachtung erkennen. So gesehen war dieses alberne Vorhaben doch nicht so zwecklos, auch wenn ich mich unbehaglich fühle. Mit den Gedanken bereits im Flieger und bei der nächsten Phase meines Plans, überrascht es mich als Bakura mich plötzlich hart packt und ohne jede Vorwarnung gegen die Wand drückt. Mein Hinterkopf prallt schmerzhaft gegen den Beton und ich will den Weißhaarigen gerade fragen was diese Aktion soll als er auch schon seine Lippen auf meine presst. Mein erster Impuls ist ihn von mir zu stossen, aber die Überraschung ist so groß, dass meine Gliedmaßen nicht reagieren wollen und so reiße ich nur die Augen auf. Ein Keuchen entringt sich meiner Kehle und ein unerwartetes Gefühl lähmt mich für einen Moment. Der Dieb erdreistet sich sogar seine Hand auf meine Schulter zu legen und meine Gedanken überschlagen sich. Gerade als ich wieder annähernd in der Lage bin, zu reagieren, sehe ich aus dem Augenwinkel eine Traube Polizisten an uns vorbei gehen. Instinktiv schließe ich die Augen. Was allerdings keine so gute Idee ist, denn nun bin ich gezwungen zu fühlen. Weiche Lippen liegen auf meinen und ich spüre seinen warmen Atem in meinem Gesicht. Schockiert stelle ich fest, wie seine Zunge sich zwischen meine geschlossenen Lippen drängen will und obgleich ich sie fester zusammen pressen möchte, geben sie dem sanften Drängen nach. Wieder keuche ich auf, fassungslos über diese dreiste Überrumplung, auch wenn ich mir nun denken kann welchem Zweck sie dient. Gerade als ich mich darauf einstelle, eine fremde Zunge, noch dazu Bakura´s Zunge, in meinem Mund zu haben, ist es auch schon wieder vorbei und der Weißhaarige löst sich mit einem Grinsen von mir. Ich starre ihn einen Moment entrüstet an und ringe nach Luft. Bevor ich etwas sagen kann, vernehme ich seine Stimme und er klingt zu meiner Überraschung unerwartet heiser. "Hm..." macht er und legt den Kopf schief. "Das wollte ich die ganze Zeit schon einmal probieren." Eigentlich sollte ich Bakura und seine Sprüche inzwischen zur Genüge kennen, um von so einer impertinenten Äußerung nicht überrascht zu sein, aber mit solch einer Bemerkung hatte ich keineswegs gerechnet. Ich räuspere mich und versuche mich etwas von ihm zu entfernen, um wieder eine angebrachte Distanz zwischen uns zu schaffen. Er lächelt mich noch immer an und leckt sich dann auch noch mit der Zunge über die Lippen. Das ist eindeutig zu viel für mich. Aber ich schaffe es im letzten Augenblick, die Kontrolle über meine Reaktionen zurück zu gewinnen und ihn nicht am Kragen zu packen. Stattdessen zische ich ihn wütend an. "Beim nächsten Ablenkungsmanöver behältst du deine Zunge bei dir!" herrsche ich ihn an und könnte mir im nächsten Augenblick an den Kopf schlagen, als mir gewusst wird, was ich da gesagt habe. Bakura grinst und ich werfe ihm einen warnenden Blick zu. Er setzt bereits zu einer Erwiderung an und ich ahne nichts gutes, als plötzlich Alister neben uns auftaucht. "Auftrag erfolgreich erleidigt." verkündet er, aber ich bin nicht in der Lage meinen Blick von Bakura zu wenden. Noch immer starre ich den Weißhaarigen an und meine Lippen prickeln seltsam. Herrje, ich hoffe inständig, dass meine Gesichtsfarbe nicht meine Verlegenheit widerspiegelt. "Was ist los?" fragt Alister auch schon und wirft uns einen skeptischen Blick zu. Bakura ist es, der ihm antwortet und ein Teil von mir ist froh darüber, denn ich brauche noch einen Moment, um mich wieder zusammeln. "Alles Bestens. Dann können wir ja einchecken?" Alister nickt und reicht dem Dieb und mir jeweils einen Umschlag. Ohne Bakura anzusehen, gehe ich an ihm vorbei und höre, dass die Beiden mir folgen. War mir vorher schon ungehaglich zumute, jetzt hat sich das Gefühl verdreifacht, aber ich wäre nicht Seto Kaiba, wenn es mir nicht gelingen würde, mich wieder zu fassen. Als wir zum Kontrollpunkt kommen, ist meine Mimik wieder eine regungslose Maske und mein Herzschlag geht auch wieder in einem natürlichen Tempo. Dennoch vermeide ich es den Weißhaarigen anzusehen. Obgleich ich nicht wirklich etwas anderes erwartet aber, verläuft alles genauso wie ich es mir gedacht habe. Wir werden routiniert kontrolliert und dann ist auch schon der einzige kritische Moment vorbei und wir dürfen in die Wartehalle. Keiner von uns sagt ein Wort, wahrscheinlich sind wir alle drei bis zu einem gewissen Grad angespannt und nach Bakura´s Aktion gerade, verspüre ich ohnehin nicht die Lust, mit ihm zu reden. Trotzdem kann ich nicht umhin an das gerade passierte zu denken. Natürlich weiß ich, dass es nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver war und der Weißaarige seine Zunge wohl nur zum Einsatz brachte, um mich zu schocken. Inzwischen kenne ich seine Vorstellung von Spaß etwas und da er ohnehin stets das Bedürfnis hat mich zu provozieren, stufe ich seine Tat auch als einen weiteren Versuch auf seiner Liste ein, mich aus der Fassung zu bringen, was ihm, das muss ich mir schändlicherweise eingestehen, auch gelungen ist. Doch damit hat es sich auch schon. Ich werde nicht noch mehr in diese Sache hineininterpretieren und ich bin keineswegs gewillt weiterhin darüber nachzudenken. Herrje, es war schließlich keinesfalls mein erster Kuss. Wenn überhaupt, dann nur der erste Kuss mit einem Mann, was auf Bakura, so wie ich seinen Umgang mit Devlin beobachtet habe, nicht zutreffend sein dürfte. Doch das tut keineswegs etwas zur Sache und ich ärgere mich darüber, dass ich überhaupt über diesen Unsinn nachdenke. "Gleich sind wir im Flieger." vernehme ich Alisters Stimme und merke jetzt erst wie angespannt der Jüngere ist. Ich nicke nur, verspüre allerdings auch so etwas wie Erleichterung als ich den Weg zur Maschine antrete. Im Grunde kann jetzt nichts mehr schief gehen. Die Stewardes nimmt mit einem künstlichen Lächeln mein Ticket entgegen und weist mir den Weg. Ich nicke ihr knapp zu und hoffe für einen törrichten Moment, dass Alister zwischen Bakura und mir sitzen wird, doch dem ist nicht der Fall. Der Weißhaarige nimmt in der Mitte Platz und für einen kurzen Augenblick verspüre ich wieder dieses leichte Unbehagen. Ich schüttele leicht den Kopf und ermahne mich damit aufzuhören, über diesen erbärmlichen Dieb nachzudenken. Das ist doch lächerlich. Ein Seto Kaiba lässt sich doch nicht durch so etwas aus der Bahn werfen, zumal es wichtigeres gibt über das ich nachdenken sollte. In ein paar Stunden bin ich in New York. Ich muss meine Gedanken auf das Wesentliche lenken. Mokuba. Ich hoffe inständig, dass es ihm bei diesem Wheeler gut geht. Noch mehr hoffe ich allerdings, dass ich meinen Bruder bald wieder in meine Arme schließen kann. Zumindest habe ich bereits einen vagen Plan was die weitere Vorgehensweise anbelangt. Als der Kapitän die Durchsage macht, dass wir nun starten werden, atme ich kurz erleichtert auf und Bakura lächelt mich von der Seite an. "Entspann dich, die nächsten Stunden über kann nichts mehr schief gehen." raunt er mir zu und ich werfe ihm einen kühlen Blick zu. "Danke für den Hinweis." zische ich zurück und er lacht. Im nächsten Augenblick stoßen unsere Ellenbogen auch schon gegeneinander und wieder treffen sich unsere Blicke. Er mustert mich und wieder liegt dieses undefinierbare, leicht amüsierte Funkeln in seinen Augen. Ich bemühe mich ihn kühl anzusehen und muss zu meinem Verdruß plötzlich an die Art denken, wie er sich von Devlin verabschiedet hat, nachdem dieser uns zum Flughafen gefahren hatte. Sie hatten sich nicht geküsst, aber für einen Augenblick hatte der Dieb den Schwarzhaarigen am Nacken gepackt, relativ roh, wie es mir erschien. "Was ist das eigentlich zwischen Devlin und dir?" rutscht es mir da auch schon raus und ich presse schlagartig die Lippen auf einander. Ganz toll. Genau das was ich eigentlich nicht fragen sollte, was ich nicht einmal wirklich wissen will. Bakura´s Grinsen wird breiter. "Ach, das interessiert dich also?" fragt er spöttisch zurück und ich weiß, dass es nichts bringt zu leugnen. Ich zucke mit den Schultern. "Reine Neugierde." entgegne ich und wir beide wissen, dass es nicht ganz der Wahrheit entspricht, aber es ist die einzige Antwort, die es halbwegs vermag, dass ich mein Gesicht wahren kann. Dabei weiß ich nicht einmal warum es mich überhaupt interessiert. Es kann mir doch egal sein, was die Beiden miteinander treiben. Es geht mich auch nichts an. Bakura mustert mich einen Moment und fast rechne ich schon mit einer weiteren dreisten Bemerkung, doch er verkneift sie sich. "Duke und ich hatten eine Zeit lang viel Spaß miteinander." meint der Weißhaarige schließlich und ich nicke nur. Ich kann mir denken, welche Art von Spaß er meint, auch wenn es mich ein wenig überrascht, dass ausgerechnet er und Devlin... Gut, bei Devlin überrascht es mich nicht unbedingt, dass dieser sich auch mit dem eigenen Geschlecht vergnügt. Den Eindruck hatte ich schon immer. Kein Wunder bei dem Aufzug des Würfelfreaks, aber bei Bakura... Ihn hätte ich keineswegs so eingeschätzt, allerdings mache ich mir für gewöhnlich auch keinerlei Gedanken über die sexuelle Orientierung anderer. "Geschockt?" fragt der Weißhaarige mich spielerisch und ich schüttele den Kopf. "Keineswegs." entgegne ich ernst und er wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Wieder unterzieht er mich einer leichten Musterung und ich frage mich, was er wohl gerade denkt. Dieses Mal jedoch habe ich mich gänzlich unter Kontrolle und denke auch nicht daran, mir diese durch irgendeinen aberwitzigen Kommentar seinerseits wieder nehmen zu lassen. "Was ist mit dir?" will er nach kurzem Schweigen wissen. "Was soll mit mir sein?" frage ich zurück obgleich ich natürlich weiß worauf er anspielt, aber ich möchte keine Unterhaltung über dieses Thema mit ihm führen. Ich rede nicht über solche Dinge. Mein Privatleben geht niemanden etwas an. "Na, gibt es jemanden in deinem Leben? Jemanden, mit dem du Spaß hast." Dieses Funkeln in seinen Augen irritiert mich nur für den Bruchteil einer Sekunde und auch wenn ich den Verlauf dieser Unterhaltung keineswegs schätze, werde ich es nicht zulassen, dass er mich dieses Mal überrumpelt und die Oberhand gewinnt. "In meinem Bett meinst du wohl? Warum interessiert dich das?" frage ich zurück. Was Bakura kann, kann ich schon lange. Er zuckt mit den Schultern. "Reine Neugier?" erwidert er dann süffisant und ich sehe ihn eisig an. "Einfach so." Ich weiß, welche Antwort er erwartet. Er rechnet damit, dass ich ihn anzische und etwas wie "Geht dich nichts an." von mir gebe, was zeigen würde, dass ich dieser Art von Konversation aus dem Weg gehen will. Und diesen Triumph will ich ihm keineswegs gönnen. Nicht Bakura. Er hat mich in den letzten 24 Stunden schon genug verärgert durch seine Kommentare. "Nein." entgegne ich schließlich wahrheitsgemäß. "Ich habe keine Zeit für solche Dinge." Bakura´s Augen weiten sich gespielt erstaunt. "Für so etwas sollte man immer Zeit haben, Kaiba." entgegnet er und ich verdrehe die Augen. "In deiner Welt vielleicht, Dieb." kontere ich und muss mir selbst eingestehen, dass meine Erwiderungen auch schon einmal besser waren. Zudem weiß er genau, dass dies nicht gerade ein Gebiet ist, auf dem ich mit hervorragenden Fähigkeiten glänzen kann. Eine Weile sehen wir uns schweigend an. Ein stummes Duell und ich zwinge mich dazu den Blickkontakt aufrecht zu erhalten. Dann wechselt er zu meiner Überraschung das Thema. "Ich schage vor, wir suchen uns in New York als erstes eine passende Unterkunft." meint er und ich nicke automatisch. "Dann werde ich diesem Wheeler einen Besuch abstatten, um die Lage auszukundschaften." Wieder nicke ich. Genauso hatte ich mir die weitere Vorgehensweise vorgestellt. Ich bezweifle, dass man die Fahnungung nach mir auf die Staaten ausgedehnt hat, zumal man mich nach den letzten Meldungen noch in Europa vermutet. Dennoch scheint es mir besser, Bakura die Aufgabe zu überlassen, sich die Lage genauer anzusehen. "Hast du einen Alternativplan falls es nicht möglich sein sollte, Mokuba einfach mitzunehmen?" will er wissen und aus irgendeinem Grund nicke ich. Bakura scheint keineswegs überrascht. "Lass mich raten... Wir schnappen uns stattdessen Wheeler´s Sohn." meint er keck und ich grinse. "Du bist gut, Watson." befinde ich und er grinst. "Reines logisches Denken." erwidert er und nun beugt sich Alister vor, der bislang schweigend daneben gesessen hat. "Stellt euch das mal nicht so einfach vor." gibt er zu Bedenken, aber Bakura winkt ab. "Ach was, mit so einem Millionärsbürschen werde ich spielend fertig." meint der Weißhaarige und Alister sieht ihn zweifelnd an. "Willst du ihm einfach eins überziehen und dann... " Bakura zuckt mit den Schultern. "Zum Beispiel. Abwarten. Sehen wir uns die Lage erst einmal an. So oder so... wir werden eine Menge Spaß haben, meine Lieben." Er zwinkert mir zu. Ich schüttele leicht den Kopf, kann aber nicht umhin zu lächeln. Auch wenn ich seine Art von Spaß nicht wirklich teile, seine Art die Dinge zu betrachteten hat was für sich. Auf eine merkwürdige, verstörende Weise zumindest. "Allerdings sollten wir erst einmal die Rückzugsmöglichkeiten sicherstellen." bemerke ich und Bakura nickt. Dann trifft mich wieder sein Blick. "Na, sind wir nicht ein Dreamteam, Kaiba?" fragt er und augenblicklich fällt mir wieder Devlin´s unangebrachte Bemerkung ein. "Da haben sich scheinbar zwei gesucht und gefunden." Ich schlucke leicht, dann lehne ich mich in meinem Sitz zurück und beschließe die Beiden für den Rest des Fluges zu ignorieren und keinesfalls, unter keinen Umständen weiterhin über Bakura, seine impertinenten Äußerungen und diesen Kuss nachzudenken. Ich bin schließlich kein pubertierender Teenager, der wegen solch einem Unsinn, den Verstand verliert. Der Weißhaarige ist ein Despot, nichts weiter. Augenblicklich ist er für mein Vorhaben nützlich, anderweitig hege ich weder Interesse an ihm noch an seiner Gesellschaft. Seltsamerweise kommt mir im nächsten Augenblick auch noch der Köter in den Sinn. Warum musste Devlin ihn auch erwähnen? Seit Jahren bemühe ich mich den Streuner aus meinen Gedanken zu verbannen und jetzt muss ich mir in Erinnerung rufen, dass dieser Kläffer ebenfalls in den Staaten ist. Für einen perfiden Augenblick glaube ich fast seine Stimme zu hören. "Dich mach' ich so fertig, Kaiba, das du nicht mehr weißt, ob du Männchen oder Weibchen bist!" Wie oft hatte er mir damit gedroht? Und jedes Mal habe ich den Boden mit ihm gewischt, doch der Köter konnte es einfach nicht lassen. Vor dem Abschluss musste er mich sogar nerven, mich auf ein letztes Duell mit ihm einzulassen. Eine Woche lang hin er mir damit in den Ohren bis ich ihm schließlich die Gelegenheit gegeben habe, erneut gegen mich zu verlieren. Haushoch, wenn ich mich recht erinnere, was allerdings keine Überraschung war. Unser letztes Duell. Mein letztes Duell. Eines musste man dem Hündchen wirklich lassen, er hat niemals aufgegeben. Gleichgültig wie oft ich ihn niedergemacht habe, jedes Mal stand dieser Kerl wieder auf und versuchte es von neuem. Ich habe mich immer schon gefragt, warum eigentlich. Er wusste doch, dass er keine Chance hatte, warum es also stets auf´s neue versuchen und nur beweisen, dass ich Recht hatte. Aber Katsuya zu verstehen war mir nie gelungen. Seltsam, aber wahr. Wenn ich so darüber nachdenke... Muto war schon ein schwerer Fall mit seinem permanenten Gerede über das Herz der Karten und diesen ägyptischen Hokuspokus, aber seine Motivation konnte ich bin zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Auch die von Gardner, wenn sie mir unablässig mit ihrem Band der Freundschaft in den Ohren lag. Sogar diesen Taylor vermochte ich einzuordnen. Devlin, Ryou... Selbst Bakura ist bei näherer Betrachtung kein wirkliches Mysterium. Aber Katsuya... Nein, unmöglich irgendein logisches System, eine Struktur in seinen Handlungen zu erkennen. Die Variable X, die ich nie ergründen konnte. Ich seufze und schüttele den Kopf. Herrje, was denke ich hier überhaupt? Erst sinniere ich über Bakura und nun über den Köter. Was ist bloß los mit mir? Meine Gedanken sollten zielorientiert sein, ich sollte das Wesentliche im Fokus haben, stattdessen denke ich über alte Zeiten nach, die keinerlei Bedeutung für mich haben. Kapitel 18: Eine Frage des Geschmacks ------------------------------------- So, meine Lieben, leider noch ein kurzes Übergangskapitel, aber wir steuern unaufhaltsam der unvermeidlichen Begegnung zwischen Herrn und Hündchen entgegen. Ich hoffe ihr freut euch genauso darauf wie ich. Und nebenbei bemerkt... ein wenig konstruktive Rückmeldung wäre noch motivierender! Ich geb mir ja auch schließlich Mühe euch nicht zu lange warten zu lassen. ^^ "Joey?" Ich reagiere nicht sofort, liege einfach nur da und starre an die Decke und die Stimme scheint aus weiter Ferne an mein Ohr zu dringen. "Joey?" Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Lucy sich aufrichtet und widerwillig drehe ich meinen Kopf zur Seite, um sie fragend anzusehen. Sie mustert mich und in ihrem Blick liegt ein Hauch Missbilligung. Ihre braunen Haare fallen ihr wie ein Schleier über die nackten Schultern und die kühlen, blauen Augen fixieren mich. "Hm?" gebe ich von mir. "Du bist mit den Gedanken ganz wo anders." bemerkt sie säuerlich und ich versuche gerade ein entschuldigendes Lächeln aufzusetzen, als ich unwillkürlich etwas zusammen zucke. Sie sieht mich verständnislos an, öffnet den Mund, doch im nächsten Augenblick habe ich mich auch schon aufgerichtet. "Was ist denn nur los mit dir?" fragt sie weiter und setzt sich ebenfalls auf, das weiße Lacken fest an den Körper gedrückt. Ich ignoriere sie geflissentlich, fahre mir mit fahriger Hand durch das Haar und versuche den Gedanken, der mir gerade gekommen ist, so weit von mir zu verdrängen wie ich vermag. Was allerdings alles andere als leicht ist. Ich spüre, dass sie mich immer noch ansieht und greife automatisch nach der Packung Zigaretten, die neben mir auf dem Nachttisch liegt. Lucy zischt ungeduldig. "Hättest du die Güte mir zu verraten, was los ist?" fährt sie mich an und ich seufze. "Nichts." entgegne ich knapp. Was sollte ich auch sagen? Dass ich gerade jemand anderen in ihr gesehen habe? Sie würde mich für komplett verrückt halten und zugegeben, dieser Gedanke ist auch mehr als irre. "Sieh mich an." befiehlt sie und es kostet mich Kraft, ihrem Wunsch nachzukommen. Etwas in mir befürchtet wieder diese Fata Morgana zu sehen, die mir gerade diesen schockierenden Streich gespielt hat. Doch als ich den Kopf zu ihr wende, ist es nur Lucy´s Gesicht in das ich blicke. Fast schon erleichtert ziehe ich an meiner Zigarette während sie mich wütend ansieht. "Du benimmst dich echt seltsam." fängt sie von neuem an. "Erst stehst du unerwartet vor meiner Tür und zerrst mich ins Bett und jetzt wirkst du als wärst du gar nicht wirklich hier." Ich erwidere nichts. Ich weiß selbst nicht was in mich gefahren ist. Seit zwei Wochen hatte ich keinen Kontakt mehr mit ihr. Habe mich weder gemeldet, noch hatte ich den Wunsch sie zu sehen. Seit unsere kleine Affäre letztes Jahr so erprubt endete wie sie anfing und wir beide uns im gegenseitigen Einvernehmen, wie man in Amerika so schön sagt, trennten, hatten wir nur sporadisch Kontakt. Hin und wieder waren wir aus, landeten natürlich auch im Bett, aber das war´s auch. Und im Augenblick weiß ich nicht einmal warum ich heute Abend überhaupt zu ihr gefahren bin. Ich erinnere mich daran, dass ich wie ein Verrückter durch die Stadt jagte, Sturm klingelte und doch ein wenig überrascht war als sie tatsächlich öffnet. Ich hatte fast damit gerechnet, dass sie nicht da sein würde. Wortlos habe ich sie geküsst und auch wenn sie im ersten Augenblick überrascht war, ließ sie sich ohne einen Hauch Gegenwehr von mir ins Schlafzimmer drängen. Der Sex mit ihr ist gut, was wohl auch der Grund ist, warum wir uns hin und wieder noch treffen. Sonst verbindet uns schließlich nichts. Sie interessiert mich im Grunde nicht, nichts an ihr interessiert mich und im Nachhinein frage ich mich auch, was ich anfangs an ihr gefunden habe. Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass ihre Augen mich beim ersten Blick in ihren Bann zogen. Ich ziehe weiter ungerührt an meiner Zigarette und am liebsten würde ich aufstehen sobald ich aufgeraucht habe und einfach ohne ein Wort verschwinden. Aber sie ist nicht der Typ, der mir das durchgehen lassen würde. Also zucke ich leicht mit den Schultern. "Sorry, ich habe zur Zeit einfach ne Menge Stress." sage ich und könnte selbst über die Dämlichkeit dieser Aussage lachen. Was für eine bescheuerte Ausrede. Ich weiß, dass sie mir das natürlich nicht abnimmt und auch, dass sie gleich wütend werden wird. "Ach?" fängt sie auch schon an. "Der Herr hat Stress und kommt deshalb mal vorbei, um sich abzureagieren, was?" Ich nicke. "So könnte man es ausdrücken." entgegne ich mit schiefem Grinsen. "Und sag nicht, dass du nicht auch deinen Spaß hattest." Einen Moment funkelt sie mich noch wütend an. Dann faucht sie und schlägt die Bettdecke zurück. "Also wirklich. Du bist unglaublich, Joey Wheeler." meint sie und sucht nach ihren Kleidern, die achtlos über den Boden verteilt sind. "Wenn du nicht so ne Granate im Bett wärst, würde ich dir jetzt eine verpassen." Ich grinse immer noch, ziehe ein letztes Mal an meiner Zigarette und drücke sie dann in dem kleinen Aschenbecher aus. Dann erhebe ich mich auch langsam und tue es ihr gleich. Wortlos ziehen wir uns an und ich verspüre fast so etwas wie Erleichterung als sie das Schlafzimmer als Erste verlässt und ich alleine bin. Einen Moment setze ich mich noch auf das Bett und frage mich, warum zum Teufel ich plötzlich Seto Kaiba´s Gesicht vor mir gesehen habe. Es gibt wohl keinen unpassenderer Moment an Kaiba zu denken, als wenn man kurz nach seinem Höhepunkt neben einer Frau liegt. Wobei... kurz vor dem Höhepunkt wäre sicher noch besorgniseregender. Nichts desto trotz, ich verstehe es nicht und ich bin nicht einmal sicher ob ich es verstehen will. Ich schüttele den Kopf und versuche diese Gedanken aus meinm Hirn zu verbannen, weiß jedoch insgeheim, dass ich diesen Augenblick nicht so schnell werde vergessen können. Es muss daran liegen, dass ich die letzte Zeit so viel über diesen Eisklotz nachdenken muss. Permanent bin ich dazu gezwungen, allein schon wegen Mokuba dessen Anwesenheit mich natürlich allzu deutlich an seinen unterkühlten Bruder denken lässt. Doch das erklärt natürlich nicht, dass ich Kaiba´s Gesicht jetzt schon vor mir sehe. Vielleicht bin ich tatsächlich einfach nur überlastet. "Ach?" höre ich eine bissige kleine Stimme in meinem Hinterkopf. "Und erklärt das auch, dass du heute Abend schon einmal an den Eisklotz denken musstest? Kurz bevor du losgefahren bist?" Ich hasse diese kleine Stimme. Sie meldet sich von Zeit zu Zeit und stets hat sie den Hang sich die unpassendsten Momente für ihre sarkastischen und leider nur allzu wahren Anmerkungne auszusuchen. Auch jetzt kann ich nicht umhin zu ignorieren, dass an den Worten etwas dran ist. Ja, verdammt, ich habe heute Abend schon einmal intensiv an Kaiba denken müssen. Kurz nach meinem Gespräch mit Mokuba als ich alleine an meinem Schreibtisch saß und mir die Auktion über sein Deck angesehen habe. Da sah ich den Eisklotz auch für einen Moment vor mir. In all seiner spöttischen Herrlichkeit. Genau wie früher. Selbstsicher und selbstherrlich grinsend und ich konnte sogar seine Stimme hören. Dieser ruhige, nüchterne Tonfall, eisig schneidend. Aber das hatte nichts damit zu tun warum ich zu Lucy gefahren bin. "Willst du noch was trinken oder verschwindest du gleich?" höre ich ihre Stimme aus dem Nebenzimmer rufen und kehre zurück ins Hier und Jetzt. Ich überlege kurz. Eigentlich möchte ich weg, schnellstmöglich, aber ich habe ihr bereits vor den Kopf gestossen und auch wenn sie hart im nehmen ist, sollte ich vielleicht jetzt etwas von meinem Charme versprühen. Immerhin gedenke ich in Zukunft weiterhin Spaß mit ihr zu haben. Ansonsten ist die Sache zwischen uns schließlich unkompliziert und hätte ich jetzt nicht an Kaiba gedacht, wäre sie es immer noch. Ich schüttele leicht den Kopf und verfluche diesen Eisklotz, aus meinen Gedankenbahnen zu verschwinden. "Gin Tonic, wie immer." rufe ich ihr zu und gehe langsam rüber. Sie steht an der Bar und hat bereits zwei Gläser gefüllt. Mit einem spöttischen Lächeln reicht sie mir eins und wir nicken uns kurz zu. "Was hat es eigentlich mit diesem Kleinen auf sich, den dein Vater zu sich geholt hat?" will sie wissen. Ich bin im ersten Moment erstaunt, dass sie davon weiß, doch in New York sprechen sich Neuigkeiten schnell herum. "Lange Geschichte." entgegne ich knapp und sie nickt. "Stimmt es, dass du ihn von früher kennst?" fragt sie weiter und ich nicke. Ich leere mein halbes Glas mit dem ersten Zug und sie betrachtet mich abschätzend. "Wer ist die Kleine?" frage sie plötzlich und ich sehe sie verständnislos an. "Was meinst du?" Ich stehe wirklich auf dem Schlauch. In den blauen Augen blitzt es kurz auf. "Ach komm schon, Joey, verkauf mich nicht für dumm. Du kannst es mir ruhig sagen." neckt sie mich, aber ich verstehe noch immer nicht so ganz. "Du bist eben wie ein wildes Tier über mich hergefallen. Du bist zwar immer stürmisch, aber das war neu. Also spuck aus, was Sache ist. Welche Kleine setzt dir so zu?" Der Groschen fällt so halb und ich ahne was sie vermutet. Schnell schüttele ich den Kopf. "Es gibt keine Kleine. Ich bin nur..." Ich breche ab und sie lacht. "Sie lässt dich wohl nicht ran. Hm?" sinniert sie weiter. "Schwer zu glauben, normalerweise kriegst du doch jede rum." Ich spüre wie meine Wangen zu brennen beginnen und ich fühle mich wieder wie ein alberner Teenager. Dabei hat sie Recht. Normalerweise habe ich keinerlei Probleme damit ein Mädchen rumzukriegen, auch wenn ich es selten so bezeichne. Aber darum geht es augenblicklich schließlich nicht. "Es gibt niemanden." entgegne ich aufrichtig, aber ihr Blick sagt mir, dass sie mir nicht glaubt. Sie zuckt nur leicht mit den Schultern. "Dann behalt es eben für dich." meint sie und leert ihr Glas. "Hast du Lust am Wochenende mit mir in diesen neuen Club zu gehen?" wechselt sie im nächsten Augenblick auch schon das Thema und ich nicke. "Klar, warum nicht." entgegne ich und bin erleichtert, dass wir zum oberflächlichen Smalltalk übergehen. Ihre Fragen haben mir nicht sonderlich behagt und ich möchte auch nicht über ihre abstrusen Vermutungen nachdenken. Ich nippe noch einmal an meinem Drink, während sie sich lässig auf dem Sofa nieder lässt und mich amüsiert mustert. Irgendetwas an dem Blick behagt mir nicht und ich vermeide es erneut sie anzusehen. Wortlos leere ich mein Glas und stelle es ab. "Ich geh dann jetzt." verkünde ich und sie nickt. Ich gebe ihr noch einen flüchtigen Kuss, wobei ich geflissentlich jeden Blickkontakt vermeide und eile aus der Wohnung. Gott, das ist wirklich zu albern. Ein paar dämliche Fragen und Seto Kaiba schaffen es mich aus der Fassung zu bringen. Ich dachte echt, diese Zeiten hätte ich hinter mir. Kopfschüttelnd begebe ich mich zu meinem Wagen und habe mit einem Mal das Gefühl, dass ich beobachtet werde. Ich werfe einen Blick über die Schulter, aber im Parkhaus ist niemand zu sehen. Wieder schüttele ich den Kopf, steige in mein Auto und stecke den Schlüssel ins Zündschloss. Ich bin wirklich durch den Wind scheint mir. Jetzt bilde ich mir doch tatsächlich schon ein, dass ich beobachtet werde. Diese ganze Geschichte steigt mir zu Kopf. Anders kann ich mir das alles nicht erklären. Ich bin froh, als das Radio anspringt und ich die Tiefgarage fast verlassen habe. Ich spüre wie die Müdigkeit langsam einsetzt und ein Blick auf die Uhr verrät mir auch, dass es bereits nach drei ist. Das heißt ich war fast zwei Stunden bei Lucy. Und verdammt, sie hat Recht. Ich bin über sie hergefallen wie ein Tier. Gut, der Sex zwischen uns ist nie sonderlich langsam und selten kommt es auch zum Vorspiel. Eigentlich kommen wir immer recht schnell zur Sache und gehen auch nie wirklich sanft miteinander um, was die Spuren, die ich nach einem solchen Intermezzo auf dem Rücken habe, eindeutig belegen. Doch dieses Mal war ich tatsächlich impulsiver als je zuvor. Bei genauerer Betrachtung war ich schon mehr als nur schwach erregt als ich losgefahren bin. Ich versuche diesen Gedanken zu verdrängen, doch es ist zu spät. Mein Hirn arbeitet bereits und ruft mir in Erinnerung, dass ich bereits an meinem Schreibtisch eine ziemlich harte Erektion hatte. Einen Augenblick hatte ich mit dem Gedanken gespielt selbst Hand anzulegen, doch dann hatte ich an Lucy gedacht und... tja, der Rest war logisch nachvollziehbar. Ich hatte mir meine Jacke geschnappt und war zum Auto gehastet. Aber mein letzter Sex liegt auch schon eine Weile zurück. Das erklärt wohl mein dringendes Bedürfnis. "Tut es das?" meldet sich sofort wieder die kleine böse Stimme spöttisch und wie immer mit einem perfekten Timing. Ich versuche sie zu ignorieren, mehr noch, ich sträube mich gegen das was sie mir zu implizieren versucht und konzentriere mich auf den Song, der gerade im Radio läuft. Ich beginne sogar mitzusummen und verfluche die Ampel, die buchstäblich im letzten Moment rot wird. Ich will nach Hause und ich will in meinem Bett. Vor allem aber will ich nicht länger nachdenken. Weder über Lucy noch mich selbst und schon gar nicht über Seto Kaiba, wo auch immer dieser Großkotz gerade stecken mag. Und was auch immer er gerade tut. Unwillkürlich muss ich an Bakura denken und bin im nächsten Augenblick auch schon wieder gezwungen hart auf die Bremse zu treten. "Verdammt, Joey, konzentrier dich auf´s fahren." ermahne ich mich laut. "Vielleicht sollte ich dir mal ein paar Züge für fortgeschrittene Spieler zeigen ... auf die harte Tour!" Ganz toll, jetzt höre ich auch schon Kaiba´s Stimme in meinem Kopf. Ich muss echt in mein Bett bevor ich noch einen Unfall baue. Trotzdem tue ich erst etwas anderes als ich zuhause bin. Ich gehe in mein Arbeitszimmer und fahre den Laptop noch einmal hoch. Die Auktion läuft immer noch. In einer halben Stunde wird sie beendet sein. Kurz überfliege ich die Seite, lehne mich dann zurück und betrachte den Bildschirm. Mit der Zeit hat der Kerl echt einige Raritäten angesammelt. Ein fast schon vollkommenes Deck und wohl auch das Einzige, dass je eine Chance gegen das von Yugi gehabt hätte. Nachdenklich betrachte ich die Abbildung des weißen Drachen und muss unwillkürlich wieder an das Duell gegen Kaiba denken als ich es doch tatsächlich geschafft hatte, ihm seinen geliebten Drachen abzunehmen. So wütend wie damals habe ich ihn nie mehr erlebt. Nein, eigentlich war er fassungslos. Ich spüre, dass ich anfange zu grinsen. "WHEELER...Du hast einen großen Fehler begangen, als du mir meinen weißen Drachen genommen hast! Es wird Zeit, dass ich dieses Duell beende!" "Ich bin der Einzige, der die Fähigkeit hat, mit einem weißen Drachen umzugehen! Es wird Zeit, dich mit meinem weißen Drachen zu erledigen und allen zu zeigen, was für eine Niete du eigentlich bist! Du hast hier einfach nichts verloren und das wirst du gleich am eigenen Leib erfahren!" Das Duell habe ich zwar verloren, aber für einen Moment, einen kurzen Augenblick hatte ich nicht nur den weißen Drachen, sondern habe es auch geschafft, Seto Kaiba dazu zu bringen die Fassung zu verlieren. Welch glorreicher Augenblick das doch war. Ich seufze bei dem Gedanken an diesen unvergleichlichen Augenblick und betätige den Button auf dem Bildschirm. Dann tippe ich eine Zahl ein und beobachte was geschieht. Kapitel 19: Im Zwielicht ------------------------ Inspiration: "Procol Harum - A whiter shade of pale" ~ das nur am Rande. Ich bin nicht sicher ob es an dem Jetlag liegt oder es der Stress der letzten Tage ist, dass sich mein Körper so anfühlt als würde er jeden Moment kapitulieren. Im Flugzeug war es mir nicht möglich zu schlafen und auch jetzt habe ich das Gefühl, dass ich kein Auge zu tun könnte, auch wenn es sicherlich das Beste wäre, was Bakura auch nicht müde wird zu betonen. Etwa neun Stunden sind wir nun schon in New York und konnten auch schon einiges erreichen. Wir haben Quartier in einem mittelklassigen Hotel bezogen und auch schon das Appartment von Jack Wheeler ausfindig gemacht. Während ich mich um einen Leihwagen kümmerte und Alister Besorgungen machte, verschaffte Bakura sich einen kurzen Eindruck über die wheeler´sche Residenz. Ich bin als erster wieder im Hotel und mache mich daran, den Ausgang der Auktion zu checken, welche all meine DuelMonster-Karten zum Verkauf angeboten hat. Wie zu erwarten haben meine Karten einen sehr hohen Preis erzielt. Die Summe ist noch höher als ich gedacht hatte. Dennoch versetzt es mir einen Stich, wenn ich daran denke, dass meine geliebten Karten in die Hände irgendwelcher Amateure gelangen werden, die nicht einmal wirklich wissen werden, wie man sie einsetzt. Fast widerstrebt es mir, mir das Ergebnis der Auktion anzusehen, aber genau das Gleiche, dass mir widerstrebt, zwingt mich auch dazu, mich einzuloggen und die Vorgänge zu überprüfen. Ich bin etwas überrascht als ich feststelle, dass mein gesamtes Deck, nein, alle Karten, die ich zur Auktion freigegeben habe, von einer einzigen Person ersteigert wurden. Entweder handelt es sich bei diesem Menschen um ein neureiches Kleinkind, dass Daddy so lange genötigt hat, ihm die Karten zu kaufen bis der Vater notgedrungen nachgegeben hat oder aber, jemand mit Verstand hat sich mein Deck geholt. Alles in mir erstarrt als ich den Namen lese, der auf dem Transaktionsformular steht. Ich blinzele. Das kann nicht wahr sein. Nein, das kann einfach nicht sein. Fassungslos starre ich auf meinen Laptopbildschirm und lese wieder und wieder den gleichen Namen. Joseph J. Wheeler. Der Sohn des Mannes, der meinen Bruder zu sich genommen hat, hat mein gesamtes Deck aufgekauft. Fast rechne ich damit, dass mir das Blut in den Adern gefriert. Was zum Teufel... Geschlagene zwanzig Minuten sitze ich einfach nur da, rauche eine Zigarette nach der anderen und stürze ein Glas Whiskey herunter. Dann kann ich mich soweit fassen, dass ich in der Lage bin unter die Dusche zu steigen und mich endlich dieser demütigenden Kleider zu entledigen, auch wenn sie ihren Zweck mehr als gut erfüllt haben. Ich stehe gerade unter der Dusche als ich höre wie die Zimmertür zugeschlagen wird. Ich stöhne genervt auf und drehe das Wasser aus. Bakura. Wer sonst würde sich erdreisten ungebeten in mein Zimmer zu kommen? Ich schnappe mir ein Handtuch, frottiere mich schnell ab und schlinge es mir dann um die Hüften. Dann wird auch schon die Badezimmertür geöffnet und der Weißhaarige steckt wie selbstverständlich den Kopf ins Bad. Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu, doch das stört ihn keineswegs. "Ich habe was zu essen mitgebracht." erklärt er und für einen Moment habe ich den Eindruck, dass er mich einer Musterung unterzieht. Ich verkneife mir einen Kommentar und steige aus der Dusche um ihm ins Zimmer zu folgen. Er lässt sich derweil schon lässig auf einem der Sessel nieder und es ist offensichtlich was in den braunen Papiertüten ist, die er angeschleppt hat. Ich sehe mich kurz um. "Wo ist Alister?" will ich wissen und er macht eine leichte Kopfbewegung, die mir wohl anzeigen soll, dass er in dem anderen Zimmer ist. "Er recherchiert." meint Bakura knapp und ich gehe zum Bett wo meine Kleider liegen. "Hamburger oder lieber Cheeseburger?" fragt er mich ernsthaft und ich ziehe eine Braue hoch. "Weder noch." entgegne ich. "Ich finde, man sollte sich den kulinarischen Sitten des Landes anpassen." sagt er und fängt damit an, die Papiertüten von ihrem Inhalt zu befreien. Ich überlege einen Moment ob ich die Kleider mit ins Bad nehmen soll, komme aber zu dem Schluss, dass ich ihm diesen Gefallen keineswegs tun werde. Sonst darf ich mir nachher wieder irgendwelche spöttischen Kommentare anhören. Zudem laufe ich doch nicht vor diesem Dieb davon. Meine Kopfschmerzen haben ein wenig nachgelassen, aber meine Schläfen pochen immer noch schmerzhaft. Automatisch gehe ich zum Nachttischschrank und greife nach dem Röhrchen mit Tabletten. "Du solltest damit aufhören, dir dieses Zeug einzuwerfen." meint Bakura. "Kümmer dich um deine Angelegenheiten." weise ich ihn zurecht und schüttele mir eine der weißen Tabetten auf die Hand. "Du klingst schon wie Roland." Er sieht mich ernst an. "Dann hat dein Pinguin Recht." erwidert er. "Du solltest etwas essen und schlafen. Dein Körper wird es dir danken. Du kannst ihn nicht auf ewig geißeln und deinem Willen unterwerfen." Ich quittiere diese überflüssige Bemerkung mit einem abwertenden Blick. "Ich brauche kein Kindermädchen. Wenn ich mich recht erinnere habe ich dich aus anderen Gründen angestellt." Ich greife nach dem Glas Whiskey, dass ich bereits bereit gestellt habe und schicke mich an die Tablette runterzuspülen als er mit einem Satz neben mir ist. Seine Hand umschließt brutal mein Handgelenk und die Tablette fällt zu Boden. "Was soll der Unsinn?" herrsche ich ihn an, werde aber im nächsten Augenblick auch schon herum gewirbelt und er drückt mir meinen Arm in den Rücken. Ich versuche mich aus dem Griff zu befreien, doch er hält mich eisern fest. Ich überlege wie ich am effektivsten Gegenwehr leisten könnte, doch gerade als ich mit der freien Hand gegen sein Knie schlagen will, schiebt er mich auch schon in Richtung Bett und drückt mich unsanft auf die Matraze. "Ein Handgriff." höre ich ihn sagen und seine Stimme klingt weder vergnügt noch amüsiert, sondern nur ernst und schneidend. Dann wird mein Kopf runtergedrückt. "Verdammt, was soll der Scheiß? Ich..." setze ich an, dann sehe ich den Dolch neben meinem Gesicht. Meine Augen weiten sich. "Zweiter Handgriff." erklärt er und kurz darauf spüre ich die Spitze der Klinge auf meiner Wange. Kurzer Schmerz durchzuckt mich, doch dann werde ich auch schon los gelassen und bin mit einem Satz auf den Beinen. Wütend funkele ich ihn an, packe ihn im nächsten Augenblick auch schon am Kragen, doch er sieht mich vollkommen entspannt an. "Das war eine kleine Demonstration, mein lieber Kaiba. Wärst du im Vollbesitzt deiner Kräfte, hättest du dich mit Leichtigkeit wehren können, so warst du ein dankbares Opfer." sagt er vollkommen unbeeindruckt und ich sehe ihn unschlüssig an. "Ich verzichte auf deine Demonstrationen." zische ich und gebe ihm einen so harten Stoß, dass er nach hinten taumelt. Er fängt sich allerdings schnell wieder. "Vielleicht solltest du dir lieber etwas anziehen." bemerkt er und sein Blick gleitet demonstrativ über meinen Körper. Das Handtuch ist leicht verrutscht, verdenkt zum Glück aber noch meine Blöße. Ich fluche kurz auf und er grinst. "Also, Hamburger oder Cheeseburger?" Einen Moment spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken, ihm auf primitive Art und Weise eine zu verpassen. Er hat sich bereits wieder dem Essen zugewandt und ich entscheide mich, mir wirklich lieber etwas anzuziehen. Schnell streife ich mir meine Kleidung über und spüre dabei, dass etwas feuchtes mir über die Wange läuft. Blut. Dieser verdammte Bakura. Den Dolch hat er lässig auf´s Bett geworfen. "Die Wheelers bewohnen den 11. und 12. Stock des Appartmenthauses. Außer Jack Wheeler wohnen dort noch sein Sohn, dein Bruder sowie ein Dienstmädchen und ein Bodyguard. Zwei weitere Bodyguards stehen auf Abruf bereit." höre ich ihn sagen und dieser Themawechsel ist wohl auch sein Glück. "Wie hast du das rausbekommen?" will ich wissen und versuche zu verbergen, dass ich ein klein wenig beeindruckt bin. Er grinst. "Du bezahlst für die Ergebnisse, nicht für das wie." meint er und beißt in einen undefinierbar aussehenden Burger. "Dann halt dich auch daran. Auf deine Lektionen kann ich verzichten." entgegne ich mit schneidender Stimme. "Die sind im Preis inbegriffen." entgegnet er ungerührt und ich fahre mir durch meine noch nassen Haare. "Ich nehme an, du hast einen Wagen bekommen?" Ich nicke und greife nun doch zu dem Glas Whiskey, die Tablette lasse ich allerdings auf dem Boden liegen. Nicht, weil mich seine bescheuerte Demonstration beeindruckt hätte, mein Kopfschmerzen sind mit einem Schlag verflogen. Meine Muskeln sind allerdings nach wie vor noch verknotet, selbst nach der heißen Dusche. Bakura verschlingt begierig seinen Burger und fährt mit vollem Mund auch schon fort: "Dein Bruder wird zu einer Privatschule geschickt. Das Gebäude gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Wenn du mich fragst, diese Amis sind paranoid. Noch paranoider als du, Kaiba." Ich übergehe diese Anmerkung und versuche die Informationen auf brauchbare Weise zu verarbeiten. "Hast du Mokuba gesehen?" will ich wissen. Zu meiner Enttäuschung schüttelt er den Kopf. "Es war keiner da. Eigentlich logisch um diese Zeit." antwortet er und ich nicke. "Die Sicherheitsvorkehrungen?" frage ich weiter. "Das Übliche. Hightec vom Feinsten. Ein paar Kameras und ein Nachtportier." entgegnet er als wäre das nicht weiter von Belang. "Also ist es möglich in das Gebäude zu kommen?" will ich wissen. Er nickt. "Sicher, ein Kinderspiel, sobald man die Alarmanlage ausgeschaltet hat. Leichter zu knacken als der Palast des Pharaos. Allerdings weiß ich nicht wie es sich mit diesen Bodyguards verhält. Ich würde darauf wetten, dass dein Bruder rundum überwacht wird." Ich seufze und leere mein Glas in einem Zuge. So sehr es mir auch missfällt, ich befürchte diese Operation bedarf doch etwas mehr Zeit als gedacht. Seine Informationen sind für den Anfang mehr als gut, aber ich gehe davon aus, dass sowohl die Polizei auch meine Gegner das Haus zusätzlich im Auge behalten. In Amerika wird zwar nicht offiziell nach mir gefahndet wie ich bereits in Erfahrung gebracht habe, aber es ist für die Polizei sicherlich offensichtlich, dass ich versuchen würde an meinen Bruder ranzukommen und ich würde wetten, dass man bereits weiß, dass ich die Information besitze, dass er in Amerika ist. Nein, auch wenn es mir widerstrebt, ich darf nichts überstürzen. Ich kann mir jetzt keinen Fehler leisten. Wer weiß welche Auswirkungen das für Mokuba hätte. Ich schenke mir ein weiteres Glas ein, was Bakura aufmerksam beobachtet. Doch dieses Mal sagt er nichts, beäugt mich aber wachsam und irgendwas an seinem Blick irritiert mich. Fast bin ich geneigt zu fragen, warum er sich überhaupt solche Gedanken um meinen Zustand macht, aber ich verkneife mir diese überflüssige Frage. "Wie ich die Sache sehe, wird Plan B immer wahrscheinlicher." meint Bakura und ich nicke zustimmend. Ich habe auch das Gefühl, dass es leichter sein dürfte an Wheeler Junior ranzukommen als an Mokuba selbst. "Ach ja, ehe ich es vergesse... dein Assistent hat versucht anzurufen. Ich denke zumindest, dass er es war. Die Nummer ist nicht bekannt. Er muss es versucht haben als wir im Flieger waren." meint er. Verdammt. Roland hatte ich ganz vergessen. Ich hatte ihm versprochen, ihn auf dem Laufenden zu halten. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. In Japan ist es jetzt bereits Nacht. Bakura sieht mich erwartungsvoll an. "Ich rufe später zurück." meine ich und er zuckt mit den Schultern und widmet sich weiter seiner Nahrungsaufnahme. Sie haben Mokuba also bereits eine Schule gesucht. Dieses Wissen trifft mich wie ein Schlag in die Magengegend. Es macht mir auf schmerzliche Art bewusst wie es um meinen Bruder und mich gerade bestellt wird und ruft mir das ins Gedächnis, was ich die ganze Zeit zu unterdrücken versuche. An Mokuba zu denken. Paradox, immerhin tue ich all das hier für Mokuba und doch darf ich es nicht zulassen, mich zu fragen wie es ihm geht. Dann würde mir die Kontrolle vollständig entgleiten und das darf nicht geschehen. Ich vertraue einfach darauf, dass es ihm gut geht und ich ihn bald, sehr bald wieder bei mir habe. Gedanklich überschlage ich meine Möglichkeiten. Für den Fall, dass ich tatsächlich so weit gehen muss, diesen Wheeler-Jungen zu entführen, bedarf es ein paar Vorbereitungen. In einem Hotelzimmer kann ich den Jungen schließlich schlecht versteckten. Ein zweiter Wagen wäre auch nicht schlecht. Und notfalls werde ich sogar ein paar Waffen benötigen. Nur mit Bakura´s Dolch loszuziehen erscheint mir mehr als albern. Doch ich weiß genau an welche Person ich mich wenden kann. Er schuldet mir ohnehin noch einen Gefallen, wenn ich mich recht erinnere. Ja, Marcello erscheint mir auch genau der Richtige für so ein Vorhaben. Ich darf nur nicht zulassen, dass meine Emotionen die Überhand bekommen. Dieser Wheeler-Junge hat mein Deck gekauft. Gut. Ich wollte es verkaufen. Es war nichts weiter als ein Geschäft. Es hat keinerlei Auswirkungen auf meine Handlungen. Ich bin Geschäftsmann. Ich habe eine hübsche Summe erzielt, ich kann mit dem Ergebnis zufrieden sein. Zur Hölle, wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Es ist eine persönliche Sache. Und ich frage mich langsam aber sicher, wer dieser Wheeler eigentlich ist. Erst mein Bruder, nun mein Deck. "Worüber denkst du nach?" reißt mich Bakura´s Stimme aus meinen Überlegungen und der Weißhaarige sieht mich forschend an. "Ich erstelle eine Strategie." erkläre ich kühl. "So sehr es mir auch missfällt noch länger zu warten, übereiltes Handeln wäre unangebracht." Er nickt und erst jetzt merke ich, dass meine Hände zittern. Sofort balle ich sie zu Fäusten, doch dem Weißhaarigen ist der Umstand nicht entgangen. "Es geht ihm gut. Da bin ich sicher." höre ich ihn sagen, erwidere allerdings nichts. "In spätestens 48 Stunden hast du ihn wieder und dann musst du nur noch überlegen, wie es weitergehen soll. So wie ich das sehe, wirst du auf unbestimmte Zeit von der Bildfläche verschwinden müssen." Ich zucke mit den Schultern. "Das kümmert mich nicht." entgegne ich. "Tatsächlich?" fragt er. "Mokuba ist das Einzige was zählt." erkläre ich entschieden. Er lächelt mich an. "Ich weiß, auch wenn man bis dato wohl dachte, dass dir deine Firma das Wichtigste wäre." Ich verdrehe die Augen, erwidere jedoch nichts auf diese Äußerung. "Darf ich dich etwas fragen, Kaiba?" Diese Frage erstaunt mich doch wirklich. Normalerweise fragt dieser Wahnsinnige einfach und schert sich nicht darum was er darf und was nicht. Ich nicke kaum merklich. "Bist du bereit bis zum Äußersten zu gehen?" will er wissen und ich werfe ihm einen verächtlichen Blick zu. "Fragst du das ernsthaft?" erwidere ich spöttisch. Er nickt vollkommen ruhig. "Ja. Bist du bereit bis an deine Grenzen und darüber hinaus zu gehen?" stellt er seine Frage neu. Ich nicke ohne zu zögern. "Natürlich, was denkst du denn?" Bakura lächelt. "Gut. Mehr wollte ich nicht wissen." entgegnet er und ich hasse es, wenn dieser Freak solche Äußerungen von sich gibt, die alles andeuten, doch nichts besagen. Ich hasse es, weil ich den Impuls verspüre ihn zu fragen was das soll und er es auch genau weiß, ich jedoch keineswegs gewillt bin, mir diese Blöße zu geben, worüber er sich im Klaren ist. Seine nächsten Worte sind allerdings noch rätselhafter. "Nach den Worten der Ahnen soll man seine Entscheidungen innerhalb von sieben Atemzügen treffen." bemerkt er und ich starre ihn an. Herrje, worauf zum Teufel will er mit diesem Unfug hinaus? Und warum zur Hölle interessiert mich das überhaupt? Ich schüttele den Kopf. "In deinem Kopf läuft wirklich etwas falsch, Bakura." kommentiere ich diese seltsame Äußerung und er lacht. "Ich will nur wissen woran ich bin." erwidert er ruhig und ich sehe ihn fragend an. "Aus dir soll man einmal schlau werden..." seufze ich kopfschüttelnd. "Mach dir über mich mal eine Gedanken, Seto." Wieder sehen wir uns in die Augen und ich verspüre den Wunsch diesen Blickkontakt abzubrechen. Das ist neu. Es behagt mir nicht. Es passt nicht. Nicht einmal der Köter hat diesen Impuls in mir je geweckt. Aber in Bakura´s Augen liegt etwas, dass ich nicht definieren kann. Gleichgültig wie sehr ich mich auch bemühe oder ich glaube ihn und seine Handlungsweise zu verstehen, stets kommt er mit etwas, dass mein Denken aus der Bahn wirft. Es ist nicht wirklich rätselhaft, vielmehr verstörend. Anders als bei dem kleinen Kläffer. Bakura vermag es eine wahrhaftig verstörende Atmosphäre aufzubauen, der ich mich nicht entziehen kann und ohne es zu wollen spreche ich die Frage, die mir auf der Zunge liegt dann doch aus. "Warum hilfst du mir wirklich?" Ich rechne nicht wirklich mit einer ernsthaften Antwort, doch ich bekomme eine. "Weil ich dir etwas schulde, Kaiba, und ich meine Schulden immer bezahle. Zudem macht es mir Spaß." meint er vollkommen entspannt. "Und jemand sollte auch ein Auge auf dich haben." Mit dieser Antwort schafft er etwas, dass zuvor nur der Kläffer vermocht hat. Ich bin sprachlos. Ja, Seto Kaiba ist sprachlos. Und ich verstehe nicht was er damit meint. "Falls du auf irgendeinen Unsinn anspielen solltest, der mit Muto´s Märchen zusammenhängt, dann warne ich dich..." setze ich im nächsten Moment an, aber er schüttelt den Kopf. "Entspann dich. Ich halte dich nicht für Seth." erwidert er. "Und was soll dieses Gerede dann?" will ich wissen. "Kannst du nicht einfach die Wahrheit sagen?" Ich hasse mich dafür, dass ich diese Worte tatsächlich ausspreche, denn sie zeugen davon, dass ich mich augenblicklich tatsächlich nicht im Griff haben. Ich bin übermüdet, gestresst, voller Sorge. Voller Emotionen, die über mich hineinbrechen, ohne dass ich mich ihnen zu entziehen vermag. Gedanken an Mokuba, unsere Vergangenheit, meinen Adoptivvater, den Köter, Muto... Unsinn, der längst in Vergessenheit geraten sein sollte und der über mich hineinbricht wie eine Jahrhundertwelle, der ich keinen Einhalt gebieten kann. "Die Wahrheit, Kaiba, die liegt im Auge des Betrachters. Ich erzähle nie die Wahrheit, weil ich der Ansicht bin, dass die Wahrheit nicht existiert." erläutert er mir ein paar Sekunden später. Wieder sehen wir uns an und ich habe das unbestimmte Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Fast schon hilfesuchend greife ich nach meinem Glas. "Was soll dieses alberne Gerede bezwecken?" frage ich und könnte mir erneut dafür auf die Zunge beißen. Bakura seufzt. "Formulierst du die Frage jetzt so lange neu bis du die Antwort bekommst, die du willst?" Ich blinzele ihn an. Ja, tatsächlich. Schande über mein Haupt. Ich tue es tatsächlich. Und er, er lächelt. "Weißt du woran ich glaube?" fragt er mich und ich reagiere nicht. Schüttele weder den Kopf, noch nicke ich. Ich sehe ihn einfach nur an. "Ich glaube an Schmerz. An Furcht. An den Tod. Daran, den Dingen eine Bedeutung zu verleihen, die man nicht ausblenden kann." Er lacht auf. Dann wird seine Miene wieder ernst und wieder sehen wir uns an. Wortlos. Direkt in die Augen. Der Augenblick dauert nur ein paar Sekunden, dann ist es vorbei und alles ist wieder... normal? "Hast du nun die Güte, mir deine Strategie zu erläutern?" fragt er mich und sein Tonfall ist wieder leicht spöttisch, leicht vergnügt. "Du siehst übrigens aus als könntest du eine Massage gebrauchen, Seto." "WAS?" Hat er das ernsthaft gesagt? Er zuckt mit den Schultern. "Ein wenig Entspannung würde dir sicher gut tun." befindet er und ich glaube fast, dass ich mich verhöre. Versucht dieser Verrückte gerade mich anzumachen? Ich fasse es nicht. "Ich wette, deine Schultern bringen dich fast um vor Schmerz." Ich verziehe spöttisch den Mund. "Schmerz ist Ansichtssache." erwidere ich kühl. Zum meiner Überraschung nickt er. "Ja, ist es." stimmt er zu. "Ich liebe Schmerzen." Sein Gesichtsausdruck wird fast weich, einen Augenblick wirkt er fast verklärt und ich rufe mir ins Gedächnis, dass ich mit einem sadistischen Irren alleine bin. Nicht, dass ich Angst vor ihm hätte. Er mag mich vorhin überrumpelt haben. Ein zweites Mal gelingt es ihm nicht. "Also willst du dir diesen kleinen Wheeler vornehmen?" fragt er und ich nicke automatisch. "Wenn kein Weg daran vorbei führt, ja." Er mustert mich einen Moment. Dann nickt er nachdenklich. "Gut." sagt er. "Dann sollte ich dir wohl noch etwas sagen..." Wenn jetzt wieder so ein abstruse, nichts sagendes Zeug aus seinem Mund kommt, dann drehe ich durch. Ja, dann werde ich ihn mir packen und seinen Kopf gegen die Wand schleudern ungeachtet der Tatsache, dass sich ein Seto Kaiba eigentlich nicht solcher Mittel bedient. "Es gibt da noch eine Kleinigkeit über Wheeler Junior, die du vielleicht wissen solltest." höre ich ihn sagen und das Grinsen in seinem Gesicht ist eindeutig diabolischer Natur. Kapitel 20: Verborgene Wahrheiten --------------------------------- Merci für die supertollen Kommis an dieser Stelle. Was mich besonders gefreut hat ist, dass ihr meinen Bakura anscheinend ins Herz geschlossen habt. Das ehrt mich wirklich sehr. Ich mag ihn nämlich augenblicklich mehr als gerne. Eine Anmerkung vielleicht noch: Die Kapitel sind teilweise zeitversetzt, doch das müsste man eigentlich auch deutlich merken. Viel Spaß beim Lesen und ich wünsche euch allen ein gutes neue Jahr! Ich habe Kaiba´s Deck erstanden. Ich, Joey Wheeler, bin nun Besitzer von Kaiba´s ultimativem Zerstörungs-Deck. Inklusive der drei weißen Drachen. Ich kann es noch immer nicht fassen, aber die Auktion ist beendet und ich habe es tatsächlich ersteigert. Ich. Gut, es hat mich eine hübsche Summe gekostet, auch wenn ich die Vermutung hege, dass ich es noch recht günstig bekommen habe, in Anbetracht der Tatsache, was es eigentlich wert ist. Was es Kaiba wert ist. Was es ihm bedeutet. Wieder zieht sich mein Magen zusammen. Und wieder denke ich an ihn. Mokuba habe ich nichts von all dem erzählt. Der Kleine, verdammt, so klein ist er gar nicht mehr, scheint sich langsam einzuleben. Ich weiß, dass er in Gedanken stets bei seinem Bruder ist, aber inzwischen lächelt er wenigstens hin und wieder und ich wage zu behaupten, dass er die Zeit mit mir auch mehr als erträglich findet. Nein, ich kann ihm einfach nicht erzählen, dass ein Bruder das Deck verkauft hat. Es verkaufen musste. Ich bin nicht einmal sicher, warum ich es gekauft habe. Ich spiele längst kein DuelMonster mehr. Ich werde wohl auch nie wieder spielen. Sicher, die Karten haben ihren Wert, aber deshalb habe ich sie nicht gekauft. Ein Teil von mir versucht mir einzureden, dass ich es getan habe, um Kaiba eins auszuwischen, aber ich glaube nicht so recht daran. Kaiba ohne sein Deck, ohne die Drachen... das wäre nicht mein Kaiba. Mein Kaiba? Verflucht noch einmal, was denke ich da überhaupt? Aber so verhält es sich letztendlich. Mein Erzfeind hat alles verloren, worum ich ihn einstmals beneidet habe. Seine Firma, seine Drachen, seinen Bruder... Ja, ich habe ihn auch um Mokuba beneidet. Nicht wegen Mokuba an sich, sondern weil er mit seinem Bruder zusammen sein konnte, während ich Serenity nur gelegentlich sehen konnte. Und jetzt... Er hat nichts mehr von alle dem. Seto Kaiba ist am Boden. Ein gesuchter mutmaßlicher Verbrecher. Er mag zwar noch über Geld und gewisse Mittel verfügen, aber sein Ansehen, sein Ruf, alles wofür er gearbeitet hat, ist dahin und ich glaube kaum, dass er das alles je zurück bekommen wird. Gleichgültig wie diese Sache enden wird. Er mag seinen Bruder wiederhaben, aber seine Firma? Sein Deck? Seine Würde? Seinen Stolz? Ich hätte allen Grund zu frohlocken. Schadenfreude hin oder her. Ja, ich könnte wirklich lachen, auch wenn ich es im stillen für mich täte. Wenn ich ihn jetzt fragen würde, wo wir stehen, wie die Positionen verteilt sind... Was würde er wohl antworten? Dahin wäre seine Arroganz. Genau wie seine Selbstsicherheit. Er könnte sich nicht mehr über mich erheben, sich über mich lustig machen und mich demütigen, denn er ist auf dem Boden der Tatsachen angelangt, aber ich empfinde keinerlei Freude darüber. Nein, ich bin nicht in der Lage diesen stillen Triumph zu genießen. Doch keineswegs aus Mitleid. Nein, ich bin kein so guter Mensch wie Yugi. Natürlich verspüre ich ein klein wenig Mitgefühl für meinen gebeutelten Erzfeind, aber das ist nicht der Grund warum ich mich nicht freue über sein Unglück. Warum also lache ich nicht aus vollem Halse? Die Antwort ist ebenso einfach wie verstörend. Weil mein Idol gestürzt wurde. Ein Gesetz wurde gebrochen. Eine feststehende Tatsache in ihren Grundfesten erschüttert. Meine Götze wurde niedergerissen und... ich verspüre so was wie bitteren Verlust. Ich weiß, dass kein Mensch das je verstehen könnte. Nicht einmal Tea oder Yugi und Tristan oder Duke. Keiner von ihnen. Sie würden mich nur ungläubig ansehen, wenn ich ihnen das sagen würde. Sie würden mich fragen, wie ich zum Geier behaupten könnte, dass Kaiba mein Idol wäre. Nun, er ist es nicht. Nicht im herkömmliche Sinne. Nicht so wie ein Idol sein sollte. Kaiba ist viel mehr. Er war viel mehr. Mein Antrieb. Meine feste Konstante. In meiner chaotischen, unsteten Welt war Kaiba die feste Bank, auf die ich mich verlassen konnte. Ich wusste stets woran ich bei ihm bin. Dass er mich verachtet, auf mich hinab sieht. Genauso wie ich wusste, dass ich der Einzige bin, der es vermag an seiner Fassung zu rühren. Ja, ich, der dumme Köter, war der Einzige, der es sich wagte an dem hochwohlgeborenen Lack zu kratzen und ich habe es nicht nur überlebt. Ich habe es wieder und wieder getan und er hat mir gedroht. Jedes Mal auf´s Neue, doch nie hat er auch nur eine seiner Drohungen wahr gemacht. Er hat mich nie verklagt, mich nie verprügeln lassen, mich nie mit Betonklötzen an den Füßen entsorgt. Und er hätte es weiß Gott tun können. Das weiß ich. Ich habe nie daran gezweifelt. Keine Minute. Aber er hat es nie wahr gemacht. Nicht, dass ich mir dessen sicher gewesen wäre. Das war ich nie. Ich weiß noch, dass ich manch schlaflose Nacht wirklich gezittert habe, dass er einen seiner Handlanger los schickt und ich... Naja, dass ich nicht mehr die Augen öffnen würde danach. Ich bin zusammen gezuckt, wenn ich ein ungewohntes Geräusch vernommen habe und ich stand ein paar Mal mit dem Baseballschläger bewaffnet hinter meiner Tür. Und trotzdem musste ich mich Tag für Tag auf´s Neue mit ihm anlegen. Es war wie ein innerer Zwang. Gleichgültig wer mich ermahnte. Ich konnte nicht anders. Kaiba war wie ein rotes Tuch für mich. Und er wusste es. Genauso wie ich sein rotes Tuch war. In dem Punkt waren wir uns so ähnlich, dass es fast schon schmerzhafte Ironie war. So verschieden unser Leben war, wir beide unterlagen dem Zwang, einander zu verabscheuen. Wir beide wurden angetrieben davon. Wir konnten uns einander nicht entziehen. Verrückt, ich weiß. Ich bin mir dessen mehr als bewusst. Aber so war es nun einmal. Wir wussten es beide, auch wenn wir wohl alle zwei nie verstanden warum und wieso sich das so verhielt. Selbst Yugi hat es nicht verstanden und der Kleine verstand echt eine Menge. Und jetzt besitze ich sein Deck. Dass Deck mit dem er mich mehr als zehnmal geschlagen hat. Ich sehe förmlich sein Gesicht vor mir, wenn er das erfährt. Ja, ich kann es mir vorstellen. Ich sehe wie die eisige Maske Risse bekommt und ich wage zu behaupten, dass ihm diese Erkenntnis genau wie das Wissen, dass sein Bruder bei mir ist, die Fassung raubt. Die eiserne Selbstkontrolle wird von ihm abfallen. Er wird auf die Knie sinken, fassungslos keuchen und seine Augen werden weit aufgerissen sein. Saphiere, die verständnislos und matt glänzen. Es wird schlimmer sein als bei seiner Niederlage gegen Yugi. Doch selbst bei diesem Gedanken verspüre ich keine Freude. Ich sehne mir den Moment nicht einmal herbei. Ich will ihn gar nicht. Verrückt. Duke würde mir den Vogel zeigen und Tris würde mich für bekloppt erklären. Sie hätten damit sogar Recht. Und doch... das ist es nicht was ich will. Ich wollte ihn schlagen. Immerzu. Aber unter fairen Bedingungen. Kaiba in einem fairen Kampf zu besiegen. Das war mein Ziel. Ich seufze und meine Finger gleiten fast schon liebevoll über das Bild des weißen Drachen. Wie albern ich doch bin. Jetzt betrachte ich schon ehrfürchtig eine virtuelle Abbildung von diesem Ding, dass mich wieder und wieder platt gemacht hat. "Der Kleine schläft." vernehme ich die Stimme meines Vaters und ziehe fast schreckhaft meine Hand vom Bildschirm zurück. "Du hast es also erstanden." Es ist keine Frage, doch ich nicke. "Ich dachte mir, dass du es tun würdest." meint Jack und lächelt. "Was wirst du damit machen?" Ich zucke mit den Schultern. Er nickt nur. "Also wirst du es ihm geben." Wieder ist es eine Feststellung und ich bin einen Augenblick erstaunt darüber, dass mich dieser Mann, der mich erst seit drei Jahren kennt, besser zu verstehen scheint als ich mich selbst. "Dieser Junge bedeutet dir viel." sind seine nächsten Worte und er nimmt mir gegenüber im Lehnsessel Platz. Ich erwidere nichts, komme aber nicht umhin ihn erstaunt anzusehen. Er schüttelt leicht den Kopf. "Sag nichts." meint er immer noch lächelnd. "Ich bin wirklich gespannt auf diesen Seto Kaiba." Ich spüre wie meine Wangen sich röten und senke automatisch den Blick. Verflucht, was ist nur mit mir los? Sollte nicht Yugi derjenige sein, den ich so sehr mag? Fuck. Habe ich gerade eingeräumt, dass ich Seto Kaiba... "Er ist... " Ich überlege kurz, suche nach der passenden Metapher. "Wie ein Mückenstich." Jack lacht. "Interessanter Vergleich." bemerkt er und meine Wangen fühlen sich an als würden sie brennen. "Er ist so verflucht stolz!" Ich weiß nicht warum ich das sage. Ja, ich verstehe gerade meine eigenen Worte nicht, dabei habe ich in den letzten drei Jahren gelernt, mit Worten umzugenen. Ich plappere eigentlich nicht mehr unkontrolliert darauf los und doch... wenn ich an ihn denke, scheint mein Wissen wie weggefegt und unwillkürlich muss ich wieder an Lucy´s Worte denken. "Er ist so verflucht stolz. So arrogant und gleichgültig, das kannst du dir nicht vorstellen. Mokuba sieht es natürlich anders und bei ihm ist er auch anders, nehme ich an, aber im Grunde ist er... Nun, ich weiß nicht, wie er jetzt ist, aber wie ich ihn kenne, hat er sich nicht geändert." Ich lache trocken auf und bemerke, dass mein Vater mich ganz genau beobachtet. "Aller Stolz ist defensiv, ein Verteidiger der Stelle, die leer ist." sagt er im nächsten Moment. "Das hat Karl Ludwig von Knebel gesagt." Er bedenkt mich mit einem vielsagenden Blick. "Ist es nicht so, dass du ihm seinen Stolz vergeben könntest, wenn er deinen nicht angeriffen hätte, Joey?" So habe ich es noch nie betrachtet. Ehrlich gesagt, ich habe noch nie tiefergehend darüber nachgedacht, was es eigentlich mit dieser obskuren Sache auf sich hat, die sich zwischen ihm und mir abspielt. Nachdem ich Japan verlassen hatte, schien das Kapitel geschlossen und jetzt... Es ist als würde mich meine Vergangenheit einholen. Als wäre da noch etwas, dass ich nicht erledigt habe. Ich weiß wie verrückt das klingt. Nach all der Zeit sollte dieser Unsinn hinter mir liegen. Ich habe ein neues Leben begonnen. Ich solle frei sein von Seto Kaiba und seinem eiskalten Blick. Ich sollte über all dem stehen und doch... die letzten Tage belegen es, ich tue es nicht. Aber warum? Es war Ehrensache, Mokuba zu helfen. Zweifelsohne. Keiner von uns hätte ihn hängen lassen. Weder Duke, noch Tristan oder Tea, schon gar nicht Yugi. Unwillkürlich verspüre ich den Wunsch mit einem von ihnen zu reden. Einfach nur ihre Stimme zu hören. Mit Duke habe ich schon ewig nicht mehr gesprochen. Noch länger nicht als mit Tristan. Was der Verrückte wohl treibt? Ein Teil von mir wünschte, ich könnte mit dem Pharao reden. Atemu schien immer den Durchblick zu haben. Selbst bei Kaiba. Kaiba. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Joey." meint Jack und erhebt sich langsam. "Je mehr man sich den Kopf zerbricht, desto weniger erfährt man was man wissen will. Dein Freund und du, ihr werdet euch früh genug gegenüber stehen und dann wirst du wissen, was du zu tun oder zu sagen hast und wie ich die Dinge sehe, wird er dir dankbar sein. Er wird in deiner Schuld stehen, was immer das für jemanden wie ihn heißen mag. Aber ich wage zu behaupten, dass es die Dinge zwischen euch grundlegend verändern wird. Und vergiss nicht... du bist ein anderer geworden, auch wenn du immer noch der Gleiche bist." Er lächelt mich an. "Gute Nacht, mein Sohn." Ich lächele ebenfalls. "Gute Nacht, Dad." Dann bin ich alleine und verspüre den Impuls mir noch einmal den Drachen anzusehen. Doch ich klappe den Laptop nicht mehr auf. Nein, genug Kaiba für heute. Es reicht. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und es ist tatsächlich eigentlich Zeit ins Bett zu gehen. Nur bin ich nicht müde. In meinem Kopf schwirren so viele Gedanken umher, dass ich bezweifle, dass es etwa bringen wird sich hinzulegen. Einen Moment denke ich darüber nach was ich stattdessen tun könnte, ob ich mir noch einen Drink genehmigen sollte oder ein wenig an die frische Luft gehe. Ich entscheide mich für letzteres. Bevor ich die Wohnung verlasse, werfe ich noch einen Blick in Mokuba´s Zimmer. Der Kleine schläft ruhig und friedlich und ich muss unwillkürlich lächeln. Das Zimmer wirkt nicht länger so unpersönlich wie ein einfaches Gästezimmer. Es war eine gute Idee, es etwas wohnlicher einzurichten und ich muss sagen, Mokuba Kaiba hat einen interessanten Geschmack. Im Gegensatz zu seinem Bruder mag er es wohl nicht spartanisch. Mein Blick wandert über den lilanen Sessel, den er unbedingt haben wollte, auch wenn ich keine Ahnung habe wieso. Wahrscheinlich eine Teenager-Sache, die ich längst nicht mehr so wirklich verstehen kann. Sachte schließe ich wieder die Tür, greife nach Jacke und schlüssel und gehe über den Flur zum Fahrstuhl. Zu meiner Überraschung kommt mir Victor entgegen. "Guten Abend, Sir." begrüßt er mich. "Hallo Victor." erwidere ich seinen Gruß und sehe ihn wohl einen Moment fragend an, denn im nächsten Augenblick scheint er sich berufen zu fühlen, mir sein Tun hier zu erklären. "Ich habe noch einen kleinen Rundgang gemacht." meint er und ich nicke nur. "So was ähnliches habe ich auch vor." erwidere ich mit einem Lächeln. "Soll ich sie begleiten, Sir?" will er wissen, aber ich schüttele den Kopf. "Nein, danke. Ich gehe nur ein wenig spazieren." entgegne ich und habe für einen Moment den Eindruck, dass er leicht die Stirn runzelt. Vermutlich gehen nicht viele Leute um die Zeit spazieren in New York und wohl auch sicher kaum einer aus meiner Klasse. Aber das kümmert mich nicht. "Dann gute Nacht, Victor." sage ich als der Fahrstuhl sich öffnet und ich mich bereits abgewandt habe. "Gute Nacht, Sir." Die Tür schließt sich hinter mir und einen Moment lehne ich mich an die Wand. Früher musste ich Treppen steigen, in unserem alten Haus gab es keinen Fahrstuhl. Seltsamerweise muss ich immer wieder daran denken, wenn ich mit dem Ding fahre. Der Nachtportier nickt mir kurz zu und ich erwidere den Gruß mit einem Lächeln, dann bin ich auch schon auf der Straße und stelle wieder einmal fest, dass diese Stadt wirklich nie schläft. Hier kann man tatsächlich noch um drei Uhr früh in einen Supermarkt gehen. Irgendwie verrückt und ganz anders als Domino. Gut, in Tokio ist es ähnlich, aber Domino war dagegen wirklich nur ein kleines Kaff. Ich krame meine Zigaretten aus meiner Manteltasche und zünde mir eine an. Eigentlich eine nicht gern gesehene und stellenweise auch verbotene Sache, aber hier auf der Straße darf ich noch rauchen und ich rechne auch nicht damit, dass mir ein Polizist jetzt und hier über den Weg laufen wird. Ich inhaliere tief, gehe ein paar Schritte und wäge dann ab welche Richtung ich einschlagen soll. Doch dann laufe ich einfach nach rechts und schlender den Gehweg entlang. Die Nacht ist kühl und vom Himmel kaum etwas zu sehen. Auch etwas, dass in Domino anders war. "Buona sera." vernehme ich plötzlich eine Stimme hinter mir und bleibe unwillkürlich stehen, um mich umzudrehen. Es kommt selten vor, dass man hier auf der Straße einfach so gegrüßt wird und das auch noch von einem Fremden. Ich wüsste zumindest nicht, wer mich um diese Zeit auf italienisch ansprechen sollte. Ich blicke mich um und sehe in ein paar dunkle Augen. Das Gesicht des Mannes liegt im Halbschatten, seine Züge kommen mir keineswegs vertraut vor. "Buona sera. Cosa posso fare per loro?" frage ich etwas irritert, aber keineswegs beunruhigt. Immerhin könnte es sich um einen Touristen handeln, der sich verlaufen hat. Der Fremde lächelt. "Joseph Wheeler?" fragt er und ich nicke, was ich in der nächsten Sekunde auch schon bereue, denn mit einem Mal kommt mir die Sache dann doch komisch vor. Ich weiche unwillkürlich ein Stück zurück, ohne den Mann aus den Augen zu lassen, aber er rührt sich auch nicht und macht auch keinerlei Anstalten auf mich zu zu kommen. Ich höre noch wie er etwas sagt, dann durchzuckt mich heftiger Schmerz und alles um mich wird schwarz. Ich keuche auf und gerate ins Taumeln, hebe noch die Hände um meinen Sturz abzufangen, doch den Boden bekomme ich nicht mehr zu fühlen. Stattdessen nehme ich wahr, dass starke Arme mich umfassen und dann ist alles weg. Kapitel 21: Gefährliche Nähe ---------------------------- Da seht ihr mal wie nett ich bin, ihr bekommt heute doch noch ein Kapitel. Ich konnte einfach nicht widerstehen, auch wenn ich leicht im Zeitdruck bin. Ich hoffe es gefällt euch! Danke, dass ihr so eifrig mitfiebert. Das freut mich echt sehr!! Und die Kommis erst. Merci! Bis 2011 also und feiert schön! Ich werde es jedenfalls. "Grazie, Marcello. Ottimo lavoro." Zufrieden beende ich das Gespräch und stelle fest, dass Alister und Bakura mich neugierig und erwartungsvoll ansehen. "Er wird gerade in ein abgelegenes Lagerhaus gebracht." erkläre ich und Bakura nickt leicht. Alister dagegen wirkt erstaunt. "Wow... die Typen sind schnell." meint er sichtlich beeindruckt und ich grinse ihn spöttisch an. "Ich habe auch schließlich keine Zeit zu verlieren." erwidere ich kühl und er betrachtet mich einen Moment argwöhnlich. Ich kann die Frage, die er sich augenblicklich selbst stellt deutlich von seinem Gesicht ablesen und spüre auch, dass er mit sich ringt sie zu stellen. Diese Sache ist etwas anderes als seine Diebstähle und Betrügereien mit Bakura und dessen wird er sich wohl gerade auch bewusst. Ich sehe wie er leicht schluckt, Bakura einen kurzen Blick zuwirft, der sich genüßlich im Sessel lümmelt und raucht. "Ähm..." setzt der Rothaarige dann vorsichtig an und sieht mich mit halb gesenkten Lidern an. "Diese Typen... die sind doch von der Mafia, oder?" Ich beantworte seine Frage nur mit einem knappen, leicht spöttischen Blick, sage aber ansonsten nichts. "Ich schätze, du willst heute noch dort hin." bemerkt Bakura und ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. "Also ich hätte nichts dagegen zum vergnüglichen Teil überzugehen." Es ist halb vier und es wäre sicherlich besser, wenn ich ein wenig schlafen würde. Doch die Angelegenheit duldet keinen Aufschub. Ich muss zugeben, dass ich selbst etwas überrascht bin, dass Marcello die Sache so schnell erledigt hat. Immerhin habe ich ihm den Auftrag erst vor ein paar Stunden erteilt, aber ich hätte wissen müssen, dass er mich nicht enttäuschen würde und ich hatte ihm auch zu verstehen gegeben, dass die Zeit drängt. Ich überlege kurz wie ich weiter vorgehen soll und erneut begegne ich Bakura´s undurchsichtigem Blick. Schlagartig muss ich an unser Gespräch denken, bevor Alister zu uns gekommen ist. Er hat eine Menge geredet und auf den ersten Blick erschien mir sein Gerede unsinnig. Dennoch habe ich das Gefühl, dass mehr Sinn dahinter steckt als ich augenblicklich zu erkennen vermag und auch wenn es mir widerstrebt ernsthaft über die Äußerungen des Diebes nachzudenken, haften sie doch wie Kaugummi in meinem Denken fest. Einerseits war ich erleichtert als Alister an die Tür klopfte und ich so nicht länger alleine mit diesem Freak sein musste. Alister war mehr oder weniger im richtigen Moment erschienen. Perfektes Timing. Im Grunde hatte er mich aus einer recht prekären Situation gerettet, auch wenn er das natürlich nicht wissen konnte. Unwillkürlich muss ich mir auf die Zunge beißen, als ich wieder daran denke dass ich Bakura in dem Moment am Kragen hatte und um ein Haar... Ich weiß selbst nicht was das sollte. Ich habe die Kontrolle verloren. Der Weißhaarige hat mich mit seinem Gerede so lange provoziert bis ich nicht mehr in der Lage war meine Selbstbeherrschung aufrecht zu halten. Noch immer hallen seine Worte in meinem Kopf wider und auch die Sorge um Mokuba vermag es nicht sie zu verdrängen. "Also?" fragt Bakura un sieht mich erwartungsvoll an. "Wie gehen wir vor?" *vier Stunden zuvor* "Es gibt da noch eine Kleinigkeit über Wheeler Junior, die du vielleicht wissen solltest." höre ich ihn sagen und das Grinsen in seinem Gesicht ist eindeutig diabolischer Natur. "Ach?" Ich lege so viel Spott wie nur möglich in meine Stimme und verschränke die Arme vor der Brust. "Wenn du mir mitteilen möchtest, dass dieser Wheeler mein Deck aufgekauft hat, dann spar dir den Atem. Das weiß ich bereits." Bakura wirkt für einen Moment erstaunt und ich grinse ihn triumphierend an. Für einen Augenblick verspüre ich wieder die altvertraute Selbstsicherheit in mir aufsteigen. Ein gutes Gefühl. Fast droht es mich zu berauschen, nachdem ich die letzten 48 Stunden mehr und mehr das Gefühl hatte die Kontrolle zu verlieren und dieser Dieb sich immer wieder anschickte mich aus der Fassung zu bringen. Nun bin ich ihm zuvor gekommen, was mehr als beruhigend ist. Ich kann es also noch. Einen Moment herrscht Schweigen und ich koste es aus, denn immerhin habe ich ihm die Luft aus den Segeln genommen und Bakura sprachlos zu sehen ist ein Anblick, der mir gefällt. Vor allem nach seiner kleinen Demonstration vorhin. Dann legt er plötzlich den Kopf in den Nacken und seufzt. Ich bin nicht sicher, wie ich diese Reaktion deuten soll. Bei Bakura besagt jede Geste etwas und man muss sie nur richtig einzuschätzen wissen, doch augenblicklich verstehe ich die Zeichen nicht so ganz. Etwas, dass Bakura an sich hat, irritiert mich stets so sehr, dass ich teilweise meinen eigenen Gedanken nicht zu trauen wage, was überaus befremdlich ist. Ich sehe wie er nach seinen Zigaretten fischt, sich eine in den Mund steckt und kurz darauf höre ich das Klicken des Feuerzeugs. Er lässt sich Zeit mit seiner Erwiderung und ein Teil von mir würde gern glauben, dass er nach Worten sucht, aber ich bezweifle, dass dem wirklich so ist. Er inhaliert tief und sieht mich dann auch wieder an. "Ich wage zu behaupten, mein lieber Seto, dass diese Sache zwischen Wheeler und dir etwas persönliches werden wird. Darauf solltest du dich schon einmal einstellen." meint er schließlich und erneut habe ich das Gefühl, dass zwischen seinen Zeilen etwas mitschwingt, dass ich nicht zu greifen vermag. Ich zucke mit den Schultern. "Die Sache war schon persönlich." entgegne ich und er verzieht leicht den Mund. "Gedenkst du dein Deck auch wieder zu beschaffen?" will er wissen und ich muss gestehen, dass ich über diesen Punkt noch gar nicht nachgedacht hatte. Die Tatsache, dass dieser Wheeler mein Deck ersteigert hat, war zu irritierend, um mir weitere Schritte zu überlegen, zumal der Weißhaarige mich mit seinem Gerede abgelenkt hat. "Ich werde mir als erstes Wheeler Junior vornehmen." erkläre ich ungerührt und greife nach meinem Handy auf der Ablage. Die Nummer, die ich suche, ist schnell gefunden und unter Bakura´s aufmerksamem Blick betätigte ich die Wahlfunktion. Es klingelt fast sofort und ich wende mich leicht von Bakura ab als mein Anruf entgegen genommen wird. "Ciao Marcello. Come stai?" Ich muss mich nicht groß vorstellen. Er erkennt meine Stimme sofort und erwidert den Gruß mit der herzlichen Freundlichkeit, die ich von ihm gewohnt bin. Wir tauschen kurz ein paar allgemeine Floskeln aus, dann komme ich auch schon zum Punkt. Über meine Situation verliere ich kein Wort. Erkläre dem Italiener lediglich, dass ich einen Auftrag für ihn habe und erläutere diesen in kurzen Zügen. Er hört aufmerksam vor, wiederholt Namen und Adresse, die ich ihm angebe und kurz besprechen wir die Vorgehensweise. Ich erkläre ihm, dass ich Wheeler Junior so schnell wie möglich in die Hände bekommen will und wie erwartet, denkt der Italiener schnell mit. Er erzählt mir von einem Lagerhaus, dass ich für meine Zwecke nutzen könnte, wobei er jedes Wort mit einem leichten Glucksen unterstreicht, vermutlich, weil er sich so einiges in seiner Phantasie bereits auszumalen beginnt. Ich gehe nicht näher darauf ein, bin aber mehr als zufrieden über den Vorschlag, da es mir weitere Planungsarbeit abnimmt. "Esso non deve essere violata." erkläre ich ausdrücklich und Marcello bestätigt. Dann beende ich das Gespräch und Bakura sieht mich interessiert an. "Mafia?" will er wissen und ich verdrehe die Augen, gedenke aber nicht diese Frage zu beantworten. "Man wird ihn in ein Lagerhaus bringen lassen. Das heißt, wir müssen uns nicht um ein Versteck kümmern." erkläre ich lediglich und bin mehr als zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Ich weiß, dass auf Marcello Verlass ist und er meinen Auftrag zu meiner Zufriedenheit erledigen wird. Bakura nickt versonnen. "Sehr schön... Dann können die Spiele ja bald beginnen." meint er vergnügt und schenkt mir ein zuckersüßes Lächeln. "Möchtest du jetzt eine Massage?" fragt er allen Ernstes und ich starre ihn wieder einmal ein paar Sekunden nur an bis ich in der Lage bin etwas zu erwidern. "Ich verzichte." entgegne ich dann knapp und lasse mich auf dem Sessel ihm gegenüber nieder. Er zuckt leicht mit den Schultern. "Wie du meinst..." sagt er nur und das Schweigen, das dann für ein paar Minuten entsteht, gefällt mir nicht. Ich wünschte, Alister wäre hier, auch wenn der wortkarge Rothaarige nicht wirklich etwas zur Unterhaltung beitragen würde. Doch die Atmosphäre wäre anders. Als er erneut den Mund öffnet ahne ich, dass nichts gutes herauskommen wird. "Die Narben stammen von deinem Adoptivvater." Es ist keine Frage, lediglich eine Feststellung und ich funkele ihn wütend an. "Das geht dich nichts an." zische ich ihn ein wenig zu scharf an. Er lächelt nur und mustert mich wieder auf diese seltsame Weise, die mir das Gefühl gibt, nackt vor ihm zu sitzen. "Muss eine interessante Erfahrung gewesen sein." bemerkt er und ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Ich will über dieses Thema nicht reden, schon gar nicht mit ihm und vor allem nicht auf diese Art und Weise. Ich presse fest die Lippen aufeinander und wünschte, er würde verschwinden. Warum nur hat dieser Kerl das Bedürfnis mir auf die Nerven zu gehen? Kann er sich nicht um Alister kümmern? "Wie ich die Sache sehe... bist du ein Masochist, Kaiba. Ein dominanter Masochist. Was dich zu einem ungewöhnlichen Fall macht, aber auch zu einem sehr, sehr spannenden." fängt er von neuem an und ich muss wirklich an mir halten, damit ich nicht nach vorne schnelle und ihn über den Tisch hinweg am Kragen packe. Er beobachtet meine Reaktion auf seine Worte und ich spüre, dass meine Wangenknochen zu zucken beginnen, während ich darum bemüht bin sonst keine Reaktion zu zeigen. Dieser Verrückte will mich provozieren. Ich verstehe zwar den Sinn und Zweck dahinter nicht und vielleicht dient es auch nur seinem eigenen perversen Vergnügen, aber ich werde nicht zulassen, dass er mich mit diesen Äußerungen aus der Fassung bringt. "Ich bin nicht Devlin. Vergiss nicht mit wem du redest." sage ich betont ruhig und sein Grinsen wird schlagartig breiter. "Stimmt... bist du nicht. Aber er ist auch ein kleiner Masochist, der gute Duke. Wenn auch auf andere Weise als du." erwidert Bakura lässig und ich verspüre ein deutliches Kribbeln in meinen Händen. Es kostet mich enorme Selbstbeherrschung, meine Hände nicht zu Fäusten zu ballen und ihm so einzugestehen, dass mich seine Worte reizen. Er weiß es auch so. Dessen bin ich mir sicher. Und ich weiß auch, dass er nicht aufhören wird, dieses Spiel fortzusetzen. "Bei Duke ist es sexueller Natur. Bei dir nicht. Was die Sache wesentlich faszinierender macht." fährt er auch schon in einem geradezu lächerlichen Plauderton fort, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. "Du gehörst zu der Sorte, die sich selbst "verletzen", nicht wahr? Zudem könntest du nie die Kontrolle an jemanden abgeben, der das für dich übernimmt, oder?" Ich funkele ihn eisig an. "Ich warne dich, Bakura, übertreib es nicht. Ich bin weder in der Stimmung für solch ein unsinniges Gefassel noch gewillt, dir weiter zu zu hören." Jeder andere würde zusammen zucken bei meinem Tonfall und Abstand von mir halten, aber er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Vollkommen ungerührt sieht er mich an, seine Augen funkeln herausfordernd. "Weißt du, Kaiba, eigentlich könnten wir beide eine Menge Spaß miteinander haben, wenn du nicht so verdammt borniert wärst." meint er im nächsten Augenblick auch schon und ich lache gespielt trocken auf. "Was du nicht sagst. Hast du denn noch nicht genug Spaß, Bakura?" Er quittiert meine Aussage mit einem süffisanten Lächeln und einer grazilen Handbewegung. "Falls du auf Duke anspielen solltest... Wir sind nur gute Freunde." Mein Geduldsfaden ist zum zerreißen gespannt. "Ich spiele auf gar nichts an und Devlin interessiert mich nicht." herrsche ich ihn wütend an. "Meinetwegen kannst du dich soviel vergnügen wie du willst, aber lass mich da raus." Er seuftz und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. "Ach, Kaiba, du bist wirklich einmalig. Du versteckst dich hinter deinen Masken und hältst dich für undurchschaubar, dabei bist du im Grunde recht einfach gestrickt. Du sehnst dich danach, die Kontrolle abgeben zu können, aber dein Stolz lässt es nicht zu. Du befindest dich in einem stetigen Kampf mit dir selbst und dabei könnte es doch so einfach sein... Ich wette, wenn du einmal über die Klippe springen würdest..." Er hält kurz inne, fährt aber nach einem kurzen Atemzug schon fort. "Ich könnte dir eine Menge beibringen, Kaiba. Oh, wir könnten sehr viel Spaß haben. Wir sind uns ähnlicher als du denkst." "SCHWEIG! Du kennst mich nicht! Du weißt nichts über mich!" Etwas in mir explodiert mit einer Schlagkraft, dass ich es nicht aufzuhalten vermag. Mit einer Bewegung bin ich auf den Beinen und springe auf ihn zu. Meine Hände packen ihn am Kragen und ich reiße ihn nach oben als wäre er nichts weiter als eine kleine Strohpuppe. Er lässt es geschehen, leistet keinerlei Widerstand und sieht mir direkt in die Augen. Mein Herz hämmert hart gegen meinen Brustkorb und meine Atmung ist beschleunigt. Sein süffisanter Blick sagt mir, dass ich genauso handele wie er es erwartet hat und ich hasse ihn dafür. Doch nochmehr verfluche ich meine eigene Unbeherrschtheit. Er hat es tatsächlich geschafft mich an den Punkt zu treiben, dass ich mich gehen lasse und das nur durch sein dämliches Gerede. Ich halte ihn fest und weiß nicht so recht was ich als nächstes tun soll. Die Situation ist aberwitzig und ich kenne mich so nicht. Seit Jahren hatte ich keinen solchen Ausbruch mehr, wenn ich überhaupt je einen dieser Art hatte. Ich spüre Wut, übermächtigen Zorn und kann das Gefühl nicht unterdrücken. "Nun?" höre ich ihn sagen und seine Stimme ist nur ein Hauch. Sein Atem streift meine Wange und ich schlucke unwillkürlich. "Gozabura hat dich auf einen Level gebracht, der seinesgleichen sucht. Du brauchst den Schmerz, genau wie ich, Seto." Die Worte kommen mit einer so unerwarteten Sanftheit aus seinem Mund, dass es mich trifft wie ein Schlag. Fassungslos sehe ich ihn an. Wie kann ein Mensch nur innerhalb weniger Sekunden seinen Tonfall so massiv verändern? Eben klang er noch spöttisch, fast höhnisch und nun spricht er mit mir auf fast schon liebevolle Weise. Unwillkürlich muss ich an den Köter denken. Wie oft hat der Kläffer mich provoziert, doch nie bin ich so aus der Haut gefahren. Nie hatte ich den Wunsch ihm weh zu tun, ihm tatsächlich Schmerz zu zufügen. Gleichgültig wie sehr er mich zu ärgern versuchte, allein der Gedanke, Hand an ihn zu legen, schien absurd. Zugegeben, einmal verspürte ich für einen kurzen Augenblick den Wunsch ihm eine zu verpassen. Eine Ausnamesituation zwischen uns und es waren auch lediglich ein paar Sekunden, die das Gefühl anhielt. Damals hatte er mir meinen weißen Drachen abgenommen und damit eine Grenze überschritten. Doch auch in diesem Augenblick hatte ich mich letztlich unter Kontrolle und zudem... Katsuya war ein besonderer Fall. Ja, das war er immer gewesen. Auf eine abstrakte, unwirkliche Art war er im Grunde der einzig wirklich wahre Gegner, den ich je hatte. Kein Vergleich zu Muto, auch wenn dieser es war, der mich bei den Duellen schlug. Nein, der Köter war der wahre Gegner, Muto nur eine Randfigur. Doch es hatte eine Weile gedauert bis ich das begriffen hatte. Auch wenn Muto gegen mich gewann und sein Sieg durchaus berechtigt war, was ich zähneknirschend einräumen muss, nach jedem Duell hatte man fast den Eindruck, dass er es bereue, ja, dass es ihm leid tue, dass überhaupt jemand als Sieger davon gehen muss. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass in seinen Augen alle Sieger waren. Der Zwerg verstand einfach nicht das Wesentliche. Der Köter schon. Er wusste, was ein Duell wirklich bedeutete und auch wenn es nie eine Herausforderung war in einem Duell gegen ihn anzutreten, im wahren Leben war er DIE Herausforderung schlechthin. Der Einzige, der nicht parierte. Der einzige Mensch, der konstant und unerbittlich Widerstand leistete, gleichgültig was es ihn auch kostete. Es wäre ein leichtes gewesen, ihn wie ein Insekt zu zerquetschen. Ich hätte ihn von der Schule werfen lassen können. Ich hätte ihn bis zu seinen Enkelkindern verklagen können, aber keine dieser Maßnahmen hätte was geändert. Er hätte mich immer noch mit diesen stolzen braunen Augen angesehen und wäre wieder aufgestanden. Es ging nie darum ihn wirklich zu verletzen. Ich wollte ihn nur in die Knie zwingen. Einmal den Punkt erreichen wo er nicht wieder aufstehen würde, um mir an den Kopf zu werfen, dass er niemals aufgeben würde. Einmal sollte er liegen bleiben. Ein einziges Mal. Im Gegensatz zu Muto verfügte dieser Streuner über einen solchen Stolz, dass er damit unablässig an meinem kratzte. Doch bei Bakura ist es etwas anderes. Ich würde ihm zu gerne eine Lektion erteilen, dieses verfluchte Grinsen aus seinem Gesicht wischen und dafür sorgen, dass er so schnell nicht mehr damit anfängt zu grinsen. Doch das ist nur ein Gefühl, dass mich gerade zu überwältigen droht. In meinem Hinterkopf ist noch etwas anderes, etwas dass viel dunkler ist und das ich nicht näher kennenlernen will. Das Gefühl, auf welches er es mit seinen Worten abgesehen hat. "Du willst es doch." vernehme ich diese samtig weiche Stimme. "Tu es einfach. Lass dich gehen." Er zieht kurz die Brauen nach oben als möchte mir ein Zeichen geben. Erneut schlucke ich. Mein Herzschlag scheint immer schneller und schneller zu werden. Meine Gedanken überschlagen sich und ich bin nicht in der Lage eine einfache Entscheidung zu treffen. Ich kann ihn weder zurück in den Sessel stoßen, noch ihn loslassen. Ich sehe ihn einfach nur an und nehme war, dass er mir den Kopf leicht entgegen neigt. In diesem Moment klopft es an der Tür. "Ich bin´s. Macht auf." Alister´s Stimme reißt mich von Bakura los und endlich bin ich in der Lage meine Hände von seinem Kragen zu lösen. *Gegenwart* "Warum die Sache unnötig in die Länge ziehen?" sage ich mehr zu mir selbst als zu den beiden anderen. "Jetzt wo wir diesen Wheeler haben, wäre es doch unhöflich, ihm keinen Besuch abzustatten, oder?" Bakura fängt meinen Blick auf und grinst. "Sehr unhöflich, Kaiba." stimmt er zu und springt auch schon auf. "Wir sollten unseren Gast wirklich nicht warten lassen." Ich nicke. "Dann wäre der Punkt ja entschieden." sage ich und Alister sieht mich fragend an. "Wir sollen mitkommen?" fragt er unsicher. Bakura lacht. "Willst du dir die Sache entgehen lassen? Ich kann dir versprechen, dass es sehr, sehr vergnüglich werden wird." Ich ignoriere Bakura´s Äußerung und zucke mit den Schultern. "Du kannst gerne hier bleiben." erkläre ich Alister. Wenn es nach mir ginge, würde Bakura das jedenfalls tun, aber ich bezweifle, dass er sich in dem Punkt etwas sagen lassen würde und noch bin ich nicht sicher, ob ich seine Hilfe nicht doch noch einmal brauche. Zudem dürfte es auch besser sein ein Auge auf ihn zu haben, auch wenn ich mich in seiner Gegenwart augenblicklich mehr als unbehaglich fühle. "Was genau hast du mit ihm vor?" will Alister weiter wissen und ich verdrehe die Augen. "Kaffee trinken, was denkst du wohl? Ich will ein paar Antworten." entgegne ich spöttisch und greife zu Devlin´s Lederjacke auch wenn ich viel lieber meinen Mantel anziehen würde. "Was ist jetzt?" frage ich und begebe mich zur Tür. Bakura ist sofort neben mir. Alister zögert noch einen Moment. Ich schätze, er würde lieber zurückbleiben, aber die Vorstellung allein zu sein, scheint ihm auch nicht zu behagen. Er erhebt sich schließlich und ich verlasse das Zimmer. Schweigend verlassen wir das Hotel und ich steuere auf den Leihwagen zu, den ich besorgt habe. Ich steige auf der Fahrerseite ein und stecke den Schlüssel ins Zündschloss. Alister nimmt auf der Rückbank Platz und Bakura lässt sich neben mir nieder. Er wirft mir einen kurzen Blick zu, doch ich starte bereits den Wagen. "Weißt du wo du hin musst?" fragt Bakura und ich gebe ein verächtliches Geräusch von mir. "Schon mal was von einem Navi gehört?"entgegen ich und deute auf das kleine Gerät. Er nickt und ich sage ihm die Adresse. Er kommt meiner Aufforderung nach und ich fahre los. Die Fahrt dauert länger als erwartet. Kein Wunder bei dem Verkehr in New York. Bakura beginnt an dem Radio zu drehen und ich werfe ihm einen missbilligenden Blick zu. "Lass das." fahre ich ihn an und er seufzt, sagt aber zu meiner Überraschung nichts dazu. "Dann hoffen wir mal, dass der Junge kooperativ ist." meint Alister von der Rückbank. Bakura lacht. "Wenn er es nicht ist, werden wir wohl etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen." erwidert der Weißhaarige. "Es sei denn, der gute Kaiba hat was dagegen." Wieder streift mich sein Blick. "Mir ist es egal wie ich an Mokuba und meine Informationen komme. Dieser Kerl kümmert mich nicht." erkläre ich nüchtern und Bakura´s Augen funkeln auf, wie ich aus dem Augenwinkel deutlich sehen kann. "Naja, ich dachte, du würdest vielleicht nicht wollen, dass ihm etwas passiert..." setzt der Dieb an und ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. "Ich gedenke auch nicht ihn umzubringen. Ich will nur meinen Bruder und ein paar Antworten und wenn er mir das nicht freiwillig geben will, nun, dann muss er mit den Konsequenzen leben." entgegne ich scharf und der Dieb lacht auf. "Das ist dir richtige Einstellung." meint er vergnügt. Das Lagerhaus liegt wirklich in einer ablegenen Gegend. Ein verlassenes Industriegelände wie mir scheint. Marcello´s Wahl war wieder einmal vortrefflich wie ich befriedigt feststelle. Ich finde das Ziel auch ohne große Probleme. Aus der Ferne sehe ich einen großen Lowrider vor einer der riesigen Hallen stehen und steuere darauf zu. Ich parke den Wagen direkt daneben und als ich aussteige, werde ich auch schon von einer bekannten Stimme begrüßt. "Ti saluto, amico mio." Marcello kommt lächelnd auf mich zu und wir reichen uns kurz die Hand. "Buon lavoro!" sage ich und krame ein paar Geldbündel aus meiner Tasche. Der Italiener strahlt mich freudig an. "Es war aber auch mehr als einfach, mein Freund. Der Junge lief meinen Männern geradezu in die Arme. Ich hätte selbst nicht damit gerechnet, dass wir ihn so schnell haben würden." Er lacht und ich schenke ihm ein kühles Lächeln. "Du kannst jetzt gehen." sage ich und Marcello nickt. "Er ist in einem der kleinen Nebenräume. Gut verpackt, versteht sich." Der Italiener zwinkert mir zu und ich verstehe was er mir zu sagen versucht. Ich nicke nur. "Das Lager kannst du so lange nutzen wie es dir beliebt. Und falls du noch etwas brauchen solltest... " Wieder nicke ich und bedanke mich knapp für den Hinweis. Dann pfeift der Italiener und zwei weitere Männer kommen aus der Halle. "Wir verschwinden." sagt er an seine Leute gewandt, die mich knapp mustern und dann auf ihren Wagen zugehen. "Vi auguro tanto divertimento." Wieder zwinkert er mir zu und begibt sich dann auch zu seinem Auto. Ich warte bis die Drei losgefahren sind, dann schreite ich auf das Lager zu. Bakura und Alister folgen mir. Die Halle ist matt erleuchtet und mein Blick wandert kurz durch das leere Lager, dann wende ich mich der Seitentür zu, die vermutlich zu dem Raum führt, von dem Marcello geredet hat. Ich nicke meinen Begleitern zu und setze mich in Bewegung. Der Nebenraum ist nicht sonderlich groß und verfügt über nur ein einziges Fenster. Eine einzele Glühbirne erhellt den Raum und außer ein paar Stühlen befinden sich keine Möbel oder sonstigen Dinge in dem kleinen Kabuff. Mein Blick fällt auf die Gestalt in der Mitte des Raumes. Marcello hat ihn tatsächlich gut verpacken lassen. Arme und Beine sind an einen Holzstuhl gefesselt und über den Kopf hat man dem Jungen einen schwarzen Sack gezogen. Klassische Vorgehensweise, aber Marcello versteht schließlich auch etwas von seinem Fach. Die Gestalt reagiert auf uns Neuankömmlinge und hebt den Kopf. Ich gehe davon aus, dass er geknebelt wurde, andernfalls hätte er nun auch sicher bereits etwas gesagt. Ich deute Alister und Bakura auf einzutreten und der Rothaarige schlüpft in eine der Ecken des Raums so als wolle er sich verstecken. Bakura bezieht neben mir Position und mustert wie ich die vermummte Gestalt. Einen kurzen Augenblick überlege ich wie ich vorgehen soll. Bakura sieht mich derweil abwartend an. Scheinbar ist er gewillt die Sache mir zu überlassen. Ich mache ein paar Schritte auf den Jungen zu, der den Kopf in meine Richtung bewegt. "Du bist hier, weil ich ein paar Fragen an dich habe. Und weil du etwas hast, dass mir gehört." erkläre ich in ruhigem, sachlichen Ton und spüre wie ein Ruck durch den schmalen Körper geht. Ein unverständliches Geräusch kommt aus dem Sack und ich vermute, dass er versucht etwas zu sagen, doch mehr als ein Grummeln ist nicht zu verstehen. "Ich werde dir jetzt den Sack und den Knebel abnehmen. Dann werden wir uns unterhalten." fahre ich mit meiner Erklärung fort. "Und ich rate dir, zu kooperieren. Andernfalls zwingst du mich Maßnahmen zu ergreifen, von denen ich gerne absehen würde." Ich gebe ihm einen Moment meine Worte sacken zu lassen und darüber nachzudenken. "Hast du mich verstanden?" frage ich schließlich und die Gestalt nickt fast unverzüglich. "Gut." sage ich und gebe Bakura mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er ihm den Sack vom Kopf ziehen soll. Der Weißhaarige tritt hinter den Stuhl und für einen Moment begegnen sich wieder unsere Blicke. In seinen Augen leuchtet es amüsiert auf, doch ich ignoriere ihn und wende mich der Gestalt zu. Mit geübtem Handgriff zieht Bakura dem Jungen den Sack vom Kopf und dieser hebt auch schon sein Haupt. Ich glaube meinen Augen kaum. Das kann nicht sein! Fassungslos starre ich in das Gesicht des Jungen und vertraute braune Augen starren ebenso zurück. Ich schlucke hart, blinzele einmal ungläubig, aber das Bild bleibt das Gleiche und es ist echt. "Was zum..." Meine Worte bleiben mir im Hals stecken. Der Schock ist einfach zu groß. Vor mir sitzt Katsuya Jonouchi, der Köter, und sieht mich so giftig an wie eh und je. Kapitel 22: Konfliktgeladene Dialektik -------------------------------------- Ich hoffe ihr seid alle gut ins neue Jahr gestartet. Dass ich euch dieses Kapitelchen vorlegen kann, verdanke ich meinem Herrn und Gebieter, der heute den Haushalt übernimmt. :-) Ich weiß ja nicht, wie ihr euch das Wiedersehen vorstellt, meine Vorstellung könnt ihr jetzt lesen. Bin gespannt was ihr dazu sagt. Viel Spaß! "Du bist hier, weil ich ein paar Fragen an dich habe. Und weil du etwas hast, dass mir gehört." Ich erkenne die Stimme sofort. Es besteht nicht der geringste Zweifel. Selbst in hundert Jahren hätte ich diese Stimme noch unter Tausenden erkannt. Ich spüre wie ein Ruck durch meinen Körper geht als ich den wohlbekannten, eisigkalten, ruhigen Tonfall vernehme. Kaiba. Ich weiß nicht mit wem oder was ich gerechnet hatte, nachdem ich wieder zu mir gekommen war und mir bewusst wurde, dass man mich gekidnappt hatte, aber ganz sicher nicht, dass Seto Kaiba dahinter stecken würde. Doch er ist es. Kein anderer Mensch redet auf diese Art und Weise mit genau diesem Tonfall. Ich versuche etwas zusagen, aber der Knebel in meinem Mund verhindert, dass auch nur ein verständliches Wort herauskommt. Er fährt allerdings auch schon fort. "Ich werde dir jetzt den Sack und den Knebel abnehmen. Dann werden wir uns unterhalten. Und ich rate dir, zu kooperieren. Andernfalls zwingst du mich Maßnahmen zu ergreifen, von denen ich gerne absehen würde." Meine Gedanken überschlagen sich und ich frage mich, worauf er eigentlich hinaus will, dann beschleicht mich der Gedanke, dass er von Mokuba´s Aufenthaltsort erfahren hat. Ja, so muss es sein. Kaiba hat heraus bekommen, dass der Kleine bei mir ist. Dennoch verstehe ich nicht so ganz diese Vorgehensweise. Sogar für Kaiba´s Verhältnisse ist sie etwas übertrieben. Immerhin hätte er mich auch so kontaktieren können. "Hast du mich verstanden?" fragt er und ich nicke schnell. "Gut." befindet er und ich höre wie jemand näher an mich heran tritt und sich an dem Sack zu schaffen macht. Ich halte die Luft an als man mir meine freie Sicht wieder schenkt und meine Augen treffen seine fast sofort. Er starrt mich fassungslos an und obgleich er sich kaum zu verändert haben scheint, seine Miene wirkt so ungerührt wie eh und je, erkenne ich die minimalistischen Zeichen des Erstaunens in seinen blauen Augen und mir wird schlagartig bewusst, dass Kaiba in diesem Augenblick keinesfalls mit einem vertrauten Gesicht gerechnet hat. Nein, er hat nicht gewusst, dass er Joey Wheeler bereits kennt. Anders kann ich mir die Fassungslosigkeit in seinem Gesicht nicht erkennen. "Was zum..." fängt er an, bricht den Satz jedoch ab und presst fest die Lippen aufeinander und ich funkele ihn an. Zum ersten Mal sehe ich wie Kaiba die Fassung verliert. Eigentlich merkt man kaum eine Veränderung. Seine Züge sind noch immer wie aus Stein gemeißelt und einem oberflächlichen Beobachter würde es sicher entgehen, dass sich an seiner Miene überhaupt was geändert hat. Aber ich kenne dieses Gesicht zu gut und jede Regung darin schien mir bis heute vertraut. Deshalb weiß ich, dass er seine Selbstbeherrschung gerade verloren hat. Die Kontrolle ist ihm entglitten und seine Augen verengen sich zu blitzenden Schlitzen. Ich schlucke unwillkürlich. Dann erst registriere ich das Gesamtbild. Vor mir steht bei weitem nicht der Kaiba, wie ich ihn kannte. Das Bild, dass er mir bietet ist so surreal, dass ich unwillkürlich blinzeln muss und fast daran zweifele, dass das hier wirklich passiert. Auch wenn er in seiner gewohnten starren Haltung vor mir steht, die Arme vor der Brust verschränkt hat, etwas an diesem Bild stimmt nicht. Ich brauche einen Moment, um den Fehler zu erkennen. Dann erst registriere ich, dass er nicht seinen obligatorischen Mantel trägt, sondern eine abgetragene Lederjacke. Und Jeans. Und ein T-Shirt mit irgendeiner Aufschrift, die ich aufgrund seiner Haltung nicht lesen kann. Ich glaube, hätte ich diesen Knebel nicht im Mund und wäre meine Anspannung nicht so groß, ich würde laut los lachen. Kaiba fasst sich derweil auch schon wieder. Seine Miene nimmt wieder die wohl bekannten stoischen Züge an und sein Blick wird so eisig, dass ich vermute, dass ich es dieses Mal geschafft habe, ihm einen Todesblick der Stufe 10 zu entlocken. Ungerührt sieht er mich an und ich tue es ihm gleich, zumal ich nichts zu sagen vermag, aber ich glaube, auch ohne Knebel, wüsste ich nicht was ich sagen sollte. Dann wird mir auch schon dieses Tuch aus dem Mund genommen und ich bemerke Bakura neben mir, der mich spöttisch angrinst. "Sieh an, wen haben wir denn da?" höre ich den Weißhaarigen sagen und will gerade auch schon zu einer Erwiderung ansetzen als Kaiba´s harsche Stimme den ganzen Raum erfüllt. "Lasst uns allein." sagt er und starrt mich immer noch an. Bakura scheint zu zögern und jetzt erst registriere ich, dass noch jemand da ist. Eine dritte Person. Mein Blick wandert in die Ecke wo sich jemand aus dem Schatten der Wand löst und ich glaube, die Gestalt zu erkennen, bin aber nicht in der Lage sie einzuordnen. "Geht raus." zischt Kaiba als ihm die Bewegungen der beiden anderen nicht schnell genug zu gehen scheinen und der Rothaarige, ich glaube, es ist Alister, kommt dem Befehl umgehend nach. Bakura dagegen setzt sich gemächlicher in Bewegung. Er geht ein paar Schritte, steht dann direkt neben Kaiba und wirft ihm einen knappen Blick zu. "Wie du willst, Seto." höre ich ihn sagen, dann verlässt auch er den Raum und wir sind allein. Seto? Ich weiß nicht was ich beunruhigender finde, die Tatsache, dass Seto Kaiba in einem für ihn geradezu parodistischen Aufzug vor mir steht oder dass ausgerechnet Bakura ihn gerade mit dem Vornamen angeredet hat, etwas das, wie ich mich erinnere, er eigentlich nur von Mokuba duldet. Selbst unsere Lehrer durften ihn nicht damit anreden. Umso befremdlicher befinde ich die vermeidliche Vertrautheit, die diese kleine Geste demonstriert, doch der Gedanke verschwindet auch schlagartig wieder als die Tür fest ins Schloss fällt. "Krasser Aufzug." Ich weiß nicht warum ich das sage, auch nicht warum ich grinsen muss. Die Situation ist ernst. Seine Miene verrät es und es gäbe wichtigere Dinge, die ich ihm sagen sollte. Zum Beispiel, dass es Mokuba gut geht, falls er das noch nicht weiß. Ja, es wäre sogar angebrachter ihn anzuschreien, aber mein Mund öffnet sich einfach und ehe ich es verhindern kann, kommen auch schon diese Worte über meine Lippen. Er rührt sich nicht, sieht mich einfach nur an. Mann, Mann, das ich das einmal erleben würde. Kaiba in Jeans und Lederjacke. Wie ist er nur auf diese Idee gekommen? Nicht, dass ihm der Aufzug nicht stehen würde. "Du." sagte er mit einem Tonfall, der jedem das Blut in den Adern gefrieren lassen würde. "Ich." bestätige ich mit einem schiefen Grinsen. "Ähm, wenn du so freundlich wärst, mich loszubinden... Meine Handgelenke tun langsam weh." Doch Kaiba macht keinerlei Anstalten, meiner Aufforderung nachzukommen. Er zieht lediglich in alter, gewohnter Manier eine Braue nach oben, die Rechte, und beäugt mich nachdenklich. Da die Überraschung ihm sicher noch in den Gliedern steckt, lasse ich ihm das durchgehen ohne ihn anzumurren. Immerhin scheint er erst einmal verarbeiten müssen, wer seine Geisel ist. "Was zur Hölle hast du mit dieser Sache zu schaffen?" werde ich dann aber fast schon angeherrscht und seine Schlagader pulsiert so heftig, dass ich schlucken muss. "Wie kommt es, dass ausgerechnet dein Vater das Sorgerecht für meinen Bruder erwirkt hat?" fragt er auch schon weiter ehe ich etwas erwidern kann. "Ich warne dich, Köter... Augenblicklich verstehe ich keinerlei Spaß." Ich blinzele erneut. "Spaß?" herrsche ich ihn nun meinerseits wütend an. "Dito. Ich verstehe auch keinen oder denkst du es ist angenehm eins über den Kopf gezogen zu bekommen. Ich habe Todesangst ausgestanden. TODESANGST." Ok, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber egal. "Würdest du mich jetzt bitte losbinden? Dann können wir in Ruhe über die Sache reden." Zu meiner Überraschung lacht er trocken auf und gibt nun endlich den Blick auf sein Shirt frei, so dass ich die Aufschrift lesen kann. Ich fasse es nicht. Ich muss in einem falschen Film sein. Trägt Seto Kaiba tatsächlich ein Shirt mit der Aufschrift "My girlfriend sucks"? "Ich denke nicht daran, dich loszubinden. Erst wirst du mir sagen was ich wissen will. Wo ist mein Bruder und was hast du mit dieser Angelegenheit zu schaffen, Köter?" zischt er mich eisig an und das Lachen erstickt mir im Halse. "Spinnst du?" will ich wissen. "Bind mich los, Mann. Deinem Bruder geht es gut. Er ist bei mir zuhause und schläft in diesem Moment. Was ich auch tun würde, hätten deine Mafiafreunde mich nicht überfallen." Die Worte sprudeln aus mir heraus und ich verspüre wieder diesen altbekannten Zorn in mir aufsteigen. Ach was, er ist schon längst da. Er pulsiert durch meine Adern. "Im Übrigen müsstest du mir dankbar sein... Immerhin habe ich dafür gesorgt, dass Mokuba nicht in die Hände irgendwelcher Fremden gerät..." fahre ich fort und zerre an meinen Fesseln. Kaiba sieht mich regungslos an. "Ich hasse es mich zu wiederholen, Köter, falls du das vergessen haben solltest." entgegnet er so gelassen und nüchtern, dass ich die Welt nicht mehr verstehe. Ist der Kerl komplett übergeschnappt? Versteht er nicht was ich ihm zu sagen versuche? "Ich bin kein Köter." entfährt es mir auch schon automatisch und für einen perfiden Moment schüttele ich fassungslos den Kopf. Typisch Seto Kaiba. Der Mann ist auf der Flucht, hat seine Firma verloren, seine Welt liegt in Scherben da nieder und er ist angezogen wie ein abgefuckter Rockstar und hat trotzdem den Nerv mich mit einer Arroganz und Überheblichkeit anzusehen als wäre er der Kaiser von China. Was zur Hölle stimmt nicht mit dem Kerl? "Ich warte." sagt er sichtlich unbeeindruckt von meinem Einwurf und ich ateme tief durch. Er scheint nicht im Traum daran zu denken, mich loszubinden und augenblicklich tut er auch gut daran, denn ich würde mich sicher nicht beherrschen können, wenn meine Hände frei wären. Ich schließe für einen Moment die Augen und versuche mich zu konzentrieren, die Situation logisch zu erfassen, wie ich es inzwischen gelernt habe. Kaiba hat nicht gewusst, dass ich Joey Wheeler bin. Er hat mit jemand anderem gerechnet. Folglich hat er auch meine Nachricht, die ich über Tea an Roland übermittelt habe, nicht bekommen. Demnach weiß er nichts von all dem was inzwischen geschehen ist. Er war der Ansicht, dass Mokuba bei einem Fremden ist. Wenn sich die Sache tatsächlich so verhält, was seine Reaktion gerade erklären würde, nun, dann verstehe ich ihn sogar irgendwie. Auch wenn er in Anbetracht unserer Bekanntschaft eigentlich wissen müsste, dass ich auf seiner Seite stehe. Aber naja, Kaiba ist eben Kaiba und Kaiba ist eine lebende One-man-Show. "Was allerdings nicht seine Kooperation mit Bakura erklärt, die doch sehr innig zu sein scheint." meldet sich die böse kleine Stimme genau im richtigen Moment. Ich schüttele erneut den Kopf, um diesen Einwurf zu verdrängen und bemühe mich Kaiba vollkommen ruhig und gelassen anzusehen. "Kaiba, dein Bruder ist in Sicherheit. Ich habe von euer Lage erfahren und ich konnte einfach nicht glauben, was dir unterstellt wird. Also habe ich mich mit Tea in Verbindung gesetzt, die der gleichen Ansicht ist. Genau wie Yugi. Durch einen Freund meines Vaters habe ich dann erfahren, dass Mokuba in die Staaten gebracht werden soll." Ich versuche ruhig und sachlich zu reden, ihm die Situation plausibel zu erläutern. Er hört mir schweigend zu und ich fahre fort: "Dann habe ich alles dran gesetzt, dass wir ihn aufnehmen können. Ich dachte, es wäre auch in deinem Sinne. Auch wenn wir nicht unbedingt Freunde sind, es muss dir doch lieber sein, dass er bei mir ist als bei irgendwelchen Fremden. Jedenfalls hat mein Vater dann die Vormundschaft übernommen und seither habe ich alles versucht, um mit dir in Kontakt zu treten. Mokuba hat bereits einen Brief an dich geschrieben und wir haben Tea zu Roland geschickt, weil keiner sonst wusste wo du steckst." Er scheint über meine Worte nachzudenken, doch ob sie ihn zufrieden stellen, weiß ich nicht. Er rührt sich noch immer nicht. "Könntest du mich jetzt losbinden?" frage ich erneut. Endlich scheint ein Ruck durch seinen Körper zu gehen. "Du willst mir sagen, dass du aus reiner Nächstenliebe, meinen Bruder aufgenommen hast?" will er wissen und mustert mich argwöhnisch. "So sieht´s aus, Kaiba." bestätige ich. "Ich weiß, mit Nächstenliebe kennst du dich nicht unbedingt aus..." Wieder komme ich nicht umhin ihn anzugrinsen. "Und was ist mit meinem Deck? Hast du das auch aus reiner Nächstenliebe erstanden?" Ich spüre wie sich meine Wangen verfärben und ich senke kurz den Blick. "Ich... ähm..." Ich weiß nicht so recht was ich sagen soll. Zumal ich immer noch nicht sicher weiß, warum ich das überhaupt getan habe. Aber ich wage zu bezweifeln, dass er mir ohnehin glauben würde, gleichgültig was ich sage. Kaiba sieht in seiner Verbohrtheit wieder einmal nur die reinen Fakten, wie mir scheint. Sein Erzfeind hat seinen Bruder und auch sein Deck und naja, irgendwie verstehe ich ihn sogar. Mir würde das auch spanisch vorkommen. Zudem ist Kaiba paranoid. "Kaiba, ich bin auf deiner Seite." versuche ich ihm zu erklären. "Geht das denn nicht in deinen sturen Schädel? Diese Nummer hier ist volllkommen überflüssig." Er schnaubt verächtlich, doch er scheint erneut nachzudenken. "Wenn deine Geschichte stimmt, dann wird Mokuba sie mir sicher bestätigen können, oder?" will er wissen und ich nicke. "Klar. Der Kleine und ich haben offen über das Ganze geredet. Du kannst auch Roland fragen. Tea war gerade erst bei ihm und..." Er macht eine kurze Handbewegung, die mir bedeutet zu schweigen und ich werfe ihm einen wütenden Blick zu. Für wen hält dieser Penner sich? Aber ich verkneife mir einen Kommentar. Immerhin will ich, dass er mich endlich losbindet. "Gut." meint er schließlich. "Ich will mit Mokuba reden." Ich nicke. "Kein Thema. Dein Bruder wird sich wahnsinnig freuen." erwidere ich und hoffe, dass er endlich zur Vernunft kommt. Er wirft einen kurzen Blick auf die Uhr. "Es ist jetzt kurz nach vier." verkündet er. "Wann wird er zur Schule gebracht?" Ich überlege kurz, weiß nicht so recht was ich von der Frage halten soll. "Der Unterricht beginnt um halb neun." entgegne ich schließlich verständnislos und Kaiba nickt. "Dein Appartment wird überwacht." erklärt er mir ruhig. "Daher werde ich mich dort nicht sehen lassen können. Deshalb wirst du mich in mein Hotel begleiten. Später wirst du dann deinen Bodyguard anrufen, der Mokuba zur Schule bringt, und ihn anweisen, ihn zu dir ins Hotel zu bringen." Ich nicke, obwohl ich das Manöver noch nicht so recht verstehe. "Bis Mokuba mir deine Geschichte bestätigt hat, werde ich dich unter Beobachtung halten. Verstanden?" Ich nicke seufzend. "Verdammt Kaiba, ich bin´s mit dem du redest. Meine Geschichte stimmt, was denkst du denn? Du kannst mir doch nicht ernsthaft unterstellen, dass ich irgendwas mit dieser ganzen Sache zu tun habe? Echt jetzt, das ist doch verrückt!" entgegne ich genervt und amüsiert zugleich. "Du bist echt paranoid. Aber gut... Ich habe ja scheinbar keine andere Wahl." "Korrekt." entgegnet er knapp und mustert mich noch einen Augenblick. "Ich hoffe für dich, dass deine Geschichte stimmt, Köter." Dann dreht er sich um und geht aus dem Raum. Ich starre ihm entgeistert nach. "KAIBA?" schreie ich dann. Er wird mich doch nicht solange hier sitzen lassen? Doch kaum ist mein Schrei verklungen, wird die Tür auch schon wieder geöffnet und Bakura tritt grinsend an. "Keine Panik, Katsuya, wir lassen dich nicht hier sitzen." meint er und baut sich dann vor mir auf, um mich abschätzend zu mustern. "Schön dich wiederzusehen." meint er lässig und ich funkele ihn giftig an. "Leider kann ich das nicht von dir behaupten, Spinner." zische ich ihn an, aber er lacht nur. "Ich werde dich jetzt losbinden, aber ich warne dich. Keine Tricks. Du wirst uns brav begleiten, Hündchen." Ich presse meine Lippen aufeinander und verkneife mir einen bissigen Kommentar. An Bakura wäre er ohnehin zu verschwendet. Der Weißhaarige tritt hinter mich und kurz darauf werden die Bänder an meinen Füßen auch schon gelöst. Erleichtert atme ich auf. Doch mit den Handfesseln lässt er sich Zeit. Statt mich loszubinden, streichtelt er mit seinen Fingern erschreckend sanft über meinen Hals ehe er ruckartig meinen Kopf nach hinten zieht. "Damit wir uns richtig verstehen, du wirst mir keinen Ärger machen, hast du verstanden?" raunt er mir ins Ohr und ich keuche verächtlich auf als seine Zunge über mein Ohrläppchen leckt. Dann schleudert er meinen Kopf auch schon wieder nach vorne und löst meine Fesseln. Ich reibe mir meine schmerzenden Handgelenke, dann stehe ich auf und wende mich zu ihm um. Er grinst noch immer und sein Blick gefällt mir ganz und gar nicht. Irgendetwas seltsames liegt in seinen Augen und erneut kommt mir die Frage, was er eigentlich mit dem Ganzen zu schaffen hat und warum er Kaiba beim Vornamen anspricht. "Los, wir gehen." Er versetzt mir einen Stoß. "Fass mich nicht noch einmal an, du Psycho." warne ich ihn, aber er lacht nur. Da erscheint Kaiba in der Tür. "Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit." herrscht er uns an und ich reiße meinen Blick von Bakura los, der mir allerdings wie ein Schatten an den Fersen heftet. "Bist du jetzt Kaiba´s neuer Wachhund?" frage ich spöttisch als wir die Lagerhalle verlassen. Der Weißhaarige erwidert nichts, drängt mich nur in Richtung Wagen. Kaiba sitzt bereits hinter dem Steuer. Ich werde neben Alister auf den Rücksitz verfrachtet, Bakura nimmt auf dem Beifahrersitz Platz. Schweigend fährt Kaiba los und ich weiß nicht so recht, was ich von all dem halten soll. Ich kann mir sein Verhalten zwar mit einigen Zugeständnissen erklären, trotzdem erscheint mir seine Reaktion mehr als strange, aber Kaiba ist eben strange. Das wusste ich doch. "Ich hab das mit Pegasus gehört." sage ich nach einer Weile. Kaiba reagiert nicht, blickt nur stur auf die Straße. "Weißt du wer es getan hat?" will ich wissen. "Denkst du ich wäre auf der Flucht, wenn ich das wüsste?" zischt er mich an. Ich nicke. Der Punkt geht an ihn. Den Rest des Weges sagt keiner ein Wort und die Atmosphäre im Wagen ist mehr als angespannt. Schweigend betreten wir das kleine Hotel und begeben uns in ein Zimmer. "Setz dich." fordert Bakura mich auf und deutet auf einen der Sessel. Ich zögere, doch ein Blick auf Kaiba verrät mir, dass ich es besser tun sollte. Widerwillig nehme ich Platz. "Herrje, können wir diese Gangsternummer jetzt beenden? Ich bin´s Katsuya. Hab ich schon gesagt, dass ich auf deiner Seite stehe, Kaiba?" Ich lache laut auf, aber es ist ein künstliches Lachen und er weiß es. Er hat mir den Rücken zugewandt und ich wünschte, ich wäre wieder mit ihm allein. Bakura´s Anwesenheit behagt mir nicht so recht. Kaiba ist dabei sich einen Drink einzuschenken und ich mustere ihn erneut. Die Lederjacke hat er auf´s Bett geworfen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich vermisse deinen Mantel irgendwie... auch wenn ich zugeben muss, dass dir Leder auch steht. Hat was..." Ich grinse ihn breit an als sein Blick mich trifft und er quittiert mein Gerede mit einem eisigen Blick. "Halt die Klappe, Köter." zischt er mich an und ich seufze. "Fast wie in alten Zeiten, was?" So verrückt es auch klingen mag, obwohl diese Situation hier mehr als suspekt ist, irgendwie bin ich wirklich froh ihn zu sehen. Nicht nur weil ich jetzt weiß, dass es ihm gut geht, sondern weil es irgendwie gut ist... ihn wiederzusehen. Es ist als würde sich etwas ins Bild einfügen, dass die ganze Zeit gefehlt hat, auch wenn ich das nicht wirklich verstehe. Vielleicht war der Schlag auf den Kopf auch einen Nummer zu heftig. Dann erinnere ich mich wieder an die Worte meines Vaters. "Dieser Junge bedeutet dir viel." Ich schlucke unwillkürlich und senke den Blick. Herrje, dieser "Junge" hat mich gerade entführen lassen. Dieser "Junge" hält mich immer noch gefangen, wenn man so will. Und dieser "Junge" ist nach wie vor genau der gleiche Seto Kaiba, wie ich ihn in Erinnerung habe. Stolz wie eh und je und verbohrt noch dazu. "Warum ausgerechnet du..." Er schüttelt leicht den Kopf und seine Augen funkeln wie Saphire. Ich grinse leicht. "Freut mich auch dich wiederzusehen, Kaiba." sage ich keck und auch wenn das Ganze hier echt mal verrückt ist, es entbehrt doch nicht eines gewissen Charmes. Er mustert mich einen Moment und presst die Lippen so fest aufeinander, dass sie zu einer fast weißen Linie werden. Ich seufze. "Können wir uns jetzt vielleicht wie zwei Erwachsene unterhalten?" frage ich ernst. Ich rechne fast mit einem seiner berühmt-berüchtigten bissigen Kommentare, aber zu meiner Überraschung erwidert er nichts auf meine Äußerung. Er sieht mich nur abermals abschätzend an und ich schätze, ihm geht es ähnlich wie mir bei seinem Anblick. Ich gebe sicherlich ein ungewohntes Bild für ihn ab. In gewisser Weise könnte man meinen wir hätten einen seltsamen Rollentausch vollzogen, denn dieses Mal bin ich derjenige, der stilvoller gekleidet ist. "Scheint als hätte das Hündchen ein paar neue Tricks gelernt." meint er schließlich spöttisch lächelnd. Ich stöhne unwillkürlich auf. "Und du, arroganter Eisklotz, hast wohl noch immer nicht gecheckt, dass ich KEIN HUND bin." kontere ich sofort. Und mein Vater dachte tatsächlich er würde mir dankbar sein. Haha. Guter Witz. Kapitel 23: Unangenehme Erkenntnisse ------------------------------------ Noch immer fasse ich es nicht. Ich habe mich zwar wieder weitgehend unter Kontrolle, um mir von meiner Überraschung nichts anmerken zu lassen, aber die Tatsache, dass sich ausgerechnet der Köter hinter Joey Wheeler verbirgt, irritiert mich nach wie vor. Nichts hätte mich mehr überraschen können als der Umstand, dass ausgerechnet mein Erzfeind nicht nur meinen Bruder sondern auch mein Deck in Händen hält. Doch was ich noch mehr irritiert ist seine Erscheinung. Seine ganze Art. Einerseits ist er genauso wie ich ihn in Erinnerung habe. Seine Augen funkeln mich nach wie vor trotzig an und doch... etwas ist anders und es ist keineswegs der Armanianzug, den er trägt, oder die Tatsache, dass seine Haare inzwischen tatsächlich so etwas wie eine Frisur aufweisen. Er ist immer noch der Gleiche und doch ein anderer, was eigentlich ein Widerspruch sein müsste. In vielerlei Hinsicht scheint er nicht mehr so hitzköpfig zu sein wie vor drei Jahren. Er gestikuliert auch nicht mehr wild in der Gegend herum, wenn er spricht und seine Art und Weise sich zu artikuleren hat sich ebenso verändert. Ich bemerke, dass ich ihn anstarre und wende meinen Blick Bakura zu, der lässig an der Wand lehnt und sowohl mich als auch Katsuya beäugt. Ein leichtes Grinsen liegt in seinem Gesicht und ich frage mich unwillkürlich, ob er es gewusst hat. Ein Teil von mir sagt, dass dem so ist, aber ich bezweifle, dass er es zugeben würde. Doch das spielt auch keinerlei Rolle. Es ändert nichts an den Gegebenheiten. Die Situation ist immer noch die Gleiche. Nun ja, fast. Auch wenn mir das Ganze nach wie vor seltsam anmutet, ich bezweifle, dass Wheeler etwas mit dieser Geschichte zu tun hat. Nein, im Grunde glaube ich ihm, dass was er mir erzählt hat und es klingt auch mehr als plausibel. Darüber hinaus, welchen Grund sollte der Köter haben, auf diese Weise gegen mich vorzugehen. Rache? Nun gut, vielleicht hätte er ein Motiv. Immerhin scheint er inzwischen in einer Position zu sein, die es ihm ermöglicht, gewisse Dinge in die Wege zu leiten und ich bezweifle, dass er unsere alten Streitereien vergessen hat. Sie werden für ihn genauso gegenwärtig sein wie bei mir, was unser Schlagabtausch gerade auch belegt. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass er auf diese Weise Rache üben würde. Es passt einfach nicht zu ihm. Selbst wenn er mir eins auswischen wollte, er würde nie so weit gehen, Mokuba in diese Angelegenheit mit reinzuziehen. Nein, der Kleine sagt die Wahrheit. Daran besteht kein Zweifel. Und in gewisser Hinsicht hat er Recht. Ich bin erleichtert, dass mein Bruder nicht in fremde Hände geraten ist. Aber ihm dankbar dafür sein? Gar in seiner Schuld zu stehen? Der Gedanke behagt mir keineswegs. "Ob du´s mir glaubst oder nicht, Kaiba, es tut mir echt leid, dass sich die Dinge so für dich entwickelt haben. Wirklich. Ich meine, wir beide sind alles andere als Freunde, aber diesen Ärger hätte ich dir nie gewünscht." Er grinst mich auf diese typische Art an und ob ich will oder nicht, ich glaube ihm sogar was er sagt. Ich nicke sogar leicht. "Scheint als hättest du es gut getroffen." bemerke ich ohne auf seine Aussage einzugehen und er zuckt lächelnd mit den Schultern. "So kann man´s wohl ausdrücken. Ich kann mich nicht beschweren." erwidert er und wieder nicke ich leicht. "Ich habe nicht nur meinen Abschluss geschafft, ich gehe auch auf´s College und meine Noten sind nicht mehr so miserabel wie früher." Er zwinkert mir kurz zu und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass er irgendeine Regung von mir erwartet. Wie ein Hund, der darauf wartet, eine Belohnung für seine Leistung zu bekommen. Absurder Gedanke. "Und ich arbeite nebenbei in der Firma meines Vaters." fügt er hinzu und ich höre deutlich den Stolz in seiner Stimme, erwidere jedoch nichts. Ich wüsste auch nicht was ich sagen sollte. Die ganze Situation erscheint mir so unwirklich, vollkommen surreal - genau wie er. Und seltsamerweise bin ich auf merkwürdige Art fast froh ihn zu sehen, auch wenn ich das nie zugeben würde. Ich verstehe nicht einmal warum dem so ist. Ich habe andere Sorgen, Probleme, die es zu bewältigen gilt und doch... es tut gut, diese feste Konstante wiederzuhaben, auch wenn sie anders ist als früher. Ja, ich komme nicht umhin festzustellen, dass er sich weiterentwickelt hat. Das Schweigen, das augenblicklich herrscht, irritiert mich. Es ist neu. Dass er und ich in einem Raum sind und schweigen. Früher wäre dem kaum zwei Minuten der Fall gewesen. Ich fühle mich unbehaglich und ich glaube, ihm geht es ähnlich. Es ist kein Wiedersehen alter Freunde oder flüchtiger Bekannter, die nach einem kurzen Austausch von allgmeinen Floskeln nicht wissen was sie sagen sollen. Es liegt auch nicht an meiner Situation. Es liegt an etwas anderem, etwas, dass ich nicht zu greifen vermag. "Könnte ich auch einen Drink haben?" fragt er plötzlich mit einem charmanten Lächeln, dass nur noch vage an den Köter von einst erinnert und ich nicke unwillkürlich. Ich greife zu einem Glas und der Flasche und schiebe ihm beides hin. Er nickt mir dankbar zu ehe er das Glas füllt und einen großen Schluck nimmt. Dann lehnt er sich lässig in seinem Sessel zurück und sieht mich erwartungsvoll an. "Wollen wir die restlichen Stunden schweigend verbringen?" will er mit einem leicht süffisanten Blick wissen und ich ziehe eine Braue nach oben. Ja, er hat sich verändert. Einerseits. Und auch wieder nicht. "Worüber willst du reden?" frage ich nicht ohne eine Spur von Spott in der Stimme und ich weiß selbst nicht, warum ich mir diesen Unterton nicht verkneife. Er zuckt mit den Schultern. "Naja, du könntest mich auf den neusten Stand bringen. Was ich weiß, habe ich bislang lediglich aus der Zeitung, alles andere sind Vermutungen." meint er lässig und ich werfe ihm einen sarkastischen Blick zu. "Ich wüsste nicht, was dich das angeht." entgegne ich und er verdreht leicht die Augen. "Herrje, Kaiba, wir sind nicht mehr in der Schule. Wir haben uns drei Jahre nicht gesehen. Können wir die Sticheleien nicht einfach lassen? Ich meine, die Dinge haben sich verändert seit unserem letzten Treffen, oder? Und ich bin nicht dein Feind. Vielmehr solltest du mich langsam als eine Art Verbündeten betrachten." erwidert er ungewohnt ruhig. "Zudem habe ich Mokuba versprochen, dass ich euch helfe. Und ein Wheeler hält sein Wort. Du denkst doch wohl nicht immer noch, dass ich irgendetwas mit dieser Sache zu tun habe?" Er sieht mich abschätzend an und ich seufze. Im Grunde hat er Recht. Wir sind keine Schüler mehr, nicht einmal mehr Duellanten. Diese Feindschaft, die einst zwischen uns herrschte, ist im Grunde passé. "Damit wir uns richtig verstehen, Wheeler." Ich sehe ihn scharf an und er erwidert meinen Blick. "Alles was ich von dir möchte, ist mein Bruder! Ich brauche dich nicht als Verbündeten. Ich werde meine Angelegenheiten selbst ins Reine bringen." Für den Bruchteil einer Sekunde funkeln wir uns in altgewohnter Manier an. Dann stellt er sein Glas ab und beugt sich vor. "Schon klar, du bist immer noch der Ansicht, dass du alles alleine regeln kannst, Kaiba." entgegnet er. "Aber wie ich die Dinge sehe, wird dir das diesesmal nicht möglich sein. Du kannst mit Mokuba nicht einfach verschwinden und..." "Ach ja? Wer will mich aufhalten? Du etwa?" unterbreche ich ihn spöttisch. "Du hast meinem Bruder geholfen, gut. Ich schätze, dafür bin ich dir etwas schuldig. Aber das heißt nicht, dass ich..." Er schüttelt den Kopf und hat tatsächlich den Nerv mir ins Wort zu fallen. "Du schuldst mir nichts. Ein Danke würde vollkommen reichen, aber das ist wohl vergebene Liebesmüh darauf zu warten, dass dieses Wort über die Lippen des großes Seto Kaibas kommt. Du hast dich kein Stück verändert und ganz ehrlich, wäre Mokuba nicht, es wäre mir wohl egal was mit dir passiert." Wieder funkeln wir uns an, doch etwas an seinen Worten zieht nicht spurlos an mir vorbei. Hat er Recht? Habe ich mich im Gegensatz zu ihm nicht verändert? Steht er nun über diesen Dingen, über unserer vermeindlichen Feindschaft während ich mich wie ein trotziges Kind verhalte? Ich schließe kurz die Augen und die nächsten Worte kosten mich weitaus größere Überwindung als er sich vorstellen kann. Ausgerechnet ihm danken zu müssen. Ihm, der in meinen Augen stets nichts anderes war als ein erbärmlicher Streuner, ein drittklassiger Duellant. Ich schlucke hart. Doch keiner soll mir nachsagen, dass ich zu stolz wäre, mich zu bedanken, wenn Dank angebracht ist, und leider ist dem wohl oder übel der Fall. "Also gut." sage ich gedehnt und sehe ihm direkt in die Augen. "Ich danke dir dafür, dass du meinen Bruder zu dir genommen hast. Zufrieden?" Zu meiner Überraschung lacht er laut auf. "Mann, Mann, du klingst als hätte ich dich gerade gezwungen, dein eigenes Todesurteil dankbar entgegen zu nehmen, aber ich lasse es gelten, Kaiba. Ich kenne dich schließlich. Also, ja, ich bin zufrieden." erwidert er und ich bereue meine Worte schlagartig. Ich hätte wissen müssen, dass solch eine Erwiderung kommt. Ein Konter. Wie in alten Zeiten. Und dass er sich inzwischen gewählter artikulieren kann, ändert nichts an dem Umstand, dass es ein Konter ist. Nach wie vor schenken wir uns also nichts. "Was gedenkst du als nächstes zu unternehmen?" will er wissen und der Themawechsel kommt so selbstverständlich, dass ich kurz überrascht bin. Ich überlege kurz. "Ich nehme an, dass du die Verantwortlichen ausfindig machen willst." meint er und sein Blick huscht kurz zu Bakura. "Was mich allerdings echt mal interessieren würde... wie kommt es, dass ihr als Trio unterwegs seid. Nicht unbedingt die Kombi, die man sich vorstellt." Er lacht wieder kurz auf und ich muss ebenfalls lächeln. Nicht wegen seiner doch nicht ganz von der Hand zu weisenden Aussage, sondern weil sein Lachen noch genauso ansteckend und lebendig ist wie früher. Ja, er ist noch der Gleiche. Besser angezogen und fein rausgeputzt, aber im Grunde ist und bleibt er Katsuya und etwas an dieser Tatsache beruhigt mich ungemein. "Das geht dich nichts an." höre ich Bakura zu meiner Überraschung sagen und werfe ihm einen knappen Blick zu. Der Weißhaarige grinst und ich habe irgendwie das Gefühl, dass ihm die jüngste Entwicklung nicht gefällt, auch wenn ich nicht so recht verstehe warum. Alister dagegen legt ein solches Desinteresse an unserer Unterhaltung an den Tag, dass ich fast das Gefühl habe, er wäre überhaupt nicht im Raum. "Es hat sich einfach so ergeben." beantworte ich Wheeler´s Frage und er nickt. "Und ja, ich gedenke die Verantwortlichen ausfindig zu machen, aber das braucht dich nicht weiter zu kümmern. Sobald ich Mokuba zurück habe, kannst du zu deinem inzwischen beschaulichen Leben zurückkeheren und in Daddy´s Firma den Geschäftsführer spielen." Erneut ist mein Tonfall sarkastisch und ich verstehe nicht, warum ich so agiere, warum ich das Bedürfnis habe ihm vor den Kopf zu stoßen. Er ist nicht Schuld an meiner Lage und die Tatsache, dass sich ein Leben zu etwas besserem entwickelt hat, sollte mich weder tangieren, noch dürfte es mir negativ aufstoßen. Es sollte mir einfach egal sein. Aber wem mache ich hier etwas vor? Er war mir noch nie egal. "Und was ist mit Mokuba? Kaiba, du bist auf der Flucht, wenn ich dich erinnern darf. Willst du tatsächlich, dass Mokuba da mit reingezogen wird? Ich meine, versteh mich nicht falsch, aber bis du diese Angelegenheit geklärt hast, naja, wäre es vielleicht nicht besser, wenn..." Er bricht ab, aber ich weiß was er zu sagen versucht und er spricht einen Punkt damit an, der mir natürlich die ganze Zeit über Gedanken macht. Es ist eine Seite, Mokuba wieder bei mir zu haben, eine andere wie es weitergehen soll. Wheeler hat Recht, ich bin nach wie vor auf der Flucht. Es wird zwar nicht überall nach mir gefahndet, aber so wie die Dinge liegen kann ich nicht einfach zurück nach Hause und weitermachen wie zuvor. "Dessen bin ich mir bewusst, Wheeler." entgegne ich knapp. "Und wie gedenkst du das zu regeln?" fragt er auch schon weiter und ich verdrehe die Augen. "Wie ich das sehe, ist Mokuba bei mir augenblicklich am Besten aufgehoben. Sorry, Kaiba, aber das ist eine Tatsache und auch wenn wir beide nicht unbedingt ein Dreamteam sind, ich weiß, dass es dir in erster Linie um den Kleinen geht, genau wie mir. Vielleicht sollten wir daher eine Art Konsens finden bis du deinen Ruf wieder reingewaschen hast." Wheeler sieht mich ruhig an und ich muss mir unwillkürlich auf die Unterlippe beißen. Verflucht, der Streuner hat Recht. Ja, ich kann es nicht abstreiten. So wie die Dinge liegen, hat sich eine meiner Sorgen in Luft aufgelöst. Mokuba befindet sich in guten Händen, denn ich weiß, dass Wheeler den Kleinen wirklich aufrichtig mag. Trotzdem behagt es mir nicht, meinen Bruder bei ihm zu wissen, auch wenn es augenblicklich tatsächlich das Beste wäre, denn mit Mokuba weiterhin zu flüchten... Kann ich das dem Kleinen zumuten, nach allem was er bislang durchgemacht hat? "Ich werde mit Mokuba darüber reden." befinde ich ohne ihm auch nur in irgendeiner Form ein Zugeständnis zu machen. Dann werfe ich ihm einen kühlen Blick zu. "Ich glaube dir, dass du nichts mit der ganzen Misere zu tun hast, Wheeler, aber das heißt nicht, dass ich dir vertrauen würde. Es gibt nur zwei Menschen, denen ich vertraue. Der eine bin ich, der andere bist allerdings nicht du." Er hört meine Worte geduldig an und nickt. "Schon klar, alles andere hätte mich auch enttäuscht." ist die lässige Erwiderung und erneut irrtiert es mich, dass er keineswegs aus der Haut zu fahren scheint. Nein, diese Zeiten scheinen vorbei. "Du hast dich wirklich gemacht, Hündchen." Die Worte kommen ohne mein Zutun aus meinem Mund und ob ich will oder nicht, ich muss ihm diese Anerkennung zollen. Er hat sie verdient. Für einen Moment habe ich fast das Gefühl, dass er verlegen wird. Er senkt kurz den Blick, dann grinst er mich erneut an. "Hündchen? Naja, ich schätze, das war das mit Abstand netteste, dass du je zu mir gesagt hast, Großkotz. Wenn du es jetzt noch schaffst mich Joey zu nennen, könnte man fast sagen, dass wir normal miteinander umgehen." Er zwinkert mir zu und ich verdrehe erneut die Augen. "Augenblicklich herrscht Waffenstillstand, Wheeler. Bild dir bloß keine Schwachheiten ein." entgegne ich ungerührt, aber er grinst nur weiter. "Immer locker, easy going. Alles andere würde mich bei dir auch hochgradig irritieren." gibt er keck zurück. "Du springst ja jetzt schon über deinen Schatten." Wieder zwinkert er und ich hasse es, wenn er das tut. In der Hinsicht hat er sich nicht geändert. "Nebenbei bemerkt, ich bin längst nicht mehr der kleine Köter, den du herumschubsen kannst, falls es dir entgangen sein sollte und du bist auch nicht mehr länger in der Position auf mich herabzusehen." höre ich ihn dann sagen und spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Wieder hat er Recht. Was mit allerdings keineswegs behagt. Ich lehne mich lässig zurück und verschränke die Arme vor der Brust. "Nur weil du jetzt einen Anzug trägst und in der Lage bist, grammatikalisch korrekte Sätze zu formulieren, heißt das noch lange nicht, dass wir uns auf dem gleichen Niveau bewegen." entgegne ich und entweder ist es dieses Äußerung oder mein spöttisches Lächeln, etwas bringt ihn jedenfalls dazu aus der Haut zu fahren, wie ich befriedigt feststelle. Seine Lässigkeit fällt von ihm ab und er lehnt sich nach vorne, funkelt mich wütend an. "Steig lieber mal von deinem hohen Ross, Mr. Mutmaßlicher-Mörder!" zischt er mich an. "Und sei verdammt noch mal froh, dass ich so gute Manieren habe, sonst würde ich dir jetzt nämlich eine reinhauen." Ich quittiere seine Drohung mit einem gleichgültigen Blick. Doch er scheint langsam in Fahrt zu kommen. "Echt!" stöhnt er genervt auf. "Du bist wirklich unglaublich. Selbst jetzt hältst du dich noch für den Größten. Oh Mann, bei dir läuft wirklich was vollkommen falsch, Kaiba." Er schüttelt den Kopf. Ich überlege ob ich etwas darauf erwidern soll, verkneife mir allerdings einen Kommentar und erhebe mich stattdessen. Dieser neue Wheeler bringt mich leicht aus der Fassung. Solche fast besonnenen Reaktionen bin ich nicht von ihm gewohnt und es ärgert mich vor allem, dass er im Grunde recht hat. Ich bin nicht mehr in der Position auf ihn herab sehen zu können. Nein, unsere Rollen haben sich getauscht, wenn man so will und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Früher war es schon schwer ihn zu Hand haben, aber jetzt.... Ich weiche seinem Blick aus und sehe demonstrativ auf die Uhr. Es ist bereits sechs. Gut, immerhin nur noch ein paar Stunden. Ohne eine Erklärung abzuliefern, gehe ich zu meinem Koffer, lege mir ein paar angemessenere Kleider zurecht und begebe mich dann ins Bad. Mein Aufzug gerade ist lächerlich und dass Wheeler mich auch noch so sehen musste... Nun gut. Ich vermochte es diesen Umstand auszublenden, aber jetzt fühle ich mich mehr als ungehaglich. Ich schließe die Badezimmertür hinter mir und muss mich erst einmal ein paar Sekunden gegen die Tür lehnen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Warum zum Teufel musste es der Köter sein? Selbst Muto wäre leichter zu ertragen gewesen. Oder Taylor. Sogar Gardner. Warum ausgerechnet er? Warum muss er mich so sehen, auf dem Tiefpunkt angekommen, während er... Ich schüttele den Kopf und stelle das Wasser an. Dann ziehe ich mir Devlin´s lächerliche Kleider aus und werfe sie mit einer unwirschen Geste zu Boden. Meine Schmach wird wirklich immer größer. Ich seufze und bin froh als ich das heiße Wasser auf meinem Körper spüre. Für einen Moment gebe ich mich der Illusion hin, dass es alle Sorgen von mir abspülen könnte und meine Welt wieder so ist wie sie sein soll, wenn ich aus der Dusche steige. Natürlich weiß ich, dass dem nicht so sein wird. Genauso wie ich weiß, dass der Kläffer noch immer im Nebenzimmer sitzt in seinem maßgeschneiderten Armanianzug und dass er mit seinen Äußerungen Recht hat. Das Zusammentreffen mit meinem ehemaligen Erzfeind drängt mich unbarmherzig und mit nachdrücklicher Verdrießlichkeit, mir meine Lage vor Auge zu führen, mehr noch als ich es bisher getan habe. Es stimmt, ich bin nicht mehr der große Seto Kaiba. Gleichgültig wie sehr ich mir versuche das einzureden und auf sture Weise an der Tatsache festhalte, dass ich mein Leben allein in der Hand habe, Fakt ist, dass dem nicht mehr so ist. Man hat mich in die Ecke gedrängt und ich werde nicht in der Lage sein, es alleine mit meinen Gegnern aufzunehmen. Bakura hat es mir bereits gesagt, aber Wheeler hat es mir wirklich bewusst gemacht. Ich kann nicht einfach mit Mokuba verschwinden und versuchen, die Dinge allein zu regeln. Und ich habe auch nicht das Recht, meinen Bruder auf eine ungewisse Odyssee mitzunehmen. Nein, er hat wirklich schon genug durchgemacht. Aber was soll ich tun? Ihn bei Wheeler lassen bis ich die Dinge wieder ins Lot gebracht habe? Kann ich das wirklich tun? Ich schlucke hart. Warum musste es Katsuya sein? Welch Ironie. Das unerwartete Öffnen der Tür reißt mich schlagartig aus meinen Gedanken und ich hebe den Kopf. Bakura ist ins Badezimmer getreten, hat die Tür hinter sich geschlossen und sieht mich nun an. Wieder liegt dieser merkwürdige Ausdruck in seinem Gesicht. Ich unterdrücke den Impuls nach dem Handtuch zu greifen, sehe ihn stattdessen kalt an. "Was soll das?" frage ich und drehe das Wasser ab. Der Weißhaarige sieht mich schweigend an und sein Blick sagt mehr als tausend Worte. Kapitel 24: Bittersüß --------------------- Ich weiß, ich sollte wütend sein, sauer... ich hätte jedenfalls allen Grund dazu so wie er sich benimmt und ein Teil von mir ist auch wütend auf ihn, doch ein anderer Teil versteht ihn auch. Die ganze Situation ist mehr als nur ein schwerer Schlag für ihn und wahrscheinlich lasse ich ihm seinen ungehobelten Ton deshalb auch durchgehen. Vielleicht bin ich auch wirklich ruhiger geworden, wer weiß? Tea wäre sicher stolz auf mich, wenn sie mich jetzt sehen könnte, wenn sie miterlebt hätte, dass ich so gelassen auf seine eisigen Kommentare reagieren kann. Sein Weltbild ist ins Wanken geraten und ich habe maßgeblich dazu beigetragen. Und ja, ich verspüre auch so etwas wie einen stillen Triumph, aber ich kann ihn nicht auskosten, denn irgendwie tut er mir leid. Etwas, dass ich nie für möglich gehalten habe, ist eingetreten. Ich habe Mitleid mit ihm und es schmerzt mich ihn so zu sehen. Es ist nicht einmal der ungewohnte Aufzug, auch nicht die Tatsache, dass er seine geliebte Firma nicht mehr hat. Es ist auch nicht wirklich der Umstand, dass er sein Deck verkaufen musste oder mit einem Mal ohne seinen Bruder darsteht. Es ist... Ich weiß es nicht. Ich sehe nach wie vor den Stolz in seinen Augen und dass er den Anschein zu erwecken versucht, immer noch stark und unabhängig zusein, obgleich er die Wahrheit genauso gut kennt wie ich. Die Tatsache, dass er sich mit Bakura und Alister eingelassen hat, spricht dafür. Bakura... Ich schlucke unwillkürlich. Der Weißhaarige ist ihm ins Bad gefolgt und mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, dass die Beiden nun schon verschwunden sind. Ich weiß, es sollte mich nicht interessieren, aber ich frage mich was da los ist. Was läuft zwischen dem Dieb und Kaiba. Meinem Kaiba Herrje, darüber sollte ich mir nun echt keine Gedanken machen. Was geht es mich an, was die Zwei miteinander zu schaffen haben? Aber seltsamerweise kann ich den Gedanken, dass die Zwei sich gerade allein in diesem Badezimmer sind, nicht ausblenden. Mein Blick wandert zu Alister, der ungerührt dasitzt und auf seinen Laptop starrt und zu gerne würde ich ihn fragen, was das zu bedeuten hat, auch wenn ich vermute, dass er es nicht weiß, falls er es überhaupt bemerkt hat. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. In zwei Stunden kann ich Victor anrufen und ihm sagen, was er zu tun hat. Eigentlich könnte ich mich dann aus dieser ganzen Angelegenheit zurückziehen. Ich meine, ich habe meins getan. Mokuba ist wieder bei seinem Bruder und das wollte ich doch. Gut, ich müsste mir eine Erklärung für sein Verschwinden ausdenken. Jack könnte ich natürlich die Wahrheit sagen und ich könnte auch behaupten, dass man ihn gekidnappt hat, was ja auch die Wahrheit wäre, aber irgendwie gehagt es mir nicht, mich zurück zu ziehen. Und dieser verbohrte Großkotz braucht eindeutig mehr Hilfe als er augenblicklich hat. Ob er will oder nicht. Ich stöhne unwillkürlich auf. Warum muss dieser Kerl auch so verdammt borniert sein? Hätte sich das nicht inzwischen legen können? Für die Arroganz, die er nach wie vor an den Tag legt, würde ich ihm liebend gerne eine reinhauen. Ich bin zwar längst davon abgekommen, Probleme auf diese Art zu lösen, aber verdient hätte er sie alle Mal. Und irgendwie ist es mal wieder typisch... in Seto Kaiba´s Gegenwart vergesse ich schlagartig alles was ich gelernt habe. Ein Wunder, dass ich mich bislang zurückhalten konnte. Wieder sehe ich auf die Uhr und wieder frage ich mich, was die Zwei im Bad tun. Wahrscheinlich besprechen sie etwas, anders kann es ja wohl nicht sein. Trotzdem ist es hochgradig irritierend. Kaiba hat seine Kleider mitgenommen. Er hat nicht nur das Wasser angstellt, damit sie keiner hört. Und Bakura ist ihm auch einfach so gefolgt. Ich spüre wie ich unruhig werde und mich erheben muss. Ich fange an langsam im Zimmer auf und ab zu laufen und nach einer Weile bemerke ich Alisters argwöhnischen Blick. "Wie bist du in die Nummer reingeraten?" will ich wissen. Soweit ich mich erinnere war er nicht unbedingt gut auf Kaiba zu sprechen in der Vergangenheit. Gut, Dartz hatte ihn reingelegt, aber das er jetzt einer von Kaiba´s Verbündeten sein soll... Der Rothaarige zuckt mit den Schultern. "Ich arbeite mit Bakura zusammen." meint er als würde das alles erklären. Ich sehe ihn fragend an. "Und das heißt?" hake ich nach. Er schenkt mir einen trotzigen Blick. "Das heißt, dass ich mit Bakura zusammen arbeite." erwidert er und ich seufze. Herrje, sind heute aber auch alle wieder freundlich. Ich schüttele den Kopf und der Rothaarige wendet sich wieder seinem Laptop zu. Fast schon erleichtert atme ich auf als sich die Tür zum Bad wieder öffnet und Bakura und Kaiba zum Vorschein kommen. Ich mustere sie kurz, wohl darauf bedachte, nicht zu neugierig zu erscheinen und der Weißhaarige grinst mich an, sagt jedoch nichts. Kaiba´s Miene dagegen ist wie immer regungslos und er selbst wirkt so unnahbar wie ich ihn kenne. Er hat seinen merkwürdigen Aufzug gegen schwarze Jeans und einen schwarzen Rolli getauscht und erst jetzt fällt mir auf, dass er noch hagerer und blasser wirkt als sonst. Auf seiner Wange zeichnet sich ein roter Kratzer deutlich ab und verunstaltet auf seltsame Weise die ansonsten perfekten Züge. Plötzlich kommt mir eine Idee. "Hör mal, Kaiba, es gibt vielleicht eine Möglichkeit, wie wir das mit Mokuba schneller über die Bühne bringen können." meine ich und die blauen Augen richten sich sofort auf mich. Er fragt nicht nach, also rede ich weiter. "Ich könnte mir jetzt schon einen Wagen kommen lassen. Dann fahren wir zwei zu mir. Wenn wir ins hauseigene Parkhaus fahren, würde dich keiner sehen." erkläre ich ihm meine Überlegung und ärgere mich, dass ich nicht schon früher auf die Idee gekommen bin. Er scheint über die Möglichkeit nachzudenken. "Vielleicht wäre das auch besser, nur für den Fall, dass irgendwer Mokuba auf dem Schulweg beschatten sollte. Er könnte sonst deine Gegner direkt zu dir führen." gebe ich zu bedenken und sehe, dass er leicht nickt, doch noch immer unschlüssig ist. Sein Blick wandert zu Bakura und wieder steigt dieses ungewohnte Gefühl in mir auf. "Ruf deinen Fahrer an." sagt er schließlich und ich stelle fest, dass der Weißhaarige nicht unbedingt begeistert von der Idee zu sein scheint. Ich nicke und greife zu meinem Handy. Es dauert einen Moment bis mein Anruf entgegen genommen wird. Ich gebe meinem Fahrer die Instruktionen und wende mich dann wieder an Kaiba. "Ich schätze, man wird ihm nicht folgen und wenn du dich auf die Rückbank legst, sieht dich auch keiner, wenn wir zurückfahren." sage ich und werfe Bakura einen vielsagenden Blick zu. Es dürfte offensichtlich sein, dass mein Angebot lediglich für Kaiba gilt. Dieser nickt. "Gut. So werden wir es machen." meint er nüchtern und mustert mich für einen Moment. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass ich ihn doch positiv überrascht habe. Aber natürlich lässt er sich das nicht anmerken. Wie könnte er auch? "Du willst alleine gehen?" höre ich Bakura fragen. "Was dagegen?" ist die knappe Erwiderung. Der Weißhaarige zuckt mit den Schultern. "Du musst es wissen." Kaiba nickt nur und wieder habe ich das befremdliche Gefühl, dass zwischen den Beiden eine Art Einvernehmen herrscht, dass ich nicht begreife. Aber vielleicht werde ich unter vier Augen die Gelegenheit haben, den Eisklotz näher zu befragen. "Der Wagen müsste in einer viertel Stunde da sein." erkläre ich und bin etwas irritiert als Kaiba sich eine Zigarette anzündet. Ich wusste nicht, dass er raucht. Sein Haar ist noch nass und dunkle Strähnen hängen ihm ins Gesicht und auch wenn in diesem Aufzug schon wieder mehr dem Seto Kaiba gleicht, den ich kenne, verwirrt mich sein Anblick doch nach wie vor. Seine Schultern wirken ohne den Mantel wesentlich schmaler und er selbst... verletzlich. Ich schlucke unwillkürlich. "Mokuba wird aus dem Häuschen sein." meine ich schließlich, denn dieses absonderliche Schweigen ist nicht zu ertragen. Ein Seto Kaiba, der mich anschweigt, ist wie ein Seto Kaiba, der mich ignoriert. Beides behagt mir nicht. "Er redet pausenlos von dir." erzähle ich und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass seine Züge weicher werden. "Und er hat eine Stinkwut auf deine Gegner. Da fällt mir ein... Du hast wirklich keinerlei Verdacht, wer dir das angetan haben könnte?" Er wirkt müde und ungewohnt ruhig. Langsam schüttelt er den Kopf. "Nicht einmal aus den Gerichtsakten war etwas zu erfahren." erzählt er und im ersten Moment bin ich überrascht, dass er sich dazu herablässt solch eine Information Preis zu geben. "Die Kerle haben ihre Spuren perfekt verwischt." Er seufzt resignierend und zieht an seiner Zigarette. Ich nicke. "So oder so, die Typen scheinen zu wissen was sie tun. Und das sie Pegasus erledigt haben, spricht wohl für sich. Das hängt doch mit deiner Sache zusammen, oder?" frage ich weiter nach und bin erneut erstaunt als er tatsächlich antwortet. "Ich gehe davon aus." bestätigt er. "Es war Pegasus, der wegen der Firma an mich heran getreten ist. Er sagte, dass er für jemanden arbeiten würde, aber mit keinem Ton für wen." Ich denke kurz nach. Der Gedanke, dass Pegasus sich dazu herabgelassen hatte, für jemanden zu arbeiten besagte zumindest zweierlei Dinge: Entweder hatten diese Kerle etwas gegen ihn in der Hand, um ihn dazu zu zwingen oder sie haben ihm ein sehr gutes Angebot gemacht, eines, dass er unmöglich ausschlagen konnte. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass Pegasus selbst genug Geld hatte, liegt die Vermutung nah, dass es andere Gründe gab, zumal der Erfinder sich auch zurückgezogen hatte. Ich mustere Kaiba und gehe davon aus, dass er ebenfalls bereits zu diesem Schluss gelangt ist. Mit einer grazilen Geste drückt er seine Zigarette aus und sieht mich auffordernd an. "Wir sollten wohl langsam nach unten gehen." meint er und ich nicke. Dann wendet er sich an Bakura. "Ich werde in ein paar Stunden zurück sein. Versuch Roland zu erreichen und unterrichte ihn von den bisherigen Entwicklungen. Ich werde mich später auch noch selbst mit ihm in Verbindung setzen." erklärt er dem Weißhaarigen und dieser nickt. Ich versuche diese Szene zu ignorieren und begebe mich langsam schon mal zu Tür. Dann sehe ich Kaiba erwartungsvoll an. Er greift sich die Lederjacke und ich muss unwillkürlich grinsen. "Woher hast du dieses Teil?" frage ich und er verdreht die Augen. "Von Devlin." entgegnet er und fügt hinzu als er meinen erstaunten Blick sieht: "Frag nicht." Ich versuche mir ein weiteres Grinsen zu verkneifen und folge ihm aus dem Zimmer. Schweigend gehen wir über den Flur und obgleich ich erleichtert bin, dass wir endlich alleine sind, ist es komisch so ohne ein Wort neben ihm herzugehen. Dass wir einander anschweigen ist neu. "Kaiba?" frage ich plötzlich. Er wirft mir einen knappen Blick zu. "Ich bin echt froh, dich zu sehen." Ich grinse ihn schief an und für einen Moment wirkt er mehr als erstaunt. Der Anflug eines Lächelns huscht über sein Gesicht, er erwidert jedoch nichts, trotzdem bin ich sicher, dass es ihm ähnlich geht. Ich könnte es nicht beweisen, aber ich habe das Gefühl und in alter Gewohnheit hakte ich deshalb auch grinsend nach. "Mal ehrlich, hast du mich vermisst?" Er verdreht wie erwartet die Augen. "Klar, wie die Pest." entgegnet er und ich nicke zufrieden. Als wir den Hoteleingang erreicht habe, sehe ich unseren Wagen auch schon. Ich gebe Kaiba ein Zeichen und er nickt. Ich verlasse das Hotel als erster, sehe mich kurz um, doch es ist nicht zu erkennen ob jemand auf uns wartet oder meinem Fahrer gefolgt ist. Ich nicke kurz und Kaiba folgt mir zu der Limousine. Für einen Moment zucken seine Mundwinkel leicht als mein Fahrer und die Tür öffnet. Er nimmt mir gegenüber Platz und ich bedeute dem Chauffeur loszufahren. "Dass ich dich einmal in einer Limousine sehen würde..." Er schenkt mir einen amüsierten Blick und ich lächele. "Du solltest mich in meinem Porsche sehen." entgegne ich und für einen Moment sehen wir uns schweigend an. Ja, in gewisser Weise haben wir die Rollen getauscht, wenn man so will. Nur, dass ich ihn schlecht mit einem Köter vergleichen kann. "Mokuba geht es gut." versichere ich ihm ungefragt und sehe wie seine Miene sich verdüstert. "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es einmal so weit kommt." murmelt er kopfschüttelnd und ich verstehe was er meint. "Die Dinge kommen schon wieder ins Lot." höre ich mich sagen und obgleich ich meine Wort aufrichtig meine, ist es auch für mich irritierend, dass ich tatsächlich mit ihnen Seto Kaiba aufzumuntern versuche. Doch er ist nicht weniger erstaunt. Sein Blick streift mich und ich habe fast den Eindruck, dass er etwas sagen will, doch dann sieht er aus dem Fenster. Ich schätze, auf ein ehrliches Dankeschön werde ich noch eine Weile warten müssen, wenn ich es überhaupt je bekomme. Unwillkürlich muss ich lächeln und er sieht mich fragend an. "Sorry, aber es ist echt erstaunlich, dass du es selbst jetzt noch schaffst, diese Aura an den Tag zu legen." erkläre ich ihm meine Verwunderung ehrlich und sehe wie er die Stirn runzelt. "Man sollte meinen, dass diese ganze Geschichte deinen Stolz gebeugt hätte, aber nein." Ich schüttele den Kopf und seine Züge verhärten sich erneut. Seine nächsten Worte überraschen mich dann doch. "Und ich hätte gedacht, dass gerade du weißt, dass Stolz keineswegs von Status und Besitz abhängig ist." sagt er auf die ihm eigene kühle Weise und für einen kurzen Augenblick bin ich sprachlos. Er sieht derweil schon wieder aus dem Fenster. Den Rest des Weges sagt keiner von uns etwas und wir schweigen auch als der Wagen im Parkhaus hält und wir aussteigen. Ich deute in Richtung des Fahrstuhls und schreite voran. Er folgt mir hocherhobenen Hauptes. Wir fahren in den 12. Stock und als ich den Weg zu meiner Wohnung antrete, ist mir seltsam zumute. Ich kann das Gefühl, nicht näher beschreiben. Ich war nie bei Kaiba zuhause und er hat mich auch nie besucht. Sozusagen ist das hier eine Premiere und es ist seltsam, dass es erst zu all dem kommen musste, damit wir in der Lage sind uns einigermaßen normal zu verständigen. Ich sperre die Tür auf und bedeute ihm einzutreten. Seine Schritte sind so selbstsicher wie eh und je und ich beobachte, wie er sich umsieht. Sein Blick wandert durch den Raum und ich bin sicher, dass er jede noch so geringe Kleinigkeit erfasst. "Das Wohnzimmer ist gleich da vorne." erkläre ich ihm und deute geradeaus. "Willst du etwas trinken?" frage ich und er nickt. "Wir haben noch etwas Zeit. Ich schätze, du willst Mokuba nicht unbedingt aus dem Schlaf reißen." sage ich und gehe zu der kleinen Bar während er ans Fenster tritt. "Tolle Aussicht, oder?" frage ich lächelnd und nicht ohne Stolz, denn ich schätze, er weiß wieviel solche eine Aussicht in New York kostet. Ich frage nicht nach was er trinken möchte, sondern mache uns beiden einen Gin Tonic. Dann trete ich zu ihm und reiche ihm das Glas. Er nickt mir kurz zu ehe sein Blick sich wieder in die Ferne richtet. "Und? Ist der Ausblick mit dem vom Turm der Kaiba Corp. vergleichbar?" frage ich und könnte mir im nächsten Moment auf die Zunge beißen. "Ja, könnte man sagen." antwortet er ungerührt und wirft mir einen kühlen Blick zu. "Deine Lage hat sich eindeutig verbessert." fügt er hinzu und ich nicke. Wieder schweigen wir und ich frage mich woran er denkt. Ich erkenne kein Gefühl in seinen Augen, selbst wenn er wehmütig ist, er lässt es sich nicht anmerken. Ich nippe an meinem Drink und er tut es mir gleich. Schweigend sehen wir aus dem Fenster und ich kann nur erahnen was in ihm vorgeht und ich bin nicht sicher ob ich eine der Fragen stellen soll, die mir im Kopf herum spuken. "Weißt du, Kaiba, ich habe dich damals oft beneidet." höre ich mich dann sagen und lache kurz auf. "Aber inzwischen weiß ich, dass dein Leben nicht nur ein Zuckerschlecken war. Ich meine, damals hielt ich es dafür. Ich dachte, du hast alles während ich nichts hatte, aber naja..." Er hat die rechte Braue nach oben gezogen und beäugt mich skeptisch. "Was ich damit sagen will, ich weiß jetzt, dass du es keineswegs leicht hattest. Eine Firma zu leiten und auch noch zur Schule zu gehen... In gewissen Dingen verstehe ich dich inzwischen besser. Verrückt, was?" Ich lache, er nicht. Er sieht mich einfach nur an und für einen Moment habe ich den Eindruck, dass er ernsthaft über meine Worte nachdenkt. In seinem Blick liegt nichts missbilligendes, auch wirkt er nicht genervt. Fast habe ich das Gefühl, dass er mich zum ersten Mal tatsächlich wahr nimmt. "Es ist wohl alles eine Frage des Blickwinkels, oder?" höre ich ihn dann sagen. "Ich hätte nie gedacht, dass du einmal in der Lage sein würdest, mehr als zwei Sätze zu formulieren ohne die Worte ´Hey`, ´Alter´ oder ´whoa´ zu verwenden." "Ich schätze, das soll ein Kompliment sein." erwidere ich und er zuckt mit den Schultern. "Es ist eine Tatsache. Ich habe es bezweifelt, du hast mich eines besseren belehrt." meint er sachlich und ich lache. "Ich sehe es als Kompliment, Kaiba." sage ich dann und lächele ihn an. Dann wende ich mich ab und gehe zum Sofa. Ich lasse mich nieder, lehne mich zurück und er zögert einen Moment, dann folgt er mir und nimmt ebenfalls Platz. Einen Moment sehen wir uns ernst an, dann ergreife ich das Wort und komme wieder auf das Wesentliche zu sprechen. "Wie kam es, dass diese Typen dich überrumpelt haben?" frage ich und rechne fast mit einer bissigen Bemerkung, aber diese bleibt aus. Stattdessen überlegt er kurz, legt sich wohl in Gedanken die passende Erwiderung zurecht und antwortet schließlich ausweichend. "Es fing mit geringfügigen Aktienaufkäufen an, so gering, dass ich dem keine Bedeutung zugemessen habe, zumal es auch verschiedene Firmen waren, die Aktien kauften." Ich nicke. "Demnach haben diese Typen es von langer Hand geplant." stelle ich fest und er nickt. "Es scheint so, ja." Ich überlege kurz und frage mich ob ich ihn auf Mokuba´s Äußerung, er habe Angst gehabt, ansprechen soll, aber ich befürchte, dass das keine so gute Idee ist. "Warum hast du nicht versucht die Firma zu retten?" frage ich stattdessen. Die Frage brennt mir schon die ganze Zeit auf der Seele. Ich meine, Kaiba ohne seine Firma... Das ist fast wie Kaiba ohne sein Deck. Er zögert erneut. "Ich hatte meine Gründe." sagt er schließlich und sein Tonfall ist so entschieden, dass ich nicht weiter nachhake. "Und willst du sie zurück?" frage ich weiter und er verdreht die Augen. "Soll das ein Verhör werden?" zischt er mich an. Ich schüttele den Kopf. "Ich versuche nur herauszufinden, wie du weiter vorzugehen gedenkst. Wenn du dich erinnerst, habe ich dir meine Hilfe angeboten." entgegne ich ruhig und er zieht spöttisch die rechte Braue in die Höhe. "Du hast Mokuba deine Hilfe angeboten, Wheeler. Ich werde schon klar kommen. Aktuell habe ich andere Sorgen als die Kaiba Corp. Die Firma zurück zu bekommen dürfte meine geringste Schwierigkeit darstellen, wenn ich diese Angelegenheit erst einmal erledigt habe." erklärt er mir kühl und ich seufze. "Auch wenn es müßig ist dich darauf hinzuweisen, wenn ich Mokuba Hilfe anbiete, dann gilt das auch für dich, aber wir müssen nicht kleinlich sein. Hast du denn schon eine Idee, wie du diese Sache erledigen willst?" will ich wissen und er nickt, sagt jedoch nichts und ich schätze, es bringt nichts weiter nachzufragen. Er ist nicht gewillt seine Gedanken mit mir zu teilen. Typisch Kaiba eben. Stur, sturer, Kaiba. Ich schüttele leicht den Kopf und bemerke, dass er mich fixiert. "Und was hat das mit Bakura und dir auf sich?" Ich bereue die Frage, kaum das ich sie ausgesprochen habe. Nicht, weil ich deutlich merke, dass ein Ruck durch seinen Körper geht und sich seine Schultern schlagartig straffen, sondern weil ich die Frage nicht auf diese Weise stellen wollte. Ich habe sogar das Gefühl, dass meine Wangen sich leicht röten, aber zum Glück scheint Kaiba das nicht zu bemerken. Seine Züge verraten mal wieder nicht das Geringste und auch seine Augen sind verschlossen. Er sieht mich vollkommen ungerührt an. "Ich habe Bakura einen Auftrag erteilt und wie sich gezeigt hat ist er auch ansonsten recht... nützlich." kommt nach ein paar Sekunden die nüchterne Erklärung. Ich nicke leicht als würden seine Worte Sinn für mich ergeben. Und wieder frage ich was die Beiden eben im Bad getan haben. Die Frage kommt mir schlagartig in den Sinn und ich fühle wie sich ein seltsames Gefühl in mir breit macht. Die Vorstellung, dass Bakura und Kaiba vertraut miteinander umgehen, so vertraut, dass sie... Die Vorstellung behagt mir nicht. Bakura ist schließlich eine schwer einzuschätzende Variable und dass dieser Dieb Kaiba hilft, nun, das muss seine Gründe haben. Gründe, die ich nur erahnen kann und einige davon gefallen mir keineswegs. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass Kaiba sich bei dieser Frage genauso unbehaglich fühlt wie ich mich. Ich bemühe mich daher rasch das Thema zu wechseln. "Was Mokuba anbelangt, er wird dir gleich bestätigen, dass es ihm gut geht. Ich mag den Kleinen wirklich sehr und ich glaube, er mag mich auch. Und wie ich vorhin bereits sagte, wenn du nicht weißt, wie es für dich weitergeht, nun, Mokuba kann so lange hier bleiben wie er will." erkläre ich ernst und spüre wie sich seine Züge schlagartig verhärten und seine Augen sich scharf auf mich richten. Deshalb fahre ich auch schnell fort. "Versteh mich nicht falsch, Kaiba, ich will dir deinen Bruder nicht weg nehmen, das könnte ohnehin keiner, aber naja, du weißt was ich meine... " Ich mache eine kurze Pause und lächele ihn freundlich an. "Und wegen deinem Deck ..." Ich spüre wie erneut ein Ruck durch seinen Körper geht. "Ich habe es gekauft, ja. Aber ich will es nicht. Ich habe ein Deck, wie du weißt. Du kannst es haben. Ich wollte es dir ohnehin wiedergeben. Ich meine, du ohne die Drachen..." Das Glas in seiner Hand zerspringt mit einem heftigen Klirren und ich zucke unwillkürlich zusammen. "Wie großzügig von dir, Wheeler." höre ich ihn sagen und seine Stimme ist so scharf, dass ein Schauder mir über den Rücken läuft. "Danke, ich verzichte. Du hast das Deck erstanden, es gehört dir." Angesichts einer solchen Verbohrtheit kann ich nur den Kopf schütteln. "Verdammt Kaiba, du bist wirklich unverbesserlich. Aber wie du willst." entgegne ich kühl. "Wenn du weiterhin auf dieser Ebene mit mir umgehen möchtest, bitte. Ich dachte, das hätten wir langsam hinter uns." Gekränkt stelle ich mein Glas ab und stehe auf. "Ich werde Mokuba wecken." erkläre ich und warte keine Erwiderung seinerseits ab, sondern setze mich in Bewegung. Ich bin wütend. Wütender als ich es seit einer Ewigkeit war. Doch vor allem bin ich enttäuscht, ohne zu wissen warum. Denn was habe ich schließlich anderes von ihm erwartet? Gleichgültig wie die Positionen verteilt sind, er behandelt mich nach wie vor wie seinen Feind. Dabei will ich doch nur... helfen? "Mehr nicht?" fragt die böse, kleine Stimme. "Willst du nicht auch etwas von ihm? Seine Anerkennung vielleicht? Oder etwas anderes? Ich schlucke hart. Kapitel 25: Lippenbekenntnisse ------------------------------ Ich starre auf meine Hände. Immer noch halte ich die Reste des Glases fest und jetzt erst sehe ich das Blut. Kleine Schnitte, nicht weiter schlimm. Den Schmerz habe ich nicht einmal bemerkt. Ich ziehe mein Taschentuch aus der Jackentasche und wische mit die Hand ab. Mir ist seltsam zumute. Das Gefühl, das mich durchströmt, vermag ich nicht einzuordnen. Ich habe ihm vor den Kopf gestossen. Ihn verletzt. Ich weiß nicht warum ich das getan habe. Nun, doch ich weiß es. Sein Gerede über meinen Bruder, mein Deck. Diese Freundlichkeit in seinen Augen und diese unerschütterliche Selbstverständlichkeit mit der er mir erklärte, dass er mir mein Deck zurückgeben würde. Das war einfach zuviel. Mehr als ich augenblicklich zu ertragen vermag. Ich weiß, dass er es aufrichtig gemeint hat, ohne jeden Hintergedanken, denn dergleichen liegt ihm fern und gerade deshalb waren seine Worte einfach zuviel. Ich hätte es verstanden, wenn er mich verhöhnt hätte. Ja, ich hätte es auch verstanden, wenn er mir angeboten hätte, mein Deck zurück kaufen zu können, aber das er es mir auf diese gönnerhafte Art überlassen wollte, nachdem er mir erklärt hat, dass mein Bruder bei ihm bleiben könnte, solange bis ich meine Angelegenheiten geklärt habe... Die Schmach ist zu groß. Hätte er mich nicht auslachen können? Warum hat er diesen Triumph nicht ausgespielt? Warum kostet er ihn nicht aus? Ich an seiner Stelle würde es tun. Jahre lang habe ich ihn gedemütigt, ihn wie einen Hund behandelt und mich bei jeder Gelegenheit über seine Art und Weise echauffiert. Er hätte allen Grund es mir heimzuzahlen und sich an meiner Situation zu weiden. Er müsste es genießen, mich so zu sehen. Aber er tut es nicht. Stattdessen bietet er mir seine Hilfe an und verhält sich auf die gleiche Art wie Muto, wenn er mir wieder und wieder seine Freundschaft angetragen hat. Geduldig, nachsichtig. Ich schlucke hart als mir bewusst wird wie lächerlich meine Gedanken gerade sind. Ich sollte dankbar sein, dass er sich um Mokuba gekümmert hat. Ich sollte ihm sogar dankbar dafür sein, dass er das Deck aufgekauft hat, mit dem ich ihn wieder und wieder geschlagen habe und es mir auch noch zurück geben will. Aber was tue ich? Ich reagiere wie in verzogenes Kind, agiere vollkommen lächerlich und habe mich nicht unter Kontrolle, während er die Situation vollkommen erwachsen und souverän handhabt. Doch vielleicht ist es gerade das, was mich so maßlos irritiert und wütend macht. Die Tatsache, dass dieser Köter, nicht länger der Chaot ist, dessen Verhalten ich vorhersagen kann. Er hat sich im Griff, sein Hitzkopf ist abgekühlt und er hat meine Provokationen über sich ergehen lassen, gut, kurz war da der alte Zorn in seinen Augen, doch er hat sich nicht davon aus der Fassung bringen lassen. Ich seufze und fahre mir mit der Hand durch´s Haar. Es war eine dumme Idee herzukommen. Ich hätte im Hotel bleiben sollen, auf neutralem Boden sozusagen, doch stattdessen sitze ich in Wheeler´s Appartment und die Tatsache, dass sich die Dinge zwischen uns verändert haben wird mir mehr und mehr bewusst. Nein, er ist nicht mehr der kleine Köter, den ich nach belieben treten konnte und der dennoch immer wieder zu mir gekommen ist. Unwillkürlich schüttele ich den Kopf und versuche all diese Gedanken, die auf mich einströmen zu verdrängen. Ich will nicht darüber nachdenken, diese Situation zwischen ihm und mir analysieren und erkennen müssen, dass er Recht hat und ich im Unrecht bin, nur um dann seine gnädig blickenden Augen zu sehen, die mich nachsichtig betrachten und mir das Gefühl geben... Unzulänglich zu sein. Unzulänglich. Wie ich dieses Wort hasse. Wie ich dieses Gefühl hasse. Gozabura hat es mir wieder und wieder an den Kopf geworfen, ständig betont, dass ich im Grunde unzulänglich bin und mich mehr bemühen soll und mir immer wieder das Gefühl gegben, dass das ich nie in der Lage sein werde, seinem Schatten zu entkommen. Doch ich bin seinem Schatten entkommen. Ich habe sein Lebenswerk ausradiert und ein neues Imperium aufgebaut. Eines, dass alles was er je getan hat, in den Schatten stellte und gleichgültig was es auch gekostet hat, ich habe es geschafft und nun, nun ist alles zwischen meinen Händen zerronnen wie Sand. Die Firma, mein Lebenswerk, einfach alles ist mir entglitten, sogar Mokuba. Und gerade jetzt muss der Köter wieder in mein Leben treten und mir vor Augen halten, dass ich mehr als am Boden bin und meine Selbstbeherrschung dahin ist. Das ist sie doch, sonst hätte ich das Glas gerade nicht kaputt gemacht und ihn auch nicht so angezischt. "SETO!!!" Mokuba´s Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und mit einem Satz bin ich auf den Beinen. Der Kleine kommt auf mich zugerannt und es versetzt mir einen Stich ihn zu sehen. "Mokuba." Ich seufze erleichtert auf ehe ich ihn in die Arme schließe und so fest es nur geht an mich drücke. Er klammert sich an mich wie ein Ertrinkender und ich schließe unwillkürlich die Augen als Tränen in ihnen aufsteigen. "Seto." höre ich ihn schluchzen und streichele ihm über den schwarzen Schopf. "Ich bin da." raune ich ihm zu und genieße das Gefühl ihn endlich wieder in meinem Armen zu halten. Ich spüre seinen Herzschlag so nah dem meinen und für einen Moment sind alle trüben Gedanken verflogen, alle Sorgen wie weggefegt und ich bin einfach nur erleichtert und glücklich. "Ach, Mokuba..." seufze ich und schlucke hart. "Du hast mir so gefehlt, großer Bruder." Wieder verspüre ich einen Stich bei der vertrauten Anrede und schaffe es nur widerwillig ihn wieder loszulassen. Sein Blick findet meinen sofort und er strahlt mich auf eine Weise an, die mein Herz berührt. Tränen glitzern in den dunklen Augen und ich blinzele meine eigenen weg. "Du mir auch, kleiner Bruder." sage ich und versuche mich wieder zu fassen, schließlich sind wir nicht alleine. Ich lächele ihn an und er erwidert mein Lächeln auf herzzereißende Weise. "Ich hatte solche Angst um dich." erzählt er und ich lache auf. "Ach Mokuba..." Ich weiß nicht was ich sagen soll. Nach allem was der Kleine durchmachen musste, galt mir seine Sorge? Ich schüttele leicht den Kopf. "Und ich hatte Angst um dich, Kleiner." erwidere ich und muss mir auf die Zunge beißen, um nicht noch mehr zu sagen, denn Wheeler steht da und sieht uns an. "Geht es dir gut, Mokuba?" frage ich ohne Wheeler anzusehen und der Kleine nickt heftig. "Ja, Seto, dank Joey." antwortet mein Bruder aufrichtig und ich nicke. "Hat er dir erzählt...?" setzt Mokuba da auch schon an und blickt fragend zwischen Wheeler und mir hin und her. Ich nicke. "Und was war mit Pegasus? Wie kommst du hier her?" Mokuba bestürmt mich aufgeregt mit Fragen und ich muss erneut lachen. "Nicht so schnell. Ich erzähle dir alles in Ruhe, ok?" beruhige ich ihn und er nickt etwas verlegen. "Setzt euch doch. Möchtest du Kakao, Mokuba?" höre ich Wheeler sagen. Der Kleine nickt und der Blondschopf wendet uns den Rücken zu um aus dem Zimmer zu gehen. Ich bin ihm dankbar für die kleine Geste, denn ich vermute, er tut es um mir einen Moment allein mit meinem Bruder zu geben. In kurzen Zügen erzähle ich Mokuba das Wesentliche, dass sich bisher zugetragen hat. Er nickt eifrig, sieht mich ein, zwei Mal auch bestürzt an und dann sprudelt es auch aus ihm heraus. "Du kannst dir nicht vorstellen was los war. Sie sagten, ich wäre nicht vernehmungsfähig, Seto und so ein bescheuerter Arzt wollte mich die ganze Zeit ruhig stellen... Dann hörte ich, dass ich weggebracht werden soll. Ich hatte solche Panik als sie mich in den Flieger setzten. Ich dachte schon, ich sehe dich nie wieder. Doch dann war plötzlich Joey da." Die Miene des Kleinen hellt sich schlagartig auf als er den Namen meines Erzfeindes ausspricht. "Ich konnte es erst gar nicht glauben, aber da wusste ich, dass alles gut werden würde und Joey hat es mir versprochen..." Die nächsten Worte höre ich nicht, denn meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen und ich fühle mich mit einem Mal beschämt. Zwar habe ich nicht an Wheeler´s Worten gezweifelt, aber Mokuba bezeugt, dass das Hündchen sich mehr als gut, um meinen Bruder gekümmert hat. Und ich habe nichts besseres zu tun als mich mit dem Köter anzulegen wie in alten Zeiten. "Was hast du denn, Seto?" Mokuba sieht mich besorgt an. Ich schüttele den Kopf. "Nichts, mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung." versichere ich ihm und ziehe ihn noch einmal in meine Arme. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht, kleiner Bruder." sage ich ehrlich und er nickt in meinem Arm. "Jetzt werden wird uns niemand mehr trennen, nicht wahr, Seto?" fragt er in seiner jugendlichen Unschuld und ich schlucke. Er scheint es zu merken, denn er rückt ein Stück von mir ab und sieht mich fragend an. "Wir bleiben doch zusammen?" fragt er verunsichert und ich nicke. "Sicher, Mokuba, aber es ist nicht so einfach, wie du dir das gerade vorstellst." entgegne ich ruhig und suche nach den richtigen Worten. Er sieht mich fragend an. "Du weißt, dass man nach mir sucht." Er nickt. "Ja, aber das ist doch Unsinn. Du hast Pegasus nicht umgebracht. Das wird die Polizei auch bald merken..." hebt er an, aber ich schüttele den Kopf. "So einfach ist das eben nicht." widerspreche ich sanft und er legt den Kopf schief. "Die Lage ist ernst, Mokuba. Wirklich ernst. Diese Typen, die das alles bewerkstelligt haben, schrecken vor nichts zurück und sie werden uns sicher nicht einfach in Ruhe lassen. Davon abgesehen, mir wurde die Vormundschaft entzogen. Offiziell darf ich mich dir nicht einmal mehr nähern." versuche ich ihm die Situation zu erklären. Er nickt. "Ich weiß, aber Joey ist auf unserer Seite. Er wird uns helfen und sein Vater auch. Jack ist wirklich cool. Er ist zwar offiziell mein Vormund, aber er hat nichts dagegen, dass wir uns sehen und wir werden herausfinden wer diese Bastarde sind und dann zahlen wir es ihnen heim." Er strahlt mich so enthusiastisch an, dass ich lächeln muss. So kenne ich meinen Bruder. Zuversichtlich und voller Kampfgeist. Ein waschechter Kaiba eben. Und der einzige Kaiba, der wirklich zu lächeln vermag. "Ich weiß, dass Wheeler uns helfen will, Mokuba, aber das Ganze lässt sich eben nicht so leicht wieder ins Lot bringen. Nicht solange man mich für Pegasus Mörder hält und diese Typen hinter uns her sind. Es ist eine Sache, dich jetzt sehen zu können, aber das heißt nicht..." Ich beende den Satz nicht, denn ich sehe, wie sich seine Augen verdunkeln und er stutzt. "Was heißt das nicht, Seto?" fragt er besorgt und ich seufze. Ich bin fast erleichtert als Wheeler mit einer Tasse zurück kommt und diese Mokuba reicht. "Es heißt nicht, dass wir so einfach zusammen bleiben können." versuche ich es wieder und sehe wie meine Worte ihn treffen. Unwillkürlich verspüre ich einen Stich und der Schmerz droht mich zu überwältigen. "Ich verstehe dich nicht, Seto." meint mein Bruder und ich werfe Wheeler einen kurzen Blick zu. Er scheint meine stumme Aufforderung zu verstehen, denn er beugt sich vor und sieht Mokuba liebevoll an. "Was dein Bruder meint ist, dass es noch einige Zeit dauern wird bis er herausgefunden hat, wer diese Kerle sind, die euch das angetan haben und bis sein Ruf wiederhergestellt wurde. Die Gesetzlage ist augenblicklich eindeutig und sie besagt, dass ihr euch nicht sehen dürft." versucht der Blondschopf die Situation meinem Bruder zu erklären. Ich nicke. "Selbst wenn Wheeler´s Vater mir den Umgang mit dir gestattet, ich kann nicht einfach hier bleiben, Mokuba. Ich muss herausfinden, wer all das verursacht hat und..." Ich schlucke, aber ich sehe, dass er versteht. "Das heißt, dass du mich nicht mitnehmen kannst." beendet er düster meinen Satz. Ich nicke. "Ja und nein." sage ich ernst. "Glaub mir, nichts würde ich lieber tun als das, aber die Lage ist einfach zu gefährlich und ich weiß nicht zu welchen Mitteln diese Kerle sonst noch greifen." Er sieht mich nachdenklich an. "Aber du bist doch gekommen, um mich mitzunehmen?" fragt er und ich nicke. "Ja, aber ich wusste nicht, dass du bei Wheeler bist. Ich dachte, du wärst bei jemand fremdem." erkläre ich ihm sanft und ein paar Sekunden sieht er mich verständnislos an. Dann nickt er langsam. "Ok, ich verstehe, aber... Du willst, dass ich bei Joey bleibe?" will er schließlich wissen. "Ich will, dass du in Sicherheit bist und wenn das bei Wheeler der Fall ist, dann ja." antworte ich aufrichtig und hoffe, dass er es versteht. Auch in der Hinsicht hatte Wheeler Recht. Ich kann nicht einfach losstürmen, um meine Feinde aufzuspüren, wenn ich Mokuba nicht in Sicherheit weiß und ich kann ihn nicht überall hin mit nehmen. Was, wenn es wieder zu seiner solchen Situation wie in dem Hotel kommt als Bakura und ich Pegasus gefunden haben? Nein, das kann ich ihm nicht zumuten. Wheeler´s Angebot ist die einzig logische Alternative, die ich habe. Mokuba sieht mich mit einer Mischung aus Enttäuschung und Sorge an. "Aber was willst du denn tun, Seto? Ich meine, weißt du denn wer diese Kerle sind? Dass sie Pegasus getötet haben, heißt doch, dass sie zu allem fähig sind und..." Er bricht ab und wirft Wheeler einen fragenden Blick zu. "Stimmt, die Kerle sind gefährlich, aber du kennst doch deinen Bruder, er kann auf sich aufpassen. Aber er kann es sicherlich besser, wenn er nicht gleichzeitig ein Auge auf dich haben muss. Verstehst du was ich meine?" versucht Wheeler ihm die Situation zu erklären und ich nicke zustimmend. Mokuba seufzt und senkt für einen Moment den Blick. "Ich versteh." sagt er schließlich mit tonloser Stimme. "Wenn du mir sagst, Mokuba, dass du es hier nicht aushalten kannst, dann werde ich dich mitnehmen." sage ich ernst und die Aussage bringt mir einen missbilligenden Blick des Köters ein, den ich allerdings ignoriere. Mokuba verzieht leicht den Mund. "Nein, so ist es nicht. Mir geht es gut hier. Joey hat mir sogar ein Zimmer eingerichtet. Ich durfte alles selbst aussuchen. Willst du es sehen?" Mokuba´s Miene hat sich wieder aufgehellt und ich schätze, er hat verstanden worum es mir geht. "Gerne, aber lass mich erst noch kurz mit Wheeler reden, ja? Ich komme sofort nach. Ich schätze, du solltest dich wohl auch langsam einmal anziehen, kleiner Bruder." Ich lächele ihn an und er nickt. "Du wirst aber nicht einfach so wieder verschwinden, Seto!" sagt er und ich sehe ihn entrüstet an. "Was denkst du von mir?" entgegne ich und er lacht. "Bis gleich, großer Bruder." Mit den Worten auf den Lippen dreht er sich auch schon um und wirbelt durch die Wohnung. Ich sehe ihm einen Moment lächelnd nach, dann wende ich mich Wheeler zu. Der Blondschopf sieht mich kühl an und ich kann es ihm nicht verdenken. "Deine Entscheidung war richtig. Er wird auf dich hören. Und er versteht es auch." meint er nüchtern. Ich nicke. Die nächsten Worte kosten mich wahrlich Überwindung und ich schätze, er sieht es mir an. "Du weißt, dass ich es nicht gewohnt bin, mich auf andere zu verlassen, Wheeler. Und du weißt auch, dass ich... " Ich mache eine kurze Pause. "Ich danke dir für deine Hilfe und dafür, dass du dich um meinen Bruder kümmerst. Das hättest du nicht tun müssen, aber du hast es getan. Und..." Wieder halte ich kurz inne. Sein Blick ruht erwartungsvoll auf mir. "Es tut mir leid, dass ich dich vorhin angefahren habe." bringe ich schließlich tatsächlich über meine Lippen und beiße mir im nächsten Augenblick auch schon fest auf die Unterlippe. Er mustert mich einen Moment und ich erwarte schon, dass er anfängt zu lachen, doch er tut es nicht. Er nickt leicht und beäugt mich noch einen Moment nachdenklich, dann seufzt er. "War das jetzt so schwer, Kaiba?" fragt er und ich funkele ihn eisig an. Sein Mund verzieht sich zu einem Grinsen. "Du bist wirklich eine harte Nuss, Kaiba, aber in der Hinsicht warst du ja schon immer stur." Er lächelt mich an und ich glaube, auch wenn ich so alt werde wie Methusalem, ich werde diesen Kerl nie verstehen. Nie. "In Anbetracht der Tatsache, dass ich mich um deinen Bruder kümmere und wir ein gemeinsames Anliegen haben, nämlich Mokuba, schlage ich vor, dass wir das Kriegsbeil begraben und wir wie Erwachsene miteinander umgehen. Ich weiß, das Ganze kostet dich Überwindung und es ärgert dich vermutlich schwarz, dass ausgerechnet ich es bin, der dir Hilfe anbietet, aber ernsthaft, Kaiba, ich will dich weder bloß stellen, noch mache ich das zu meinem Vergnügen. Ich habe dein Deck auch nicht aus Mitleid erstanden oder um dir eins auszuwischen. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht wirklich warum ich es getan habe, aber ich versichere dir, es hatte nichts damit zu tun, dich zu demütigen, wenn es das ist, was du denkst." Er sieht mich mit ernsten braunen Augen an und ich brauche ein paar Sekunden, um seine Worte zu verarbeiten. Dann nicke ich leicht. "Ok, wir begraben das Kriegsbeil, Wheeler." erwidere ich und reiche ihm die Hand. Auch er nickt und drückt dann meine Hand. Ihn zu berühren durchzuckt mich wie ein Blitz und ich löse meine Hand schnell wieder aus seinem Griff. "Schön, dass du dich dazu entschlossen hast, dich nicht mehr wie ein verzogenes Balg aufzuführen." höre ich ihn im nächsten Moment sagen. "Dann können wir uns ja jetzt wichtigerem zuwenden." Ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. "Provozier mich nicht, Wheeler. Dieser Burgfrieden ist noch mehr als frisch." zische ich ihn an. "Ich mache das hier nur für Mokuba, damit wir uns da richtig verstehen." "Schon klar." entgegnet er und erhebt sich. "Komm, ich zeige dir Mokuba´s Zimmer." Ehe ich etwas erwidern kann, wendet er mir auch schon die Rücken zu und ich verfluche ihn innerlich für seine Selbstgefälligkeit. Kapitel 26: Morgenstimmung -------------------------- Ich höre, dass er mir folgt und ein seltsames Gefühl durchströmt mich. Mein persönlicher Erzfeind hat sich nicht nur bei mir bedankt und sich durch die Blume, wenn man so will sogar entschuldigt, er hat mir auch die Hand gereicht, um das Kriegsbeil zu begraben. Wenn das kein Triumph ist! Es ist eindeutig ein Sieg. Ich habe ihn dazu gebracht, über seinen Schatten zu springen. Ich, Joey Wheeler. Nach all den Jahren. Oh Mann. Ich fühle mich als würde ich schweben und meine Hand... Ich schlucke unwillkürlich. Das war das erste Mal, dass wir uns berührt haben. Kaiba und ich. In all den Jahren, die wir uns kennen, haben wir das nie getan. Kein einziges Mal. Und jetzt habe ich seine Hand gehalten, wenn auch nur für einen Moment und das Gefühl, dass mich durchströmt ist merkwürdig. Es war als würde ich einen elektrischen Schlag bekommen als ich seine kühle Haut berührte und ein Schauder lief mir über den Rücken. Und wenn ich es nicht wüsste, würde ich sagen, dass es ihm ähnlich ging. Immerhin hat er seine Hand auch schnell wieder zurückgezogen. Herrje, was mache ich mir hier denn für bescheuerte Gedanken? Da drücke ich einmal Kaiba´s Hand und bin aus dem Häuschen als wäre ich wieder ein pubertierender Teenager, der zum ersten Mal mit einem Mädchen Händchen hält. Gott, was für ein Vergleich. Ich schüttele schnell den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden, denn das ist wirklich zu verrückt. Kaiba folgt mir mit ein paar Schritten Abstand wie ich durch einen Blick über die Schulter feststelle. Seine Züge sind wieder so verschlossen wie eh und jeh und es ist fast so als würde ihn eine eisige Aura umgeben, die ihn unnahbar macht für sein Umfeld. Bei seinem Gespräch vorhin mit Mokuba war er ganz anders. Er schien fast entspannt und das Lächeln war echt und für einen Moment hatte ich sogar den Eindruck, Tränen in seinen Augen zu sehen. "Da sind wir." sage ich und deute auf die Tür. Er nickt und ich klopfe an. Ich warte bis Mokuba "Herein" gesagt hat und trete mit einem Lächeln ein. "Da sind wir." verkünde ich und sehe, dass der Kleine bereits angezogen ist. Er lächelt. Kaiba tritt neben mich und ich gehe etwas zur Seite um ihm Platz zu machen. Für einen Moment streift meine Schulter fast die seine und ich schlucke unwillkürlich. Er hat seinen Blick bereits auf das Innere des Raumes gerichtet und ich nehme den vagen Duft von Moschus und irgendetwas anderem wahr. Oh Mann, langsam werde ich wirklich albern. Seine Gegenwart verstört mich ja noch mehr als früher. "Und, Seto? Wie findest du´s?" will Mokuba wissen und Kaiba lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. Einen Moment ruhen seine Augen auf dem Poster an der Wand, dass eine amerikanische Heavy Metal Band zeigt, dann mustert er das Kinoplakat, dass ich Mokuba besorgt habe, nachdem wir uns den Film dazu angesehen hatten. Sein Blick verrät nicht was er darüber denkt und Mokuba sieht ihn erwartungsvoll an. Mir scheint, dem Kleinen ist das Urteil seines Bruders wichtig. Genau wie früher sieht er Kaiba mit einer Art Heldenverehrung an, die man fast schon obzessiv nennen könnte. Seine Augen strahlen Kaiba geradezu an und ich muss unwillkürlich lächeln als Kaiba sich endlich seinem Bruder zuwendet. "Sehr bunt." höre ich Kaiba sagen und muss mir es mir verkneifen ihm einen Stubs zu verpassen, um ihn darauf hinzuweisen, dass dies kein ausreichendes Urteil ist und auch keinesfalls eins, dass Mokuba sich erhofft hat. Doch seine nächste Worten, zeigen das ein solcher Hinweis gar nicht notwendig ist. "Es passt zu dir, Mokuba." befindet Kaiba und lächelt sogar auf etwas steife Art. "Ich hoffe du fühlst dich hier wohl." Mokuba scheint mit dieser Aussage mehr als zufrieden und nickt. "Ja, Seto." bestätigt er und Kaiba nickt. "Ein schönes Zimmer." höre ich ihn leise sagen und habe für den Moment den Eindruck, dass so was wie Wehmut in seiner Stimme mitschwingt. Mokuba lächelt. Dann deutet er auf das Poster. "Das habe ich von Joey, wir haben den Film neulich gesehen." erzählt er. "Ein krasser Horrorfilm, sag ich dir." Kaiba´s reche Braue schnellt in die Höhe. "Krass?" echot er mit monotoner Stimme und wirft mir einen missbilligenden Blick zu. Ich räuspere mich etwas verlegen. "Sagen wir er war sehr spannend." sage ich mit einem schiefen Grinsen. "Das kannst du laut sagen. Als dieser Kerl dem anderen den Kopf..." fängt Mokuba an, aber ein Blick Kaiba´s bringt ihm zum Schweigen. "Ich hoffe für dich, Wheeler, dass dergleichen nicht zur Gewohnheit wird. Mokuba ist erst 15." weist er mich hin und ich seufze. "Keine Sorge, der Film war nicht so schlimm wie es sich jetzt anhört." versuche ich ihn zu beruhigen und fahre, als er sich anschickt etwas zu erwidern, einfach fort: "Wie wäre es mit Frühstück?" Mein Blick wandert zu Mokuba und dieser nickt. Dann sieht er mich fragend an. "Was ist mit der Schule?" will er wissen. Ich werfe Kaiba einen kurzen Blick zu. "Ich denke, es geht klar, dass du heute daheim bleibst, oder Kaiba?" Dieser nickt und Mokuba strahlt. "Dann machen wir heute etwas zusammen?" will er wissen und ich bin sicher, dass er damit nicht nur seinen Bruder meint. Mit "wir" meinte er uns drei: Kaiba, ihn selbst und mich. Ich werfe Kaiba einen raschen Blick zu und sehe, dass sich seine Schultern wieder leicht straffen. Unwillkürlich frage ich mich, ob er das Gleiche denkt wie ich. Ob er darüber nachdenkt, dass dieses "wir" bislang für Mokuba nur aus ihnen beiden bestanden hat. Schließlich nickt er leicht und wendet sich dann mir zu. "Frühstück." sage ich nur und gehe voraus. Die Beiden folgen mir in die Küche, wo bereits mein Vater sitzt. "Guten Morgen, Dad." grüße ich ihn etwas verlegen, immerhin habe ich ihn noch nicht über unseren Besucher unterrichtet. Jack blickt von seiner Zeitung auf. "Guten Morgen." erwidert er. "Ich dachte schon, ich müsste alleine frühstücken." Sein Blick streift mich, dann wandert er an mir vorbei und richtet sich wie ich vemute auf Kaiba. Für einen Moment scheint er erstaunt. Ich grinse verlegen. "Ähm... das ist Kaiba, Dad." sage ich obgleich ich sicher bin, dass mein Vater das bereits weiß. Immerhin hat er sein Bild oft genug in der Zeitung gesehen. Jack legt die Zeitung nieder und steht auf. Ich wende mich Kaiba zu und verkunde etwas unsicher: "Das ist mein Vater, Jack Wheeler." Jack hält Kaiba bereits auch schon die Hand hin. "Schön, dass wir uns endlich kennenlernen. Joey hat mir bereits viel über dich erzählt, Seto." begrüßt mein alter Herr meinen ultimativen Erzfeind und ich verspüre den Wunsch im Boden zu versinken. Stattdessen drücke ich mich etwas zu Seite, um den Beiden Platz zu machen und sehe wie Kaiba einen Moment zögert. Dann ergreift er die dargebotene Hand und ich rechne schon mit einer bissigen Zurechtweisung, dass man ihn gefälligst nicht auf diese vertraute Art ansprechen solle, doch zu meiner Überraschung sagt er lediglich: "Guten Morgen, Mr. Wheeler." Sein Tonfall ist distanziert und kühl, aber Jack scheint dieser Umstand vollkommen zu entgehen. Er lächelt Kaiba. "Nenn mich Jack, wir sind ja jetzt irgendwie..." Mein Vater zwinkert mir zu. "Eine Art Familie." Zum Glück verkneift er es sich, Kaiba einen Schlag auf die Schulter zu verpassen und instinktiv schließe ich die Augen, denn diese Aussage, müsste Kaiba nun wirklich zum ausrasten bringen. Ich ahne schon, dass seine Mundwinkel zu zucken beginnen und er zu einem Konter ansetzt. Doch zu meiner Überraschung bleibt dieser aus. Mokuba schiebt sich an seinem Bruder vorbei. "Wenn man es so betrachtet, dann wäre Joey ja auch eine Art Bruder von uns." meint er und ich muss die Augen öffnen, auch wenn ich es nicht wirklich will. Kaiba hat die Lippen fest aufeinander gepresst. "Nein." höre ich ihn sagen und alles in mir zieht sich zusammen. "Mr. Wheeler ist lediglich vorübergehend dein Vormund, das schafft keine familiere Verbindung zwischen uns, Mokuba." berichtigt er die Überlegungen seines Bruders und einen Moment sieht der Kleine ihn an. Dann nickt er. "Klar, ich weiß, aber naja, irgendwie..." Er beendet den Satz nicht, was auch eindeutig besser ist. Kaiba und ich als eine Art Brüder. Das wäre echt mal pervers. "Im wahrsten Sinne des Wortes." lacht die böse, kleine Stimme und ich seufze. "Möchtest du einen Kaffee?" frage ich an Kaiba gewandt und dieser nickt. "Setzt euch doch." fordert mein Vater die Kaiba-Brüder auf und Mokuba lässt sich auch sofort nieder. Kaiba steht noch einen Moment unschlüssig da und es ist ihm deutlich anzusehen wie unbehaglich er sich fühlt. Ich kann es ihm allerdings nicht verdenken. Mir würde es sicher ähnlich gehen, für ihn muss es weiteraus schlimmer sein. Jack hat auch wieder Platz genommen und ich hole eine Tasse für Kaiba. Ich vermute, dass er nichts essen wird. Für Mokuba und mich ist bereits gedeckt. "Darf ich fragen, wie es dir gelungen ist, in die Staaten zu kommen? Wir dachten, du wärst noch in Japan. Joey´s Freundin erzählte, dass sie dich nicht erreicht hätte." kommt Jack auch schon gleich zum Punkt und ich sehe wie sich Kaiba´s Züge noch mehr verhärten. Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht meinen Vater mit kühlen Augen an. "Das ist eine längere Geschichte." sagt er vage und wirkt sichtlich erleichtert als ich ihm eine Tasse Kaffee vorsetze. Er nickt mir kurz zu und ich muss zugeben, dass ich die Situation auch etwas merkwürdig finde. Mir ist sie zwar keineswegs so unangenehm wie ihm, aber unbehaglich fühle ich mich schon. Zudem muss ich erneut an die kurze Berührung zwischen uns denken und meine Hand fängt schon wieder an zu prickeln. Ich lasse mich Kaiba gegenüber nieder und reiche Mokuba den Toast. Jack scheint sichtlich angetan von unserem Gast, ich sehe ihm deutlich an, dass er mehr als neugierig ist und ich hoffe inständig, dass er nicht zu viel sagen wird. Vor allem nichts, dass mich in Verlegenheit bringen könnte. "Deine Lage ist augenblicklich ja alles andere als rosig." bemerkt mein Vater. "Hast du schon eine Idee, was du unternehmen willst? Vielleicht kann ich dir irgendwie helfen. Ich kenne einige Leute im Ministerium und beim auswertigen Amt. Ich schätze, solange dieser Mord nicht aufgeklärt wurde, wirst du dich nicht frei bewegen können." Jack mustert Kaiba nachdenklich und dieser scheint kurz zu überlegen. "Danke, aber ich komme zurecht. Dass Mokuba solange hier bleiben kann, hilft mir schon mehr als genug." entgegnet Kaiba für seine Verhältnisse ungewohnt höflich, aber dennoch distanziert. "Ich werde mich nicht darauf verlassen können, dass die Polizei die Angelegenheit aufzuklären vermag, daher werde ich die Dinge selbst untersuchen müssen." Ich nicke. "Aber wie willst du das von hier aus tun? Ich meine, du hast keine Ahnung, wer dahinter stecken könnte." gebe ich zu Bedenken. Seine blauben Augen richten sich sofort auf mich. "Alister ist bereits dabei, Pegasus letzte Aktivitäten zurück zu verfolgen. Es wäre möglich, dass sich anhand dieser irgendwas ergibt, dass auf die Personen deutet, die hinter dieser Sache stecken." höre ich ihn kurz darauf sagen und nicke. "Ok, das wäre ein Ansatzpunkt." stimme ich zu. Dann fällt mir Ryou ein. "Ryou macht ja augenblicklich ein Praktikum in der Gerichtsmedizin, wie ich dir schon erzählt habe. Er hat Tea auch die Info gegeben, dass du gesucht wirst. Vielleicht kann er uns weiterhelfen. Ich meine, es wäre doch möglich, dass man am Tatort irgendwas gefunden hat oder dass es Zeugen gibt." Ich sehe wie Kaiba kaum merklich schluckt. "Ich bezweifle, dass man am Tatort was gefunden hat. Bakura und ich waren dort." Wow. Mit dieser Erwiderung hatte ich nicht gerechnet. Einen Moment starre ich ihn entgeistert an. Mokuba ebenso. Sogar mein Vater wirkt mehr als überrascht. Kaiba nippt ungerührt an seinem Kaffee. "Wir wollten ihm einen Besuch abstatten." erklärt er und ich muss sagen, die Seelenruhe mit der er spricht, ist mehr als beeindruckend. "Seine Bodyguards waren bereits tot. Er lag im Sterben." Ich schlucke hart und lasse mein Messer sinken, mit dem ich gerade mein Brot bestreichen wollte. "Ihr wart dabei?" frage ich fassungslos. Er nickt. "Wir müssen unmittelbar nach dem Angriff gekommen sein." erklärt er. Mokuba wirft mir einen hilflosen Blick zu. "Aber... wenn dich jemand gesehen hat, Seto? Die Polizei..." Kaiba schüttelt den Kopf. "Es hat uns niemand gesehen. Dessen bin ich mir sicher." beruhigt er seinen Bruder, aber seine Worte haben keineswegs den gewünschten Erfolg. "Konnte Pegasus noch etwas sagen?" will ich wissen und versuche mir die Situation gar nicht erst vorzustellen. Bakura und Kaiba bei dem sterbenden Erfinder. Nicht, dass ich an seinen Worten zweifeln würde. Es steht außer Frage, dass Kaiba ihn nicht ermordet hat, aber diese Geschichte verbessert seine Situation keineswegs. Im Gegenteil und Bakura ist auch kein glaubhaftes Alibi. Das scheint sogar Mokuba klar zu sein. Wieder zögert Kaiba. Dann nickt er leicht. "Ein Wort." ist die simple Antwort. Ich sehe ihn fragend an. "Ein Wort?" fragt auch Mokuba. Kaiba nickt. "Mehr konnte er nicht sagen." meint der Eisklotz in gewohnt undurchsichtiger Manier und sowohl mein Vater als auch Mokuba und ich sehen ihn erwartungsvoll an. "Ich konnte es nicht verstehen." fährt er schließlich fort. "Aber Bakura hat eine Vermutung. Alister ist dabei die Möglichkeiten durchzugehen, aber da wir nur ein sehr wackliges Indiz haben..." Er zuckt mit den Schultern. "Das heißt, du wirst bei Null beginnen müssen." bemerkt mein Vater und Kaiba nickt. "Wirklich eine schwierige Lage, Junge." meint Jack und schüttelt den Kopf. "Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun." Er wirft mir einen kurzen Blick zu und ich spüre wie ich rot werde. Unwillkürlich muss ich wieder an seine Worte von gester Nacht denken. Seine Vermutung, nein, seine Feststellung, dass mir viel an Kaiba liegen würde. Kaiba erwidert nichts und ich habe so den Verdacht, dass er mir der freundlichen und lockeren Art meines Vaters überfordert ist. So was kennt er schließlich nicht. Als seine Eltern starben war er noch ein Kind und Gozaburo Kaiba war alles, aber sicher kein Vater für ihn. In gewisser Weise hatten wir auch hier das Gleiche oder zumindest ein ähnliches Schicksal. So gesehen sind wir beide alleine aufgewachsen, nur dass er wohl weitaus früher erwachsen werden musste als ich. Ich mustere ihn einen Moment und auch wenn ich eben noch mehr als wütend auf ihn war und ihn für seine Arroganz verflucht habe, augenblicklich vermag ich es nicht länger sauer zu sein. Im Grunde tut er mir leid. Er steht mit dem Rücken zur Wand und verhält sich eigentlich nur wie ein verwundetes Tier, dass in die Enge getrieben wurde. Er vertraut niemandem, also lässt er auch niemanden an sich heran und dann kommt ausgerechnet sein Erzfeind und... Erneut muss ich an Bakura denken. Die Beiden waren in der Vergangenheit auch nicht unbedingt Freunde. Im Gegenteil. Dennoch hat er sich mit dem Dieb eingelassen und ich verstehe immer noch nicht warum. Was ist an Bakura so viel anders als an mir? Mich kennt er sogar länger. Würde es um Yugi oder Tristan gehen, würde mir das Ganze sicher nichts ausmachen, aber Bakura? Bakura verfolgt doch stets nur seine eigenen Ziele. Und wieder brennt mir die Frage auf der Zunge, was vorhin im Badezimmer los war. "Eifersüchtig, Joeylein? kommt auch prompt die spöttische Frage dieser gemeinen Stimme. "Wäre es wirklich etwas anderes, wenn es Yugi wäre?" "Wie sieht es finanziell bei dir aus, Seto?" höre ich meinen Vater fragen und könnte ihm ans Bein treten. In Kaiba´s Augen blitzt es auf und als er mir einen kurzen Blick zu wirft, weiß ich, dass er an sein Deck denkt. "Roland ist dabei alles nötige zu veranlassen." presst er hervor und wendet sich dann an Mokuba. "Dein Geld bleibt natürlich unberührt. Dein Vormund verwaltet deine Konten vorerst." Mokuba nickt und schlingt seinen Bissen Toast runter. "Ich weiß, Seto. Aber ich dachte, wenn du Geld brauchst..." Der Blick des Kleinen wandert zu meinem Vater. Jack nickt. "Ich werde Mokuba´s Geld natürlich in seinem Sinne verwalten und es steht ja wohl außer Frage, dass er dir damit helfen würde, wenn es nötig wäre." Mein Vater lächelt Kaiba entwaffnend an. Dennoch spüre ich wie der Eisklotz sich verspannt. Schließlich schüttelt er den Kopf. "Das ist keinesfalls notwendig. Ich werde Mokuba´s Geld nicht anrühren. Augenblicklich habe ich auch noch genug Möglichkeiten und Roland ist dabei sich um alles weitere zu kümmern." Sein Tonfall ist scharf und es ist klar, dass er kein Lust verspürt weiter über dieses Thema zu reden. Zum Glück ist es Mokuba, der ein neues Thema anschneidet. "Wie geht es Roland?" will er wissen. Kaiba lächelt. "Er macht sich Sorgen um dich." meint der ehemalige CEO der Kaiba Corp. "Ich musste ihm versprechen, dass ich dich wieder heim bringe." Dieses Mal ist es kein kaltes Lächeln in seinem Gesicht und ich kann sehen wie sich Kaiba´s Züge erhellen und weicher werde. Mokuba grinst. "Ich kann es mir vorstellen, Seto." erwidert er sichtlich zufrieden und die Brüder strahlen ein verschworenes Einvernehmen aus, dass ich nur zu gut kenne und für die nächsten zehn Minuten wirkt die Szene wirklich wie ein normales familiäres Frühstück, wenn man so will. Kaiba trinkt schweigend seinen Kaffee und Mokuba isst. Ich betrachte meinen Erzfeind noch einen Moment und bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, dass mein Vater mit mir redet. "Ich schätze, du wirst heute nicht in die Firma gehen wollen." höre ich ihn sagen. Ich grinse verlegen. "Ähm.. ja. Also, ich dachte mir..." Aber ich muss den Satz nicht beenden. Jack nickt schon. "Ja, das dachte ich mir auch." Er zwinkert mir zu. "Ich werde auch ein paar Tage ohne dich klar kommen, aber vergiss nicht deine Prüfungen. Du hast gesagt, dass diese Woche noch eine Klausur anstehen würde." Ich nicke. "Ja, am Donnerstag." bestätige ich. "Keine Sorge, ich bin vorbereitet." Jack nickt. "Ich habe nichts anderes erwartet, Joey." erwidert er und wendet sich dann wieder Kaiba zu. "Wenn ich richtig verstanden habe dann willst du, dass Mokuba noch eine Weile hier bleibt, so lange bis du deine Angelegenheiten in Ordnung gebracht hast, Seto?" fragt er und Kaiba nickt. "Ja, ich denke, das ist vorerst auch das Beste. Zumal ich ihnen keinen Ärger einhandeln möchte, indem ich ihn einfach mitnehme." erwidert Kaiba ernst und ich starre ihn einen Moment lang an. "Das klang jetzt direkt menschlich, Kaiba." rutscht es mir raus und Jack wirft mir einen scharfen Blick zu. "Joey!" Ich lächele entschuldigen. "Sorry, aber... Egal." Ich senke etwas verlegen den Blick und wage es erst recht nicht Kaiba anzusehen. "Mokuba kann so lange bleiben, wie es nötig ist. Wir werden uns gut um ihn kümmern. Deinen Bruder muss man allerdings auch gleich ins Herz schließen, Seto." Jack lächelt Kaiba zu und dieser gibt ein undefinierbares Geräusch von sich. "In der Hinsicht musst du dir also keine Gedanken machen, wir werden dir den Rücken freihalten und wie gesagt, wenn ich sonst etwas tun kann..." Kaiba nickt. "Sehr großzügig von ihnen, Mr. Wheeler. Aber ich glaube, das ist nicht nötig." "Gut, wie du meinst. Doch falls du deine Meinung ändern solltest, mein Angebot steht." entgegnet Jack und erhebt sich langsam. "Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Kann ich kurz mit dir reden, Joey?" Ich blicke ihn überrascht an, nicke aber schnell. "Klar." Mit einem kurzen Blick auf Kaiba folge ich meinem Vater nach draußen. Jack hat sich in sein Arbeitszimmer begeben und bereitet sich darauf vor ins Büro zu gehen. Ich trete ein und sehe ihn fragend an. "Du hattest Recht. Er ist verflucht stolz." bemerkt er mit einem leichten Lächeln. "Aber er hat ein gutes Herz, Joey. Doch das weißt du ja. Er würde alles für seinen Bruder tun, das sieht man." Diese Aussage überrascht mich ein wenig. Dennoch nicke ich zustimmend. "Ok, das mit dem guten Herzen würde ich nicht so leicht unterschreiben, aber dass er für Mokuba alles tun würde, steht außer Frage." erwidere ich und mein Vater lacht. "Sei ein wenig nachsichtig mit ihm. Der Junge scheint eine Menge durchgemacht zu haben und steckt augenblicklich in Schwierigkeiten." fährt Jack ernst fort. "Er tut sich nicht leicht darin anderen zu vertrauen oder fremde Hilfe anzunehmen. Und es fällt ihm keineswegs leicht, seinen Bruder in unserer Obhut zu lassen, aber er vertraut dir, auch wenn es dir anders erscheint. Sonst wäre er nicht hier." Ich will schon ansetzen zu widersprechen, aber Jack lässt mir keine Gelegenheit dazu. "Ich werde zusehen ob ich irgendwas herausfinden kann, dass ihm helfen könnte." höre ich ihn sagen. "Jedenfalls bin ich beruhigt, dass er keine übereilten Schritte macht. Er scheint mir wirklich ein kühles Köpfchen zu haben, vielleicht etwas zu kühl, aber naja, in der Hinsicht werdet ihr euch sicher gut ergänzen." Jack gibt mir einen leichten Klaps auf die Schulter. "Wir sehen uns heute Abend, Joey." Noch ehe ich etwas erwidern kann, ist er auch schon aus der Tür und ich bleibe verdutzt zurück. Kaiba und ich - einander ergänzen? Ich schlucke. Und da ist es wieder. Dieses Gefühl. Dieses undefinierbare Gefühl, dass ich seit Tagen habe und immer intensiver wird, je näher ich ihm bin. Kapitel 27: Zwiegespalten ------------------------- Es fällt mir schwer, mich von Mokuba zu verabschieden und ins Hotel zurückzukehren. Wheeler hat mir zwar angeboten, bei ihnen zu übernachten, aber das habe ich dankend abgelehnt. Morgen würde es mir keineswegs leichter fallen, zu gehen und der Gedanke, eine Nacht in Wheeler´s Nähe zu verbringen, behagt mir auch keineswegs. Mokuba fiel es ebenso schwer. Fast habe ich damit gerechnet, dass er weinen würde und ich musste ihm fünfmal versichern, dass ich mich melden würde, dass ich ihn über all meine Schritte auf dem Laufenden halte und vor allem, dass ich bald wieder zurück sein werde. Einmal mehr habe ich meinem Bruder ein Versprechen gegeben und ich werde auch dieses halten, koste es was es wolle. "Mein Chauffeur wird dich zum Hotel bringen." erklärt mir Wheeler, nachdem ich mich von Mokuba verabschiedet habe. "Ich werde mitkommen, ich muss ohnehin noch einmal weg. So wird sich niemand etwas dabei denken, wenn der Wagen das Gebäude verlässt." Ich nicke zustimmend, bin mit meinen Gedanken allerdings schon wo anders. Wheeler wendet sich noch kurz an das Hausmädchen, gibt ihr ein paar Instruktionen, dann sieht er mich auffordernd an und wir begeben uns gemeinsam zum Wagen. Keiner von uns sagt etwas und die Stimmung zwischen uns ist nach wie vor seltsam. Wir haben fast den ganzen Tag miteinander verbracht und obgleich es anfangs seltsam war, wurde es mit der Zeit immer besser. Mokuba musste uns zwar ein paar Mal ermahnen nicht zu streiten, wobei ich unsere kleinen Auseinandersetzungen eigentlich nicht als richtige Streits ansehen würde, sondern nur um Meinungsverschiedenheiten, immerhin haben wir uns früher auf vehementere Art bekriegt, doch Mokuba zuliebe haben wir uns gefügt. Ansonsten war unser Umgang miteinander geradezu höflich, fast schon respektvoll. Gardner wäre beeindruckt gewesen, sie hat uns schließlich oft genug Monologe darüber gehalten, dass wir uns kindisch aufführen würden und wir doch endlich wie Erwachsene miteinander umgehen sollten. Beim Gedanken an das Mädchen muss ich lächeln. Sie war schon vor drei Jahren so erschreckend altklug. In meinen Augen war sie immer eine Art Glucke, die ihre Jungen zu beschützen versuchte und sich aufgrund dessen gelegentlich mit mir anzulegen versuchte oder aber mich in ihre Fürsorglichkeit miteinbezog. Je nachdem wie es ihr gerade beliebte. "Das haben wir doch ganz gut hinbekommen." bemerkt Wheeler plötzlich und lächelt mich an. Ich verspüre für einen kurzen Augenblick, dieses offene und ehrliche Lächeln zu erwidern, unterdrücke jedoch den Impuls und nicke nur. Mag sein, dass wir uns zusammen raufen konnten, das heißt nicht, dass mehr zwischen uns ist als ein Burgfrieden auf bestimmte Zeit. Ich bin mir zwar im klaren darüber, dass ich in seiner Schuld stehe und werde diese Schuld auch begleichen sobald ich es vermag, aber das macht uns noch lange nicht zu Freunden. "Dein leiblicher Vater scheint im Gegensatz zu deinem Stiefvater recht sympathisch zu sein." sage ich und weiß selbst nicht warum ich mich zu dem Thema äußere. Schließlich geht es mich nichts an und es kann mir auch egal sein. Wheeler wirkt einen Moment auch überrascht über meine Äußerung, dann nickt er. "Jack ist toll. So einen Dad habe ich mir immer gewünscht." erwidert er dann und ich nicke. Dann fällt mir auf wie er mich von der Seite beäugt. "Erinnerst du dich an deinen Vater?" will er plötzlich wissen und ich frage mich, wie er jetzt darauf kommt und warum er sich dafür interessiert. Ich schüttele den Kopf. "Nicht wirklich. Ich erinnere mich nur an Bruchstücke." gebe ich schließlich zu und er wirft mir einen mitfühlenden Blick zu, den ich zu ignorieren versuche. "Seine Eltern zu verlieren, muss schlimm sein. Mokuba erinnert sich sicher gar nicht mehr an sie." sagt er und ich gehe schweigend weiter. Aber auch als wir im Wagen sitzen, scheint in das Thema zu beschäftigen. "Ich dachte damals, dass meine Welt zusammen bricht als meine Eltern sich trennten." erzählt er und mein Unbehagen wächst. Ich will diese Vertraulichkeiten nicht mit ihm austauschen. Ich sehe keinen Sinn darin, doch Wheeler scheint gewillt darüber mit mir zu reden und ich frage mich unwillkürlich ob er das mit Mokuba auch getan hat. Ob er ihn über Gozaburo ausgefragt hat. Und als könne er meine Gedanken lesen, kommt der Blondschopf im nächsten Augenblick auch schon auf meinen Adoptivvater zu sprechen. "Die Zeit bei Gozaburo war für euch auch nicht leicht." stellt er fest als wisse er wirklich etwas darüber. Ich richte meinen Blick aus dem Fenster und versuche ihn auszublenden. Ich will nicht über meinen Adoptivvater reden, noch weniger will ich über ihn nachdenken. Ich wünschte er wäre nicht hier. Ich kann es nicht erklären, aber es fällt mir schwer ihn anzusehen. Ich verstehe nicht warum, ich hatte nie Probleme damit ihm in die Augen zu sehen, doch jetzt... Sobald ich in diese Augen sehe, ist das dieses undefinierbare Gefühl, eine Mischung aus Wut und etwas, dass ich nicht kenne, nicht einordnen kann und das mir nicht gefällt. Nicht in Verbindung mit ihm. "Ich sollte das vielleicht nicht sagen, aber..." Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu und sehe, dass er kaum merklich zusammen zuckt. "Mokuba macht sich Vorwürfe wegen all dem. Er meinte, dass er an allem Schuld sei. Daran, dass ihr überhaupt bei Gozaburo Kaiba gelandet seid und dass die Dinge jetzt so sind wie sie sind. Er denkt, es liege an ihm. Weil du ihm versprochen hast, für ihn zu sorgen und deshalb..." Er bricht ab und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Ich sehe ihn für einen Moment unschlüssig an. Einerseits möchte ich ihm sagen, dass ihn das alles nichts angeht, dass er sich da raushalten soll, andererseits sehe ich aufrichtige Sorge in seinen Augen. Ehe ich etwas erwidern kann, fährt er auch schon fort. "Ich dachte, du solltest das wissen, Kaiba." meint er. "Ich habe ihm gesagt, dass es Unsinn ist, so was zu denken, aber vielleicht... nun, ich denke, wenn all das hier vorbei ist, dann solltest du vielleicht einmal mit ihm reden." Sofort ist da der Impuls, ihn gehörig in seine Schranken zu verweisen. Was erdreistet er sich, mir Ratschläge zu erteilen über Dinge, von denen er nichts weiß? Doch dann fällt mir wieder ein, wie Mokuba ihn angesehen hat und wie wir zusammen auf dem Sofa saßen und diesen mehr als albernen Film sahen, von dem mein Bruder so begeistert ist, dass er ihn jetzt schon fünfmal gesehen hat. Gleichgültig wie ich es auch drehe, Mokuba mag Joey Wheeler. Er mochte ihn immer schon. Genau wie den Rest des Kindergartens und es ist offensichtlich, dass Wheeler meinen Bruder ebenfalls mag. Es ist schließlich auch wie Wheeler´s Vater sagte, Mokuba muss man mögen. Es geht nicht anders. "Im Gegensatz zu mir." denke ich und schlucke unwillkürlich. "Ich werde mit ihm reden." sage ich nach einer Weile. "Und es ist Unsinn so etwas zu denken. Er trägt an Nichts die Schuld. Weder daran wie Gozaburo mich behandelt hat, noch an der jetztigen Lage." Wheeler nickt und erneut habe ich das Gefühl, dass er mich mitfühlend ansieht. "Was?" frage ich harsch und er senkt leicht den Blick. Dann schüttelt er den Kopf. "Nichts. Ich... ich habe mich nur gefragt, nun, ich kenne die Gerüchte über euren Adoptivvater und das was er mit dir gemacht hat." höre ich ihn im nächsten Moment sagen und alles in mir verknotet sich auf einen Schlag. Ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. "Das geht niemanden etwas an. Dich schon gar nicht, Wheeler. Die Zeiten sind vorbei. Vergangenheit. Es tut nichts mehr zur Sache." sage ich hart und erwarte schon einen giftigen Konter doch er erwidert nichts. Für einen Moment herrscht Schweigen und ich bin erleichtert als der Chauffeur sagt, dass wir am Hotel angekommen sind. Ich schicke mich an, auszusteigen, doch Wheeler hält mich zurück. "Warte, Kaiba." meint er und ich nehme wieder Platz. "Was noch, Wheeler?" frage ich ungehalten und er seufzt. "Wie sehen nun deine nächsten Schritte aus? Wie lange wirst du in New York bleiben?" will er wissen und ich verdrehe die Augen. "Ich sagte doch bereits, wir sind am recherchieren. Alles weiter wird sich zeigen." erwidere ich knapp. Wheeler hält jedoch weiter meinen Blick fest. "Ich könnte morgen mit Mokuba vorbei kommen." schlägt er vor. "Vielleicht weißt du dann schon mehr. Du hast ihm auch versprochen, ihn auf dem Laufenden zu halten." erinnert er mich und ich seufze. "Gut, kommt vorbei." sage ich knapp und er scheint erleichtert. "Dann bis morgen, Kaiba." Ich nicke nur und steige endlich aus, froh wieder an der frischen Luft zu sein und weg von Wheeler, dessen Präsenz jedoch nach wie vor so spürbar ist wie das Kribbeln meiner Hand, wenn ich an seine Berührung denke. Ein einfacher Händedruck. Die erste Berührung zwischen Wheeler und mir. Eine unbedeutende Geste, die mich nicht loslässt. Genau wie Wheeler. Es ist wieder genauso wie früher. Wheeler´s Präsenz kann ich mich nicht entziehen. Mehr noch, er scheint noch präsenter geworden zu sein und diese neue, besonnene Art... Ich schüttele leicht den Kopf und ermahne mich nicht länger über den Köter nachzudenken. Der Köter, der keiner mehr ist. Alles was ist, man kann ihm nicht mehr unterstellen, dass er einem verlausten Köter gleichen würde. Vielmehr ähnelt er einem Hündchen. Einem süßen, kleinen Hündchen. Herrje, ich muss eindeutig Schlaf nachholen, wenn ich schon solche Wahnvorstellungen bekomme. Wheeler und süß! Dennoch... seine Augen haben etwas, aber war das nicht schon immer so und ich habe es nur vergessen? Als ich das Hotel betrete, kommt mir schlagartig wieder Bakura in den Sinn und ich schlucke hart. Auch eine Sache, die ich zu verdrängen versucht habe. Sowohl unser letztes Gespräch als auch die Szene im Badezimmer und ich vermute, dass es utopisch ist zu hoffen, dass ich einer Begegnung mit dem Weißhaarigen vorerst entgegen kann. Meine Vermutung bestätigt sich als ich meine Zimmertür aufsperre und mich sofort der Blick des Weißhaarigen trifft. Er ist allein. Alister wird demnach in dem anderen Zimmer sein. Ich lasse die Tür ins Schloss fallen, lege den Schlüssen auf die kleine Ablage neben der Tür und ziehe meine Jacke aus. Derweil spüre ich genau, dass er mich beobachtet. Ich lasse mir Zeit ehe ich ihm den Blick zuwende und versuche mich innerlich auf die nächste Konversation mit dem Dieb einzustellen. Er sagt ebenfalls nichts, was mich im ersten Moment etwas überrascht. Ich frage nicht, warum er in meinem Zimmer ist. Immerhin könnte er genauso gut bei Alister sein. Ich kann mir denken, dass er auf mich gewartet hat. "Hast du Roland erreicht?" will ich wissen. Er nickt. Er hält eine Zigarette in der Hand und lümmelt sich auf so unverschämte Weise auf dem Bett, dass ich ihn missbilligend ansehe. "Dein Pinguin wurde beruhigt. Ich habe ihm gesagt, dass es Mokuba gut geht, er bei Katsya ist und bleibt, wenn ich den Umstand, dass du allein bist, richtig deute, und ihm gesagt, dass du dich melden wirst." erzählt er in gewohnt lässiger Manier und ich nicke. "Du hast also deinen Bruder bei Wheeler gelassen." stellt er fest. "Offensichtlich." erwidere ich kühl und er nickt. "Dachte ich mir schon." meint er und grinst. "Demnach vertraust du Wheeler." Ich bin nicht sicher ob es eine Frage sein soll oder er es nur feststellt. Ich ziehe spöttisch eine Braue nach oben. "Nicht mehr als dir." entgegne ich süffisant und er lacht. "Beruhigend." erwidert er lässig und richtet sich auf. "Hat Alister schon etwas herausgefunden?" will ich wissen. Bakura zuckt mit den Schultern. "Das was Pegasus gesagt hat, könnte auf eine Firma hindeuten. Zumindest haben wir eine Firma diesen Namens gefunden. Alister checkt gerade ob es da eine Verbindung zu Pegasus gibt." erzählt er und ich nicke. "Dann werde ich jetzt Roland anrufen." erkläre ich und greife nach seinem Handy. Ich tippe die Nummer ein und bin erleichtert als ich nach kurzem Läuten Roland´s vertraute Stimme höre. "Master Kaiba, ich bin froh sie zu hören." Auch mein Assistent klingt sichtlich erleichtert und ich muss unwillkürlich lächeln. "Sie sind im Bilde, Roland?" frage ich. "Ja, Sir. Mr. .. Bakura hat mir mitgeteilt wie es um Master Mokuba steht. Ich kann ihnen gar nicht sagen wie erleichtert ich bin, ihn in Sicherheit zu wissen und dann auch noch bei ihrem Freund..." Ich unterbreche seinen Wortschwall. "Er wird noch eine Weile bei Katsuya bleiben." erkläre ich. "Bis ich alles geregelt habe." "Sehr wohl, Sir. Kann ich irgendetwas tun?" fragt Roland. Ich überlege kurz. "Konnten sie die Grundstücke verkaufen, die ich ihnen aufgelistet habe?" "Ja, fast alle wurden bereits verkauft. Das Geld habe ich bereits auf ihr schweizer Konto transferiert und auch der Gewinn der Aukion ihres Decks, Master Kaiba. Im Übrigen habe ich alles weitere so veranlasst wie sie es mir aufgetragen haben." erzählt er mir was ich wissen will und ich nicke. "Gut. Wie steht es mit der Polizei?" will ich weiter wissen und höre wie mein Assisten seufzt. "Es war genau wie sie vorhergesagt haben. Ich habe ausgesagt, dass sie sich nach meinem Kenntnisstand in Europa befänden. Der Inspektor schien davon allerdings nicht sonderlich überzeugt. Er wollte sich in der Villa umsehen, doch ich habe ihm gesagt, dass ich dies ohne ihre Einwilligung, Master Kaiba oder einen gültigen Durchsuchungsbefehl nicht gestatten könnte." Ich muss mir ein Lachen verkneifen, denn ich kann mir diese Szene sehr gut vorstellen. Ich sehe Roland förmlich vor mir, der mit stoischer Miene einige Paragraphen zitiert und auf das Recht behaart. "Sehr gut." befinde ich. "Ich gehe davon aus, dass die Ausgangslage für das Erteilen eines Durchsuchungsbefehls zu gering ist. Was hat man ihnen sonst gesagt? Werden sie überwacht?" Er scheint zu überlegen. "Ich habe die Vermutung, dass man mich beschattet, ja, Sir." bestätigt er meinen Verdacht. "Miss Gardner war hier und..." Wieder falle ich ihm ins Wort. "Ich weiß. Wheeler hat mich bereits unterrichtet. Sie können ihr mitteilen, dass ich die Nachricht bekommen habe." "Wie sie wünschen, Sir." sagt Roland und ich habe das Gefühl, dass er noch etwas sagen möchte. "Roland?" frage ich daher. Er zögert. "Ich bin nicht sicher, aber ich hege den Verdacht, dass man in meiner Abwesenheit der Villa einen Besuch abgestattet hat." höre ich ihn sagen und mein Magen zieht sich leicht zusammen. "Die Polizei?" frage ich nach. "Nein, ich würde eher auf eine bislang noch unbekannte Partei tippen. An der Tür zum Garten hat man sich zu schaffen gemacht und ihre Papiere wurden durchgesehen. Ich kann es nicht genau belegen, doch als ich ihre Unterlagen sichtete, war die Reihenfolge nicht mehr so wie ich sie in Erinnerung hatte." "Ich verstehe." Ich weiß wie penibel Roland bei seiner Arbeit ist. Folglich hege ich keinen Zweifel an seiner Vermutung. Nein, es passt sogar ins Bild. Ich hätte damit rechnen müssen. Ich überlege kurz, dann weise ich ihn an, die Sicherheitsvorkehrungen zu verdreifachen und beende das Gespräch. Bakura beobachtet mich noch immer und die Konfrontation wird unvermeidbar wie mir scheint. "Also gut, kommen wir zum Punkt." sage ich und er grinst. "Und ich dachte schon, du würdest es ignorieren wollen." meint er zufrieden und ich verdrehe die Augen. "Es wäre mir lieber, es ignorieren zu können, aber wie ich dich kenne, wirst du das keinesfalls zulassen." entgegne ich nüchtern. "Also, was sollte diese Aktion?" Ich bemühe mich in vollkommen ausdruckslos anzusehen und mir nicht anmerken zu lassen, dass er mich mit seiner kleinen Aktion im Badezimmer länger als zwei Minuten aus der Fassung gebracht hat, obgleich ich vermute, dass es besser weiß. Er hat mich überrumpelt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber ganz sicher nicht damit, dass er das tun würde. Bakura betrachtet mich sichtlich amüsiert und erhebt sich langsam und gemächlich. "Nun, ich dachte, das wäre offensichtlich." meint er und ich stöhne genervt auf. "Offensichtlich ist daran nur, dass es dir Vergnügen bereitet, mir auf die Nerven zu gehen." erwidere ich kalt und er lacht. "Herrje, Kaiba, manchmal bist du wirklich niedlich. Und ich glaube, du bist der einzige Mensch auf diesem Planeten, dem man auf die Nerven gehen kann, indem man ihn küsst." entgegnet er und macht einen Schritt auf mich zu. Ich widerstehe dem Impuls zurückzuweichen, denn diese Blöße werde ich mir sicher nicht geben. Seine Augen funkeln mich vergnügt an. "Bedenk mich noch einmal mit einem solchen Adjektiv und du kannst etwas erleben, Dieb." zische ich ihn an, aber er legt nur den Kopf in den Nacken und lacht. "Welches Adjektiv würdest du denn vorziehen, mein lieber Seto?" fragt er und ich spüre wie er mehr und mehr die Oberhand über diesen Dialog gewinnt. "Ich habe keine Lust auf dieses Spielchen, Bakura." erkläre ich entschieden und bereue diesen Ausspruch auch schon gleich, denn in seinen Augen lodert es bereits auf. "Lust?" höre ich ihn sagen und schließe kurz die Augen, um mich zu konzentrieren. "Hm... worauf hast du denn Lust? Oder hat sich Katsuya bereits um diese Belange gekümmert?" Einen Moment starre ich ihn an, versuche seine Worte zu verarbeiten, ihren Sinn zu verstehen. Deutet er tatsächlich an, dass Wheeler und ich...? Zu meiner Schande verspüre ich, dass meine Wangen zu brennen beginnen und ich schlagartig wieder an den Moment denken muss als ich Wheeler´s Hand berührt habe. Bakura macht derweil noch einen Schritt auf mich zu und ich überlege mir eine passende Erwiderung, obwohl ich weiß, dass diese an der Situation gerade nichts wird ändern können. Gleichgültig was ich auch sage, Bakura wird unweigerlich kontern und zwar auf die ihm eigene, süffisante Weise. Ich erinnere mich an sein Gespräch mit Devlin und schaffe es tatsächlich ihn anzugrinsen. "Eifersüchtig?" frage ich und fasse es nicht, dass ich tatsächlich dieses Wort in den Mund nehme. Das ist doch absurd. Es gibt keinen Grund zur Eifersucht und überhaupt, es geht diesen verfluchten Dieb überhaupt nichts an was zwischen Wheeler und mir ist. "Sollte ich?" fragt er und ist im nächsten Moment auch schon bei mir. Ich funkele ihn eisig an und bemühe mich ungerührt zu bleiben ansgesichts seinem Vorhaben, mich wieder aus der Fassung bringen zu wollen. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern, erwidere jedoch nichts. Aber ich frage mich insgeheim, wie er auf diesen Unsinn kommt. Wie er überhaupt dazu kommt, mich zu küssen und jetzt auch noch anzudeuten... Meine Welt ist mehr aus den Fugen geraten als ich dachte. Und dieser Kerl ist noch verrückter als ich vermutet habe. Er geht langsam um mich herum, dann spüre ich, dass er seine Hand auf meine Schulter legt. Ich rühre mich nicht, drehe auch nicht den Kopf und verändere auch nicht meine Position. Seine Finger streifen über meine Schulter, wandern in meinen Nacken und ich fühle deutlich, dass er den Druck seiner Nägel erhört, doch der Stoff meines Rollis verhindert, dass ich mehr als ein kräftiges Streifen fühle. "Mein Leben ist ein Spiel geworden und ich kenne nur die neuen Regeln noch nicht." denke ich plötzlich und höre dann auch schon seine Stimme an meinem Ohr. Warmer Atem streift meine Haut und ein Schauder läuft mir über den Rücken. "Ich sagte doch bereits, dass wir beide viel Spaß haben könnten..." raunt er mir zu und werde dann auch schon ohne Vorwarnung von ihm gepackt. Er legt seine Hand auf meinen Hals und zieht meinen Kopf leicht nach Hinten. Ich brauche einen Moment, dann wirbele ich herum, packe ihn und drücke ihn gegen die Wand. Er sieht mich belustigt an. "Wie energisch..." stellt er fest und scheint mehr als vergnügt. Sein Mund ist meinem wieder bedrohlich nach, ich müsste mich nur etwas vorbeugen und seine Lippen würden meine berühren. Wie gestern als er mich plötzlich packte und seinen Mund auf meinen presste. "Nur zu." fordert er mich auf als könne er meine Gedanken lesen. Es wäre ein leichtes für ihn sich meinem Griff zu entziehen. Wir sind etwa gleichstark, wenn ich ihn richtig einschätze, aber er macht keinerlei Anstalten dazu das zu tun, sondern reckt sein Kinn nach vorne und sieht mich erwartungsvoll an. "Vielleicht lasse ich mich ausnahmsweise ja unterwerfen, Kaiba." meint er mit dieses diabolischen Lächeln und schlagartig fallen mir wieder die Worte ein, die er mir neulich an den Kopf geworfen hat. "Du brauchst den Schmerz, genau wie ich, Seto." "Tu es einfach. Lass dich gehen." Ich schlucke. Ein Teil von mir will es tatsächlich. Ich mustere Bakura einen Moment, der mich immer noch herausfordernd ansieht und das Gesicht des Weißhaarigen verschwimmt langsam vor mir und vor mir erscheinen trotzige braune Augen, die mich ebenso herauffordernd ansehen. Bakura scheint sich aufzulösen und statt seiner sehe ich plötzlich Wheeler vor mir. Kapitel 28: Bitteres Eingeständnis ---------------------------------- Hallo ihr Lieben, Merci mal wieder für eure tollen Kommentare und dass ihr so herrlich mitfiebert. Bakura scheint seine Sympathiepunkte ja langsam zu verspielen, was? Ich mag ihn trotzdem. :-) Aber keine Sorge, ich werde ihm deshalb Seto keinesfalls überlassen. Es ist und bleibt eine JoeyxSeto-FF (bevor noch irgendwelche Zweifel aufkommen!), die Beiden werden also definitiv zusammenfinden, auch wenn Bakura durchaus seine eigenen Interessen verfolgt. ^^ Btw. Ich denke ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass Bakura keineswegs der ultimative Bösewicht ist, der die Fäden zieht. Der Gute verfolgt zwar seine eigenen Interessen, aber nein... den Part übernimmt ein anderer. Viel Spaß weiterhin! "Wow! Stopp!" Ihre Stimme klingt so energisch, dass ich sie schlagartig loslasse und irritiert ansehe. Ihre blauen Augen mustern mich kritisch und ich glaube auch eine Spur von Ärger darin zu erkennen. "Was?" frage ich und klinge ungewohnt ungehalten. Im nächsten Moment beiße ich mir auch schon auf die Unterlippe. Lucy seufzt und rückt ein Stück von mir ab. "So sehr ich auch darauf stehe, es mit dir zu treiben, Joey, das gerade war selbst für deine Verhältnisse heftig. Du küsst mich als würdest du dich duellieren wollen." meint sie und schüttelt leicht den Kopf. "Was ist los mit dir?" Ich sehe sie schweigend an und denke über ihre Worte nach. Mein Erscheinen hat sie keineswegs überrascht und sie schien sogar mehr als angetan davon, mich zu sehen. Wieder haben wir keine Worte verloren. Ich habe die Tür geschlossen und sie direkt geküsst. Dann waren wir auch schon auf dem Sofa und ich bin nicht sicher was gerade los ist, geschweige denn wie ich ihre Aussage verstehen soll. Ihre Züge werden wieder weicher und sie lächelt leicht. "Raus mit der Sprache, wer ist die Kleine? Und wo ist das Problem?" fragt sie und ich verdrehe die Augen. "Ich sagte doch bereits, es gibt niemanden." erwidere ich genervt und greife nach meinen Zigaretten. Sie lacht. "Ja, klar." meint sie spöttisch. "Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass etwas nicht stimmt. Also, spuck es schon aus." fordert sie mich auf und ich zünde mir meine Zigarrette an, sage aber nichts. "Du bist verliebt." stellt sie im nächsten Moment auch schon nüchtern fest und angelt ebenfalls nach einer Zigarette. Ich werfe ihr einen scharfen Blick zu. "Quatsch." entgegne ich. Sie nimmt meinen Einwurf ungerührt zur Kenntnis. "Dann bist du eben einfach nur scharf auf sie." meint sie und inhaltiert tief. "Du hast jedenfalls gerade nicht an mich gedacht und bei wem auch immer du in Gedanken warst, die Kleine hat es dir ganz schön angetan. Also frage ich noch einmal: Wo ist das Problem? Und erzähl mir nicht, dass der Wheeler-Charme nicht funktionieren würde." Sie lächelt mich an und ich fahre mir mit fahrigen Fingern durch´s Haar. Ihre Augen fixieren mich und ich fühle mich ungehaglich. Verflucht, warum muss sie auch auf dem Thema herum reiten? Ich wollte einfach nur ein wenig Spaß mit ihr haben, keine tiefergehende Diskussion führen. "Joey?" drängt sie weiter nachdem ich nichts sage. Ich blase den Rauch aus und funkele sie an. "Ich bin nicht verliebt!" erkläre ich lauter als gewollt. "Und ich bin auch nicht scharf auf ihn!" Lucy starrt mich an und ich brauche einen Moment, um zu begreifen, was ich da gerade gesagt habe. Gott, wie konnte mir so etwas rausrutschen? Bin ich jetzt komplett übergeschnappt? Sie fängt sich als Erste wieder und grinst. "Ihn?" fragt sie und in ihren Augen blitzt es auf. "Das ist es also." Ich schüttele hektisch den Kopf. "Unsinn. Ich..." Ich breche ab und ziehe an meiner Zigarette. Was soll ich verdammt noch mal auch sagen nachdem mir so etwas rausgerutscht ist? Ich verstehe ja selbst nicht warum ich das gerade gesagt habe. Lucy legt mir die Hand auf die Schulter und seufzt. "Cool down, ist doch halb so wild." meint sie und ich werfe ihr einen spöttischen Blick zu. "Also ist es keine Kleine, sondern ein Kleiner, der es dir angetan hat. Gut, wo ist das Problem? Du wirst doch nicht auf einmal so prüde sein, dass du damit nicht umgehen kannst, oder?" Ich verdrehe leicht die Augen. "So ist das nicht!" versuche ich zu protestieren, ahne aber, dass es nichts bringen wird. "Ich stehe nicht auf irgendeinen Kerl." Wieder lacht sie. "Nein, du stehst auf einen bestimmten. Mensch, Joey, sag doch einfach was los ist." fordert sie mich auf. "Du kennst mich, ich bin die Letzte, die dich verurteilen würde." Sie zwinkert mir zu und ich stöhne auf. "Darum geht es gar nicht!" erwidere ich. "Und worum geht es dann? Ist er verheiratet?" will sie wissen und ich komme nicht umhin laut aufzulachen. "Er ist ein verdammter Misantroph." erwidere ich und bin erneut überrascht über das was ich da sage. Die Worte kommen ohne mein Zutun aus meinem Mund und fuck, ich räume damit tatsächlich ein, dass sie richtig liegt mit ihrer Unterstellung. Oh Mann. Hastig drücke ich die halbgerauchte Zigarette aus. "Es ist nicht so, dass ich auf ihn stehen würde! Er macht mich einfach wahnsinnig." versuche ich die Lage zu erklären und es ist sogar die Wahrheit was ich sage. Kaiba macht mich verrückt. Er schickt mich permanent in den falschen Film. In einem Moment könnte ich ihm den Hals umdrehen und im Nächsten... Ich weiß auch nicht. Lucy grinst. "Also doch verliebt." Wieder zwinkert sie und ich schüttele energisch den Kopf. "Nein, um Gottes Willen! Der Kerl ist die Pest. Ein wandelnder Eisklotz." sprudelt es aus mir raus und sie beäugt mich sichtlich interessiert. "Er ist... Die Sache ist kompliziert." Ich weiche ihrem Blick aus. "Ist es das nicht immer?" will sie wissen und lehnt sich ein wenig zurück. "Na komm, erzähl´s schon deiner Lucy. Wer ist der Typ?" Ich seufze. "Mein Erzfeind." entgegne ich mit einem schiefen grinsen. Schließlich ist es die Wahrheit. Sie sieht mich neugierig an. "Erzfeind... klingt nach Professor Moriarty. Und so was hast du in deinem zarten Alter schon? Cool. Wie kommt´s?" Sie zieht lässig an ihrer Zigarette und ich weiß, dass sie keine Ruhe geben wird ehe ich es ihr erzählt habe. Vielleicht sollte ich auch tatsächlich mit jemandem darüber reden. Mit Mokuba kann ich schlecht über dieses Thema sprechen und mit meinem Vater... Nach seinen Worten heute war ich doch nur noch mehr durcheinander. Ich nehme mir eine neue Zigarette und lehne mich ebenfalls zurück. "Also gut." meine ich resignierend und zünde mit die Zigarette an. Sie sieht erwartungsvoll zu mir rüber. "Wir sind in Japan in die gleiche Klasse gegangen." fange ich an. "Und man könnte sagen, es war Feindschaft auf den ersten Blick. Vom ersten Tag an haben wir uns gestritten. Und wie! Meine Freunde mussten damals mehrmals dazwischen gehen." Ich muss unwillkürlich daran denken, dass ich Tristan bei einer solchen Aktion einmal ein blaues Auge verpasst habe, dass eigentlich Kaiba gegolten hatte, nur weil er unbedingt dazwischen gehen musste. "Und warum? Ich meine, wieso konntet ihr euch nicht ausstehen?" will Lucy wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Keinen Plan." erwidere ich aufrichtig. "Es war einfach so. Wir mussten uns nur ansehen und... Ich weiß auch nicht. Der Kerl ist einfach... die Pest. So etwas arrogantes, selbstgefälliges hast du noch nie erlebt. Er hielt sich immer für etwas besseres und ließ keine Gelegenheit verstreichen, mir zu sagen, was für ein jämmerlicher Loser ich doch sei." Lucy sieht mich überrascht an. "Wieso? Ich meine, ich weiß, dass deine Zeit in Japan nicht leicht war, aber du bist alles andere als ein Loser, Joey." meint sie und ich lächele sie kurz an. "Naja, genau genommen war ich ein Loser." gestehe ich mit schiefem Grinsen. "Ich war ein echter Chaot. Hab mich geprügelt und... " Ich schüttele den Kopf. "Wie auch immer, wir konnten uns einfach nicht riechen." Sie nickt als würde sie verstehen was ich meine. "Und was ist jetzt mit dem Kerl? Das liegt doch schon lange zurück, oder?" fragt sie nach. Ich nicke. "Ja, eigentlich schon." stimme ich zu. "Er ist zur Zeit hier. In den Staaten." Wieder sieht sie mich verständnislos an. "Ihr habt euch also gesehen? Und das hat dich aus der Fassung gebracht?" Ich schüttele den Kopf. "Jein. Ja, wir haben uns gesehen. Die Sache ist wirklich kompliziert, Lucy. Der Kleine, Mokuba, den mein Vater zu uns geholt hat, ist sein Bruder." Jetzt scheine ich sie vollkommen überrascht zu haben. Sie richtet sich auf und sieht mich fragend an. "Das klingt echt mal strange." befindet sie und ich nicke. "Ja, ist es auch. Er steckt in Schwierigkeiten und deshalb haben wir Mokuba aufgenommen, aber das ist noch nicht alles. Jedenfalls haben wir uns gesehen und er hat sich kein Stück verändert. Er ist immer noch der gleiche Großkotz, dabei hat er überhaupt keinen Grund mehr so verdammt überheblich zu sein, aber ihn scheint das nicht zu jucken." Ich zucke mit den Schultern. "Aber dir geht es unter die Haut." stellt sie fest und lächelt mich wieder an. Ich seufze. "Ja, es regt mich auf. Und was noch schlimmer ist, er schafft es nach wie vor mich mit seiner Art zu provozieren, dabei bin ich eigentlich über diesen Level hinaus, aber sobald er etwas sagt, auf diese typische eisige Art, könnte ich..." Sie nickt. "Es ist als wäre alles wieder wie früher zwischen euch, oder?" fragt sie und ich nicke. "Ja, in gewisser Weise schon." stimme ich zu und sie mustert mich einen Moment nachdenklich. "Scheint als hättet ihr eine ungewöhnliche Verbindung." bemerkt sie nach einer Weile und wieder leuchtet es kurz in ihren Augen auf. "Der Typ lässt dich jedenfalls nicht kalt." Ich nicke. "Nein, kalt hat er mich noch nie gelassen. Ich muss ihn nur ansehen und habe das Gefühl, dass mein Blut zu kochen beginnt und wenn er den Mund aufmacht..." Ich breche mitten im Satz ab und stelle zu meiner Überraschung fest, dass ich schon wieder wild gestikuliere und gerade dabei bin einen unsichtbaren Kaiba zu erwürgen. Sie lacht plötzlich auf. "Wenn du mich fragst, Joey, dann hat er es dir echt angetan." sagt sie und grinst noch immer dabei. Einen Moment sehe ich sie sprachlos an. "Naja, was sich liebt, das neckt sich, so heißt es doch immer, oder?" Mein Mund klappt auf und wieder zu. Ich fasse es nicht. Dieses dämliche Sprichwort. Genau den Unsinn musste ich mir auch schon früher von Duke und Tea anhören. "UNSINN!" fahre ich sie an und sehe, dass sie leicht zusammenzuckt. "So ist das nicht. Er regt mich einfach nur auf, nichts weiter. Und..." "Ach ja? Und deshalb fällst du über mich her als würdest du mich umbringen wollen? Joey, ernsthaft, du hast eben an ihn gedacht. Genauso wie neulich als du hier warst. Wenn du dir was vormachen willst, ok, aber bei mir brauchst du es nicht zu versuchen. Keine Ahnung, was da genau zwischen euch läuft, aber der Typ lässt sich nicht kalt und du ärgerst dich auch nicht nur über ihn. Da ist mehr und wenn du ehrlich bist, dann weißt du das auch." unterbricht sie misch harsch und ich schlucke schwer. "Und ich vermute, diesem Kerl geht es ähnlich mit dir. Das alles klingt zumindest nach einem recht verkorksten Verhältnis, wenn ihr so aufeinander reagiert." Einige Sekunden bin ich nicht in der Lage mich zu rühren. Ich sehe sie einfach nur an und sie erwidert meinen Blick entschieden und ihr Tonfall gerade verheißt, dass sie keinen Widerspruch duldet. Alles in mir schreit, dass ich protestieren soll. Mir liegt bereits eine harsche Erwiderung auf der Zunge, aber aus irgendeinem Grund sage ich nichts, sehe sie einfach nur an und denke über ihre Worte nach. Hat sie vielleicht Recht? Ist es wirklich so? Und hat nicht auch mein Vater bereits Andeutungen in diese Richtung gemacht? Für einem Moment bin ich mehr als nur irritiert. Ich wende mich von ihr ab und habe das Gefühl, dass das Dach über mir zusammenbricht oder dass man mir den Boden unter den Füßen wegzieht. Ich spüre, wie mir schwindlig wird und fast automatisch sinke ich zurück in die Kissen hinter mir. Oh Mann. Das ist einfach... das kann nicht sein. Es ist zu verrückt. Und überhaupt. Nein, wir reden hier schließlich über Kaiba. Würde sie Kaiba kennen, dann würde sie so was nicht behaupten. "Na, Erkenntnis angekommen?" höre ich sie fragen und presse die Lippen fest aufeinander. "Sorry, Süßer, aber das Ganze ist doch wirklich offensichtlich und wenn du ehrlich bist, dann weißt du das auch." Ich schlucke. "Ich bin nicht schwul." sage ich schließlich und ahne, dass das ein letzter verzweifelter Versuch ist zu protestieren. Sie lacht. "Hab ich ja auch nicht behauptet." entgegnet sie und ich sehe sie fragend an. "Aber du unterstellt mir, dass ich auf einen Mann stehen würde." entgegne ich und sie seufzt. "Herrje, schwul, lesbisch, bi... das ist doch reines Schubladendenken, nichts weiter. Man verliebt sich doch nicht in ein Geschlecht, sondern in einen Menschen, oder?" meint sie und ich sehe sie verdutzt an. "Ich war auch schon in ein Mädchen verliebt." erzählt sie mir dann und grinst als sie meinen erstaunten Blick sieht. "Ja, und ich hatte viel Spaß mit ihr. Genau wie mit dir." Sie wirft den Kopf in den Nacken und schüttelt ihr Haar zurück. "So was ist kein Drama, Joey. Gut, die Gesellschaft ist in dem Punkt wirklich noch immer engstirnig, bei Männern noch mehr als bei Frauen, aber mal ehrlich, hat dich je gejuckt, was man über dich denkt?" redet sie weiter und ich fasse es nicht, dass ich tatsächlich dieses Gespräch führe. Das ist doch mehr als absurd. Ich rede hier allen Ernstes mit meiner Exfreundin über meinen Erzfeind, in den ich ihrer Meinung nach verliebt bin, was besagen würde, dass ich schwul oder zumindest bi wäre. Wenn das nicht krass ist, weiß ich es auch nicht. Und mit einem Mal muss ich wieder an diesen verfluchten Eisklotz denken, an sein Gesicht als Mokuba "krass" gesagt hat. "Du wirst ja rot." höre ich Lucy sagen. "Wie süß." Ich werfe ihr einen säuerlichen Blick zu. "Jetzt wirst du echt beleidigend." knurre ich und sie grinst. "Du bist aber süß, Joey." bemerkt sie und streichelt mir sanft über den Kopf. "Und jetzt erzähl mir von dem Kerl. Wie sieht er aus? Was macht er so? Und vor allem - was gedenkst du jetzt zu tun?" Sie zwinkert wieder und ich verdrehe in bester Kaiba-Manier die Augen, aber ihr scheint es damit wirklich ernst. Sie sieht mich erwartungsvoll an. Ich seufze und schüttele leicht den Kopf. Was soll ich auch sagen? Dass er aussieht wie sie in männlich? Nein, das bringe ich wirklich nicht. Dann wird sie entweder sauer und tickt aus oder aber sie grinst mich triumphierend an. Beides verkrafte ich augenblicklich nicht. Ich weiß überhaupt nicht wie ich mit dem Ganzen hier umgehen soll. Geschweige denn wie ich Kaiba morgen unter die Augen treten kann. "Augenblicklich..." Ich denke kurz nach, dann grinse ich sie schief an. "Ist er auf der Flucht, zusammen mit einem Psychopathen und einem Kleinkriminellen und scheint darauf aus zu sein, biblische Vergeltung zu üben." Meine Worte klingen so absurd, dass ich selbst darüber lachen muss, dabei ist es im Grunde die Wahrheit, aber es hört sich einfach verrückt an. Gut, ich rede ja auch über Kaiba und irgendwie konnte ich mir diesen Kommentar auch nicht verkneifen. Wie ich befriedigt feststelle ist sie sprachlos. Danke, genau das wollte ich erreichen. Wenigstens ein kleiner Triumph für Joey Wheeler an diesem ansonsten beschämenden Abend. "Ja, klar. Sehr witzig. Ich lache später, ok?" meint sie nachdem sie ihre Sprache wieder gefunden hat und schlägt mich mit einem der Kissen. Ich nehme es ihr aus der Hand und grinse erneut. "Das war kein Scherz. Es ist die Wahrheit." erwidere ich lässig und sie starrt mich an. Einen Moment mustert sie mich argwöhnisch, dann fragt sie: "Wer zur Hölle ist dieser Kerl?" Ich lache. "Seto Kaiba." antworte ich schließlich und bin nicht sicher ob der Name ihr etwas sagt. Doch zu meiner Überraschung scheint sie zu wissen von wem ich rede. "WAS?" Ich nicke nur. "Joey, ist das dein Ernst? Du meinst DEN Seto Kaiba?" will sie wissen. Ich nicke erneut. "Der Chef dieser Spielefirma? Der Kerl, der gerade..." Sie bricht ab und starrt mich wieder entgeistert an. Ich nicke langsam. "Genau der." Sie lässt sich zurück in die Kissen sinken und legt ihre Hand auf die Stirn. "Oh Mann." höre ich sie sagen. "Also, das ist echt mal krass, Joey." Ihre Stimme klingt fassungslos und ich kann es ihr nicht verdenken. Ich hätte zwar nicht gedacht, dass sie ihn kennen würde, Lucy erschien mir bislang nicht der Typ zu sein, der sich für so etwas interessiert, aber allem Anschein nach ist sie im Bilde. "Dann ist er HIER?" fragt sie im nächsten Moment auch schon. Ich nicke nur. "Und der Kleine ist sein Bruder?" will sie weiter wissen. "Ich sagte doch, die Sache ist kompliziert." meine ich ruhig und sie lacht spitz auf. "Kompliziert ist leicht untertrieben." erwidert sie. Ich seufze. "Naja, ich habe schon schlimmeres erlebt." sage ich und sie sieht mich skeptisch an. Ich schüttele leicht den Kopf, um ihr anzuzeigen, dass ich nicht daran denke, noch mehr dazu zu sagen. Wenn ich ihr von Dartz, dem Schattenreich und all dem anderen Zeugs erzähle, würde sie mich sicher einweisen lassen. Dagegen ist ein schnöder Mord ja fast schon alltäglich. Besonders in New York. "Und was macht er jetzt? Ich meine, er wird doch gesucht? Taucht er hier unter?" Sie scheint Feuer und Flamme für das Thema und obwohl ich weiß, dass ich ihr ruhig davon erzählen kann ohne befürchten zu müssen, dass sie zur Polizei geht, habe ich keine Lust, Kaiba´s Pläne mit ihr zu erörtern. Zumal ich die ja ohnehin nicht wirklich kenne. Daher zucke ich nur mit den Schultern. "Also ich muss schon sagen, Joey... die Nummer ist ja wohl echt krass." Sie lacht wieder und ich verziehe leicht den Mund. "Aber hey, du hast Geschmack. Der Kerl ist rattenscharf." verkündet sie im nächsten Moment auch schon und ich muss unwillkürlich wieder an Kaiba´s Fangirlies denken. Toll, also ist sie auch eins davon. Ihrem Blick gerade nach zu urteilen, scheint es zumindest so. Sie bemerkt, dass ich sie ansehe und lächelt. "Ist doch so!" verteidigt sie sich ohne, dass ich etwas gesagt habe. "Der Kerl ist heiß." Ich seufze resignierend. Dagegen etwas anzuführen ist ohnehin nicht möglich. Sie hat schließlich Recht. Oh Mann, so weit ist es also schon gekommen. Ich räume ein, dass Kaiba heiß ist. Warum erschießt mich keiner, mein Leben hat jetzt ohnehin keinen Sinn mehr. "Hat er jemanden?" höre ich sie fragen. Ich zucke mit den Schultern. Laut Mokuba gibt es niemanden und der Kleine muss es wissen. Er hat erzählt, dass Kaiba zwar zu Empfängen hin und wieder in Begleitung gehen würde, irgendwelche Models oder was weiß ich, Mokuba schien jedenfalls nicht sonderlich angetan von diesen Damen, aber ansonsten gäbe es niemanden in seinem Leben. Was ich auch auf Anhieb geglaubt habe. Ich meine, Kaiba und eine feste Freundin oder irgendeine Art von Beziehung. Nein, das ist einfach unmöglich. Der Kerl taugt überhaupt nichts für zwischenmenschliche Interaktionen. "Na, wenn er niemanden hat, dann stehen deine Chancen doch nicht schlecht." Lucy grinst und begutachtet mich einen Moment auf eine Art und Weise, die mir nicht so ganz behagt. "Ihr wärt ein hübsches Paar." meint sie plötzlich und ich spüre, dass meine Wangen zu brennen anfangen. "Ja, wirklich hübsch." sagte sie und legt den Kopf leicht schief. "Aber ich wage zu behaupten, dass du in der Beziehung den weiblichen Part übernehmen müsstest, Joey." Sie zwinkert mir zu und wenn ich dachte, dass es nicht schlimmer hätte kommen können, tja, weitgefehlt. Der Tiefpunkt ist damit erreicht. Kapitel 29: Quälende Fragen --------------------------- Noch immer halte ich ihn fest. Meine Hand liegt um seinen Hals und er sieht mich herausfordernd an. Er wartet. Wartet darauf, dass ich handele. Etwas tue. Er reckt mir sein Gesicht entgegen und ich bin unschlüssig was ich tun soll. Ein Teil von mir will zudrücken. Es wäre so leicht. Ein anderer Teil... Mein Blick hängt an seinen Lippen. Ich schlucke unwillkürlich. Da ist es wieder, dieses Prickeln. Genau wie in dem Moment als ich seine Hand berührt habe. Es breitet sich mehr und mehr in meinem Körper aus und ich kann nichts dagegen tun. Langsam beuge ich mich vor. Mein Herz hämmert hart gegen meinen Brustkorb. Wie es wohl wäre, wenn ich seine Lippen berühren würde? Würde es genauso prickeln wie bei der flüchtigen Berührung seiner Hand? "Na los, tu es schon." fordert er mich auf und ich sehe wie es in seinen Augen kurz aufblitzt. Sein Tonfall ist spöttisch und leicht amüsiert, doch er reißt mich unwillkürlich zurück in die Wirklichkeit. Joey Wheeler löst sich in Luft auf und vor mir steht wieder Bakura. Ich brauche einen Moment, um zu verstehen was gerade geschehen ist und umzu realisieren, dass ich mir gerade nicht nur Wheeler vorgestellt habe, sondern auch noch kurz davor war, diese Erscheinung zu... Ich löse meinen Griff um Bakura´s Hals und trete einen Schritt zurück. Für einen Moment scheint er irritiert, zumindest sagt er nichts, aber ich sehe ihn auch nicht wirklich an. Vielmehr sehe ich durch ihn hindurch und es bedarf ein paar Sekunden bis ich mich wieder gefasst habe. "Ich weiß nicht was du damit zu bezwecken versuchst, mich zu provozieren, Bakura, aber ich rate dir, damit aufzuhören, sonst werden sich unsere Wege hier trennen." erkläre ich mit eisiger Stimme und schaffe es auch endlich ihm in die Augen zu sehen. Vor ein paar Minuten waren es noch Wheeler´s Augen. Verdammt, ich brauche Schlaf. Wie lange bin ich inzwischen auf den Beinen? Scheinbar versteht er, dass es mir ernst ist, denn er erwidert nichts. Ich lasse meinen Blick noch einen Moment auf ihm ruhen, dann wende ich mich um und überlege kurz, was nun zu tun ist. Alister scheint noch keine weiteren Informationen zu haben, sonst wäre er sicher schon hier. Mit Roland habe ich gesprochen und in der Hinsicht ist alles erledigt. Vorerst. Ich kann mir also ein paar Stunden Schlaf erlauben. Ich habe ihn scheinbar auch mehr als nötig. "Ich werde mich jetzt hinlegen." erkläre ich ruhig. "Und ich würde es begrüßen, wenn du mich allein lassen würdest." Ich höre, dass er sich bewegt und einen Moment später steht er auch schon wieder neben mir. Es kostet mich Kraft ihn anzusehen, schließlich hätte ich ihn gerade fast... Aber verdammt, er wollte es. Er hat es heraufgefordert und ich verstehe nicht warum. Nein, ich verstehe nicht einmal warum er mich im Badezimmer geküsst hat, doch ich will es auch nicht verstehen. Augenblicklich will ich einfach nur alleine sein. Er mustert mich einen Augenblick und seine Miene ist ungewohnt ernst. "Nun gut." meint er schließlich lässig. "Dann vertagen wir das auf später, Kaiba." Jetzt huscht ein leichtes Grinsen über sein Gesicht und ich spüre, wie erneut Wut in mir auflodert. Wut über diese Dreistigkeit, auf dieses Spiel von ihm, dass ich nicht verstehe und das mir keineswegs behagt. Ich werfe ihm einen eisigen Seitenblick zu und das Grinsen wird schlagartig breiter. "Du bist wirklich eine Herausforderung, mein lieber Seto." sagt er und wendet sich ab ehe ich etwas erwidern kann. Ich bin allerdings erleichtert als er sich Richtung Tür bewegt. "Schlaf gut, mein Süßer." Er besitzt tatsächlich die Frechheit mir zu zu zwinkern und ich verdrehe die Augen. Eine scharfe Zurechtweisung liegt mir auf den Lippen, aber die Tür fällt ins Schloss ohne, dass ich etwas erwidere. Er würde ohnehin nur lächeln. Dieser verfluchte Dieb. Aus dem Kerl soll mal einer schlau werden. Hat er tatsächlich versucht mich anzumachen? Ich schüttele energisch den Kopf, um diesen Gedanken abzuschütteln und gehe zu dem schmalen Bett. Einen Moment überlege ich ob ich die Tür abschließen soll, aber da ich Bakura´s Fähigkeiten auf dem Gebiet kenne, wäre es reine Zeitverschwendung. Ich setze mich auf das Bett, ziehe meine Schuhe aus und lege mein Handy auf den Nachttisch nachdem ich die Alarmfunktion eingestellt habe. Drei Stunden müssten reichen, wenn ich überhaupt zu schlafen vermag. Falls der Rothaarige etwas wichtiges herausfinden sollte, werden die Beiden mich sicher wecken. Ich lege mich hin, lösche das Licht und spüre auch schon wie die Müdigkeit mich einzuhüllen beginnt. Dennoch wandern meine Gedanken noch einmal zu der absonderlichen Situation gerade. Abgesehen davon, dass es vollkommen aberwitzig ist, dass Bakura mich in solch eine Lage zu bringen vermag, noch absonderlicher ist es, dass ich von Wheeler halluziniere. Es muss tatsächlich am Schlafmangel liegen, dass es soweit gekommen ist. "Wem machst du eigentlich etwas vor? Schlafmangel ist dir mehr als vertraut, mein Lieber. Gib doch einfach zu, dass der Kleine dich beschäftigt. Mehr als dir lieb ist, nicht wahr?" bemerkt eine Stimme in meinem Hinterkopf und ich rolle mich zur Seite. Selbst wenn er mich beschäftigt, das lässt sich logisch erklären. Ich habe ihn Jahre nicht gesehen und treffe nun vollkommen unerwartet auf ihn. Das allein würde genügen, um zu erklären, warum ich über ihn nachdenke. Zudem habe ich den ganzen Tag mit ihm und Mokuba verbracht. Auch das spricht dafür, dass ich... Aber, ja, wem mache ich hier etwas vor? Ich habe mich von Bakura überrumpeln lassen. Im Grunde schon Schmach genug für einen Seto Kaiba. Doch damit nicht genug. Der Dieb konnte mich erneut provozieren und auch wenn ich seine Beweggründe eigentlich nicht wissen will, interessiert es mich doch, warum er mich geküsst hat und mich dazu bringen wollte, ihn zu küssen. Nun gut, was es auch sei. Ich könnte mir irgendwie vielleicht sogar noch erklären, was diese Aktionen sollten, aber was ich mir nicht zu erklären vermag ist, dass ich ihn fast geküsst hätte! Ja, ihn sogar küssen wollte für einen Moment. "Genau genommen wolltest du nicht Bakura küssen, Seto." erinnert mich diese spitze Stimme und ich rolle mich auf die andere Seite. DAS vermag ich mir nun wirklich nicht zu erklären. Ich verstehe weder warum aus Bakura für einen Moment Wheeler wurde, noch warum ich den Wunsch hatte diesen Köter zu küssen. Und verflucht, ich hatte den Wunsch. Um ein Haar hätte ich es sogar getan. Ein Glück, dass sich die Erscheinung wieder aufgelöst hat. Am Ende hätte Bakura noch gedacht, dass ich auf seine Spielchen anspringen würde und ich kann mir das Grinsen des Weißhaarigen nur zu gut vorstellen. Ich sehe es direkt vor mir. Warum zum Teufel sollte ich Wheeler küssen wollen? Wütend knülle ich das Kissen zusammen und drehe mich auf den Rücken. Mein Leben entgleitet mir immer mehr. Daran besteht kein Zweifel. Wenn das so weiter geht, dann werde ich sicher noch den Verstand verlieren. Ich zwinge mich die Augen wieder zu schließen und bemühe mich abzuschalten, an nichts zu denken. Für einen Moment zähle ich sogar Schafe. Ich spüre wie sich mein Körper langsam entspannt und auch meine Gedanken mehr und mehr abdriften. Bakura verschwindet aus meinem Kopf, Wheeler ebenso und dann sehe ich für einen Moment Mokuba vor mir. Von weitem dringt eine Meldodie zu mir durch und ich brauche einen Moment bis mir klar wird, dass der Alarm geht. Ich taste nach dem Hände auf dem Nachttisch neben mir und drücke blind einen Knopf, um das gräßliche Gesumme zum Schweigen zu bringen. Dann rolle ich mich wieder zur Seite und starre im Dunkeln an die Wand. Meine Kopfschmerzen sind weg, wie ich zufrieden feststelle, aber meine Glieder fühlen sich noch immer etwas taub an. Einen Moment liege ich regungslos da und wünschte, ich könnte jetzt aufstehen, mit Mokuba frühstücken und dann ganz normal in die Firma fahren. Doch ich bin nicht zuhause. Mokuba ist nicht hier und die Firma... Ich seufze und verdränge den Gedanken. Ich will nicht an die Kaiba Coporation denken. Es führt ohnehin zu nichts. Die Firma gehört mir nicht mehr, alles was ich mir erarbeitet habe, hat sich in Rauch aufgelöst. Wäre Mokuba bei mir, alles wäre halb so schlimm. Doch alleine... Ich spüre wie sich alles in mir zusammenzieht. Wie oft bin ich morgens aufgewacht, wie ein Roboter aus dem Bett gestiegen und habe mich auf den Tag vorbereitet? Wie oft habe ich mit Mokuba am Tisch gesessen, Zeitung gelesen während er mir irgendwas erzählte und ich nur mit halbem Ohr zugehört habe ehe er sich von mir verabschiedete und ich mich zur Limousine begab, um in die Firma zu fahren? Wieviele Meetings habe ich hinter mich gebracht neben den langweiligen Schulstunden ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es jemals anders sein würde? Gardner hatte Recht. Zeitweise war ich wohl tatsächlich wie eine meiner Maschinen. Ich habe präzise funktioniert. In meinem System gab es keine Fehler. Genauso wenig wie in meinem Tagesablauf. Alles war durchstrukturiert, ging mir routiniert von der Hand - Schule, Arbeit... sogar der Umgang mit Mokuba. Unwillkürlich muss ich an sein Zimmer denken. Das Zimmer, das Wheeler ihm eingerichtet hat. Wann war ich zum letzten Mal in seinem Zimmer in der Villa? Ich kann mich nicht einmal mehr an die Tapete erinnern. Es muss Ewigkeiten her sein, dass ich dort war. Im Grunde haben wir uns nur noch zwischen Küche, Salon und Arbeitszimmer gesehen und er hat sich nie beklagt. Nicht einmal hat er mir vorgeworfen, dass ich keine Zeit für ihn habe. Dabei habe ich ihn vernachlässigt, gleichgültig was Roland auch sagt. Er mag es verstanden haben, aber das ändert nichts daran, dass ich mir keine Zeit für ihn genommen habe. Ich habe es als gegeben vorausgesetzt, dass er weiß, wie wichtig meine Arbeit ist und nie danach gefragt, wie es ihm geht. Dabei war es doch mein Bestreben, ihn glücklich zu machen. Allein dafür habe ich alles auf mich genommen, diese Firma überhaupt aufgebaut. Damit niemand mehr über uns bestimmen kann und wir zusammen sein können. Mokuba sollte es nie an etwas fehlen. Und es hat ihm auch an nichts gefehlt. An nichts, außer an seinem großen Bruder. Die Erkenntnis trifft mich hart und ich schlucke schwer. Im Grunde war ich mir dessen die ganze Zeit bewusst, doch ich habe es zu verdrängen versucht. Wieder und wieder habe ich mich vor mir selbst gerechtfertigt, mir gesagt, dass es nur vorübergehend ist und ich irgendwann zur Ruhe kommen werde, aber insgeheim wusste ich, dass ich mich selbst damit belog. Gestern war Mokuba glücklich. Trotz der ganzen Lage, in der er sich befindet. Er war glücklich. Ich konnte es ihm ansehen. Er hatte Spaß, genau wie früher im Waisenhaus als es nur uns gab, niemanden sonst. Ja, gestern war er glücklich. Das Zusammensein mit Wheeler schien ihm zu gefallen. Die Beiden lachten viel zusammen. Überhaupt schienen sie sich gut zu verstehen. Und wieder wandern meine Gedanken zu Wheeler. Egal wie sehr ich es auch versuche, ich kann ihn nicht aus meinem Kopf verbannen, er scheint allgegenwärtig präsent und nun ist er auch mit meinen Gedanken an meinen Bruder verwoben. Ich seufze laut, dann gebe ich mir einen Ruck und stehe auf. Ich knipse das Licht neben meinem Bett an und stehe einen Moment unschlüssig da. Es ist noch früh am morgen. Alister und Bakura werden sicher noch schlafen. Gut, ich habe augenblicklich auch keine Lust auf ein Zusammensein mit dem Weißhaarigen. Ich überlege kurz, was ich tun soll. Normalerweise würde ich mir meinen Laptop nehmen und meine Nachrichten abrufen, die Börsenentwicklung verfolgen und... Ich schüttele den Kopf. Unsinnig darüber nachzudenken oder den alten Zeiten nachzuhängen. Es ist wie es ist. Augenblicklich sind solche Unternehmungen nicht notwendig. Dennoch ist mir seltsam zumute. Es ist das erste Mal seit Tagen, dass ich wieder ganz alleine bin. Die letzten Tage war ich fast ununterbrochen mit Bakura und Alister zusammen und auch wenn ich nichts gegen das Alleinsein habe, augenblicklich empfinde ich es als beklemmend. Es gibt mir zuviel Raum, um nachzudenken. Wie gerne würde ich meine Gedanken auf etwas produktives richten, doch momentan fällt mir nicht ein was das sein könnte. Solange ich keinen Anhaltspunkt habe, kann ich keine Strategie entwickeln. Es ist befremdlich, dass ich mich in einer solchen Situation wiederfinden muss. Ich hatte in den letzten Jahren immer etwas zu tun. Es gab unzählige Aufgaben zu bewältigen, Entscheidungen zu treffen und jetzt sitze ich in einem drittklassigen Hotel und das Einzige worüber ich nachdenke sind Bakura, Wheeler und Mokuba. Und jeder Gedanke an einen der Drei zwingt mich zwangsläufig über mich selbst nachzudenken. Und ich hasse es, über mich nachdenken zu müssen. Wie gerne würde ich die Frage ausblenden, warum ich den Wunsch hatte Wheeler zu küssen oder warum Bakura diese Wirkung auf mich hat. Ich will mich auch nicht fragen, ob ich Mokuba ein guter Bruder gewesen bin. Zum Teufel, noch weniger will ich wissen ob er vielleicht bei Wheeler glücklicher ist als er es mit mir in den letzten Jahren war. Über all das will ich nicht nachdenken und ich wünschte, ich könnte damit aufhören, mir diese Fragen zustellen, aber nein. Ein Entkommen scheint unmöglich. Ungewohnt langsam für meine Verhältnisse setze ich mich in Bewegung und gehe ins Bad. Ich vermeide es in den Spiegel zu sehen, klatsche mir einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht und putze wie ferngesteuert meine Zähne. "Ich hab dir Kaffee mitgebracht." Aus irgendeinem Grund bin ich nicht wirklich überrascht, Bakura zu sehen als ich zurück ins Zimmer komme. Ja, ein Teil von mir ist sogar froh, dass er da ist, auch wenn ich mich in seiner Gegenwart mehr als unbehaglich fühle zur Zeit. Ich nicke und mustere den Pappbecher, den er auf den Tisch gestellt hat. "Und hier ist eine Kleinigkeit zu essen. Ein typisches amerikanisches Sandwich wie man mir gesagt hat." meint er und lässt sich auch schon in dem Sessel nieder auf dem er seit wir hier sind so gerne rumzulümmeln scheint. Ich zögere kurz, dann setze ich mich zu ihm und greife zu dem Pappbecher. Er wirkt als wäre nichts passiert. Als hätte die Szene vor ein paar Stunden nicht stattgefunden und auch wenn mich das etwas irritiert, so soll es mir doch recht sein. Ich habe kein Bedürfnis, unsere Unterhaltung von eben wieder aufzunehmen. Er schiebt mir demonstrativ das Päckchen hin, das zweifelsohne dieses Sandwich enthält und sieht mich auffordernd an. "Iss es." sagt er mit ruhigem Tonfall. "Du hast seit Tagen nichts gegessen. Es wird nicht schmecken, aber es ist besser als nichts." Obgleich ich es hasse, wenn man versucht mir Befehle zu erteilen, weiß ich, dass er Recht hat. Ich muss endlich etwas essen. Widerwillig packe ich besagtes Objekt aus und mustere kurz das helle Brötchen. Ja, es wird definitiv nicht schmecken, aber das ist auch egal. Ich bezweifle, dass mir augenblicklich überhaupt etwas munden würde. Er beobachtet mich während ich den ersten Bissen nehme und lächelt mich dann auch schon zufrieden an. "Nun zum Wesentlichen." meint er. "Es gibt Neuigkeiten." Ich nicke und schlinge den Bissen herunter. Meine Kehle fühlt sich schmerzhaft trocken an. Erwartungsvoll sehe ich mein Gegenüber an und seine Miene ist wieder einmal verschlossen und verrät nichts. "Alister hat sich Pegasus Konten einmal näher angesehen und wir sind auf einen recht ansehnlichen Geldbetrag gestossen, den der gute Pegasus von besagter Firma bekommen hat." erzählt er mir in ruhigem Plauderton. " Also haben wir uns die Firma mal näher angesehen. Es handelt sich dabei um eine Briefkastenfirma. Sie existiert nur auf dem Papier." Ich nippe an meinem Kaffee und warte. Falls das seine Neuigkeiten sind, dann sind sie mehr als dürftig, aber Bakura sieht aus als hätte er noch mehr zu sagen. "Ich denke, ich erspare dir die Einzelheiten der Recherche, zumal ich ohnehin nicht wirklich sagen könnte, wie Alister das alles herausbekommen hat." fährt er auch schon fort. "Jedenfalls stieß er bei weiteren Nachforschungen auf einen alten Bekannten von dir." Der Weißhaarige schenkt mir ein vielsagendes Grinsen und ich ziehe automatisch die rechte Braue nach oben. "Komm zur Sache." sage ich und er grinst. "Siegfried von Schröder." verkündet er mit breitem Grinsen und beobachtete mich genau. Ich stelle meinen Pappbecher ab und runzele die Stirn. "Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass dieser rosahaarige Möchtegern-Entwickler hinter diesem Vorhaben steckt?" frage ich mit tonloser Stimme. Bakura zuckt mit den Schultern. "Er steckt jedenfalls hinter dieser Firma." erwidert er gelassen. "Hm." Ich denke kurz nach. Meine letzte Begegnung mit Siegfried liegt eine Weile zurück. Mit Muto´s Hilfe war es mir damals gelungen, seinen absurden Versuch, die Kaiba Corporation in den Ruin zu treiben, zu vereiteln. So gesehen ist er durchaus eine Person, die Grund hat sich mit mir anzulegen, aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Snob tatsächlich in der Lage sein sollte, solch ein Vorhaben auszuklügeln. Nein, soviel Köpfchen besitzt er nicht. "Und Alister ist sich sicher?" frage ich nach. Bakura nickt. "Hundertprozentig." entgegnet er und ich nicke. "Aber das ist noch nicht alles..." fängt der Weißhaarige von neuem an. "Ein paar merkwürdige Vögel waren bei Duke." Meine Augen weiten sich. Bakura nickt. "Keine Sorge, ihm geht es gut." erwidert er mit einem süffisanten Grinsen. "Sie haben lediglich ein paar Fragen gestellt. Scheinbar haben sie unsere Spur bis Tokio verfolgen können. Duke meinte, das diese Typen mehr als zwielichtig waren und da er eine Menge zwielichtiger Leute kennt, einschließlich meiner Wenigkeit, will das schon was heißen." "Was hat Devlin ihnen gesagt?" will ich wissen. "Nichts." erwidert er sofort. "Denkst du Duke ist bescheuert? Er hat den Typen klar gemacht, dass sie sich vom Acker machen sollen." Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. "Duke weiß sehr gut, wie man mit solchen Typen umgeht. Zudem hat er einen sehr effektiven Rausschmeißer." Er zwinkert mir zu und ich verdrehe die Augen. Bakura lacht kurz auf, wird allerdings auch schlagartig wieder ernst. "Duke meinte, die Typen wären nicht zu unterschätzen. Er geht davon aus, dass sie Profis waren." "Also ist Siegfried der nächste Anhaltspunkt." überlege ich laut. Bakura nickt. "Scheint so." bestätigt er meine Überlegung. "Weißt du wo der Kerl sich aufhält?" Ich nicke. "So weit ich unterrichtet bin in Deutschland." erwidere ich und er lächelt mich an. "Sehr schön. Deutschland. Da war ich bislang noch nicht. Weißwürste und Bier. Bin gespannt ob das Zeug wirklich so gut ist, wie immer behauptet wird." meint er sichtlich vergnügt und ich verdrehe erneut die Augen. "Wenn du sonst keine Sorgen hast." murmele ich und überlege mir meine nächsten Schritte. Es ist wohl Notwendig Siegfried einen Besuch abzustatten. Immerhin muss er irgendwie seine Finger im Spiel haben. "Was ist mit Mokuba?" will er plötzlich wissen. "Wirst du ihn jetzt mitnehmen oder bleibt er bei Wheeler?" Ich seufze. "Wheeler und Mokuba kommen nachher vorbei." erwidere ich, ohne auf seine Frage einzugehen. Einen Moment habe ich den Eindruck, dass er überrascht ist, aber er sagt nichts dazu. Stattdessen steckt er sich eine Zigarette in den Mund und fixiert mich. Eine Weile sitzt er einfach nur schweigend da und sagt nichts während ich nachdenke. Siegfried´s Scheinfirma hat Pegasus dafür bezahlt, dass er versucht meine Firma zu übernehmen. Soweit sogut. Nicht ungedingt das was ich erwartet hatte, aber auch keinesfalls so abwegig. Dennoch ist es mir schleierhaft wie auch nur einer von Beiden Wind von meiner Erfindung bekommen konnte. Niemand wusste davon, nicht einmal Mokuba und einen Verräter in der Firma kann ich ausschließen. Stellt sich die Frage, wie sie es in Erfahung gebracht haben, schließlich ging es ausschließlich darum. Ein Punkt, der für Siegfried als Täter spricht. Aber er passt einfach nicht ins Bild. Zugegeben, der Rosahaarige ist sicher auf gewisse Weise verrückt, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich solch einen Plan ausdenken könnte. Gewiss, gemeinsam mit Pegasus... Aber welchen Grund sollte er dann haben, diesen ermorden zu lassen? Nein, irgendetwas passt nicht ins Bild. Es fehlen eindeutig noch zuviele Puzzelteilchen. Verdammt. "Um auf unser kleines Intermezzo von vorhin zurückzukommen, Kaiba." höre ich Bakura sagen und werfe ihm einen warnenden Blick zu, den er geflissentlich ignoriert. "Ich persönlich würde lieber etwas bereuen, was ich getan habe, als etwas aus Angst nicht zu tun." meint er und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. "Wenn du verstehst, was ich meine." Ich bin nicht sicher ob ich ihn verstehe. Ich bin nicht einmal sicher ob ich ihn verstehen will, aber wie ich Bakura kenne, wird er ohnehin nicht locker lassen und wahrscheinlich ist es auch das Beste, dieses leidige Thema endlich zu klären. Dann kann ich wenigstens einen Punkt auf meiner Liste abhaken. Einen Moment überlege ich mir was ich am Besten erwidere, dann sehe ich ihm direkt in die Augen und versuche meine Stimme ruhig und nüchtern klingen zu lassen. "Karten auf den Tisch, was willst du von mir? Und komm mir jetzt nicht mit einen deiner nichtssagenden Kommentare. Lass uns Klartext reden." fordere ich ihn auf und rechne schon fast mit dem obligatorischen Grinsen, aber dieses Mal bleibt seine Miene ernst. Ja, er scheint sogar zu überlegen was er erwidern soll. Zumindest lässt er sich mit seiner Antwort Zeit. Dann legt er den Kopf schief und beäugt mich mit seltsam funkelnden Augen. "Was, wenn ich sagen würde, dass ich ein gewisses Interesse an dir hege, Kaiba?" sagt er schließlich und die Tatsache, dass sein Tonfall ernst ist, irrtiert mich für einen Moment. "Dann müsste ich dich fragen, wie du es kommt, dass du plötzlich ein solches Interesse an mir entwickelt hast." entgegen ich betont gleichgültig und versuche das merkwürdige Gefühl, dass in mir aufsteigt zu ignorieren. "Du scheinst dich mit diesen Dingen nicht sonderlich gut auszukennen, was?" bemerkt er und seufzt. "Nun, ich habe nichts anderes erwartet." Ich erwidere nichts, halte aber seinem Blick stand. Und dann stellt er eine Frage, die mich doch noch aus der Fassung bringt. "Wenn ich Wheeler wäre, würdest du es verstehen, oder?" Kapitel 30: Tempogewinn ----------------------- "Sag mal, Joey, kommt es dir nicht auch komisch vor, dass Seto... naja, dass er mit Bakura zusammenarbeitet?" Ich werfe Mokuba einen erstaunten Blick zu. Die Frage überrascht mich zwar nicht wirklich, immerhin habe ich sie mir selbst schon zur Genüge gestellt und Kaiba´s Aussage, er habe Bakura einen Auftrag erteilt, hat mich auch nicht wirklich zufrieden gestellt, aber der Unterton, der mitschwingt, irritiert mich ein wenig. "Naja, komisch ist vielleicht das falsche Wort." erwidere ich vorsichtig. "Dein Bruder scheint jedenfalls seine Gründe zu haben, warum er Bakura in die Sache miteinbezieht." Mokuba nickt. "Ja, sicher. Seto muss einen Grund haben. Trotzdem... ausgerechnet Bakura..." Er schüttelt leicht den Kopf und ich verstehe nur zu gut was er meint. "Dein Bruder weiß schon was er tut." versuche ich seine Bedenken zu zerstreuen und lächele ihn an. Der Kleine betrachtet mich einen Moment nachdenklich. Dann nickt er, scheint aber nicht wirklich beruhigt. Seine nächste Äußerung bestätigt diesen Eindruck. "Weißt du, ich verstehe ihn manchmal nicht." meint der Klleine. "Dir scheint er nicht über den Weg zutrauen, obwohl du uns hilfst und mit Bakura ..." Er beendet den Satz nicht, aber ich weiß worauf er hinaus will. Nur weiß ich nicht, was ich darauf erwidern soll. Sicher, ich könnte sagen, dass Kaiba und ich ja noch nie wirklich gut miteinander ausgekommen sind, aber das trifft auf Bakura genauso zu. Folglich ist es kein Argument. Aber Mokuba redet zum Glück auch schon weiter. "Weißt du, ich wünschte, ihr beide würdet euch besser verstehen." höre ich ihn sagen und muss im ersten Moment schlucken. Besser verstehen... Es wäre ja schon schön, wenn wir uns überhaupt verstehen würden. Unwillkürlich muss ich wieder an mein Gespräch mit Lucy denken. Oh Gott. Die ganze Zeit versuche ich das zu verdrängen. Aber selbst vier Gläser Gin Tonic haben nicht dabei geholfen, im Gegenteil. Sie haben alles nur schlimmer gemacht. Zudem habe ich jetzt einen leichten Kater. Und an Schlaf war letzte Nacht auch nicht mehr zu denken. Nachdem ich Lucy verlassen hatte und allein war, musste ich immer wieder über unser Gespräch nachdenken. Ich meine, ich hatte ihr gegenüber eingeräumt, dass ich auf Kaiba stehen würde. Gut, ich habe es nicht wortwörtlich ausgesprochen, aber ich hätte gewiss heftiger protestieren können und allein der Gedanke... Zuhause musste ich dann zu allem Überfluss ständig an ihn denken. Und nicht nur das. Ich habe mir das Hirn zermattert über diesen Kerl, über mich selbst, über unser verkorkstes Verhältnis und vor allem darüber ob an Lucy´s Worten tatsächlich etwas dran ist. Und der Schluss zu dem ich gekommen bin, ist ebenso verstörend wie niederschmetternd. Lucy hat Recht. Ich verstehe es zwar nicht und ich will es auch nicht verstehen, aber sie hat eindeutig Recht. Gleichgültig wie ich es drehe und wende oder wie verrückt es auch klingen mag, es ist so. Aus irgendeinem perfiden, wahrhaft perversen Grund habe ich dieses Gefühl für ihn. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll oder was es tatsächlich ist. Ich war schon unzählige Male verliebt, ich weiß wie sich das anfühlt, aber das Gefühl für ihn, ist anders... und doch ähnelt es dem Verliebtsein wie ich es kenne. Ich kann es nicht greifen, aber es lässt sich eben auch nicht leugnen und ja, verdammt, zu meiner Schande muss ich mir eingestehen, dass ich tatsächlch an ihn gedacht habe als ich mit Lucy... Oh Gott, wenn er das wüsste. Er würde mich umbringen. Nein, in seiner jetztigen Verfassung würde er noch etwas weitaus schlimmeres tun. Ich sehe schon wieder diese Mafiosis vor mir... "Ich verstehe auch nicht, warum ihr euch nicht endlich vertragen könnt. Ich meine, ihr spielt gar kein DuelMonster mehr und es gibt doch eigentlich gar keinen Grund dafür zu streiten." Mokuba wirft mir einen ernsten Blick zu und ich nicke unwillkürlich. "Ähm... ja. So gesehen hast du Recht." stimme ich zu und er runzelt die Stirn. "Alles in Ordnung, Joey?" will er wissen. Ich nicke. "Sicher, alles Bestens." erwidere ich doch er sieht mich weiterhin skeptisch an. "Du siehst aus als würdest du gleich umfallen." stellt er fest. Ich schlucke. Wenn der wüsste... "Ähm, keine Sorge. Ich kipp nicht um." versichere ich ihm, bin allerdings nicht sicher ob er mir glaubt. "Weißt du, du hast Recht, Mokuba." sage ich nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst habe. "Es gibt eigentlich keinen Grund zu streiten, aber naja, dein Bruder... er ist..." Ich breche ab und sehe ihn etwas verlegen an. Ich kann ihm schließlich nicht an den Kopf werfen, dass sein Held ein eiskalter, arroganter Penner ist. Das ist er nämlich. Naja, genau genommen verhält er sich so. Oh Mann, das wird echt immer besser. Kaiba ist ein Arsch und ich stehe auf ihn. Was sagt das über mich aus? Nun, ich muss vollkommen bekloppt sein. Ja, anders kann es nicht sein. Mokuba nickt. "Ich weiß. Seto ist nicht einfach." Er scheint kurz zu überlegen. "Aber wenn du ihn besser kennen würdest... oder er dich besser kennen würde." Er seufzt. "Ich habe dir ja schon gesagt, dass er früher anders war. Unser Adoptivvater hat ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist. Das ist natürlich keine Entschuldigung, aber naja, vielleicht kannst du ihn ein wenig verstehen. Seto denkt, ich wüsste nichts von dem was damals passiert ist, aber ich weiß genug." Er wirft mir einen hilflosen Blick zu und ich schlucke. "Ich durfte mich im Gegensatz zu Seto frei bewegen. Keiner hat sich dafür interessiert was ich tue und wenn ich abends beim Essen nicht dabei gewesen wäre, ich glaube, Gozaburo wäre es gar nicht aufgefallen." Ich nicke und sehe ihm deutlich an, dass ihm das zu schaffen macht. So gesehen haben die Beiden unter Gozaburo Kaiba gelitten. Gleichgültigkeit ist schließlich auch grausam. "Seto hat ein gutes Herz, Joey. Das hat er wirklich." versichert er mir und ich nicke. "Das hat mein Vater auch gesagt." murmele ich und er sieht mich einen Moment lang erstaunt an. "Wirklich?" fragt er. Ich nicke. "Wirklich." Der Kleine strahlt. "Ich weiß, er macht es dir nicht leicht, aber glaub mir, Joey, wenn ihr euch erst besser kennt, dann..." Ich höre nicht mehr wirklich zu, nicke nur und ja, ich glaube ihm. Ich weiß nicht warum, immerhin behandelt Kaiba mich nach wie vor wie Abschaum, aber in gewisser Weise kann ich ihn verstehen. Diese Situation ist nicht leicht für ihn und sein Leben bislang war es ebenso wenig. Erneut muss ich an den Vergleich mit einem gefangenen Tier denken, dass sich verzweifelt zu verteidigen versucht. "Mach dir keine Gedanken, Mokuba." sage ich nach kurzem Schweigen. "Ich trage deinem Bruder nichts nach und wer weiß, vielleicht finden wir auch einen Weg, um mit einander klar zu kommen. An mir soll es nicht liegen." Mokuba nickt eifrig und seine Augen strahlen auf´s Neue. "Danke, Joey." erwidert er und ich spüre wie mir warm um´s Herz wird. Ich lächele den Kleinen an. Scheinbar macht er sich Gedanken um mein Verhältnis zu seinem Bruder. Ich kann mir denken warum. "Wir sollten uns langsam auf den Weg machen, was meinst du?" frage ich und er nickt. "Ich würde sagen, wir nehmen die U-Bahn. Das ist einfacher und wohl auch unauffälliger. Zudem solltest du dich mit dem System hier vertraut machen. Ich meine, wir wissen ja nicht wie lange du in New York bleiben wirst." Mokuba nickt erneut. "Klar, du hast sicher Recht, Joey." meint er und ich muss unwillkürlich grinsen. Fünf Minuten später verlassen wir zusammen die Wohnung und gegen zur nächstgelegenen Stadtion. Meine Gedanken sind bereits bei Kaiba und irgendwie ist mir mulmig zumute. Bislang hatte ich den Gedanken, auf ihn zu treffen, weit nach hinten geschoben. Aber jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit bis ich ihn sehe und ich habe keine Ahnung, wie ich das durchstehen soll. Es ist ja so schon nicht leicht, Seto Kaiba gegenüber zu stehen. Aber mit dem Wissen, dass man Gefühle für ihn hat... Warum musste Lucy auch damit anfangen? In ihren Augen ist das so verdammt leicht. "Red doch einfach mal offen mit ihm. Du musst ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, du kannst dich ja vortasten und wer weiß, vielleicht versteht er den Wink mit dem Zaunpfahl ja..." Ihre Worte in Gottes Ohren. Offen mit Kaiba reden ist schon eine Schwierigkeit, die ihresgleichen sucht. Aber ihn auf irgendwelche zwischenmenschlichen Dinge anzusprechen... dafür muss man lebensmüde sein. Aber das Lucy begreiflich zu machen, war genauso unmöglich. Sie hat nur gelacht. "Stell dich doch nicht so an. Fühl einfach mal vor, versuch herauszukriegen auf welchen Typ er so steht..." Als würde ich Kaiba so eine Frage freiwillig stellen. Einmal abgesehen davon, dass ich bezweifle, dass er irgendeinen Typ hat auf den er steht. Ich kann mir sein Gesicht vorstellen, wenn ich ihm diese Frage stellen würde. Der Eisklotz wäre sicher mehr als geschockt. Bei dem Gedanken muss ich schon wieder grinsen. Nein, mit vorfühlen und herantasten wird das nichts. Aber mit der Tür ins Haus kann ich auch schlecht fallen. Ich schüttele leicht den Kopf. Nein, ich werde überhaupt nichts unternehmen. Das hat doch ohnehin keinen Sinn. Kaiba hasst mich, das zeigt er mir zur Genüge. Ich werde ihm sicher nicht noch einen Trumph in die Hand geben, mit dem er mich wieder nieder machen kann. No way! Das ist doch sowieso alles Unsinn. Was weiß Lucy schon über unser Verhältnis? Vollkommen in Gedanken beantworte ich Mokuba´s Fragen monoton und löse unsere Tickets für die Bahn. Wir müssen nur drei Stationen fahren, das heißt wir werden schneller dort sein als mir lieb ist. Gott, mir wird jetzt schon speiübel. Ich bezweifele, dass ich es schaffen werde, Kaiba in die Augen zu sehen. Aber vermutlich werde Bakura und Alister da sein, das wird es etwas besser machen. Bakura... Könnte es sein? Ich meine, wäre es möglich, dass zwischen den Beiden... Waren sie deshalb zusammen im Badezimmer? Nein, das kann nicht sein. Bakura und Kaiba, das wäre wirklich mehr als krank. "Ach, aber Kaiba und du..." fängt die kleine böse Stimme wieder an und ich kneife die Augen fest zu, um sie zu vertreiben. Es kann einfach nicht sein, dass da etwas läuft. Der Gedanke ist zu verrückt. Bakura traue ich zwar alles zu, aber Kaiba... Nein, der Kerl ist so stocksteif, ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass er jemals mit einem Menschen, egal welchen Geschlechts, auf Tuchfühlung gegangen ist. Herrje, worüber denke ich jetzt schon wieder nach? Augenblicklich gibt es wesentlich wichtigere Dinge zu überlegen. Ein plötzlicher Stoß reißt mich aus den Gedanken. Ich spüre etwas hartes in meinem Rücken und zucke unwillkürlich zusammen. Gerade als ich den Kopf drehen will, um nachzusehen was los ist, raunt mir eine heisere Stimme ins Ohr: "Ganz ruhig, Kleiner. Sieh geradeaus." Ich schlucke und eine Hitzewelle durchzuckt mich. "Wir steigen an der nächsten Stadion aus. Versuch keine Tricks, du willst doch nicht, dass dem Kleinen etwas passiert, oder?" Ich nicke leicht, um zu zeigen, dass ich verstanden habe und meine Gedanken überschlagen sich. Allem Anschein nach hat man Mokuba und mir aufgelauert. Blöde Idee, die Bahn zu nehmen, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern und ich bezweifle, dass dieser Typ von Kaiba geschickt wurde. Ich spüre wie die Bahn langsamer wird und gleich darauf kommt auch die Durchsage, die den nächsten Stopp ankündigt. Ich schlucke und werfe Mokuba einen Blick zu. "Wir müssen aussteigen." erkläre ich ihm und er nickt. Da er die Strecke nicht kennt, merkt er nicht, dass wir unser Ziel noch nicht erreicht haben. "Geh langsam zur Tür." flüstert mir die Stimme zu und ich gebe Mokuba ein Zeichen, sich auf den Ausgang zu zu bewegen. Der Kleine kommt meiner stummen Aufforderung nach und ich setze mich langsam auch in Bewegung. Noch immer fühle ich etwas hartes in meinem Rücken und es besteht wohl kein Zweifel daran, dass man eine Waffe auf mich richtet. Wir steigen aus und der Mann hinter mir, raunt mir zu, dass ich mich nach links wenden soll. Also will er Richtung Ausgang. Ich tue was er sagt und Mokuba passt sich mir an ohne zu merken, dass jemand hinter mir ist. Aber es herrscht auch solch ein Gedränge, dass es nicht weiter auffallen dürfte. So gesehen hat der Kerl den Zeitpunkt perfekt gewählt. Keiner sieht uns an, dass wir bedroht werden, gleichgültig wie dicht der Mann hinter mir steht. Ich gehe langsam auf den Ausgang zu und überlege fieberhaft was ich tun könnte. Dank dem Gedränge vor uns, kommen wir nicht schnell voran und ich schätze, dass an der Straße bereits ein Wagen wartet. Zumindest würde ich so eine Entführung planen und darauf scheint die Nummer hier ja hinaus zu laufen. Als wir uns der Treppe ins Freie nähern, kommt mir eine Idee. Wenn wir erst auf der Straße sind, werden wir kaum eine Chance haben zu entkommen. Jetzt und hier ist unsere einzige Möglichkeit. Ich sehe wie eine neue Bahn ankommt und weiß, dass ich handeln muss. Jetzt oder nie. Kurz wäge ich meine Möglichkeiten ab. Ich glaube kaum, dass der Kerl hier seine Waffe abfeuern würde, doch sicher kann ich natürlich nicht sein. Trotzdem setze ich alles auf eine Karte. Als uns ein Menschenschwall entgegen kommt und ein dickerer Herr mich anrempelt wende ich mich leicht um und verpasse dem Mann hinter mir einen Tritt ans Schienbein. Vage nehme ich wahr, dass er aufkeucht, doch ich habe nur Augen für die Waffe in seiner Hand. Ein gezielter Schlaf mit der Handkante auf den Arm und die Waffe löst sich aus seiner Hand und fällt zu Boden. Ich balle meine Hand zu einer Faust, rufe Mokuba auf japanisch zu, dass er zu der Bahn neben uns laufen soll und schlag zu. Ich treffe den Mann direkt an der Kehle und er taumelt nach hinten. Ohne noch einen Blick auf ihn zu werfen, wirbele ich herum, suche Mokuba, der sich tatsächlich bereits ein paar Schritte auf die Bahn zu bewegt hat und packe ihn am Arm. Er gibt ein erstauntes Geräusch von sich, aber ich reiße ihn einfach mit mir und wir schaffen es buchstäblich in letzter Sekunde die Bahn zu erreichen. Die Türen schließen sich bereits, aber ich dränge mich dazwischen, stoße Mokuba ins Innere und schaffe es gerade noch meinen Mantel aus der sich schließenden Tür zu ziehen. Dann werfe ich einen kurzen Blick nach draußen, doch von dem Mann ist in dem Menschenmenge nichts zu sehen. Die Bahn fährt auch bereits los. Mokuba sieht mich fragend an. Ich atme erst einmal tief durch und brauche einen Moment, um mich zu sammeln. "Jemand hat versucht uns zu kidnappen." erkläre ich und die Augen des Kleinen weiten sich entsetzt. "Wer? Was?" Er blickt sich um, aber ich winke ab. "Wir haben ihn abgehängt, glaube ich zumindest." keuche ich und überlege mir, was ich als nächstes tun soll. "Wir steigen an der nächsten Stadion wieder aus, dann nehmen wir ein Taxi." entscheide ich und der Kleine nickt. "Wir sollten uns aber beeilen. Ich bin nicht sicher ob der Typ es vielleicht doch noch in die Bahn geschafft hat." Ich sehe mich um, kann aber niemanden erkennen, der der Gestalt ähnlich wäre oder sich auffällig verhalten würde. Ich ziehe Mokuba wortlos schon mal in Richtung Tür. "Wer war das?" will er wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." Ich habe den Mann zwar kurz gesehen, aber es ging alles so schnell, dass ich nicht wirklich sagen kann wie er ausgesehen hat. Mokuba sieht mich unsicher an, sagt jedoch nichts. Als die Bahn wieder hellt, nehme ich ihn am Arm und ziehe ihn mit mir. Ich haste den Weg zum Ausgang, Mokuba keucht atemlos neben mir und bemüht sich Schritt zu halten. Zweimal werfe ich einen Blick über die Schulter, aber es scheint uns niemand zu folgen, sofern man das überhaupt bei all den Menschen erkennen würde. Das Herz schlägt mir dennoch bis zum Hals. Oben angekommen sehe ich mich nach einem Taxi um und ausnahmsweise habe ich Glück. Ich winke dem Fahrer zu und er hält direkt vor uns. Mokuba steigt als erster ein, ich folge, werfe jedoch noch einen letzten Blick in Richtung Station, doch alles sieht normal aus. Keiner sieht sich nach uns um. Ich nenne dem Fahrer den Namen des Hotels und als er anfährt atme ich erleichtert auf. "Das war knapp." befinde ich und Mokuba nickt. Sein Blick ist ernst und ich spüre auch seine Angst. "Mann, Mann, das ist ja fast wie in alten Zeiten, was?" frage ich und grinse ihn schief an. Mein Spruch erzielt seine Wirkung, denn Mokuba muss ebenfalls grinsen. "Für dich ist Kidnapping ja nichts neues, aber für mich ist das noch Neuland." scherze ich und der Kleine lacht zu meiner Erleichterung. "Für den Rückweg lasse ich Victor kommen." meine ich und werde wieder ernst. Kaiba wird sicher nicht begeistert sein, wenn er von dieser Sache hört und ich frage mich unwillkürlich ob ich vielleicht zu leichtsinnig war. Hätte ich mit so einem Versuch rechnen müssen? "Wir sind da." höre ich den Fahrer sagen und nicke. Ich gebe ihm sein Geld und Mokuba und ich steigen aus. "Sollen wir Seto davon erzählen?" fragt mich der Kleine zu meiner Überraschung. Ich zögere. Einerseits will ich Kaiba nicht beunruhigen, andererseits... Dann nicke ich. "Ja, ich denke, wir sollten es ihm sagen." meine ich und Mokuba nickt. Wortlos gehen wir in das Hotel und begeben uns zu Kaiba´s Zimmer. Ich klopfe an und es dauert einen Moment bis jemand reagiert. "Wer ist da?" vernehme ich die vertraute kühle Stimme. "Mokuba und ich." erwidere ich und die Tür wird fast sofort geöffnet. Kaiba´s Blick streift mich nur für einen Moment, dann sieht er zu Mokuba und ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. "Hallo großer Bruder." Der Kleine umarmt den Älteren und ich schiebe mich an den Beiden vorbei ins Zimmer. Bakura lümmelt wieder auf einem der Sessel, von Alister ist nichts zu sehen. Der Weißhaarige grinst mich an und ich quittiere sein Grinsen mit einem kühlen Blick, der Kaiba alle Ehre machen würde. "Ich habe Neuigkeiten." höre ich Kaiba sagen. Er schließt die Tür und ich sehe ihn fragend an. Was allerdings keine gute Idee war. Sein Blick trifft meinen und ich spüre wie meine Wangen zu brennen beginnen. Sofort blicke ich zur Seite und beiße mir auf die Unterlippe, doch das Gefühl, dass dieser kurze Moment ausgelöst hat, lässt sich nicht verdrängen. Mein Magen zieht sich zusammen und auf schmerzliche Weise wird mir bewusst, dass Lucy Recht hat. "Wir auch." sagt Mokuba und Kaiba sieht seinen Bruder überrascht an. Ich nehme nur vage wahr, dass der Kleine Kaiba unser Erlebnis schildert und sich das Blau seiner Augen verdunkelt. Seine Züge werden schlagartig härter und ich sehe wie sich seine Schultern straffen. Dann sieht er mich an und ich muss hart schlucken als sich seine Augen wieder auf mich richten. Fuck, Lucy hatte Recht. Er hat unglaubliche Augen. Warum ist mir das noch nie aufgefallen? Hitze steigt in mir auf und meine Hände erscheinen mit plötzlich feucht zu werden und ohne es zu wollen, wandert mein Blick zu seinem Mund. "Oh ha, Joey, Mokuba und du wurden gerade fast entführt und du denkst darüber nach wie es wäre deinen Erzfeind zu küssen."vernehme ich die kleine Stimme amüsiert sagen und stöhne unwillkürlich auf. Kapitel 31: In der Zwickmühle oder Konfrontation Teil 1 ------------------------------------------------------- "Siegfried? Dieser rosane Fuzzi?" Wheeler sieht mich fassungslos an und fängt im nächsten Moment auch schon an zu lachen. Einen Moment bin ich irritiert, dann kann ich nicht anders und muss lächeln. So gesehen ist Wheeler´s Reaktion die einzig wirklich Treffende auf unsere jüngste Entdeckung. "Hat der Kerl es denn immer noch nicht verstanden?" fragt er immer noch lachend. Ich zucke mit den Schultern. "Ich glaube nicht, dass er hinter allem steckt." gebe ich zu bedenken und Wheeler wird schlagartig wieder ernst. "Hm." Er überlegt. "Stimmt, die Nummer wäre tatsächlich etwas zu groß für diesen Kerl." Ich nicke und für einen Moment treffen sich unsere Blicke. In seinen braunen Augen leuchtet es und seine Augen zeigen noch immer die Spuren seines Lachanfalls. Ich spüre wie dieses absonderliche Gefühl sich wieder meiner zu bemächtigen droht und würde nur zu gerne, den Blickkontakt abbrechen, aber so etwas tut ein Seto Kaiba nicht. Wheeler scheint sich aber auch etwas unbehaglich zu fühlen. Für einen Moment habe ich den Eindruck, dass seine Wangen sich verfärben, dann senkt er den Blick und ich räuspere mich. Bakura mustert mich mit einem undefinierbaren Blick und sofort muss ich wieder an seine unverschämte Frage denken. Wie kam der Kerl nur dazu mich so etwas zu fragen? Doch das ist nicht das Einzige, was mich augenblicklich an dem Weißhaarigen irritiert. Seine ganzen Äußerungen der letzten Stunden sind mehr als irritierend und das Gespräch mit ihm gehört zu den wenigen, die ich gerne umgangen hätte. Auch wenn er sich auf gewohnt spöttische und vage Art ausgedrückt hat, werde ich das Gefühl nicht los, dass sein Interesse an mir tatsächlich realer Natur ist, auch wenn ich nach wie vor nicht verstehe, wie es dazu gekommen ist. Einen Augenblick sehe ich den Weißhaarigen an und er hält meinem Blick gelassen Stand. Ich ahne was in seinem Kopf vorgeht und der Blick, den er Wheeler bei seinem Erscheinen mit Mokuba zugeworfen hat, sprach Bände. Herrje, das kann doch alles nicht wahr sein! Aber bedauerlicherweise scheint es doch so zu sein. Dieser Dieb hat ein absonderliches Interesse an meiner Person entwickelt und scheint darüber hinaus der absurden Annahme zu unterliegen, dass Wheeler eine Konkurrenz für ihn darstellen würde. Anders jedenfalls kann ich mir seine Äußerungen in Bezug auf den Blondschopf nicht erklären. Natürlich besteht noch die vage Möglichkeit, dass der Weißhaarige diese Äußerungen aus reinem Vergnügen macht - dem Vergnügen mich zu verunsichern oder aus der Fassung zu bringen, was ich ihm durchaus zutrauen würde und auch nicht wirklich von der Hand zu werfen ist. Dennoch habe ich den Eindruck, dass dies keines seiner üblichen Spielchen ist. Zumal ich auch keinen Sinn dahinter entdecken kann, außer eben dass es ihm Vergnügen bereitet. Doch würde er soweit gehen, mich aus diesem Grund zu küssen? Ich schüttele leicht den Kopf und bin froh als ich Mokuba´s Stimme vernehme. "Dann willst du jetzt nach Deutschland, Seto?" fragt er mich und ich nicke. "Da Siegfried unsere einzige Spur bislang ist, führt wohl kein Weg daran vorbei." erwidere ich und sehe ihm deutlich an, dass ihm der Gedanke nicht gefällt. Ich lächele ihn aufmunternd an. "Keine Sorge, Mokuba, mit diesem aufgeblasenen Snob werde ich fertig." versichere ich ihm und er grinst. "Das weiß ich doch, Seto." meint er. Dann wandert sein Blick zu Wheeler. "Wie gedenkst du vorzugehen, Kaiba?" fragt mich der Blondschopf und ich muss mich zwingen ihn anzusehen. "Was denkst du denn, Wheeler? Ich werde ihm ein paar Fragen stellen." erwidere ich kühl und spüre erneut wie ein seltsamer Schauder mir über den Rücken läuft als es kurz in seinen Augen aufblitzt. "Schon klar, aber..." Er beendet seinen Satz nicht und senkt erneut die Lider, um meinem Blick auzuweichen, was mich nur noch mehr irritiert. Seit wann bricht Wheeler unseren Blickkontakt freiwillig ab? "Könnt ihr euch nicht endlich mal mit euren Vornamen anreden?" höre ich Mokuba fragen und sowohl Wheeler als auch ich starren ihn an. Der Kleine grinst. "Mal ehrlich, das wird doch langsam albern." Mein Bruder wirft mir einen eindringlichen Blick zu und ich presse fest die Lippen aufeinander. "Immerhin sind wir doch jetzt..." fängt er an und ich falle ihm sofort ins Wort. "Wir sind keine Familie, Mokuba." erkläre ich ungewohnt barsch an meinen Bruder gewandt und bereue meine Worte zugleich. Mokuba meint es im Grunde nur gut. Er hat sogar in gewisser Hinsicht Recht. Wheeler und ich kennen uns schließlich lange genug. Dennoch... keiner außer Mokuba redet mich mit meinem Vornamen an. Keinem außer Mokuba und in Ausnahmefällen Roland würde ich das auch gestatten. Aber dem Kleinen scheint es ernst zu sein und erneut kommt mir der Gedanke, dass ihm viel an diesem Köter liegt. Für den Bruchteil einer Sekunde versetzt mir der Gedanke einen Stich. Dann blicke ich zu Wheeler, der seltsamerweise auch irgendwie verunsichert wirkt. Etwas, dass ich von ihm nicht kenne. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Kerl je unsicher war. Im Gegenteil. Er sprühte immerzu vor Selbstbewusstsein, auch wenn es gänzlich unbegründet war. Nein, unsicher war der Streuner noch nie. Das Ganze irritiert mich ungemein. Ein unsicherer Wheeler, ein scheinbar obszessiver Bakura und ein Mokuba, der bestrebt ist, aus dem Hündchen und mir eine Familie zu machen, wenn mich mein Eindruck nicht täuscht. Ich wünschte, ich wäre wo anders. Augenblicklich würde ich sogar Siegfried´s Gesellschaft vorziehen, meinetwegen auch die von Muto, aber das hier ist hochgradig verstörend. Und es behagt mir keineswegs. Noch weniger behagt es mir, dass nach wie vor Bakura´s unsinnige Frage in meinem Kopf herumgeistert. Ob ich es verstehen würde, wenn es Wheeler wäre? Was ist das denn bitte für eine Frage! "Eine, die ich noch nicht beantwortet habe.." denke ich unwillkürlich und muss mir auf die Unterlippe beißen. Verflucht, wie hätte ich diese Frage denn bitte beantworten soll? "Wir fliegen noch heute Abend." verkündet Bakura und ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. Er hat sich aufgerichtet und sein Blick ist demonstrativ auf Wheeler gerichtet. Schlagartig verspüre ich den Wunsch, ihn zurecht zu weisen. Wheeler erwidert den Blick des Weißhaarigen kühl und für einen Moment wirken die Beiden wie Wheeler und ich zu unseren besten Zeiten. Ihr Blickkontakt wirkt wie ein stummes Duell und selbst Mokuba scheint die Spannung zwischen den Beiden nicht zu entgehen. Mokuba sieht mich fragend an. "Bakura begleitet dich?" will er wissen und ich nicke kaum merklich. Mir entgeht keineswegs, der argwöhnliche Blick meines Bruders. "Ich denke nicht, dass Siegfried mich so einfach empfangen wird, zumal ich gesucht werde, was er mit Sicherheit längst weiß, auch wenn er nicht direkt damit zu tun haben sollte. Folglich kann mir Bakura behilflich sein." erkläre ich dem Kleinen, doch sein Blick bleibt skeptisch und es ist ihm deutlich anzusehen, dass ihm der Gedanke nicht behagt. "Du musst dir keine Sorgen machen, Mokuba." sage ich, aber ich bezweifele, dass es das ist worüber er sich Gedanken macht. "Kommt Alister auch mit?" will er weiter wissen. Ich nicke. "Und was ist mit uns?" fragt er und meint damit unweigerlich Wheeler und sich. Einen Moment bin ich nicht sicher was er meint. "Mokuba, ich dachte, das hätten wir geklärt..." fange ich an, aber er unterbricht mich. "Ich weiß, Seto, ich soll bei Joey bleiben. Aber... Denkst du nicht, dass diese Kerle es noch einmal versuchen werden?" meint er ernst. Wheeler nickt. "Das ist mehr als wahrscheinlich." höre ich den Blondschopf sagen und stimme ihm zu. "Von der Hand zu weisen ist es keineswegs. Aber ich denke, du wirst in der Lage sein, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, Wh-Joey?" Mein Blick trifft seinen und ich sehe ihm deutlich an, dass er leicht zusammen zuckt als ich seinen Vornamen ausspreche. Er schluckt und tatsächlich, seine Wangen färben sich leicht rot. "Ähm..." Er lächelt mich unsicher an und nun bin ich es, der schwer schlucken muss. "Natürlich, ich werde alle notwendigen Vorkehrungen treffen, S-Seto." erwidert er ungewohnt zaghaft und ich schätze, er tut sich mit meinem Vornamen ebenso schwer wie ich mir mit seinem. Mokuba grinst. "Geht doch. Wenn ihr das jetzt noch richtig flüssig hinbekommt, ist es perfekt." befindet mein kleiner Bruder und ich verdrehe die Augen. Seto Ich hätte nie gedacht, dass ich seinen Namen je aus meinem Mund hören würde. Es klingt so... ungewohnt und doch... Es ist anders als wenn Bakura sich erdreistet mich damit anzusprechen. Bei Bakura bemerke ich es kaum. Mir fällt der Unterschied nicht wirklich auf. Sofort ist da wieder dieses merkwürdige Prickeln und ich habe das Gefühl, dass mein Herzschlag sich beschleunigt. Ich muss mir einen Ruck geben, um mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Ich reiße mich von Wheeler´s Anblick los und wende mich wieder Mokuba zu. "Ich habe vorhin mit Roland gesprochen. Er wird umgehend in die Staaten kommen." erzähle ich ihm und ein freudiges Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. "Wirklich? Das ist toll." meint er und ich nicke. "Ich dachte mir schon, dass es dich freuen würde." sage ich mit einem leichten Lächeln und er nickt eifrig. "Fukuda wird in Japan alles Notwendige in die Hand nehmen." erkläre ich weiter, auch wenn ich weiß, dass Mokuba das nicht weiter interessiert. "Du traust mir wohl immer noch nicht, was... Seto?" höre ich Wheeler sagen und erneut wirkt er unsicher, auch wenn die Bemerkung einen leichten spöttischen Unterton hatte. Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. "Ich habe dir doch bereits gesagt, dass es nur zwei Menschen gibt, denen ich traue." erwidere ich kühl. Zu meinem Erstaunen kontert er nicht. Er nickt nur und wirkt erneut auf befremdliche Art unsicher, dass ich ohne zu wissen warum, hinzufüge: "Roland macht sich auch große Sorgen um Mokuba. Zudem ist er effektiver als so mancher einfache Bodyguard." Wheeler nickt. "Schon ok, ich verstehe." erwidert er und aus einem absonderlichen Grund erleichtert mich seine Aussage, ja, ich verspüre sogar den Wunsch, ihm zu sagen, dass ich ihm in Hinblick auf Mokuba durchaus vertraue, doch so etwas kann ich natürlich nicht laut aussprechen. Seto Ich schlucke unsicher und erneut trifft mich Bakura´s undefinierbarer Blick. "Du scheinst dich mit diesen Dingen nicht sonderlich gut auszukennen, was?" Schlagartig wird mein Ungehagen größer und ich bereue es, dass ich ihn nicht energischer zur Rede gestellt habe. Bedauerlicherweise hat der Dieb Recht. Diese Art von Dingen sind mir nicht sonderlich vertraut. Natürlich bin ich ein aufgeklärter junger Mann und habe auch meine Bedürfnisse, aber tiefergehend habe ich mich nie mit solchen Dingen beschäftigt, einmal abgesehen davon, dass ich weder die Zeit dazu hatte, noch das Bedürfnis. Zwischenmenschliche Beziehungen, die einzig auf einem abstrakten Gefühl oder vager Anziehungskraft begründet sind, erscheinen mir unlogisch. Mich einzig deshalb auf einen Menschen einzulassen, weil sein Körper eine gewisse Wirkung auf mich ausübt, ist in meinen Augen heillos übertrieben. Und alle anderen Aspekte solcher Verbindungen... Diverse Verabredungen mit verschiedenen Frauentypen haben deutlich gezeigt, dass diese Art von Beschäftigung reine Zeitverschwendung ist. Entweder heuchelten sie Interesse aufgrund meines Status, langweilten mich binnen fünf Minuten oder versuchten mich mittels ihrer Reize in die Defensive zu drängen. Die Meisten ödeten mich einfach nur an. Selbst mit den intelligenteren Vertreterinnen dieses Geschlechts war eine Konversation so ernüchternd, dass ich sogar einmal eingenickt bin bei Tisch. Aus irgendeinem perfiden Grund schien keine in der Lage sein, ihre Meinung mir gegenüber vertreten zu können, gleichgültig wie kontrovers sie zuvor mir gegenüber eingestellt war. Zudem waren es bei oberflächlicher Betrachtung nichts weiter als leere Puppen, die zwar nett anzusehen waren, doch so leblos erschienen, dass ich ab und an den Verdacht hatte, man hätte vergessen die Batterie auzuwechseln. Nein, dergleichen ist nichts weiter als Zeitverschwendung. Einmal davon abgesehen, dass dieses Gefühlserlebnis, von dem diverse Zeitschriften berichten und das man sich scheinbar automatisch von solchen Aktivitäten erhofft vollkommen ausblieb, was meine Theorie belegt, dass es sich dabei lediglich um eine kurzfristige chemische Reaktion handelt, die in der Regel durch Alkohol, Drogen oder sonstige stimulierende Substanzen verstärkt wird. Natürlich konnte ich nicht umhin einen Selbstversuch zu starten. Immerhin lag Mokuba mir lange genug in den Ohren, mich zu verabreden und mich "gehen zu lassen", wie er es ausgedrückt hat. Abgesehen von einer kurzfristigen Befriedigung boten solche Unternehmungen allerdings nichts von beständigem Wert. Nein, warum man sein Selbst an die Wünsche und Bedürfnisse eines anderen Wesens binden soll, ist mir schleierhaft. Und warum ich augenblicklich über all das nachdenke, ist mir auch ein Rätsel. Vor unserem Abflug werde ich ein ernstes Wort mit diesem Dieb reden müssen. Ja, es ist unabdingbar, diese Sache ein für alle mal zu klären, zumal seine Äußerungen mein Verhalten Wheeler gegenüber stark beeinträchtigt. Schließlich ist es so schon schwer genug mit dem Köter umzugehen. Zumal ich permanent daran denken muss, dass ich ihn küssen wollte. Ein Bedürfnis, dass ich in der Form noch nie verspürt habe und keinesfalls bei ihm verspüren sollte. Zugegeben, er ist überaus ansehnlich für ein männliches Wesen, aber selbst wenn ich Neigungen dieser Art habe, er ist und bleibt Wheeler. Mein Erzfeind. Es ist unlogisch, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle. "Seto?" höre ich Mokuba besorgt fragen und schlucke. "Entschuldige, bitte. Ich war in Gedanken." murmele ich und er sieht mich mit einem leicht schiefen Grinsen an. "Du bist ja ganz rot." stellt er fest und zum ersten Mal in meinem Leben würde ich mir wünschen, dass mein Bruder seinen Mund hält. "Danke für den Hinweis." entgegne ich knapp und er grinst zum Überfluss auch noch, sagt aber zu meinem Glück nichts mehr. Ich räuspere mich und gebe mir Mühe mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bedauerlicherweise trifft mein Blick in diesem Augenblick Wheeler und jetzt fühle ich ganz deutlich, dass meine Wangen zu glühen beginnen. "Wo waren wir stehen geblieben?" frage ich und versuche den Faden wieder aufzunehmen. Bakura anzusehen vermeide ich dabei geflissentlich. Ich kann mir denken, dass er schon wieder grinst. Und als könne er meine Gedanken lesen, meint er auch im gleichen Moment: "Ich habe den guten Seto wohl etwas durcheinander gebracht." Er klingt belustigt und wären Mokuba und Wheeler nicht anwesend, ich würde mich vergessen. So aber werfe ich ihm einen strafenden Blick zu. "Bild dir bloß nichts ein." zische ich ihn an und er lächelt. "Vielleicht lasse ich euch besser alleine. Ich sollte ohnehin mal nach Alister sehen." erwidert er gelassen und bewegt sich auch schon Richtung Tür. "Dieser verdammte..." murmele ich, spreche aber nicht weiter, denn sowohl Wheeler als auch Mokuba sehen mich fragend an. "Vergesst sein Gerede." ordne ich an. "Es tut nichts zur Sache." Ich sehe den Beiden deutlich an, dass sie im Grunde eine andere Erklärung von mir erwarten, aber sie fügen sich meiner Anweisung. Wheeler mustert mich für einen Moment noch, dann weicht er meinem Blick wieder aus und langsam aber sicher geht mir diese neue, absonderliche Art auf die Nerven. Er ist doch sonst nicht so. Ehe ich weiß was ich da eigentlich tue, straffe ich auch schon meine Schultern und richte mich kerzengerade auf. Jetzt ist Schluss mit diesem seltsamen Treiben. Ich muss mich schließlich auf das Wesentliche besinnen und wenn ich mit meinen Gedanken ständig bei Wheeler oder Bakura bin, beeinträchtigt das eindeutig meine Konzentration. Das werde ich nicht länger zulassen. "Wh- Joey!" Er zuckt zusammen als ich seinen Namen sage, sieht mich aber an. Ich ziehe die Brauen zusammen. "Was ist los? Gibt es etwas, dass du mir sagen willst? Du bist verdächtig kleinlaut heute für deine Verhältnisse!" Ich spüre geradezu wie ein Ruck durch seinen Körper geht. "Wenn du mir was zu sagen hast, dann raus mit der Sprache." fordere ich ihn auf. "Dein Verhalten irritiert mich noch mehr als sonst. Also?" Ich sehe wie sein Blick zu Mokuba wandert und für einen Moment wirkt er direkt hilflos, was ich noch weniger verstehe. Im Grunde müsste er jetzt an die Decke gehen. Mein Tonfall war harsch genug, um eine Reaktion zu provozieren, aber er wirkt nicht so als würde er jeden Moment zu einem Konter ansetzen und verdammt, ich bereue meinen Ausbruch auch schon. Warum zur Hölle mache ich mir auch solche Gedanken um den Kerl? Und mit einem Mal habe ich das Gefühl, dass sich alles um mich zu drehen beginnt. Ich habe sogar den Verdacht, dass ich zu taumeln anfange und mit Schrecken wird mir klar, dass ich die Antwort auf Bakura´s Frage kenne. Kapitel 32: Zwischenspiel (Roland) ---------------------------------- Ich muss mich mal wieder für sie superlieben Kommentare bedanken, die mich immer wieder freuen. Ihr seid toll! Ich bin nicht sicher ob es mir gelungen ist, Roland korrekt darzustellen, aber ich wollte unbedingt ein Kapitel aus seiner Sicht schreiben. Der Mann ist einfach... unentbehrlich. :-) "Natürlich, Sir! Sie können sich auf mich verlassen. Ich werde den nächstmöglichen Flug nehmen." versichere ich ihm und rechne schon fast damit, dass er das Gespräch beendet. Dennoch warte ich noch einen Moment auf eine Erwiderung. "Gut, Roland. Ich bin sicher, dass sie alles zu meiner Zufriedenheit bewerkstelligen. Mokuba wird sich freuen, sie zu sehen." Seine Stimme klingt emotionslos wie ich sie kenne, doch ich erkenne eine feine Nuance von Anspannung. "Guten Flug." Damit ist das Gespräch beendet und ich klappe das Handy wieder zu. Dann greife ich zum Telefon und betätige die Kurzwahltaste. Der Flug ist schnell gebucht. Mir bleiben noch sechs Stunden. Zeit genug, um seine Anweisungen umzusetzen. Ich überlege kurz womit ich am Besten anfange und entscheide mich dafür erst einmal meinen Koffer zu packen. Meine Schritte hallen unerträglich laut durch die Halle als ich mich zur Treppe begebe. Obgleich dieses Haus nie mit viel Geräusch angefüllt war, erscheint es mir in den letzten Wochen noch stiller und trostloser hier geworden zu sein. Normalerweise kann ich auf dem Flur bereits Seto Kaiba´s unermüdliches Hämmern auf seiner Tastatur hören und vom oberen Stockwerk dringt gedämpfte Musik nach außen. Doch jetzt ist alles still. Erschreckend still und einmal mehr wird mir schmerzhaft bewusst, dass die vergangenen Wochen tatsächlich Realitä waren. Als ich an Master Mokuba´s Zimmer vorbei gehe, halte ich einen Moment inne und bedauere, dass ich nicht diesen Krach vernehme, den er vehement als Musik betitelt. Unwillkürlich huscht ein Lächeln über mein Gesicht und ich muss daran denken, wie der Kleine seinem älteren Bruder einen Vortrag über den Einfluss der "Ramones" auf die Entwicklung der Musik gehalten hat. Ich sehe Master Mokuba förmlich vor mir, wie er mit strahlenden Augen und einem solch revolutionären Enthusiasmus verkündet, dass die "Ramones" die beste Band der Welt wären. Ich weiß noch zu gut, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste, als Master Kaiba die Stirn runzelte und seinen Bruder mit einer Mischung aus Nachsicht und Verständnislosigkeit ansah, als habe dieser ihm gerade erzählt, dass man ein Supermodel zur Weltherrscherin ausgerufen habe. Das Ende dieser kleinen Episode war, dass Master Kaiba seinen Bruder anhielt die Musik in einer angemessenen Lautstärke zu spielen und Master Mokuba erwiderte, dass es unabdingbar wäre bestimmt Stücke laut zu hören. Und wie so oft zuvor gewann der Kleine die kleine Auseinandersetzung mit einem einfachen "Seto". Obgleich ich solchen Szenen mehr als einmal beigewohnt habe, erstaunt mich die Wirkung des Kleinen auf seinen Bruder jedes Mal. Der sonst so emotionslose und kühle Seto Kaiba, bei dem die Geschäftswelt sich hütet ihn zu verärgern oder auch nur zu erreichen, dass er eine seiner perfekt geschwungenen Brauen in die Höhe zieht, was in erster Linie eine deutliche Geste der Missbilligung seinerseits darstellt, wird zu Wachs in den Händen seines kleinen Bruders, sobald dieser seinen Namen sagt. Ein einfaches "Seto" aus Master Mokuba´s Mund genügt vollkommen aus um den Firmenchef in den großen Bruder zu verwandeln und für einen Moment hat man das Gefühl vor einem normalen Teenager zu stehen, nicht vor einer jugendlichen Variante eines Übermenschens zu dem Gozaburo Kaiba den Jungen gemacht hat. Unwillkürlich muss ich wieder an meine ersten Jahre in diesem Haus denken. Eine Zeit, die ich zu gerne verdränge, da jede Erinnerung schmerzlich auf mir lastet und mir mein eigenes Unvermögen, Position zu beziehen, ins Gedächnis zurück ruft, so dass ich mich zwangsläufig von Neuem frage, warum ich damals nichts getan habe. Natürlich stand es mir nicht zu, mich in die Belange meines Arbeitgebers einzumischen. Gozaburo Kaiba hätte auch keine Einmischung geduldet und eine fristlose Kündigung wäre die Folge gewesen. Dennoch hätte ich irgendetwas tun können, aber genau wie alle anderen habe ich geschwiegen und nur ab und an versucht, für den Jungen da zu sein, sofern der alte Herr es nicht mitbekommen hat. Der Junge... Im Grunde ist er noch immer ein Junge. Er hat die Zwanzig gerade erst überschritten, ist gerade erst volljährig geworden und doch kommt es mir manchmal so vor als wäre er älter als ich selbst. Seine Augen sind nicht die eines jungen Mannes und vielleicht waren sie es auch noch nie. Er ist erwachsen geworden ohne je Kind zu sein und wenn ich an Master Mokuba denke, der gerade dabei ist, seine Pubertät zu erleben, kommt mir der Gedanke, dass Master Seto dergleichen nie vergönnt war. Vom ersten Tag an als er in dieses verfluchte Haus gekommen ist, war seine Kindheit vorbei. Mag sein, dass sie es auch zuvor schon war, aber am ersten Tag lachte er noch. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie Gozaburo Kaiba der gesamten Belegschaft die beiden Jungen vorgestellt hat. Wir waren alle gespannt auf die Beiden. Jeder hatte die Geschichte von der Schachpartie gehört und brannte darauf, den Jungen zu sehen, der Gozaburo Kaiba in seine Schranken verwiesen hatte. Master Mokuba lächelte uns freundlich an und ich wusste auf Anhieb, dass dieser Junge eine Frohnatur ist. Und Master Seto... Schon damals viel mir der Ernst in seinen Augen auf. Er schien alles genau zu beobachten, taxierte jeden genau, doch für einen kurzen Augenblick lächelte auch er. Ein kleines, zaghaftes Lächeln, aber es war warm und freundlich. Wie lange hat es gedauert bis die Wärme, die an diesem Tag noch vorhanden war aus ihm wich? Wenn ich jetzt darüber nachdenke, konnte man die Veränderung wie in einem Film beobachten. Von Mal zu Mal, dass ich ihn sah, wurde der Junge ernster, schweigsamer und kälter. Es war als würde stetig das Leben aus ihm weichen und dennoch... seine Augen zeugten stets von einem letzten Rest Lebendigkeit, nein, von Feuer. Selbst Gozaburo Kaiba entging dieser Trotz nicht, mit dem der Junge standhaft Widerstand leistete obgleich er ansonsten alles tat was der Alte ihm auferlegte. Und Trotz lag auch in seinen Augen als ich zum ersten Mal mitansehen musste, wie der alte Herr ihn schlug. Es war beim Essen. Ich weiß bis heute nicht, was er getan hat, ob er überhaupt etwas getan hat. Ich war gerade dabei meinem Arbeitgeber noch ein paar Unterlagen vorzulegen als er ihn plötzlich mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Master Mokuba zuckte so heftig zusammen und auch ich erschrak. Dann warf Gozaburo seinen Teller auf den Boden und meinte, wenn er das Besteck nicht würde anständig benutzen können, dann solle er eben wie ein Tier vom Boden fressen bis er es gelernt habe. Master Mokuba wollte aufspringen, ich sah es ihm deutlich an und konnte auch das Entsetzen in seinen Augen sehen. Doch ein Blick seines Bruders hielt ihn zurück. Dann erhob sich Master Seto, warf dem Alten einen kurzen Blick zu und kniete sich auf den Boden, um den Rest seines Essens zu sich zu nehmen, wie ihm geheißen wurde. Doch dieser kurze Blick. Er sagte alles. Mir ging er durch Mark und Bein und wäre ich der Alte gewesen, ich hätte mich davor gefürchtet. Aber Gozaburo Kaiba glaubte, dass er die Oberhand habe und sich das nie ändern würde. Wie sehr er sich doch irrte. Vielleicht hätte es ein anderes Ende genommen, wenn er nicht zu weit gegangen wäre, wer weiß. Aber diese Szene war nur eine von vielen und auch wenn Gozaburo den Eindruck zu erwecken versuchte, dass dies alles der Erziehung des Jungen diene, so wusste ich es doch besser. Der Alte hatte Vergnügen daran gefunden. Es machte ihm Spaß den Jungen zu quälen und das der Kleine Widerstand leistete, spornte ihn nur noch mehr als sich weitere Strafen auszudenken. "Wie geht es meinem Bruder, Roland?" vernehme ich wieder die zitternde Stimme von Master Mokuba nachdem er mitansehen musste, wie der Alte seinen Bruder mit dem Rohrstock verprügelte. Ich brauchte nicht nachzufragen woher er es wusste. Er hatte es gesehen, das verriet mir sein panischer Blick und auch wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, so konnte ich es mir doch denken. Man hatte die Schläge durch das halbe Haus gehört. Elise, das Küchenmädchen, war bei jedem neuen Schlag zusammen gezuckt und die Köchin musste sie beruhigen. Wie erbärmlich wir doch waren... Wir saßen da und hörten mit einem beklemmten Gefühl im Herzen zu, doch keiner wagte sich etwas zu sagen. Wir sprachen nicht einmal untereinander darüber, tauschten nur scheue Blicke aus und irgendjemand, meistens ich, schlich sich nach oben sobald die Schritte des Alten verhallt waren, um nach dem Jungen zu sehen. Und gleichgültig was auch in diesem Zimmer geschah, ich habe ihn nie wirklich weinen gesehen danach. Von Mal zu Mal wurden seine Züge härter und sein Blick eisiger und es versetzte mir jedes Mal einen Stich, ihn so zu sehen. Ich gebe mir einen Ruck und gehe weiter in mein Zimmer. Diese Zeiten sind vorbei, rufe ich mir zurück ins Gedächnis. Aber sie haben ihre Spuren hinterlassen. Tiefe Narben, die nie verschwinden werden. Mein Koffer ist schnell gepackt. Da ich Master Kaiba so oft auf seinen Reisen begleite, habe ich genau wie er eine gewisse Routine entwickelt. Seltsamerweise fällt es mir dieses Mal allerdings leichter, meine Sachen in den kleinen Trolley zu packen. Die Erleichterung, Master Mokuba in guten Händen zu wissen, und die Freude, den Jungen schon bald wieder zu sehen, hilft mir meine Sorgen bezüglich seines Bruders zu verdrängen. Natürlich kann ich den Abend nicht vergessen als Master Kaiba nahe daran war zusammenzubrechen. Ich hatte zwar mit einer heftigen Reaktion gerechnet, ich wusste, dass sie nicht ausbleiben konnte, aber ihn so zu sehen, war mehr als ein Schock. Obgleich er stets bemüht ist, sich seine Gefühle nicht ansehen zu lassen, war es doch unvermeidbar, dass diese Sache, die Dämme würde brechen lassen. Doch ihn derart an sich zweifeln zu sehen... "Ich hätte das nie getan. Ich schwöre es ihnen. Ich mag vielleicht wie mein Adoptivvater geworden sein, aber Mokuba... nein, ich hätte nie..." Gleichgültig was man über ihn denken mag, aber dergleichen würde er nie tun. Das weiß ich nur zu gut. Daran hätte ich nie gezweifelt. Ja, er hatte selten Zeit für seinen Bruder, aber wann immer es ihm möglich war, hat er sich bemüht für ihn da zu sein. Und all sein Bestreben galt Master Mokuba, auch wenn er vielleicht das Ziel auf seinem Weg aus den Augen verloren hat oder vielmehr nicht begriff, dass er es im Grunde längst erreicht hatte. Ich seufze und schließe die Tür hinter mir. Als ich gerade die Treppe erreicht habe, höre ich ein kurzes Klingeln. Überrascht stelle ich meinen Koffer ab und gehe zur Haustür. Ich betätige den Knopf der Sprechanlage und frage auf gewohnte Weise: "Kaiba Residenz. Sie wünschen?" Es dauert einen Moment bis man mir antwortet. Ich höre wie die Person kurz durchatmet, ehe sie sich atemlos meldet. "Guten Tag, Roland, hier ist Tea Gardner." Ich nicke unwillkürlich und öffne per Knopfdruck das Tor. "Kommen sie zum Haus, Fräulein Gardner." erwidere ich und öffne bereits die Tür. Ihre Schritte sind schnell und sie braucht nicht lange um den Vorgarten zu durchqueren. Als sie mich sieht, lächelt sie und ich nicke ihr automatisch zu. "Guten Tag." begrüße ich das Mädchen und halte ihr die Tür auf, damit sie eintreten kann. Ihr Blick fällt direkt auf den Koffer. "Sie verreisen?" fragte sie und ich nicke. "Ich habe gerade mit Master Kaiba telefoniert. Er wünscht, dass ich zu Master Mokuba in die Staaten fliege." erkläre ich und ihre Augen leuchten auf. "So? Das ist gut. Mokuba wird sich freuen." erwidert sie und ich nicke. "Deshalb bin ich auch hier. Ich wollte fragen, ob sie Kaiba endlich erreichen konnten, aber das hat sich ja jetzt erübrigt." meint sie und dergleichen dachte ich mir bereits. Obgleich Master Kaiba stets bemüht war, diese jungen Leute von sich fernzuhalten, die auf unablässige Art versuchten, seine Freunde zu werden, vermochte er es nicht sich ihnen zu entziehen. Anfangs habe ich nicht verstanden, warum sie so vehement um ihn bemüht waren, vor allem der kleine Muto schien geradezu ergriffen von missionarischem Eifer, der mir vollkommen unverständlich war. Doch mit der Zeit habe ich erkannt, dass die jungen Leute sich ihre Gedanken um Master Seto machten und auch teilweise um ihn besorgt waren, ob er es nun wollte oder nicht. "Gibt es etwas neues?" fragt das Mädchen auch schon weiter und ich schüttele den Kopf. Master Kaiba hat mir zwar in kurzen Zügen die jüngsten Entwicklungen geschildert, aber ich bin nicht sicher ob er es gut heißen würde, wenn ich diese Informationen Preis gebe. "Ich weiß nur, dass Master Kaiba eine Spur verfolgt und solange möchte er Master Mokuba der Obhut von Joey Wheeler überlassen." erzähle ich ihr und sie strahlt mich an. "Das ist gut." befindet sie und ich frage mich unwillkürlich ob sie in diesem Moment das Gleiche denkt wie ich. Bei ihrem letzten Besuch haben wir kurz darüber gesprochen, dass Master Kaiba und Joey Wheeler nicht unbedingt... nun, ein harmonisches Duo in der Vergangenheit waren und dies nun zu Komplikationen führen würde, aber das Mädchen war sich sicher, dass die Beiden es schaffen würden, ihre Differenzen zu begraben. Ich hegte allerdings so meine Zweifel, doch sagte ich ihr nichts davon. Ich weiß nur zu gut um Master Kaiba´s gespanntes Verhältnis zu dem jungen Mann. Oft genug durfte ich mir ihre Wortgefechte mitanhören und stets habe ich mich gefragt, warum die Beiden derart aufeinander reagieren. Der blonde Junge war im Grunde ohne jede Bedeutung für Master Kaiba. Er war es nicht, der ihm seinen Titel abnahm und ihn mehr als einmal besiegte und doch schien Master Kaiba was ihn anbelangte noch verbissener zu sein als in Bezug auf seinen Erzfeind. "Ich wünschte, ich könnte mitkommen." höre ich sie sagen. "Aber ich bin froh, dass Mokuba in Sicherheit ist und dass Kaiba es endlich weiß. Ich kann mir vorstellen, dass ihm ein riesiger Stein vom Herzen gefallen ist. Yugi wird auch wahnsinnig erleichtert sein." teilt sie mir in vertraulichem Ton mit. Ich nicke. "Ja, Master Kaiba war auch sehr erleichtert. Ich bin allerdings auch beruhigt." stimme ich zu und denke unwillkürlich an den kleinen Jungen, der Master Kaiba wieder und wieder in diesem für ihn so wichtigen Spiel geschlagen hat. Auch er war einmal hier, um mich nach den Brüdern zu fragen und seine Sorge war ihm deutlich anzusehen. Auch wenn Master Kaiba sich bemühte, den Kindergarten, wie er die kleine Gruppe stets nannte, von sich fernzuhalten, an ihrer Anteilnahme hat dies keineswegs etwas geändert. Im Gegenteil. Ich glaube, dass sie ihn dennoch als einen von ihnen ansehen und dieser Eindruck beruhigt mich in gewisser Weise. "Ist Bakura noch bei ihm?" will sie weiter wissen. Ich nicke. "Soweit ich unterrichtet bin, ja." Sie runzelt leicht die Stirn. Allem Anschein nach behagt ihr dieser Gedanke keineswegs. Sie sagt jedoch nichts. "Nun, dann hoffe ich, dass Kaiba in der Lage ist, diese ganze Sache bald aufzuklären." meint sie stattdessen. "Können sie eigentlich so einfach weg? Ich meine, was hat die Polizei gesagt?" "Offiziell wird noch nach Master Kaiba gefahndet. Die Ermittlungen in Frankreich haben jedoch - natürlich - nichts ergeben." erkläre ich den aktuellen Stand. "Was mich anbelangt, so habe ich keinerlei Auflagen. Ich gehe allerdings davon aus, dass man mich beobachtet und auch die eingehenden Gespräche hier abhört. Ich habe meinen Flug auch so gebucht, dass man mein eigentliches Ziel nicht direkt zu erkennen vermag. Nach einem Zwischenstopp werde ich unter anderem Namen weiterfliegen." Tea Gardner mustert mich einen Augenblick erstaunt. "Das klingt wie in einem Krimi." befindet sie und schmunzelt leicht. Ich nicke. "In gewisser Weise befinden wir uns auch in einem, wenn ich das so sagen darf." erwidere ich ernst und sie nickt. "Sie haben natürlich Recht." Für einen Moment herrscht betretenes Schweigen. "Kann man Kaiba denn irgendwie erreichen? Ich meine, Yugi und ich würden gerne mit ihm reden." fragt sie dann und ich überlege kurz. Ich bezweifle, dass es Master Kaiba recht wäre, wenn ich die Nummer, die er mir gegeben hat, weitergeben würde. "Ich werde ihm gerne ausrichten, dass sie sich nach ihm erkundigt haben." sage ich also und sie scheint den Wink zu verstehen. "Tun sie das, Roland und grüßen sie ihn. Sagen sie ihm, dass sowohl Yugi als auch ich und auch Ryou an ihn denken und ihm auch jederzeit helfen, wenn es ihn unserer Macht steht. Mit Mokuba habe ich ja bereits gesprochen..." Ich nicke und überlege kurz ob ich ihr von der versuchten Entführung erzählen soll, aber ich vermute, dass Joey Wheeler das noch tun wird. "Dann gehe ich mal wieder." höre ich sie sagen. "Sie haben sicher noch einiges vorzubereiten." Ich nicke. "Danke, dass sie vorbeigekommen sind, Fräulein Gardner." erwidere ich und sie lächelt. "Sagen sie bitte Tea, ja? Fräulein Gardner hört sich seltsam an... und wir sind ja auch irgendwie, naja, ein Team, oder?" Sie zwinktert mir zu und ich hüstele leicht verlegen. "Wie sie wünschen." entgegne ich und sie lacht angesichts meiner steifen Ausdrucksweise. Dann geht sie auch schon zur Tür, hebt noch kurz die Hand zum Gruß und ist dann auch schon verschwunden. Ich sehe ihr noch einen Moment nach, dann schüttele ich mit einem Lächeln auf den Lippen den Kopf und begebe mich ins Arbeitszimmer, um mich um die weiteren Aufgaben zu kümmern. Es ist ein merkwürdiges Gefühl sich dem Schreibtisch zu nähern und zu wissen, dass Master Kaiba dort nicht sitzt und sich auch nicht in der Firma befindet. Die Unterlagen, die ich benötige, sind schnell zusammen gestellt und mein Blick fällt kurz auf das Bild von Master Mokuba, dass auf dem Schreibtisch steht. In der Firma hatte er das gleiche Bild, allerdings in einer Schublade verborgen, und wieder einmal fällt mir auf, wie unpersönlich ansonsten dieser Tisch, der ganze Raum ist. Vielleicht wäre es besser gewesen, dieses Haus nach dem Tod von Gozaburo Kaiba zu verlassen. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Master Kaiba das auch tun würde. Doch aus irgendeinem Grund entschied er sich hier zu bleiben. Etwas, dass ich nie verstanden habe. Zuviele böse Erinnerungen sind mit diesem Haus verbunden und ich habe mich auch stets gefragt, warum er nicht wenigstens ein anderes Zimmer bezogen hat. Doch er veränderte nicht einmal wirklich etwas an seinem Zimmer. Während er Master Mokuba seine Räume nach eigenem Ermessen gestalten ließ, veränderte sich sein eigener Raum kaum merklich. Wieder kommen mir seine Worte in den Sinn, seine Aussage, dass er so wie sein Adoptivvater geworden sei und ein Schauder läuft mir über den Rücken. In gewisser Hinsicht mag das stimmen. Er ist ein ebenso kalter und unbarmherziger Geschäftsmann geworden und genau wie der alte Herr hat er sich jede Art von Emotion versagt. Doch ich weiß, dass er in seinem Inneren immer noch er selbst ist, gut verborgen unter einer dicken Schicht aus Eis. Und erneut verspüre ich die stille Hoffnung, dass es irgendwann gelingen wird, dieses Eis zu schmelzen. Kapitel 33: Hitzewelle oder Konfrontation Teil 2 ------------------------------------------------ Ich schlucke etwas unsicher. "Ganz toll, Kaiba. Genau so eine Frage kann ich gerade echt nicht gebrauchen!" denke ich bei mir und suche fieberhaft nach einer plausibelen Antwort. Warum verhalte ich mich auch so bescheuert? Kein Wunder, dass er mich so etwas fragt. Ich schaffe es ja noch nicht mal ihm länger als fünf Sekunden in die Augen zu sehen. "Naja..." setze ich an und stelle fest, dass gerade der letzte Rest Farbe aus seinem Gesicht verschwindet. "Geht´s dir nicht gut, K-Seto?" frage ich als er sogar den Eindruck macht zu taumeln. Er schüttelt energisch den Kopf und richtet sich auch wieder zu voller Größe auf. Doch auch Mokuba sieht ihn besorgt an. "Es ist alles bestens." meint er, aber ich sehe ihm an, dass er lügt. Was er allerdings plötzlich hat, ist mir ein Rätsel. Doch was es auch ist, es bringt ihn scheinbar von seiner Frage an mich ab. Zumindest hoffe ich das sehr. Denn ich weiß nach wie vor nicht, wie ich mein Verhalten erklären soll. Aber das Glück ist mir nicht hold. Kaiba hat sich scheinbar wieder gefangen und sieht mich erwartungsvoll an. Ich zucke mit den Schultern. "Hey, ich wurde eben noch überfallen und mit einer Waffe bedroht!" meine ich dann und bin froh, dass meine Stimme nicht so unsicher klingt wie ich mich fühle. "Da ist es doch kein Wunder, dass ich etwas durch den Wind bin. Passiert mir nämlich nicht gerade jeden Tag. Und überhaupt... es kann ja nicht jeder solch eine Selbstbeherrschung an den Tag legen wie du, Kaiba." Mein Tonfall ist schärfer als ich es beabsichtigt hatte und er letzte Satz rutscht mir auch ungewollt heraus. Seine Wirkung verfehlt er allerdings nicht. Er sieht es direkt wieder als Angriff und auch wenn ich das keineswegs beabsichtigt hatte, bin ich irgendwie erleichtert. Das ist schließlich gewohntes Gelände, vertrautes Gebiet. Er zieht die rechte Braue in die Höhe und schenkt mir einen sarkastischen Blick. "Ach? Ich dachte, in Amerika ist so etwas an der Tagesordnung?" meint er spöttisch. "Und ich hätte auch gedacht, dass du ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung aufzubringen vermagst, doch in der Hinsicht hat sich wohl nichts geändert." Er verschränkt die Arme vor der Brust und grinst. "Bei dir hat sich allerdings auch keine so große Entwicklung eingestellt." kontere ich auch schon und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich spüre wie eine Hitzwelle durch meinen Körper geht und obgleich ich diese Art von Konversation mit ihm gewohnt bin, ist es doch heute etwas anderes. Ich schaffe es zwar ihn anzusehen, aber seine Augen... oh Mann. Der Blick geht mir durch und durch, aber keineswegs auf altbekannte Art. Vielmehr muss ich an Lucy´s Augen denken, die ähnlich aussehen, wenn sie kurz vor dem Höhepunkt steht und sich im nächsten Moment auch schon an mich klammert. Wie Kaiba´s Augen in diesem Moment wohl aussehen? Ob seine Züge weicher werden, wenn er über die Kippe springt? Ich schlucke hart und höre gar nicht was er als Nächstes sagt, denn ich spüre wie mein Blut sich in der Mitte meines Körpers zusammeln beginnt. "Scheiße!" durchzuckt es meinen Verstand und ich habe nicht die geringste Ahnung was ich dagegen machen soll. Ich beuge mich leicht nach vorne, aber ich spüre bereits, wie meine Anzugshose zu spannen beginnt und Mokuba wirft mir einen fragenden Blick zu. "Bauchschmerzen." erkläre ich mit schiefem Grinsen. "Ich glaube, ich muss mich mal übergeben." Kaiba mustert mich einen Moment, dann verändert er seine Haltung und sieht mich besorgt an. Ich sehe wie er den Mund öffnet, um etwas zu sagen, aber da bin ich schon auf den Beinen und haste in Richtung des Badezimmeres. Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt atme ich erleichtert auf. Fuck, so was kann auch nur mir passieren. Gerade bin ich noch in einem Wortgefecht mit meinem Erzfeind und jetzt habe ich einen Ständer. Etwas unschlüssig stehe ich da und überlege was ich jetzt tun soll. Dann schalte ich das kalte Wasser an und schon als es meine Hände berührt habe ich den Eindruck, dass die Hitze in meinem Körper nachlässt. Als mein Blick den Spiegel streift, lächele ich mich gequält an. Das ist doch verrückt! Ich bin weder schwul noch mag ich diesen Kerl, aber seine Wirkung auf mich ist wirklich eindeutig. Herrje, wenn er das gesehen hätte. Er hätte sich doch ausrechnen können, was das zu bedeuten hat. Ich öffne meine Hose und vernehme im gleichen Moment auch schon Mokuba´s besorgte Stimme: "Joey? Können wir irgendwas für dich tun?" Ich seufze kurz. Etwas tun? Gute Frage. Die Antwort, die mir auf der Zunge liegt, ist mehr als verrückt und bei dem Gedanken muss ich sogar kurz grinsen. "Ähm... nein, ich brauch nur einen Moment." erwidere ich mit gepresster Stimme während vor meinem inneren Augen Kaiba aufsteigt. Ich schlucke hart und bemühe mich meine Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren. Zum Beispiel auf den Überfall, die Waffe in meinem Rücken. Die letzte Jahresbilanz, die mich so viele Nerven gekostet hat. Und siehe da, es zeigt Wirkung. Dem Himmel sei Dank!! Die Erleichterung, die mich überkommt, ist unbezahlbar. Nur der Gedanke, dass ich das Bad auch wieder verlassen muss, trübt meine plötzliche Glücksseligkeit. Warum muss es auch ausgerechnet Kaiba sein? Das ist doch wirklich ein ganz übeler Scherz. "Na hör mal, Joey, was ist daran denn so schlimm? Ok, hättest du dich in jemanden wie Jack Black verliebt, naja, dann hätte ich an deinem Geschmack zweifeln müssen, aber Kaiba ist doch echt mal ne Sahneschnitte. Also mich dürfte der jederzeit rannehmen!" Danke, das muss mir jetzt natürlich auch wieder in den Sinn kommen und ich sehe Lucy´s Zwinkern auch schon wieder vor mir. Natürlich musste sie auch noch ihre Theorie, dass ich der weibliche Part in dieser Kombi sein würde, noch vertiefen. Dabei habe ich festgestellt, dass Worte wie "rannehmen" in Verbindung mit Kaiba eine zwiegespaltene Wirkung auf mich haben. "Joey?" vernehme ich nun den kühlen Tonfall meines Lieblingsfeindes und zucke zusammen. "Brauchst du vielleicht etwas?" Der Kerl hat sich den passenden Moment ausgesucht, um nett zu mir zu sein. Was ich brauche, ist eine kalte Dusche. Aber ich kann hier ja wohl schlecht unter die Dusche steigen, das wäre mehr als absonderlich. "Ich bin gleich wieder auf den Beinen." erkläre ich verlegen. "Gebt mir noch einen Moment." Ich klatsche mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und atme tief durch. Doch es braucht ein paar Minuten bis ich in der Lage bin, die Tür wieder zu öffnen. Mokuba und Kaiba sehen mich sofort an und beide machen einen besorgten Eindruck. Ich lächele unsicher. "Hab´ scheinbar was falsches gegessen." erkläre ich und Mokuba nickt. "Das amerikanische Essen ist auch..." hebt Kaiba an und verzieht seinen schönen Mund. Ich nicke zustimmend. "Gewohnungsbedürftig, ich weiß." beende ich seinen Satz und zu meiner Überraschung erwidert er nichts darauf. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass er auch irgendwie neben sich steht. Was er mir vorhin unterstellt hat, nun, es trifft auch auf ihn zu. Er benimmt sich auch keineswegs wie sonst und ich frage mich insgeheim ob das mit Bakura zusammenhängt. Doch darüber will ich gar nicht weiter nachdenken. Fehlt noch zu meinem Glück, dass ich auf Bakura eifersüchtig werde! "Bist du das nicht schon bereits?" Ich ignoriere die kleine Stimme und versuche mich wieder auf den eigentlichen Grund zu besinnen warum wir hier sind. "Ich nehme an, dass ich Roland bei uns unterbringen soll?" frage ich Kaiba und bin fast stolz auf mich, dass meine Stimme wieder halbwegs nach mir klingt. Er nickt. "Das wäre natürlich sehr praktisch." erwidert er und wirft Mokuba einen kurzen Blick zu. "Roland wir dir auch ein paar Dinge bezüglich deines Vermögens erläutern." erklärt er seinem Bruder und wendet sich dann wieder mir zu. Wieder treffen sich unsere Blicke und sofort durchzuckt mich wieder dieses Gefühl. Direkt unheimlich. Ich komme mir vor wie ein Teenie, dem es beim Anblick seines Schwarms den Atem verschlägt. "Roland wird deinem Vater und dir alles Notwendige ebenfalls erläutern." höre ich ihn sagen und nicke. Einen Moment mustert er mich und ich befürchte schon, dass ihm seine ursprüngliche Frage wieder einfallen wird als die Tür sich öffnet und Bakura eintritt. Die Miene des Weißhaarigen ist ernst und es ist eindeutig, dass irgendetwas passiert sein muss. Sowohl Mokuba als auch Kaiba richten den Blick auf Bakura und erst jetzt bemerke ich, dass Alister hinter ihm steht. "Was ist los?" fragt Kaiba, doch Bakura antwortet erst als der Rothaarige die Tür hinter ihm geschlossen hat. "Ich schätze, ich weiß, wer versucht hat, Joey und Mokuba zu entführen." meint er seelenruhig und ich reiße die Augen auf. "Was?" frage ich ungläubig. "Wer? Wie..." "Bandit Keith." verkündet Bakura mit einer schier unerschütterlichen Gelassenheit und ich starre ihn an. "Wie kommst du auf den?" will ich wissen. Der Weißhaarige deutet mit dem Kopf auf Alister. Der Rothaarige räuspert sich. "Ich habe eben eine Nachricht von Valon bekommen. Er meinte, er wollte uns warnen." berichtet Alister in ruhigem, gleichgültigen Tonfall. "Er hat scheinbar mitangehört wie jemand über die geplante Entführung geredet hat und dabei fiel Keith´s Name." Ich brauche einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Dann blicke ich zu Kaiba. Seine Miene ist mal wieder eine regungslose Maske, aber ich sehe ihm deutlich an, dass es in seinem Kopf arbeitet. Die Frage, die er im nächsten Moment stellt, überrascht mich allerdings. "Woher wusste Valon, dass du bei uns bist?" fragt er scharf und ich sehe wie Alister leicht zusammen zuckt. Der Rothaarige schluckt verlegen. "Ich habe es ihm geschrieben." gibt er dann kleinlaut von sich und Kaiba mustert ihn argwöhnisch. "Wieso?" kommt auch schon die nächste kühle Frage und erneut schluckt der Rothaarige. "Naja, wir... wir haben gechattet und er wollte wissen wo ich bin und..." Er wirft Bakura einen unsicheren Blick zu und der Weißhaarige seufzt. "Valon hilft mir hin und wieder ein wenig aus. Keine Sorge, er wird nichts über deinen Aufenthaltsort verlauten lassen. Er weiß was sonst passiert." erklärt der Dieb und Kaiba sieht ihn einen Moment schweigend an. "Ich will es für ihn und auch dich hoffen." erwidert er schießlich. "Was weiß Valon sonst noch? Hast du ihm auch von Siegfried erzählt?" Der Rothaarige schüttelt den Kopf. "Ich habe ihm nur gesagt, dass Bakura und ich im Augenblick für dich arbeiten." sagt er und Kaiba nickt. "Es werden keine weiteren Informationen nach draußen gehen. Das gilt für jeden. Keine Ausnahmen." erklärt er schließlich entschieden und seuftz. "Könnte es denn Keith gewesen sein?" will Mokuba von mir wissen. Ich überlege kurz. Es ist eine Weile her, dass ich den Typen gesehen habe, aber möglich wäre es. Ich hatte auch den Eindruck, die Stimme zu kennen. "Möglich, von der Statur her, ja... Ich bin allerdings nicht sicher." antworte ich etwas unsicher. "Keith´s Aufenthaltsort ist sicher unbekannt." höre ich Kaiba sagen und habe den Eindruck, dass er nur laut überlegt. "Aber er muss den Autrag schließlich von jemandem bekommen haben... Der Kerl würde für Geld alles tun und er ist Amerikaner, also keine so unlogische Wahl. Zudem kennt er sowohl Mokuba als auch dich, er hätte euch nicht mit jemand anderem verwechselt." Ich nicke zustimmend. "Wenn er es tatsächlich war, war dieser Überfall wohl durchdacht und das man keinen "Fremden" angeworben hat, spricht für sich." überlegt er weiter und erneut begegnen sich unsere Blicke. "Denkst du, du könntest Nachforschungen über seinen Verbleib anstellen lassen? Roland könnte dir behilflich sein. Dann hätten wir immerhin eine zweite Spur." meint er und ich nicke. "Klar, das lässt sich machen. Die Idee ist gut. Für den Fall, dass aus Siegfried nichts rauszukriegen ist, können wir uns Keith vorknöpfen." entgegne ich und Kaiba nickt. "So habe ich mir das gedacht." stimmt er zu. "Vielleicht wäre es auch nicht schlecht, wenn Mokuba und du für eine Weile die Stadt verlassen. Du hast doch bestimmt noch eine andere Wohnung oder ein Haus... " überlegt er weiter und für einen kurzen Moment durchzuckt mich der Gedanke, dass wir hier tatsächlich gerade eine normale Unterhaltung führen. Ein Dialog ohne Anspielungen, Sarkasmus oder Kosenamen. Ich spüre wie meine Wangen wieder zu glühen beginnen, ignoriere aber das warme Gefühl und konzentriere mich auf Kaiba´s Worte. "Wir haben ein Sommerhaus." sage ich. "Außerhalb der Stadt, dort könnten wir hin. Die Schule lassen wir wohl erst einmal ausfallen. Das erscheint mir zu gefährlich." Kaiba nickt. "Man wird es sicher wieder versuchen." meint er ernst und sein Blick streift Mokuba. "Ich bin froh, wenn Roland bei dir ist." höre ich ihn dann sagen und mit einem Mal wirkt er wieder wie der große Bruder, nichts weiter und ich muss wieder an Mokuba´s Worte denken, dass er eigentlich ein gutes Herz habe. Ob ich diese Seite jemals näher kennenlernen werde? "Am Besten ihr fahrt zurück in die Wohnung." sagt Kaiba nach einer Weile. Ich nicke. "Ich rufe Victor an, damit er uns abholt." erkläre ich und ziehe mein Handy aus der Tasche. "Aber Seto... ich will noch nicht gehen... kannst du nicht mitkommen?" fragt Mokuba. Der ältere Kaiba zögert. "Ich muss noch ein paar Kleinigkeiten erledigen, aber ich werde noch einmal vorbei kommen ehe wir abfliegen." sagt er schließlich und lächelt seinen Bruder an. "Versprochen, Mokuba." Sein Wort scheint dem Kleinen zu genügen, denn seine Züge hellen sich sofort wieder auf. Ich telefoniere kurz mit Victor und er erklärt mir, dass er sich umgehend auf den Weg zu uns macht. Als ich das Gespräch beendet habe, sieht Kaiba mich an. "Ich werde mir ein neues Handy zum telefonieren besorgen, ich gebe euch später die Nummer, damit ihr mich erreichen könnt." erklärt er und erneut habe ich den Eindruck, dass er eigentlich gern noch mehr sagen will. Als wir das Hotel eine halbe Stunde später verlassen, ist mir mulmig zumute und Mokuba scheint keineswegs zu entgehen, dass ich mich anders verhalte als sonst. Wir sitzen noch in der Limousine als er mich plötzlich fragt: "Warum warst du heute so anders, Joey?" Er wirft mir einen durchdringenden Blick zu, der sehr nah an den von Kaiba herankommt und ich schlucke. "Und sag jetzt nicht, dass es was mit dem Überfall zu tun hatte. Es liegt an meinem Bruder, oder?" bohrt der Kleine nach. Ich nicke unwillkürlich und er seufzt. "Ist es, weil ich mir gewünscht habe, dass ihr besser miteinander auskommt?" fragt er weiter. "Ich weiß, du magst ihn nicht und er war ja auch bisher nie nett zu dir, ich meine... ich kann verstehen, dass du ihn nicht einfach als Freund sehen kannst..." "Das ist es nicht, Mokuba." unterbreche ich ihn und er sieht mich fragend an. "Es ist..." Ich schüttele leicht den Kopf. "Es ist einfach kompliziert." Habe ich das nicht auch Lucy so gesagt? Mokuba´s Miene ist ernst. "Ich weiß, dass das alles nicht so leicht ist. Für Seto genauso wenig wie für dich." höre ich ihn im nächsten Augenblick auch schon sagen. "Seto war vorhin auch irgendwie komisch. Ich dachte, ihr beide könntet irgendwie..." Er zuckt mit den Schultern, aber ich verstehe was er meint. Er würde sich einfach wünschen, dass sein Bruder und ich uns verstehen und nicht ständig diese merkwürdige Anspannung zwischen uns herrschen würde. Sie ist ja nicht zu übersehen. Etwas an seinem Blick verleitet mich dazu, die nächsten Worte zu sagen. "Ja, es ist nicht so, dass ich keine freundschaftliche Ebene mit deinem Bruder finden will, im Gegenteil. Ich würde mir wünschen, dass er mich..." Ich beende den Satz nicht, aber der Kleine scheint auch so zu verstehen und ich bereue sofort, dass ich überhaupt etwas gesagt habe und dann auch noch das! "Du wünschst dir, dass Seto dich mag?" hakt Mokuba allerdings schon nach und klingt sichtlich erstaunt. Ich zucke verlegen mit den Schultern. "Ich meinte, dass wir besser mit einander auskommen, würde ich mir wünschen und..." Wieder breche ich ab und weiche auch seinem Blick aus. Ab und an hat Mokuba so eine seltsame Art mich anzusehen, dass ich fast das Gefühl habe, dass er in mir zu lesen versteht. Einen Moment betrachtet er mich und ich befürchte, ich wechsele schon wieder die Farbe. "Magst du Seto denn?"höre ich ihn da auch schon fragen und mein Magen zieht sich schlagartig zusammen. Ich befürchte, mein Kopf gleicht einer Tomate und Mokuba entgeht das keineswegs. Ich sehe, dass seine Augen größer werden und ein kleines, verschmitztes Lächeln in seinem Gesicht erscheint. "Du magst ihn." stellt er trocken fest und ich bin nicht in der Lage zu widersprechen. "Naja, er ist... also... wenn er sich nicht gerade wie ein Oberarsch aufführt..." Ich zucke verlegen mit den Schultern und der Kleine grinst mich an. "Weißt du, ich glaube er mag dich eigentlich auch." sagt er schließlich und es scheint ihm ernst damit zu sein. "Es hat mich immer schon gewundert, warum er sich bei dir nie zurückhalten konnte, ich glaube, ihr zwei seid euch da doch recht ähnlich. Ihr seid beide Dickschädel und schenkt euch nichts. Aber wenn ihr euch einfach mal so nehmen würdet wie ihr seid..." Ich huste auf und beuge mich schlagartig etwas nach vorne als hätte ich mich verschluckt. Da ist es wieder... dieses Wort, in Verbindung mit Kaiba. Nehmen. Oh Gott. "Joey?" Mokuba sieht mich verwirrt an. "Sag jetzt nicht, dass dich das so schockt." Ich winke ab. "Ähm... nein, nein... es ist nur... Ach, ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich stammele heute nur noch unsinniges Zeug. Meine Fähigkeit mich zu artiklieren leidet eindeutig unter meinem Zustand." Ich lache kurz auf, dann werde ich mir bewusst, dass ich mehr gesagt habe als ich wollte und natürlich greift Mokuba besagten Punkt auch sofort auf. "Welcher Zustand?" will er wissen und seine Augen bohren sich geradezu in mich. Tja, gute Frage... Der Zustand in dem man sich befindet, wenn man erkannt hat, dass man sich in Seto Kaiba verliebt hat. Aber das kann ich seinem Bruder ja schlecht sagen. "Nun, wenn du es ihm schon nicht sagen kannst, dann solltest du es Kaiba sagen... Der Zustand wird nämlich anhalten und ich befürchte, es wird sogar noch schlimmer werden." höre ich diese miese Stimme in meinem Kopf sagen und verziehe den Mund als hätte ich etwas eckliges gegessen. Kapitel 34: Überrumpelt ----------------------- "Hallo Kaiba." Ich brauche einen Moment bis ich die Stimme erkenne und erstarre im gleichen Moment auch schon. Ich ahne was folgen wird. Ich werfe Bakura einen Blick zu und der Weißhaarige scheint sofort zu verstehen. Ein Schritt und er ist neben mir, hält sein Ohr dicht an das Handy und hört zu. "Was willst du, Keith?" frage ich und überlege wo dieser Kerl meine Nummer her haben könnte. Er lacht kurz auf. "Du hast mich erkannt? Wow. Ich hätte nicht damit gerechnet. Scheinbar hab ich doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen, was?" Ich ziehe scharf die Luft ein und eine harsche Erwiderung liegt mir auch schon auf der Zunge, aber er fährt bereits fort. "Na, was denkst du warum ich anrufe?" will er wissen und er klingt sichtlich vernügt, was mir deutlich zu verstehen gibt, dass er diese Frage nicht rhetorisch meint, sondern dieses Spielchen weiter spielen will. "Ich nehme an, du hast Mokuba und Wheeler in deiner Gewalt." erwidere ich betont kühl und habe fast den Eindruck, dass es ihm die Sprache verschlägt. Es dauert zumindest einen Moment bis er sich wieder meldet. "Wow." höre ich ihn sagen. "Also wirklich.... du bist echt ein schlaues Kerlchen, Kaiba, das muss man dir lassen. Und ja, du hast Recht." Unwillkürlich schließe ich die Augen.Vor etwa einer halben Stunde haben Wheeler und Mokuba das Hotel verlassen. Scheinbar hat dieser Kerl ihnen aufgelauert und es irgendwie geschafft sie ihn seine Finger zu bekommen. Folglich ist auch mein Aufenthaltsort nicht so unbemerkt, wie ich dachte, doch das spielt augenblicklich nicht wirklich eine Rolle. "Kommen wir zur Sache. Was willst du?" frage ich ohne weitere Umschweife und hoffe innerlich, dass er das Ganze nicht noch weiter in die Länge ziehen will. Er lacht wieder rauh auf und ich verdrehe die Augen. Dieser Kerle ist eine Plage. Ich erinnere mich nur zu gut an seine unqualifizierten Bemerkungen und Kommentare. Typisch Amerikaner. Ein Pradebeispiel für die Stumpsinnigkeit dieses Landes. "Naja..." fängt er an. "Ich schätze, du hättest die Beiden gerne zurück, was?" Bakura gibt neben mir ein verächtliches Geräusch von sich und ich nicke unwillkürlich. "Hast du noch weitere überflüssige Fragen auf Lager?" erwidere ich bissig. "Komm zum Punkt." Allem Anschein nach verfehlt mein Tonfall seine Wirkung nicht. Ich höre ihn zwar penetrant Kaugummi kauen, doch dann kommt er meiner Aufforderung nach. "Also... ich würde ein kleines Treffen vorschlagen." meint er gedehnt. "Dann können wir die Einzelheiten genauer besprechen. Ich schätze, du kannst dir denken, was mein Auftraggeber von dir will, Kaiba." "Wann und wo?" will ich wissen und er gibt mir eine Adresse durch, die mir nicht im Geringsten etwas sagt. Ich wiederhole seine Angaben und er bestätigt. "Sagen wir in einer Stunde? Das müsste genügen." meint er und ich werfe einen Blick auf die Uhr. "Ich werde da sein." entgegne ich und weiß, was er als nächstes sagen wird. "Ach ja... komm alleine und... keine Tricks." Ich lache trocken auf. "Dieses Klischee konntest du natürlich nicht vermeiden, was?" Damit beende ich das Gespräch und wende mich Bakura zu, der alles mit angehört hat. "Eine Falle." bemerkt er und ich nicke. Ich wähle Wheeler´s Nummer, doch es meldet sich nur die Mailbox. Folglich hat Keith die Wahrheit gesagt. Bakura mustert mich aufmerksam. Ich schätze, er denkt das Gleiche wie ich und wie immer hält er sich nicht mit überflüssigem Gerede auf. "Wie gehen wir vor?" will er wissen und es blitzt wieder in seinen Augen auf. Ich überlege kurz. "Nun, ich werde hinfahren müssen." erwidere ich und er grinst. "Gut, dann sollten wir uns auf den Weg machen." meint er und wendet sich Alister zu. "Ich schätze, du ziehst es vor hierzubleiben?" Der Rothaarige nickt etwas verlegen und Bakura bedenkt ihm mit einem amüsierten Blick. Dann wendet er sich wieder mir zu. "Tja, dann nur wir beide, Kaiba." Ich nicke. Ich schnappe mir meine Jacke und die Autoschlüssel und Bakura folgt mir zur Tür. "Ich werde mich auf den Rücksitz legen." erklärt er. "Ich denke nicht, dass man uns jetzt schon beobachtet." Ich erwidere nichts, bin aber mit seiner Idee einverstanden und im Grunde auch froh, dass er mich begleiten will, auch wenn ich nicht sicher bin wie das Ganze ablaufen wird oder ob er mir überhaupt behilflich sein kann. Wir steigen in den Wagen und er bezieht seine Position auf dem Rücksitz. Entweder rechnet Keith damit, dass ich nicht allein komme und ist vorbereitet oder... Nun, im Grunde spielt es keine Rolle. Er wird so oder so vorbereitet sein und ich schätze, er ist auch keineswegs alleine. Schnell gebe ich die Adresse in das Navi ein, dann fahre ich auch schon los. Meine Hände verkrampfen sich um das Lenkrad und ich gehe ihm Kopf meine Möglichkeiten durch. Ich bin unbewaffnet. Zeit, noch eine Waffe zu besorgen, habe ich nicht, aber ich gehe davon aus, dass Bakura seinen Dolch dabei hat. Immerhin etwas. Ob Keith bewaffnet ist, ist fraglich. Wenn er es war, der Wheeler und Mokuba schon in der U-Bahnstation entführen wollte, dann wird er bewaffnet sein. Doch auch das besagt nichts. Einen Mann zu entwaffnen, dürfte kein allzu großes Problem darstellen. Keith ist zwar ein robuster Kerl, aber mit reiner Masse werde ich alleine fertig. "Ich gehe davon aus, dass es sich um ein abgelegenes Gebäude handeln wird." sage ich zu Bakura. "Ich werde alleine rein gehen. Ich gehe davon aus, dass du einen Weg finden wirst, mir unbemerkt zu folgen." Er lacht kurz auf. "Eine Warmwerdübung, nichts weiter." entgegnet er und ich muss grinsen. Typisch für den Dieb, aber gut. "Was denkst du, mit wievielen wir zu rechnen haben?" will er wissen. "Ich rechne mit mindestens drei." entgegne ich. "Keith würde die Nummer sicher nicht alleine durchziehen. Drei erscheint mir am wahrscheinlichsten. Zumal Wheeler auch nicht unbedingt zu unterschätzen ist. Kampflos würde er sich sicher nicht ergeben." Nein, Wheeler hat sicher alles in seiner Macht stehende versucht, um sich zu wehren oder zu entkommen. Gut möglich, dass auch sein Chauffeur gekidnappt wurde. Für solch eine Aktion bedarf es auf jeden Fall mehr als eines Mannes, obgleich Bandit Keith zur Selbstüberschätzung neigt und auch nicht unbedingt eine Leuchte ist. Wie vermutet lotst mich das Navi in eine recht abgelegene Gegend. Ein armes Viertel von New York. Mein Blick streift kurz die relativ verfallenen Häuser. Hier leben sicher nicht viele Leute und wenn jemand hier wohnt, dann interessiert er sich sicher nicht für das was seine Nachbarn so treiben. Ich beschreibe Bakura kurz was ich sehe, denn das Navi zeigt an, dass wir unser Ziel schon fast ereicht haben. Es ist das letzte Haus in dieser Straße und ich parke den Wagen direkt davor. Ich lasse den Zündschlüssel stecken und steige aus ohne noch ein Wort mit Bakura zu wechseln. Der Dieb wird alleine klar kommen, dessen bin ich mir sicher. Ich betrachte mir kurz das Haus, dann schreite ich die Veranda hoch und klopfe an die Tür. Es dauert einen Moment bis ich Schritte vernehme. Dann wird mir geöffnet und ich stehe Bandit Keith gegenüber. "Pünktlich auf die Minute, Kaiba." grinst er mich an und ich bedenke ihn mit einem eisigen Blick. Er blickt kurz hinter mich, scheinbar um sich zu vergewissern, dass ich tatsächlich allein bin, dann öffnet er die Tür und deutet mir an einzutreten. Sofort durchforstet mein Blick den Raum. Ich befinde mich im Flur. Eine Treppe führt nach oben, vom Gang gehen zwei Türen ab. Soweit so gut. Beide Türen sind verschlossen. Der Amerikaner schließt die Tür hinter mir und schreiten dann an mir vorbei. "Komm." meint er und winkt mir über die Schulter leicht zu. Er nimmt die zweite Tür und ich folge ihm. Es ist ein relativ kleiner Raum, unmöbliert und die Fenster wurden mit Brettern zugeschlagen. Das Licht ist spärlich und die Luft abgestanden. Sofort fällt mein Blick auf Wheeler, der an den Heizkörper gefesselt wurde. "Wo ist Mokuba?" frage ich und Keith lacht. "Alles der Reihe nach, Kaiba." erwidert er lässig und ich würde ihn am liebsten packen und gegen die Wand schleudern. Einzig der Gedanke an Mokuba hält mich davon ab. Also sehe ich ihn regungslos an und warte darauf, dass er den nächsten Schritt macht. "Schön dich wiederzusehen, Kaiba." meint er. "Ist ja schon ne Weile her." Dann mustert er mich. "Scheint als würde es dir zur Zeit nicht so gut gehen, was?" Ich presse meine Lippen aufeinander und sehe ihm direkt in die Augen. Der Amerikaner kratzt sich am Kopf. "Smalltalk ist wohl nicht dein Ding, was? Egal. Dann kommen wir eben zur Sache." sagt er schließlich. "Dein Bruder ist nicht hier. Sorry, aber den haben wir wo anders untergebracht." Ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Mein Blick schweift zu Wheeler, der mich entschuldigend ansieht. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde er geknebelt und das Veilchen, dass sein Gesicht ziert, spricht dafür, dass er massiven Widerstand geleistet hat. "Die weitere Vorgehensweise?" frage ich und Keith lacht. "Na, kannst du dir doch denken. Du hast was, was mein Auftraggeber will. Sobald du es rausrückst, bekommst du Mokuba zurück." erklärt er mir grinsend. "Wheeler kannst du so mitnehmen. Der Kleine hat keinen Nutzen für uns. Aber er wollte deinen Bruder einfach nicht rausrücken." Der Amerikaner zuckt mit den Schultern. "Der kleine Hitzkopf musst unbedingt dazwischen gehen. Tja..." Ich nicke unwillkürlich. Dergleichen habe ich mir gedacht. "Wo und wann soll der Austausch stattfinden?" will ich wissen. Es ist offensichtlich, dass er nicht damit rechnet, dass wir die Sache hier und jetzt über die Bühne bringen. Er kratzt sich am Kopf. "Du bekommst alle weiteren Instruktionen per Handy." meint er dann gedehnt. "Du wirst sicher noch ein paar Kleinigkeiten regeln müssen, um die Sache rausrücken zu können, oder?" Ich nicke. "Und dir ist klar, dass mein Boss alles will. Deine ganzen Aufzeichnungen und auch den Prototypen." fügt er hinzu. "Dessen bin ich mir bewusst." erwidere ich kalt. "Allerdings müsste dein Auftraggeber wissen, dass das nicht so einfach ist. Er denkt doch wohl nicht, dass ich den Prototypen bei mir habe." Keith scheint einen Moment zu überlegen. "Nein, natürlich nicht." entgegnet er und ich erkenne, dass er nicht die geringste Ahnung hat um was es eigentlch geht. Nun, das hatte ich auch nicht wirklich vermutet. Wer würde solche Informationen schon an jemanden wie ihn weitergeben? Mein Blick trifft wieder den von Wheeler. "Sag deinem Boss, dass ich alles in die Wege leiten werde. Allerdings dürfte das etwas schwierig werden. In Japan werde ich gesucht." erkläre ich und der Amerikaner grinst. "Jepp, hab davon gehört. Hast den alten Pegasus erledigt, was?" fragt er und ich verdrehe die Augen. Es kostet mich all meine Selbstbeherrschung, ihn nicht zu packen und ihm eine Lektion zu erteilen. Doch was würde das bringen? Er ist ein kleines Licht, er weißt absolut gar nichts. Ich vermute, er hat nicht einmal eine Ahnung wo Mokuba gerade ist. Seine Arbeit ist getan. Er hat die Beiden angegriffen und Mokuba vermutlich einem anderen übergeben. Aber das werde ich sicher gleich von Wheeler erfahren. Auf diesen legen sie natürlich keinen Wert. Sie wissen um mein angespanntes Verhältnis zu Wheeler, folglich ist er als Druckmittel in ihren Augen nutzlos. "An deiner Stelle würde ich verschwinden, Keith." raune ich ihm zu. Er mustert mich einen Moment. "Kannst es wohl kaum erwarten, mich loszuwerden, na, meine Arbeit ist auch getan." Er zuckt mit den Schultern. Dann reicht er mir ein Handy. "Man wird dich in Kürze kontaktieren. Spar dir die Mühe nach Mokuba zu suchen oder mir zu folgen. Ich weiß nicht wo der Kleine ist." erklärt er und ich nehme das Telefon entgegen. Er grinst mich noch einmal an. "Tja, dann wünsche ich den Herrn noch viel Spaß." meint er und schiebt sich einen Kaugummi in den Mund. "Man sieht sich." Ich achte nicht weiter auf ihn, sondern gehe zu Wheeler und nehme ihm den Knebel aus dem Mund. "Fuck off." meint der Blondschopf und ich ziehe eine Braue in die Höhe. Er grinst mich verlegen an. "Ähm...ich will ja nichts sagen, aber dieser Penner hat die Schlüssel." meint er und deutet in Richtung Keith, doch der hat den Raum bereits verlassen. "Bakura wird sich darum kümmern." erkläre ich ruhig und der wirft mir einen skeptischen Blick zu. Dann wird seine Miene ernster. "Es tut mir leid, Kaiba, ich konnte nichts tun. Sie waren plötzlich da und ehe ich wusste, was passiert..." hebt er an, aber ich schüttele nur den Kopf. "Vergiss es." Ich mustere kurz die Handschellen, dann gehe ich in Richtung Flur. Bakura kommt mir bereits entgegen. Scheinbar ist er oben eingestiegen und konnte das Gespräch demnach mitanhören. Er geht an mir vorbei in den Raum und ich beobachte, wie er sich zu Wheeler beugt und sich an den Handschellen zu schaffen macht. "Dämliche Aktion." befindet der Weißhaarige. "Uns für die Nummer herkommen zu lassen..." Er löst die Fesseln mit einer einfachen Bewegung und Wheeler reibt sich seine Handgelenke. "Danke." sagt der Blondschopf und steht auf. Bakura würdigt ihn keines weiteren Blickes. "Ich gehe davon aus, dass man derweil das Hotelzimmer durchsucht hat." erkläre ich nüchtern und beiden sehe mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern. "So würde ich es machen. Welchen Sinn und Zweck sollte es sonst haben, uns hier heraus zu locken?" Bakura nickt. "Leuchtet ein." stimmt er zu. "Dann fragt sich was mit Alister ist." Für einen Moment herrscht Schweigen."Ich denke nicht, dass sie ihm etwas getan haben. Vermutlich hat man ihn außer Gefecht gesetzt, mehr nicht. Er dürfte sich jetzt wahrscheinlich verschnürrt im Hotel befinden." sage ich schließlich und hoffe, dass es sich tatsächlich so verhält. Möglicherweise hat man versucht, Alister Informationen zu entlocken, aber abgesehen von der geplanten Deutschlandreise kann der Rothaarige nicht viel Preis gegeben haben. "Was willst du jetzt tun?" fragt mich Bakura und ich seufze. "Ich werde wohl warten müssen, bis man sich bei mir meldet. Bisdahin werde ich alles notwendige in die Wege leiten, um eine Übergabe vorzubereiten." erwidere ich mit einem leichten Achselzucken und der Weißhaarige mustert mich. "Demnach willst du ihnen deine Erfindung überlassen?" hakt er nach. Ich lächele ihn an. "Es geht um Mokuba." entgegne ich und er nickt. Dann wendet er sich Wheeler zu. "Was genau ist passiert?" will er wissen. Der Blondschopf erwidert seinen Blick mit einem trotzigen Funkeln. "Wir waren im Parkhaus, sind gerade ausgestiegen und plötzlich waren da drei Typen. Sie kamen aus dem Nichts. Bevor Victor reagieren konnte wurde er auch schon niedergeschlagen, dann haben sie mir eins übergezogen und als ich wieder wach wurde, war ich hier..." erklärt Wheeler und ich nicke. So ähnlich hatte ich mir den Überfall vorgestellt. Bakura mustert ihn noch einen Moment, dann grinst er. "Reife Leistung, Joey." meint er spöttisch und ich sehe wie der Blonde explodiert. "Komm mir nicht so!" fährt er den Weißhaarigen an. "Denkst du, ich hätte nicht alles unternommen..." Aber Bakura lässt ihn nicht ausreden. Er zuckt mit den Schultern und fällt ihm betont lässig ins Wort. "Naja, mit dir fertig zu werden, ist ja scheinbar nicht weiter schwer..." sagt er und ich rechne damit, dass Wheeler auf ihn losgeht. Das Hündchen hebt bereits die geballte Faust. "Hört auf!" fahre ich dazwischen. "Mokuba wurde entführt, es gibt wichtigeres als sich über das wie und warum zu streiten." Bakura bedenkt mich mit einem undefinierbaren Blick. Dann lächelt er. "Ich geh schon mal nach draußen." verkündet er und wirft beim rausgehen Wheeler einen Blick aus blitzenden Augen zu, sagt zum Glück aber nichts mehr. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und sehe den Blonden an. Die Wut über Bakura´s Kommentare stehen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und ich kann ihn sogar verstehen. Gerade als ich etwas sagen will, geht ein Ruck durch seinen Körper und er sieht mir direkt in die Augen. "Ich weiß selbst, wie dämlich das aussehen muss, Kaiba. Aber es geschah alles so schnell. Glaub mir... wenn ich etwas hätte tun können, ich hätte es getan." sprudelt es dann aus ihm heraus und die Art wie er mich ansieht geht mir durch Mark und Bein. Sein Blick hat etwas merkwürdig flehendes und ich vermute, dass er glaubt, ich würde ihn nun dafür zur Rechenschaft ziehen. Langsam schüttele ich den Kopf. Eine Geste, die er scheinbar missversteht, denn im nächsten Moment steht er neben mir und ich muss dem Impuls widerstehen zurückzuweichen. "Es tut mir leid, ok?" fängt er von neuem an und streckt seine Hand nach mir aus. Doch dann hält er in seiner Bewegung inne, seine Augen nehmen einen merkwürdigen Ausdruck an, den ich nicht wirklich zu deuten vermag und er lässt seine Hand auch wieder sinken. Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund lege ich ihm die Hand auf die Schulter und sehe ihn eindringlich an. "Es ist nicht deine Schuld. Die Kerle haben euch überrascht. Wer hätte auch damit gerechnet, dass sie euch im Parkhaus auflauern? Wenn überhaupt, dann ist es mein Fehler. Ich hätte vorraussehen müssen, dass sie einen zweiten Versuch wagen würden." erkläre ich ruhig und meine Stimme nimmt einen für mich selbst ungewohnten Tonfall an. Wheeler blickt mich einen Moment ungläubig an und um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, denn augenblicklich wirkt er wie ein Häufchen Elend, was das Veilchen in seinem Gesicht noch verstärkt, lächele ich ihn an. "Ich mache dir keinen Vorwurf, Joey!" Es ist seltsam, aber meine Stimme klingt genauso wie wenn ich mit Mokuba rede und das überrascht mich genauso sehr wie Wheeler. Seine Augen weiten sich und für ein paar Sekunden sieht er mich an, sein Mund klappt auf und zu und ehe ich weiß was passiert beugt er sich zu mir und dann liegen seine Lippen auch schon auf meinen. Ich blinzele kurz ungläubig, dann senken sich meine Lider wie von selbst und ich fühle nur noch seine weichen Lippen, seinen warmen Atem und das seine Hand sich in meinen Nacken legt. Das Gefühl, dass mich mit einem Mal durchströmt, ist unbeschreiblich. Fast glaube ich, dass sich in meinem Kopf alles dreht und Ameisen unter meiner Haut routieren. Doch ich verspüre keinerlei Wunsch, Wheeler von mir zu stoßen. Ich glaube, dass ich ihn sogar an mich ziehe, aber wenn, dann tue ich das unbewusst. Wie lange der Kuss letztlich dauert, weiß ich nicht. So plötzlich wie er begonnen hat, endet er auch schon wieder. Wheeler zieht sich zurück und ich öffne langsam und verwirrt die Augen, nur um in seine zu blicken. Er schluckt schwer und seltsamerweise verspüre ich neben all den anderen verwirrenden Gefühlen, so etwas wie Erleichterung, dass tatsächlich Wheeler vor mir steht. Dass er keine Fata Morgana ist. Sekunden vergehen und wir sehen uns nur an, dann öffne ich langsam den Mund, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken und ich sehe wie Entsetzen in seinen Augen erscheint. Kapitel 35: Wortlose Bekenntnisse --------------------------------- Der erste Schritt ist also gemacht... hier also der Nächste. Viel Spaß und Danke für die süßen Kommis!! Als ich mich von ihm löse, habe ich das Gefühl, dass die Welt sich wieder zu drehen beginnt. Und das so schnell, dass ich fast befürchte, der Raum, in dem mir uns befinden, würde jeden Moment abheben und davon fliegen wie dieses Haus im "Zauberer von Oz". Ich blinzele und dann trifft mich sein Blick. Ich schlucke hart als mir bewusst wird, dass ich es wirklich getan habe. Es war nicht nur ein Tagtraum, eine Halluzination, ich habe ihn tatsächlich geküsst. Hier. Jetzt. Gerade eben. Oh Gott. Und es gibt nichts, absolut gar nichts, mit dem ich mein Verhalten erklären kann. Fassungslos starre ich ihn an. Seinen Blick vermag ich nicht zu deuten. Ich glaube, Erstaunen in seinen Augen zu sehen, er wirkt zumindest geschockt, nun, das kann ich gut verstehen. Auch mir sitzt der Schreck in den Gliedern und ich habe Angst, dass ich jeden Moment rückwärts umkippe. Ich lasse ihn los, taumele einen Schritt zurück und sehe, dass er den Mund öffnet. Dann renne ich auch schon an ihm vorbei als wäre der Teufel hinter mir her. Ich stürme aus dem Raum, haste über den Flur und komme leicht ins Straucheln als ich ins Freie komme und Bakura sehe, der lässig an dem Wagen lehnt, mit dem Kaiba und er wohl gekommen sind. Der Weißhaarig sieht mich mit diesem verfluchten Grinsen im Gesicht an, doch dann scheint er mein Entsetzen zu erkennen und in seinen Augen blitzt es fragend auf. Ich komme kurz vor ihm zu stehen und muss mich nach vorne lehnen und auf den Knien abstützen. Dann erst atme ich durch. Luft wird in meine Lungen gepumpt, doch noch immer dreht sich alles um mich herum und mein Herz... Es schlägt so schnell, dass das sicher nicht gesund sein kann. Am liebsten würde ich loslaufen, wegrennen - egal wohin, nur weg. Doch meine Beine wollen sich nicht rühren und es fehlt mir auch an Kraft mich in Bewegung zu setzen. Bakura stößt sich vom Wagen ab und bleibt unmittelbar vor mir stehen. Ich hoffe innerlich, dass er jetzt keinen seiner dämlichen Kommentare abgibt. Wenn er es doch tun sollte, ich kann für nichts garantieren. Entweder kippe ich rücklings um und falle auf den Rasen oder aber ich verpasse ihm einen Schlag wie er ihn noch nie kassiert hat. Entweder merkt er, dass es keine gute Idee ist etwas zu sagen oder er hält einfach so die Klappe, ich weiß es nicht. Jedenfalls ist er still und ich schnappe weiter nach Luft ehe mir klar wird, dass Kaiba gleich kommen wird. Kaiba. Im nächsten Moment höre ich auch schon Schritte hinter mir und richte mich unverzüglich auf. Ich wage es nicht mich umzudrehen und ihn anzusehen. Meine Hände zittern und noch immer ist mir schwindlig. Dann sehe ich ihn an mir vorbei zum Wagen gehen und starre ihm nach. Wortlos öffnet er die Fahrertür und wirft Bakura und mir einen kühlen Blick zu. Seine Miene ist regungslos, verrät nichts von dem was gerade geschehen ist und als ich kurz zu Bakura blicke sehe ich Verwunderung in seinen Augen. Ich kann mir denken, was er sich fragt, aber er wagt es scheinbar nicht die Frage laut zu stellen. Kaiba steigt derweil ein und Bakura setzt sich nun ebenfalls in Bewegung. Der Weißhaarige öffnet die Beifahrertür und sieht mich dann auffordernd an. "Wenn du mit willst..." höre ich ihn sagen und gebe mir einen Ruck. Ohne ein Wort gehe ich zum Auto, klettere auf die Rückbank und nur für einen Moment erlaube ich es mir, Kaiba anzusehen. Sein Blick ist stur nach vorne gerichtet und ich lasse mich auf die Rückbank sinken als hätte ich gerade einen schweren Kampf hinter mir. Bakura nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und kaum hat er die Tür geschlossen, fährt Kaiba auch schon los. Keiner sagt etwas und ich befürchte fast, dass die anderen Beiden mein pochendes Herz im Wagen widerhallen hören. Kaiba´s Hände umklammern das Lenkrad und nichts an ihm verrät, was in ihm vorgehen könnte. Bakura´s Züge sind ebenso ernst und auch wenn ich dem Weißhaarigen gerade noch zu gerne eine Abreibung verpasst hätte, so bin ich gerade froh, dass er da ist. Vor ihm wird Kaiba es sich sicher nicht wagen, diese Sache... das was gerade passiert ist, anzusprechen. Dessen bin ich mir sicher. Nein, vor Bakura wird er mich nicht zur Rede stellen. Dennoch verspüre ich keinerlei Erleichterung. Meine Gedanken sind viel zu konfus, ich kann nicht einmal darüber nachdenken wohin wir eigentlich fahren, aber ich schätze, dass er unterwegs zum Hotel ist. Einen Moment überlege ich ob es klug wäre ihn zu bitten, mich zuhause abzusetzen, aber ich schaffe es nicht, etwas zu sagen, geschweige denn das Wort an ihn zu richten. Die Stille wird immer bedrohlicher und noch nie habe ich Schweigen als so quälend laut empfunden. Ich schlucke wieder und wieder und meine Hände sind mit einem Mal schweißnass. Langsam schließe ich die Augen und lehne meinen Kopf zurück, versuche meinen Herzschlag zu beruhigen und irgendeine dämliche Erklärung für mein Verhalten zu finden, die ich ihm später liefern kann, aber alles was mir einfällt ist, dass ich ihn küssen wollte und das der Moment... Er erschien so richtig. Nicht, dass ich groß darüber nachgedacht hätte. Fuck, ich habe überhaupt nicht gedacht. Sonst hätte ich es auch sicher nicht getan. Es war einfach... Die Art wie er mich ansah, wie er meinen Namen sagte... diese ungwohnte Sanftheit in seinem Ton, in seinem Blick, seiner ganzen Art... und diese Augen... Es war als würde mich ein innerer Zwang leiten, ihn zu küssen. Ich konnte nichts dagegen tun, war mit einem Mal wie paralysiert von seinem Anblick. Vielleicht war der Schlag auf den Kopf, den ich dieses Mal bekommen habe, einfach zu viel für mich. Aber ich bezweifle, dass Kaiba mir das als Erklärung würde durchgehen lassen. Gott, er wird mich umbringen... auf irgendeine bizarre, nicht nachvollziehbare Weise. Hey, ich habe mir seinen Bruder wegschnappen lassen, ich habe ihn... Ich spüre, wie ich den Mund verziehe und das Blut droht mir in den Adern zu gefrieren als ich bemerke, dass er mich im Rückspiegel ansieht. Ich schlucke hart und er blickt wieder auf die Straße. Warum verflucht kann ich jetzt nicht in seinen Augen lesen? Ich konnte es doch einmal, konnte vorhersagen wie er gerade drauf ist und jetzt, wenn ich dieses Wissen einmal benötige... Als der Wagen vor dem Hotel hält, realisiere ich es ihm ersten Moment nicht einmal. Erst als Bakura aussteigt und den Sitz nach hinten klappt, um mich ebenfalls aussteigen zu lassen, weiß ich, dass wir da sind. Kaiba bewegt sich bereits auf das Hotel zu und Bakura und ich folgen ihm. Plötzlich fällt mir auch Alister wieder ein und Victor, der vermutlich noch im Parkhaus liegt, wenn er nicht bereits zu sich gekommen ist. Noch auf der Treppe greife ich zu meinem Handy und wähle die Nummer meines Bodyguards. Es dauert eine Weile bis sich etwas tut und fast befürchte ich schon, dass er sich nicht meldet, doch gerade als ich auflegen will, vernehme ich Victor´s vertraute Stimme und atme erst einmal erleichtert auf. Ich erkundige mich wie es ihm geht und beruhige ihm auch im gleichen Atemzug, was mein Befinden anbelangt. Über Mokuba verliere ich kein Wort, teile ihm allerdings mit, dass er meinem Vater sofern er schon zuhause ist, nichts von dem Vorfall erzählen soll bis ich da bin. Ich will Jack nicht unnötig beunruhigen. Kaiba hat die Tür zu seinem Zimmer bereits aufgeschlossen. Von Alister ist allerdings nichts zu sehen und ob das Zimmer tatsächlich durchsucht wurde, kann ich auch nicht feststellen, auf den ersten Blick sieht alles wie zuvor aus. "Ich seh drüben nach." meint Bakura zu meinem Entsetzen und will mich mit Kaiba allein lassen, doch ich gehe instinktiv ebenfalls zurück auf den Flur und folge dem Weißhaarigen zu dem Nachbarraum. Der Dieb öffnet schnell die Tür und zu unser beider Erstaunen, sitzt Alister ungerührt auf dem Bett, seinen Laptop auf den Beinen und sieht uns überrascht an. Bakura gibt ein seltsames Geräusch von sich und grinst. "Die Sorge war wohl unbegründet." meint er und lacht kurz auf. "Am chatten?" fragt er an Alister gewandt. Der Rothaarige zieht die Kopfhörer aus seinen Ohren. "Was?" erwidert er, aber Bakura winkt ab. "Vergiss es." entgegnet er kopfschüttelnd. "Du scheinst echt alles zu verpassen, Ali." Der Rothaarige runzelt die Stirn, aber da hat Bakura die Tür auch schon wieder geschlossen. Mulmig gehe ich zurück zu Kaiba´s Zimmer. Er ist dabei sich umzusehen und sein Blick schweift analytisch durch den Raum. "Ich bin nicht sicher." meint er schließlich. "Ich glaube allerdings, dass jemand hier war." Bakura zuckt mit den Schultern. "Wenigstens haben sie keine Unordnung gemacht." erwidert der Dieb und lässt sich dann auf den von ihm inzwischen gepachteten Sessel nieder. Er schüttelt eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und steckt sich eine davon in den Mund, dann hält er das Päckchen Kaiba hin und zu meiner Überraschung fischt sich dieser ebenfalls einen Klimmstengel heraus. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und weiß nicht so recht, was ich tun soll. Wenn ich hier bleibe, wird es zu einer unvermeidlichen Aussprache kommen, aber ich sollte mich auch zuhause melden, immerhin muss ich meinen Vater von Mokuba´s Entführung unterrichten. "Willst du uns jetzt endlich einmal sagen, was es mit dieser Erfindung auf sich hat?" will Bakura wissen und ich werde hellhörig. Keith hatte davon geredet, aber ich verstand nicht wirklich was er meinte, aber ich vermute, dass es etwas mit dem zutun hat, dass Mokuba über Kaiba´s Verhalten in der Firma erzählt hat. Der Eisklotz zieht an seiner Zigarette und sieht keinen von uns an. Sein Blick ruht auf irgendenem Punkt im Zimmer und ich schätze, dass er nachdenkt. "Es handelt sich dabei um eine Erweiterung meiner Hologrammtechnick." sagt er schließlich mit solch sachlich-nüchterner Stimme, dass man den Eindruck haben könnte, er würde gerade eine Präsentation leiten. "Ein Versuch, die Hologramme so darzustellen, wie sich die Person, welche die Karten spielt, sich ihre Kreaturen vorstellt. Eine individuelle Darstellungsform." Ich nicke leicht, auch wenn ich nicht sicher bin, was genau er damit meint, aber seinen technischen Kram habe ich noch nie wirklich verstanden. Bakura runzelt die Stirn. "Das ist alles?" höre ich den Dieb fragen. Kaiba wirft ihm einen eisigen Blick zu. "Das ist alles was ich dir dazu sagen werde!" entgegnet er scharf und für einen Moment sehen die Beiden sich an. Bakura zuckt schließlich mit den Schultern. "Wie auch immer, diese Typen wollen also deine Erfindung samt Prototyp. Na, denen muss die Sache ja ziemlich was wert sein, wenn sie so einen Hype deswegen machen." meint der Weißhaarige lässig und bläst kleine Ringe aus. "Was ich nicht verstehe... warum hast du ihnen das Ganze nicht einfach überlassen? Jetzt wirst du es ja doch tun müssen..." Sowohl Bakura als auch ich sehen Kaiba an und ich erinnere mich wieder an Mokuba´s Worte, dass er Angst gehabt hätte. Angst um seine Erfindung? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Kaiba ist ein Genie. Solche Erfindungen macht er am laufenden Band. Es muss mehr dahinter stecken. Es kann nicht nur so einfach sein. Kaiba wäre kein solches Risiko eingegangen nur für ein paar Hologramme. Doch aus irgendeinem Grund scheint er nicht gewillt zu sein, darüber zu reden. Wahrscheinlich weil er weder Bakura noch mir traut. "Dann fällt unser Flug ja wohl flach?" höre ich Bakura sagen und Kaiba´s Blick streift mich kurz. Wieder überlegt er, dann schüttelt er jedoch den Kopf. "Wir schieben ihn nur etwas auf." entgegnet er und sieht auf die Uhr. "Roland müsste bereits im Flieger sitzen. Sag Alister, er soll die Flüge stornieren und uns einen Flug für morgen raussuchen. Vier Plätze." Bakura drückt seine Zigarette aus und erhebt sich mit einem Seufzen. "Ich werde echt noch dein Laufbursche, Kaiba. Tzz... Welche Verschwendung meiner Fähigkeiten, aber ich will mal nicht so sein." Der Weißhaarige grinst Kaiba an und zu meinem Erstaunen erwidert dieser das Grinsen sogar, auch wenn es bei ihm nur ein kurzes Zucken der Mundwinkel ist. Als Bakura an mir vorbeigeht und mir einen kurzen Blick zuwirft, ahne ich, dass die Stunde der Wahrheit jetzt gekommen ist. Ich bin allein mit Kaiba und es ist klar was folgen wird. Bakura lässt die Tür schwungvoll hinter sich ins Schloss fallen und ich zucke unwillkürlich zusammen. Für eine Sekunde durchzuckt mich der Gedanke, dass ich in der Falle sitze, was natürlich mehr als nur dämlich ist, schließlich könnte ich jederzeit einfach gehen. Unsicher sehe ich Kaiba an. Er hat den Blick auf den Boden gerichtet und scheint nachzudenken. Ein paar Sekunden vergehen in denen ich mich nicht rühre und einfach nur darauf warte, dass er etwas tut. Nur scheint er gar nicht daran zu denken, etwas zu tun. Er scheint ganz in Gedanken versunken und ich werde immer unruhiger. Vielleicht wäre es am Besten, wenn ich einfach gehe. Ja, ich könnte ihm sagen, dass ich nach Hause muss, immerhin gibt es verschiedene Dinge zu klären. Gerade als ich ansetzen will, ihm das zu sagen, blickt er auf und unsere Blicke treffen sich. Entweder weicht schlagartig sämtliche Farbe aus meinem Gesicht oder ich mutiere zu einer Tomate, ich tippe auf letzteres. Meine Wangen brennen nämlich und meine Kehle ist mit einem Mal wie zugeschnürt. Instinktiv will ich seinem Blick ausweichen, doch dann bemerke ich eine leichte Röte in seinem Gesicht. Kaiba ist verlegen! Oh Mann, das ich das noch einmal erleben darf. Wahrscheinlich das Letzte, dass ich je erleben werde... Meine Gedanken überschlagen sich wieder und mein Mund öffnet sich von selbst. "Ich sollte wohl besser gehen..." höre ich mich sagen und könnte meinen Kopf gegen die Wand donnern, so dämlich komme ich mir gerade vor. Herrje, ich habe schon unzählige Frauen geküsst. Zum richtigen Zeitpunkt, zum falschen Zeitpunkt... nüchtern, betrunken... "Aber Kaiba zu küssen ist etwas ganz anderes!!" Kaiba sieht mich mit seltsamen Mischung aus Erstaunen und Verlegenheit an und ich habe das Gefühl, dass mein Kopf gleich in Flammen aufgehen wird. Zu allem Überfluss rede ich auch schon munter weiter. Die Worte kommen ohne mein Zutun aus meinem Mund und ich bin unfähig, diesen Vorgang zu stoppen. "Ich muss Jack Bescheid geben und nach Victor sehen. Ich hoffe nur, dass die Behörden nicht so schnell Wind davon bekommen, dass Mokuba..." "JOEY!" unterbricht er mich und ich zucke zusammen. Nicht, weil seine Stimme eisig klingt oder sein Tonfall erbarmungslos ist, wie ich es von ihm gewohnt bin, sondern weil er meinen Namen sagt. Ok, er hat ihn bis jetzt schon ein paar Mal gesagt, aber jetzt... nachdem... Ich hätte mit "Wheeler" gerechnet, vielleicht auch mit "Köter". Ja, eigentlich hatte ich fest mit "Köter" gerechnet. Schlagartig halte ich inne und fange automatisch an auf meiner Unterlippe herum zu kauen während ich ihn mit einem flauen Gefühl im Magen ansehe. Er wirkt als wolle er etwas sagen und wisse nicht genau was. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass Kaiba die Worte ausgegangen sind. Sicher, er war auch sprachlos als er unerwartet in diesem Lagerhaus auf mich getroffen ist, doch er hatte sich auch schnell wieder im Griff. Jetzt wirkt er als hätte er mehr als nur die Fassung verloren. Seine ganze Mimik, Gestik, alles scheint außer Kontrolle und vielleicht wird er sich gerade auch erst klar darüber, was vorhin eigentlich passiert ist. Vielleicht konnte er es die ganze Zeit ignorieren und jetzt wo wir allein sind... Er öffnet den Mund, doch ich komme ihm zuvor. "Es tut mir leid... Ich weiß nicht... Also, ich..." stammele ich los ohne eigentlich zu wissen, was ich da tue. Ich gestikuliere wild und mein Blick versucht seinem auszuweichen. "Keine Ahnung... aber... ich..." Hilflos zucke ich mit den Schultern und bemerke jetzt erst, dass er langsam auf mich zu kommt. Instinktiv weiche ich ein Stück zurück und stoße an die Wand. Soviel zum Thema Rückzug. Sein Blick ist ernst und das Blau seiner Augen so dunkel, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Seine Züge verraten nicht das Geringste und mein Herz fängt schon wieder an wie wild zu hämmern. "Kaiba, du wirst mich doch nicht umbringen?" frage ich und bin mir im gleichen Moment klar darüber, wie absurd diese Frage eigentlich ist. Er steht jetzt direkt vor mir, weniger als ein Schritt trennt uns und zu meiner Überraschung seufzt er. Ich schlucke. Einen Moment stehen wir einfach nur da. Ich glaube, ich zittere. Meine Knie sind zumindest verdammt weich. Und er hat den Kopf leicht gesenkt und irgendwie wirkt er als würde er resignieren? "Kaiba, ich..." hebe ich wieder an und er hebt erprubt den Kopf und sieht mir direkt in die Augen. "Halt einfach die Klappe, Wheeler!" zischt er mich an und ich presse meine Lippen fest aufeinander. Ich stehe sicher kurz vor einem Herzinfarkt, ja, jeden Moment müsste es soweit sein. Sein Kopf kommt langsam näher und ich glaube schon fast das Licht auf der anderen Seite zu erkennen. In seinen Augen leuchtet es gefährlich auf und ich schließe instinktiv die Augen. Dann spüre ich seine Lippen auf meinen. Ganz sanft, ohne jeden Druck, der Hauch einer Berührung. Ich öffne leicht den Mund und als würde ich ihm damit ein stummes Zeichen geben, naja, vielleicht tue ich das auch, wird der Druck intensiver und aus der leichten Berührung ein Kuss. Das Blut in meinen Adern, dass eben noch jeden Moment zu gefrieren schien, brennt jetzt wie flüssige Lava und als er sich sanft an mich drückt, mein Kopf leicht gegen die Wand stößt und ich seine Hände in meinem Nacken spüre, keuche ich leicht auf. Mein Hirn ist mit einem Mal ausgeschaltet, dafür funktioniert jedoch alles andere recht gut. Mein Mund öffnet sich und bevor ich weiß was ich da tue, spüre ich auch schon seine Zunge und es trifft mich wie ein Schlag. Ja, als würde man mir eine Art Elektroschock verpassen. Eine Ewigkeit später, naja, vermutlich nur ein paar Minuten später, löst er sich langsam von mir und ich öffne langsam die Augen. Etwas erstaunt registriere ich, dass ich meine Arme um ihn geschlungen habe und ihn immer noch festhalte. Das tut er allerdings auch noch. Dann begegnet mein Blick seinem. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und auf seinen Wangen zeichnet sich deutlich eine zarte Röte ab. Und sein Blick... so einen Blick habe ich noch nie bei ihm gesehen, dabei kenne ich sämtliche Kaiba-Blicke aus dem Effeff. "Wow." entfährt es mir da auch schon und ich räuspere mich verlegen. "Ich meine... wow." Aus irgendeinem obskuren Grund grinse ich ihn an und zu meiner Überraschung nickt er leicht. "Ja." höre ich ihn sagen. "Wow." Im ersten Moment glaube ich, dass ich mich verhört habe. Dieses Wort - ist es überhaupt ein richtiges Wort? - kann doch nicht aus seinem Mund gekommen sein, oder? Ich blinzele und höre mich dann auch schon selbst sagen: "Dass du so etwas einmal sagen würdest..." Im gleichen Moment wird mir klar, wie dämlich dieses Bemerkung ist. Noch dämlicher als meine Frage ob er mich umbringen will. Meine Wangen brennen und ich glaube, ich würde umfallen, wenn er mich nicht festhalten würde. Die rechte Braue wird auch schon gleich nach oben gezogen und ein feines Lächeln zuckt um seine Mundwinkel. "Kannst du nicht einmal die Klappe halten?" fragt er und ehe ich noch etwas sagen kann, tut er es wieder. Er küsst mich. Kapitel 36: Stille Übereinkunft ------------------------------- "Kannst du nicht einmal die Klappe halten?" frage ich und registriere wie er sich seine Augen weiten, doch er schweigt und ich tue es noch einmal. Ich beuge mich zu ihm und lege meine Lippen auf seine. Einen Moment glaube ich, dass er zittert, aber vielleicht zittere auch ich. Mein Verstand ist mit einem Mal nur noch auf stand by. Ich spüre wie er mich näher ans sich zieht und ich lasse es geschehen. Dieses Gefühl, das eben noch nur in meiner Magengegend routierte, breitet sich nun in meinem ganzen Körper aus und obgleich ich nicht weiß was ich hier eigentlich tue, geschweige denn warum ich es tue, fühlt es sich richtig an. Ich verstärke instinktiv meinen Griff um seinen Nacken und höre wie er kurz aufkeucht als unsere Zungen aneinander stoßen. Erneut durchzuckt mich eine Art Blitz und ich habe das Gefühl, vollkommen die Kontrolle über mich zu verlieren. Die Frage, was zum Teufel ich hier eigentlich tue, wird gänzlich ausgeblendet und ich fühle nur noch. Obgleich es keineswegs mein erster Kuss ist, fühlt es sich anders an als je zuvor. Es ist mit nichts vergleichbar, dass ich bis dahin kannte und das irritiert und fasziniert mich gleichermaßen. Genau wie vorhin in diesem Haus als er mich plötzlich küsste, ist da dieses unbeschreiblich warme Gefühl, als würde etwas in mir auflodern. Ich löse mich nur widerwillig von ihm und wir beide schnappen gleichzeitig nach Luft. Sein Blick ist glasig wie ich feststelle und seine ganzen Züge wirken verklärt. Ob ich auch so aussehe? Sein Blick hält meinen fest und ich kann mich auch nicht von ihm abwenden. Langsam zieht er seine Arme zurück und ich tue es ihm gleich, obwohl ich Angst habe, dass ich den Boden unter den Füßen verliere. Das Zimmer scheint sich noch immer zu drehen, doch dieser Eindruck lässt langsam nach und als seine Hände kurz über meine Brust streichen, zucke ich unwillkürlich leicht zusammen. Wheeler sieht mich auf eine merkwürdige Art an, die ich bis dato noch nicht von ihm kenne. Eine Mischung aus Erwartung und verklärter Freude, wie ich glaube und ich muss unwillkürlich lächeln. Dann sehe ich wie sich sein Mund leicht öffnet und gleich wieder schließt und ich verstehe die stumme Frage, die nun in seinem Blick liegt. Sofort ist mein Verstand wieder voll da. Ich räuspere mich leicht und trete einen Schritt zurück, doch wir sehen uns weiterhin direkt in die Augen. Mir ist klar, dass ich mein Verhalten erklären muss. Natürlich könnte ich es auch so machen wie er zuvor, wegrennen. Aber ein Seto Kaiba läuft nicht davon, auch dann nicht, wenn er nicht die geringste Ahnung hat, was das gerade sollte. Wheeler sieht mich weiterhin erwartungsvoll an und ich überlege was ich sagen kann, ob es überhaupt etwas zu sagen gibt. Dann wird die Tür geöffnet und aus den Augenwinkeln nehme ich Bakura war, der ins Zimmer platzt, das vertraute Grinsen auf den Lippen. Ich brauche ein paar Sekunden bis ich in der Lage bin, den Weißhaarigen anzusehen. Er mustert Wheeler und mich irritiert, das Grinsen entgleist und ich muss mich zwingen ihn fest anzusehen. Etwas sagen, kann ich nicht. Meine Stimme würde fremd und brüchig klingen. Wortlos stehen wir drei einen Augenblick da. Keiner rührt sich. Doch dann gebe ich mir einen Ruck und straffe meine Schultern. "Was ist?" frage ich den Weißhaarigen und zu meiner Überraschung klinge ich fast wieder normal. Bakura antwortet nicht gleich. Argwöhnlich mustert er Wheeler ehe er mir den Blick zuwendet. "Alister hat die Flüge storniert. Auf Abruf liegen für morgen vier Tickets für uns bereit, sofern wir sie benötigen." erklärt Bakura und ich nicke. Der Weißhaarige beäugt mich kritisch und fast habe ich den Eindruck, dass eine Art stummer Vorwurf in seinen Augen liegt. Er sagt jedoch nichts und ich hoffe inständig, dass meine Wangen nicht weiterhin glühen. "Gut, dann wäre das schon mal erledigt. Hoffen wir, dass man sich schnell mit uns in Verbindung setzen wird." entgegne ich, mehr um etwas zu sagen, dieses Schweigen zu unterbrechen. Bakura legt den Kopf leicht schief. "Und was jetzt?" will er wissen und erneut wandert sein Blick zu Wheeler, der sich langsam auch wieder fasst und den Blick gesenkt hat. "Ich werde Wheeler nach Hause fahren." erkläre ich ohne lange zu überlegen. "Sein Vater muss unterrichtet werden." Bakura nickt leicht. "Soll ich mitkommen?" fragt er und etwas an seinem Tonfall irritiert mich, doch mir fehlt augenblicklich meine analytische Routine, um mir wirklich Gedanken darum zu machen. Ich schüttele den Kopf. "Nicht nötig." entgegne ich. Der Weißhaarige scheint zwar nicht überrascht, wirkt aber... beleidigt? Doch darauf gehe ich nicht näher ein. Ich mache einen Schritt ins Zimmer und blicke auf die Uhr. "Roland müsste in etwa einer Stunde landen. Ich habe ihm bereits mitgeteilt, dass er direkt zu Wheeler´s Adresse fahren soll." erzähle ich Bakura und dieser nickt. "Wenn du für mich keine weiteren Aufträge hast..." Der Weißhaarige beendet seinen Satz nicht, wirft mir nur einen durchdringenden Blick zu. "Augenblicklich nicht." erwidere ich, denke dann allerdings noch einmal nach. "Es sei denn... Du könntest dich ein wenig nach Bandit Keith umhören. Er hat zwar gesagt, dass er nichts weiß und eigentlich glaube ich ihm das sogar, aber man weiß ja nie." Bakura nickt. "Wenn er was weiß, kriege ich es schon aus ihm raus." meint der Weißhaarige und grinst mich diabolisch an. Etwas in seinen Augen funkelt auf und ich habe den Eindruck, dass er sich auf solch ein Verhör geradezu freut. Ich nicke. "Dessen bin ich mir sicher." Wieder herrscht für einen Augenblick schweigen, dann schickt Bakura sich auch schon an das Zimme wieder zu verlassen. "Noch eins." halte ich ihn zurück und er sieht mich fragend an. "Vielleicht wäre es geschickt, wenn ein paar Waffen zu haben. Sowohl hier als auch in Deutschland. Dein Dolch ist zwar schön und gut, aber etwas effektiveres..." Bakura grinst mich an. "Daran habe ich bereits gedacht. Raphael ist zur Zeit in Deutschland, wie Alister erfahren hat. Ich habe ihn bereits angewiesen, ein paar kleine Besorgungen zu machen." Ich werfe dem Weißhaarigen einen anerkennenden Blick zu und für einen Moment liegt so etwas wie Genugtum in seinen Augen. Dann blickt er noch einmal zu Wheeler. "Dann liefer das Hündchen mal ab." meint er mit leicht verächtlichem Unterton und genau das scheint Wheeler aus seiner Lethargie zu reißen. Er wirft dem Dieb einen giftigen Blick zu, sagt jedoch nichts. Noch bevor sich die Tür hinter Bakura schließt, greife ich zu meiner Jacke, Devlin´s Jacke, an die ich mich langsam sogar gewöhne, und hole die Schlüssel. Dann gehe ich in Richtung Tür. "Komm, Wheeler, wir gehen." sage ich und der Blondschopf sieht mich einen Moment verdutzt an, nickt dann jedoch und trottet mir hinterher. Wir sagen kein Wort während wir das Hotel verlassen. Wheeler scheint in Gedanken versunken und mir ist es mehr als Recht, denn ich weiß augenblicklich auch nicht was ich sagen soll. Schweigend steigen wir in den Wagen und ich fahre los. Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu und sehe wie er schlagartig errötet. Nun gut, folglich ist er ebenso irritiert über das was gerade vorgefallen ist wie ich. Mit monotoner Stimme dirigiert er mich durch die Stadt und ich folge seinen Anweisungen. Das merkwürdige Gefühl durchströmt mich nach wie vor, wenn auch nicht mir mit solch erschreckender Intensivität wie in dem Moment als wir uns... Ich schlucke unwillkürlich bei dem Gedanken an den Kuss oder vielmehr die Küsse und mir wird klar, dass es dafür keinerlei logische Erklärung gibt. Nichts, absolut gar nichts was ich vorbringen würde, kann mein Verhalten erklären. Genauso wenig wie seins in diesem verfallenen Haus. Und wieder durchzuckt mich der Gedanke, dass ich keinerlei Ahnung habe, warum ich ihn geküsst habe. Doch nach wie vor habe ich das Gefühl, dass es auf absonderliche Art richtig war, so unlogisch das auch klingen mag. Herrje, dabei habe ich andere Sorgen. Mein Bruder ist verschwunden, ich habe keinerlei Ahnung, wie ich diese Übergabe durchführen soll, sofern sich die Entführer melden und doch war all das wie weggefegt als ich ihm gegenüber stand. In dem Moment habe ich Mokuba vollkommen ausgeblendet, auch meine ganze Situation schien nicht mehr von Belang. Für einen Augenblick schien es nur noch Wheeler und mich zu geben und sein hilfloser Blick, dieser Welpenblick, der mich schon immer in den Wahnsinn trieb, hat sein Ziel scheinbar erreicht. "Wenn ich Wheeler wäre, würdest du es verstehen, oder?" Was zum Teufel wollte Bakura mir damit sagen? Und warum stimmt seine Aussage? Der Weißhaarige hat mir erklärt, dass er Interesse an mir hat, nun gut. Das lässt sich noch erklären, aber warum es für mich einen Unterschied macht ob er oder Wheeler... Gleichgültig wie ich es drehe und wende. Es macht einen Unterschied. Wheeler ist eben... Der Blondschopf deutet mir an ins Parkhaus zu fahren und ich muss kurz halten, um den Zahlencode einzugeben, der die Schranke öffnet. Automatisch kommt die Zahlenkombination aus seinem Mund und ich tippe sie ein. Dann steuere ich den Wagen nach seinen Anweisungen durch das große Parkhaus und halte direkt neben der Limousine, die ich inzwischen kenne. Ich schalte das Auto aus, schnalle mich ab und Wheeler tut es mir gleich, doch keiner von uns beiden macht Anstalten auszusteigen. Schweigend sitzen wir da und starren aus der Frontscheibe. "Ähm... Kaiba?" höre ich ihn schließlich sagen. Ich seufze leicht. "Was?" frage ich scharf zurück ohne ihn anzusehen. Aus dem Augenwinkel nehme ich allerdings wahr, dass auch er mich nicht ansieht. "Was.... Was war das eben?" will er wissen und ich höre deutlich die Unsicherheit in seiner Stimme. Automatisch zucke ich mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." gebe ich zurück und er wiederholt meine Worte mit einer Mischung aus Unglaube und Verständnis. "Du weißt es nicht." Ein paar Sekunden verstreichen, keiner von uns beiden rührt sich. Er scheint über meine Worte nachzudenken, doch ich vermag es immer noch nicht ihn anzusehen. Aber ich spüre, dass ich etwas sagen muss. Ich kann nicht einfach so aussteigen und zur Tagesordnung übergehen. Die Atmosphäre zwischen uns ist seltsam, das behagt mir nicht und auch wenn meine Gedanken augenblicklich nur bei Mokuba sein sollten, ich vermag es nicht sie auf meinen Bruder zu fokusieren, nicht wenn... "Warum hast du das getan?" will ich wissen und auch in meiner Stimme schwingt wohl Unsicherheit mit. Fast rechne ich ebenfalls mit einem "Ich weiß es nicht.", doch zu meiner Überraschung seufzt er tief und aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass er mir den Kopf zuwendet. "Weil ich es wollte." höre ich ihn sagen und kann nicht länger an mir halten. Ich drehe den Kopf zur Seite und sehe ihn an. Seine Wangen sind wieder leicht gerötet und er sieht mich verlegen und unsicher zugleich an. Einen Moment mustere ich ihn skeptisch. "Du wolltest mich...?" Ich kann den Satz nicht beenden. Herrje, was ist das für ein Dialog? So reden wir für gewöhnlich nicht miteinander. Wir reden auch nicht über solche Dinge. Wheeler und ich sollten an solche Dinge nicht einmal denken, zumindest nicht in Kombination mit dem jeweils anderen. Das ist doch verrückt! Wir mögen uns nicht, mochten uns noch nie und doch... Ich schlucke und er zuckt mit den Schultern. "Ja." haucht er leise und wieder betrachte ich ihn schweigend. "Und du?" fragt er im nächsten Augenblick. "Warum hast du mich..." Auch er spricht das Wort nicht aus und die Tatsache, dass wir es getan haben, dass wir uns wirklich und wahrhaftig geküsst haben, nicht nur einmal, sondern dreimal, aber nicht in der Lage sind das Wort in den Mund zu nehmen, hat schon etwas unfreiwillig komisches. Nur ist mir nicht nach lachen zumute. Ich überlege einen Moment, wäge ab was ich sagen kann. Im Gründe könnte ich ihm die gleiche Antwort geben wie er mir. Ich wollte es. Ihn küssen. Ja, in diesem Moment wollte ich es. Genau wie ich es in dem Augenblick wollte als Bakura vor mir stand und mich provoziert hat. Meinem Verstand mag diese Erkenntnis vielleicht nicht behagen, aber es ist eine Tatsache. Ich wollte ihn küssen. Ich, Seto Kaiba, wollte Joey Wheeler küssen. Ich wollte es, also habe ich es getan. So einfach ist es. Er sieht mich erwartungsvoll an und allein schon, weil ich ihm die Genugtüm nicht gönnen will, dass ich seine Frage nicht beantworten kann, zwingt mich dazu etwas zu erwidern. "Weil ich es wollte. In diesem Augenblick wollte ich es einfach." höre ich mich sagen und könnte mich im gleichen Moment auch schon für diese jämmerliche Antwort ohrfeigen. Das klingt ganz und gar nicht nach mir. Es hört sich wie eine fadenscheinige Ausrede an, eine schwammige Aussage ohne Gehalt, die sowohl Unwissenheit und Schwäche impliziert. Ich seufze und will gerade noch etwas hinzufügen als er bereits den Mund öffnet. "Kaiba?" höre ich ihn sagen und ziehe automatisch die Brauen zusammen. Da ist sie wieder, diese altbekannte Art von ihm, einen Dialog zu beginnen. Nur, dass das schiefe Grinsen fehlt. Er sieht mich ernst an. "Was?" entgegne ich nur und im Gegensatz zu früher fehlt die Schärfe in meiner Stimme. Er schluckt und ich spüre förmlich, dass es ihm Kraft abnötigt, das Folgende auszusprechen. Ich bin nicht sicher was ich erwarte. Ich weiß nicht einmal ob ich etwas erwarte. Ich sehe ihn einfach nur an und er hält meinem Blick stand, obgleich ich ihm seine Unsicherheit nach wie vor ansehe. Wheeler und unsicher. Ein schockierender und faszinierender Anblick und ich muss mir ein Lächeln verkneifen, denn er wirkt mit einem Mal wieder so...suß wie vorhin als er mich ernsthaft fragte ob ich ihn umbringen wolle. "Ich glaube, ich hasse dich nicht." sagt er schließlich und ein verlegenes Lächeln erscheint in seinem Gesicht. Ich brauche einen Moment, um seine Worte zu begreifen, den Sinn zu verstehen. Ich glaube, einen kurzen Augenblick starre ich ihn an und habe fast das Gefühl, dass er in seinem Sitz kleiner wird. Schließlich nicke ich automatisch. "Ich denke, ich hasse dich auch nicht." erwidere ich ruhig und seine Züge hellen sich mit einem Mal dermaßen auf, dass man meinen Könnte man würde sein Gesicht mit einer Taschenlampe anleuchten. Er legt den Kopf schief und betrachtet mich einen Augenblick und sofort ist da wieder dieser verwirrende, verklärte Ausdruck. Ich befürchte allerdings, dass ich auch keinen besseren Anblick abliefere. Eine Weile sehen wir uns an und auch wenn ich mir irgendwo in meinem Hinterkopf bewusst bin, wie albern und lächerlich diese Situation gerade ist und dass es vollkommen paradox ist, dass Wheeler mich auf diese Weise ansieht und ich ihn wohl auf die gleiche dämliche Art berachte, fühle ich wie mir ein Stein vom Herzen fällt. Dann sagt er leise: "Wow." Und ich ziehe unwillkürlich eine Braue nach oben. Er grinst. Ich sehe ihn ernst an. "Und was jetzt?" spreche ich die unvermeidliche Frage aus und fühle mich wie ein alberner Teenager, der gerade zum ersten Mal mit einem Mädchen allein ist. Dabei habe ich mich nie so gefühlt. Nicht einmal als ich ein Teenager war und das erste Mal eine Verabredung hatte. Nein, so unsicher war ich damals nicht und vor allem war da nicht dieses absonderliche Gefühl, dass meinen Magen routieren lässt. Ein ähnliches Gefühl in meiner Bauchgegend hatte ich nur als Mokuba mich einmal mehr oder weniger gezwungen hat, dieses farbstoffgetränkten Brausebonbons zu essen und auch das Gefühl kommt nicht annähernd an das heran, dass ich augenblicklich verspüre. Noch während ich diese Sache einzurordnen versuche, wird sein Blick wieder ernst und im nächsten Augenblick fragt er mich auch schon: "Ähm... was ist mit Bakura?" "Was soll mit ihm sein?" frage ich verdutzt zurück. Gut, ich konnte Wheeler´s Gedankengängen noch nie wirklich folgen, aber warum er jetzt auf den Dieb zu sprechen kommt ist mir schleierhaft. Der Blondschopf zuckt leicht mit den Schultern. "Naja, ich dachte... du und er... du weißt schon." erläutert er verlegen weiter und ich starre ihn entgeistert an. "Wheeler, mach dich nicht lächerlich." entgegne ich. "Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass ich..." Ich komme nicht dazu meinen Satz zu beenden, denn der Köter lacht mit einem Mal laut los und ich sehe ihn verständnislos an. Er lacht und lacht und ich habe nicht die geringste Ahnung was das soll. Entweder ist er jetzt komplett übergeschnappt oder ich bin es, weil ich nur noch Bahnhof verstehe. So schlagartig wie er zu lachen begonnen hat, hört er auch wieder auf, gluckst noch kurz und sieht mich dann auch schon wieder auf diese typische Wheeler-Art an, die mir durch Mark und Bein geht. "Oh Mann, ich dachte echt... Sorry, Kaiba... aber... dann bin ich... beruhigt." höre ich ihn sagen. "Du irritierst mich ungemein, Wheeler." entgegne ich und verschränke unwillkürlich die Arme vor der Brust. "Gleichfalls." gibt er zurück und ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. "Wir sollten vielleicht langsam einmal aussteigen." meine ich nüchtern und er nickt. "Ja, sollten wir." stimmt er zu, aber keiner von uns macht Anstalten, dieses Vorhaben auch in die Tat umzusetzen. Stattdessen sehen wir uns erneut an und es beruhigt mich, dass er genauso irritiert zu sein scheint wie ich. Immerhin ein schwacher Trost. "Ähm... Kaiba?" höre ich ihn da auch schon wieder sagen und seufze genervt auf. "Könntest du das unterlassen?" frage ich. "Komm einfach zum Punkt." Er grinst und kratzt sich im nächsten Augenblick auch schon am Kopf. "Klar". gibt er zurück und ich sehe ihn erwartungsvoll an. "Wie geht´s jetzt weiter?" will er wissen. Ich überlege kurz. "Nun, erst einmal sollten wir deinen Vater von Mokuba´s Entführung unterrichten, Roland müsste auch bald hier sein und..." hebe ich an, doch ein erneuter Lachanfall seinerseits zwingt mich dazu abzubrechen. "Was?" zische ich ihn an. Er seufzt. "Ich meinte eigentlich... mit uns?" fragt er und ich schlucke hart. Uns. Wheeler und ich - wir, uns... Ich spüre wie dieses seltsame Gefühl in mir sich wieder intensiviert. "Ehrlich gesagt, diesbezüglich habe ich bislang noch keine Strategie entwerfen können." erwidere ich. Er nickt verständnisvoll. "Vorschläge?" höre ich mich selbst fragen und bin genauso überrascht über diese Frage wie er. Einen Moment sieht er mich erstaunt an. Dann zuckt er mit den Schultern und legt den Kopf schief. Sekundenlang beäugt er mich und mir ist seltsam zumute. Das Grinsen in seinem Gesicht irritiert mich zusätzlich. "Naja, wir könnten dort weitermachen wo wir aufgehört habe." meint er schließlich. "Ich meine, das war doch bislang ganz gut...." Ganz gut? Ich verspüre unwillkürlich den Impuls, ihm mitzuteilen, dass es mehr als das war, doch ich beiße mir gerade noch rechtzeitig auf die Zunge ehe ich diese Worte tatsächlich ausspreche. "Jetzt? Hier?" rutscht es mir dann ungläubig raus und ich könnte mich ohrfeigen für diese dämliche Frage. "Generell." entgegnet er ruhig und ehe ich mich versehe nicke ich langsam. "Gut." sage ich und er wirkt überrascht. "Gut?" wiederholt er und blinzelt. Ich zucke mit den Schultern. "Was soll ich sonst dazu sagen?" fahre ich ihn an. "Mir ist gerade erst klar geworden, dass ich... dass ich dich nicht hasse. Was erwartest du von mir? Denkst du, ich hätte für so etwas eine bestimmte Vorgehensweise parat?" Wieder lacht er. "Nein, keine Sorge." entgegnet er. "Hättest du die, würdest du mir echt Angst machen." Ich runzele leicht die Stirn, sage jedoch nichts. "Dann machen wir das so." befindet er drei Sekunden später und obgleich ich nicht wirklich sicher bin, was er damit meint, nicke ich. "Einverstanden." entgegne ich ernst und einmal mehr gleicht er einem kleinen, süßen Hündchen als er mich im nächsten Augenblick zufrieden anlächelt. Kapitel 37: Resümee (Jack) -------------------------- Bereits als die Beiden die Wohnung betreten, ahne ich, dass etwas nicht stimmt. Es ist ihnen deutlich anzusehen und ich sehe meinen Sohn besorgt an. "Was ist passiert?" frage ich noch ehe einer der Beiden in der Lage ist etwas zu sagen. Joey´s warme braune Augen sind so voller Sorge, dass es mir unwillkürlich einen leichten Stich versetzt und auch die Augen seines Freundes verraten eindeutig, dass etwas nicht in Ordnung ist, auch wenn dieser junge Mann sich sichtlich darum bemüht, jede emotionale Regung zu verbergen. "Wir wurden überfallen." höre ich Joey mit tonloser Stimme sagen. "Mokuba wurde entführt!" Meine Augen weiten sich vor entsetzen und ich mustere meinen Sohn. "Ist dir etwas passiert? Hat man dir..." setze ich an, doch er schüttelt schnell den Kopf. "Mir geht es gut, Dad. Ich hab nur eine Beule am Kopf, nichts weiter." beruhigt er mich und ich atme erleichtert auf. "Was genau ist geschehen?" will ich wissen und deute Beiden an doch Platz zu nehmen, aber keiner von ihnen kommt meiner stummen Aufforderung nach. In kurzen Zügen schildert mein Sohn mir den Überfall im Parkhaus und ich höre schweigend zu. "Victor hat nichts davon gesagt." sage ich schließlich und Joey nickt. "Ich habe ihn darum gebeten. Ich wollte nicht, dass du so davon erfährst." erklärt er mir und ich nicke verstehend. "Und es gibt keine Spur?" will ich wissen. Joey schüttelt den Kopf. "Keine greifbare zumindest." entgegnet er mit einem kurzen Blick auf seinen Freund. Dieser nickt kaum merklich und für einen Moment habe ich das unbestimmte Gefühl, dass die Zwei sich verlegen ansehen. Auf den Wangen meines Sohnes zeichnet sich leichte Röte ab als sein Blick den des Brünetten trifft. Es ist offensichtlich, dass noch etwas vorgefallen ist und in gewisser Hinsicht kann ich mir denken was. Ich werfe Seto Kaiba einen fragenden Blick zu. "Diese Erfindung ist sicher noch in Japan?" frage ich und er nickt. "Der Prototyp befindet sich in meiner Villa, die technischen Daten habe ich allerdings bei mir." erklärt er und ich nicke nachdenklich. "Die Entführer werden das sicher auch vermuten." sinniere ich weiter und überlege für einen Moment, den jungen Mann zu fragen was es eigentlich mit dieser Erfindung auf sich hat. Doch so wie ich Seto Kaiba einschätze, würde er mir sicher nicht antworten und es tut letztlich auch nichts zur Sache. Was auch immer es ist, es wird sich um etwas äußerst wichtiges dabei handeln, sonst würde diese gegnerische Partei nicht alles tun, um sie in die Hände zubekommen. Doch Joey hat mir ja auch schon erzählt, dass sein Freund ein Genie ist und auch wenn mein Sohn stets bemüht war, die Anerkennung, die er seinem vermeindlichen Erzfeind doch irgendwie zollte, zu verbergen, war sie doch mehr als offensichtlich. In gewisser Hinsicht hatte ich oftmals den Verdacht, dass dieser Junge, den ich nur aus seinen Erzählungen und aus den Medien kannte, mehr als nur die Nemesis meines Sohnes war. Ein Eindruck, der sich mit der Zeit verstärkte. Ich erinnere mich nur zu gut an mein erstes Gespräch mit dem jungen Mann, von dessen Existenz ich 16 Jahre lang nicht das Geringste ahnte und der mir dann an einem regnerischen Nachmittag plötzlich gegenüber saß. Wir musterten uns beide mit einer Mischung aus Distanziertheit und Unglaube und doch erkannte ich gleich, dass nicht der geringste Zweifel bestand und er eindeutig mein Fleisch und Blut war. Teilweise war es so als würde ich mich selbst wiedersehen, eine jüngere Version von mir und einen Augenblick lang war ich sprachlos und auch unsicher wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Auf einmal war da ein 16jähriger Sohn und im ersten Moment wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte, geschweige denn wie es weitergehen sollte. Während der Notar, der das Testament seiner Mutter verwaltete, anwesend war, sprachen wir so gut wie kein Wort miteinander. Wir hörten schweigend mit an, was der ältere Herr uns vorlas und selbst als er uns dann mit einem freundlichen Lächeln allein ließ, damit wir uns, wie er sagte, kennenlernen konnten, sagte keiner von uns ein Wort. Ich wusste allerdings auch nicht wie ich dieses Gespräch beginnen sollte, aber es war klar, dass ich den Anfang machen musste. Fast hatte ich damit gerechnet, dass er mir Feindseligkeit entgegen bringen würde, aber zu meinem Erstaunen sah er mich nur neugierig an und in seinen warmen braunen Augen lag auch keine Spur von Vorwurf oder Wut. "Katsuya? Ähm... Ich sollte jetzt wohl irgendwas passendes sagen, aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht was." Ich lächelte ihn verlegen an und zu meinem Erstaunen erwiderte er mein Lächeln. Dieser kleine, unsichere Satz brach aus irgendeinem Grund das Eis und zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass der Junge keineswegs etwas von mir zu erwarten schien. Eine halbe Stunde später sprudelte die Worte nur so. Ich erzählte von meiner Begegnung mit seiner Mutter, dass wir uns wieder aus den Augen verloren als ich zurück nach Amerika ging und er erzählte von seiner Schwester, seinem Stiefvater und auch wenn eine gewisse Melancholie in seinen Worten mitschwang, machte er sofort einen solch lebendigen, lebensfrohen Eindruck auf mich, dass ich gar nicht anders konnte als ihn auf Anhieb zu mögen, ja, ins Herz zu schließen. Noch am gleichen Tag schlug ich ihm vor mit mir nach Amerika zu gehen. Der Vorschlag überraschte mich genauso wie ihn, aber ich bereute meine Worte nicht im Mindesten. Nein, im Grunde stand von Anfang an fest, dass ich ihn in meinem Leben haben wollte, auch wenn ein Teil von mir fast damit rechnete, dass er mein Angebot ausschlagen würde. Und schon während unseres ersten Gespräches erzählte er mir von Seto Kaiba. Er erzählte auch von seinen Freunde, Duellen, von denen ich nicht wirklich etwas verstand, die Worte sprudelten förmlich auf ihn und ich sog jedes davon auf. Genau wie er die meinen. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie sehr ich mir eigentlich einen Sohn gewünscht hatte, was mich zugegebenermaßen doch etwas überraschte. Ich war mir dessen nie wirklich bewusst gewesen. Und es war offensichtlich, dass er sich nach einem Vater sehnte, einem wirklichen Vater. Über die Zeit bei seinem Stiefvater machte er nur vage Andeutungen, aber sie reichten aus, um mir zu zeigen, dass diese Zeit alles andere als schön gewesen war. Dennoch schien er auf erstaunlich positive Art damit umzugehen und diese Haltung beeindruckte mich ungemein. Überhaupt beeindruckte mich der junge Mann, mein Sohn, auf Anhieb. Und als wir in den Staaten waren, legte er solch einen Eifer an den Tag, der mich mehr als erstaunte. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte. Einige meiner Freunde warnten mich auch davor voreilige Schlüsse zu ziehen. Immerhin würde ich den Jungen nicht wirklich kennen und ihn gleich ins gemachte Nest setzen, aber den Eindruck hat Joey nie bestätigt. Im Gegenteil. Er schien sich teilweise sogar unwohl dabei zu fühlen, wenn ich ihm Dinge kaufen wollte und ich sehe jetzt noch sein Gesicht vor mir, als ich ihm sagte, er solle sich sein Zimmer einrichten wie es ihm beliebt. Ja, er schien sich wirklich schwer damit zu tun, irgendetwas von mir anzunehmen, auch wenn es sich um eine selbstverständliche Kleinigkeit handelte. Als ich ihm eine Kreditkarte auf seinen Namen überreichte, sah er mich fast fassungslos an und ich musste unwillkürlich lachen. "Du bist mein Sohn, wem wenn nicht dir soll ich Geld geben?" Doch am faszinierendsten war die Veränderung, die sich mit ihm vollzog. War er anfangs noch unsicher, ja, teilweise sogar verlegen und drückte sich bei gesellschaftlichen Anlässen, bei denen ich ihn nur zu gerne als meinen Sohn präsentierte, schüchtern im Abseits herum, wurde er mir der Zeit immer selbstsicherer und ging mehr und mehr aus sich heraus. Zudem lernte er schnell. In jeder Hinsicht. Und auch sein Interesse an meiner Firma war keineswegs geheuchelt, nein, er schien ernsthaft daran interessiert zu sein. Ich gab ihm zwar klar zu verstehen, dass ich keineswegs von ihm erwarten würde, in die Firma einzusteigen, aber er wollte dieses Weg einschlagen und in gewisser Hinsicht hatte ich den Eindruck, dass er froh war, endlich einen Weg gefunden zu haben, ein Ziel. Und obgleich es ihm vielleicht nicht wirklich auffiel, wieder und wieder kam er dabei auf Seto Kaiba zu sprechen, so dass ich manchmal den Verdacht hatte, dass dieser Junge sein Antrieb war, auch wenn er sich selbst nicht im klaren darüber sein mochte. Aus irgendeinem Grund schien der Gedanke an diesen Jungen seinen Ehrgeiz zu schüren als wolle er ihm und sich etwas beweisen. "Wenn Kaiba mich jetzt sehen könnte..." Ich musste jedes Mal schmunzeln, wenn er diesen Satz sagte. Das Klingeln eines Handy´s reißt mich schlagartig aus meinen Gedanken und ich blicke auf. Seto Kaiba ist bereits dabei den Anruf entgegen zu nehmen und ich sehe, dass mein Sohn gespannt die Luft anhält und auch ich sehe den jungen Mann erwartungsvoll an. Doch als ich den Namen Roland vernehme, sehe ich wie Enttäuschung über Joey´s Gesicht huscht und ich erinnere mich, dass dies der Name von Kaiba´s Assistenten ist, den er erwartet. Der Brünette geht ein paar Schritte zur Seite und mein Blick wandert zu meinem Sohn, der den ehemaligen Firmenchef noch immer ansieht. Unwillkürlich frage ich mich, was zwischen den Beiden vorgefallen sein mag, denn es besteht kein Zweifel, dass etwas passiert ist. "Wie es aussieht habt ihr das Kriegsbeil endlich begraben." stelle ich fest obgleich es mehr eine Frage ist. Joey sieht mich erstaunt an und die verlegene Röte, die in seinem Gesicht erscheint, bestätigt meine Vermutung. "Ähm... ja. Könnte man so sagen." erwidert mein Sohn sichtlich verlegen und ich muss lächeln. "Das freut mich sehr." sage ich und Joey´s Wangen werden noch dunkler. Ich nicke wissend und sehe wie Joey ein wenig zusammen zuckt. Das schiefe Grinsen in seinem Gesicht spricht Bände. Allem Anschein nach hat mein Sohn erkannt, was ich die ganze Zeit vermutet habe und Kaiba... nun, es ist schwer im Gesicht diesen jungen Mannes zu lesen. Joey mag in gewisser Hinsicht ein offenes Buch sein, Kaiba ist genau das Gegenteil. Überhaupt scheinen die Beiden auf solch abstrakte Art einander konträr gegenüber zu stehen, dass es fast schon faszinierend ist, diesen Umstand näher zu ergründen. Hat Joey ein überaus sonniges und aufgeschlossenes Gemüt, so kann man Kaiba nur als düster und verschlossen bezeichnen und obgleich mir sowohl Joey als auch Mokuba bereits das eine oder andere über die Vergangenheit des jungen Mannes erzählt haben, die ihn so werden ließ, stellt sich mir nach wie vor die Frage, wie es möglich war, diesen Jungen dazu zu bringen, solch eine kalte Aura um sich zu legen. "Roland wird gleich hier sein." höre ich Kaiba sagen und nicke. Die Beiden sehen sich kurz an und ich komme nicht umhin zu lächeln als ich bemerke, wie verlegen sich die Beiden mit einem Mal ansehen. Man könnte meine, sie stünden einander zum ersten Mal gegenüber. "Joey hat erzählt, dass du eigentlich nach Deutschland wolltest." sage ich und Kaiba nickt, äußert sich aber nicht weiter dazu. Ich habe allerdings auch nicht anderes erwartet. "Ich nehme an, wir sollten ein Zimmer für deinen Assistenten herrichten lassen." erkläre ich und erhebe mich langsan. Dann sehe ich Joey an. "Wie wär´s mit einem Drink für uns? Ich glaube, den könnten wir alle drei gebrauchen." schlag ich vor und er nickt. Ich setze mich in Bewegung und er scheint meinen Wink zu verstehen. In gewisser Hinsicht funktioniert unsere Vater-Sohn-Verständigung mehr als gut, auch wenn wir uns gerade einmal drei Jahre kennen. Er entschuldigt sich kurz bei Kaiba, nachdem er ihn gefragt hat, was dieser trinken möchte und der Brünette ihm beläufig antwortete, dann folgt er mir ins Nebenzimmer. Ich beobachte ihn während er zur Bar geht und drei Gläser bereit stellt. "Nun?" frage ich und lächele als er mich verlegen ansieht. Er versteht sofort worauf ich hinaus will. Wieder färben sich seine Wangen leicht. "Die Dinge zwischen euch haben sich scheinbar sehr verändert." stelle ich fest und er nickt. "So könnte man es ausdrücken." erwidert er und ich spüre, dass es ihm schwer fällt darüber zu reden, was ich nur zu gut verstehen kann. Es ist sicher für keinen jungen Mann leicht über dergleichen mit seinem Vater zu reden. Unter normalen Umständen ist es schon schwer, aber hier geht es um einen jungen Mann. "Ich hoffe, du weißt, dass ich, egal was du tun wirst, hinter dir stehe, Joey." sage ich ernst und sehe deutlich, dass seine Augen sich einen Moment erstaunt weiten. "In jeder Hinsicht." füge ich hinzu und lächele ihn an. Ein paar Sekunden vergehen in denen er mich einfach nur ansieht, dann huscht ein mehr als verlegenes Lächeln über sein Gesicht und ich weiß, dass er mich verstanden hat. Ich gebe ihm noch einen leichten Klaps auf die Schulter und zwinkere ihm kurz aufmunternd zu. "Scheint als würden wir doch noch so etwas wie eine Familie werden, wie Mokuba es ausgedrückt hat." sage ich und er schluckt. "Ähm... Dad..." Ich lache kurz auf. "Schon gut, Joey, du musst nichts sagen." versichere ich ihm. "Ich werde mich jetzt mal um die notwenigen Vorbereitungen für unseren Gast kümmern. Zudem sollte ich Harker vielleicht davon unterrichten, was passiert ist." Er nickt und ich wende mich ab, doch ehe ich aus dem Raum bin, höre ich ihn sagen: "Dad?" Ich blicke mich noch einmal um. "Ja?" frage ich und er lächelt. "Danke." Ich nicke nur. Wenn ich anfangs noch unsicher war ob ich wir diese Vater-Sohn-Kiste hinbekommen würde, so weiß ich inzwischen, dass es uns mehr als gut gelingt. Joey und ich sind in erstaunlich kurzer Zeit mehr als nur ein Team geworden. Ich lächele zufrieden als ich mich in mein Arbeitszimmer gebe und das Läuten des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Ich gehe zum Schreibtisch und nehme den Hörer ab. "Wheeler?" melde ich mich routiniert. "Jackson hier, Sir. Ich rufe an wegen den Aktienkäufen." vernehme ich die vertraute Stimme meines Assistenten. Ich hatte fast vergessen, dass ich ihm gesagt hatte, dass er mich über jede Entwicklung auf dem Laufenden halten solle. "Ja?" frage ich und er erläutert mir in kurzen Zügen den aktuellen Stand der Dinge. Ich höre geduldig zu und denke bereits während er redet über die nächsten Schritte nach. "Soll ich weitere Aktien kaufen?" will mein Assistent schließlich wissen. "Ja. Tun sie das." erwidere ich knapp. "Kaufen sie sämtliche verfügbare Aktien der Kaiba Corporation auf." Mein Assistent bestätigt den Auftrag und ich beende das Gespräch. Ich weiß, dass Seto Kaiba sich augenblicklich keinerlei Gedanken um seine Firma macht. Für ihn ist sie mehr als nur zweitrangig geworden. Dennoch bin ich mir im Klaren darüber was diese Firma dem jungen Mann bedeutet und auch wenn er meine Hilfe abgelehnt hat, so bin ich sicher, dass es auch in Joey´s Sinne ist, sie ihm dennoch zu bieten und sobald Mokuba wieder in Sicherheit ist und sein Ruf hergestellt wurde, wird er sich auch wieder darauf konzentrieren können. Natürlich werde ich keineswegs den Fehler machen, dem jungen Mann zu sagen, dass ich seine Firma aufgekauft habe. Nein, das würde dem Stolz des Brünetten zuwider handeln. Doch wie ich ihn einschätze, wird er sich, sobald sein Kopf frei dafür ist, bemühen die Kaiba Corporation zurückzuerhalten und wenn ich die Dinge für ihn leichter mache, ohne das er etwas davon bemerkt... Ja, ich denke, das ist auch in Joey´s Sinne. Aber es wird wohl auch besser sein, wenn mein Sohn nichts davon weiß. Es wäre schließlich zu schade, wenn der Stolz der beiden Sturköpfe ihnen wieder im Weg stehen würde. Kapitel 38: punctus cnactus (Bakura) ------------------------------------ "Sogar für deine Verhältnisse benimmst du dich gerade mehr als seltsam, Bakura." bemerkt Alister und mustert mich interessiert. Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu und er grinst. "Na, welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?" will er wissen und ich funkele ihn wütend an. "Das geht dich überhaupt nichts an." zische ich den Rothaarigen an, doch er lacht nur auf. "Dann gibst du also zu, dass du angepisst bist?" meint er dann und ich knurre ihn an. "Ich gebe gar nichts zu." erwidere ich entschieden und verschränke die Arme vor der Brust. Alister bedenkt mich mit einem gleichmütigen Blick. Dann zuckt er mit den Schultern. "Na dann... behalt es eben für dich." sagt er und wendet sich auch schon wieder seinem Laptop zu. "Ich kann´s mir sowieso denken." fügt er betont beiläufig hinzu. "Was soll das heißen?" will ich wissen und ein spitzes Grinsen huscht über sein Gesicht. "Wheeler." erwidert er schließlich und mit einem Satz bin ich neben ihm. Erschrocken blickt er auf und zu meiner Freude stelle ich fest, dass ihm das Grinsen vergangen ist. "Was willst du damit andeuten?" frage ich und funkele ihn gefährlich an. Nein, das Grinsen ist ihm eindeutig vergangen. Gut. Wäre ja noch schöner, wenn ich mir von diesem Kerl auf der Nase würde herumtanzen lassen. Er zögert, doch er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht locker lassen werde. "Naja..." beginnt er schließlich betont vorsichtig. "Du hast doch irgendwie Interesse an Kaiba und Wheeler funkt gewaltig dazwischen, oder?" Einen Moment sehe ich ihn nur an. Dann winke ich grinsend ab. "Wheeler." zische ich dann verächtlich. "Als würde ich mir von dem Köter ins Handwerk fuschen lassen." Alister bedenkt mich mit einem amüsierten Blick und ich packe ihn schlagartig am Hals. "Und spar dir deine Andeutungen in Bezug auf Kaiba, das geht dich nichts an, verstanden?" erkläre ich ihm und stelle zu meiner Zufriedenheit fest, dass er mich mehr als nur erschrocken ansieht. Eine wunderbare Mischung aus Angst und Erstaunen erscheint in seinen rauchigen Augen und ich grinse ihn anzüglich an ehe ich meine Lippen auf seine presse. Wie immer überrumpele ich ihn auch jetzt. Ich spüre wie ein Ruck durch seinen Körper wandert und er sofort in die Defensive geht. In der Hinsicht ist der Kleine einfach wunderbar. Genau wie Ryou früher. So einfach zu überraschen, so herrlich zu irrtieren. Er keucht auf als ich meine Zunge in seinen Mund gleiten lasse. "Haben wir uns verstanden?" frage ich als ich mich wieder von ihm löse. Er nickt und sieht mich mit leicht glasigen Augen an. Ich lächele zufrieden und richte mich wieder auf. "Darf ich dich etwas fragen, Bakura?" will er ein paar Minuten später wissen und ich bedenkt ihn mit einem gönnerhaften Blick. "Darfst du." erwidere ich gnädig. "Ob ich antworte ist eine andere Sache." Er nickt und scheint zu überlegen wie er seine Frage am Besten stellen soll. Ich sehe ihn dabei erwartungsvoll an und ahne was kommen wird. "Warum eigentlich das plötzliche Interesse an ihm?" fragt er schließlich zaghaft und wirft mir einen fast schon scheuen Blick zu. Ich überlege einen Moment ob ich tatsächlich darauf antworten soll. Im Grunde geht es ihn nichts an. Ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig. Es erstaunt mich sogar, dass er sich dafür interessiert. Ich zucke leicht mit den Schultern. "Sagen wir, er ist eine Herausforderung." entgegne ich schließlich lässig. "Ich hatte schon länger keine mehr." Alisters Wangen nehmen unwillkürlich einen leicht rosigen Farbton an. "Das heißt nicht, dass ich keinen Spaß mit dir hätte, Ali." erkläre ich mit einem Grinsen und sehe, dass er verlegen schluckt. "Kaiba und ich sind uns recht ähnlich... das macht die Sache interessant." sinniere ich laut und er nickt als könne er mir folgen, was ich bezweifle, aber auch das ist im Grunde egal. Ich erwarte nicht, dass er mich versteht. "Meinst du nicht, es wäre besser ihm die Wahrheit zu sagen?" höre ich Alister fragen und werfe ihm einen scharfen Blick zu. "Ich sehe keine Notwendigkeit dazu. Die Information wäre ihm nicht weiter dienlich." entgegne ich und er scheint zu überlegen. "Mag sein, aber ich schätze, wenn er es rausbekommen sollte, wird er nicht gerade begeistert sein." gibt der Rothaarige zu bedenken. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Möglich, und? Es war ein Auftrag wie jeder andere... und mein kleiner Einbruch hat mit dem Rest der Sache ja auch nur indirekt zu tun." erwidere ich gleichgültig, aber Alister scheint das nicht so lässig zu sehen. Er betrachtet mich immer noch nachdenklich. "Trotzdem, mir wäre wohler, wenn wir es ihm sagen würden." meint er und ich seufze. Aber in gewisser Hinsicht hat der Kleine vielleicht nicht so ganz Unrecht. Kaiba wäre sicher alles andere als erfreut, sollte er erfahren, dass ich es war, der die Informationen über seine Erfindung an Pegasus weitergegeben hat. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht, was darauf folgen würde. Kaiba und seine Erfindung waren mir herzlich egal. Das Geld, dass der Erfinder mir zahlte, allerdings nicht. Im Grunde war es ein simples Geschäft. Pegasus wollte, lediglich ein paar Informationen über die neuen Erfindungen des Eisklotzes und war bereit dafür mehr als gut zu zahlen. Gut, der Gedanke in Kaiba´s hochtechnisch gesichertes Gebäude einzusteigen war eine verlockende Vorstellung und eine außergewöhnliche Herausforderung, aber alles weitere interessierte mich nicht. Wozu auch? Kaiba macht ständig irgendwelche Erfindungen und es kümmerte mich nicht im Mindesten was Pegasus damit anfangen wollte. Selbst als ich aus der Presse vernahm, dass der große Seto Kaiba seine Firma abstieß, tangierte mich das nicht wirklich. Kurz kam mir zwar der Gedanke, dass es möglicherweise etwas mit Pegasus und diesem kleinen Auftrag zu tun haben könnte, aber naja, der Eisklotz hatte doch Geld genug und ständig versuchte jemand ihm seine geliebte Firma abspenstig zu machen. Insgeheim rechnete ich damit, dass er die Sache schon regeln würde. Das mit seinem Bruder stand dann auf einem anderen Blatt und es war Alister, der schließlich den Zusammenhang ansprach. "Denkst du, diese Geschichte hat etwas mit den Informationen zu tun, die du Pegasus besorgt hast?" So gern ich diese Vermutung von der Hand gewiesen hätte, die Parallelen waren offensichtlich, obgleich ich nicht wirklich verstand, was an diesen Informationen so wichtig war. Gut, Kaiba hatte irgendwas neues entwickelt, aber was hieß das schon? Nicht, dass ich meinen Einbruch bereut hätte, aber als es schließlich hieß, dass man ihm das Sorgerecht für Mokuba abnehmen wollte, wurde mir doch etwas mulmig zumute. Tja, und dann stand dieser arrogante Großkotz auch schon vor meiner Tür und es war... Obgleich er sichtlich darum bemüht war, seine Masken aufrecht zu erhalten, so war es doch mehr als offensichtlich, dass ihm die Geschichte mit seinem Bruder zusetze. Ja, der große Seto Kaiba, der sonst nie auch nur eine Spur von Furcht gezeigt hatte, schien mit einem Mal ernsthaft ins Wanken geraten zu sein. Ein ebenso befremdlicher wie faszinierender Anblick und dass er sich ausgerechnet an mich wand... Ich wusste nur zu gut, welche Überwindung es ihn kostete und ich muss gestehen, es war ein erhebender Moment, auch wenn er selbst in diesem Augenblick seine Contenance zu bewahren musste. Eines muss man dem Kerl lassen, er versteht es seine Selbstbeherrschung zu wahren und in gewisser Hinsicht ist das genau der Umstand, der mich über die Maßen fasziniert und mir in diesem Augenblick auch nur einmal mehr bewusst wurde. Kaiba ist die Selbstbeherrschung in Person und doch war ihm in eben jenem Moment anzusehen, dass es ihn Kraft kostete sie aufrecht zu erhalten. Aber das wirklich interessante waren seine Gedanken zum Thema Vergeltung. Unter der Eisschicht, die ihn umgibt und die ständig in seinen Augen zu sehen ist, loderte es plötzlich auf. Ein Feuer, das ich nur zu gut kenne. Unwillkürlich fragte ich mich, wie es wohl wäre, wenn dieser Vulkan, der unter unendlichen Lagen von Eis verborgen liegt, ausbrechen würde. Ich wage zu behaupten, dass der gute Kaiba zu einer diabolischen Grausamkeit fähig ist, wenn er nur weit genug getrieben wird und eben diesem Moment wollte ich beiwohnen. Zudem war mir langweilig... Warum also nicht Kaiba bei seiner biblischen Vergeltung helfen? "Denkst du, dass zwischen Wheeler und ihm etwas läuft?" höre ich Alister plötzlich fragen und sehe ihn erstaunt an. "Wie kommst du darauf?" will ich wissen. Der Rothaarige zuckt mit den Schultern. "Naja, keine Ahnung, aber die Art wie die Beiden miteinander umgehen." entgegnet er gelassen. "Hm." Der Gedanke ist keineswegs so abwegig wie er erscheint. Schon früher dachte ich oftmals darüber nach, dass die Beiden doch ein recht merkwürdiges Verhältnis zueinander haben. Wenn zwei Menschen sich auf die Art bekriegen, dann muss da mehr dahinter stecken als... Bei dieser Made von einem Pharao und mir war es schließlich auch so eine Art Hassliebe. Zugegeben, der Hass überwog, aber immerhin... Und die Situation eben sprach auch für sich. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann wäre ich geneigt zu glauben, dass die Beiden rumgemacht hätten. Jedenfalls machten sie einen äußerst ertappten Eindruck und Wheeler war geradezu durch den Wind. Warum musste der Köter auch jetzt auf der Bildfläche erscheinen? Wenn das nicht passiert wäre, hätte ich Kaiba sicher früher oder später... Nun, noch ist nicht aller Tage Abend. Wheeler hin oder her, das beeinträchtigt mein Vorhaben nur unmaßgeblich. Nein, ich werde mir meinen Fang nicht durch die Lappen gehen lassen. Dafür hat der gute Seto ein zu faszinierendes Potential. Wenn ich an die ganzen hübschen Narben denke, die seinen Körper zieren. Ich seufze unwillkürlich auf und Alister mustert mich interessiert. "Du glaubst es also auch." stell er fest und ich verdrehe die Augen. "Was weiß ich." erwidere ich unwirsch und für einen Moment habe ich den Eindruck, dass der Rothaarige belustigt grinst. Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu ehe er noch etwas dummes dazu sagen kann. Alister schweigt, doch ich sehe ihm deutlich an was er denkt. In der Hinsicht ist er ein offenes Buch. Ich seufze und greife automatisch nach meinen Zigaretten. Eine Weile rauche ich schweigend vor mich hin und Alister haut schon wieder in die Tasten. Dann gebe ich mir einen Ruck und stehe auf. Der Rothaarige sieht mich erstaunt an als ich mir meine Jacke nehme. "Wo willst du hin?" will er wissen und ich grinse. "Ich brauche ein wenig Zerstreuung." teile ich ihm mit und in seinen Augen blitzt es kurz auf. Vermutlich weil er sich denken kann, was ich meine. Er kennt meine bevorzugte Art der Zerstreuung zur Genüge. Unwillkürlich bedauere ich, dass Duke nicht hier ist. Der Schwarzhaarige würde mich sicher auf andere Gedanken bringen. Andererseits würde er mich augenblicklich wohl spöttisch ansehen und bemerken, dass ich dabei bin unsere kleine Wette zu verlieren. Immerhin war er sich mehr als sicher, dass ich Kaiba keineswegs rumkriegen würde. "Vergiss es, Kura. Bei Kaiba beißt du auf Granit. Darauf würde ich wetten. Und selbst wenn nicht, dann glaub ich kaum, dass er derjenige sein wird, der seinen Arsch hinhält." Ich schüttele leicht den Kopf. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen." sage ich laut was mir einen fragenden Blick von Alister einbringt. Ich grinse den Kleinen an. "Ich geh ein wenig Spielzeug besorgen." verkünde ich vergnügt und Alister runzelt skeptisch die Stirn. "Du könntest übrigens derweil versuchen an ein paar Infos über Wheeler Junior ranzukommen. Check doch mal seine Verbindungen." fordere ich den Rothaarigen auf und ein wissendes Grinsen erscheint in seinem Gesicht. "Willst du etwas bestimmtes wissen?" fragt er obgleich ich nur zu gut weiß, dass er meinen Gedanken erahnt. Ich grinse ihn vielsagend an und er nickt ohne, dass ich noch etwas sagen muss. Um einiges vergnügter verlasse ich das Hotel. Wer weiß, vielleicht findet Alister tatsächlich etwas brauchbares. Eine kleine Ex-Freundin oder dergleichen. Das wäre doch hübsch. Irgendetwas wird es schon geben. Ich denke schließlich nicht daran, dem Streuner einfach so das Feld zu überlassen. Nein, das nun wirklich nicht. Dafür ist Kaiba viel zu ansprechend. Von der Wette mit Duke einmal abgesehen. Zudem habe ich mir vorgenommen, ein wenig Spaß mit dem Eisklotz zu haben und bislang habe ich immer alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Und was Wheeler anbelangt... nun gut, die Herausforderung ist also um einen Level gestiegen, soll mir recht sein. "Ach ja, mein lieber Seto... wir beide werden schon noch das Vergnügen haben." sinniere ich laut. Kapitel 39: Elementarteilchen ----------------------------- Hallo, ihr Lieben, Habe ich schon erwähnt, dass ich eure Kommis wirklich toll finde? Freut mich, dass euch die Story so gefällt und dass ihr auch die Kapitel aus Bakura´s und vor allem Jack´s Sicht so mochtet! Davon wird es sicher noch das eine oder andere geben, mal sehen. Lucy wird allerdings auch noch mal zum Einsatz kommen, aber ich will ja nicht zuviel verraten. Vielleicht noch eine Anmerkung: Die Story ist noch lange nicht am Ende und was Bakura anbelangt... ich mag ihn wie gesagt, aber das heißt nicht, dass ich ihm unseren Seto einfach überlassen würde. Wartet einfach ab, wo die Liebe so hinfällt. :-) Viel Spaß weiterhin beim Lesen. Nachdenklich sehe ich meinem alten Herrn nach und muss unwillkürlich lächeln. Hat er mir gerade seinen Segen zu einer Beziehung mit Kaiba erteilt? Der Mann scheint mir immer zwei Schritte voraus zu sein. Erstaunlich. Aber komischerweise ist mir schlagartig wohler zumute, auch wenn ich bislang noch nicht einmal weiß, was das mit Kaiba wird, geschweige denn ob es überhaupt was wird. Bislang haben wir eigentlich nur gesagt, dass wir dort weitermachen wollen wo wir aufgehört haben... Von Beziehung war keinerlei Rede. Ich schlucke und nehme zwei der Gläser und gehe zu Kaiba ins Wohnzimmer. Er steht noch immer, blickt aus dem Fenster und hat mir den Rücken zugewandt. Wortlos gehe ich zu ihm und reiche ihm eins der Gläser und stelle fest, dass wir beide scheinbar noch etwas verlegen sind. Denn nur zu deutlich sehe ich seine zart geröteten Wangen und ich schätze, dass meine ein ähnliches Bild abliefern. Er nimmt das Glas entgegen und als mein Finger seine Hand kurz berührt, muss ich schlucken. Er sieht mich amüsiert an und ich grinse schlagartig. "Ähm... Roland wird also gleich da sein." sage ich überflüssigerweise. "Ich schätze, das freut dich. Nur wird er nicht unbeding glücklich sein, dass wir Mokuba wieder verloren haben." Kaiba nickt und seine Miene wird schlagartig wieder ernst. Vermutlich macht er sich Vorwürfe. Gedanken um Mokuba macht er sich allemal und ich verspüre den Wunsch, ihm etwas tröstendes zu sagen, aber mir fehlen wieder einmal die Worte. "Diese Erfindung..." fange ich stattdessen an und er seufzt noch bevor ich weiterspreche. "Was genau hat es damit aus sich?" wage ich dennoch zu fragen und rechne fast damit, dass er wieder ausweichen wird. Sein Blick schweift wieder in die Ferne und ich sehe, dass er überlegt. Seine Schläfen pochen. Ich warte geduldig, auch wenn ich innerlich ehrlich gesagt darauf brenne zu erfahren, was es damit auf sich hat. Der Gedanke, das mehr dahinter steckt als ein paar Hologramme, ist offensichtlich. Schließlich seufzt er erneut. "Im Grunde war das eine Idee, die mir schon länger im Kopf herumging. Jeder stellt sich seine Figuren anders vor und nicht nur Muto, du oder ich haben unsere bevorzugten Karten. Ich fing also an ein wenig zu experimentieren und fand schließlich einen Weg, wie man die Duell-Disk mit dem Gehirn zu verbinden. Den Prototypen habe ich an mir selbst getestet und er funktioniert. Es bedarf zwar noch diverser Verbesserungen, aber im Grunde ist das Gerät einsatzfähig." höre ich ihn erläutern und nicke anerkennend, auch wenn sich der Gedanke doch etwas gruselig anhört und stark nach Science Fiktion klingt. "Aber das ist doch noch nicht alles, oder?" hake ich nach und wider Erwarten nickt er. Seine Züge scheinen einmal mehr wie aus Stein gemeißelt und etwas an seinem Blick beunruhigt mich. "Ein Punkt, der verbessert werde muss ist, dass der Prototyp es erlaubt auch andereweitig Zugriff auf das Gehirn zu nehmen. Vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass ich nicht nur in der Lage bin, diverse DuellMonster-Karten gemäß der individuellen Vorstellungskraft als Hologramme vorzustellen, sondern auch die Vorstellungskraft zu beeinflussen." erläutert er weiter und ich ahne was er mir zu sagen versucht. Er nickt als er meinen entsetzten Blick bemerkt. "Genau das." sagt er und nippt an seinem Drink. "In der jetztigen Phase wäre es demnach möglich, einen Menschen mittels des Gerätes in seiner Wahrnehmung massiv zu beeinflussen. Man könnte einem Menschen somit auf einen Psychotrip schicken, der unabsehbare Schäden mit sich bringen würde. Zudem wäre es möglich eine Person so indirekt zu steuern." Ich nicke leicht. "Verstehe..." sage ich und denke über diese Möglichkeit nach. Was er sagen will ist, dass man einen Menschen nach eigenen Ermessen durch eine Beeinflussung seiner Wahrnehmung steuern könnte. Ich werfe ihm einen ernsten Blick zu. "Deshalb hattest du auch Angst, dass deine Erfindung in die falschen Hände gerät." mutmaße ich und er nickt wobei er mich etwas überrascht an sieht. "Ich habe allein daran gearbeitet, ich bin der Einzige, der die Pläne kennt, geschweige denn überhaupt etwas davon wusste." erzählt er weiter und ich stelle die logische Frage: "Wie konnte dann jemand davon erfahren?" Er zuckt mit den Schulern. "Eines Abends fiel für kurze Zeit das Sicherheitssystem der Kaiba Corp. aus. Zu kurz, um einen Alarm auszulösen, aber lange genug, um aufzufallen. Natürlich habe ich Roland unverzüglich veranlasst sich darum zu kümmern und er checkte alle Systeme, was ich auch überprüft habe. Uns fiel nichts weiter auf und ich dachte, es hätte vielleicht einen kurzen Ausfall in der Stromversorgung gebeben. Jedenfalls schenkte ich dem Vorfall keine weitere Aufmerksamkeit. Doch ein paar Tage später viel mir auf, dass man versucht hatte, sich an meinem Hauptrechner zu schaffen zu machen. Man hatte ihn nicht hacken können, aber jemand hatte sich gewisse Datein angesehen und auch versucht diese herunterzuladen. Unter anderm dieses Projekt. An genauere Daten war man zwar nicht gekommen, nur an ein grobes Dozier über den Prototypen." Er hält kurz inne und nippt erneut an seinem Glas. "Ein paar Tage später fingen diese Aktienkäufe an, die schleichend getätigt wurden, so dass man erst keinen wirklichen Sinn dahinter entdecken konnte." Er zuckt mit den Schultern. "Als mir klar wurde, was da läuft, war es bereits zuspät. Dann erschien Pegasus und erzählte mir, dass er mehr oder weniger dahinter stecke, aber im Auftrag eines anderen handeln würde. Ich hielt es bis zu dem Zeitpunkt nur für den Versuch einer feindlichen Übernahme. Tja... ich habe mich verkalkuliert. Von Anfang an ging es ihnen nur um diese Erfindung und folglich hängt dieser versuchte Datendiebstahl damit zusammen, auch wenn ich mir nach wie vor nicht wirklich rätseln kann, wie diese Kerle das geschafft haben." Ich nicke und denke über seine Worte nach. Außerdem fällt mir wieder Mokuba´s Erzählung ein. Ja, jetzt ergibt es einen Sinn. Er wollte die Daten vernichten, damit keiner an seine Erfindung kommt, denn wer weiß, was diese Leute mit solch einem Gerät anstellen würden. "Und du denkst nun ernsthaft darüber nach, diesen Kerlen solch ein Gerät zu überlassen?" will ich weiter wissen. "Habe ich eine Wahl?" fragt er und seufzt. "Die einzige Chance, die bleibt ist, dass wir Mokuba finden und befreien können." Ich nicke, dann werde ich auch schon wieder rot und er sieht mich fragend an. "Ähm.. nichts, nur dieses Wir... es ist noch etwas gewöhnungsbedürftig." gebe ich offen zu und er sieht mich amüsiert an. "Mit wir meinte ich..." hebt er an, bricht aber ab und auch seine Wangen röten sich leicht. Wobei wir schlagartig wieder beim Thema wären. Gut, sogesehen hat diese Sache vielleicht nicht oberste Priorität, aber naja... Als könne er meine Gedanken lesen, meint er auch schon: "Mokuba ist augenblicklich das Wichtigste." Ich nicke. "Weiß ich doch. Versteht sich auch von selbst." entgegne ich und merke, dass er sich wieder ein klein wenig entspannt. "Was diese Sache zwischen dir und mir anbelangt..." hebt er ein paar Sekunden später an und wieder schwingt dieser leicht unsicherer Unterton in seiner Stimme mit. Wüsste ich, dass er es nicht in den falschen Hals bekommen würde, ich könnte nicht umhin zu grinsen. Kaiba und unsicher... das ist etwas ganz neues und irgendwie ist es direkt....süß. "Für mich ist das auch Neuland. Ist ja nicht so, dass ich jetzt unbedingt damit gerechnet hätte, dass so was passiert. Ich meine, dass ich dich... nicht mehr hassen würde." unterbreche ich seinen Ansatz und er mustert mich einen Moment. "Wir werden das einfach ruhig angehen, ok? Momentan haben wir ja ohnehin andere Prioritäten." In seinen schönen blauen Augen funkelt es plötzlich auf. "Aus deinem Mund das Wort Prioritäten zu hören... befremdlich, Wheeler, wirklich befremdlich." entgegnet er leicht amüsiert und ich lache kurz auf. "Hey, ich habe einiges dazu gelernt seit wir uns das letzte Mal gesehen haben." sage ich dann und zu meiner Überraschung nickt er. "Dessen bin ich mir sicher." erwidert er und für den Bruchteil einer Sekunden, naja, genau genommen etwas länger bin ich sprachlos. Er hat es tatsächlich eingeräumt. Wow... Ich glaube, dieser Tag wird immer besser. "Ich würde es begrüßen, wenn du mich nicht ansehen würdest wie ein debiles Mondkalb, Wheeler." höre ich ihn im nächsten Moment auch schon sagen und werfe ihm einen scharfen Blick zu. "Hey!" protestiere ich. "Wir wollen doch nicht in alte Muster verfallen, jetzt wo wir festgestellt haben, dass wir uns... nicht hassen!" Er mustert mich einen Moment, dann verdreht er die Augen. "Willst du mir damit implizieren, dass ich aufgrund der veränderten Grundsituation zukünftig von Kosenamen für dich absehen soll?" fragt er mich einen Augenblick später und ich glaube, jetzt sehe ich ihn tatsächlich wie ein Mondkalb an. Wäre er jemand anderes, ich würde diese Frage für einen Witz halten, aber bei Kaiba... nein. Er scherzt nicht und sein Blick ist auch dermaßen ernst, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass er die Frage ernst meint. Ich brauche ein paar Sekunden ehe ich reagieren kann. "Ich schätze, das kommt auf die Kosenamen an, Kaiba." entgegne ich dann mit einem schiefen Grinsen und male mir insgeheim für einen Moment aus, wie es wohl wäre, wenn er mich mit "Darling", "Honey" oder "Sweetheart" anreden würde. Lucy sagt manchmal "Honey" zu mir, was ich jetzt nicht so schlimm finde, aber bei Kaiba??? Gott, das wäre echt mal abgefahren! Aber so was kommt definitiv nicht in Frage. Zudem würde das irgendwie... schwul klingen. Ich schlucke unwillkürlich. Naja, bei genauerer Betrachtung bin ich ja jetzt irgendwie schwul. Theoretisch zumindest. Natürlich müssen mir jetzt auch wieder Lucy´s Worte einfallen. "Aber ich wage zu behaupten, dass du in der Beziehung den weiblichen Part übernehmen müsstest, Joey." Ein Punkt, über den ich gar nicht intensiver nachdenken will. Zumindest nicht im Moment. Denn so sehr es mir auch widerstrebt, ich befürchte, Lucy hat mit ihrer Einschätzung mehr als Recht. Nicht, dass ich mir dergleichen schon wirklich vorgestellt habe. Mitnichten! Immerhin war das Küssen schon eine Herausforderung. "Wheeler?" höre ich ihn fragen und werde unsanft aus einen Gedanken gerissen. "Ähm, ja, Kaiba?" frage ich und er mustert mich argwöhnlich. "Du hast binnen vier Sekunden dreimal die Gesichtsfarbe gewechselt." stellt er mit kühlem Tonfall fest. Ich kratze mir verlegen am Kopf und grinse ihn in gewohnter Joey-Wheeler-Manier schief an. "Ähm ja? Tatsächlich?" Na, bei meinen Gedankengängen glaube ich ihm das sofort. Er sieht mich immer noch durchdringend an. "Gehe ich recht in der Annahme, dass ich nicht wissen will, was du gerade gedacht hast?" fragt er mich und ich starre ihn einen Moment an. Wieder so eine typische Kaiba-Frage. Na, wenigstens habe ich es nicht verlernt seine minimalistischen Regungen und die einzelnen Facetten seiner Stimme richtig zu deuten. Ich nicke. "Gehst du." antworte ich wahrheitsgetreu und seine rechte Braue zuckt gefährlich. Ich grinse einfach weiter. "Stur grinsen und nicken, Tristan!" Diesen Ratschlag habe ich meinem besten Freund vor Ewigkeiten einmal gegeben. Gut, die Situation damals bezog sich ausnahmsweise nicht auf Kaiba, sondern auf unsere Mathe-Lehrerin, aber die war auch ein Drache, also schätze ich, dass man die Methode auch bei Kaiba anwenden kann. Die Alternative wäre wohl, die devote Grundstellung einzunehmen und zu hoffen. Ehe er noch etwas erwidern kann, klingelt es an der Tür. "Das wird Roland sein." sage ich zu Kaiba und er nickt. Ich setze mich in Bewegung und drücke den Knopf der Sprechanlage. Der Portier verkündet mir kurz darauf, dass ein japanischer Herr nach mir gefragt habe und darum bittet eingelassen zu werden. "Lassen sie ihn nach oben, Alfred." bestätige ich die Anfrage und nicke Kaiba, der mir gefolgt ist, zu. Es dauert ein paar Minuten, dann klopft es an der Tür und ich öffne. Roland hat sich nicht im Mindesten verändert. Er sieht immer noch so was, wie damals als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar glauben, dass er noch den gleichen Anzug und die gleiche Sonnenbrille trägt. "Hey, Roland!" begrüsse ich Kaiba´s Assistenten vergnügt. "Schön sie wiederzusehen." Ich grinse ihn an und seine Mundwinkel zucken minimal. "Freut mich auch, sie wiederzusehen, Master Katsuya ähm... Master Joey." erwidert er ohne die Sonnenbrille abzulegen und ich muss unwillkürlich schmunzeln. Der Typ wirkt so steif wie eh und je, als hätte man ihn zusammen mit seinem Anzug aufgebügelt. Ich klopfe ihm leicht auf die Schulter worauf er leicht hüstelt und deute ihm dann an einzutreten. Sein Blick trifft Kaiba und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass seine stoischen Züge sich etwas aufhellen. "Master Kaiba!" entfährt es ihm auch ungewohnt emotional. "Ich freue mich, dass es ihnen gut geht, Sir." Kaiba lächelt seinen Assistenten leicht an. "Gut, dass sie hier sind, Roland." erwidert er ebenso steif den eigentlich freundlichen und für seine Verhältnisse auch warmen Gruß. "Wie war der Flug?" will ich wissen. Roland nickt mir leicht zu. "Danke, der Nachfrage, Sir, besser als erwartet, auch wenn ich umsteigen musste. Ich gehe allerdings davon aus, dass mir niemand folgen konnte." erwidert der Assistent und Kaiba nickt. "Wollen sie was trinken?" will ich wissen und deute ihm an, sich ins Wohnzimmer zu begeben. Er nickt. "Kaffee, schwarz. Danke, Sir." kommt es steif zurück und ich überlasse ihn Kaiba, während ich in die Küche gehe und Kaffee aufsetze. Als ich zurück ins Wohnzimmer komme, scheint Kaiba Roland bereits über die jüngsten Entwicklungen informiert zu haben. Über Mokuba´s Entführung, nicht über unsere Sache. Ich stelle die Tasse auf dem kleinen Couchtisch ab und Roland bedankt sich. Seine Züge sind ernst und könnte man seine Augen sehen, wäre sein Blick es wohl auch. "Da man, wie ich ihnen bereits mitgeteilt habe, Sir, vermutlich in die Villa eingebrochen ist und scheinbar nicht fand, was man suchte, haben ihre Gegner wohl nur noch diese Möglichkeit gesehen." rekapituliert Roland präzise die Situation. Kaiba nickt. "Ich stimme zu, Roland." erwidert der Eisklotz und ich sehe ihn erstaunt an. Von einem Einbruch in der Villa wusste ich noch nichts. Er hatte lediglich von einem Verdacht erzählt. Aber im Grunde spielt es auch keine Rolle. "Haben sich die Entführer schon gemeldet, Sir?" will der Assistent wissen. Kaiba schüttelt den Kopf. "Bislang nicht. Ich rechne allerdings jeden Moment mit einem Anruf." antwortet der Brünette ungewohnt geduldig. Dann erzählt er Roland von der Spur, die zu Siegfried von Schröder führt und von seinem Vorhaben, nach Deutschland zu fliegen. "Eigentlich wollte ich, dass sie mich begleiten, Roland, aber wie die Dinge augenblicklich stehen..." Kaiba wirft mir einen kurzen Blick zu. "Der Prototyp befindet sich in der Villa. Die Pläne habe ich größtenteils bei mir." unterrichtet Kaiba seinen Assistenten weiter. "Falls ich keinen Weg finden sollte, Mokuba zu befreien, werde ich den Entführern beides übergeben müssen. Sie haben Fukuda alle notwendigen Instruktionen erteilt?" Roland nickt. "Fukada ist über alles informiert. Er steht auf Abruf auch bereit, sofern sie weiter Instruktionen haben." bestätigt der Assistent und Kaiba nickt. "Es wäre möglich, dass ich ihn einweisen muss, den Prototypen herzuschaffen, aber das werde ich entscheiden nachdem ich mit den Entführern geredet habe." Roland räuspert sich. "Gehen sie denn davon aus, dass dieser Herr von Schröder weiß, wo Mokuba sich befindet?" will er wissen. Kaiba zögert. "Ich hoffe es, aber ich vermute eher das Gegenteil. Nun, wir werden sehen. Augenblicklich wäre mir wohler, wenn diese Gauner sich endlich melden würden." erwidert er und ich nicke verständnisvoll. Bislang habe ich es vermocht die Sorge um Mokuba zu verdrängen, aber jetzt wo Roland hier ist, wird sie mit einem Mal wieder so präsent, dass sich mir der Magen zusammen zieht. Ich weiß, dass der Kleine hart im nehmen ist, immerhin ist er ein Kaiba, aber das macht es nicht unbedingt besser. So gesehen kommt der arme Mokuba vom Regen in die Traufe. Erst wird er seinem Bruder entrissen und ist wochenlang abgeschottet untergebracht und gerade als er sich wieder ein wenig einzuleben versucht, passiert das hier. Ich könnte mich immer noch ohrfeigen dafür, dass ich es nicht verhindern konnte. Kaiba mag es als seine Schuld ansehen, aber ich hätte diesen Angriff auch vorhersehen können. "Haben sie mir die gewünschten Disks mitgebracht?" höre ich Kaiba fragen. Roland nickt. "Natürlich, Sir." erwidert der Assistent und ich sehe Kaiba fragend an, doch er erklärt mir die Hintergründe dazu nicht. Stattdessen wendet er sich weiterhin an Roland. "Wheeler wird sie hier unterbringen. Ich logiere derzeit in einem Hotel in der Nähe." erklärt er seiner rechten Hand und einen Moment lang habe ich den Eindruck, dass Roland überrascht ist, sofern man solch eine Regung überhaupt von seinem Gesicht ablesen kann. Aber natürlich ist er viel zu professionell, um eine Frage zu dem Punkt zu stellen, selbst wenn sie ihm auf der Zunge liegen würde. Die nächsten Worte, die aus meinem Mund kommen, überraschen uns alle drei. "Ähm... du könntest eigentlich auch hier... Platz ist genug." höre ich mich sagen und meine Wangen brennen so dermaßen, dass es sogar Roland nicht übersehen kann. Ich grinse verlegen und Kaiba... er sieht mich regungslos an. Aber er scheint zu überlegen. Ich zucke mit den Schultern. "Ich meine ja nur." füge ich hinzu und er nickt. "Ich werde über das Angebot nachdenken." erwidert er und kurz erscheint auch auf seinen Wangen diese zarte Röte wieder. Ich schlucke leicht, verdränge aber alle aufsteigenden Gedanken und zu meinem Glück klingelt in diesem Moment auch ein Handy. Ich sehe wie Kaiba erstarrt, dann kramt er auch schon das Mobiltelefon aus seiner Jacke, dass Bandit Keith ihm gegeben hat und meldet sich mit einem schneidenden, ehrfurchteinflössenden: "Kaiba!" Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Leider höre ich nicht was der oder die andere am anderen Ende der Leitung sagt und Kaiba´s Miene verrät natürlich nichts. Eine Ewigkeit scheint er nur schweigend zu zu hören und ich halte gebannt die Luft an. Auch Roland wirkt sichtlich angespannt, verzieht aber genau wie sein Herr keine Miene. "Ich möchte mit meinem Bruder sprechen!" höre ich Kaiba sagen. Genau genommen erteilt er einen Befehl und ich rechne schon fast damit, dass der andere auflegt und das Gespräch beendet, doch dann weiten sich Kaiba´s Augen und mein Herzschlag setzt für einen Moment aus. Erst als Kaiba wieder etwas sagt, atme ich erleichtert auf. "Geht es dir gut, Mokuba?" will er wissen und ich höre die Sorge in seiner Stimme deutlich. Seine Hand, die das Handy festhält, verkrampft sich leicht. Dann sehe ich wie er leicht die Augenbrauen zusammen zieht. "Keine Sorge, Mokuba, alles wird gut. Ich verspreche es dir. Genau wie ich es dir früher gesagt habe: Wir werden glücklich leben bis an unser Lebensende, kleiner Bruder." Ich blinzele. Ich bin nicht sicher, aber etwas an der Art wie Kaiba mit Mokuba spricht, irritiert mich. Sicher, Mokuba gegenüber ist sein Tonfall immer sanfter, aber diese Ausdrucksweise? Irgendwie passt das nicht zu Kaiba. Doch er redet inzwischen auch schon wieder mit dem Entführer. "Ich brauche Zeit. Ich habe Keith bereits gesagt, dass ich den Prototypen nicht bei mir habe und da er sich in Japan befindet, ist es für mich augenblicklich nicht leicht an ihn heranzukommen. Aber das müsste ihnen eigentlich klar sein." erklärt er gerade mit kühlem Tonfall. Ich schlucke. "Drei Tage? Nun gut. Aber ich warne sie: Wenn sie Mokuba auch nur ein Haar krümmen, nur ein einziges Haar, dann ist ihr Leben verwirkt. Seien sie sich dessen sicher. Ich werde sie suchen, ich werde sie finden und ich werde sie töten. Sie wissen wozu ich in der Lage bin." erklärt Kaiba mit eisiger Stimme und einem Blick, der die Todesstufe 10 weit übersteigt. Ich zucke unwillkürlich zusammen. Ich zumindest hege keinerlei Zweifel an seinen Worten. Oh nein. Sollten diese Typen wirklich soweit gehen, Mokuba etwas anzutun, dann will ich nicht in ihrer Haut stecken. Damit ist das Gespräch auch schon beendet und sowohl Roland als auch ich sehen Kaiba erwartungsvoll an. "Wie geht es ihm?" will ich wissen. "Was haben diese Typen gesagt?" Zu meiner Überraschung dauert es eine Weile bis er antwortet. Er starrt gebannt auf den Boden und scheint in Gedanken versunken und ich würde ihn am liebsten packen und schütteln. Diesen Impuls zu unterdrücken ist fast unmöglich. Nach einer Ewigkeit wie es mir vorkommt, murmelt er etwas unverständliches und nickt dann leicht. Seine blauen Augen sind dunkler als je zuvor. "Es geht ihm gut." sagt er schließlich sachlich. "Sie geben mir drei Tage Zeit die Übergabe vorzubereiten." Ich nicke und blicke zu Roland. "Soll ich mich mit Fukada in Verbindung setzen, Sir?" will der Assistent wissen, doch Kaiba schüttelt den Kopf. "Noch nicht." befindet Kaiba ruhig und mein Geduldsfaden ist zum zerreißen gespannt. "Es könnte sein, dass ich weiß wo Mokuba ist." höre ich ihn im nächsten Moment auch schon sagen und starre ihn an. "WO?" fahre ich ihn an. "Es ist etwas, dass Mokuba gesagt hat. Er hat versucht mir einen Hinweis zu geben und wenn ich diesen richtig gedeutet habe... Nun, es gibt zwei Möglichkeiten." erwidert er und sieht mir direkt in die Augen. "Entweder er ist tatsächlich bei Siegfried in Deutschland oder in einem anderen Haus der Schröders. Soweit ich weiß, haben sie auch eine Residenz irgendwo in Arabien... Ich bin mir in dem Punkt nicht sicher, aber Alister müsste es sehr schnell in Erfahrung bringen können." fährt Kaiba fort und ich sehe ihn verständnislos an. "Wie kommst du darauf?" will ich wissen. Er schenkt mir ein feines Lächeln. "Eine Andeutung, die Mokuba gemacht hat. Er meinte, er hoffe, dass ich ihm bald wieder vorlesen könne." erwidert Kaiba in einer Seelenruhe für die ich ihn gerade umbringen könnte. "Und was heißt das?" Ich verstehe nur Bahnhof. Kaiba seufzt. "Ich habe Mokuba schon ewig nichts mehr vorgelesen. Aber früher habe ich das jeden Abend getan. Ein Buch. Geschichten aus 1001 Nacht. Mokuba liebte diese Märchen, er konnte gar nicht genug davon bekommen." erklärt er mir schließlich und der Groschen fällt. "Leon!" entfährt es mir und er nickt. "Ja, Mokuba hat diese Anspielung bewusst gemacht. Er wollte mir einen Hinweis auf Leon geben." Ich nicke erneut. Natürlich, das leuchtet ein. Leon von Schröder und sein Märchendeck. Geniale Schachzug von Mokuba. Der Kleine hat echt Krips. Ich grinse Kaiba an. "Das heißt, er wollte entweder direkt auf die von Schröders anspielen oder auf die Verbindung von ihnen zu dieser Residenz." kombiniere ich und Kaiba nickt. "So oder so, wir haben jetzt einen Anhaltspunkt." meint der ehemalige Firmenchef. "Und drei Tage Zeit." füge ich hinzu. "Mokuba ist echt genial!" Ich strahle Roland an und er räuspert sich. "Ja, Master Mokuba war schon immer sehr... gerissen." stimmt der Assistent zu. Kapitel 40: Überraschende Perspektiven (Roland) ----------------------------------------------- Ihr seid echt süß! Da macht es umso größere Freude zu schreiben!! Und so viele Favos. Wow... ich bin echt sprachlos!! Dank euch. Zur Logik vielleicht noch etwas: Ich gebe mir zwar Mühe, der Geschichte einen logischen Verlauf zu geben, aber naja, natürlich sind gewisse Dinge eher phantastischer Natur, ich denke ihr versteht. :-) Aber YGO ist ja auch in der Hinsicht nicht immer strikt logisch, seht mir also nach, wenn sich einige "Logikfehler" einschleichen. Viel Spaß weiterhin. BTW: Es würde mich mal interessieren aus welcher Sicht ihr bislang am Liebsten lest. Merci. "Sie sind also Roland? Ich habe schon viel von ihnen gehört." begrüßt mich Master Joey´s Vater und streckt mir die Hand hin. Ich lächele etwas verlegen und drücke die dargebotene Hand. "Tatsächlich, Sir?" frage ich und vermute, dass er auf Master Mokuba anspielt. Das leichte Lächeln im Gesicht von Jack Wheeler deutet zumindest dergleichen an und ich vermag es mir auch nicht vorzustellen, dass Master Seto viel über mich gesprochen hat. Jack Wheeler lächelt noch immer als er meine Hand wieder loslässt. "Mokuba betrachtet sie scheinbar als eine Art väterlichen Freund und gelegentlich auch als Komplizen." meint der Millionär und zwinkert mir leicht zu. Ein wenig pikiert weiß ich nicht was ich darauf erwidern soll, obgleich ich mir nur zu gut auszumalen vermag, welche Anektoden diesbezüglich Master Mokuba zum Besten gegeben hat. Ich erinnere mich nur zu gut an eine Episode, wo ich ihm helfen musste, die Spuren einer gewissen Geburtstagsparty vor Master Kaiba zu verbergen. "Sie sind echt mal ein Kumpel, Roland. Seto würde mich töten, wenn er davon erfährt. Echt! Er ist manchmal so eine Spaßbremse... dabei würde es ihm gut tun, auch mal... Bei der Erinnerung an den leicht betrunkenen Kleinen, der sich immer wieder verschwörerisch zu mir beugte, als ich mich mit aller Macht bemühte, ihn ins Bett zu bringen, muss ich unwillkürlich lächeln. Erst nachdem ich ihm dreimal versichert hatte, dass Master Kaiba tatsächlich eine "Spaßbremse" sei, gab er Ruhe und schlief selig ein. Natürlich musste ich ihm versprechen, dass ich ihm helfen würde Maßnahmen zu ergreifen, welche die "Spaßbremse" etwas "auftunen" würden. Zu meinem Glück und vermutlich auch zu seinem eigenen war dieses Vorhaben am nächsten Morgen wieder vergessen und einzig ein kleiner Kater erinnerte noch daran, dass der Kleine auf der Geburtstagsparty zu viel Alkopops konsumiert hatte. Mein Adrenalinspiegel war an diesem Morgen so hoch, dass ich schon um zehn mit dem ersten Herzinfarkt rechnete. Aber zu unserer aller Glück war Master Kaiba viel zu sehr mit den Vorbereitungen einer geplanten Übernahme beschäftigt, auch wenn mir sein kritischer Blick nicht entging als ich ihm mit ernster Miene mitteilte, dass Master Mokuba etwas falsches gesessen habe und daher im Bett bleiben würde. Bis heute bin ich mir nicht sicher ob Master Kaiba die wahren Hintergründe tatsächlich nicht entdeckt hat oder geflissentlich schwieg. Insgeheim tippe ich auf letzteres. Sicher bin ich jedoch nicht. In wiefern sich Master Mokuba an diese Episode erinnert, kann ich nicht mit Bestimmheit sagen. Ganz sicher jedoch erinnert er sich daran, wie er das Rücklicht eines der Wagen von Master Kaiba kaputt gemacht hat bei seinem zweifelhaften Versuch, den Wagen wenigstens in der Garage einmal kurz zu fahren. Natürlich überhörte er meinen Hinweise, dass er eindeutig den falschen Gang eingelegt habe, geflissentlich und meinte lediglich gelassen: "Keine Sorge, Roland, ich hab Seto unzählige Male zugesehen." Eine Bemerkung, die mich zu keiner Zeit auch nur einen Moment beruhigte. Die Schuld einem Mader zu zu schieben sprach allerdings für ein interessantes Maß an Phantasie. Es war allerdings auch Pech, dass Master Kaiba ausgerechnet diesen Wagen an eben jenem Tag fahren wollte. "Sie haben den Mader doch auch gesehen, oder Roland? Ein ganz fieses Exemplar mit roten Augen. Ich glaube, der war mutiert. Was meinen sie, Roland?" Ich bestätigte die Sichtung eines recht beachtlichen Exemplares, sagte jedoch, dass mir die Augenfarbe bedauerlicherweise entgangen wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass Master Kaiba uns diese Geschichte abnahm war schwindend gering und der Umstand, dass die rechte Braue das ganze Verhör über nach oben gezogen war, sprach nicht unbedingt dafür, dennoch ordnete er an, einen Kammerjäger zu besorgen und wies mich an Master Mokuba bei Gelegenheit mit der Funktionstechnik eines Autos vertraut zu machen. Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich nur vage mitbekomme, dass Master Joey und sein Vater sich kurz verabschieden, um etwas geschäftliches zu besprechen. Master Kaiba steht nachdenklich da und ich bin nicht sicher ob er weiß, dass ich anwesend bin. Ich räuspere mich leicht und er dreht sich zu mir um. "Darf ich fragen, Sir, was sie nun zu tun gedenken?" frage ich und seine Mundwinkel zucken leicht. "Die Flüge nach Deutschland sind bereits gebucht." antwortet er beiläufig. "Ich werde Siegfried einen Besuch abstatten." Ich nicke. "Ich hoffe, dass Mokuba sich bei ihm befindet, das würde die Angelegenheit leichter machen, da ich es für schwierig, wenn nicht sogar unmöglich erachte, es in drei Tagen nach Deutschland und Arabien zu schaffen, falls sich Mokuba dort aufhalten sollte." erklärt er weiter und jetzt erst bemerke ich seine Anspannung. Über diesen Punkt hatte ich bislang noch nicht weiter nachgedacht. Master Joey´s Freude über diese Spur hatte mich dermaßen angesteckt, dass ich seinen Optimismus, Master Mokuba bald befreien zu können, teilte und mir die Gegebenheiten gänzlich entfallen waren. Ich nicke nachdenklich. Die Schwierigkeit wird mir jetzt erst bewusst. Es ist eine Sache, nach Deutschland zu fliegen und Siegfried von Schröder aufzuspüren. Sollte Master Mokuba aber an einem anderen Ort sein, geht durch diesen Zwischenstopp eine Menge Zeit verloren. "Wir könnten Zeit sparen, Sir, wenn wir uns aufteilen würden." hebe ich vorsichtig an und Master Kaiba´s scharfer Blick trifft mich sofort. Er sagt nichts, also fahre ich fort. "Wir könnten zwei Teams bilden. Eines fliegt nach Arabien, natürlich sollten wir zuvor in Erfahrung bringen wo dort genau die Residenz der Schröders ist und das andere nach Deutschland." Master Kaiba nickt. "Die Idee ist gut, Roland." erwidert er und ich nicke. "Danke, Sir." Wieder erscheint er in Gedanken und nickt leicht vor sich hin. Ich kann mir vorstellen wie schwer ihm dieser Gedanke fällt. Er ist es gewohnt, die Dinge allein in die Hand zu nehmen, aber in diesem Fall ist er auf Hilfe angewiesen. Ich bin sicher, dass er die Vorteile meines Vorschlages erkannt hat, vermutlich analysiert er bereits die Möglichkeiten. Doch das "Team" macht ihm sicherlich Gedanken. Mir ist zwar keineswegs entgangen, dass sich sein Verhältnis zu Master Joey sichtlich entspannt hat, aber eine solch wichtige Aufgabe in fremde Hände zu legen, bedeutet für Master Kaiba weitaus mehr als nur über seinen Schatten zu springen. "Die Ishtars." höre ich ihn schließlich sagen und in seinen blauen Augen leuchtet es auf. "Sir?" frage ich. "Diese Ägypter... die Freunde von Muto." meint er und ich glaube zu verstehen was er meint. "Ja, Sir, soweit ich weiß, befinden sich Isihzu Ishtar und ihr Bruder wieder in Ägypten." Er nickt. "Ich weiß." entgegnet er ungeduldig und ich sehe ihm deutlich an, dass es in seinem Kopf auf Hochtouren arbeitet. Ich ahne, welch ein Gedanke ihm vorschwebt und räuspere mich. "Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Tea Gardner vor meinem Abflug noch bei mir war. Sie lässt sie und Master Mokuba grüßen und sicherte mir auch im Namen von Yugi Muto ihre Unterstützung zu." erkläre ich und sein Blick fixiert mich schlagartig. Dunkel nehme ich wahr, dass er tief einatmet und seine Augen einen mir nur allzu vertrauten Ausdruck annehmen. Ich kenne diese Reaktion nur zu gut von ihm. So reagiert er immer, wenn der Name Yugi Muto fällt seit dieser Junge ihm seinen Titel abgenommen hat. Der ewige Rivale und die einzige Person, die Seto Kaiba nie besiegen konnte. Für gewöhnlich hüte ich mich, Muto´s Namen zu sagen, doch in dem Fall hoffe ich, dass er meine Anspielung versteht. Es wäre naheliegend und das weiß er auch, sich an Muto zu wenden, um über diesen Kontakt mit einem der Ishtars aufzunehmen. So hätten wir jemanden mehr oder weniger als Kontaktmann vor Ort, was unsere Hoffnung, Master Mokuba zu befreien eindeutig verbessern dürfte. Ich sehe ihm an, dass er meinem Gedankengang bereits folgt und die Möglichkeiten abwägt, daher hüte ich mich davor noch etwas zu diesem Punkt hinzuzufügen. Master Kaiba zieht die Brauen zusammen und die Tatsache, dass er sich auf die Unterlippe beißt, etwas das er höchst selten tut, beweist, dass er sich im Klaren darüber ist, dass dieser Gedanke mehr als nur eine Chance ist, die bestehende Lage zu verbessern. Natürlich ist nicht abzusehen ob sich Master Mokuba tatsächlich in Arabien aufhält, aber von Ägypten aus bestünde immerhin die Möglichkeit dies schneller in Erfahrung zu bringen und Zeit ist schließlich augenblicklich das größte Problem. "Ist was passiert?" vernehme ich Joey Wheeler´s Stimme hinter mir und sehe, dass er Master Kaiba und mich frgend mustert. Ich überlasse es Seto Kaiba darauf zu antworten und lege eine betont gleichmütige Miene an den Tag. Ein Ruck geht durch den schmalen Brünetten und er blickt den Blondschopf an. "Hast du noch Kontakt zu Muto?" fragt er im nächsten Augenblick und Joey Wheeler blinzelt leicht überrascht. "Nicht wirklich. Ich hab in den letzten Tagen oft mit Tea geredet, aber mit Yugi... Wieso?" erwidert der einstmals chaotische Blonde irritiert. Kaiba zögert. Wieder scheint er zu überlegen, doch innerhalb von Sekunden fasst er wohl einen Entschluss. "Da Mokuba in Arabien sein könnte, wäre es für jemanden vor Ort wesentlich leichter diesen Punkt zu untersuchen." erläutert der ehemalige Firmenchef dem jungen Mann und entgegen der landläufigen Meinung, dass Joey Wheeler eine langsame Auffassungsgabe habe, scheint er sehr schnell zu verstehen. Er nickt jedenfalls. "Verstehe... du denkst an Marik und Ishizu." kombiniert er und Master Kaiba nickt mit aufeinander gepressten Lippen. "Hey, das ist genial. Sobald Alister rausbekommen hat, wo diese Residenz der Schröders ist, könnten die Ishtars sich auf die Suche machen." meint Master Joey und strahlt seinen Erzfeind an. "Zumindest würde uns das Zeit sparen." erwidert dieser und Joey Wheeler nickt aufgeregt. "Na, dann rufe ich doch gleich mal bei Yugi an. Der hilft uns sofort, ach was sag ich, er wird happy sein uns helfen zu können." Der junge Blonde ist bereits Feuer und Flamme. Kaiba dagegen wirkt skeptisch. Natürlich. Er sieht den "König der Spiele" ja auch in erster Linie als Rivalen obgleich dieser ihm wieder und wieder seine Freundschaft angetragen hat. "Marik und Ishizu helfen uns ganz sicher." versichtert Joey Wheeler weiter und wartet scheinbar auf ein Zeichen des Brünetten. "Ok, ruf ihn an." sagt dieser schließlich. "Erklär ihm die Lage, dann werde ich mit ihm reden." Joey Wheeler nickt und macht sich auch schon im nächsten Moment ans Werk, während Master Kaiba sein Handy zückt und sich anschickt zu telefonieren. Dem Gespräch nach vermute ich, dass er mit diesem Weißhaarigen, Bakura, redet. In kurzen Sätzen erteilt er ihm den Auftrag, sich über die Immobilien der Familie von Schröder zu informieren und ihm umgehend Bescheid zu geben. Dann beendet er das Gespräch und schließt für einen Moment die Augen. In diesem Augenblick sehe ich ihm seine ganze Anspannung an und es trifft mich wie ein Stich ins Herz. Ich habe ihn schon oft angespannt gesehen, gestresst und unter Zeitdruck. Jedes Mal griff er zu Kaffee und Schmerztabletten, um die Lage zu bewältigen. Doch dieses Mal macht ihm mehr zu schaffen. Die Sorge um Mokuba ist etwas ganz anderes als ein Firmengeschäft, dass platzen könnte. Ich sehe wie seine Schultern leicht zucken und der Übermensch, den Gozaburo Kaiba geschaffen hat, tief einatmet. Als sein Blick mich trifft, sehe ich mehr als Ernst in seinen Augen. Ich lächele unwillkürlich und hoffe, dass er die kleine, aufmunternde Geste bemerkt. "Mir scheint, dass sich ihr Verhältnis zu Master Joey verbessert hat, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf, Sir." sage ich im nächsten Moment und weiß selbst nicht warum ich das tue. Es ist offensichtlich, dass die Beiden sich nicht mehr auf dem Level bewegen wo sie noch vor drei Jahren waren und keine Gelegenheit ausließen einander ein Wortgefecht nach dem anderen zu liefern. Teilweise war es wirklich erstaunlich, welche Dinge sich die Beiden während und nach den Duellen an den Kopf warfen. So ganz habe ich es nie verstanden. Nein, falsch. Ich verstand den Kampfgeist des jungen Blonden nur zu gut und auch seinen Stolz, der ihn immer wieder versuchen ließ gegen Windmühlen anzukämpfen. Aber warum Master Kaiba keinem dieser Wortduelle aus dem Weg gehen konnte... Manchmal kam es mir vor als würden sich die Beiden magisch anziehen. Unabhängig wieviele Menschen im Raum waren, sie fanden sich zielsicher als gäbe es nur sie zwei und sofort begann dieses merkwürdige Spiel, wenn man es denn so nennen mag, von vorne. Erstaunlich daran war nicht nur, dass Master Kaiba sich in gewisser Hinsicht auf das Niveau des Blonden begab, immerhin hätte er die Äußerungen des Jungen einfach ignorieren können, nein, es hatte auch nie Konsequenzen für den "Köter" wie er ihn zu nennen pflegte. Ich erinnere mich daran, dass ein Mann aus der Buchhaltung es einmal wagte, hinter dem Rücken des großen Seto Kaiba´s eine unflätige Äußerung zu machen, die diesem zu Ohren kam. Aus allen Rohren wurde der Mann torpediert. Aber bei Joey Wheeler, der ihm weiß Gott wesentlich derbere und gemeinere Dinge sagte, hatte es nie eine Konsequenz. Master Kaiba drohte zwar, doch gleichgültig was der Junge tat, es folgten keine Sanktionen. Im Gegenteil. Als ich in meinem Übereifer tatsächlich einmal eine Klage gegen den jungen Wheeler vorbereitete und sie ihm vorlegte, betrachtetet Master Kaiba sie nur lächelnd und meinte: "Vielleicht ein anderes mal, Roland. Wir wollen doch nicht, dass das Hündchen auf der Straße landet." Ja, das erstaunte mich tatsächlich. Genau wie die Tatsache, dass Master Kaiba noch Wochen nach dem Weggang des Jungen aus Japans unleidlich war. Er stürzte sich so in Arbeit, dass er kurz vor einem Zusammenbruch stand und auch das beharrliche Zureden seiner Ärzte hielten ihn nicht davon ab. Es war als müsse er eine Lücke füllen, die Joey Wheeler hinterlassen hatte. Ich betrachte meinen Herrn vorsichtig und frage mich ob ich mit meiner Bemerkung vielleicht zu weit gegangen bin, doch zu meiner Überraschung seufzt er lediglich. "Ja, so könnte man es ausdrücken, Roland." erwidert er schließlich und der Anflug seines Lächelns wandert über sein Gesicht. "Wir haben festgestellt, dass wir uns doch nicht... hassen." Ich schlucke, um ein Husten zu ünterdrücken. "Oh." entfährt es mir dennoch. "Tatsächlich, Sir? Das freut mich für sie." Er wirft mir einen durchdringenden Blick zu und ich bin froh, dass ich meine Sonnenbrille noch immer trage, sonst würde er sehen, dass es in meinen Augen gerade aufleuchtet. So aber vermag ich es jede Regung auf diese Äußerung zu verbergen. Er würde es sicher nicht begrüßen allzu deutliche Freude in meinem Gesicht zu sehen. Ehe einer von uns noch etwas sagen kann, rettet mich Master Joey aus der prekären Situation. Er kommt zurück in den Raum und hält Master Kaiba das Telefon hin. "Yugi." erklärt er und zwinkert dem Brünetten zu. "Keine Sorge, er hat sich schon bereit erklärt. Ich musste ihn gar nicht lange bitten." Master Kaiba schluckt, dann nimmt er den Hörer entgegen. Kapitel 41: Spurwechsel ----------------------- "Muto." Meine Stimme ist gewohnt kühl und distanziert und ich sage mir wieder und wieder, dass es um Mokuba geht und wenn Muto mir irgendwie in dieser Angelegenheit dienlich sein kann, dann... "Hallo Kaiba." begrüßt mich der Spielezwerg und ich ziehe unwillkürlich die Brauen zusammen. Wie immer trieft seine Stimme vor Freundlichkeit und etwas in mir zieht sich schlagartig zusammen. "Joey hat mir erzählt was los ist." fährt er auch schon fort. "Das mit Mokuba tut mir leid. Das Ganze. Ich hoffe, du weißt, dass ich...." "Danke." knurre ich in den Hörer und unterbreche damit seinen Redeschwall. Ich kann ihn förmlich vor mir sehen. Die riesigen Augen und das ebenso große Strahlen im Gesicht. "Stehst du noch in Verbindung zu den Ishtars?" frage ich und hoffe, dass der Kleine einfach nur mit "Ja." antwortet. Aber natürlich tut er mir diesen Gefallen nicht. "Ja, ich habe letzte Woche noch mit Ishizu geredet. Sie arbeitet jetzt für das Museeum in Kairo und Marik..." sprudelt es auch schon aus ihm raus und mein Kopf schmerzt. "Gut." unterbreche ich ihn. "Es wäre möglich, dass Mokuba irgendwo in Arabien gefangen gehalten wird. Ich arbeite gerade daran, den Ort näher zu bestimmen." Ich halte kurz inne, denn nun kommt der schwierige Teil. Ich weiß, ich hätte es Wheeler überlassen können, aber es ist schließlich mein Anliegen und auch wenn es mir schwer fällt, Muto, meinen Erzrivalen um einen Gefallen zu bitten, so werde ich mich doch nicht davor drücken. Nein, ein Seto Kaiba drückt sich vor nichts. Ich atme tief durch, doch da meldet sich der Zwerg mit den Kulleraugen auch schon wieder zu Wort. "Wenn du wüsstest, wo genau der Ort ist, könnte ich Marik anrufen. Er könnte die Lage vor Ort dann für dich checken. Soweit Joey erzählt hat, wolltest du ohnehin erst nach Deutschland zu Siegfried." Ein Teil von mir atmet erleichtert auf. Doch mein Stolz zwingt mich dazu, dieses "Geschenk" nicht einfach hinzunehmen. Vermutlich hat Wheeler den Kleinen bereits vorbereitet und wie ich Muto kenne, weiß er wie schwer es mir fällt irgendjemanden, ganz besonders ihn, um etwas zu bitten und daher macht er es mir leicht. Aber ich kann diesen Punkt nicht einfach so stehen lassen. Ich seufze und erwidere dann: "Darauf wollte ich hinaus. Es wäre eine große Hilfe, wenn du Marik um diesen Gefallen bitten könntest, Muto." Die Worten kommen steif über meine Lippen und ich spüre auch wie sich etwas in mir verkrampft. "Klar, Kaiba, gerne. Ich werde ihn gleich anrufen und ihn informieren." meint Yugi Muto mit diesem fröhlichen Unterton, den er immer an den Tag legt. "Und am Besten gebe ich dir seine Nummer, dann kannst du ihn kontaktieren sobald du genaueres weißt." "Das wäre... praktisch." entgegne ich und den Kleinen förmlich lächeln sehen. "Ich hoffe, ihr findet Mokuba bald." Ich bedanke mich routiniert für diese Anteilnahme, die ich ihm wirklich glaube. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Muto es aufrichtig meint. Er mag meinen Bruder sehr und auch mich scheint er trotz unserer Rivalität aus welchen Gründen auch immer zu schätzen. Er gibt mir die Nummer durch und ich wiederhole sie. "Ich werde Marik gleich anrufen!" versichert er mir noch einmal ehe ich das Gespräch beende. Wheeler sieht mich erwartungsvoll an. "Er wird sich mit den Isthars in Verbindung setzen." erkläre ich. "Jetzt muss Alister nur noch herausfinden, wo Siegfried´s Residenz ist." Wheeler nickt. "Ich werde gleich auch noch einmal ins Hotel fahren." fahre ich fort und Wheeler sieht mich etwas überrascht an. "Ich habe Bakura vorhin nicht von den jüngsten Entwicklungen unterrichtet. Zudem..." Ich werde einen Blick auf Roland. "Hat Roland vorgeschlagen, dass wir es sinnvoll sein könnte zwei Teams zu bilden." Das Hündchen nickt nachdenklich und Roland räuspert sich verlegen. "Soll ich mitkommen?" fragt der Blondschopf dann auch schon. Ich schüttele den Kopf und habe für einen Moment das Gefühl, dass er enttäuscht ist. "Wirst du... Willst du nun hier übernachten oder bleibst du im Hotel?" fragt er weiter und ich zögere. Ich bin nicht sicher wie ich das Angebot, dass er mir vorhin unterbreitet hat, deuten soll. Natürlich ist es sehr höflich und da auch Roland hier untergebracht ist... Dennoch fallen mir auch jetzt wieder die Worte ein, die er im Auto gesagt hat. Dass wir dort weitermachen sollten, wo wir aufgehört haben. Ich bin nicht sicher, wie ich das verstehen soll. Natürlich ist mir klar, was er meinte, aber was das in Verbindung mit seinem Angebot bedeutet - ob es überhaupt etwas bedeutet... Generell bewege ich mich diesbezüglich auf unserem Gelände. Einerseits hat sich in mir eine gewisse Erleichterung breit gemacht als er mir sagte, dass er mich nicht hassen würde und ihn zu küssen... Nun, es war mehr als nur ein gutes Gefühl. Es war ein explizit gutes Gefühl. Trotzdem weiß ich nicht so recht, wie ich mit dem Köter nun umgehen soll. Er sieht mich erwartungsvoll an und ich nicke langsam. "Ich denke, ich werde dein Angebot annehmen." erkläre ich steif und er lächelt. "Schön, dann lasse ich alles herrichten." erwidert er und ich schlucke unwillkürlich. Dann sehe ich betreten auf die Uhr. "Es ist wohl am Besten, wenn ich gleich fahre. Vielleicht hat Alister inzwischen auch schon etwas in Erfahrung gebracht." erkläre ich und er nickt. Roland hüstelt leicht. "Sie können auch hier bleiben." sage ich zu meinem Assistenten und er nickt. Ich greife mir meine Jacke und bewege mich in Richtung Tür. Wheeler folgt mir. Bevor ich die Tür öffne, wende ich mich noch einmal zu ihm um. Er lächelt mich immer noch an. "Ich hoffe wirklich, dass wir Mokuba bald finden." meint er und ich nicke. Mit einem Mal ist da wieder die ganze Unsicherheit, ein Gefühl, dass mich irritiert. Genau wie das absonderliche Gefühl in meinem Magen. Dieses befremdliche Prickeln, dass mir schlagartig die Erinnerung an seinen Kuss ins Gedächnis ruft. Abwesend betrachte ich seine Lippen. "Ich..." hebe ich etwas durcheinander an, presse dann aber die Lippen aufeinander. Etwas verlegen sehen wir einander an und ich glaube fast, dass es Wheeler ähnlich geht. Ich überlege gerade ob ich einfach gehen soll, immerhin ist alles gesagt, doch aus irgendeinem Grund rühre ich mich nicht. "Ähm... Kaiba?" vernehme ich in diesem Augenblick Wheeler´s Stimme. Ich hasse es, wenn er ein Gespräch so beginnt und unwillkürlich verdrehe ich auch schon die Augen. "Wäre es nicht angebrachter, Vornamen zu benutzen, wie Mokuba es vorgeschlagen hat?" frage ich automatisch und verlegene Röte huscht über sein Gesicht. Dann nickt er unsicher. "Ähm...gut." sagt er und legt dann den Kopf leicht schief. "Seto?" Ich zucke leicht zusammen als er meinen Namen ausspricht. Dieses seltsame Prickeln ist sofort da und ich habe das Gefühl, dass tausende von Insekten über mich kriechen. "Ja - Joey?" entgegne ich und sehe ihn fragend an. Er zögert und mustert mich kurz abschätzend. Schließlich erscheint ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht. "Ich weiß, es ist weder der richtige Zeitpunkt noch passt es gerade, aber naja..." Er zuckt mit den Schultern und ich habe keine Ahnung was er mir zu sagen versucht. Verwirrt sehe ich ihn an. Dieser Kerl schafft es aber auch immer mich zu irritieren. Gerade wenn ich denke, dass ich etwas Durchblick gewinne, macht er alles wieder zunichte. "Was?" frage ich und klinge wohl leicht ungehalten. Er seufzt. "Egal. Ich tu´s einfach." murmelt er und im nächsten Augenblick zieht er mich auch schon an sich. Ehe ich weiß was passiert presst er seine Lippen auf meine und küsst mich. Im ersten Augenblick bin ich mehr als irritiert. Ich fühle mich genauso überrumpelt wie bei seinem ersten Anfall dieser Art. Doch dieses Mal fasse ich mich schnell wieder und erwidere den Kuss von selbst. Ich höre wie er leise aufkeucht und mein Herz schlägt mit einem Mal wieder so schnell, dass es mir Angst macht. "Pass auf dich auf, Kai- Seto." raunt er mir zu und lässt mich dann auch schon wieder los. Ich nicke nur noch. Dann öffne ich die Tür und begebe mich ins Parkhaus. Meine Schritte kommen mir seltsam leicht vor, fast beschwingt und doch ist da eine süße Schwere, die mich leicht matt macht. Die Fahrt zum Hotel dauert nicht lange und wie erwartet finde ich Alister und Bakura in ihrem Zimmer vor. Der Rothaarige ist sichtlich mit seinen Recherchen beschäftigt und Bakura lümmelt auf dem Bett. Um sich herum hat er ein Arsenal an verschiedenen Waffen ausgebreitet, die er fasziniert betrachtet. "Ihr solltet besser die Tür abschließen." sage ich aber Bakura zuckt nur mit den Schultern und deutet dann auf seine neue Sammlung. "Ich war einkaufen." erklärt er mir und ich ziehe ein Braue hoch. "Das sehe ich." entgegne ich und er grinst. "Ich dachte, wir können ein wenig Ausrüstung gebrauchen." meint er und zeigt mir ein Messer, mit dem man locker Knochen durchtrennen könnte. Mein Blick wandert über die kleine Sammlung und irritiert stelle ich fest, dass nicht eine einzige Schusswaffe darunter ist. Nur verschiedenen Messer, ein paar Wurfsterne und ein paar Dinge, die ich nicht so recht einzuordnen vermag. Bakura scheint meinen fragenden Blick zu bemerken und hebt einen der besagten Gegenstände auf. "Klemmen." erklärt er mir und schlagartig wird mir der Sinn und Zweck klar. "Ich finde diese Dinger äußerst faszinierend. Zudem sind sie vielseitig einsetzbar." Er grinst vergnügt und seine Augen strahlen wie die eines Kindes, dass gerade all seine Weihnachtsgeschenke aufgerissen hat. "Dir ist hoffentlich klar, dass wir das alles nicht mit in den Flieger nehmen können." bemerke ich und er seufzt. "Nein, alles sicher nicht. Aber einen Teil davon." Ich sehe ihn skeptisch an, frage aber nicht weiter nach. Aus irgendeinem Grund kann ich mir sogar vorstellen, dass es dem Dieb sogar gelingen würde. "Wie du siehst, habe ich mich schon mal auf unseren Besuch bei diesem Siegfried eingestellt. Ich hoffe, du weißt es zu schätzen." fährt er in lässigem Plauderton fort. "Ich habe mir auch schon überlegt wo ich mit meiner Folter beginnen werde..." Es leuchtet wieder in seinen Augen auf und ich muss schmunzeln. "Gut." entgegne ich. "Allerdings hoffe ich, dass er freiwillig mit der Sprache rausrückt." Bakura zuckt gleichmütig mit den Schultern. "Das soll mir egal sein. Mein Spielzeug wird so oder so zum Einsatz kommen." meint er und ich sehe, dass Alister die Augen verdreht. Ich sehe den Dieb ungerührt an. "Wie du meinst, das überlasse ich dir." erwidere ich. Da Siegfried so oder so etwas mit dieser Angelegenheit zu tun hat, ist es nur fair, dass er eine Abreibung bekommt und augenblicklich ist mir egal was der Dieb mit ihm anzustellen gedenkt. In Hinblick auf sein neues Spielzeug ahne ich allerdings auf was das hinauslaufen wird. Der Weißhaarige deutet zum Tisch. "Diese schöne Spielzeug werde ich auf jeden Fall mitnehmen. Ich freue mich jetzt schon darauf, es zum Einsatz zu bringen. Eigentlich habe ich ja nichts über für eure technischen Spielereien, aber das Baby gefällt mir. Bei Ra... so etwas vergnügliches habe ich schon lange nicht mehr gesehen." Mein Blick streift den kleinen Tisch und ich erkenne einen Akkubohrer mit verschiedenen Aufsätzen. "Für so ein Zeug habe ich wenig übrig. Zudem macht es zuviel Dreck." erkläre ich gleichmütig und Bakura grinst. "Wo gehobelt wird, fallen auch Späne." meint er gelassen und ich seufze. Dann wende ich mich Alister zu. "Hast du schon etwas in Erfahrung gebracht?" will ich wissen. Der Rothaarige nickt und erst jetzt bemerke ich, dass seinen Hals mehrere blaue Flecken zieren. "Die Schröders haben Immobilien in Ägypten und Libyen." erklärt er mir und ich nicke. "Ausgezeichnet." Folglich war die Idee mit den Ishtars mehr als gut. "Hast du genaue Adressen?" frage ich weiter. Alister wirft mir einen spöttischen Blick zu. "Was denkst du was ich hier tue?" Ich nicke nur und wende mich wieder Bakura zu. "Muto hat sich an Marik Ishtar gewandt." erkläre ich dem Dieb und er versteht sofort. Er pfeift anerkennend. "Na, das passt ja." meint er und denkt kurz nach. "Den kleinen Marik kann man gebrauchen... auch wenn seine dunkle Seite mir weitaus lieber war. Ja, der böse Marik hatte ein herrliches Potential." Ich verdrehe die Augen. "Böser oder gut, das interessiert mich nicht." entgegne ich gleichgültig und Bakura seufzt, sagt jedoch nichts. "Wir fliegen morgen nach Deutschland. Es sei denn, Marik bringt bis dahin etwas in Erfahrung." erkläre ich und der Weißhaarige nickt. "Und heute Abend? Schon Pläne?" fragt er und grinst. Ich ignoriere seinen anzüglichen Blick. "Ich werde mein Zimmer räumen. Wheeler hat mir angeboten, bei ihm zu übernachen. Roland ist bereits dort." erwidere ich und sehe, wie seine Miene sich verdunkelt. Ich gehe in Richtung Tür. "Was ist mit euch beiden?" frage ich und Alister zuckt mit den Schulern. Bakura macht ein schmollendes Gesicht. "Ich hatte gehofft, dass wir beide..:" Ich verdrehe erneut die Augen, sage jedoch nichts sondern öffne die Tür und schicke mich an in mein Zimmer zu gehen, um meine Sachen zu packen. Wie erwartet folgt der Dieb mir unverzüglich. Ich ignoriere ihn und werfe meinen Koffer auf´s Bett während er sich eine Zigarette anzündet. "Wheeler und du." bemerkt er nach kurzem Schweigen und mustert mich mit spöttischem Grinsen. Ich erwidere nichts. "Dann kann man wohl gratulieren, dass ihr es endlich auf die Reihe bekommen habt, was? Immerhin hattet ihr ja auch ein langes Vorspiel." Wieder grinst er mich anzüglich an und ich quittiere das Grinsen mit einem eisigen Blick. Er zieht ungekümmert an seiner Zigarette. "Ich schätze, das wird was ernstes." fährt er fort und ich richte mich auf. "Spar dir deine Worte. Das Thema geht dich nichts an." erwidere ich scharf und er schenkt mir einen spöttischen Blick. "Schade, schade... ich hatte so gehofft, dass wir beide noch die Gelegenheit finden würden..." Er seufzt theatralisch und wieder einmal bin ich unschlüssig was ich von seiner merkwürdigen Art halten soll. "Ich denke, du wirst genug Spaß mit Alister haben." entgegne ich trocken und in seinen Augen blitzt es auf. "Sicher, ich bin ja kein Kind von Traurigkeit, aber wir beide... das wäre etwas anderes gewesen." erwidert er lässig und mustert mich mit diesem seltsamen Blick. Dann zuckt er mit den Schultern. "Naja, tob dich ruhig ein wenig mit dem Köter aus. Hast du auch bitter nötig." sagt er dann in seinem süffisanten Plauderton und betrachtet fasziniert seine Fingernägel. "Was uns beide anbelangt... das sehen wir dann später." Er lächelt mich an und ich schüttele den Kopf. "Du bist eindeutig verrückt." erkläre ich, komme aber nicht umhin leicht zu lächeln. "Gib wenigstens zu, dass ich Recht hatte." sagt er und ich bin im ersten Moment nicht sicher was er meint. Er zieht lässig an seiner Zigarette und betrachtet mich dann ernst. "Na, dass es bei Wheeler etwas anderes ist." Er lacht kurz auf und ich verdrehe die Augen. Ich denke gar nicht daran irgendetwas zu zugeben. Bakura redet allerdings auch schon unbekümmert weiter. "Also, die Herrchen-Hündchen-Nummer, was? Nur etwas anders als in alten Zeiten." Er zwinkert mir zu. "Naja, der kleine Chaot ist ja auch irgendwie niedlich. Falls du allerdings Lust bekommen solltest, richtig zu spielen..." "Ich spiele nicht." erwidere ich ungerührt und er grinst. "Du solltest damit anfangen, Kaiba. Aber das Thema vertiefen wir besser ein anderes Mal, oder?" Er drückt seine Zigarette aus und sieht mich plötzlich wieder ernst an. "Augenblicklich gibt es etwas wichtigeres, dass wir besprechen sollten." meint er und ich sehe ihn fragend an. Seine ganze Haltung ist nun nicht mehr locker und auch sein Tonfall bei weitem nicht mehr so lässig. Er seufzt. "Alister meinte, es wäre besser, die Karten auf den Tisch zu legen." fährt er fort. "Nun, es gibt da eine Kleinigkeit, die ich dir sagen sollte." Kapitel 42: Neugier ------------------- "Tja, dann wären wir jetzt wohl erstmal unter uns, Roland." Ich lächele Kaiba´s Assistenten an, der etwas steif im Wohnzimmer steht und meine Aussage mit einem leicht pikierten Hüsteln hinnimmt. "Ich muss sagen, Master Joey, ich war wirklich sehr beruhigt, aber auch erfreut, als ich hörte, dass sie sich Master Mokubas angenommen haben." erwidert Roland und der Anflug eines Lächelns erscheint in seinem Gesicht. Ich grinse ihn an. "Na, das war doch Ehrensache. Ich meine, ich konnte den Kleinen doch nicht hängen lassen. Und Kaiba auch nicht." entgegne ich etwas verlegen und mir fällt ein, dass ich noch nie mit Kaiba´s Assistenten allein war. Ich habe ihn zwar des öfteren bei Tunieren gesehen und auch wenn er Kaiba zur Schule fuhr, aber so wirklich unterhalten und dann auch noch unter vier Augen, haben wir uns noch nie. Roland nickt leicht. "Gewiss, dennoch weiß ich, dass sie Master Kaiba damit sehr geholfen haben." meint er und ich wünschte, ich könnte seine Augen sehen oder ich wüsste, was gerade in seinem Kopf vorgeht. Er hat sicherlich bemerkt, dass mein Verhältnis Kaiba gegenüber sich verändert hat. Jemandem wie Roland kann so was nicht entgehen. Unwillkürlich erinnere ich mich an den Anfang des Viererduells während des BattleCityTuniers als Kaiba seinen Assistenten anwies, die Regeln für mich extra langsam vorzutragen. Ob er sich daran erinnert? Ganz sicher. Er war auch mehr als einmal Zeuge unserer Auseinandersetzungen. Eingemischt hat er sich natürlich nie, aber ich hatte immer das Gefühl, dass der Kerl mich doch irgendwie mag, auch wenn ich nicht genau weiß woran ich diesen Eindruck festgemacht habe. "Es scheint als hätten sie ein vollkommen neues Leben hier begonnen." stellt er fest. Ich nicke. "Ja, manchmal kommt es mir so vor als wäre ich fast ein neuer Mensch geworden und das nicht nur wegen dem neuen Namen." entgegne ich und zucke leicht mit den Schultern. "Auf jeden Fall war´s eine krasse Umstellung. Amerika ist aber auch anders als Japan." Roland nickt zustimmend. "Sie haben sich auf jeden Fall enorm... nun, verzeihen sie den Ausdruck... weiterentwickelt, Master Joey." meint er dann und ein verlegenes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. Ich lache laut auf. "Sagen Sie´s ruhig, Roland. Vor drei Jahren war ich noch ein planloser Chaot. Jetzt weiß ich, dass man nicht nur in den Tag leben kann." sage ich und habe das Gefühl, dass mein Gegenüber ein Lachen zu unterdrücken versucht. "Kaiba hatte schon in gewisser Hinsicht recht. Ich war mehr als verpeilt unterwegs, aber inzwischen weiß ich worauf es ankommt." Roland nickt wieder und aus irgendeinem Grund meine ich im nächsten Augenblick verschwörerisch: "Der Eisklotz hat sich aber auch ein wenig verändert. Auf den ersten Blick merkt man es vielleicht nicht, aber bei näherer Betrachtung." Roland hüstelt leicht. "Nun, Master Kaiba hat in den letzten Wochen eine Menge durchgemacht." erwidert er nüchtern. Ich nicke. "Ich weiß. Ich konnte es kaum glauben als ich es in der Zeitung gelesen habe. Allein der Gedanke, dass Kaiba Mokuba etwas antun würde, ist hirnrissig." "Das Gleiche hat Fräulein Gardner gesagt und auch Yugi Muto war entsetzt über die Vorwürfe. Ich kann es immer noch nicht verstehen, wie jemand diesen Unsinn glauben konnte. Ich hoffe inständig, dass sich das alles bald aufklärt und Master Mokuba wieder bei uns ist. Verstehen sie mich nicht falsch, Master Joey, aber..." Ich nicke. "Schon klar, Roland. Ich will auch, dass die Beiden wieder zusammen sind." unterbreche ich ihn und bin über seine nächsten Worte doch etwas überrascht. "Es freut mich, dass Master Kaiba und sie ihre Differenzen beigelegt haben, Sir." höre ich Roland sagen und sehe ihn einen Moment wohl etwas verdattert an. Ich habe ja bereits geahnt, dass er es gemerkt hat, aber das er es ansprechen würde... Ich grinse etwas unsicher und kratze mich leicht am Kopf. "Naja, hat ne Weile gedauert, aber wir haben festgestellt, dass... wir uns nicht... hassen." erwidere ich verlegen und Roland´s Mundwinkel zucken verdächtig. "So etwas hat Master Kaiba bereits angedeutet." meint er ruhig und ich frage mich, was genau Kaiba ihm zu dem Punkt gesagt hat. Ich weiß, dass er Roland vertraut, wahrscheinlich fast genauso sehr wie Mokuba. Roland ist schließlich von Anfang an in seinen Diensten. Er hat bereits für Gozaburo Kaiba gearbeitet. Insgeheim frage ich mich, wieviel er tatsächlich über Kaiba weiß. Außer Mokuba müsste er der Einzige mit Durchblick sein. Ich bin etwas unschlüssig was ich erwidern soll, doch ein Klingeln an der Tür hält mich auch davon ab, etwas zu entgegnen. Ich entschuldige mich kurz bei Roland und gehe zur Tür. Etwas erstaunt nehme ich Alfred´s Mitteilung entgegen, dass Miss Lucy nach mir fragen würde. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich bitte ihn sie hochzulassen und warte an der Tür. Es dauert nicht lange und sie kommt lässig über den Flur auf mich zu geschländert. "Hey, Joey." werde ich mit einem Lächeln begrüßt und dann haucht sie mir auch schon einen Kuss auf die Wange. "Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Ich war gerade in den Nähe und ich dachte, ich höre mal nach was besagte Affäre macht." Sie zwinkert und ich spüre wie ich rot werde. "Ist in Arbeit, könnte man sagen." entgegne ich verlegen und bitte sie einzutreten. "Ist er hier?" will sie wissen und ihre blauen Augen funkeln mich neugierig an. "Ähm... nein. Aber er müsste es bald wieder sein." erwidere ich etwas überrumpelt und sie sieht mich mit einem breiten Grinsen an. "Wieder? Hallo... Scheint als hätte ich einiges verpasst." Ich schüttele schnell den Kopf. "Nein, so ist das nicht. Wir haben vielmehr etwas Ärger im Moment. Mokuba wurde entführt." erkläre ich und deute ihr an erst einmal ins Wohnzimmer zu geben. Roland steht steif im Raum und Lucy beäugt ihn überrascht. "Das ist Roland, Kaiba´s rechte Hand." stelle ich ihn ihr schnell vor. "Und das ist meine Freundin Lucy." Roland reicht ihr routiniert höflich die Hand und Lucy erwidert die Geste mit einem Lächeln. "Sie sind ja cool." höre ich Lucy anerkennend sagen nachdem sie Kaiba´s Assitenten gemustert hat. Roland zeigt keinerlei Reaktion, mir entgeht allerdings nicht, dass er Lucy ebenfalls mustert und schlagartig kommt mir der Gedanke, dass Roland die leichte Ähnlichkeit zu einer gewissen Person sicher nicht engehen dürfte. Wieder spüre ich wie meine Wangen sich leicht färben. "Du sagst, der Kleine ist entführt worden?" will sie weiter wissen. Ich nicke. "Das ist alles..." Sie lacht. "Kompliziert. Schon klar." unterbricht sie mich. "Was wollt ihr jetzt machen?" Ich werfe Roland einen kurzen Blick zu. Dieser missversteht die Geste und räuspert sich leicht. "Wenn es ihnen recht ist, würde ich mich gerne etwas zurückziehen. Der Flug war doch recht lange." meint er und ich nicke. "Das Gästezimmer ist..." Er winkt ab. "Danke, ihr Vater war bereits so freundlich, mir das Zimmer zu zeigen. Sie entschuldigen mich." Ich rechne fast mit einer leichten Verbeugung, aber die macht er natürlich nicht. "Wow... der Kerl ist ja kultig." meint Lucy mit einem leichten Kichern als Roland den Raum verlassen hat. Ich nicke. "Ja, das trifft es recht gut." stimme ich mit einem leichten Grinsen zu. "Also erzähl... was gibt es neues?" fängt sie im nächsten Moment auch schon an mich zu löchern. Ich zögere einen Moment. "Hast du´s ihm gesagt?" will sie wissen. Ich nicke leicht. "Mehr oder weniger." gebe ich zu und sie strahlt mich an. "Sehr gut. Ich bin stolz auf dich." befindet sie. "Und?" "Was und?" Lucy verdreht die Augen. "Mensch, Joey, erzähl schon. Was hat er gesagt? Und überhaupt... du könntest mir eigentlich auch gleich alles erzählen. Was ist das für eine Nummer mit der Entführung? Das scheint alles sehr ernst zu sein. Und Kaiba wird auch schließlich gesucht." fordert sie mich auf und ich seufze. "Sorry, Süße, aber das würde echt zu weit führen." erwidere ich und sie stöhnt. "Wir wissen augenblicklich auch nicht wirklich viel. Kaiba ist gerade zum Hotel gefahren, um dort auszuchecken und noch kurz mit den anderen zu reden. Dann kommt er wieder her. Morgen fliegt er vermutlich nach Deutschland." Ich zucke mit den Schultern und sie betrachtet mich nachdenklich. "Du meinst er ist zu dem Psycho und dem Gauner? Was will er denn in Deutschland? Fliegst du mit?" Ich seufze resignierend. Nein, Lucy wird sich keineswegs abspeisen lassen. Sie ist sichtlich interessiert an dem ganzen Geschehen und ich schätze, sie brennt darauf, Kaiba zu sehen. Toll... wirklich toll. Einerseits kann ich sie zwar verstehen und sie ist ja auch meine beste Freundin, wenn man so will. Sozusagen hat sie einen Tea-ähnlichen-Status bei mir eingenommen, aber dieses Verhör ist echt mal anstrengend und irgendwie behagt es mir auch nicht so ganz, dass die Beiden möglicherweise aufeinander treffen könnten. Andererseits... früher oder später würde es ohnehin geschehen. Lucy ist ein Teil meines neuen Lebens, auch wenn ich wohl in Zukunft nicht mehr so einfach zu ihr fahren werde, um Sex zu haben. "Woran denkst du gerade?" fragt sie mich argwöhnlich und ich schlucke. "Ähm.. nichts." erwidere ich und sie grinst. "Ja ja... deshalb wirst du auch schon wieder so süß rot, Joey." entgegnet sie frech und ich stöhne auf. "Bitte, verkneif es dir mich als süß zu bezeichnen. Meine Würde hat schon genug gelitten bei unserem letzten Gespräch." bitte ich sie inständig. Sie seufzt. "Mensch, Joey, sei nicht albern. Deine Würde leidet überhaupt nicht und es ist auch nicht schlimm, dass du süß bist. Zudem kannst du ohnehin daran nichts ändern. Wird dir dein Kaiba auch noch sagen." Sie zwinkert und ich wünschte, ich könnte im Erdboden verschwinden. Mein Kaiba... Fehlt nur noch, dass er mitbekommt, dass sie so über ihn redet. "Also entweder erzählst du mir alles oder du verrätst mir nur den Teil, der euer Verhältnis anbelangt. Es liegt bei dir." höre ich sie im nächsten Moment sagen und ich weiß instinktiv, dass ich wirklich keine weitere Option habe. "Gin Tonic?" frage ich. "Blöde Frage." erwidert sie und streckt mir die Zunge raus. Sie folgt mir wortlos zur Bar, stellt ihre Tasche beiläufig auf dem Couch ab und mustert mich sichtlich interessiert. "Also? Oder kannst du erst nach dem Drink reden?" foppt sie mich von neuem und ich werfe ihr einen giftigen Blick zu, der sie allerdings nicht im mindesten tangiert. "Ich hab ihn geküsst. Allerdings ohne einleitende Worte oder so." gebe ich schließlich zu und sie strahlt mich an. "Toll. Genau die richtige Strategie." entgegnet sie und ich schüttele den Kopf. "Du bist verrückt." befinde ich und sie zuckt mit den Schultern. "Und was hat er gemacht?" hakt sie weiter nach und ich schildere ihr die mehr oder weniger ruhmreiche Aktion bis zu unserem merkwürdigen Gespräch im Auto. Lucy hört geduldig und sichtlich begeistert zu und nippt ab und an an ihrem Drink. Als ich geendet habe, komme ich mir unsagbar dämlich vor und sie lacht. "Ja ja... lach du nur. So witzig war es nicht." sage ich leicht säuerlich und sie wirft mir einen liebevollen Blick zu. "Herrje, ich lache dich doch nicht aus, Süßer. Ich finde das einfach... " Sie hält kurz inne und ich schätze sie sucht nach dem passenden Wort. "Süß. Ja, süß. Ich kann euch förmlich vor mir sehen..." fängt sie von neuem an und ich weiß echt nicht was ich davon halten soll. So etwas kann auch nur eine Frau sagen. Tea hätte sicher ähnlich reagiert. "Und dann dieses ´Ich hasse dich nicht´- wenn das mal keine explizit coole Liebeserklärung ist. Und du dachtest, es würde peinlich werden... " Sie schüttelt leicht den Kopf. "Das ist ja auf verquere Art fast wieder romantisch. Und es passt zu euch." Ich seufze und enthalte mich jeglichen Kommentares. Was sollte ich zu so einem Statement auch groß sagen? Naja, in gewisser Hinsicht hat sie vielleicht sogar Recht. Ich meine, würden Kaiba und ich einander tatsächlich so etwas sagen wie "Ich liebe dich" oder "Ich habe mich verliebt in dich", das wäre doch mehr als peinlich. Und es würde auch nicht zu uns passen. Zu keinem von uns. Ich bin ja nicht einmal sicher ob es tatsächlich zu uns passt, dass wir einander nicht mehr angiften, wobei ich den Verdacht habe, dass sich der Teil wieder einpendeln wird, wenn wir erst wieder einen normalen Modus gefunden haben. Ich sehe es schon vor mir, erst fliegen die Fetzen, dann die Kleider und dann... Natürlich rufe ich mir auch in diesem Moment passenderweise wieder ins Bewusstsein, dass ich Kaiba ja gebeten habe die Nacht hier zu verbringen. Allerdings hatte ich in diesem Moment nicht wirklich Hintergedanken. Nein, soweit habe ich wirklich noch nicht gedacht. Bislang blende ich diesen Teil geflissentlich aus. Aber so gesehen gehört er dazu. Irgendwie. Ok, augenblicklich ist wohl sicher nicht der richtige Moment, aber irgendwann... Wenn Mokuba wieder in Sicherheit ist und... Dann werden wir es wohl tun. Theoretisch. Gott, ich glaube mir wird schlecht. Und wieder rettet mich die Klingel. Fast schon erleichtert konzentriere ich mich auf das Geläute und gehe zur Tür. Dieses Mal ist es Kaiba. Toll, folglich wird er auf Lucy treffen. Naja, bleibt immer noch zu hoffen, dass der gute alte Seto sich nichts dabei denkt. Ich habe mir ja auch lange Zeit nichts dabei gedacht. Ist ja nicht so, dass ich bewusst... Egal. Ich verdränge alle Gedanken in diese Richtung und dann steht er auch schon vor der Tür. Seiner Miene ist deutlich anzusehen, dass er alles andere als gut drauf ist. "Was ist passiert?" will ich wissen und ahne, dass er keinesfalls gute Nachrichten hat. Wortlos geht er an mir vorbei und schreitet auch schon wie selbstsverständlich in Richtung Wohnzimmer. Ich eile ihm hinterher. Lucy lehnt immernoch an der Couch, aber natürlich hat sie den Neuankömmling auch schon erspäht. Kaiba mustert sie einen Moment und wendet sich dann mir zu. "Entschuldige, ich wollte nicht stören." höre ich ihn dann auch schon sagen und winke schnell ab. "Tust du nicht." versichere ich. "Das ist Lucy, meine beste Freundin, wenn man so will." stelle ich im nächsten Moment auch schon vor und Lucy kommt auf uns zu. "Und das ist der berühmt-berüchtigte Seto Kaiba." Sie hält ihm die Hand hin und in ihren Augen blitzt es auf. "Was für eine Ehre." Erneut mustert Kaiba sie und für einen kurzen Moment herrscht peinliches Schweigen. Dann reicht er ihr wortlos die Hand. Und jetzt wo ich die Beiden neben einander stehen sehe, wird mir die Ähnlichkeit nur noch deutlicher bewusst. Sie könnte tatsächlich seine Schwester sein. Ja, die Beiden ähneln sich dermaßen, dass es fast schon erschreckend ist. Nur, dass Lucy´s Blick nicht ganz so eisig ist. Gut, sie kann einen schon sehr kühl ansehen, aber kein Vergleich zu Kaiba. Aber ansonsten... Figur, Haarfarbe, Augenfarbe, sogar die Haltung stimmt überein. Ich spüre wie ich wieder rot werde. Oh Mann... Kann es echt sein, dass ich mir unterbewusst eine Frau gesucht habe, die meinem Erzfeind ähnelt? Wollte ich Kaiba schon viel früher? "Also, was ist passiert? Hast du mit Marik geredet?" komme ich dann auch schon zum wesentlichen. Er nickt und ich stelle fest, dass er ein klein wenig erschöpft wirkt. "Siegfried hat Immobilien in Libyen und Ägypten. Marik weiß bereits Bescheid. Ich habe ihm die Adressen durchgegeben und er wird sich unverzüglich auf den Weg machen. Odion fährt nach Libyen, er selbst sieht sich in Alexandria um." erzählt er mir dann wie beiläufig und ich ahne, dass er noch etwas auslässt. Seine Züge sind wieder so verhärtet wie bei unserer ersten Begegnung und das kann nicht an Lucy liegen, so sah er schon aus als er in der Tür stand. Ich sehe ihn weiterhin fragend an, wage es aber nicht ihn weiter zu drängen. Ein paar Sekunden vergehen in denen sich keiner von uns rührt. Schließlich frage ich: "Hast du mit Bakura alles geklärt? Wegen morgen meine ich?" Seine Miene verdüstert sich noch mehr. "Ja, Bakura und ich haben alles geklärt." meint er dann knapp und etwas an seinem Tonfall behagt mir keineswegs. Kapitel 43: Schlafende Geister ------------------------------ Ich sehe den Weißhaarigen abschätzend an. Einerseits rechne ich mit einer neuerlichen Ansprach seinerseits bezüglich der Vergnügungen, die wir teilen könnten, andererseits wirkt Bakura augenblicklich mehr als ernst, um nicht zusagen sogar etwas unsicher. Aber der Dieb hat einige Tricks auf Lager und ein grandioser Schauspieler ist er sowieso. "Na schön, schieß los." sage ich und nehme in einem der Sessel Platz. Wortlos reicht er mir sein Päckchen Zigaretten und im ersten Augenblick irritiert mich diese Geste, aber er nickt mir einfach nur zu und ich nehme mir eine. Bakura gibt mir Feuer und ich inhaliere tief ohne ihn dabei auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. "Was ich dir zu sagen habe, wird dich nicht unbedingt entzücken, Kaiba." beginnt er langsam mit seiner Rede und ich lächele ihn spöttisch an. "Die wenigsten Dinge, die aus deinem Mund kommen enzücken mich, Bakura." entgegne ich gelassen und er grinst. "Touché." Er zündet sich eine weitere Zigarette an und ich frage mich, was er mit dieser Verzögerungstaktik bezwecken will. Entweder fällt es ihm schwer, mir zu sagen, was er zu sagen hat oder es ist eines seiner Spielchen. Seltsamerweise würde ich instinktiv auf ersteres tippen. Er lässt sich mir gegenüber nieder und blickt mir direkt in die Augen. Ein paar Sekunden verstreichen und ich spüre wie ich langsam die Geduld verliere. Als würde er es bemerken, seufzt er schließlich und fängt von neuem an: "Nun, ich könnte jetzt ein lange Vorrede halten, frei nach dem Motto, dass es mir leid tut und ich hoffe, dass du mir verzeihst oder ähnliches Blabla von mir geben, aber wir beide wissen, dass ich nicht der Typ für so was bin und du würdest mir dergleichen ohnehin nicht abkaufen, oder, Kaiba?" Etwas überrascht über diese Worte nicke ich. "Wahrscheinlich. Zumal es ziemlich befremdlich wäre, wenn du mir mit so etwas kommen würdest." entgegne ich schlicht ohne zu wissen worauf er hinaus will. Er nickt zufrieden. "Schön, wir verstehen uns." befindet er. "Also werde ich deine und meine Zeit nicht mit dem Unsinn verschwenden. Ich muss allerdings sagen, hätte ich geahnt... Naja, egal. Dazu später." Er zieht genüßlich an seiner Zigarette und ich wünschte er würde endlich zum Punkt kommen. Ich hasse es lange um den heißen Brei zu schleichen. Dergleichen ist nicht sonderlich effektiv. "Ich bin in deine Firma eingestiegen." erklärt er mir im nächsten Moment auch schon freimütig. "Pegasus tauchte eines Tages bei mir auf, ähnlich wie du vor ein paar Tagen. Er hatte einen Koffer voller Geld dabei und einen simplen, wenn auch doch recht herausfordernden Auftrag. Ich sollte in die Kaiba Corporation einbrechen und ihm gewisse Daten besorgen." Er hält kurz inne und mustert mich. Ich nicke leicht, bemühe mich allerdings sonst keine Regung zu zeigen. In gewisser Weise überrascht mich sein Geständnis nicht sonderlich. Ich habe zwar nicht unbedingt damit gerechnet, aber so gesehen ist es schon wieder logisch. Bakura ist ein brillianter Dieb, Pegasus wusste das ebenso gut wie ich. "Ich wusste nicht wofür er diese Daten wollte, ich habe ihn auch nicht danach gefragt. Solche Dinge interessieren mich nicht. Ich ging davon aus, dass es sich um das übliche Geplänkel zwischen euch handelt und um ehrlich zu sein... die Frage ob es mir gelingen würde, in deinen Hightecturm einsteigen zu können, war wesentlich interessanter als der Rest." fährt er fort und schmunzelt leicht. "Alister und ich habe es also versucht und wie du weißt ist es mir gelungen. Nur das mit den Daten hat nicht wirklich funktioniert. Alister gab mir zwar genaue Instruktionen, aber... " Er zuckt mit den Schultern. "Deine Rechner sind zu gut gewesen. Ich konnte nicht wirklich an die Daten kommen." Wieder nicke ich. "Meine Rechner sind auch eine Nummer zu groß für Alister." erwidere ich kühl und Bakura nickt. "Scheinbar." entgegnet er. "Das was ich besorgen konnte, habe ich Pegasus übergeben. Danach war der Fall für mich abgeschlossen." "Und warum erzählst du mir das jetzt?" will ich wissen und sehe ihn abschätzend an. Er zuckt mit den Schultern und scheint einen Moment zu überlegen. "Einerseits, weil Alister meinte, dass es besser wäre, wie ich bereits gesagt habe. Andererseits..." Er hält kurz inne und seufzt. "Ich will nicht behaupten, dass ich bedauere, was ich getan habe. So ist es nämlich nicht. Aber es tut mir leid, wozu das alles geführt hat. Hätte ich geahnt, dass man dir Mokuba und auch die Firma abnehmen würde, ich hätte es nicht getan." Einen Augenblick betrachte ich ihn skeptisch, dann lache ich trocken auf. "Ach? Das soll ich dir glauben? Und wieso? Sag jetzt nicht, weil du ein Familienmensch bist oder dich irgendeine obskure Loyalität mit mir verbindet." entgegne ich kalt und Bakura lacht ebenfalls auf. "Mitnichten." erwidert er lächelnd. "Du solltest es mir glauben, weil es die Wahrheit ist, aber naja... das ist natürlich nur so eine Floskel. Nein, in gewisser Hinsicht hat es was mit Loyalität zu tun, aber ich bezweifle, dass du das verstehen würdest." meint er und etwas an seinem Tonfall irritiert mich. Ich ziehe an meiner Zigarette und fordere ihn dann auf:" Gut, dann erklär es mir." Bakura sieht mich einen Moment überrascht an. Dann nickt er leicht. "Weißt du noch was ich dir über Vergeltung gesagt habe?" fragt er. Ich nicke, auch wenn ich nicht weiß, worauf er hinaus will. "Das war mein Ernst." höre ich ihn sagen. "Wenn es um die Familie geht, nun, dann hört der Spaß auf. Glaub es oder lass es, aber sogar ich habe in der Hinsicht meine Prinzipien. Ich weiß, du glaubst mir nicht, was mein früheres Leben anbelangt, das musst du auch nicht, aber ich weiß was es heißt, jeden Mensch zu verlieren, der einem wichtig ist. Ich weiß nur zu gut, wie es ist, wenn einem alles genommen wird." erklärt er mir mit feurigem Blick und ich aus irgendeinem Grund glaube ich ihm diese Worte. "Geht es um Besitz, nun... Ich bin ein Dieb. Eigentum ist ein fließender Begriff, wenn du verstehst was ich meine. Wäre dir nur deine Firma genommen worden, tja... c´est la vie. Aber dein Bruder ist eine andere Sache." Er hält inne und sieht mich abschätzend an. Ich überlege kurz. Auch wenn ich weiß, dass man diesem Dieb nicht trauen kann, so glaube ich ihm, dass auch er Prinzipien hat, zumindest in dem Punkt. Ich weiß zwar nicht warum ich ihm das glaube, aber ich schätze, dass wir uns in der Hinsicht tatsächlich ähnlich sind. Es hat mich nie gekümmert, die Firma eines anderen zu übernehmen. Die Konsequenzen für meine Gegner waren mir egal. Es ging einzig um das Geschäft und dort heißt es nun einmal, dass der Stärkere siegt. Doch persönliche Belange... nun, die standen stets auf einem anderen Papier. Sicher, hin und wieder war ich genötigt, zu unfeinen Methoden zu greifen, auch wenn ich den direkten Weg stets vorgezogen hätte, aber ich wäre nie soweit gegangen, wie man in meinem Fall verfahren ist. "Nun gut... gehen wir davon aus, dass ich dir glaube. Das hat dich dennoch nicht davon abgehalten, mir einen Preis für deine Hilfe zu nennen." sage ich schließlich und beobachte seine Reaktion. Er lächelt mich verschwörerisch an. "Hast du tatsächlich was anderes erwartet?" kontert er auch zugleich. "Muto würde dir aus reiner Herzensgüte helfen, aber ich bin ein anderes Kaliber." Ich lache auf. "Dessen bin ich mir bewusst." entgegne ich trocken. "Aber warum nun dieses Geständnis? Hatte Alister Angst, dass Siegfried davon wissen könnte?" Bakura zuckt ungerührt mit den Schultern. "Möglich." meint er. "Ich weiß nicht ob dieser Kerl darüber Bescheid weiß. Pegasus hat mir jedenfalls von seiner Beteiligung nichts erzählt." "Und du verlangst wahrscheinlich, dass ich dir auch das glaube, Bakura? Ich meine, es wäre ebenso gut möglich, dass du ein Teil dieser Verschwörung bist. Immerhin war es deine Idee, Pegasus im Hotel aufzusuchen... Spinnt man den Faden etwas weiter, wer weiß? Vielleicht war es eine gut inszinierte Falle?" Ich zucke mit den Schultern. "Du bist nicht gerade bekannt dafür die Wahrheit zu sagen." Der Weißhaarige nickt bedächtig. "Sicher, so gesehen, könnte alles Teil der Intrige sein." erwidert er gelassen. "Ich könnte deine Gegner die ganze Zeit auf dem neusten Stand gehalten haben. Wer weiß? Vielleicht verrate ich sie auch gerade, weil ich mich auf deine Seite stellen will." Er lacht vergnügt und ich sehe ihm an, dass er langsam wieder zu seiner gewohnten Form findet. Irgendwie beruhigt mich das sogar. "Der Verrat liegt, wie auch die Schönheit, im Auge des Betrachters." meint er und ich bin nicht sicher, ob das nur wieder einmal eine seiner absonderlichen Andeutungen ist oder ob es sich tatsächlich so verhält. So gesehen wäre es möglich, dass er die ganze Zeit für die Gegenseite gearbeitet hat. Dennoch glaube ich nicht, dass es sich so verhält. Ich drücke meine Zigarette aus und betrachte ihn nachdenklich. "Es gibt eine hübsche Kindergeschichte." meine ich nach kurzem Schweigen und er sieht mich sichtlich irritiert an. Ich kann nicht umhin zu lächeln. Welche Reaktion auch immer er von mir erwartet hat, diese sicher nicht. "Sie handelt von einem jungen Hirten, der alleine eine Schafherde hüten muss. Er fühlt sich einsam so allein, also ruft er den Dorfbewohnern zu, dass Wölfe die Herde angreifen würden. Sofort eilen die Dorfbewohner herbei, aber natürlich ist kein einziger Wolf zu sehen. Der Junge erklärt darauf, dass er die Wölfe verjagt habe und das Dorf ehrt ihn, für seine Aufmerksamkeit und Tapferkeit." Bakura starrt mich verständnislos an. "Und? Worauf willst du hinaus, Kaiba?" Ich übergehe seine Frage und fahre mit meiner Erzählung fort: "Am nächsten Tag ereignet sich genau das gleiche. Wieder ruft der Junge, dass Wölfe da wären und wieder spielt sich alles genauso ab. Und an den nächsten beiden Tagen macht er es ebenso." Der Weißhaarige zuckt mit den Schultern. Ich lächele nur. "Am vierten Tag aber kommen die Wölfe wirklich. Der Junge schreit so laut er kann, aber die Dorfbewohner ignorieren ihn und sowohl der Junge als auch die Schafherde werden von den Wölfen verschlungen." "Für eine Kindergeschichte nicht unbeingt ein schönes Ende." befindet der Dieb und ich nicke. "Du weißt, was die Quintessenz der Geschichte ist?" frage ich und lasse ihm nicht die Zeit zu antworten. "Der Junge lügt ununterbrochen und als er endlich einmal die Wahrheit sagt, glaubt man ihm nicht mehr." Bakura sieht mich leicht zweifelnd an. "Das ist der Punkt? Hm... Naja, wenn du meinst." Erneut zuckt er mit den Schultern. "Was denkst du was der Punkt ist?" will ich wissen und der Dieb grinst mich an. "Dass es unklug ist mehrmals die gleiche Lüge zu erzählen." entgegnet er und ich kann nicht umhin zu lachen. Es ist erstaunlich... ich traue ihm nicht im Mindesten und ich sollte augenblicklich wohl auch mehr als wütend auf ihn sein, aber ich bin es nicht wirklich. In gewisser Weise hatte ich bislang eine unbewusste Ahnung, nun aber habe ich Gewissheit. "So schön dieser philosophische Austausch jetzt auch war, es ändert nichts an den Gegebenheiten." erkläre ich und Bakura nickt. "Natürlich nicht. Du hast lediglich mein Wort, nichts weiter." erwidert er. "Ich bedauere, dass die Dinge sich so entwickelt haben und wie gesagt, in Hinblick auf deinen Bruder tut es mir sogar leid. Dennoch habe ich es getan und würde es vermutlich auch wieder tun." Er zuckt mit den Schultern. Ich nicke. "Bleibt die Frage, was das nun für uns bedeutet." fährt er fort. "Entweder du glaubst mir und wir ziehen diese Nummer weiterhin zusammen durch oder aber du glaubst mir nicht und wir beenden hier und jetzt unsere Zusammenarbeit. Es liegt bei dir, Kaiba." "Ich weiß." sage ich und denke über meine nächsten Schritte nach. Bislang habe ich ihn bis zu einem gewissen Grad vertraut. So gesehen hat er sich durchaus auch als nützlich erwiesen, einmal abgesehen davon, dass er mir zeitweise auch mehr als nur auf die Nerven ging. Dennoch... die Spur zu Siegfried verdanke ich mehr oder weniger Alister und so gesehen haben die Beiden mich auch bislang unterstützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich mit meinen Gegnern unter der Decke steckt ist gering. Sie ist nicht auszuschließen, aber wenn ich alle Perspektiven betrache, kommt es mir doch mehr als unwahrscheinlich vor. Darüber hinaus hätte er dieses Geständnis nicht ablegen müssen. "Augenblicklich gibt es nur eine Sache, die für mich relevant ist. Ich will meinen Bruder zurück. Koste es was es wolle." erkläre ich ihm schließlich ruhig und doch bestimmt. "Wenn du mir dabei behilflich bist, nun, dann vergesse ich diese kleine Episode, auch wenn ich es augenblicklich recht vergnüglich finden würde, dir deine diebischen Hände abhaken zu lassen. So hat man es doch im alten Ägypten mit Dieben gemacht, oder?" Ich werfe ihm einen vielsagenden Blick zu und er nickt langsam. "Ja, das war eine Methode." stimmt er zu. Ich erhebe mich ruhig und bin im nächsten Moment auch schon neben ihm. Dieses Mal bin ich derjenige, der ihn überrumpelt. Ich packe ihn am Kragen ehe er weiß was passiert. Instinktiv umklammert er meine Handgelenkt, aber er vermag es nicht meinen Griff zu lösen. Ich schleudere ihn quer durch´s Zimmer und er taumelt gegen die Wand. Sofort bin ich bei ihm und drehe ihm deinen Arm auf den Rücken während ich mit der anderen Hand seinen Nacken packe und ihn mehr als nur unsanft gegen die Wand drücke. Er keucht kurz auf, mehr aus Überraschung als aus Schmerz, den er zwar sicherlich verspürt, aber Bakura zieht sicherlich sogar daraus noch ein gewisses Maß an Vergnügen. "Hör mir jetzt genau zu, denn ich werde das nur ein einziges Mal sagen." erkläre ich ihm und sehe, dass seine Augen sich weiten. Er scheint tatsächlich erstaunt über meine harsche Reaktion. "Wenn du es wagen solltest, mich noch einmal zu hintergehen, dann wirst du mich kennenlernen, Bakura. Du wirst mir helfen, Mokuba zu befreien und wenn ich auch nur eine Sekunde lang den Verdacht habe, dass du gegen mich arbeitest, dann werde ich dich lehren was Schmerz wirklich bedeutet." Ich höre wie er tiefdurchatmet. "Du sagst du magst Schmerzen? Nun, das werden wir sehen. Was dich dann erwartet, ist etwas anderes als deine kleinen Folterspielchen und du wirst es sicher nicht genießen." fahre ich in meiner Erläuterung fort und für einen schrecklichen Moment klinge ich genau wie Gozaburo. Ich verdränge den Gedanken schlagartig. "Du wolltest meine dunkle Seite kennenlernen, Bakura, du wirst sie kennenlernen, wenn du eine falsche Bewegung machst. Haben wir uns verstanden?" Schlagartig steigen Bilder vor meinem inneren Auge auf. Fingernägel, die herausgerissen werden, winzige Säuretropfen auf bloser Haut... Der Geruch von verbranntem Fleisch steigt auf und eine böse Stimme sagt in meinem Kopf: "Schmerz ist Ansichtssache, Seto." Ein Schauder durchzuckt meinen Körper. "Du denkst vielleicht, dass es nach dem Rohrstock nicht schlimmer werden könnte, was? Das war nur das Vorspiel. Ich werde dich schon zum heulen bringen. Ja, du wirst heulen und wimmern, Seto..." "Ich habe dich verstanden." presst Bakura hervor und seine Stimme reißt mich schlagartig zurück in die Gegenwart. Ich lasse ihn langsam wieder los und der Dieb nickt mich an. Erstaunlicherweise glaube ich Anerkennung in seinen Augen zu entdecken. "Keine Sorge, Kaiba, ich habe dich verstanden." wiederholt er ernst und ich nicke. "Ich werde jetzt wieder fahren. Halt dich auf Abruf bereit." erkläre ich und warte keine Antwort mehr ab. Ich schnappe mir meinen Koffer, werfe meine Sachen hinein und verlasse wortlos das Zimmer. Ich fühle mich seltsam als ich das Hotel verlasse. In mir scheint sich etwas zusammen zu brauen. Ein Gefühl, dass mir nicht gefällt. Wie ein Roboter fahre ich zu Wheeler´s Wohnhaus und parke den Wagen. Einen Moment bleibe ich noch sitzen. Noch immer höre ich die tiefe, dunkle Stimme in meinem Kopf. "Mokuba..." seufze ich leise und versuche mir das Bild meines kleinen Bruder ins Gedächnis zurückzurufen ehe die Schatten der Vergangenheit mich wieder einmal in ihren Bann ziehen. Kapitel 44: Ein etwas anderes Wortgefecht ----------------------------------------- Ich bin nicht sicher ob es an Lucy´s Gegenwart liegt oder an dem was sich im Hotel ereignet hat, aber es ist ihm deutlich anzusehen, dass etwas nicht stimmt. Er wirkt noch verschlossener als früher und das irritiert mich. Ich weiß, dass es nichts bringen wird, ihn jetzt zu fragen. In Lucy´s Gegenwart wird er ganz sicher nicht mit der Sprache rausrücken. "Roland ist in seinem Zimmer nehme ich an." höre ich ihn sagen und nicke. "Gut, ich muss kurz mit ihm reden." erklärt er dann auch schon und ich sage ihm wo er seinen Assistenten finden kann. Ohne ein weiteres Wort setzt er sich auch schon in Bewegung und ich blicke ihm nachdenklich nach. "Ist er immer so?" fragt Lucy nachdem er aus unserem Blickfeld verschwunden ist. Ich schüttele den Kopf. "Nein, irgendwas muss passiert sein." entgegne ich und sie nickt. Ich würde darauf wetten, dass zwischen Bakura und ihm irgendetwas vorgefallen ist. "Vielleicht sollte ich mal langsam gehen." meint Lucy und stellt ihr Glas ab. "Ihr habt sicher einiges zu besprechen." Ich nicke nur. "Sorry, momentan ist einfach alles..." hebe ich an, doch sie schüttelt den Kopf. "Vergiss es, Joey, ich verstehe schon." unterbricht sie mich mit einem Lächeln. "Kümmer dich um deinen Kaiba." Sie zwinkert mir zu und greift nach ihrer Tasche. "Und wenn was sein sollte, weißt du ja wo du mich findest." Ich erwidere das Lächeln und nicke. "Danke, Süße." Ich bringe sie noch zur Tür und gebe ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Falls ich euch irgendwie helfen kann, du weißt, mein Vater hat auch einige Verbindungen..." Ich nicke. "Ich hoffe, ihr findet seinen Bruder schnell!" Damit verabschiedet sie sich auch schon und ich schließe die Tür. Einen Moment stehe ich da und überlege. Kaiba wird sicher noch bei Roland sein. Ob es gut ist, wenn ich dazustoße? Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Mein Vater müsste auch bald kommen, außer er hat noch einen Termin heute Abend. Ich gehe langsam zurück ins Wohnzimmer und leere mein Glas. Dann schenke ich mir nach und fülle auch ein weiteres und beschließe doch zu Kaiba zu gehen. Ich bezweifle zwar, dass er mir erzählen wird, was passiert ist, aber zumindest können wir die weitere Vorgehensweise besprechen. Zumal ich auch nicht weiß, was ich tun soll, wenn er nach Deutschland fliegt. Einfach abwarten und Däumchen drehen... Doch gerade als ich mich auf den Weg machen will, kommt er mir auch schon entgegen. Er wirkt erschöpft und seine Frisur ist unordentlich, etwas dass mehr als selten bei ihm vorkommt. Unwillkürlich muss ich an den Moment denken als Bakura mir den Sack vom Kopf zog und ich nach drei Jahren wieder meinen Erzfeind sah. Sein Anblick in dem Moment... Kaiba, in Jeans und Lederjacke... und mit diesem T-Shirt. Oh Mann. Wortlos reiche ich ihm das eine Glas und sehe ihn fragend an. Er nickt mir kurz dankend zu und lässt sich dann auch schon auf dem Sofa nieder. Eindeutig ein Zeichen, dass er ausgebrannt ist. Aber die letzten Tagen waren sicher auch mehr als nervenaufreibend für ihn. Ich lasse mich ihm gegenüber nieder und sehe einen Moment schweigend zu, wie er an seinem Glas nippt. Wobei... nippen ist der falsche Ausdruck. Er leert es in zwei Zügen. "Noch einen?" frage ich automatisch und er nickt. Schweigend schenke ich ihm nach und nehme erneut ihm gegenüber Platz. "Ich schätze, du willst mir nicht sagen was passiert ist." stelle ich fest und er sieht mich einen Moment abschätzend an. "Es ist nichts passiert. Nichts relevantes zumindest." entgegnet er. Ich erwidere nichts, sehe ihn aber wohl etwas skeptisch an, denn er seufzt und fängt dann doch an zu erzählen: "Bakura ist für den Einbruch in der Kaiba Corp. verantwortlich." Einen Moment bin ich sprachlos. Nicht, weil mich die Offenbarung wirklich überraschen würde, dem Dieb traue ich schließlich alles zu, aber allem Anschein nach hat Bakura selbst es Kaiba erzählt. Das überrascht mich dann doch. "Und was heißt das nun?" will ich wissen. "Was ist jetzt mit Bakura?" Kaiba´s blauen Augen fixieren mich einen Moment. Etwas in seinem Blick ist verstörend. Ich weiß nicht was es ist, aber mit einem Mal ist mir seltsam zumute. "Was denkst du was mit Bakura ist?" fragt er dann auch schon und ich zucke mit den Schultern. "Naja, keine Ahnung, du wirst ihn sicher nicht umgebracht haben... aber ist er noch im Team?" erwidere ich mit einem leichten Grinsen und für den Bruchteil einer Sekunde scheint Kaiba zu erstarren. Dann hat er sich jedoch wieder ganz im Griff und die eisige Maske sitzt auch perfekt. Lediglich seine Augen verraten ihn und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass er gehetzt wirkt. Gehetzt, aber nicht wie ein in die Enge getriebenes Tier... Es ist schwer zu beschreiben. "Er ist noch im Team, aber ich habe ihm klar gemacht, was passiert, wenn er mich hintergehen sollte." erklärt er mir mit ungerührter Miene und ich kann mir in etwa vorstellen, welche Ansage er dem Dieb gemacht hat. Schlagartig fällt mir wieder ein, was er dem Entführer prophezeit hat. "Und du denkst, er hat das verstanden? Immerhin reden wir von Bakura." gebe ich zu bedenken und Kaiba´s Mund verzieht sich zu einem spöttischen Grinsen. "Keine Sorge, ich habe mich unmissverständlich ausgedrückt." erwidert er und ich schlucke leicht. Scheinbar hat er die Lage im Griff. Ich spüre die unerschütterliche Selbstsicherheit, die ich nur zu gut von ihm kenne. Doch es irritiert mich, dass er dennoch so... gehetzt wirkt. Bakura hat ihm den Einbruch also gestanden, gut. Er hat die Sache geklärt. Noch besser. Aber warum wirkt er dann so? Als könne er meine Gedanken lesen, hebt er plötzlich den Blick und sieht mir wieder in die Augen. "Weißt du was Ironie ist, Joey?" fragt er mich plötzlich und ich sehe ihn fragend an. Immer noch spielt dieses absonderliche kalte Lächeln um seine Mundwinkeln. Er wartet nicht ab ob ich etwas erwidere, sondern fährt gleich fort. "Ich wollte nie so werden wie mein Adoptivvater. Nachdem er endlich tot war, habe ich alles versucht, um ihn aus meinem Gedächnis zu verbannen. Ich wollte jede Erinnerung an ihn zerstören. Alles vernichten wofür er stand. Es einfach wegwischen... Aber im Grunde bin ich genauso geworden wie er. Genau wie er es wollte." Er lacht trocken auf und nimmt einen großen Schluck und ich bin unschlüssig ob ich etwas dazu sagen soll. Ich glaube kaum, dass er eine Erwiderung erwartet, zumal es auch ungewöhnlich ist, dass er überhaupt mit mir über Gozaburo Kaiba spricht. Neulich im Wagen, wollte er nicht darüber reden und meinte, das Ganze ginge mich auch nichts an. Erneut frage ich mich, was noch im Hotel vorgefallen ist, was ihn hier und jetzt auf diesen Gedanken bringt. Oder hegt er ihn schon länger? "Gleichgültig was Roland auch sagen mag, in gewisser Hinsicht habe ich Mokuba vernachlässigt. Ich habe mein Versprechen, immer für ihn da zu sein nicht gehalten. Stattdessen gab es nur die Firma.... Sicher, ich habe sie auch geführt, um Mokuba ein besseres Leben zu sichern, aber ich hätte die Dinge auch ganz anders angehen können..." Er seufzt. "Vorhin habe ich Bakura gedroht. Das ist sicher verständlich in Anbetracht der Tatsache, dass er mich mehr oder weniger hintergangen hat. Aber die Art, wie ich es getan habe... Es war als würde Gozaburo durch mich sprechen." Also daher weht der Wind. Langsam glaube ich zu verstehen. "Die letzten Tage über hat Bakura immer wieder angedeutet, dass ich genau wie er eine dunkle Seite hätte... dass ich ebenso wie er Vergnügen daran finden würde..." Er hält inne und schüttelt den Kopf. "Und weißt du was, er hat Recht, Joey. Nicht wahr?" Ich bin nicht sicher ob er wirklich eine Bestätigung von mir erwartet oder ob die Frage rhetorischer Natur ist. "Wer wüsste das auch besser als du. Ich meine, Jahre lang habe ich dich meine Verachtung wieder und wieder spüren lassen. Und nicht nur dich. Muto, Gardner... den Rest des Kindergartens. Jeden Menschen in meinem Leben. Außer Mokuba." fährt er auch schon fort. "Und nun? Muto hilft mir dennoch. Du hilfst mir. Sogar Devlin und Gardner." Erneut schüttelt er den Kopf und ich beginne zu begreifen. Seine nächste Frage erschüttert mich dennoch. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass dergleichen je aus seinem Mund kommen würde. Ich habe ihn zwar in den letzten Tagen von einer anderen Seite kennengelernt, aber sein Stolz war bisher immer ungebrochen. Stets war er Herr seiner Selbst, mal mehr, mal weniger. Aber Selbstzweifel habe ich nie bei ihm gesehen. Im Gegenteil. Er schien sich immer absolut sicher zu sein in dem was er tat. Gleichgültig welche Konsequenzen es hatte. "Glaubst du, es ist einzig meine Schuld, dass die Dinge sind wie sie sind? Denkst du, es wäre nie soweit gekommen, wenn ich nicht solch ein..." Er spricht es nicht aus, aber ich weiß was er meint und die Art wie er mich dieses Mal ansieht zeigt deutlich, dass er eine Antwort erwartet. Dieses Mal will er seine Frage nicht selbst beantworten, ich soll es tut. Ich seufze. "Hättest du mir vor drei Jahren diese Frage gestellt, nun, ich hätte sie mit Ja beantwortet." erwidere ich ernst. "Von unserer ersten Begegnung an warst du ein Arsch in meinen Augen. Ein arroganter Scheißkerl, der über Leichen ging. Ich konnte ehrlich gesagt auch nie verstehen, warum Yugi so beharrlich daran festhielt, dass du einen guten Kern hast. Sicher, deine Zuneigung für Mokuba ließ sich nie von der Hand weisen und du hast uns auch hin und wieder geholfen, wenn auch widerwillig oder unfreiwillig, aber im Grunde warst du kalt und berechenbar." Er nickt nachdenklich, sagt jedoch nichts. Ich überlege, wie ich ihm das was in mir vorgeht am Besten erkläre. Wieder scheine ich nicht die richtigen Worte zu finden und fühle mich ein klein wenig wie früher bei unseren Debatten als ich nicht wusste, was ich auf seine Bemerkungen erwidern sollte. Er war ein Arsch, meine persönliche Nemesis. Ich hatte unzählige Gründe ihn zu verachten und die Tatsache, dass er seinen Bruder aufrichtig liebte, machte ihn nicht zwangsläufig zu einem besseren Menschen, aber irgendwann habe ich es verstanden. Ja, ich habe begriffe, was Yugi meinte, wenn er vehement darauf pochte, dass Kaiba im Grunde nur gefangen in sich selbst sei. "Inzwischen weiß ich, dass man die Dinge nicht einfach in schwarz oder weiß einteilen kann." fahre ich fort. "Früher dachte ich wirklich, es wäre so leicht." Ich lache kurz auf, wenn ich an meine eigene Naivität denke. In der Hinsicht war ich nicht viel besser als Yugi. Sogar der Pharao wusste, dass es Abstufungen gibt. "Oberflächlich betrachtet, mag es das geben: schwarz und weiß. Aber in Wahrheit gibt es viele Facetten..." Ich überlege kurz, wie ich ihm erklären soll, was ich meine. "Nehmen wir zum Beispiel meinen Stiefvater. Er war mir gegenüber alles andere als liebevoll. Ich denke, du kennst die Geschichte. Sie kusierte ja damals zur Genüge." Er nickt leicht und ich fahre fort: "Ich habe es nie verstanden. Ich wusste nicht, warum er sich mir gegenüber so verhält. Ich dachte, es läge an mir. Ja, das glaubte ich zeitweise wirklich und irgendwann gab ich ihm einfach die Schuld. Ich redete mir ein, dass er einfach ein schlechter Mensch sei. Dass ich eben Pech hätte, ausgerechnet einen solchen Vater bekommen zu haben." Ich halte kurz inne und nehme einen Schluck von meinem Drink. "Als ich dann erfuhr, dass er gar nicht mein Vater war, dass meine Mutter mich ihm sozusagen untergeschoben hatte... nun, es entschuldigte sein Verhalten keineswegs. Aber auf einmal konnte ich es verstehen. Weißt du was ich meine?" Er nickt leicht und sieht dabei weiterhin interessiert an. Für einen Moment bin ich etwas verlegen und auch unsicher. Es ist neu, dass er mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. "Er hatte seine Gründe für sein Verhalten mir gegenüber. Sie entschuldigen nichts, aber zumindest konnte ich es verstehen." beginne ich von neuem. "Bei dir verhält es sich ähnlich. Gewisse Umstände haben dich zu dem gemacht, der du bist und ich schätze, dass du das auch nie ganz wirst ablegen können. In gewisser Hinsicht verstehe ich dich deshalb besser als früher. Schon als Mokuba uns von eurer Zeit bei Gozaburo erzählte, konnte ich dich irgendwie verstehen und nun, da ich selbst weiß wie gnadenlos die Geschäftswelt ist, verstehe ich dich auch was das anbelangt." Ich lächele ihn kurz an, doch seine Miene bleibt regungslos. Er hört mir allerdings aufmerksam zu und so seltsam es auch sein mag, auf diese Art, über dieses Thema, mit ihm zu reden, verspüre ich eine gewisse Erleichterung in mir aufsteigen. "Du magst Gozaburo in gewisser Hinsicht ähnlich sein, aber du bist nicht er." erkläre ich schließlich mit entschiedenen Nachdruck. "Im Gegensatz zu deinem Adoptivvater hattest du deine Gründe gewisse Dinge so zu tun, wie du sie getan hast. Deine Motive waren so gesehen sogar ehrenwert. Man könnte sagen, du hast nur die falsche Methode angewandt, sie umzusetzen. Der falsche Zug zum richtigen Zeitpunkt." Ich zucke mit den Schultern. "So in der Art zumindest. Verstehst du was ich meine?" Kaiba nickt. "Ja, ich denke, ich weiß worauf du hinaus willst." erwidert er ernst und beäugt mich einen Moment nachdenklich. "Du hast wirklich einiges dazu gelernt, Whe- Joey." Er lächelt mich flüchtig an, aber der anerkennende Blick bleibt mir nicht verborgen. "Scheinbar hast du in den letzten drei Jahren mehr dazu gelernt als ich." Er seufzt und ich spüre wie schwer es ihm fällt, das einzuräumen. Immerhin ist es nicht nur ein Kompliment für mich. "Es ist nie zu spät etwas dazu zu lernen." erwidere ich mit einem schiefen Grinsen und die rechte Braue wird sofort nach oben gezogen. "Jetzt klingt du wie Muto... nein, eigentlich wie Gardner." Er lacht und ich tue es ihm gleich. Seine Züge scheinen etwas gelöster. "Ich denke, wenn diese ganze Sache vorüber ist, werde ich einiges in meinem Leben überdenken müssen." meint er schließlich. Ich nicke zustimmend. "Was diese Sache nun anbelangt... mag sein, dass derjenige, der dahinter steckt, dich tatsächlich fertig machen will aus irgendeinem Grund, den er selbst als richtig erachtet, aber soweit zu gehen und Mokuba mit reinzuziehen ist etwas, dass einfach nicht passieren darf. Gleichgültig welchen Grund dieser Mensch zu haben scheint." gebe ich zu bedenken. "Selbst wenn es demjenigen nur um deine Erfindung gehen mag... das geht eindeutig zu weit. Geschäft ist Geschäft, Famillie steht auf einem anderen Papier. Und nein, ich glaube nicht, dass du Schuld daran bist, dass die Dinge sind wie sie sind. Zumindest nicht alleine. Und was diese dunkle Seite anbelangt... Jeder von uns hat so eine. Gut, Yugi vielleicht nicht, aber vielleicht wäre es manchmal besser er hätte eine... Jedenfalls denke ich, dass man stets die Wahl hat. Man kann das Richtige oder das Falsche tun, die Entscheidung liegt bei einem selbst." Kaiba betrachtet mich einen Moment, dann lacht er und es ist ein ehrliches, warmes Lachen, dass sein ganzes Gesicht mit einem Schlag verändert. "Und ich habe immer behauptet, dass du dumm wärst..." meint er lachend. "Du hast dich sehr verändert, Hündchen." Ich lächele ihn an. "Ich bin kein Hund, wie oft soll ich dir das noch sagen?" erwidere ich mit einem Lächeln und in seinen Augen blitzt es kurz auf. "Manchmal siehst du aber aus wie ein Hündchen." erwidert er und ich seufze. "Was habe ich nur verbrochen? Erst sagt Lucy mir ständig, dass ich süß wäre und jetzt kommst du mir auch noch so..." Ich verdrehe die Augen und seine Züge werden schlagartig wieder ernst. "Deine Freundin hat allerdings Recht. Ebenso wie ich." meint er ernst und ich funkele ihn gespielt giftig an. "Hey, ich warne dich! Noch ein Wort in die Richtung und..." Er lacht. "Und was?" will er herausfordernd wissen. "War sie deine Freundin?" Die Frage trifft mich vollkommen unvorbereitet und ich spüre, dass ich rot werde. Er nickt. "Also war sie es." Er mustert mich süffisant und ich frage mich insgeheim ob er über die Ähnlichkeit zwischen den Beiden nachdenkt. Er sagt jedoch nichts weiter dazu. Stattdessen meint er: "Ich dachte eigentlich immer, dass du irgendwann diese Valentine heiraten würdest und eine Menge kleine Katsuyas produzierst." Ich starre ihn entgeistert an und bin verdammt froh, dass ich noch rechtzeitig schlucken konnte. "Wie kommst du bitte darauf?" will ich wissen. Er zuckt mit den Schultern. "Damals warst du doch offensichtlich sehr interessiert an ihr." bemerkt er und ich bin mehr als überrascht. Das ist ihm aufgefallen? Ich hätte nicht gedacht, dass er davon Notiz genommen hatte. Ich zucke leicht mit den Schultern. "Naja, ich stand damals schon auf sie, aber wirklich beachtet hat sie mich nie. Ich hab´s auch nie wirklich bei ihr versucht." erzähle ich und mir wird doch während ich spreche bewusst wie verrückt es eigentlich ist, mit Kaiba über dergleichen zu reden. Aber hey, er hat angefangen. Unwillkürlich drängen sich mich auch ein paar Fragen auf, aber irgendwie scheue ich mich sie ihm zu stellen. Etwas verlegen senke ich den Blick und er sieht mich fragend an. "Was?" fragt er nur und ich grinse unsicht. "Ähm... komisch mit dir über so was zu reden." gebe ich zu und er scheint über meine Worte nachzudenken. "Wie sieht´s in der Hinsicht eigentlich bei dir aus?" frage ich dann doch und zarte Röte erscheint auf seinen Wangen. "Ich hatte nie vor zu heiraten, wenn du das meinst." erwidert er nach kurzem Zögern und ich lache. "Das meinte ich jetzt nicht." entgegne ich und seine Wangen verfärben sich noch ein wenig mehr. "Ich meine, du hattest damals ja schon deinen eigenen Fanclub... die Hühner waren verrückt nach dir." Er sieht mich missbilligend an und ich spüre förmlich wie unangenehm ihm dieses Thema ist. "Weißt du eigentlich, dass ich vor dem Abschlussball fünf Mädchen gefragt habe ob sie mich begleiten wollen?" rutscht es mir im nächsten Moment auch schon raus. Er sieht mich verständnislos an. "Und?" kommt es leicht ungeduldigt zurück. Ich lache. "Vier davon hielten sich für die Option frei, dass du sie noch fragen würdest. Die Fünfte war mit Duke verabredet." erzähle ich munter weiter und er verdreht die Augen. "Ich hatte nie viel für solche Verabredungen übrig." meint er mit kühlem Tonfall und ich nicke. "Ich weiß... Zeitverschwendung." entgegne ich vergnügt. Einen Moment herrscht Schweigen und ich glaube, wir werden uns beide der Absurdität dieser Situation gerade erst bewusst. Und auch, dass wir... nun, dass sich die Dinge zwischen uns geändert haben. Kaiba wirkt zumindest etwas pikiert und fühle mich auch etwas unsicher. Obgleich ich im Grunde nie um ein Wort verlegen bin, weiß ich augenblicklich nicht was ich sagen soll. Es ist eine Sache mit ihm über Mokuba, Unternehmungen, Pläne und was auch immer zu reden, aber naja... im Moment gibt es nichts groß zu besprechen und Smalltalk ist nicht unbedingt unsere Stärke. Ich überlege gerade noch, was ich sagen könnte, um die Situation etwas zu entspannen, als ich seine klare, nüchterne Stimme vernehme. "Diese Sache... das mit... uns was genau hat das nun zu bedeuten?" fragt er mich ernsthaft und ich laufe sicher puterrot an. Wie er es in dem Augenblick schafft, mich ernst anzusehen, weiß ich beim besten Willen nicht. "Was genau sind wir jetzt?" präzisiert er seine Frage und ich schlucke schwer. "Gute Frage... " entgegne ich unsicher. "Zumindest sind wir keine Feinde mehr, wenn wir das überhaupt je wirklich waren." Er nickt nachdenklich. "Ich muss zugeben, es irritiert mich einerseits, dass ich dich... nicht hasse." erwidert er dann. "Andererseits muss ich zugeben, dass es ein... nun, ich fühle mich keineswegs unwohl in deiner Nähe." Einen Moment sehe ich ihn etwas verdattert an. Dann grinse ich. "Dito, Kai-Seto." entgegne ich. "Und ich würde sagen, ich fühle mich mehr als nicht unwohl. Eigentlich fühle ich mich sogar gut in deiner Nähe, auch wenn ich mir das nie hätte träumen lassen." Er nickt langsam. "Ja, dem würde ich zustimmen." räumt er ein und nun verfärben sich auch seine Wangen recht eindeutig. "Na, das ist doch ein guter Anfang..." befinde ich fröhlich und spüre wie sich Wärme in mir ausbreitet. Von dem Prickeln ganz zu schweigen. "Vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt um... naja, dort weiterzumachen wo wir aufgehört haben?" höre ich mich dann selbst sagen und bin über meine eigenen Worte mehr als erstaunt. Wow. Wenn das keine Ansage ist. Joey Wheeler geht in die Offensive... Oh Mann. Kapitel 45: Schleichende Gewissheit (Bakura) -------------------------------------------- Merci mal wieder für eure lieben Kommis! Ich weiß nicht, ob ich vor dem Wochenende noch ein Kapitel schaffe, ab morgen bin ich erstmal unterwegs, so dass ihr euch bis Montag oder vielleicht sogar Dienstag gedulden müsst. Ich kann euch allerdings verraten, dass es dann ans Eingemachte geht. :-) Ich wünsch euch daher jetzt schon mal ein schönes Wochenende und viel Spaß beim Lesen. "Hast du´s ihm gesagt?" fragt Alister und sieht mich mit einem hofflungsvollen Blick an. Ich nicke mürrisch und seine Augen weiten sich. "Deinem Blick nach zu urteilen hat er es alles andere als gut aufgefasst, was? Naja... war wohl zu erwarten." meint er und ich presse die Lippen aufeinander. "Was hat er gesagt?" Ich mache eine unwirsche Handbewegung und eigentlich will ich auch nicht mit Alister darüber reden, aber ich weiß, dass der Rothaarige nicht locker lassen wird. "Er meinte, er würde die Sache vergessen, wenn ich ihm fortan helfe." erkläre ich schließlich knapp und Alister wirkt einen Moment erstaunt. "Das war alles?" hakt er nach und ich werfe ihm einen missbilligenden Blick zu. Er versteht sofort. "Naja, immerhin ist es jetzt raus. Das heißt, wir haben keine bösen Überraschungen zu erwarten." sagt der Rothaarige und ich seufze genervt. "Mir ist jedenfalls jetzt wohler. Und dir?" Ich erwidere nichts auf diese Frage. Mir war zuvor auch nicht unwohl im Gegensatz zu ihm. Sicher, es hätte etwas peinlich werden können, wenn dieser Siegfried ihm von meiner kleinen Beteiligung erzählt hätte, aber ich weiß ja nicht einmal wie weit dieser Kerl überhaupt im Bilde ist. Aber vermutlich hat Alister ausnahmsweise einmal Recht. Es war sicher besser die Karten auf den Tisch zu legen. Zumal Kaiba augenblicklich... Ich denke wieder über seine Worte nach. Ich hatte eine klare Ansage erwartet. Im Grunde hatte ich damit gerechnet, dass die Sache so ausgehen würde. Der Eisklotz ist schließlich nicht dumm. Er weiß, dass ich ihm durchaus nützlich sein kann und das die Zahl seiner Verbündeten begrenzt ist. Zudem glaube ich sogar, dass er mir geglaubt hat. Aber es war klar, dass er Klartext reden würde. Dennoch hat mich seine Ansage doch etwas überrascht. Überrascht und auch fasziniert... Dass er über eine dunkle Seite verfügt, war offensichtlich. Ich kenne die Erzählungen über seinen Adoptivvater zur Genüge und weiß wie sehr dergleichen einen Menschen zu prägen vermag. Aber die Abgründe in ihm scheinen noch größer als ich es mir vorgestellt hatte und ich hege auch keinerlei Zweifel daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. Nein, ich bin mir dessen sogar mehr als sicher. Kaiba redet nicht nur. Er handelt. So hat er es immer gehalten. Unwillkürlich muss ich an Seth denken. Im Gegensatz zu dieser Laus von einem Pharao, war der Hohepriester ungemein konsequent. In jeder Beziehung. Ein Vergehen, ein Fehler und er hat es geahndet. Es gab keine Ausflüchte. In der Hinsicht war Seth nahezu gnadelos und ich zweifle nicht daran, dass seine Wiedergeburt es ebenfalls ist. Die einzige Ausnahme, die Seth je gemacht hat, war ich. "Warum lächelst du jetzt? Aus dir soll man echt einmal schlau werden..." höre ich Alister sagen und sehe wie der Rothaarige den Kopf schüttelt, aber augenblicklich sehe ich keinerlei Veranlassung mich mit ihm auseinander zu setzen. Meine Gedanken sind ohnehin wo anders. Ja, in gewisser Hinsicht glich Kaiba gerade eben Seth mehr als je zuvor, auch wenn er diesen Vergleich sicherlich nicht mögen würde. Er hasst es schließlich auf seine Vergangenheit angesprochen zu werden. Nein, er ignoriert seine Vergangenheit rigoros, was in Anbetracht dessen, was er alles erlebt hat, im Grunde lächerlich anmutet. Doch bisher hat mich das nie gekümmert. Bislang habe ich allerdings auch kaum an Seth gedacht... Wann kam mir der Gedanke zum ersten Mal? Nachdem diese Pharaonenmade endlich von der Bildfläche verschwunden war und ich als Einziger aus der alten Zeit übrig blieb. Kaiba zählte schließlich nicht und anfangs konnte ich Seth auch nicht in ihm erkennen. Aber sobald dieser dämliche Atemu verschwunden war und ich dank der Milleniumsgegenstände endlich einen eigenen Körper hatte, kehrten all meine Erinnerungen zurück. Mit einem Schlag war alles wieder da, als wäre ein Schleier gelüftet worden. Erinnerungen an eine Zeit, die längst vergessen ist und die ich im Grunde gar nicht zurückgewinnen wollte. Aber von heute auf morgen wusste ich wieder alles was vor 5000 Jahren geschehen war. Ich sah mein Dorf in Flammen aufgehen, hörte die Schreie meiner Lieben und spürte erneut wieder diese rasende Wut und die beschämende Hilflosigkeit. Und natürlich erinnerte ich mich auch an Seth... an den Tempel. Meine Zeit als Meisterdieb. Und natürlich auch an Zorc, dessen Geist mich leitete. Schmerzhaft und grausam bedrängten mich die Geister der Vergangenheit und es dauerte Wochen bis ich wieder ein Auge zutun konnte ohne die Schreie längst verstaubter Menschen zu hören und erneut jene Nacht durchleben, in der mein Dorf vernichtet wurde und ich als Einziger überlebte. Jene Nacht entschied mein Schicksal und machte mich zu dem, der ich heute bin. Nur, dass ich nicht damit gerechnet hätte, heute noch zu leben. Ehrlich gesagt, dachte ich immer, Seth´s Prophezeihung, dass ich irgendwann zuweit gehen würde und es mich meinen Kopf kostet, würde sich bewahrheiten. Seine Ermahnungen hielten mich natürlich keineswegs davon ab, meinen Weg weiter zu beschreiten und gleichgültig wie oft er mir versuchte zu erklären, dass der Pharao nicht verantwortlich für diese schreckliche Tat sei, vermochte er es nicht, mein Urteil über diese Laus zu ändern. Vetter hin oder her. Er war der Pharao und in jener Nacht wurde er mein erbittertster Feind. "Kaiba übernachtet also bei Wheeler..." höre ich Alister sagen und werfe ihm einen wütenden Blick zu. Der Kleine zuckt unwillkürlich zusammen und presst die Lippen fest aufeinander. Schlagartig bereut er, dass er etwas gesagt hat, aber sein Satz steht im Raum und mit ihm dieses Gefühl... Kaiba und Wheeler. Kaiba´s Augen haben mir meine Vermutung bestätigt. Zwischen den Beiden hat sich etwas verändert. Wie weit diese Veränderung reicht... schwer zu sagen, aber sie ist offensichtlich und sie behagt mir keineswegs, auch wenn es vielleicht absehbar war, dass es so kommen würde. Erstaunlicherweise war es schon von jeher der Köter, dem es gelang, den großen Seto Kaiba herauszufordern. Nicht Yugi, nicht Atemu, nein es war immer der kleine Streuner, der an Kaiba´s Selbstkontrolle rüttelte. Feuer, dass auf Eis trifft. Es war absehbar, dass es irgendwann zu einer Reaktion kommen würde. Erstaunlich, im Grunde, dass es so lange gedauert hat. Im Grunde könnte es mir gleich sein, einmal von meiner Wette abgesehen. Aber aus irgendeinem Grund ist es mir nicht egal. Nein, es passt mir ganz und gar nicht. Und ich ahne warum es sich so verhält. Widerwillig schüttele ich den Kopf. Das ist doch alles Unsinn. Kaiba ist nicht Seth und auch wenn ich keinen Spaß mit dem Eisklotz haben kann, geht die Welt nicht unter. Soll er doch ruhig mit dem Hünchen spielen, wen interessiert es? Ich habe andere Möglichkeiten, bessere Möglichkeiten. Mit einem Satz bin ich bei Alister und presse meinen Mund hart auf seinen. Erschrocken keucht der Kleine auf und befriedigt stelle ich fest, dass er Angst hat. Ich schiebe seinen Laptop unachtsam zur Seite und ziehe ihn an mich. Ein Beben geht durch seinen Körper und ich nehme vage wahr, dass er die Arme hebt, um mich von sich zu stoßen. Was ich natürlich nicht zulasse. Ich packe seine Handgelenke und nagele ihn im nächsten Moment auch schon auf dem Bett fest. "Bakura..." hebt er an als ich meinen Mund von seinem löse, aber ich denke nicht daran ihn zu Wort kommen zu lassen. Ja, verdammt, ich brauche Kaiba nicht um Spaß zu haben. Alister reicht dafür vollkommen aus. Ich schiebe seine Hände zusammen, so dass ich sie mit einer Hand festhalten kann und grinse den Rothaarigen an. "Ich habe mich lange nicht mehr um dich gekümmert, Ali, was?" frage ich und sehe wie seine Augen sich weiten. "Das sollte ich wohl nachholen..." Erneut küsse ich ihn, doch im Grunde kann man es nicht wirklich als Kuss bezeichnen. Ich beiße kurz in seine Unterlippe und ein gurgelndes Geräusch kommt aus seiner Kehle. Der Geschmack seines Blutes berauscht mich sofort. Ich stoße meine Zunge unbarmherzig in seinen Mund und er ist nicht in der Lage es zu verhindern, selbst wenn er es wollen würde, aber Alister passt sich der Situation bereits an. Er versucht nicht länger Widerstand zu leisten, bemüht sich lediglich den Kuss sanfter zu gestalten, aber ich bin nicht in Stimmung für Zärtlichkeiten. Hastig schiebe ich sein Shirt nach oben und erneut höre ich zufrieden, dass er aufkeucht. Er kennt dieses Spielchen nur zu gut. Er weiß, dass dies nur das Vorspiel ist. Die Warmwerdrunde. Und er weiß auch was folgen wird. Ich grinse in den Kuss und gebe ihm dann die Gelegenheit nach Luft zu schnappen. "Bakura bitte..." versucht er es erneut. "Was?" zische ich ihn an. Er schluckt und sieht mir dabei direkt in die Augen. Ich rieche seine Angst, ich kann sie sogar schmecken und sie liegt offenkundig in seinen Augen. Ja, am Anfang hat er immer Angst... Dennoch erkenne ich dieses Mal auch so was wie Trotz in seinen rauchigen Augen und für einen Moment stutze ich. Das ist neu. Damit hatte ich keineswegs gerechnet. Ebensowenig mit den Worten, die als nächstes über seine Lippen kommen. "Du tust das gerade wegen Kaiba, oder?" fragt er mich und ich starre ihn an. Ist mein Verhalten tatsächlich so offensichtlich? Ich beiße mir hart auf die Unterlippe und spiele mit dem Gedanken, ihn zu schlagen für diese Frage. Ich hebe bereits die Hand und bin sogar sicher, dass er solch eine Reaktion oder schlimmeres erwartet. Aber anstatt es zu tun, lasse ich von ihm ab und bin mit einem Satz auch schon wieder auf den Beinen. "Bei ihm ist es etwas anderes, oder, Kura?" höre ich Alister sanft fragen und alles in mir schreit danach ihn zum schweigen zu bringen. Ich funkele ihn wütend an. "Noch ein Wort!" warne ich ihn. "Ein Wort!" Doch Alister lächelt mich an und richtet sich langsam auf. Regungslos stehe ich da als er zu mir tritt und mich zaghaft am Arm berührt. "Kura." sagt er leise und mein Widerwille wird nur noch größer, dennoch bin ich nicht fähig mich zur rühren. "Ich hab Recht, oder?" will er wissen und ich schüttele energisch den Kopf. "Unsinn." entgegne ich scharf und weiß zugleich, dass ich lüge. Ich schüttele seine Hand ab und gehe ein paar Schritte in den Raum. Bei Ra, was zur Hölle ist plötzlich los mir mit? "Kura." sagt Alister noch einmal und ich schnaube. "Schweig." befehle ich ihm und meine Stimme duldet keinen Widerspruch. "Es hat nichts mit ihm zu tun. Er ist mir egal." Wieder eine Lüge. Ich spüre geradezu ihren Stacheln. Ich trete zum Tisch und schnappe mir meine Zigaretten. Verflucht, was zu Teufel denke ich hier überhaupt? Kaiba ist nicht Seth. Er wird auch nie Seth sein. Ähnlichkeit hin oder her. Die Vergangenheit ist ausgelöscht, nichts bringt sie wieder und sie lässt sich auch nicht wiederholen. Was kümmert es mich also was dieser Großkotz mit Wheeler macht? Soll er doch ruhig seinen Spaß mit dem Hündchen haben. Ich werde ihm helfen seinen Bruder zu befreien und wegen mir auch, seinen Ruf wieder herzustellen. Das war´s dann aber auch. Ich inhaliere tief. "Deshalb hast du auch gleich gesagt, dass wir ihm helfen sollen." meint Alister und ich blase ihm den Rauch ins Gesicht. "Fordere es nicht heraus, Ali. Ich bin nicht in Stimmung für einen solchen Quatsch." herrsche ich den Rothaarigen an. "Ich helfe ihm, weil er mich bezahlt und weil ich nicht wollte, dass es sich mit seinem Bruder so entwickelt. Weiter nichts. Sobald diese Sache erledigt, schert mich Kaiba nur noch einen Dreck." erkläre ich grollend. Und genauso wird es auch sein. Nichts anderes verbindet mich mit ihm. Gut, ich hätte gerne noch mehr von seiner dunklen Seite gesehen... Nein, im Grunde hätte ich ihn zu gern ein einziges Mal ohne all seine Masken gesehen, aber das spielt nun keine Rolle mehr. "Er bedeutet mir nichts!" schreie ich Alister an und der Rothaarige nickt. "Du sagst es." entgegnet der Kleine ruhig. Kapitel 46: Tuchfühlung ----------------------- Hallo, meine Lieben, es geht also endlich weiter und wir nähern uns dem nächsten Höhepunkt. Vielleicht schaffe ich heute noch ein Kapitel... Mal sehen. Viel Spaß aber erst einmal mit diesem. Unschlüssig sehe ich den Blondschopf an. Natürlich weiß ich, was er mir da zu sagen versucht oder besser gesagt, welchen Vorschlag er mir unterbreitet und es ist ihm deutlich anzusehen, dass er verlegen ist, was ich allerdings auch nur zu gut verstehen kann. Ich glaube, auch meine Gesichtsfarbe verändert sich augenblicklich etwas. Ich räuspere mich unsicher und weiß nicht so genau, was ich nun erwidern soll. Diese Situation ist vollkommen neu für mich. Abgesehen davon, dass es gerade droht sehr intim zu werden - eine Sache mit der ich mich ohnehin schwer tue. Intimität gepaart mit Wheeler macht das Ganze noch etwas befremdlicher. Er sieht mich verlegen und erwartungsvoll zugleich an und ich glaube, er weiß selbst nicht genau was er gerade von mir erwartet. Für ihn dürfte diese Situation ebenso Neuland sein wie für mich. Nicht, dass ich bisher noch nie intim mit einem anderen Menschen geworden wäre, aber zum einen ist das hier Wheeler und zum anderen ist er ein Mann. Zwei Punkte, welche die Sachlage etwas verkomplizieren. Zudem kommt dieses Gefühl dazu, was ebenfalls neu ist. Wahrhaft befremdlich ist allerdings, dass ich im Grunde gezwungen bin, zu zugeben, dass ich für solch eine Situation keinerlei Plan habe, doch Wheeler gegenüber eine solche Schwäche einzuräumen, verlangt mir eine Menge ab. "Weitermachen wo wir aufgehört haben..." sage ich schließlich und es ist nicht zu überhören, dass ich unsicher bin. Wheeler nickt mit einem verlegenen schiefen Grinsen, dass ihm einen solch niedlichen Ausdruck verleiht, dass ich schmunzeln muss. "Nun, ich denke grundsätzlich spricht nichts dagegen." erkläre ich vage und befürchte, dass mehr als nur leichte Röte meine Wangen ziert. Wheeler scheint es allerdings nicht unbedingt besser zu gehen. Sein Kopf steht fast in Flammen und ich bemerke, dass er unruhig hin und her rutscht. Einen Moment sitzen wir uns schweigend gegenüber und jedem von uns ist sicher unbehaglich zumute. Wir beide sind verlegen und unsicher und auch wir einen Konsens haben, scheint keiner von uns in der Lage zu sein, mit der neuerlichen Situation wirklich umzugehen. Abgesehen davon ist der Zeitpunkt auch alles andere als günstig. Dennoch... Obgleich ich mich natürlich nach wie vor um Mokuba sorge und ein Teil meiner Gedanken bereits bei dem morgigen Tag ist, kann ich mich der Anziehungskraft, die von Wheeler ausgeht nicht ganz entziehen und im Grunde ist es lächerlich, dass wir um einander herum eiern als wären wir zwei pubertierende Mädchen, die nicht wissen was zu tun ist. Ich seufze und lache dann auch schon kurz auf. Wheeler sieht mich verständnislos an. "Herrje, wir verhalten uns gerade mehr als albern, meinst du nicht?" frage ich ihn. "Normalerweise hattest du nie vor etwas Angst und hast dich in alles hineingestürzt ohne die Konsequenzen zu bedenken und ich war immer Herr der Lage oder schaffte es zumindest den Eindruck zu erwecken. Und jetzt? Sieh uns an!" Er nickt eifrig und auch er muss lachen. "Stimmt, wir sind erbärmlich." befindet er und für einen kurzen Augenblick sehen wir uns lächelnd in die Augen. "Komm her, Hündchen." sage ich dann automatisch. Er wirkt nicht wirklich überrascht. Er erhebt sich sogar brav und ist mit einem Schritt bei mir und lässt sich auf das Sofa fallen. "Hündchen?" fragt er und ich strecke die Hand aus, um ihm eine verirrte Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Seine Frisur ist inzwischen zwar um einiges besser, aber noch immer stehen einzelne blonde Strähnen ab. Ich nicke. "Ein durchaus liebevoller Kosenamen." erkläre ich und er lacht. "Naja... ok." Er lässt es dabei bewenden und im nächsten Moment küssen wir uns auch schon. Ich kann nicht sagen wer angefangen hat. War ich es, der sich zuerst zu ihm beugte oder ging die Initiative von ihm aus? Ich könnte es nicht wirklich sagen, aber es ist auch egal. Ich verspüre fast schon so etwas wie Erleichterung als ich endlich seine Lippen auf meinen fühle und es ist so erstaunlich leicht. Für eine Sekunde frage ich mich, warum wir so lange dafür gebraucht haben, wo es doch wirklich einfach ist. Dann fordert seine Zunge auch schon meine zum Duell und ich nehme die Kampfansage natürlich an. Er schmeckt irgendwie nach Kirsche, was mich für einen kurzen Moment wirklich irritiert und er weiß was er tut. Wieviele Frauen er wohl schon geküsst hat? Es waren sicher einige... Aber ich schätze, ich bin der erste Mann, den er küsst. Wheeler keucht leicht auf und dann fühle ich wie seine Hände über meine Brust gleiten. Ich zucke leicht zusammen aufgrund dieser unerwarteten Berührung und bemerke dann erst, dass ich es ihm längst gleichtue. Meine Hände wandern wie von selbst in seinen Nacken, ziehen ihn näher an mich und er drängt sich mir entgegen. Ein letzter rationaler Teil meines Verstandes realisiert, dass ich noch nie so etwas gefühlt habe. Nie zuvor hat ein Kuss mich so bewegt. Und noch nie habe ich zugelassen, dass mein Verstand während eines Kusses so weit herunterfährt. Vage nehme ich wahr, dass seine Hände sich in meinem Haar vergraben und ich lasse es geschehen. Ja, ich verspüre nicht einmal den Impuls ihn von mir zu schieben. Auch ich keuche auf und wir halten einen Moment inne, schnappen nach Luft und klammern uns erneut aneinander wie zwei Ertrinkende. Es ist seltsam, aber ein Teil von mir hat den Eindruck, als hätte ich immer auf diesen Moment gewartet... Als wäre dies der Höhepunkt einer langen Reise, die vor vielen Jahren begonnen hat. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber wie absurd diese Gedanken sind, aber merkwürdigerweise habe ich das Gefühl, dass es ihm genauso geht und er es bestätigen würde, wenn ich ihm diese Frage stellen würde. "Wow." japst er als wir uns von einander lösen und grinst mich im nächsten Moment auch schon an. Ich nicke bedächtig. "Wir werden besser." sage ich und Wheeler lacht. "Jepp, eindeutig." befindet er und einmal mehr ähnelt sein Blick dem eines süßen, kleinen Welpens. Ich schlucke unwillkürlich. "Ähm..." hebt er an und seine Lider senken sich etwas. "Also... wenn ich früher schon gewusst hätte, welchen Spaß es macht, so was mit dir zu tun, dann hätten wir uns so einiges sparen können, Kai-Seto." erklärt er verlegen und ich lächele ihn an. "Ja, da ist etwas dran." gebe ich zu und im nächsten Augenblick sind wir auch schon wieder dabei unsere neue Duellform auszuprobieren. Ich spüre wie die Wärme in mir sich immer weiter ausbreitet und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit nehme ich mein Herz nicht als einen Fremdkörper wahr, dessen vehementes Pochen mich irritiert. Jetzt und hier verstehe ich, warum es so hart gegen meinen Brustkorp hämmert und das Gefühl ist alles andere als befremdlich. Es ist schlicht und ergreifend gut. Ich weiß nicht wie lange wir einfach nur dasitzen und "rummachen" wie Wheeler es galant ausdrückt. Ich verliere jegliches Gefühl für Zeit und Raum und sogar Mokuba verschwindet einen Moment aus meinen Gedanken. Doch dann klingt plötzlich mein Handy und ich werde jäh zurück in die Realität gerissen. Widerwillig löse ich mich von meinem Hündchen und greife nach dem Mobiltelefon. Die Nummer auf dem Display ist mir unbekannt. Ich räuspere mich bevor ich mich melde und meine Stimme klingt so routiniert wie immer. "Ja?" Ich halte es augenblick für klüger, mich nicht mit meinem Namen zu melden. "Seto Kaiba?" fragt eine tiefe männliche Stimme am anderen Ende und ich versuche sie einzuordnen. Ich kenne die Stimme, zumindest bin ich mir sicher, dass ich sie schon einmal gehört habe. Als ich nichts erwidere fährt der andere mit dem Gespräch dennoch fort. "Hier spricht Odion Ishtar." erklärt er und meine Skepsis weicht. "Odion!" entfährt es mir und ich bemerke, dass Wheeler sich aufrichtet und mich aufmerksam ansieht. "Ich dachte, dass es angebracht ist, wenn ich ihnen Bericht erstatte." höre ich den Ägypter sagen. "Ja." bestätige ich und sofort ist mein Verstand wieder voll da. "Hast du schon etwas erreichen können?" Der Ägypter zögert einen Moment. "Nicht wirklich." entgegnet er. "Ich habe einen guten Freund angewiesen sich in Lybien, umzuhören. Er hat mir eben mitgeteilt, dass das Haus der Schröders verlassen ist. Niemand ist dort. Nicht einmal ein Dienstbote. Mein Freund hat mit einem der Lieferanten gesprochen und dieser teilte ihm mit, dass in den letzten Monaten keiner der Familie dort war und er auch keine aktuellen Aufträge für einen bevorstehenden Besuch habe." Ich nicke. "Dann scheidet dieses Residenz aus." rekapituliere ich. "Ja." bestätigt Odion. "Daher wird es auch nicht nötig sein, dass ich selbst hinfahre." "Nein, natürlich nicht." erwidere ich. "Und weißt du ob Marik schon etwas erfahren hat?" Mein Herz bebt und ich hoffe insgeheim, dass der kleine Ägypter wenigstens eine Spur aufgreifen konnte. "Nein, Kaiba, bislang habe ich auch noch nichts von ihm gehört. Wir haben uns vor einigen Stunden getrennt." antwortet Odion und ich seufze leicht. "Nun, gut. Ich danke dir für deine Mühen." Ich kann für einen Moment das ernste Gesicht des Glatzköpfigen vor mir sehen. "Ich helfe gerne, wenn ich es vermag." erklärt er mir feierlich. "Yugi hat uns über deine Lage unterrichtet und als Freund von ihm werden wir dir jede Hilfe zukommen lassen." Ich schlucke leicht. Es ist genau wie Muto gesagt hat. Ich kann sogar die Anteilnahme in der Stimme des Ägypters hören und es berührt mich für einen Augenblick auf seltsame Weise. Der Mann und ich hatten kaum etwas miteinander zu tun. Dass er ein treuer Freund von Muto ist, weiß ich. Aber mich als Freund des Zwerges zu bezeichnen... Doch scheinbar sieht der Kleine mich als solchen an. Unwillkürlich frage ich mich, wie das sein kann? Und womit ich es verdiene. "Danke... Odion." Beide Worte klingen fremd als ich sie ausspreche. Der Ägypter erklärt mir nüchtern, dass er für meinen Bruder beten würde und hoffe, dass Ra über ihn wache. Desweitern teilt er mir mit, dass er nun auf Marik warten und sich melden würde, sobald er etwas neues wisse. Zudem übermittelt er mir Grüße seiner Schwester, die ebenfalls an Mokuba denken würde. Mir ist seltsam zumute als ich das Gespräch beende und ich brauche einen Moment, um mich wieder zu fassen. Wheeler sieht mich fragend an. "Lybien scheidet schon einmal aus." erkläre ich ihm trocken und er seufzt. "Dann hoffen wir mal, dass Marik mehr Glück hat." erwidert er und ich nicke. "Du wirkst... irriert." stellt er einen Moment später fest und wider meine sonstige Art beantworte ich ihm die unausgesprochene Frage. "Ich bin erstaunt darüber, dass diese Menschen, mit denen ich nie etwas zu schaffen hatte, solch einen Anteil an meiner Situation nehmen." erkläre ich ernst. "Muto hat mich als seinen Freund bezeichnet und Odion gab mir in etwa zu verstehen, dass ein Freund von Muto auch sein Freund wäre." Wheeler nickt. "Und es wundert dich, warum Yugi das getan hat." stellt er weiterhin fest. Ich nicke und er lacht. "So verhält sich das mit Freundschaft." meint er schließlich. "Yugi hat dich immer als Freund gesehen, ja, sogar als Teil unseres Kindergartens." Ich werfe ihm einen spöttischen Blick zu, aber er lächelt nur. "Du magst es anders sehen, aber im Grunde hatte Yugi Recht. Du warst stets unser Freund, ob du wolltest oder nicht." Er zuckt mit den Schultern. Ich denke einen Moment über seine Worte nach. Es stimmt, dass der Zwerg mich stets als Freund angesehen hat, auch wenn ich immer wieder betont habe, dass uns keine freundschaftliche Ebene verbinden würde. Ich habe Muto lediglich respektiert und den Rest des Kindergartens... Sie waren mir egal. Jeder von ihnen. Von Wheeler einmal abgesehen. Aber der Brünette und Gardner... oder der Würfelfreak. Mit einem Mal fühle ich mich beschämt. "Ich weiß, dass dich Freundschaft nie tangiert hat. Du hast immer gesagt, dass du keine Freunde brauchst und so gesehen hattest du auch Recht. Du bist gut klar gekommen ohne Freunde, aber auch wenn man keinen Menschen braucht, um sein Leben zu meistern, besser wird das Leben mit Freunden." erklärt mir Wheeler. "Ich hätte die Zeit bei meinem Stiefvater sicher auch ohne Yugi und die anderen überlebt, aber dank ihnen hatte ich eine sichere Bank, auf die ich mich verlassen konnte. Sie waren mein Lichtblick, wenn man so will, auch wenn sie mir nicht wirklich helfen konnten. Das war auch nicht nötig. Sie waren da. Verstehst du?" Ich nicke leicht. "Ja, ich denke, ich verstehe." entgegne ich ernst und in seinen warmen braunen Augen leuchtet es auf. "Ich glaube, ich muss einige Ansichten, die ich bis dato hatte, überdenken." füge ich hinzu und seine Augen weiten sich. Ich zucke mit den Schultern. "Vielleicht war ich oftmals zu verbissen..." versuche ich ihm meinen Gedankengang zu erklären und Wheeler nickt. "Möglich." stimmt er zu. "Aber weißt du was? Es ist nie zu spät, sich so etwas einzugestehen. Ich meine, wer A sagt, der muss nicht B sagen. Man kann auch erkennen, dass A falsch war. Und das ist keine Schwäche. Im Gegenteil. Ich würde sagen, es zeugt mir von Stärke, zugeben zu können, dass man etwas falsch gemacht hat." Einen Augenblick betrachtet ich ihn und auch wenn er noch immer der Wheeler ist, den ich kenne und vieles an ihm sich nicht verändert hat, so bemerke ich nun einmal mehr, dass er sich weiterentwickelt hat. Nein, er ist alles andere als ein dummer Köter. "Du bist erstaunlich, Hündchen." bemerke ich und er grinst. "Du hast dich wirklich verändert, aber vielleicht sehe ich auch einfach nur klarer." Im nächsten Augenblick zieht er mich auch schon an sich. "Du bist auch erstaunlich, Eisklötzchen." Er zwinkert mir zu und noch ehe ich gegen solch einen indiskutabelen Kosenamen protestieren kann, küsst er mich auch schon wieder. Kapitel 47: Neue Seiten ----------------------- Als ich die Augen öffne, bin ich erst einmal verwirrt. Im ersten Augenblick weiß ich nicht wo ich mich befinde und ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass ich nicht alleine bin. Kaiba liegt neben mir, hat seinen schmalen Arm um mich geschlungen und mein Kopf ruht mehr oder weniger auf seiner Brust. Ich schlucke unwillkürlich und als sein warmer Atem meine Wange streift, weiß ich, dass es kein Traum ist. Kaiba liegt tatsächlich neben mir und hat mich auch noch im Arm. Ich rücke vorsichtig ein Stück von ihm ab. Der Brünette schläft noch und ich mustere fasziniert sein Gesicht. Er sieht so unglaublich friedlich aus. Fast sanft. Seine Atmung geht gleichmäßig und alle Härte ist aus seinen Zügen verschwunden. Ein paar dunkle Strähnen fallen ihm ins Gesicht und ich schätze, dafür bin ich verantwortlich. Unwillkürlich muss ich lächeln. Wer hätte gedacht, dass es einmal so kommen würde? Dass ich neben dem großen Seto Kaiba aufwache, nachdem ich die Nacht mit ihm verbracht habe? Oh Mann... Ich spüre wie meine Wangen zu brennen beginnen. Ich habe tatsächlich die Nacht mit Kaiba verbracht. Die Erkenntnis würde mich umhauen, wenn ich jetzt nicht liegen würde. Gut, wir haben nichts gemacht. Also, wir hatten keinen Sex, aber rumgemacht haben wir schon und dann sind wir friedlich zusammen eingeschlafen. Ich fühle förmlich das Grinsen, dass nun in meinem Gesicht erscheint. Kaiba und ich in Verbindung mit "rummachen" und "friedlich" müsste im Allgemeinen als absurd anmuten, aber es war alles andere als lächerlich. Im Gegenteil. Nichts an dem gestrigen Abend oder der Nacht war lächerlich. Ok, anfangs haben wir uns etwas angestellt, aber in Anbetracht der Umstände ist das wohl auch verständlich. Doch letztlich haben wir uns eingespielt und das mit dem Küssen klappt mehr als gut. Bei genauerer Betrachtung kriege ich nicht genug davon und es ist seltsam, aber zum ersten Mal macht mich allein schon ein Kuss schier verrückt, was auch der Grund dafür war, dass ich meine Hände nicht von ihm lassen konnte. Ihm schien es ähnlich zu gehen und naja, ich hätte nicht gedacht, dass er so... leidenschaftlich sein könnte. In meinen Augen war er stets ein Eisklotz, eine Gefriertruhe auf zwei Beinen. Oh, ich hatte ein wunderbares Repertoire an Bezeichnungen dieser Art für ihn, je nach Kältestufe. Und nun muss ich erkennen, dass er alles andere als kalt ist. Augenblicklich ist er sogar sehr warm. Ich höre sogar seinen Herzschlag. Fasziniert lausche ich dem Schlagen eines Organs, dessen Vorhandensein ich selbst lange Zeit angezweifelt habe. Ich fühle mich fast schon ertappt als er plötzlich die Augen öffnet und diese funkelnden Saphiere sich auf mich richten. Ich schlucke unwillkürlich und sehe, dass auch er einen Moment braucht, um die Situation zu analysieren. "Hey." sage ich leise. "Guten Morgen." erwidert er und ich grinse ihn wohl ziemlich dämlich an. Im Gegensatz zu mir hat er seine Verlegenheit wohl im Griff, aber Kaiba ist ja auch eine Ausgeburt an Selbstkontrolle. Wahrscheinlich hat er sich inzwischen mit der neuen Situation arrangiert und sich der Lage angepasst. Einen Moment sehen wir uns schweigend an und ich habe auch keine Ahnung was ich sagen soll. Das Ganze ist so... Gott, wer hätte je gedacht, dass es einmal zu dieser Situation kommen würde? Ich senke verlegen den Blick und nehme gerade noch wahr, dass er leicht schmunzelt. Dann spricht er meinen Gedanken laut aus. "Ich hätte es nie für möglich gehalten, einmal neben dir aufzuwachen." bemerkt er und ich sehe ihn wieder an. "Ich hätte mir das auch nie träumen lassen." entgegne ich und wir grinsen uns an. Naja, ich grinse, er lächelt leicht. Und schon wieder schlägt mir das Herz bis zum Hals. Allerdings macht sich auch noch etwas anderes sehr deutlich bemerkbar. Ich schlucke verlegen und hoffe insgeheim, dass ihm dieser Umstand entgeht. Ich glaube, momentan sind wir beide noch nicht so weit über diesen Punkt unserer...Beziehung? zu reden. Gestern Abend konnten wir es jedenfalls nicht. Wir haben uns nur geküsst, wieder und wieder, bis er dann meinte, es wäre wohl Zeit ins Bett zu gehen, da er ja morgen viel vor hätte. Ich brachte ihn dann zu seinem Gästezimmer und war etwas unschlüssig was ich tun sollte. Ein Teil von mir wollte bei ihm bleiben, nicht um noch einen Schritt weiter zu gehen, nein, daran habe ich in dem Moment absolut nicht gedacht. Naja, nicht wirklich. Nur ein wenig. Ich hatte seine Nähe einfach so genossen und ich wollte mehr davon. Mehr von dem Kaiba, der so anders war als ich ihn kannte. Der Kaiba, den Mokuba so sehr liebte. Er löste mein Dilemma schließlich, wobei ich glaube, dass es ihm ähnlich ging. Er war genauso unschlüssig und auch unsicher, aber wieder einmal gelang es ihm wesentlich einfacher das zu überspielen. "Wenn du nicht zu viel zappelst, dann kannst du gerne bei mir schlafen." meinte er und seine Worte überraschten uns beide. Ich konnte ihm deutlich ansehen, dass er erstaunt darüber war so ein Angebot auszusprechen und vielleicht wollte er es auch im nächsten Moment schon zurücknehmen, aber das hätte ja bedeutet, dass Kaiba ein Fehler gemacht hätte und ein Kaiba macht keine Fehler. Ich grinste ihn erleichtert und unsicher zugleich an und erwiderte nur: "Keine Sorge, ich schaffe es schon mich zu beherrschen." Er nickte und ging auch dann schon zur Routine über. Langsam begann er sich auszuziehen und sich seinen Pyjama überzustreifen und ich beobachtete ihn dabei so fasziniert, dass er mich fragend ansah. "Ähm... also... dich bei so was normalem zu sehen..." versuchte ich meine Reaktion zu erklären und seine Brauen zogen sich zusammen. "Naja, schon klar, dass du einen Pyjama hast und auch schlafen gehst, aber... " Ich zuckte mit den Schultern und hatte einen Augenblick Angst, dass er sauer werden würde. Aber stattdessen wies er mich nur darauf hin, dass ich es ihm vielleicht besser gleich täte, anstatt ihn weiter nur starr zu beobachten. Mit hochrotem Kopf verschwand ich in mein Zimmer und beeilte mich ihm Folge zu leisten. Auch so eine Premiere. Ich, Joey Wheeler, komme freiwillig und unverzüglich seiner Aufforderung nach. Natürlich musste ich auf dem Flur dann auch noch meinem Dad begegnen. Und natürlich genau in dem Moment in dem ich in Kaiba´s Zimmer gehen wollte. Die Situation war eindeutig, aber Jack grinste nur leicht, sagte jedoch nichts. Zum Glück. Ich glaube, sonst hätte ich noch gekniffen. Mir war ohnehin etwas mulmig zumute. Ich meine, während ich mich umzog, kam mir plötzlich der Gedanke, dass Kaiba gewisse Erwartungen haben könnte. Gut, bislang war er genauso unsicher gewesen wie ich, aber das eine schloss das andere ja nicht aus und natürlich musste ich wieder daran denken, was Lucy mir für den Fall prophezeit hatte. "Geht es dir nicht gut?" wollte er wissen als ich zurück in sein Zimmer trat. Ok, mir war sicher deutlich anzusehen, dass ich zwischen Panik, Hysterie und Verlegenheit hin- und hergerissen war. Verständlich, oder? Bei Kaiba weiß man schließlich nie. Es wäre immerhin möglich gewesen, dass er sich innerhalb kürzester Zeit auf alles vorbereitet hätte. Der Kerl ist schließlich ein Genie. Aber dann fiel mir auf, dass er genauso unsicher war als es darum ging, wirklich ins Bett zu steigen. Wieder standen wir wie zwei ziemliche Idioten da bis er sich schließlich hinlegte und ich es ihm gleich tat. Die ersten zehn Minuten lagen wir recht steif nacheinander. Ich spielte mit dem Gedanken, mich an ihn zu kuscheln, verwarf ihn aber sofort wieder und schüttelte wohl auch energisch den Kopf. "Was ist los, Whe-Joey?" wollte er wissen und so ertappt wie ich mich in dem Moment fühlte, konnte ich nichts anderes tun als ehrlich zu antworten. Also habe ich ihm erzählt, welchen Gedanken ich hatte und dass dieser doch echt mal absurd sei, weil er und ich und kuscheln... Er nickte ernst und schien tatsächlich darüber nachzudenken. Eine Weile herrschte Schweigen und ich fing schon an auf meiner Unterlippe herumzukauen als er endlich etwas erwiderte. "Ich denke, wir sollten es einfach tun." hörte ich ihn sagen und hielt die Luft an. Ich glaube, ich starrte ihn auch recht entsetzt an und er brauchte wohl einen Moment, um zu begreifen, dass ich ihn vollkommen missverstanden hatte. Ein paar Sekunden wurde er richtig rot und räusperte sich. "Ich meinte, dieses..." fing er sichtlich verlegen an, brach dann aber ab und begann den Satz neu und anders: "Wir können ja aneinander rücken ohne der Sache einen Namen zu geben." Wieder war ich perplex, dann aber musste ich grinsen. So gesehen hatte er Recht. Solange man es nicht benannte und es einfach tat... Also rückte ich näher an ihn und schlang recht unbeholfen meinen Arm um seinen Oberkörper. Einen Moment spürte ich deutlich, dass er sich verkrampfte, doch im nächsten Augenblick schien er sich auch wieder zu entspannen. Gut, mir ging es ähnlich. Ich war auch etwas verkrampft und es dauerte bis ich mich daran gewöhnte. Dann aber war es... schön. Ja, sogar sehr schön und als er gleichfalls zaghaft seinen Arm, um mich legte, war das sogar ein verdammt gutes Gefühl. Nur für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich daran, dass Tristan diesen Anblick wohl nicht überleben würde und einige meiner Damenbekanntschaften wohl arg überrascht wären. Aber dann fühlte ich nur noch und irgendwann hauchte ich ihm einen Kuss auf die Wange. Eine spontane Eingebung, der ich folgen musste. Es ging gar nicht anders und es fühlte sich auch irgendwie richtig an. "Ich schätze, wir werden das Ganze langsam angehen müssen." sagte ich schließlich leise und spürte wie er nickte. Und so schliefen wir, mehr oder weniger ein. Ich kaue schon wieder auf meiner Unterlippe und mein Blut sammelt sich mehr und mehr in meiner Körpermitte. Ihn anzusehen ist schlichtweg unmöglich. Ich versuche es gar nicht erst. Als sein Schenkel zufällig besagte Stelle streift, keuche ich leicht auf und schlucke im nächsten Augenblick auch schon. Als würde es etwas ändern, kneife ich die Augen zu und schicke ein Stoßgebet gen Himmel. "Entspann dich, Joey." höre ich ihn da auch schon sagen und schlucke erneut. Sein Tonfall ist vollkommen ruhig und nüchtern, aber bei weitem nicht mehr so kühl, wie ich es gewohnt bin. Vorsichtig sehe ich ihn an und er lächelt. "Du bist wirklich niedlich, Hündchen." sagt er und seine Hand streift meine Wange. Unnötig zu erwähnen, dass mein Kopf scheinbar schon wieder in Flammen steht. Ehe ich weiß was ich erwidern soll, nimmt er auch schon meine Hand und im nächsten Augenblick spüre ich seine harte Erregung. Im ersten Moment will ich reflexartig meine Hand zurückziehen, aber Kaiba sieht mich so durchdringend an, dass ich es nicht zu tun vermag. Ich ziehe scharf die Luft ein während mich zwei funkelnde, dunkle Saphiere weiterhin fixieren. Erst jetzt registriere ich, dass auch seine Wangen gerötet sind. "Wir gehen das langsam an, Joey, ok? Denk nicht, dass ich nicht wollen würde, aber..." Er atmet tief durch und ich spüre förmlich wieviel Kraft es ihn kostet. Ich nicke. "Ich verstehe schon." unterbreche ich ihn. "Und du hast Recht." Er sieht mich dankbar an und lässt meine Hand auch wieder langsam los. Ich seufze leicht und küsse ihn. Er erwidert den Kuss sofort und wie immer verschlägt es mir den Atem. Sofort fängt jede Faser meines Körpers an zu prickeln - noch schlimmer als zuvor. "Wir sollten aufstehen." presst er hervor als ich meine Lippen von seinen löse. Wieder nicke ich und löse mich von genauso widerwillig von ihm wie er sich von mir. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit dusche ich an diesem Morgen kalt und schüttele lachend den Kopf. Oh Mann, erregt von Kaiba. Das würde mir keiner meiner alten Freunde glauben, oder? Gott, darüber darf ich gar nicht nachdenken. Yugi würde sicher in Ohnmacht fallen und Tris... Bei der Vorstellung fange ich schon wieder an zu lachen. Als ich endlich fertig bin und angezogen, aber noch mit nassen Haaren in die Küche gehe, ist Kaiba bereits dort und nichts an ihm erinnert daran, dass er eben noch neben mir gelegen hat. Er ist perfekt angezogen, seine Frisur sitzt und seine Züge wirken wieder verschlossen. "Guten Morgen, Master Joey." begrüßt mich Roland und ich grinse ihn an. "Kaffee?" fragt mein Vater und mir entgeht keineswegs sein amüsierter Blick. Ich nicke und lasse mich auf einem der Stühle nieder. Jack schenkt mir eine Tasse ein und meint dann an die Runde gewandt: "Wie genau werdet ihr jetzt weiter vorgehen?" Doch bevor einer von uns zu antworten vermag, klingelt Kaiba´s Handy. Er entschuldigt sich, steht auf und nimmt das Gespräch im Nebenzimmer entgegen. Ich frage mich insgeheim, wer ihn um diese Zeit wohl anrufen würde. Ich tippe auf Bakura. Der Weißhaarige will sicher noch ein paar Details für den heutigen Tagesablauf klären. "Ich schätze, ich muss auch weiterhin in der Firma auf dich verzichten." stellt mein Vater fest. Ich überlege kurz. "Naja, eigentlich kann ich mich schon wieder der Arbeit widmen. Was soll ich auch sonst tun? Augenblicklich vermag ich ja nicht groß etwas auszurichten." entgegne ich und Jack nickt. "Wie du möchtest. Ich habe dich natürlich gerne an meiner Seite, aber wichtiger ist mir, dass du das College nicht vernachlässigt. Zudem stehen aktuell keine wichtigen Termine für dich an." meint er und in dem Moment fallen mir wieder meine Prüfungen ein. Fuck, die hatte ich ganz vergessen. Jack scheint mir deutlich anzusehen, was ich denke und lächelt. "Ich weiß, dass du mit dem Kopf zur Zeit wo anders bist, Joey, aber vergiss darüber nicht die anderen wichtigen Dinge." erklärt er ruhig. "Aber du hast ja noch etwas Zeit und so wie ich dich kenne, hast du den Stoff auch längst drauf. Guck aber trotzdem bei Gelegenheit noch einmal in deine Bücher." Ich nicke. "Keine Sorge, das werde ich." versichere ich ihm und mein Vater zwinkert mir zu. Ich senke schnell den Blick bevor ich wieder rot werde. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass sogar Roland längst weiß was los ist, aber natürlich lässt er sich nichts davon anmerken. Als Kaiba zurück kommt, sehe ich ihm direkt an, dass etwas passiert sein muss. Ich muss allerdings nicht erst fragen, er redet von selbst. Sein Tonfall ist sachlich wie immer, aber ich merke ihm deutlich an, dass er beunruhigt ist. "Das war Odion." erklärt er. "Marik ist verschwunden." "Was?" frage ich erstaunt. "Aber..." Kaiba seufzt und lässt sich auf seinem Platz nieder. "Odion wollte nach unserem Gespräch gestern nach Marik sehen, hat ihn aber nicht mehr gefunden. Auch auf dem Handy ist er nicht zu erreichen und das Haus, dass Marik observieren wollte, gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Odion ist sich sicher, dass da etwas nicht stimmt. Er geht davon aus, dass man Marik erwischt hat." erzählt Kaiba weiter. "Und was machen wir jetzt?" will ich wissen. Kaiba zögert. "Ich habe Odion gesagt, dass er erst einmal Ruhe bewahren soll. Wenn er jetzt alleine losstürmt, läuft er Gefahr auch noch zu verschwinden." erklärt Kaiba schließlich und ich nicke. In der Hinsicht hat er Recht. Odion würde sicher nur zu gerne das Haus stürmen, aber die Gefahr ist einfach zu groß. Allerdings habe ich keine Ahnung, was wir sonst gerade tun können. In Kaiba´s Kopf ist es bereits am arbeiten. Ich sehe es ihm deutlich an und spüre auch, dass er sich wieder verkrampft. "Denkst du, Mokuba ist dort?" frage ich vorsichtig, aber es ist mein Vater, der mir die Frage beantwortet. "Ich würde auf ja tippen. Warum sonst sollte man den Jungen verschwinden lassen? Doch nur, weil er etwas entdeckt hat." meint Jack und Kaiba nickt. "Ja, ich denke genauso verhält es sich." Roland räuspert sich. "Dann sollten wir einen Flug nach Ägypten buchen." bemerkt er pragmatisch wie immer. Erneut zögert der ehemalige Firmenchef. "Ich kann das Notwendige direkt veranlassen, Sir." fährt Roland fort und ich sehe Kaiba an, dass er hin- und hergerissen ist. "Das Verhör von Siegfried könnte noch warten." mische ich mich ein. "Du müsstest auch nicht unbedingt dabei sein. Bakura würde das sicher auch gut alleine hinbekommen." Kaum habe ich den Satz beendet, fällt mir auf, wie dumm der Gedanke ist. Gut, Bakura könnte Siegfried alleine verhören, der rosane Fuzzi würde es vielleicht nicht überleben, aber naja, doch dem Dieb kann man schließlich nicht trauen. Schlagartig begreife ich Kaiba´s Dilemma. Er vermutet Mokuba in Ägypten und würde nur zu gerne losstürmen, anderseits will er auch in Erfahrung bringen, was hinter der Sache steckt. Doch er kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein und es fällt ihm schwer das eine aufgrund des anderen aufzuschieben. "Ich habe Odion versprochen, dass ich ihm helfe, Marik zu finden. Immerhin ist er indirekt meinetwegen verschwunden." höre ich den Eisklotz sagen und ich nicke. Die Tatsache, dass die Ägypter ihm einfach so geholfen haben, gaben ihm gestern Abend schon zu denken, nun sieht er sich veranlasst es ihnen gleich zu tun. Das heißt, auch deshalb würde er lieber nach Ägypten fliegen. Ich denke einen Moment nach, dann kommt mir eine Idee. "Roland hat doch schon vorgeschlagen Team´s zu bilden." sage ich und werfe dem Assistenten einen kurzen Blick zu. Roland nickt. "Also machen wir es doch so. Ein Team fliegt nach Deutschland und kümmert sich um Siegfried, das andere geht nach Ägypten und befreit Marik und möglicherweise Mokuba. So können wir beides erledigen ohne weitere Zeit zu verlieren." Mein Vater nickt. "Das wäre wohl das vernünftigste und dann ist es auch egal wo der Kleine gefangen gehalten wird. Es würde euch so oder so gelingen ihn zu befreien." stimmt er meinem Vorschlag zu. Aber es ist natürlich Kaiba, der die Entscheidung zu treffen hat. Er scheint über meine Idee nachzudenken, aber so ganz mag sie ihm nicht behagen. "Und welche Team´s stellst du dir vor?" fragt er mich. Einen Moment bin ich vollkommen verdattert. Kaiba fragt mich um Rat? Wow. Naja, Rat ist das falsche Wort, aber immerhin will er meine Gedanken wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Roland und du könntet nach Ägypten fliegen." sage ich schließlich und Kaiba lächelt. "Das hieße Alister und Bakura gehen nach Deutschland." Er seufzt. "Das Problem ist, dass du Bakura nicht vertraust." stelle ich unnötigerweise fest. "Gut, dann geht Roland mit Bakura und Alister..." Ich breche ab und rekapitulieren meine Gedanken noch einmal. Ich vermute, dass Kaiba Alister auch nicht unbedingt über den Weg traut. Folglich wäre er in Ägypten auch mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Odion ist zwar vor Ort, aber... Ich räuspere mich. "Wie wäre es, wenn ich mit Bakura nach Deutschland fliege?" schlage ich vor und alle drei sehen mich erstaunt an. Ich werfe meinem Vater einen raschen Blick zu. "Keine Sorge, ich vergesse die Prüfungen nicht." versichere ich ihm erneut, aber er scheint auch keine wirklichen Bedenken zu haben. Zu meiner Überraschung nickt er sogar zustimmend. "Das wäre vermutlich sogar die geschickteste Lösung. Wenn man diesem Bakura nicht trauen kann, kannst du ihn in Schach halten." erwidert mein Dad und sein Blick wandert zu Kaiba. "Dir vertraut Seto ja." Es ist eine simple Feststellung, aber im Grunde ist es eine getarnte Frage und das weiß jeder am Tisch. Kaiba sieht mich an und für einen Moment fixieren mich seine blauen Augen. Dann nickt er langsam. "Ja, ich schätze, du könntest Bakura in Schach halten, Joey." meint er ruhig und mein Herz macht einen Sprung. Ok, er spricht nicht eindeutig aus, dass er mir vertraut, aber ich sehe es ihm an und ich weiß nur zu gut, was das zu bedeuten hat. Kaiba vertraut mir und das obwohl es bislang nur zwei Menschen gab, denen er vertraut hat. Er nickt erneut. "Ja, so werden wir es machen." erklärt er entschieden. "Dann kann ich wenigstens sicher sein, dass der Dieb keinen Unsinn macht. Veranlassen sie das Nötige, Roland." Der Assistent nickt und ist im nächsten Moment auch schon auf den Beinen. Kaiba sieht mich erneut an. "Und es macht dir keine Umstände?" will er wissen. Ich schüttele den Kopf. "Hey, ich hab schon lange kein Abenteuer mehr erlebt." grinse ich ihn an. Mein Vater mustert mich amüsiert, sagt jedoch nichts. "Das mit Dartz liegt ja schon eine Weile zurück..." spinne ich den Gedanken weiter und Kaiba´s Mundwinkel beginnen zu zucken. "Gut, dann wäre das ja geklärt." befindet er und ich habe fast den Eindruck, dass er erleichtert ist. Er wirft mir noch einen kurzen Blick zu, dann erhebt er sich erneut. "Ich gebe Bakura Bescheid. Er soll mit Alister herkommen." Ich nicke und er verlässt den Raum. Jack lächelt mich an. "Ähm..." setze ich an und überlege, wie ich ihm meine Idee am Besten erklären soll, aber das scheint nicht einmal nötig. "Scheint als würden sich die Dinge trotz der ganzen Schwierigkeiten ganz gut entwickeln." stellt mein Vater fest und ich spüre, dass ich schon wieder rot werde. Ich habe keine Ahnung was ich darauf erwidern soll. "Ich kann gut verstehen, warum dir so viel an ihm liegt." fährt Jack allerdings auch schon fort. "Er ist ein schwieriger Charakter, aber auch ein ungewöhnlich starker." Ich nicke mit brennenden Wangen. "Ich hätte nie gedacht, dass er und ich..." setze ich an und schüttele dann unsicher den Kopf. Jack zuckt mit den Schultern. "Meiner Erfahrung nach, sind die Dinge, die man nie für möglich gehalten hätte, oftmals die Besten." meint er mit einem leichten Lächeln. "Ich hätte nie für möglich gehalten, einmal einen Sohn zu haben und jetzt habe ich Dich." Er hält einen Moment inne und sieht mich liebevoll an. "Und was Seto anbelangt... die Menschen, die man vielleicht nur sehr schwer lieben kann, sind für gewöhnlich diejenigen, die es am dringensten brauchen. Verstehst du was ich meine, Joey? Ich bin überzeugt davon, dass du ihm gut tust und auch er tut dir gut. In den letzten Monaten hast du dich nur noch um die Arbeit und das College gekümmert, aber seit er wieder in dein Leben getreten ist... Manchmal haben auch die dunkelsten Stunden etwas gutes." Ich lächele ihn dankbar an. "Versprich mir nur, dass du auf dich aufpassen wirst. Wenn Seto diesem Bakura nicht traut, dann halt die Augen offen." Ich nicke. "Mit Bakura komme ich schon klar." entgegne ich ruhig. "Ich hab dem Dieb noch nie über den Weg getraut." Jack nickt. "Dann bin ich mal gespannt auf diesen jungen Mann... Du hast ja bereits einiges über ihn erzählt." erwidert er und ich grinse. Kapitel 48: Die Offensive beginnt --------------------------------- "Ich werde darüber nicht diskutieren!" teile ich dem Weißhaarigen entschieden mit. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht mich herausfordernd an. Ich wusste, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn ich ihn gemeinsam mit Wheeler losschicke, aber das kümmert mich nicht weiter. Die Idee ist mehr als gut und Joey hat Recht. So habe ich den Dieb einigermaßen unter Kontrolle. "Roland hat bereits alles notwendige veranlasst. Euer Flieger geht in zwei Stunden und entweder tust du was ich sage oder..." Ich beende den Satz nicht, aber ich gehe davon aus, dass Bakura mich auch so versteht. Einen Augenblick scheint er zu überlegen. Sein Blick wandert kurz abschätzend zu Wheeler, der vollkommen ruhig neben mir steht und ich sehe wie es in Bakura´s Augen aufleuchtet. Dann wendet er sich wieder mir zu, doch es ist Alister, der als Nächster das Wort ergreift. "Im Grunde ist doch nur wichtig, dass wir Mokuba und Marik befreien und herausfinden was gespielt wird." bemerkt der Rothaarige diplomatisch und wirft Bakura einen besänftigenden Blick zu. Der Dieb verzieht verächtlich den Mund, entgegnet jedoch nichts. Einen Moment behält er noch seine feindselige Haltung, dann zuckt er mit den Schultern. "Ok, aber ich sag´s dir gleich, wenn du mir ins Handwerk fuschen solltest, Wheeler..." Joey fällt ihm sofort ins Wort. "Cool down, Bakura. Du bist der Leiter der Mission und wie du die Informationen aus Siegfried rauskitzelst ist mir herzlichst egal." meint der Blondschopf gelassen und ich nicke. So haben Wheeler und ich die Sache im Vorfeld abgesprochen. Der Dieb wird die Mission anführen. Er weiß auch am Besten, wie man in einer solchen Situation vorgeht, immerhin werden die Drei nicht einfach in Siegfried´s Residenz hineinspazieren können. Wheeler wird als stiller Beobachter fungieren und ich überlasse es vollkommen Bakura´s Ermessen Siegfried zu verhören. Wheeler war einen Moment irritiert als ich ihm diesen Gedankengang unterbreitet habe, aber er verstand schnell, warum ich mich für diese Strategie entschieden habe. Bakura ist kein Typ, der unter einem anderen arbeitet. Solange der Dieb das Gefühl hat, Herr der Lage zu sein, wird das sein Ego beruhigen. Alles andere hätte nur zu unnötigen Konflikten geführt. "Und du gehst davon aus, dass dein Bruder eher in Ägypten ist?" will Alister wissen. Ich nicke. "Augenblicklich ja." gebe ich zu. Der Rothaarige nickt. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und wende mich dann an Roland. "Haben sie alle Vorkehrungen getroffen?" frage ich und mein Assistent nickt. "Ja, Sir." erwidert er. "Ich habe auch bereits die Ishtar´s von unserem Kommen in Kenntnis gesetzt." Ich nicke. "Gut. Dann wäre alles geklärt." befinde ich und auch wenn die Atmosphäre im Raum alles andere als friedlich ist, sagt keiner etwas. Ich weiß, dass Joey nicht unbedingt scharf darauf ist, Zeit mit Bakura zu verbringen und dass der Dieb auch nicht gerade ein Freund des Hündchens ist, ist mir ebenso bewusst. Aber ich vertraue in der Hinsicht auf Wheeler. Sein Vater hatte Recht. Ich vertraue ihm tatsächlich. Jedenfalls weitaus mehr als Bakura, was dem Weißhaarigen jetzt natürlich bewusst ist. "Wir werden in etwa einer halben Stunde alle aufbrechen. Mein Flieger geht fast zeitgleich mit eurem." erkläre ich weiter und Joey nickt. "Ich habe Raphael Bescheid gegeben, er wird uns am Flughafen abholen." mischt sich Alister ein und ich nicke dem Rothaarigen zu. Der Kleine mag ein unauffälliger Typ sein, aber zumindest weiß er wie man pragmatisch vorgeht und vielleicht ist es auch von Nutzen ihn als neutralen Punkt an der Seite von Wheeler und Bakura zu wissen. Bakura wirft mir einen kurzen Blick zu. "Bei Siegfried habe ich also freie Hand?" hakt er mit einem süffisanten Grinsen nach. Ich zucke mit den Schultern. "Tu wie dir beliebt, aber besorg mir die Informationen, die ich will." erkläre ich ungerührt und die Laune des Diebes scheint sich wieder etwas zu verbessern. Als wir uns eine halbe Stunde später gemeinsam auf den Weg zum Flughafen machen, scheint er sogar wieder relativ vergnügt. Mir entgeht zwar keineswegs, dass er sowohl mir aus auch Wheeler ab und an forschende Seitenblicke zu wirft und ich kann mir denken, was in seinem Kopf vorgeht, doch ich ignoriere seine fragenden Blicke geflissentlich. Soll er ruhig denken was er will. Es kümmert mich nicht und was zwischen Wheeler und mir ist geht ihn nichts an. Am Flughafen kümmern sich Roland und Alister um die Tickets und ich nehme mir Wheeler kurz zur Seite. Bakura bleibt betont desinteressiert etwas abseits stehen, doch ich behalte ihn weiterhin im Auge. "Ich bin nicht sicher was euch erwartet." erkläre ich Joey ruhig. "Siegfried ist nicht dumm. Er wird seine Rolle bei dieser Angelegenheit nicht so einfach Preis geben." Joey nickt. "Bakura wird schon wissen was zu tun ist." fahre ich fort. "Pass auf, dass er keine unnötigen Risiken eingeht. Ich denke, auf Alister wirst du dich mehr oder weniger verlassen können, auch wenn er Bakura gegenüber loyal ist." Wheeler nickt erneut. "Keine Sorge, ich bin im Bilde." erwidert er und lächelt mich an. "Pass du lieber auf, dass du nicht auch noch verschwindest." Er zwinkert mir kurz zu und ich muss unwillkürlich wieder an heute Morgen denken als ich neben dem Hündchen wach geworden bin. Noch immer erscheint es mir surreal. Wheeler und ich. Das ausgerechnet er die erste Person sein würde, mit der ich je eine ganze Nacht verbringen würde... Bei keinem anderen Menschen habe ich dergleichen je geduldet. Gleichgültig mit wem ich mich vergnügt habe, ich tat es nie zuhause. Allerdings hatte ich auch noch nie das Bedürfnis neben jemandem einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Aber bei ihm... Obgleich mein Angebot gestern Abend mich selbst vielleicht noch mehr überrascht hat als ihn, erschien es mir richtig und auch wenn es mir nach wie vor befremdlich erscheint, dass ausgerechnet dieser blonde Chaot mir mehr bedeutet als jeder andere Mensch neben Mokuba, habe ich tief in meinem Innern das Gefühl, dass es seine Richtigkeit hat, fast als müsse es genauso sein. Gleichgültig wie sehr ich darüber nachdenke oder welche Mühe ich mir gebe, diesen Umstand zu begreifen, ich komme zu keinem logischen Schluss. Vermutlich gibt es auch keinerlei Logik bei dieser Sache. Doch zwischen dem Hündchen und mir war nie etwas logisch. Ich betrachte ihn einen Moment nachdenklich und seine warmen, braunen Augen leuchten mich liebevoll an. Ein Blick, den ich nur von Mokuba kenne. Niemand sonst hat mich je auf diese Weise angesehen und ich spüre, wie sich wieder diese Wärme in mir ausbreitet. Wie immer steht ich diesem Gefühl unsicher und irritiert gegenüber. Ich kenne es nicht. Bislang vermochte lediglich Mokuba dergleichen in mir auszulösen und doch verhält es sich auch bei ihm anderes. Die Gefühle ähneln einander, aber sie sind nicht gleich. "Mach dir keine Sorgen, Hündchen." sage ich leise und werde mir schlagartig bewusst, dass ich inzwischen tatsächlich anders mit ihm rede. Meine Stimme klingt anders. Er grinst. "Dito, Eisklötzchen." Ich verdrehe leicht die Augen. "Kein Diminutiv, wenn ich bitten darf!" entgegne ich und er lacht. Ich bin sicher, dass er auch in Zukunft nicht davon absehen wird. Für einen kurzen Augenblick sehen wir uns schweigend an. Dann tritt Roland zu uns. "Sir, wir sollten langsam zu unserem Gate gehen." erklärt mir mein Assistent und ich nicke. Alister reicht Wheeler eines der Tickets. Ich werfe Bakura noch einen letzten vielsagenden Blick zu, den er zweifelsohne versteht und nickt auch Wheeler ein letztes Mal zu. Dann wende ich mich um und schreite mit Roland in Richtung Sicherheitskontrolle. Roland erläutert mir kurz und präzise, dass Odion Ishtar uns am Flughafen abholen wird und bis dahin von weiteren Unternehmungen in Bezug auf Marik und Mokuba absieht, wie ich es gewünscht habe. Während des Fluges schaffe ich es tatsächlich ein wenig zu schlafen. Als ich wieder zu mir komme, bemerke ich, dass auch mein Assistent eingenickt ist und betrachte für einen Moment lächelnd die entspannten Züge und die dunkle Sonnenbrille hinter der Roland gewohnheitsgemäß seine Augen verbirgt. Dann wende ich mich meinem Laptop zu und informiere mich eher beiläufig und ohne wirkliches Interesse über Ägypten. Meine Gedanken wandern derweil zurück zu den Erlebnissen vor ein paar Jahren als ich zum ersten Mal auf Ishizu Ishtar traf und ihr verrückter Bruder mein Tunier mehr oder weniger zu einer Farce machte. Mit einmal Mal erscheint mir das alles unendlich lange her und doch seltsam präsent. Ich erinnere mich an das Duell gegen Muto, das eigentlich der krönende Abschluss meines Tuniers darstellen sollte und nur eine weitere Niederlage gegen den Zwerg markierte. Schlagartig sehe ich den Zwerg mit den riesigen Kulleraugen vor mir, höre fast schon wieder seine Stimme, die unablässig auf mich einredet und seufze. Erneut beschleicht mich der Gedanke, dass dieser Wicht mit der einen oder anderen Äußerung über mich gar nicht so Unrecht hatte. Vielleicht hätten sich die Dinge tatsächlich anders entwickelt, wenn ich das schon eher begriffen hätte. Ich weiß es nicht. Es ist auch müßig darüber nachzudenken. Wheeler hat Recht. Es ist nie zu spät, die Perspektiven zu ändern und augenblicklich sehe ich mich mehr oder weniger dazu gezwungen sie zu ändern. Abgesehen von der Tatsache, dass ich meine Meinung über den Köter revidieren musste, sehe ich mich auch mehr und mehr veranlasst, meine gesamte Haltung dem Kindergarten gegenüber zu überdenken. Ohne jedes Zögern hat Muto mir seine Hilfe gewährt. Er hat nicht einmal eine Gegenleistung gefordert und sprach mit mir, wie mit einem alten Freund. Und Roland meinte, dass auch Gardner nur zu gerne helfen würde. Ich schätze, selbst dieser Taylor wäre dazu bereit. Die Ishtar´s haben mir ihre Hilfe bereits bewiesen. Sogar Bakura... auch wenn er seine eigenen Interessen verfolgt. Keiner von ihnen hatte einen wirklichen Grund, mir zu helfen. Ja, es wäre für jeden Außenstehenden vermutlich sogar verständlich, wenn sie sich an meinem Unglück geweidet hätten, aber nichts davon. Gleichgültig wie kaltschnäuzig mich ihnen in der Vergangenheit gegenüber verhalten habe, in dem Moment als ich sie brauchte, auch wenn ich das nie offen zugeben würde, waren sie alle bereit mir zur Seite zu stehen. Anfangs dachte ich, dass sie es lediglich wegen Mokuba tun. Im waren sie immer alle wohl gesonnen. Aber allmählich begreife ich, dass sie mich tatsächlich stets als einen von ihnen angesehen haben, ob ich nun wollte oder nicht. Mir ist seltsam zumute während ich darüber nachdenke. "Sir? Alles in Ordnung?" höre ich Roland fragen. Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu und mir fällt auf, dass er mich aufmerksam betrachtet. Ich nicke leicht. "Ich denke gerade über mein bisheriges Leben nach." entgegne ich und lache kurz trocken auf. "Es scheint als wäre ich in vielerlei Hinsicht mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen." Roland nickt leicht, sagt jedoch nichts. "Ich werde einiges ändern, Roland, wenn diese Angelegenheit erledigt ist." verkünde ich ernst und habe einen Moment das Gefühl, dass sich seine Züge aufhellen. Als der Flieger endlich zur Landung ansetzt, habe ich das Gefühl, dass mein Körper fast abgestorben ist. Meine Beine sind schwer und es braucht mich einiges an Kraft aufzustehen. Roland scheint es ähnlich zu gehen. Das Auschecken erlebe ich wie ein Außenstehender. Automatisch folgen Roland und ich der Herde aus dem Flieger und steigen in den kleinen Bus, der uns zum Terminal bringt. Da wir kein weiteres Gepäck bei uns führen, wenden wir uns gleich dem Ausgang zu und halten Aussicht nach Odion Ishtar. Natürlich herrscht ein unruhiges Gewimmel am Flughaften, man könnte fast meinen man befände sich auf einem Basar. Die nüchterne Funktionalität des New Yorker Airports fehlt ihr fast gänzlich. "Seto Kaiba." höre ich schließlich eine doch recht vertraute Stimme sagen und wende mich schlagartig um. Vor mir steht Ishizu Ishtar und sieht mich mich ernst an. Ich nicke ihr leicht zu. "Ich hatte mit Odion gerechnet." erkläre ich und sie lächelt leicht. "Odion observiert das Anwesen der Schröders. Wir hielten es für besser, eventuelle Aktivitäten im Augen zu behalten." erwidert die junge Frau und ich nicke. "Folgen sie mir bitte." fordert sie uns dann auch ohne weitere Umschweife auf und wendet uns auch schon den Rücken zu. Wir folgen der anmutig schreitenden jungen Frau ins Freie und sie deutet zu einem kleinen Landrover. Wortlos begeben wir uns zum Wagen und erst nachdem sie den Motor gestartet hat, beginnt sie ein Gespräch. "Die Entführung ihres Bruders tut mir sehr leid. Wir waren alle betroffen als Yugi uns davon erzählt hat." meint sie ohne mich anzusehen. Ich erwidere nichts, verspüre allerdings wieder dieses befremdliche Gefühl. "Odion geht davon aus, dass sowohl Marik als auch Mokuba in besagtem Haus festgehalten werden. Einer der Bettler meinte, dass bislang niemand außer einem Dienstboten das Anwesen verlassen habe." erzählt sie mit dieser seltsam melodischen Stimme, die mir nach wie vor suspekt ist. "Gibt es einen Grund anzunehmen, dass Mokuba dort ist?" will ich wissen. Sie nickt. "Der Bettler meint, er habe gesehen wie ein Kind ins Haus gebracht wurde. DIe Beschreibung trifft auf Mokuba zu." antwortet sie und mein Herz macht einen Sprung. Wenn Mokuba tatsächlich in diesem Haus ist... Ich werfe Roland einen raschen Blick zu. Mein Assistent nickt zustimmend. "Wissen sie schon wie sie vorgehen wollen?" fragt Ishizu. Ich zögere kurz. "Es wird das Beste sein, wenn wir erst bei Dunkelheit zuschlagen." erwidere ich und sie nickt. "Was ist mit den Sicherheitsvorkehrungen?" frage ich weiter. "Sofern Odion es beurteilen kann, verfügt das Haus über eine hochtechnische Alarmanlage. Zudem patrollieren abwechselnd zwei Männer um das Haus. Wie es im Innern aussieht, lässt sich schwer sagen. Bislang ist uns leider nicht gelungen festzustellen, wieviele Personen sich im Haus aufhalten. Allerdings verfügen wir auch nicht über das technische Gerät." erklärt Ishizu weiter und ich nicke. "In der Nähe des Anwesens hat ein Freund der Familie einen Laden, von wo aus sie operieren können." Ich rekapituliere in Gedanken die Situation. Mittels meines Handys müsste es ähnlich wie bei Pegasus Hotelzimmer möglich sein, festzustellen wieviele Personen sich im Haus auf halten. Das Sicherheitssytem dürfte kein wirkliches Problem darstellen. Die Wachen... Ich gehe davon aus, dass sie bewaffnet sind. Mit Sicherheit wird es auch im Innern Wachen geben. Auch wenn ich Schusswaffen nicht wirklich mag, wird es sich nicht vermeiden lassen, welche zu mitzunehmen. Wir sind zwar zu Dritt und Odion ist auch ein kräftiger Kerl, der sich sicher ähnlich wie Roland und ich zu verteidigen weiß, aber wenn jemand mit einer Waffe auf uns losgeht... Nein, hierfür bedarf es weiterer Vorbereitung. Fast als habe die Frau meine Gedanken gelesen meint sie nach kurzem Schweigen: "Der Ladenbesitzer wird ihnen ein paar Waffen zur Verfügung stellen. Allerdings handelt es sich dabei sicher nicht um aktuelles Gerät, aber für diesen Einsatz müsste es reichen." Ich werfe ihr einen anerkennenden Blick zu. "Wie sieht es mit einem Bauplan des Hauses aus?" frage ich und sie wirft mir einen kurzen Seitenblick zu und ich verstehe. Einen richtigen Bauplan wird es nicht geben. Die ägyptischen Behörden sind in der Hinsicht etwas lockerer als es in anderen Ländern der Fall ist. Gut, das erschwert das Vorhaben nur unwesentlich. Völlig in meine Überlegungen versunken, registiere ich erst, dass wir das Ziel erreicht haben als Ishizu den Motor abschaltet. Sie deutet auf eines der kleinen Reihenhäuser. "Das ist der Laden." erklärt sie und steigt aus. Ich tue es ihr gleich und Roland folgt uns mit dem Gepäck. "Ich werde einen der Jungen zu Odion schicken." meint Ishizu und wendet sich auch schon an einen verlumpten kleinen Jungen, der mit zwei anderen auf der Straße spielt. Schnell erteilt sie ihm ihre Anweisung und der Kleine läuft auch schon los während seine Freunde Roland und mich interessiert beäugen. Sie sind etwas jünger als Mokuba und unwillkürlich sehe ich meinen kleinen Bruder wieder vor mir. Ich verspüre einen leichten Stich und erneut beschleicht mich die Hoffnung, dass ich meinen Bruder heute wieder in die Arme nehmen kann. Ishizu bedeutet uns einzutreten und wir folgen ihr in das kleine Haus. Ein älterer Mann sitzt auf einigen Kissen auf dem Boden und sieht uns neugierig an. Ishizu wechselt ein paar Worte mit ihm, dann lächelt er und nickt uns zu. In seiner Landessprache fordert er uns auf, Platz zu nehmen und ich bedanke mich in seiner Sprache. "Möchten sie Tee?" fragt Ishizu und ich nicke. Sofort macht sie sich ans Werk. Roland steht einen Moment unschlüssig da. Ich lasse mich im Schneidersitz auf einem der Kissen nieder und mein Assistent bezieht Posten an der Wand. Ich schmunzele leicht. Im nächsten Augenblick ist die junge Frau auch schon wieder bei uns und stellt ein Tablett mit Teegläsern und einer großen Kanne vor uns ab. Sie schenkt jedem ein Glas ein und lässt sich dann ebenfalls auf die Kissen sinken. "Odion wird gleich da sein. Solang wird einer der Bettler die Wache übernehmen." sagt sie und ich nicke. Ihre nächsten Worte überraschen mich etwas. Sie lächelt mich auf die ihr eigene, merkwürdige Weise an und meint: "Es ist schön, sie wiederzusehen, Seto Kaiba." Für einen Augenblick glaube ich leichte Röte auf ihren Wangen ausmachen zu können, verwerfe den Gedanken jedoch schnell wieder. "Ich hoffe, ihrem Bruder ist nichts passiert." erwidere ich. "Ich danke Ihnen und ihrer Familie für ihre Hilfe." Für den Bruchteil einer Sekunde schenkt sie mir einen undefinierbaren Blick und ich schätze, sie ist ein klein wenig erstaunt über die ungewohnt freundlichen Worte, die aus meinem Mund kommen. Sie lässt es sich jedoch nicht anmerken und geht auch nicht weiter darauf ein. "Yugi hat uns von ihren Schwierigkeiten erzählt." meint sie und ich nicke. "Wir hatten zwar mitbekommen, dass sie ihre Firma verkauft haben, aber die Hintergründe dafür waren uns unbekannt. Ich teile allerdings Yugi´s Meinung. Ich glaube nicht, dass sie in der Lage wären ihren Bruder zu verletzen." Kurz irritieren mich ihre sachlichen Worte und auch dieses neue Gefühl steigt wieder in mir auf. Ich erwidere nichts und nippe an meinem Tee. Es dauert tatsächlich nicht lange bis Odion Ishtar erscheint. Er betritt fast lautlos das Haus und verbeugt sich leicht. Als ich mich erheben will, winkt der Ägypter ab und lässt sich neben mir nieder. "Keiner außer dem Küchenjungen hat das Haus verlassen seit Marik verschwunden ist." kommt er gleich zum Punkt. "Ich konnte nicht ausmachen wieviele Personen tatsächlich im Haus sind. Zwei Wachen sind jedenfalls permanent vor der Tür. Sie werden gegen Abend von zwei anderen abgelöst." Ich nicke. "Wann genau?" Odion braucht nicht lange zu überlegen. "Gegen 20 Uhr." erwidert er. Ich nicke erneut und der Plan in meinem Kopf nimmt langsam Form an. "Ich werde mich wohl in das Sicherheitssystem einhaken müssen." erkläre ich meine Überlegungen laut. "Dafür brauche ich allerdings etwas Zeit. Wie nah komme ich unbemerkt an das Haus heran?" "Ein paar Bettler lehnen an der Mauer, die das Grundstück umgibt. Keiner verscheucht sie. Es sei denn, die Tore werden geöffnet. Dann jagen die Wachen sie davon. Ansonsten beachtet man sie nicht weiter. So hat es Achmed mir erzählt." erklärt Odion und ich lächele den Ägypter an. "Dann muss ich wohl zum Bettler werden." entgegne ich und Roland hüstelt leicht. Kapitel 49: Unerwartete Offenbarung ----------------------------------- Wenn Bakura der Ansicht war, dass mich sein Schweigen oder die Tatsache, dass er mich mehr oder weniger zu ignorieren versuchte irgendwie störte, so ging der Schuss nach hinten los. Je mürrischer der Weißhaarige sich gab, desto lockerer und ungezwungener verhielt ich mich. Alister war schon bei unserem Start deutlich anzusehen, dass ihm die Situation nicht unbedingt gefiel. Kaum hatte Kaiba uns verlassen und wir Drei uns zu unserem Gate begeben, spürte ich förmlich wie dem Rothaarigen immer unbehaglicher zumute wurde. Bakura unterband jeden meiner Versuche über seine Vorgehensweise zu reden in dem er sich in seinen Sitz lümmelte und schlief. Ich setzte mir die Kopfhörer auf, lauschte einige Zeit einem der unzähligen Chillout-Sender und schlief dann auch eine Weile. Etwa eine halbe Stunde vor der Landung kam ich wieder zu mir. Alister saß noch genauso da wie zuvor und Bakura tat so als würde er noch immer schlafen. An seiner Atmung war allerdings deutlich festzumachen, dass er nur so tat. "Raphael erwartet uns also?" fragte ich. Alister nickte nur und es war klar, dass der Rothaarige auch nicht bereit war, mir die weitere Strategie mitzuteilen, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet. Er war Bakura tatsächlich loyal ergeben, auch wenn ich mich insgeheim fragte, wie es zu dieser Kombination je hatte kommen können. Fast schon ein wenig erleichtert begrüße ich Raphael, der in der großen Flughalle auf uns wartet. Der Riese ist kaum zu übersehen und im Gegensatz zu meinen Begleitern scheint er mir auch keineswegs feindselig gesonnen. Er mustert mich kurz und reicht mir dann die Hand. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal wiedersehen." meint der Hüne und ich lächele. "Damit wären wir schon zwei." entgegne ich. Die Begrüßung zwischen Alister und Raphael fällt um einiges herzlicher aus. "Hey Kleiner." Raphael lächelt den schmächtigen Jungen an. Bakura nickt er lediglich zu. Der Weißhaarige scheint allerdings auch keineswegs gewillt sich lange mit Schmalltalk aufzuhalten. "Wo ist der Wagen?" will er wissen. Raphael antwortet im gleichen nüchternen Tonfall. "Auf dem Parkplatz." Der Dieb wirft ihm einen spöttischen Blick zu, setzt sich aber in Bewegung ohne ein weiteres Wort zu verlieren. "Das Anwesen liegt etwas abseits des Stadtkerns. Nobelviertel und als solches auch fürstlich gesichtert." erzählt Raphael während wir zum Wagen gehen. "Siegfried ist im Lande. Zumindest war er es gestern noch." fährt er fort und ich nicke. "Das ist ja schon mal ein gutes Zeichen." sage ich, aber werde von den anderen ignoriert. "Wie sieht es mit Personal aus?" will Bakura wissen. "Zwei Bodyguards, zwei Dienstmädchen und eine Art Butler sind permanent im Haus. Köchin und Küchenhilfe gehen abends nach Hause." antwortet Raphael und ich kann Bakura deutlich ansehen, dass er bereits dabei ist, seine Strategie zu entwerfen. Im Grunde geht er ähnlich vor wie Kaiba. Nur, dass der Weißhaarige bei seinen Überlegungen genüßlich grinst. "Das Sicherheitssystem dürfte kein Problem sein, Ali?" wendet er sich an den Rothaarigen, der ihm ein etwas scheues Lächeln zeigt. "Ich denke nicht." erwidert er und Bakura´s Grinsen wird breiter. "Wir warten bis es dunkel ist." verkündet der Dieb als wir ins Freie treten. Ich nicke und werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist früher Nachmittag. Folglich bleibt uns einiges an Zeit. "Hast du die Besorgungen gemacht, die ich gewünscht habe?" fragt Bakura erneut an Raphael gewandt. "Natürlich. Alles im Kofferraum." antwortet der Größere und ich sehe wie es in den Augen des Diebes aufleuchtet. "Dann schlage ich vor... sehen wir uns die Stadt ein wenig an. Ich wollte schon immer einmal nach Deutschland." verkündet der Dieb sichtlich fröhlich gestimmt und ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. "Wenn du nicht mitkommen willst, Wheeler, du kannst gerne irgendwo einchecken und uns die Sache überlassen." meint er und zwinkert mir zu. Ich quittiere seinen Blick mit einem müden Lächeln. "Und dir den ganzen Spaß überlassen? Nein." erwidere ich. Bakura zuckt mit den Schultern. "Dann auf in´s Getümmel." Alister und ich nehmen auf der Rückbank des kleinen VWs Platz und Bakura lässt sich auf dem Beifahrersitz nieder. "Das Wetter ist ja recht gut hier." befindet er lächelnd. Raphael wirft ihm nur einen kurzen Blick zu und fährt dann los. "Also, was gibt es hier so zu entdecken? Die Deutschen haben doch jede Menge hübscher Bauten, oder?" Eine halbe Stunde checken wir in einem unauffälligen, aber sehr adretten kleinen Hotel ein. Ich miete zwei Zimmer während Bakura und Raphael den Inhalt des Kofferraums begutachten. Beiläufig registiere ich die beiden schwarzen Metallkoffer, welche die Zwei anschließend in eins der Zimmer bringen. Ich kann mir denken was darin sein wird. Wir versammeln uns in einem der Zimmer und Alister klappt fast sofort wieder seinen Laptop auf. Ich sehe Bakura erwartungsvoll an, sage jedoch nichts. Kaiba hat mir nahegelegt mich bedeckt zu halten. Eigentlich hat er mich sogar dazu ermahnt. Im ersten Moment habe ich protestiert. Ich und mich bedeckt halten? Nun gut, ich bin sicher bei weitem nicht mehr so auffällig unterwegs wie früher, aber ich sah keine Veranlassung mich in Bakura´s Gegenwart zurückzuhalten. Doch dann hatte der ehemalige Eisklotz mir seinen Gedankengang erläutert und ich musste ihm widerwillig beipflichten. Bakura ist unberechenbar. Es ist schwer zu sagen, was er als nächstes tun wird, aber es ist offensichtlich, dass er ein Problem mit Autorität hat. Warum er Kaiba gegenüber in der Hinsicht etwas nachsichtig ist, kann ich nur vermuten. Mir gegenüber würde er sich jedenfalls nicht gnädig zeigen und wie heißt es so schön: Der Klügere gibt nach. Das waren auch Kaiba´s Worte und wir beide mussten grinsen. Dass ich in seinen Überlegungen einmal der Klügere sein würde... Nun denn. Die Dinge haben sich eben geändert. Mehr beiläufig beobachte ich wie Bakura mit funkelnden Augen den Inhalt der Koffer begutachtet, der ihn sichtlich zu entzücken scheint. Ein kurzer Blick auf verschiedene Instrumente und ich ahne, dass es keine gute Nacht für den alten Siegfried werden wird. "Ich hab einen Grundriss vom Haus." meint Alister an Bakura gewandt. "Die Sicherheitsfirma ist die Gleiche, welche die ganze Straße benutzt. Die Anforderungen sind eher mittelprächtig. Ich schätze es dauert eine Viertelstunde das System lahm zulegen ohne den Alarm auszulösen." Bakura beäugt genießerisch ein langes Messer mit Sägeblatt. Fast schon zärtlich wandert sein Zeigefinger über die Klinge. "Hm." Nur schwer scheint er seinen Blick von dem Messer lösen zu können. "Was ist mit Hunden? Kameras?" will er dann wissen. Alister grinst. "Die Kameras haben eine eigene Stromversorgung, aber nicht weiter wild. Leichter zu umgehen als bei der Aktion in London." Die Blicke der Beiden treffen sich und auch Bakura grinst. "Na, dann wird es ja nicht allzu lange dauern bis wir den Kerl haben." meint er. Alister nickt. "An ein Nachtsichtgerät hast du gedacht?" fragt Bakura an Raphael gewandt. Der Riese nickt. "Nachtsichtgerät, Taschenlampe, Gummihandschule, Mülltüten, Kabelbinder, Heckenschere... Ich hab alles was auf deiner Liste stand." antwortet der Blonde und ich kann nicht verhindern, dass meine Nackenhaare sich aufstellen. Bakura´s Blick trifft mich und der Weißhaarige lächelt amüsiert. "Im Baumarkt findet man für gewöhnlich das beste Spielzeug." erklärt er mir und ich muss mich bemühen seinem Blick standzuhalten. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. "Ich habe andere Prioritäten was Spielzeug anbelangt als du." entgegne ich und zwinge mich dazu gleichgültig zu klingen. Sein Blick verdüstert sich. "Das glaube ich gerne." erwidert der Dieb und seine Augen verdunkeln sich. Unwillkürlich muss ich wieder an seine Worte denken, nachdem er mich in diesem Lagerhaus losgebunden hatte. Und ich sehe auch wieder seinen Blick vor mir als er mit Kaiba aus dem Badezimmer gekommen ist. Wäre es möglich... ? Könnte es tatsächlich sein...? Einen Moment mustere ich den Weißhaarigen, doch er hat sich bereits wieder seinem Spielzeug zugewandt. "Wann willst du anfangen?" frage ich schließlich. Bakura überlegt nur kurz. "Bis neun haben wir problemlos Zeit." antwortet er mir und ich nicke. Ich hatte mit solch einer Ansage gerechnet. "Zeit genug um die Stadt ein wenig unsicher zu machen." Bakura wirft Alister einen vielsagenden Blick zu und dieser lächelt leicht. "Kommst du mit, Wheeler?" Wieder trifft mich sein herausfordernder Blick. Ich lächele. "Danke, kein Bedarf." winke ich ab und er zuckt mit den Schultern. "Ich werde mich wohl noch kurz hinlegen." erkläre ich und mustere die Drei. Einen Moment überlege ich noch ob es eine gute Idee ist, Bakura wirklich aus den Augen zu lassen, aber zum einen bin ich müde und zum anderen kann ich gut darauf verzichten mit dem Weißhaarigen durch die Stadt zu ziehen. "Ich schlage vor, wir treffen uns um halb neun wieder hier." Zu meiner Überraschung hat der Dieb nichts einzuwenden. Er nickt und ich ziehe mich zurück. In meinem Zimmer schalte ich wieder mein Handy an, doch keine Nachricht erwartet mich. Ob Kaiba bereits in Ägypten angekommen ist? Ich hoffe, dass sein Mission erfolgreich ist. Wenn wir Mokuba zurück gewinnen und gleichzeitig erfahren was hier wirklich gespielt wird, haben wir endlich eine Chance in die Offensive zu gehen. Ich stelle mir eine Alarmzeit ein und lege mich dann auf´s Bett. Es dauert nicht lange und ich beginne langsam wegzudimmen. Kurz hält mich noch die Frage, was Bakura nun treiben könnte, zurück, aber dann überwindet mich die Müdigkeit und ich komme erst wieder zu mir als ich ein heftiges Poltern vernehme. Im ersten Moment weiß ich nicht ob ich es mir einbilde oder es real ist und ich öffne widerwillig die Augen. Dann vernehme ich das Geräusch erneut und einen Augenblick später realisiere ich auch schon, dass es aus dem Nachbarzimmer kommt. Schlagartig bin ich wach und richte mich auf. Ein Blick auf mein Handy verrät, dass es bereist kurz nach sieben ist. Ich hätte ohnehin nur noch 15 Minuten schlafen können. Ich stehe langsam auf, strecke mich und erneut poltert es nebenan. Ich habe sogar den Eindruck einen dumpfen Schrei zu hören. Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich ob ich nachsehen soll, verwerfe den Gedanken jedoch dann wieder. Bakura wird irgendwas obskures treiben. Vielleicht demoliert er das Hotelzimmer aus reiner Freude. Ich werde es wohl früh genug erfahren. Mit noch leicht verschlafenem Schritt begebe ich mich ins Badezimmer und dusche zum zweiten Mal an diesem Tag. Allerdings ohne das vergnügliche Gefühl, dass ich heute morgen noch hatte. Dafür ist mir die Mission, die vor mir liegt, zu präsent und Kaiba zu fern. Ich seufze und streife mir die Sachen über, die ich mir für diesen Einsatz mitgebracht habe und werfe einen kurzen Blick in den Spiegel. Schwarze Jeans, schwarzes Shirt. Ich weiß nicht in wiefern dergleichen für einen Einbruch wirklich taugt, immerhin begehe ich heute Nacht meinen ersten, aber ich denke es dürfte unauffällig genug sein. Ich schnappe mir noch schnell mein Handy und stecke mir etwas Bargeld ein, ehe ich meine Börse in den kleinen Safe lege, den ich ebenfalls gemietet habe. Dann klopfe ich an Bakura´s Zimmertür. Es dauert einen Moment bis man mir antwortet. Ein gedämpftes und leicht mürrisches "Herein" macht klar, dass ich in einem ungünstigen Zeitpunkt komme. Dabei bin ich pünktlich. Ich öffne die Tür und als erstes fällt mir auf, dass Alister dabei ist sein Hemd zu zuknöpfen. Seine Wangen sind leicht gerötet und ich wende den Blick schnell ab. Bakura sitzt mit freiem Oberkörper in einem der Sessel und raucht. Während Alister hastig seine Kleider richtet bemühe ich mich, ihn nicht weiter anzusehen. Dennoch kann ich nicht ganz vermeiden, dass ein, zwei neugierige Blicke zu ihm wandern. Das Bettzeug ist zerwühlt, das Bett ein Stück von der Wand entfernt und für einen Augenblick sehe ich deutliche rote Abdrücke an Alister´s Hals. Dann zwinge ich mich dazu Bakura anzusehen. Vor ihm liegt ein kleines Lederpaddel und eine merkwürdige Kette und ich bekomme eine vage Vorstellung dessen was hier gerade passiert ist. Meine Wangen beginnen zu brennen und Bakura lacht. "Wie süß. Das Hündchen wird rot." bemerkt Bakura mit einem spöttischen Grinsen. "Direkt niedlich." Ich funkele ihn wütend an, aber er lacht nur. "Hätte nicht gedacht, dass du so schnell verlegen wirst, Wheeler." fährt der Weißhaarige fort und zieht an seiner Zigarette. "Ich dachte Kaiba und du... " Er beendet den Satz nicht, wirft mir allerdings einen vielsagenden Blick zu. "Was zwischen Kaiba und mir ist, geht dich nichts an." zische ich und er grinst noch breiter. "Stimmt es eigentlich, dass Hunde, die bellen nicht beißen? Oder hat Kaiba dich inzwischen erzogen?" Es kostet mich einiges an Selbstbeherrschung, nicht weiter auf seine Provokationen einzugehen. Einen Augenblick liegt mir auf der Zunge, ihn zu fragen ob er eifersüchtig sei, aber ich verkneife es mir im letzten Moment. Der Triumph wäre nur von kurzer Dauer, Bakura´s Wut jedoch unabsehbar. "Wo ist Raphael?" will ich stattdessen wissen. "Er kommt uns gleich abholen." entgegnet Bakura ruhig und erhebt sich gemächlich. Er macht einen Schritt auf Alister zu, packt diesen fest im Nacken und presst auch schon im nächsten Moment seine Lippen hart auf die des Rothaarigen. Dann gibt er ihm einen Schubs und greift nach seinem Shirt. "Du kannst es wohl kaum erwarten, Wheeler, was?" fragt er und ich verdrehe leicht die Augen. "Ich hoffe nur, dein Magen verträgt die Show. Wäre ungünstig, wenn du dich übergeben müsstest." meint er und wendet sich dann seinem Spielzeugkoffer vor. Scheinbar hat er die Ausrüstung auf einen Koffer reduziert. Ich frage nicht weiter nach und übergehe auch die spöttische Bemerkung. Alister´s Wangen sind noch immer gerötet und seine Finger wirken unsicher als er nach dem Laptop greift. "Wir gehen folgendermaßen vor." beginnt Bakura und ich sehe ihn erwartungsvoll an. "Alister bleibt mit Raphael im Wagen und legt das Sytem lahm. Danach haben wir 8 Minuten, um in die Villa zu gelangen." Ich nicke. "Vorab checken wir natürlich wieviele Personen sich dort aufhalten. Den Grundriss des Hauses habe ich bereits im Kopf." fährt er fort und klingt nun vollkommen sachlich. "Als erstes werden die Bodyguards ausgeschaltet. Kannst du mit einer Waffe umgehen?" Ich sehe ihn erstaunt an. "Du willst sie umbringen?" frage ich etwas erstaunt. Bakura verzieht spöttisch den Mund. "Was denkst du denn? Störenfriede und Mitwisser brauche ich nicht." zischt der Weißhaarige mich an. Ich schlucke. "Aber gleich umbringen..." werfe ich ein. Bakura verdreht die Augen. "Wie würdest du es denn machen, Köter?" fragt er dann und ich zucke mit den Schultern. "Naja, wir könnten sie betäuben, k.o. schlagen... so etwas in der Art." Bakura seufzt. "Deshalb arbeite ich lieber allein." murmelt er. "Nun, entscheiden wir diesen Punkt spontan." Ich nicke leicht obgleich ich mir schon denken kann worauf das hinauslaufen wird. "Nachdem wir die beiden Wachhunde ausgeschaltet haben, werden wir uns Siegfried vornehmen." erklärt Bakura weiter. "Willst du es dort tun?" werfe ich ein. Bakura grinst und wirft mir einen unschuldigen Blick zu. "Was sollte ich dort tun wollen?" fragt er mit engelsgleichem Tonfall. "Ihn verhören." entgegne ich und der Weißhaarige seufzt. "Jepp, wir werden es vor Ort machen. Warum ihn noch irgendwo hin transportieren, wir nehmen die Ausrüstung mit, das reicht." erwidert er genervt. Ich zögere einen Moment. "Was ist mit dem Personal? Man wird ihn doch sicher hören, wenn..." Ich wage es nicht weiterzusprechen. Bakura stöhnt genervt.. "Ich habe doch gesagt, ich brauche keine Störenfriede und Mitwisser." entgegnet er sichtlich gereizt, aber ich schüttele entschieden den Kopf. "Das kann ich nicht zulassen." erkläre ich. "Siegfried ist eine Sache, aber diese Leute haben nichts damit zu tun. Was ist wenn sein Bruder in dem Haus ist? Kaiba würde nicht wollen, dass..." "Kaiba wollte Rache in einem biblischen Ausmaß!" unterbricht der Dieb mich wütend. "Bei Ra er wird sie bekommen. Umso besser wenn der Kleine da ist. Quid pro quo, Wheeler." Ich starre ihn fassungslos an und brauche wirklich ein paar Sekunden bis ich begreife, dass es dem Verrückten ernst ist. "Wir werden weder sein Personal noch seine Bruder anrühren." erkläre ich ausdrücklich. "Wie wär´s, wenn wir die Leute einfach betäuben?" Ich werfe Alister einen hilfesuchenden Blick zu, doch dieser reagiert nicht. "Betäuben." wiederholt Bakura verächtlich. "Sind wir im Kindergarten? Bei allen Göttern... " Er verdreht die Augen. "Kaiba hat gesagt, dass ich die Mission leite. Entweder tun wir es auf meine Weise oder du kannst deinem Lover erklären warum wir sie abgeblasen haben." Er speit mir die Worte förmlich entgegen. Aus dem Augenwinkel nehme ich war wie Alister entsetzt zusammen zuckt. Auch ich zucke leicht angesichts dieses Ausbruches. Gut, einerseits kenne ich Bakura und sein Temperament, aber das gerade... Sogar der Weißhaarige wirkt für den Bruchteil einer Sekunde erstaunt über diesen Ausbruch oder vielmehr über seine Worte. Allerdings fasst er sich auch schnell wieder und seine Gesicht wird wieder zu einer spöttischen Maske. So liegen die Dinge also. Schlagartig begreife ich was los ist. Bakura hat Gefühle für Kaiba. So erstaunlich diese Erkenntnis auch ist, so faszinierend ist sie zugleich. Ich kann mich nicht erinnern, dass es je einen Menschen gab an dem Bakura etwas gelegen hätte. Nicht einmal an Ryou und der war lange Zeit sein... Wirt, Freund? Nun erklärt sich auch die Wut, die der Dieb auf mich hat. Mag es auch seltsam anmuten, dass jemand wie Bakura Gefühle hat, so ist es umso befremdlicher, dass er diese gerade für Kaiba hegt. Ich hätte nicht nicht gedacht, dass ausgerechnet Seto in sein Beuteschema fallen würde. Aber bei mir wusste ich es schließlich auch nicht. Für einen Moment sehen Bakura und ich uns nur an. Wir duellieren uns nicht mit Blicken, wie Kaiba und ich es stets getan haben. Wir sehen uns einfach nur an. Meine Miene ist ausdruckslos und seine eine Spottmaske. Meine nächsten Worte überlege ich mir sehr genau. "Du bist der Leader." sage ich ernst und Bakura nickt. Ich weiß, dass es keinen anderen Weg gibt. Entweder machen wir es auf seine Art oder wir blasen die Mission ab. Aber ich kann mir denken, was Kaiba dazu sagen würde. Zudem läuft uns die Zeit davon. Sollte Mokuba doch nicht in Ägypten sein... Alleine werde ich die Sache hier nicht durchziehen können. Ich brauche Bakura und das weiß er auch. Ich höre wie Alister erleichtert aufatmet und der Weißhaarige hält den Blickkontakt noch einen Moment aufrecht. "Ich bewege mich auf sehr dünnem Eis." denke ich unwillkürlich und hoffe insgeheim, dass es zu keinem weiteren Ausbruch des Diebes kommen wird. Nun verstehe ich auch, warum Kaiba mich so ermahnt hat die Augen offen zu halten. "Raphael wird gleich kommen." mischt Alister sich zaghaft ein. Bakura nickt und mein Unbehagen bezüglich unseres Vorhabens wächst nicht nur, ich habe ein mehr als ungutes Gefühl, aber ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Kapitel 50: Die Höhle des Löwen ------------------------------- Roland räuspert sich und ich glaube, er muss sich zum ersten Mal ein Lachen verkneifen als er mich ansieht. "Ihre Verkleidung ist... fast perfekt, Sir, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf." meint er und ich muss mich ebenfalls bemühen ernst zu bleiben. "Und was fehlt ihrer Ansicht nach?" frage ich meinen Assistenten. Wieder räupert er sich sichtlich pikiert. "Ihr Teint ist viel zu hell, Sir." entgegnet er und ich nicke. "Verstehe." erwidere ich. "Sie haben Recht." Ich gehe aus dem Laden und greife mir ein wenig von dem Dreck, der neben der Tür liegt und streiche mir davon auf die Wangen und die Stirn. Dann gehe ich zurück in den Laden und Roland nickt. "Perfekt, Sir." befindet er und ich schenke ihm ein knappes Lächeln. Odion beobachtet die Szene ausdruckslos. Ishizu dagegen lächelt mich an. "Gut, dann werde ich wohl als Bettler durchgehen können." erkläre ich und seufze. Wer hätte gedacht, dass ich je zu solch einer Verkleidung greifen muss? Das weite Gewand, dass meine Gestalt verhüllt, mag zwar hier zulande praktisch anmuten, in meiner Welt wäre es nur hinderlich und diese Kopfbedeckung. Nun gut, es spielt ja auch keine Rolle wie ich aussehe. Wichtig ist nur, dass ich lange genug an der Mauer verweilen kann, um das Sicherheitssystem zu umgehen. Ich wende mich an Odion. "Ich bin nicht sicher, wie lange ich brauchen werde. Ich würde auf mindestens fünfzehn Minuten bis höchstens eine halbe Stunde tippen." erkläre ich und der Ägpyter versteht sofort worauf ich hinaus will. "Ich werde die Augen offenhalten. Die Bettler werden sich nicht weiter an uns stören. Sie kennen mich." Ich nicke. "Die Waffen sind vielleicht nicht die Besten, aber ich denke sie reichen. Allerdings hoffe ich, dass wir nicht gezwungen sein werden, sie einzusetzen." fahre ich fort und Odion nickt. Scheinbar widerstrebt es ihm, eine der Schusswaffen an sich zu nehmen. Er hat mir auch erklärt, dass er mit dem Messer weitaus besser umzugehen vermag, aber für die Distanz ist solch eine Waffe nicht geeignet. "Was soll ich tun während sie fort sind, Sir?" fragt mich Roland und ich überhöre die versteckte Frage keineswegs. Schon zweimal hat er sich erboten, uns zu begleiten, aber ich bin der Ansicht, dass es besser ist, wenn Odion und ich diese Sache alleine unternehmen. Zwei Personen fallen weniger auf und Odion ist sicherlich genauso kampferprobt wie Roland. Ich überlege einen Moment. "Sie könnten sich einerseits schon mal um den Rückflug kümmern und es wäre auch nicht schlecht, wenn sie eine Verbindung zu Wheeler aufbauen könnten. Alister hat mir seine Daten gegeben. Ihn erreichen sie sicherlich. Ich wäre gerne auf dem Laufenden was Siegfried anbelangt. Für allem für den Fall, dass Mokuba doch nicht hier ist." erkläre ich ihm und er verbeugt sich leicht. Ishizu sieht mich fragend an. "Wissen sie schon, wie sie es wieder nach draußen schaffen? Man wird sie ja sicherlich nicht so einfach gehen lassen?" fragt sie besorgt und interessiert zugleich. Ich schüttele den Kopf. "Diesen Punkt werden wir vor Ort entscheiden." erwidere ich und sie nickt. Dann wende ich mich wieder Odion zu. "Können wir aufbrechen?" Der Ägypter nickt und ich werfe Roland noch einen kurzen Blick zu ehe ich ihm nach draußen folge. Die Sonne ist dabei unterzugehen. Langsam schlendern wird die Straße entlang und ich versuche seine Bewegungen nachzuahmen. Odion sagt kein Wort, erst als wir uns unserem Ziel nähern, deutet er mir an stehen zu bleiben und zeigt auf eine hohe Sandsteinmauer, deren einziger Einlass ein schmiedeeisernes Tor ist. Drei ärmlich aussehende Gestalten lehnen an der Mauer. Zwei links, einer rechts. "Dort rechts ist Achmed. Er ist ein Freund. Setzen sie sich einfach neben ihn. Er weiß Bescheid. Ich werde hier auf ihr Zeichen warten." erklärt er mir. "Ein wenig weiter links grenzt die Mauer an eine kleine Gasse, dort können wir ungesehen drübersteigen." Ich nicke und setze mich in Bewegung. Die drei Gestalten sehen mich an und ich senke etwas den Kopf, um mein Gesicht besser zu verbergen. Gemächlich lasse ich mich auf der rechten Seite nieder und werfe dem Mann neben mir einen kurzen Blick zu. Er nickt und entblößt dabei sein lückenhaftes Gebiss. Ich mustere ihn kurz, dann nehme ich die gleiche Sitzposition ein wie er und schiebe vorsichtig meinen langen Ärmel etwas zurück. Zum Glück bin ich nicht auf den Laptop angewiesen, damit würde ich sicherlich auffallen. Ich hoffe nur, dass ich via Handy in der Lage bin, eine Verbindung zu meinem Hauptrechner aufzubauen. Schwer zu sagen, wie lange es dauern wird. Mein Herz schlägt absolut ruhig während ich die notwendigen Daten eingebe und versuche die Verbingung herzustellen. Ab und an werfe ich einen Blick über die Straße, aber von Odion ist nichts zu sehen. Der Ägypter scheint sich perfekt versteckt zu haben. Routiniert gebe ich meine Codes ein und atme erleichter auf als es mir gelingt auf den Rechner zu zugreifen. Der Rest müsste ein Kinderspiel sein. Dennoch dauert es länger als gedacht, aber von den vorbeiziehenden Menschen scheint keiner mein Treiben zu bemerken. Ich halte nur einmal in meinem Treiben inne. Zwei Männer nähern sich dem Tor. Bereits als ich ihre Schritte von weitem höre, weiß ich, dass es keiner der üblichen Passanten ist. Ich senke den Blick und lasse das Handy unter meinem Ärmel verschwinden. Als schwarze Hosenbeine und derbes Schuhwerk in meinem Blickwinkel erscheine, ahne ich, dass die Wachen nun abgelöst werden. Die Beiden treten an das Tor und betätigen die Sprechanlange. Der kurze Wortwechsel bestätigt meine Vermutung. Im nächsten Augenblick tritt auch schon eine der Wachen von innen an das Tor und lässt die Beiden ein. Zehn Minuten später gehen zwei andere, gleich gekleidete Männer wieder. Nun ist die Straße nur noch schwach beleuchtet und ich könnte vermutlich nichts mehr sehen, würde kein Licht durch das Eisentor fallen. Ich nehme meine Arbeit wieder auf und es dauert letztlich doch über dreißig Minuten bis es mir gelingt das Sicherheitssystem umzuprogrammieren. Dann gebe ich Odion, wo auch immer er sein mag, ein Zeichen. Kaum zwei Minuten später steht er neben mir und ich erhebe mich wieder. Wortlos deutet der Ägypter nach links und ich nicke. Die Bettler sehen uns nach, reagieren jedoch nicht. Ich folge Odion in die Seitengasse und er deutet auf ein Stück Mauer, dass ein paar kleinere Lücken aufweist. Ich verstehe sofort. Einen Moment überlege ich ob ich mein Gewand abstreifen soll, entscheide mich dann jedoch dagegen. Fall wider Erwarten etwas mit dem Sicherheitssystem nicht geklappt hat, würde man mich so bei diesen Lichtverhältnissen nicht sofort erkennen und könnte diesen Einbruch für eine Gaunernummer einer ägyptischen Bande halten. Allerding erschwert mir das sackähnliche Gewand den Aufstieg auf die Mauer ein wenig. Wie Odion sich in diesen Kleider so frei bewegen kann, ist mir ein Rätsel. Dennoch bin ich kaum eine Sekunde hinter dem Ägypter auf der Mauer und wir robben langsam an der Seite entlang. Der Garten vor dem Haus ist größer als ich vermutet hatte und die beiden Wachen sind bereits dabei ihren Aufgaben nachzukommen. Wenn ich gehofft hatte, dass es hinter der Mauer einen Garten mit Sträuchern oder Bäumen geben würde, hinter denen wir uns verbergen konnte, so hatte ich mich geirrt. Der Vorhof des Hauses war karg und trostlos. Abgesehen von drei Autos, die herumstanden, gab es keinerlei Möglichkeit sich zu verstecken. Ein Blick reicht um festzustellen, dass es keine Einheimischen sind. Odion gibt mir ein Zeichen weiter über die Mauer in Richtung Dach zu kriechen und ich nicke. Noch bewegten wir uns außerhalb des Blickfeldes der Wachen, aber je näher wir dem Haus kamen, desto mehr gerieten wir in den Lichtkegel. Unser ursprünglicher Plan war es, über das Dach ins Innere zu gelangen. Irgendwo musste es schließlich eine Öffnung geben. Die ägyptischen Häuser hatten meistens ein Loch für einen Kamin, wie Odion mir erzählte. Die Wachen würden wir so außer acht lassen und müssten uns erst bei unserem Rückzug, um sie kümmern. Die abendliche Brise hat eingesetzt und lässt Blätter rascheln. Odion huscht trotz seiner doch recht großen Gestalt wie ein Schatten vor mir weg. Ich folge ihm so schnell und lautlos wie ich es vermag. An der Stelle, wo das Licht direkt auf die Mauer fällt, hält der Ägypter inne. Sein Blick schweift kurz durch den Vorhof, zu den Wachen und wandert dann zu mir. Ich ahne was er mir zu sagen versucht. Gehen wir hier weiter, werden die Wächter uns seine, aber es ist ebenso riskant in den Hof zu steigen. Ich wäge kurz das für und wider ab und deute dem Mann vor mir dann an, dass wir den Hof wählen. Unter leisem Kieselgeröll steigen wir von der Mauer und beziehen hinter einem der Wagen Positon. Eine der Wachen steht direkt vor dem Haus. Ob er eine Waffe trägt lässt sich aus dieser Entfernung nicht sagen. Ich sehe keine, aber ich wette er hat eine bei sich. Von dem anderen Mann ist nichts zu sehen und er tritt erst nach dreieinhalb Minuten wieder in unser Blickfeld. Scheinbar umkreisen sie abwechselnd das Haus. Die Tatsache, dass überhaupt Wachen hier sind, bestätigt mir meine Vermutung, dass man Mokuba wirklich hier festhält. Warum sonst sollte man dieses unscheinbare Haus so sichern? Die Wache, welche gerade den Rundgang macht, hat ein Gewehr lässig über die Schulter gehängt, aber diese scheinbare Sorglosigkeit, beruhigt mich keineswegs. Das Gesicht des Mannes verrät, dass er sehr aufmerksam ist und auch der andere, der vorm dem Haus steht und raucht, mag vielleicht den Eindruck erwecken, eine Pause zu machen, aber auch sein Blick ist wachsam. Ich überlege wie wir am Besten weitervorgehen. Riskieren wir einen direkten Überfall auf die Beiden, steht es außer Frage, dass sie Alarm schlagen und noch wissen wir nicht wer sonst noch im Haus ist. "Ich könnte mich hinter das Haus schleichen und den Mann außer Gefecht setzen, wenn er vorbeikommt. Der andere wird sicher nachsehen, wenn er nicht kommt..." meint Odion leise. Fast bin ich geneigt seinem Vorschlag zu zu stimmen, als ich die Stimme des einen vernehme. "Hier ist alles in Ordnung." sagt er auf englisch in ein Funkgerät und lässt es dann wieder an seinem Gürtel verschwinden. Scheinbar werden von innen regelmäßige Nachfragen gemacht. Odion sieht mich immer noch erwartungsvoll an. Ich schüttele den Kopf. "Die Beiden sind ein Team, aber einer allein wird nicht nachsehen. Er wird erst Meldung machen und sagen, dass etwas passiert ist. Wahrscheinlich kommt dann auch Verstärkung." erkläre ich Odion und er wirkt einen Augenblick irritiert, dann versteht er. "Aber deine Idee ist gut." fahre ich leise fort. "Allerdings sehen wir gemeinsam. Sobald wir den Mann haben, werde ich an seine Stelle treten und den Rundgang fortsetzen. Die Wache vorm Haus achtet bislang nur auf die Schritte. Er hat nicht einmal den Kopf in die Richtung geneigt, er erkennt also seinen Kollegen erst, wenn er an ihm vorbeigeht." Odion wirft mir einen anerkennenden Blick zu. Dann deutet er nach rechts und ich nicke. Wie ein Schatten huscht der Ägypter an den Autos vorbei und gerade als die patroullierende Wache ihren Weg hinter das Haus antritt, folgen wir ihr lautlos. Wir haben die Rückseite erreicht als er sich bereits wieder nach vorne begibt. Hinter dem Haus befinden sich zu meiner Freude auch endlich ein paar Pflanzen. Odion bezieht hinter einem Busch Position und ich drücke mich an die unbeleuchtete Hauswand. Vorher streife ich mir mein Gewand ab und lasse es hinter einem Strauch verschwinden. Die Aktion muss schnell gehen. Ich nicke Odion zu und der Ägypter ist sprungbereit als wir hören wie der Mann sich nähert. Mit einem Satz ist Odion bei ihm und drückt ihm unerbittlich die Hand auf den Mund. Ein gurgelnder Laut kommt aus der Kehle des Mannes, aber mehr als ein gedämpftes "Hmm hmm." ist nicht zu hören. Schnell streife ich ihm das Gewehr ab und setze seine Patroullie fort während Odion alles weitere erledigt. Es ist genau wie vermutet. Die Wache vorm Haus wendet mir nicht den Blick zu. Der Mann steht da, blickt über den Vorhof und raucht. Ich wäge ab, wie ich ihn am Schnellsten ausschalte. Hälte ich inne oder wechsele ich die Position, wird er es hören. Ich entscheide mich dafür auf volles Risiko zu gehen. Langsam nehme ich das Gewehr vom Arm und umfasse es mit der Hand am Lauf, damit ich es wie eine Keule zu schwingen vermag. Während ich meinen Weg fortsetze, verringere ich die Distanz zwischen dem Haus und mir. So müsste ich den Mann mit dem Gewehr treffen. Ich muss lediglich den richtigen Zeitpunkt erwichen und all meine Kraft in den Schlag legen. Seltsamerweise spüre ich, wie mein Herz immer ruhiger schlägt. Noch drei Schritte. Ich hole schon mal aus und als ich zum Schlag ansetze, trifft mich sein Blick. Ich sehe gerade noch wie seine Augen sich weiten, dann trifft ihn der Kolben seinen Kopf und er gerät ins Taumeln. Sofort bin ich nehmen ihm und fange ihn noch im Fallen auf. Dann ziehe ich ihn mit mir hinter das Haus wo Odion bereits wartet. Sein Opfer hat er bereits verschnürt und hilft mir nun bei meinem das Gleiche zu tun. "Und nun?" fragt Odion. Ich deute auf eines der hinteren Fenster. "Vorne sind einige Räume beleuchtet. Hier scheint niemand zu sein." erkläre ich und trete auch schon zu dem Fenster. Vorsichtig spähe ich hinein. Es ist nichts zu erkennen. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und versuche wie neulich bei Pegasus Hotelzimmer, festzustellen wieviele Personen sich im Haus befinden. Odion sieht mir schweigend dabei zu, stellt aber keine Fragen. "Eine Person befindet sich im Keller, zwei im Erdgeschoss und drei im ersten Stock." sage ich schließlich und der Ägypter nickt. "Marik wird die Person im Keller sein." vermutet er. "Davon gehe ich auch aus." stimme ich ihm zu. "Die Beiden im Erdgeschoss befinden sich weiter vorne in einem Raum. Sie bewegen sich nicht." erkläre ich weiter und erneut nickt Odion. "Ich schlag vor, wir gehen rein, kümmern uns erst um die Beiden und sofern es uns gelingen sollte, sie zu überwältigen ohne die Oberen zu alarmieren, begeben wir uns in den Keller." schlage ich vor. Odion wirft mir einen ernsten Blick zu. "Ja, ich glaube ihre Strategie ist gut. Marik kann uns im Kampf gegen die anderen beistehen." entgegnet er und zum ersten Mal registriere ich die deutliche Sorge in seinen Augen. Jetzt erst werde ich mir bewusst, dass der Junge ja sein Halbbruder ist. Natürlich macht er sich Sorgen. Ihm wird es sicher ähnlich gehen wie mir. "Lass das ´Sie´." sage ich plötzlich und er sieht mich einen Augenblick erstaunt an, dann nickt er mit regungsloser Miene und ich wende mich dem Fenster zu. Ich werde es einschlagen müssen, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Der Alarm ist abgeschaltet, aber der Krach... Ich zögere einen Moment. Dann fällt mir wieder mein Gewand ein. Ich gehe zu dem Strauch und streife es mir über. So wird man mich jedenfalls nicht auf Anhieb erkennen. Ich wickele etwas Stoff, um meine Hand, dann hole ich aus und schlage das Glas ein. Das Klirren erscheint mir unendlich laut. Ich rechne fast damit, dass man uns hört und gleich das Licht angeht. Daher warte ich einen Moment. Doch nichts geschieht. Ich knicke ein Paar überstehende Glasscherben ab und werfe sie auf den trockenen Boden. Ohne mich noch einmal an Odion zu wenden, steige ich durch das Fenster und versuche meine Augen der Dunkelheit anzupassen. Odion ist sofort neben mir. Ich taste mich etwas unsicher voran, kann jedoch nicht wirklich was erkennen. Ich sehe nicht einmal den Ägypter wirklich, spüre nur seine Anwesenheit. Unwillkürlich muss ich an Bakura denken. Er wäre sicher besser vorbereitet. Ich hätte allerdings auch an eine Taschenlampe denken können. Sozusagen die Grundausstattung. Ich seufze und greife erneut zu meinem Handy. Das Display schenkt gerade genug Licht um die nächsten Möbel vor uns zu erkennen. Ich taste mich langsam voran und Odion ist dicht hinter mir. Ein paar Schritte und wir haben die Tür erreicht. Ich lausche kurz, dann fühle ich nach der Türklinke. Kapitel 51: Kleine Morde unter Freunden Teil 1 ---------------------------------------------- Danke für eure Kommis ihr Lieben. Ich bin fast überwältigt, wie ihr mitfiebert. :-) "Sieben Personen." höre ich Alister sagen. "Drei davon halten sich im hinteren Trakt des Erdgeschosses auf. Ich vermute, dass ist der Butler und anderen Bediensteten. Im Erdgeschoss befinden sich drei weitere Personen allerdings weiter vorne. Vermutlich in den beiden erleuchteten Räumen. Eins davon ist übrigens Siegfried´s Arbeitszimmer. Nämlich das vorne links. Und einer ist im vorderen Bereich des ersten Stocks." Bakura nickt bedächtig. "Eine Person mehr als bislang vermutet." erwidert er und der Rothaarige nickt. Der Weißhaarige zuckt mit den Schultern. "Auch egal. Je mehr desto besser, oder?" Er schenkt mir einen süffisanten Blick, aber ich reagiere nicht. Dann wendet er sich wieder Alister zu. "Acht Minuten?" fragt er. Alister nickt und Bakura stellt etwas an seiner Armbanduhr ein. "Dann sollten wir keine Zeit verlieren, was Wheeler?" Ich nicke leicht und er steigt aus dem Wagen. Ich folge ihm und Alister tut es mir gleich. Raphael bleibt sitzen. Wir haben in unmittelbarer Nähe des Hauses geparkt. Nah genug, um das Wesentliche zu sehen, aber weit genug weg, um nicht weiter aufzufallen. Bakura tritt zum Kofferraum und schiebt seine Zigarette in den Mundwinkel, um die Hände frei zu haben. Dann öffnet er die Abdeckung und selbst im Dunkeln sehe ich, dass es in seinen Augen auflodert. Fast schon zärtlich greift er nach dem Koffer und schließt dann wieder langsam den Kofferraum. ich sehe ihn erwartungsvoll an. "Fang schon mal an." fordert er Alister auf und zieht genüßlich an seiner Seite. "Wenn du kurz davor bist, setzen wir uns in Bewegung." Alister nickt und widmet sich wieder seinem Laptop. Die schmalen Finger huschen unermüdlich über die Tastatur und ich spüre, dass mein Puls sich langsam beschleunigt. Jetzt wird es also ernst. Gut. Ich bin bereit. Ich habe ja ohnehin keine andere Wahl. Was mich allerdings erstaunt ist, dass Bakura so vollkommen gelassen wirkt. Ja, er scheint die Ruhe selbst. Entweder ist das alles hier für ihn nicht weiter wild, weil er so etwas schon oft gemacht hat, oder er hat Nerven aus Stahl. Lässig wirft er mir eine Art Taucherbrille zu. "Nicht, dass du mir gleich planlos durch die Gegend stolperst." meint er und inhaliert tief. Ich beäuge das Gerät etwas irritiert. Alister lächelt mich an. "Ein Nachtsichtgerät. So etwas benutzt die Army." erklärt er mir und deutet auf einen kleinen Knopf links. Ich nicke ihm dankbar zu und drück auf den Knopf, ziehe die Brille aber nicht an. Bakura betrachtet einen Moment nachdenklich das Haus. Dann wendet er sich mir zu. "Wir gehen oben rein. Rechts befindet sich ein Balkon, der zu einer Art Gästezimmer führt." erklärt er mir. Ich nicke. "Wir gehen zur rechten Seite des Hauses, dort endet die Mauer und geht in eine Hecke über. So kommen wir am leichtesten und ohne weiteres Aufsehen in den Vorgarten. Unter dem Balkon befindet sich eine Laube. Dort hochzusteigen ist ein Kinderspiel. Fast schon lächerlich." Er verzieht verächtlich den Mund und wirft seine aufgerauchte Kippe auf den Boden. "Hightec-Sicherheitssysteme, aber dann baut man dem Dieb praktisch eine Leiter. Bei Ra, die Menschen sind wirklich albern." Er schenkt mir einen ernsten Blick. "Verstanden?" Ich nicke nur und er wendet sich an Alister. "Ready, mein Süßer?" fragt er und ich sehe wie sich die Wangen des Kleineren leicht rot färben. Er nickt und Bakura drückt erneut etwas an seiner Uhr. Dann geht er los ohne auch nur darauf zu achten ob ich ihm folge. Ich bin direkt hinter ihm und passe mich seinen Schritten sofort an. Fünfzehn Meter und wir sind an der von ihm benannten Stelle. Er deutet auf die Hecke und ich nicke verstehend. Er geht ein paar Schritte, tastet dabei die Hecke ab und findet scheinbar was er sucht. Eine Stelle an der es leicht ist, sich durch das Geäst zu schieben. Im nächsten Moment ist er auch schon verschwunden. Ich streife mir schnell diese komische Brille über und schalte sie an, dann folge ich ihm. Die Umgebung erscheint mir nun in grünlichem Licht und ich brauche einen Moment, um meine Augen dieser Sichtweise anzupassen. Bakura hockt bereits hinter einem der Rosenbüsche und betrachtet die Fenster. Die Laube ist leicht beleuchtet, neben dem schmalen Weg vom Tor zur Haustür bildet sie den einzigen Teil des Vorgartens, der erleuchtet ist und somit auch den einzigen Moment, in dem man uns wirklich würde sehen können. Ich gehe neben dem Dieb in die Hocke und sehe, dass er sich schwarze Lederhandschule überstreift. Dann zeigt er nach rechts und ich vermute, dass er mir damit sagen will, dass wir uns entlang der Hecke zur Garage schleichen sollen. Ich nicke und er ist auch schon wieder in Bewegung. Ohne auch nur ein Geräusch zu machen, schleicht er durch den Garten, bewegt sich geradezu elegant, ja, fast tänzerisch und ich komme mir ziemlich plump vor, auch wenn ich mich bemühe, seinem Beispiel Folge zu leisten. Neben der Garage kommt er zum Stehen und betrachtet kurz die kleine Laube, welche eindeutig mit dem Balkon verbunden ist. Irgendein dichtes Blumengewächs hat das Holz fast überwuchert und ich brauche einen Moment bis ich die Umrisse des ursprünglichen Holzbaus richtig erkenne. Wieder huscht sein Blick zum Haus, doch dort hat sich nichts verändert. "Ich gehe als erster." raunt er mir zu. "Wenn ich drüben bin, warte fünfzehn Sekunden, dann folg mir." Ehe ich noch etwas erwidern kann, huscht er auch schon durch den spärlichen Lichtkegel und ist auf der anderen Seite. Ich zähle langsam bis fünfzehn, dann tue ich es ihm gleich und für einen Moment hämmert mein Herz hart gegen meinen Brustkorb. Ich atme erleichter aus als ich auf der anderen Seite, in sicherer Dunkelheit, ankomme. Bakura grinst mich spöttisch an. Dann zeigt er nach oben und schickt sich auch schon an, das Blumengeländer zu erklimmen. Die Blätter rascheln leicht und ab und an höre ich das Holz knarren, aber ansonsten schafft er es lautlos bis nach oben und schwingt sich dann auch schon über die Brüstung des Balkons. Ich zögere einen Moment, dann verwerfe ich jeden Gedanken, der sich gerade in meinem Kopf zu manifestieren versucht und mache es ihm nach. Für einen kurzen Augenblick habe ich Angst, dass die Laube nachgibt und ich rückwärts mit ihr in den Garten falle, doch nichts dergleichen passiert. Aber mein Herzschlag hat sich erneut beschleunigt und mein Puls rast. Ich bin mehr als erleichtert als ich auf dem Balkon zu stehen komme und muss mich erst einmal sammeln. Bakura dagegen ist schon zum nächsten Punkt übergegangen. Er hat den Koffer geöffnet und hantiert nun mit irgendwas langem dünnen an der Tür. Ein kaum hörbarer Knacks ist zu vernehmen, gibt die Tür nach und Bakura schiebt sie leicht auf. "Voilá." flüstert er und im Dunkeln sehe ich seine Augen leuchten. Er hat eindeutig Spaß. Keine Ahnung warum, vielleicht liegt es am Adrenalin, aber er ist sichtlich gut gelaunt. Nichts erinnert mehr an den mürrischen Weißhaarigen von vorhin. Einerseits erleichtert mich dieser Umstand, andererseits beunruhigt er mich dennoch. Ich folge dem Dieb in den Raum und bin erstaunt, dass ich tatsächlich im Dunkeln etwas zu sehen vermag, wenn auch nicht wirklich viel. Schemenhaft nehme ich die Umrisse einiger Möbelstücke war, doch dann knipst Bakura eine Taschenlampe an und ich sehe wieder klarer. Kurz leuchtet der Dieb durch das ganze Zimmer, dann richtet er den Lichtstrahl auf die Tür. Lautlos bewegt er sich darauf zu, wirft einen Blick durch das Schlüsselloch und dann einen weiteren auf seine Uhr. "Was denkst du wie wir liegen, Wheeler?" fragt er und ich bin so verdattert, dass ich tatsächlich antworte. "Sieben Minuten." erwidere ich und er schüttelt den Kopf. "Fünf." Er strahlt mich selbstzufrieden an und ich muss unwillkürlich lachen. Bakura räuspert sich leicht. "Alister sagte, nur eine Person wäre hier oben. Ich gehe davon aus, dass dies die Person ist, die unangemeldet in unsere kleine Vorstellung platzt. Um sie kümmern wir uns zuerst." meint Bakura und ich nicke. Sofort ist mein Unbehagen wieder da. Ich weiß nur zu gut, wie er das meint. "Wer auch immer es ist, er befindet sich zwei Zimmer weiter." fährt Bakura fort. "Wir müssen schnell sein. Wenn er oder sie Alarm schlägt, verpassen wir den Überraschungseffekt, was schade wäre." Ich sehe ihn fragend an. "Wie willst du vorgehen?" frage ich unsicher. Er grinst. "Wir klopfen an." erklärt er und ich glaube er ist komplett übergeschnappt. Verständnislos blicke ich rüber zu dem Dieb. "Wir sind doch höflich, oder?" fragt er mich ernsthaft und ich weiß echt nicht was ich dazu sagen soll. Bakura lacht kurz auf. "Herrje, Wheeler. Wir klopfen sanft, dann kommt ein Herein. Wir reagieren nicht. Derjenige wird allerdings reagieren. Weil wir noch einmal klopfen. Er oder sie kommt zu Tür und ... tata!" verkündet der Dieb und ich bin nicht sicher ob ich ihn zu dieser einfachen, aber doch recht brillianten Strategie beglückwünschen soll oder ob das gerade ein weiterer Versuch seinerseits war mich zu verarschen. Mir bleibt allerdings keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment öffnet Bakura auch schon die Tür und sanftes Licht dringt in den Raum. Ich ziehe mir die Brille von den Augen und lasse sie mir um den Hals hängen. Der Weißhaarige späht nach links und rechts, lauscht kurz und ist im nächsten Augenblick auch schon auf dem Flur. Ich folge ihm langsam. Bakura schleicht bereits zu dem besagten Zimmer wobei er die Umgebung intensiv mustert. Ich sehe genau, dass seinem Blick nichts entgeht, auch wenn seine Augen schnell über alles wandern. Er sieht sich kurz die Tür an, vermutlich um festzustellen nach welcher Seite sie aufgehen wird und klopft dann auch schon an. Ich schlucke unwillkürlich und bin mit einem Satz hinter Bakura. Wie er es vorausgesagt hat, vernehme ich ein klares, recht helles "Herein." Wir rühren uns nicht. Bakura wartet einen Moment, dann klopft er erneut und im nächsten Augenblick vernehme ich auch schon Schritte. Die Tür wird langsam geöffnet und ein Kopf kommt zum Vorschein, doch ich sehe nicht wirklich etwas, da Bakura mir die Sicht verdeckt. Die Taschenlampe saust nieder und ich vernehme ein leises Aufkeuchen, dann sehe ich den Dieb nach vorne schnellen und er fängt die Person scheinbar mit Leichtigkeit auf, um sie zurück ins Zimmer zu befördern. Ich sehe mich noch einmal um, dann folge ich ihm und schließe leise die Tür. Als ich mich dem Dieb zuwende erstarre ich schlagartig. "Leon!" presse ich hervor. Bakura reagiert nicht. Er legt die bewustlose Gestalt auf das Bett und stellt den Koffer neben ihr ab. Mit einem Satz bin ich neben ihm und starre ihn an. "Das ist Leon!" erkläre ich. "Siegfried´s Bruder." Bakura grinst. "Dacht ich mir schon. Der ungebetene Gast." erwidert er lässig. "Wie gesagt, je mehr desto besser." Er wendet sich wieder seinem Koffer zu und ich weiß nicht was ich tun soll. Vorhin hat er angekündigt, was er mit Leon würde tun wollen. Quid pro quo. Ich schlucke erneut. "Du willst ihn doch nicht.." hebe ich unsicher an. Einerseits habe ich Angst ihn wieder zu verärgern, andererseits kann ich doch nicht zulassen, dass er den Jungen umbringt. Leon hat niemandem etwas getan. Kaiba würde auch nicht wollen, dass dem Kleinen etwas passiert. Was zur Hölle tue ich, wenn der Dieb ernst macht? Er ist der Leader, ich habe zugestimmt. Während ich noch überlege, was ich sagen soll, schickt er sich schon an den Jungen zu fesseln. Er hat den Kabelbinder zur Hand genommen und ist schon dabei, die Handgelenke des Kleinen zu verschnüren. Seine Arbeit macht er gründlich, sofort sehe ich rote Striemen wo das Kabel die weiße Haut berührt. Aber wenn er ihn fesselt... "Vorerst ist Fuzzi-Junior eine Geisel." erklärt er mir ruhig und fährt mich den Füßen fort. Dann drückt er eine Lage Klebeband auf den Mund des Jungen. Schließlich sieht er mich an. "Der Kleine ist Gold wert. Wir können ihn als Druckmittel einsetzen, falls dieser Siegi auf Folter nicht anspringt. Vielleicht überlegt er es sich anders, wenn ich seinen Bruder in die Mangel nehme." Bakura zuckt gleichgültig mit den Schultern. "Augenblicklich ist er so gut aufgehoben. Er kann keinen Alarm schlagen und wir können munter weitermachen. Also entspann dich, noch wird niemand getötet, Wheeler." Ich nicke leicht und der Dieb widmet sich wieder seinem Koffer. Er packt die Sachen wieder ein, schließt ihn und wendet sich dann der Tür zu. "So, Hündchen, jetzt wird es lustig. Also mach dich bereit. So einfach wie das hier, wird es sicher nicht mehr." meint er ernst und ich spüre wie sich mein Magen wieder zusammen zieht. Für einen Moment habe ich den Eindruck, Magensäure zu schmecken. "Unten befinden sich gleich sechs Personen. Drei davon in einem Raum. Das Personal wird ein Kinderspiel. Die schlafen sicherlich schon. Deshalb werden wir sie uns zuerst vornehmen. Dafür müssen wir allerdings an den anderen vorbei." Er hält kurz inne und wartet ob ich ihm folge. Ich nicke. "Das heißt, wir müssen mehr als leise vorgehen. Ein Mucks und..." Ich nicke erneut und Bakura erläutert mir in kurzen Zügen den Grundriss des unteren Stockwerks. Vorne befinden sich vier Räume: Arbeitszimmer, Wohn- und Esszimmer und zwei Salons. Hinten ist die Küche, ein Vorratsraum und die Zimmer des Personals. Ich versuche mir die Räumlichkeiten einzuprägen und Bakura setzt sich bereits in Bewegung. Ich folge ihm zaghaft. Die Eingangshalle ist hell beleuchtet. Der Dieb deutet auf eine der Türen und will mir damit wohl sagen, dass sich dahinter Siegfried und seine Bodyguards aufhalten. Ich nicke und spüre wie mein Pulsschlag sich wieder beschleunigt. Würde sich die Tür jetzt öffnen, man würde uns sofort entdecken. Meine Hände sind jetzt schon schweißnass und meine Knie so weich, dass ich fast Angst habe mich in Bewegung zu setzen. Bakura dagegen ist die Ruhe selbst. Ihm ist keinerlei Sorge oder Unruhe anzumerken. Im Gegenteil. Er bewegt sich fast wie selbstverständlich die Treppe hinunter und huscht wie ein Schatten an besagter Tür vorbei. Ich bin drei Schritte hinter ihm. Einen Moment vernehme ich gedämpftes Gerede und stocke. Ich glaube Siegfried´s Stimme zu erkennen, bin allerdings nicht sicher. Allerdings habe ich auch keine Zeit darüber nachzudenken. Schnell schleiche ich an der Tür vorbei und bin dann auch schon neben dem Weißhaarigen, der mir ruhig zunickt und mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung deutet. Ich bin nicht sicher ob ich verstehe was er mir sagen will, aber er huscht auch bereits weiter und ich folge ihm einfach. Der hintere Teil des Flures ist zum Glück nur leicht beleuchtet. Bakura horscht an einer der Türen und legt dann sanft seine Hand auf den Türknauf. Ich halte den Atem an. Einen Augenblick bin ich unschlüssig ob ich dem Dieb ins Innere folgen oder hier warten soll. Jetzt erst bemerke ich, dass er den Koffer neben der Tür abgestellt hat. Ich halte die Luft an als er die Tür öffnet und bin fast schon erleichtert als er mir ein Zeichen gibt, dass ich warten soll. Für einen furchtbaren Moment spiele ich mit dem Gedanken ihn zurück zu halten. Ich meine, er wird jetzt einen Menschen... eine unschuldige Person. Ich schlucke schwer, aber ich rühre mich nicht. Bakura schlüpft ins Innere und mein Herzschlag droht auszusetzen. Ich drücke mich an die Wand, so dass man mich nicht sehen kann, falls jemand auf den Flur tritt und warte mit bangem Herzen. Wie lange der Dieb in dem Zimmer ist, weiß ich nicht. Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, aber vermutlich sind es höchstens zwei Minuten. Als er wieder hervorkommt, ist seine Miene ausdruckslos und er wendet sich auch sofort dem nächsten Raum zu. Erneut verharre ich ihn meiner Position während er den Raum betritt und ich wage es nicht mir vorzustellen was er tut. Nichts ist zu hören und mein Herz hämmert immer schneller. Als er sich der dritten Tür nähert, halte ich ihn zurück und packe ihn am Arm. Er wirft mir einen missbilligenden Blick zu und ich sehe ihn an. Was ich sagen will, weiß ich eigentlich nicht. Irgendwie kommt auch kein Wort über meine Lippen, ich klappe lediglich den Mund auf. Der Dieb verdreht die Augen. Dann schüttelt er meine Hand von seinem Arm ab und hält mir ein Tuch hin. Verständnislos blicke ich auf das Stückchen Stoff von dem ein strenger Geruch ausgeht. "Ob du´s glaubst oder nicht, ich bin kein wahlloser Killer." flüstert er und seufzt verächtlich. Dann schickt er sich erneut an den Raum zu betreten. Seltsamerweise bin ich nicht nur erleichtert, sondern auch noch irritiert. Nicht wegen Bakura´s Worte sondern weil ich tatsächlich davon ausgegangen war, dass er... Aber er hat ja auch alles getan, um diesen Eindruck zu erwecken. Als er wieder aus dem Zimmer kommt, betrachte ich ihn dennoch mit anderen Augen. Seine Züge sind nach wie vor ernst, aber ruhig und gerade als er etwas sagen will, öffnet sich eine der Türen hinter uns. Bevor ich weiß was passiert, packt der Dieb mich am Arm und zerrt mich mit sich. Wie er es vermag eine der anderen Türen lautlos und doch rasch zu öffnen, ist mir ein Rätseln. Das Innere ist dunkel, dennoch glaube ich die Küche zu erkennen. "Versteck dich." zischt Bakura mir zu und ist im nächsten Augenblick auch schon verschwunden. Ich sehe mich um, schlüpfe dann hinter einen der Schränke, obgleich ich nicht sicher bin ob es ein gutes Versteck ist. Im Dunkeln lässt sich das schwer sagen. Kaum eine Minute später öffnet sich auch schon die Tür und der Raum wird erhellt. Jetzt weiß ich, dass mein Versteck alles andere als gut gewählt ist. Zwar kann mich der Eintretende noch nicht sehen, aber wenn er weiter in den Raum geht... Ich halte den Atem an und verspüre den Wunsch, die Augen zu schließen, doch ich widerstehe dem Impuls. Es würde ohnehin nichts bringen. Von Bakura ist nichts zu sehen. Ich vernehme Schritte und stelle fest, dass die Person, die eingetreten ist, sich anschickt weiter in die Küche zu gehen. Scheinbar hat man uns nicht bemerkt, derjenige kommt lediglich um etwas zu holen oder zurückzubringen. Mein Herzschlag setzt kurz aus als der Mann in meinen Blickwinkel gerät. Wenn er sich umdrehen würde... und das muss er, wenn er den Raum wieder verlässt. Fieberhaft suche ich nach einem Ausweg. Vielleicht nutzt Bakura die Gelegenheit, den Mann auszuschalten. Vermutlich ist er einer der Bodyguards. Er stellt ein Tablett auf der Anrichte ab und ich beschließe in die Hocke zu gehen. Vielleicht sieht er mich so nicht auf Anhieb oder nur bei genauerem Hinsehen. Doch gerade als ich meinen Gedanken in die Tat umsetzen will, blickt der Kerl auf und seine Augen richten sich auf mich. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er mich nur an. Dann blitzt es in seinen Augen auf und im nächsten Augenblick hält er auch schon eine Waffe in der Hand. Mein Herz rutscht mir buchstäblich in die Hosen. "Sieh an, wen haben wir denn da?" fragt er und richtet die Pistole ruhig auf mich. Ich schlucke. "Komm näher." befiehlt er und ich muss mir einen Ruck geben, seiner Aufforderung nachzukommen. Eine andere Wahl habe ich ohnehin nicht. Er bewegt sich leicht um die Anrichte herum, die nun zwischen uns ist, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Dann steht er mir gegenüber und blickt sich vorsichtig um. "Wer bist du?" fragt er. "Bist du allein?" Im ersten Moment schießt mir durch den Kopf, dass das ziemlich dämliche Fragen sind. Erwartet er ernsthaft, dass ich auch nur eine davon beantworte? Ich presse die Lippen aufeinander und sehe ihn stumm an. Er lächelt und macht noch einen Schritt auf mich zu. Sein Blick fixiert mich. "Hände hoch." Ich komme seinem Befehl dieses Mal sofort nach und hoffe insgeheim, dass Bakura irgendetwas unternimmt. Noch hat der Mann keinen Alarm geschlagen, wenn er ihn jetzt überwältigen würde. Aber der Dieb zeigt sich nicht. Der Mann kommt langsam auf mich zu. "Dreh dich um." befiehlt er. "Aber langsam." Ich gehorche auch dieses Mal und wende ihm langsam den Rücken zu. Eine Sekunde später spüre ich wie er hart mein Handgelenk packt und mir den Arm auf den Rücken dreht. Ich keuche schmerzlich auf und fühle den Lauf der Waffe nur zu deutlich. "Bist du allein?" raunt er mir noch einmal zu, aber ich erwidere nichts. Ich glaube allerdings, dass er auch nicht wirklich eine Antwort erwartet. Er zerrt noch etwas fester an meinem Arm und ich beiße mir auf die Unterlippe, um keinen Mucks von mir zu geben. "Na, wenn du nicht reden willst, Kleiner, auch gut." meint der Mann. "Dann gehen wir mal zu Herr von Schröder." Meine Gedanken überschlagen sich. Fuck, was soll ich nur machen? Und wo zum Teufel ist Bakura? Warum unternimmt er nichts? Ich blicke mich erneut in der Küche um, was dem Mann nicht zu entgehen scheint. "Haha. Doch nicht alleine." sagt er und ich spüre förmlich, dass er grinst. "Gut, wo ist dein Kollege? Will er nicht rauskommen?" Seine Worte klingen höhnisch und es ist klar, dass er sich augenblicklich für mehr als nur überlegen hält. Ok, er ist überlegen. Vor allem da Bakura scheinbar nicht einzugreifen gedenkt. Er wartet noch einen Moment, dann schiebt er mich Richtung Tür. "Dann gehen wir mal." meint er und ich stolpere leicht nach vorne. Ich zucke zusammen als plötzlich Bakura vor uns auftaucht. Wo er herkommt, vermag ich nicht zu sagen. Plötzlich ist er da und versperrt uns den Weg. Die Augen des Diebes leuchten auf und seine Haltung ist so selbstgefällig, dass ich ihn schockiert anstarre. "Schön, wenigstens einer von euch scheint ja vernünftig zu sein." befindet der Bodyguard und drückt seine Waffe fester in meinen Rücken. "Mach die Tür auf." befiehlt er Bakura. "Ihr werdet micht jetzt begleiten und keine Mätzchen, sonst hat dein Freund eine Kugel im Rücken." Bakura verzieht spöttisch den Mund. Lässig verschränkt er die Arme vor der Brust und sieht den Mann abfällig an. Seine Haltung drückt klar aus, dass er nicht bereit ist, dieser Aufforderung Folge zu leisten. "Worauf wartest du?" zischt der Bodyguard, aber Bakura rührt sich nicht. Ungerührt sieht er den Mann an, wobei er es geflissentlich vermeidet mich anzusehen. "Beweg dich oder dein Freund..." "Er ist nicht mein FREUND!" entgegnet Bakura ruhig und ich glaube, der Mann ist genauso verdattert über diese Äußerung wie ich. Einen Augenblick habe ich das Gefühl, dass er stutzt, doch er fasst sich schnell wieder. "Wie auch immer, er ist jedenfalls tot, wenn du nicht gleich tust was ich sage." entgegnet der Mann. Barkura legt den Kopf leicht zur Seite. "Tatsächlich?" fragt er. "Und warum sollte mich das kümmern?" Wieder merke ich wie der Mann kurz stutzt. Scheinbar überlegt er ob er die Waffe auf Bakura richten soll und mir kommt der Gedanke, dass der Dieb vielelicht genau das bewirken will. Ist die Waffe erst auf ihn gerichtet, wäre ich vielleicht in der Lage den Mann zu überwältigen. Ich versuche dem Dieb einen Blick zu zu werfen, um ihm zu zeigen, dass ich seine Strategie verstehe, aber er ignoriert mich. Der Bodyguard gibt mir erneut einen Stoß und ich taumele nach vorne. Würde er mich nicht festhalten, würde ich sicher fallen. Sein Griff ist eisern und mein Schulter beginnt bereits zu schmerzen. Ob ich ihn tatsächlich überwältigen könnte. Bakura´s nächste Worte treffen mich wie ein Schlag. "Wissen sie, sie könnten mir eigentlich keinen größeren Gefallen tun als den Köter umzupusten. Ja, bei genauerer Betrachtung wäre ich ihnen sogar... verbunden, wenn sie es täten." meint der Weißhaarige lässig und grinst. "Bakura!" entfährt es mir entsetzt. Das kann doch nicht sein Ernst sein? Würde er tatsächlich so weit gehen? Ok, er mag Gefühle für Kaiba haben, aber würde er mich deshalb umlegen lassen? Gut, er könnte Kaiba erzählen, dass es nicht seine Schuld war, dass wir... Ich starre den Dieb fassungslos an. Ich habe ihm eine Menge zu getraut, aber das... Ich weiß nicht einmal was ich sagen soll. Der Bodyguard ist allem Anschein nach auch sprachlos oder verunsichert. Jedenfalls erwidert er nichts auf diese Äußerung, stattdessen scheint er zu überlegen. Eine Weile herrscht Schweigen. Dann seufzt Bakura. Ich spüre den Atem des Mannes in meinem Rücken und glaube, dass er gerade ansetzt etwas zu sagen, doch da löst Bakura seine verschränkten Arme und im nächsten Augenblick fliegt etwas durch die Luft. Ich halte den Atem an und erstarre augenblicklich. Der Mann hinter mir keucht und eine Sekunde später habe ich den Eindruck, dass es zu regnen beginnt. Flüssigkeit rinnt über meinen Nacken und der Griff des Mannes löst sich. Ein schreckliches Gurgeln lässt mich zusammen zucken und dann werde ich auch schon losgelassen. Die Pistole fällt zu Boden und ich schaffe es endlich den Kopf zu wenden. Vage nehme ich wahr, dass der Mann zu Boden sinkt. Dann beginnt sich alles vor mir zu drehen und ich sehe nur noch rot. Der Boden färbt sich mehr und mehr und ich vernehme ein dumpfes Aufprallen. Ich schließe die Augen, öffne sie aber direkt wieder und taste dann unsicher durch die Luft. Ich brauche Halt. Alles um mich dreht sich. Alles ist rot. Ich schmecke Magensäure und würge kurz, dann durchzuckt mich ein brennender Schmerz. Mein Gesicht fliegt zur Seite und ich brauche einen Moment, um zu begreifen. Meine linke Gesichtshälfte brennt wie Feuer, doch irgendwie schaffe ich es den Kopf wieder geradeaus zu drehen. Bakura grinst mich an. "Brech mir jetzt bloß nicht zusammen, Wheeler." meint er und ich starre ihn entgeistert an. Er hat mich geschlagen. Er hat mir eine Ohrfeige verpasst. Er mustert mich noch einen Moment skeptisch. "Geht es?" will er dann wissen und sein Tonfall ist jetzt sanfter. Ich nicke und er beugt sich zu dem Mann. Ich wage es nicht zu Boden zu blicken. Nein, ich will das Blut nicht sehen. "Ist er...?" frage ich vorsichtig. "Jepp." entgegnet Bakura lässig. "Ein Wurf, ein Treffer." Vage nehme ich wahr, dass Bakura nach etwas greift, im ersten Moment glaube ich, dass er die Pistole an sich nimmt, doch dann hält er ein Messer, eine Art Dolch in der Hand. "Sehr schön, ich kann es noch immer." meint er mehr zu sich selbst als zu mir und betrachtet vergnügt die Klinge. "Zum Glück hat uns niemand gehört, wie es scheint." sagt er dann und lächelt. "Da waren es nur noch zwei... läuft doch alles gut bislang." Er wendet mir den Rücken zu und ich starre ihn entgeistert an. "Gut?" frage ich fassungslos. "Das war verdammt knapp." Bakura zuckt mit den Schultern. "Ich weiß nicht was du hast, du lebst doch noch." erwidert er leise. Ich schüttele den Kopf. "Ja, aber..." Ich halte kurz inne. "Deine Worte eben... war das dein Ernst?" Ich bin nicht sicher, warum ich das fragen muss. Ein Teil von mir will glauben, dass es nichts als Manöver war, aber so sicher bin ich mir eben nicht. Bakura wendet mir leicht den Kopf zu und grinst. "Zum Teil ja." erwidert er gelassen und ich schlucke. "Aber keine Sorge, Hündchen. Ich werd dich weder erledigen, noch dich erledigen lassen. Ich habe Kaiba versprochen, dass ich dich unbeschadet zurückbringe und ich halte meine Wort." fährt er dann fort und zwinkert mir zu. "Vorerst bist du also sicher." Sein Grinsen wird breiter. "So, zurück zum Wesentlichen." Kapitel 52: Kleine Morde unter Freunden Teil 2 (Bakura) ------------------------------------------------------- Wheeler´s Gesichtsausdruck ist zu köstlich. Ich grinse ihn an, aber ich könnte genauso gut los lachen. Er wirkt wie ein begossener Pudel. So gesehen ist er das auch irgendwie, selbst wenn das Blut sich hauptsächlich auf seinem Nacken und der rechten Brusthälfte verteilt hat. Dass er besudelt ist, scheint er gerade nicht zu bemerken. Vermutlich sitzt ihm der Schreck noch in den Gliedern. Ich wusste, dass er sich nicht gut genug verstecken würde. Er ist ein schlechter Lügner und als Einbrecher taugt er auch nicht wirklich. Ständig macht er den Eindruck als würde er jeden Moment umkippen. Bei Ra, der kleine Hitzkopf ist wirklich zu albern. Ich hoffe nur, dass er mir bei der eigentlichen Show nicht aus den Latschen kippt. Warum Kaiba auch unbedingt darauf bestehen musste, dass mich dieser Hund begleitet. Aber darüber will ich augenblicklich gar nicht nachdenken. Ich kann mir denken, warum der Eisklotz ausgerechnet Wheeler mitschicken musste. Dabei wäre mir sogar der Pinguin lieber gewesen. Und mich dann auch noch anzuhalten, auf das Hündchen aufzupassen... "Du wirst ein Auge auf Wheeler haben. Wenn ihm etwas passiert, mache ich dich dafür verantwortlich, Bakura. Sieh es als oberste Priorität neben der Mission an. Haben wir uns verstanden?" Schlagartig vergeht mir das Grinsen. Wheeler und Kaiba... Wer hätte gedacht, dass es dazu kommen würde? Aber es ist eindeutig etwas zwischen den Beiden vorgefallen und ich frage mich die ganze Zeit wie weit die Sache wohl schon gediehen ist. Und vor allem, warum es mich kümmert? Dieser Wurm, Alister, warum musste er auch damit anfangen... Seine dämlichen Vermutungen und Unterstellungen. Als ob ich tatsächlich etwas für den Großkotz übrig hätte. Ha! "Wie gehen wir weiter vor?" fragt mich der Blonde und ich werfe ihm einen verächtlichen Blick zu. "Na, es sind nur noch zwei." entgegne ich spöttisch. "Eine ausgeklügelte Strategie dürfte demnach nicht nötig sein. Es sei denn, du stellst dich wieder so dämlich an wie gerade." Er wirft mir einen wütenden Blick zu, sagt aber nichts. Ich mustere ihn kurz abschätzend. Ob ich auch solch eine Wut auf den Köter hätte, wenn... Ich schüttele leicht den Kopf. Das tut nichts zur Sache, Kaiba tut nichts zur Sache und was zwischen den Beiden ist... Der Blonde ist ein Freund von dieser Pharaonenmade, ich konnte ihn noch nie leiden. Unwillkürlich muss ich an Atemu denken, der jetzt seinen Frieden gefunden hat und bei den Göttern verweilen darf. Ein Teil von mir beneidet diesen erbärmlichen Wurm. Ihm war es gestattet, Frieden zu finden... Ich dagegen muss weiterleben - fernab von allem was mir je etwas bedeutet hat. Ich erinnere mich daran, dass Ryou mir einst vorschlug doch nach Ägypten zu gehen. Der Kleine hätte mich sogar begleitet. Aber was hätte ich dort tun sollen? Das heutige Ägypten hat nichts mehr mit meiner Heimat zu tun. Es wäre nur schmerzlich gewesen, all die vertrauten Stellen zu sehen, festzustellen, dass der Zahn der Zeit daran genagt hat und alles was mir je wichtig war, zu Staub verfallen ist. Staub und Sand... Nichts wäre mehr da gewesen. Keines der Dörfer, keine Stadt. Weder der goldene Palast des Pharao´s noch der Tempel... Ich schlucke hart und bemühe mich die aufsteigenden Gedanken zu verdrängen, denn sie führen stets zum gleichen Ziel. Ich kenne es und ich will nicht an diesen Punkt gelangen, weil weder Wut, noch Hass, noch ein anderes Gefühl irgendwas daran ändern können, dass Seth... "Alles ok bei dir?" höre ich Wheeler plötzlich fragen und sehe, dass er mich doch tatsächlich besorgt ansieht. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Natürlich." zische ich ihn an und reiße mich wieder zusammen. "Es sind nur noch Siegfried und ein Bodyguard übrig." erkläre ich dann nüchtern. "Groß Alarm können sie nicht mehr schlagen, dafür hat Alister gesorgt. Wir brauchen also nur den Raum zu stürmen und dann können wir mit der Arbeit beginnen." Wheeler nickt und seine Haltung nimmt fast schon etwas gefügiges an, was mich augenblicklich sehr befriedigt. Sehr schön, immerhin weiß er wer hier der Boss ist. Wenigstens etwas, wenn er schon... Ich beiße mir hart auf die Unterlippe und trete zur Tür. Der Blonde wirft noch einen Blick auf den toten Mann am Boden und gibt sich dann einen Ruck und folgt mir. "Danke." raunt er verlegen als er neben mir steht und ich wische das Wort mit einem Augenrollen weg. Bei den Göttern der Unterwelt, hat der dämliche Kerl tatsächlich gedacht, dass ich ihn hängen lassen würde? Welchen Nutzen hätte ich davon gehabt? Ich muss allerdings zugeben, dass seine Reaktion mehr als nur amüsant war. Der Schrecken in seinen Augen, die unverhohlene Überraschung über meine Worte. Eine herrliche Mischung aus Angst, Unglaube und verzweifelter Wut. Eins muss man Wheeler lassen, seine Augen sind faszinierend. Jedes seiner Gefühle spiegelt sich darin wider und sein Gesicht ist wie ein offenes Buch. Ganz anders als bei Kaiba, der sich stets zu beherrschen weiß. Genau wie Seth verbirgt er sein Innerste, aber ich bin sicher, dass es Momente gibt... kurze Augenblicke, in denen die Mauern fallen und dann... "Im Tempel meines Herzens wird immer ein Licht für dich brennen, Bakura! Möge die Finsternis in dir noch so groß sein, dieses Licht gehört einzig dir." Verflucht noch mal, ich will nicht an Seth denken. Und auch nicht an Kaiba. Leise gehe ich über den Flur und Wheeler folgt mir auf den Fersen. Aus einem der Zimmer höre ich deutlich Stimmen, aber sie kommen nicht von jemandem im Raum. Der Fernseher läuft würde ich vermuten. Nun gut, umso besser. Das heißt, wenigstens eine der Personen wird abgelenkt sein. Aber im Grunde spielt es keine Rolle. Ich wende mich zu Wheeler um und drücke ihm den Koffer in die Hand. "So, Kleiner, sieh zu und lerne." sage ich leise und grinse. "Und steh mir nicht im Weg." Er erwidert nichts, presst den Koffer lediglich etwas unsicher an seine Brust und ich atme tief durch. Dann gebe ich der Tür einen Tritt und sie gibt mit einem dumpfen Geräusch nach. Im nächsten Augenblick bin ich auch schon im Raum. Eine hagere Person mit einer abscheulichen Frisur sitzt an einem großen Schreibtisch, eine andere sitzt auf dem Sofa. Der Bodyguard reagiert recht schnell. Mit einem Satz ist er auf den Beinen und schickt sich an, seine Waffe zu ziehen. Ich werfe das Messer noch bevor er in der Lage ist, die angedachte Bewegung auszuführen. Die Klinge bohrt sich in seinen Unterarm und er stöhnt auf, schickt sich aber dann an, das Messer zu entfernen. Sehr schön, also habe ich es hier nicht nur mit inkompetenten Amateuren zu tun. Aus dem Augenwinkel nehme ich war, dass auch der Rosane endlich reagiert. Er gibt ein erstauntes Geräusch von sich und schiebt seinen Stuhl nach hinten um aufzustehen. Er scheint unbewaffnet zu sein, denn seine Hände bewegen sich planlos. Der Bodyguard hat endlich seine Waffe gezogen und hat auch schon den Couchtisch umrundet. Einen Moment überlege ich, wie ich ihn am Besten ausschalten soll. Das Einfachste wäre, die Pistole zu benutzen, die ich bei mir trage, aber ich kann Schusswaffen nicht wirklich etwas abgewinnen. Sie stellen keine Herausforderung da. Also mache ich einen Satz auf ihn zu. Gerade als er den Mund aufmachen will, um vermutlich so etwas bescheuertes wie "Hände hoch" zu sagen, kicke ich ihm auch schon mit einem gezielten Tritt die Waffe aus der Hand. Dann packe ich seinen Arm und drehe ihn auf den Rücken. Mein Blick fällt auf den Rosanen, der wie angewurzelt da steht und mich anstarrt. Große Gegenwehr ist von dem Männchen nicht zu erwarten. Na, gut, dann eben nicht. Ich blicke zu Wheeler, der in der Tür steht, den Koffer an seine Brust gepresst und die Szene erschrocken und auch fasziniert beobachtet. "Schnapp dir die Knarre." herrsche ich ihn an. Er braucht scheinbar ein paar Sekunden, um den Befehl zu verstehen. Einen Augenblick sieht er mich verständnislos an, dann setzt er sich in Bewegung und hebt die Pistole auf. Ein Blick genügt, um zu erkennen, dass er nicht unbedingt Kenntnis vom Umgang mit Waffen hat und ich hoffe, dass der Köter sich nicht in der nächsten Sekunde in den Fuss schießt. Der Bodyguard versucht sich meinem Griff zu entwinden, aber ich halte ihn eisern fest. "Gib´s auf, dann hast du eine Chance, das hier zu überleben." sage ich, aber mein Tonfall scheint ihn nicht zu beeindrucken. Er windet sich weiter und tritt mir auch noch ans Schienbein. Ich seufze und angele nach dem zweiten Messer. Eine Sekunde später spürt er es auch schon an seiner Kehle und der Widerstand endet erpubt. "So ist es brav." befinde ich und löse mich etwas von ihm. Das Messer streift über seinen Hals zu seinem Rücken. Das Gefühl der Klinge scheint seinen Kampfgeist gebrochen zu haben. Er steht jedenfalls regunglos da. Ich bohre ihm das Messer in den Rücken und lasse dann langsam seinen Arm los. Ich ahne, dass er diese Gelegenheit doch zu nutzen gedenkt, aber ich habe andere Pläne. Ich verpasse ihm einen harten Schlag auf den Kopf und er sinkt wie ein Sack zu Boden. "Fessel den Kerl." befehle ich Wheeler und wende mich Siegfried zu, der noch immer wie zur Salzsäule erstarrt an seinem Schreibtisch steht und mich fassungslos ansieht. Ich höre wie Wheeler den Koffer öffnet und gehe mit einem Grinsen auf den rosanen Fuzzi zu. Es dauert einen Moment, dann geht ein Ruck durch seinen Körper und er scheint zu sich zu kommen. Er weicht ein Stück zurück. "Was soll das? Wer-?" hebt er an. Seine Stimme klingt fester als ich gedacht hätte, allerdings hat er eine nervige Tonlage. "Kaiba hatte Recht, deine Frisur ist abscheulich." unterbreche ich ihn ruhig und seine Augen weiten sich noch mehr. Sie quellen regelrecht aus den Höhlen und ich sehe ihm an, dass er den Wink versteht. "Kaiba." presst er im nächsten Augenblick auch schon hervor. Ich nicke gemächlich und zu meinem Erstaunen lässt er sich in seinen Sessel fallen. Ich höre wie Wheeler aufstöhnt und werfe einen Blick über die Schulter. Die Füsse des Bodyguard´s hat er bereits verschnürt und dreht nun den schlaffen Körper zur Seite. Mit der Aufgabe scheint er jedenfalls klar zu kommen. Ich wende mich wieder Siegfried zu, der fassungslos und entsetzt in seinem Sessel sitzt und vermutlich weiß was folgen wird. Ich grinse noch breiter. Er denkt, er weiß es. Er hat keine Ahnung, aber das ist ja das vergnügliche an diesem Teil der Mission. "Du weißt warum wir hier sind?" frage ich obgleich ich die Antwort kenne. Er reagiert nicht gleich. Wieder geht ein Ruck durch seinen Körper und ich glaube ein leichtes Nicken wahrzunehmen. Ich mache noch einen Schritt auf ihn zu, umrunde dann den Schreibtisch und lasse mich lässig darauf nieder. "Ja, genau." sage ich in süffisantem Plauderton. "Unser gemeinsamer Freund ist nicht sonderlich erbaut darüber, dass du komische Figur etwas mit seinen jüngsten Schicksalsschlägen zu tun hast." Er beobachtet mich ganz genau und ich stelle belustigt fest, dass er noch eine Spur blasser wird. Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst und werden immer mehr zu einer blassen Linie. Ich lächele ihn an, dann seufze ich. "Man könnte sagen, der gute Kaiba ist alles andere als amused." fahre ich in meiner Rede fort. "Ich schätze, du kannst dir denken, was das bedeutet, oder?" Dieses Mal reagiert er nicht, ich lasse ihm dennoch Zeit. Wheeler tritt zu uns und für einen Moment huscht der Blick des Deutschen zu ihm. Ich sehe ihm deutlich an, dass der das Hündchen erkennt. "Wir sind hier, weil wir ein paar Informationen wollen." erkläre ich weiter. Siegfried sieht weiterhin Wheeler an. "Und, um dir eine Lektion zu verpassen." Jetzt habe ich wieder seine Aufmerksamkeit und seine Augen spiegeln noch eine Spur mehr Schrecken wieder. "Ich kann alles erklären... Ich werde sagen, was..." stammelt der Deutsche los und ich nicke nachsichtig. "Natürlich wirst du das." sage ich mit beruhigender, schmeichelnder Stimme. "Ich weiß, dass du kooperieren wirst." Mein Tonfall täuscht ihn keineswegs, aber das habe ich auch nicht erwartet. Die Wenigsten werden davon getäuscht, wenn man in solch einer Situation so sanft mit ihnen redet. Nur sehr, sehr dumme Menschen hoffen dann tatsächlich, dass der Kelch an ihnen vorüber zieht, aber der Kerl hier mag aussehen wie ein Idiot, er ist aber keiner. Er begreift schlagartig und das ist das Hübsche daran. Ich wende mich an Wheeler, der mit ausdrucksloser Miene da steht und etwas blass um die Nase ist. "Siehst du die Angst in seinen Augen? Er ist jetzt schon gebrochen." meine ich und Wheeler´s Augen wandern zu mir. "Er versucht nichts abzustreiten und will direkt kooperieren. Schwächliche Kreaturen reagieren immer so." erkläre ich weiter und richte meinen Blick dann wieder auf Siegfried. "Ich wette, dass er zu der Sorte gehört, die sich im Laufe des Ganzen in die Hose machen wird." fahre ich fort und sehe wie der Deutsche hart schluckt. Rote Flecken bilden sich in seinem blassen Gesicht und machen seine Erscheinung noch amüsanter. Ich lege den Kopf schief und beäuge ihn nachsichtig lächelnd. "Keine Sorge, das muss dir nicht peinlich sein. Den Meisten geht es so. Es ist nur natürlich. In bestimmten Momenten hat man seine Körperfunktionen nicht mehr unter Kontrolle." Ich zucke mit den Schultern. Dann erhebe ich mich langsam und mache eine galante Bewegung, die Siegfried bedeuten soll sich zu erheben. "Wenn ich bitten darf..." Er rührt sich nicht. Ich lächele ihn sanft an. "Es würde die Dinge vereinfachen, wenn du aufstehst." erkläre ich. "Ich kann dich natürlich hochzerren, aber das wäre dann sicher nicht ganz so bequem für dich." Siegfried macht keinerlei Anstalten sich zu rühren und ich schätze, in seinem Kopf läuft es auf Hochtouren. Er fragt sich, wie er reagieren soll, wie er reagieren kann. Ich bemerke, dass er seinen Blick kurz Wheeler zuwendet, der schweigend da steht und ich verkneife mir ein Grinsen. Wahrscheinlich wird er gleich versuchen, sich an den Blonden zu wenden. Er kennt ihn und er ahnt, dass Wheeler bei diesem Spiel der Gute ist. Also wird er versuchen, den Köter auf seine Seite zu ziehen. Ja, ich schätze, er überlegt sich gerade eine Strategie. Einschmeicheln, Gemeinsamkeiten aufzeigen, Versprechungen, an die Vernunft appellieren. Ich kenne die ganze Leier zur genüge und doch amüsiert es mich jedes Mal auf´s neue, wie verzweifelt jemand in solchen Augenblicken, um sein Leben kämpft. Jedes Mittel ist recht. Warum auch nicht? Man sollte auch nichts unversucht lassen. Schließlich haben die Meisten nur ein Leben im Gegensatz zu mir. Der Deutsche überlegt noch immer und ich frage mich, was er als erstes versuchen wird. Dieser Punkt des Spiels ist schwer vorherzusehen. Es hängt von vielen Faktoren ab, die menschliche Variabele lässt sich selten berechnen, aber genau das macht es ungemein spannend. Ich würde darauf wetten, dass er versuchen wird uns Geld anzubieten. Diesen Versuch starten die Meisten und dabei ist er der Abwegigstes von allen, aber auch wenn das Opfer in dieser Situation verzweifelt bemüht ist, sich sein logisches Denken zu bewahren, um sich aus der Lage zu befreien, und es auch bis zu einem Teil sogar vermag, so verkehrt sich die Logik ins Paradoxe. Ich seufze theadralisch und Siegfried´s Blick richtet sich wieder auf mich. "Hör zu." fordere ich ihn auf. "Ich will dir nichts vormachen." Der Deutsche blinzelt und aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Wheeler mich ansieht. "Es ist mir eigentlich vollkommen egal, was du weißt oder nicht weißt." fahre ich fort. "Weil ich dich in jedem Fall foltern werde. Ganz unabhängig davon, was du mir erzählst." Ich mache eine kurze Pause, um meine Worte sacken zu lassen, dann fahre ich in ruhigem Plauderton weiter fort: "Es ist für mich amüsant, jemanden zu foltern, verstehst du? Also, im Grunde kannst du mir erzählen was du willst." Ich zucke mit den Schultern. "Und gleichgültig was du zu versuchen gedenkst, um dein erbärmliches Leben zu retten. Ich habe alles schon einmal gehört. Du kannst die Sache für dich nur angenehmer machen, das ist die einzige Option, die du hast. Wenn du mir brav erzählst, was ich wissen will, nun, dann bin ich vielleicht gnädig und gewähre dir einen schnellen Tod. Verstehst du was ich meine?" Kapitel 53: Befreiungsschlag Teil 1 ----------------------------------- Ich verspüre eine Stich als wir uns der Person nähern, die zusammengerollt in der Ecke des Kellers kauert. Odion hält den Atem an und ich sehe deutlich seine Bestürzung. Mit einem Satz ist der Ägypter auch schon bei seinem Freund. "Marik." höre ich Odion heiser sagen und trete ebenfalls näher. Es dauert einen Moment bis der Kleine am Boden ein Geräusch von sich gibt. Im Schein der Taschenlampe nehme ich allerdings wahr, dass er atmet. Der Brustkorb hebt und senkt sich. Odion hat den Kopf des Jüngeren auf seinen Schoss gebettet und streichelt ihm beruhigend über den Kopf. Ich beuge mich ebenfalls zu dem Jungen. Auf den ersten Blick erkenne ich, dass man alles andere als zimperlich mit ihm umgegangen ist. Deutlich zeichnen sich Kratzer in seinem Gesicht ab und getrocknetes Blut kündet von Verletzungen. Ich nehme das Handgelenk des Jungen und fühle den Puls. Er geht flach, aber regelmäßig, genau wie die Atmung. Es dauert einen Augenblick bis Marik zu sich kommt. Vorsichtig öffnet er die Lider und ich richte die Taschenlampe in eine andere Richtung, um ihn nicht zu blenden. Sein Blick richtet sich sofort auf Odion und ich sehe wie seine Pupillen sich weiten. "O-Odion." kommt es tonlos über seine Lippen und der große Ägypter lächelt ihn an. "Wir sind bei dir." Seine Stimme ist sanfter als man sie von einem Mann seiner Statur annehmen würde. Marik´s Miene spiegelt Unglaube und Erstaunen wider und zaghaft richtet sich sein Blick auf mich. Ich lächele den Jungen an. "Wir holen dich hier raus." versichere ich ihm und bin nicht sicher ob er mich auf Anhieb erkennt. Doch dann keucht er: "Mokuba..." Ich halte den Atem an, wage es aber nicht die Frage zu stellen, die auf meiner Zunge liegt. Der Junge ist noch nicht ganz bei sich und ein Blick auf seinen Körper genügt, um zu zeigen, dass die Entführer alles andere als sanft mit ihm umgegangen sind. Sein Hemd ist zerrissen und ich sehe große blaue Flecken auf seiner Brust. "Er ist hier." sagt er leise und sieht mich erstaunlich fest an. Ich atme erleichtert auf. Ich nicke, um ihm zu zeigen, dass ich verstanden habe und sein Blick wandert wieder zu seinem Halbbruder. Odion lächelt ihn noch immer an. Die Sorge ist aus seinem Gesicht gewichen und ich sehe deutlich die Erleichterung in seinen Augen. Ja, ich glaube, sogar Tränen darin zu erkennen und ich kann es ihm nicht verdenken. Ich überlege kurz. Marik ist eindeutig verletzt. Als man ihn aufgegriffen hat, hat er sicher Widerstand geleistet, aber wer auch immer ihn gefasst hat, war eindeutig stärker oder in der Überzahl. Dass er verprügelt wurde, ist nicht zu übersehen. Folglich wird er keine große Hilfe sein, wenn es darum geht, Mokuba zu befreien. Er braucht selbst Hilfe. Meine Entscheidung ist daher schnell getroffen. Der Ägypter hat mir ohnehin genug geholfen, mehr als ich je für möglich gehalten hätte. Ich wende mich an Odeon. "Bring ihn hier weg." sage ich und er sieht mich erstaunt an. Ich nicke, um meine Aussage zu bekräftigen. "Er muss versorgt werden." erkläre ich. "Ich werde Mokuba alleine befreien." Ich sehe dem Ägypter deutlich an, dass er mit sich ringt. Einerseits will er nichts lieber tun als seinen Bruder in Sicherheit bringen, andererseits möchte er mich nicht im Stich lassen. "Keine Sorge, ich komme schon klar." versichere ich ihm. Marik hebt leicht seinen Arm, ein stummer Versuch zu protestieren und ich sehe ihn eindringlich an. "Du hast mir sehr geholfen und ich bedauere, dass du meinetwegen in diese Situation geraten bist." sage ich ernst. "Den Rest werde ich alleine erledigen." Meine Stimme mag sanfter sein, als man es von mir gewohnt ist, aber sie duldet dennoch keinen Widerspruch. Der Junge nickt leicht und ich gebe Odion ein Zeichen. Gemeinsam helfen wir Marik aufzustehen. Im ersten Moment müssen wir ihn noch stützen, doch dann deutet er uns an, dass er stehen kann. "Es geht... ich... mir ist nur schwindlig." erklärt er und ich nicke. jetzt erst registriere ich die Platzwunde an seinem Kopf. "Bringen wir ihn nach oben." Odion nickt und gemeinsam stützen wir Marik, der sich zwar recht sicher, aber noch immer langsam bewegt. An der Treppe gehe ich voraus und spähe vorsichtig nach allen Seiten. Niemand scheint unser Erscheinen bisher bemerkt zu haben. Es war ein leichtes in den Keller zu kommen. Die Tür war zwar versperrt, aber das Schloss so dürftig, dass Bakura gelacht hätte. Ich winke Odeon zu und nimmt Marik auf seine Arme. Behutsam trägt er den Jungen nach oben. Ich halte die Tür auf und Odeon schreitet an mir vorbei zu dem Zimmer in das wir eben eingestiegen sind. Ich folge ihm nachdem ich die Tür wieder lautlos geschlossen habe. "Schaffst du es ihn hier wegzubringen?" will ich wissen. Odeon nickt. Marik liegt wie eine Puppe in seinen Armen. "Ich kann laufen." sagt der Junge leise, aber sowohl Odeon als auch ich ignorieren diesen Einwurf. Am Fenster gibt mir Odeon den Jungen auf die Arme und steigt dann nach draußen. "Ich komme zurück sobald ich Marik in den Laden gebracht habe." meint der Ägypter und ich nicke nur. Vorsichtig schiebe ich Marik durch das Fenster. Gerade als ich mich abwenden will, hält Marik mich am Arm fest. "Kaiba." sagt er und ich sehe ihn fragend an. "Diese Kerle... sie... ich weiß nicht wer sie sind, aber sie... sind gefährlich. Einer von ihnen ist... ich habe noch nie einen Mann so kämpfen gesehen." warnt mich der Junge und ich nicke. "Danke, Marik." entgegne ich und nicke Odeon zu. Der versteht meine Aufforderung und presst den schmalen Körper des Jungen fest an seine Brust. Im nächsten Moment ist der Ägypter auch schon in der Dunkelheit verschwunden und ich wende mich wieder in Richtung Tür. Fünf Personen sind im Haus, demnach habe ich mit vier Gegnern zu rechnen. Ich bin sicher, dass man Mokuba im ersten Stock gefangen halten wird. Zwei Personen sind bei ihm. Die anderen hier unten im Erdgeschoss. Ich muss also eine Möglichkeit finden, die zwei Personen hier unten auszuschalten ohne, dass es ihnen gelingt, die anderen zu alarmieren, denn wenn das passiert, könnten die Entführer, Mokuba als Druckmittel verwenden und ich müsste mich sofort geschlagen geben. Nein, Mokuba darf auf keinen Fall gefährdet werden. Ich überlege einen Moment wie ich am effektivsten vorgehen soll. Ich könnte mich bemerkbar machen, vielleicht würde eine der Personen allein nachsehen... Aber das Risiko ist zu groß. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und versuche die Personen genauer zu lokalisieren. Die Umrisse des Wärmebildes zeigen, dass sie sich recht nah beieinander aufhalten. Oben jedoch befinden sich zwei Personen in einem Raum, eine Dritte allein in einem anderen. Entweder ist Mokuba demnach alleine in einem Zimmer eingesperrt, was ich für wahrscheinlich erachte oder ein Aufpasser ist bei ihm. Wenn ich zu Mokuba gelangen könnte, ohne dass man mich bemerkt, wäre es theoretisch sogar möglich, mit ihm von hier zu verschwinden ungeachtet der Tatsache, dass uns jemand bemerkt. Das wäre natürlich optimal, wenn auch recht unwahrscheinlich. Dennoch käme es auf einen Versuch an. Falls Mokuba nicht in diesem Raum ist, wäre es immerhin noch möglich einen Entführer auszuschalten ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Bedauerlicherweise vermag ich es nicht die genaueren Umrisse der Zimmer festzustellen. Ich werde mich also blind vortasten müssen. Ich zögere noch einen Moment, dann entscheide ich mich diesen Versuch zu wagen. Ich verlasse das Zimmer und leuchte kurz den Flur entlang, um mir etwaige Stolperfallen einzuprägen. Es müssten ungefähr neun Schritte bis zum Treppenabsatz sein. Ich lösche das Licht und schreite leise voran. Aus einem der Zimmer dringt spärlich Licht und ich vernehme auch deutlich Stimmen. Einen Moment verweile ich vor der Tür und lausche. Es scheint als würden die Beiden Karten spielen. Gut, dann sind sie abgelenkt. Ich darf nur keinen Laut von mir geben oder eine falsche Bewegung machen. Vorsichtig taste ich mich voran genau wie Odeon und ich es vorhin auf der Suche nach der Kellertür gemacht haben. Neun Schritte und ich habe die Treppe erreicht. Oben ist nichts zu sehen. Nicht einmal, in welchem der Zimmer Licht brennt. Wenn ich mir vorhin alles richtig gemerkt haben, müssten es die nördlich gelegenen sein. Dieses Mal benutze ich das Handydisplay, um die Treppe kurz zu erleuchten. Zwölf Stufen. Vorsichtig setze ich meinen Fuß auf die Erste, um anzutesten ob die Treppe knarrt. Kein Geräusch ist zu vernehmen. Dennoch entspanne ich mich keineswegs. Ich lege meine Hand auf den Treppenlauf und setze den zweiten Fuß auf die dritte Stufe. Zu meiner Erleichterung knarrt das Holz unter meinen Füßen nur kaum merklich. Zaghaft schreite ich voran, immer zwei Stufen auf einmal nehmend und spüre wie meine Hände leicht feucht werden. Mein Herz schlägt immer noch erstaunlich ruhig und ich bemühe mich auch genauso ruhig zu atmen. Ich halte erleichtert inne als ich den oberen Treppenabsatz erreicht habe und sehe mich erst einmal um. Genau wie ich vermutet hatte, sind es die nördlichen Räume, aus denen schwach Licht dringt. Beide Räume liegen direkt nebeneinander. Erneut checke ich via Handy die Lage. In dem rechten Zimmer ist eine Person, im Linken zwei. Langsam trete ich zu der rechten Tür und lausche. Kein Geräusch ist zu vernehmen, aus dem anderen Raum dagegen ertönt gedämpft die Stimme einer Person. Ein Mann redet. Ich verstehe zwar nicht ganz was er sagt, aber an den wenigen Bruchstücken erkenne ich, dass er sich garantiert nicht mit Mokuba unterhält. Sehr gut, das heißt mein Bruder ist allein im rechten Zimmer. Bleibt lediglich die Frage, ob die Räume miteinander verbunden sind. Da ich keinen Grundriss des Hauses besitze und es auch nicht anderweitig feststellen kann, ist es schwer zu sagen wie es sich verhält. Es wäre sicherlich möglich, dass es eine Verbindungstür gibt, vielleicht sind die Räume auch anderweitig miteinander verbunden. Wenn es nur möglich wäre, Mokuba ein Zeichen zu geben, damit er mir helfen könnte... Ich überlege fieberhaft ob es solch eine Möglichkeit gibt, aber mir will nichts einfallen. Es scheint als würde ich es auf gut Glück versuchen müssen. Ich schleiche zurück zu der rechten Tür und lege vorsichtig meine Hand auf den Knauf. Er klickt leicht als ich ihn zu drehen versuche, doch die Tür lässt sich nicht öffnen. Damit hatte ich allerdings gerechnet. Ich gehe in die Hocke und begutachte kurz das Schloss. Im Dunkeln lässt sich nicht wirklich was erkennen, doch mit dem Handy gelingt es mir, die Tür spärlich zu erleuchten. Zu meiner Erleichterung ist es ein ganz normales Schloss. Ich krame in meiner Tasche und ziehe den Dietrich hervor, den Bakura mir vor der Abreise gegeben hat. Zwar wäre ich auch ohne die Anleitung des Diebes in der Lage gewesen, die Tür zu öffnen, aber Bakura´s kurze Instruktion eröffnete mir noch einen weitaus schnelleren und vor allem lautloseren Weg. "Fingerspitzengefühl ist alles, Kaiba. Schalt dein Denken aus und konzentrier dich auf die Geräusche. Die Tür sagt dir dann, wie sie geöffnet werden will." Im ersten Moment hatte ich den Weißhaarigen belächelt. Die Worte erschienen mir absurd, aber er hatte Recht. Zaghaft schiebe ich das dünne Metall in das Schloss und lausche. Ja, der Dieb hatte Recht. Die Tür sagt mir tatsächlich wie ich sie öffnen soll. Langsam drehe ich den Dietrich im Schloss und vernehme ein kaum merkliches Knacken. Als das Schloss nachgibt, richte ich mich schlagartig wieder auf und öffne die Tür einen Spalt und spähe ins Innere. Nichts ist zu sehen. Nichts außer ein paar Möbeln, die man mit Leinentüchern verdeckt hat. Ich atme tief ein und schiebe eine Hand ins Innere, umfasse die Tür und drücke sie ein klein wenig auf, um Platz zu schaffen mich ins Innere zu schieben. Einen Moment überlege ich ob es ratsam wäre, die Waffe aus dem Gewand zu ziehen, aber ich tue es nicht. Ich schiebe mich vorsichtig ins Innere und mein Herz macht einen Sprung. Kaum habe ich um die Ecke gespäht, rüber zu der Seite hinter der Tür, sehe ich meinen Bruder. Mokuba liegt geknebelt auf einem Bett, die Augen geschlossen. Anders als bei Marik sieht man ihm nicht an, ob ihm Gewalt angetan wurde. Aber er wurde gefesselt und eine dicke Eisenkette hält seine Füße zusammen und ihn an den Bettpfosten gebunden. Mein Blick kann sich nur schwer von der reglosen Gestalt losreißen, doch ich zwinge mich den Raum zu begutachten. Es gibt tatsächlich eine Verbindungstür. Sie ist offen. Der Mann im Nebenzimmer redet noch immer. Die Stimme ist mir unbekannt, sein Tonfall eindeutig der eines Engländers. Ich schiebe mich ein Stück vor und bin erleichtert, dass die Tür nicht knarrt oder der Boden unter meinen Füßen einen falschen Laut von sich gibt. Das Bett auf dem Mokuba liegt ist vom Nebenzimmer ebensowenig sichtbar wie die Tür. Wenigstens etwas Glück scheine ich zu haben, allerdings werde ich ganz sicher nicht kampflos mit Mokuba von hier verschwinden können. Doch wenigstens vermag ich es zu verhindern, dass man Mokuba als Geisel einsetzt. Vier Schritte und ich bin beim Bett. Behutsam presse ich eine Hand auf den Mund meines Bruders und im gleichen Moment schreckt er auch schon auf. Meine Hand dämpft das Geräusch, dass er von sich gibt. Der Knebel ebenso. Ich nicke ihm warnend zu und Mokuba versteht sofort. Langsam löse ich meine Hand wieder von ihm. Seine Augen sind weit aufgerissen und ich sehe deutlich die Erleichterung in ihnen, aber auch Sorge. Ich beuge mich zu ihm und küsse seine Stirn. Ich wage es nicht etwas zu sagen. Daher versuche ich ihm mittels Blickkontakt zu erklären, dass er still sein soll und ich versuchen will seine Fesseln zu lösen. Er nickt und ich lächele. Was für ein tapferer kleiner Mann. Mein Herz rast jetzt und ich würde ihn zu gerne in meine Arme ziehen, aber ich wage es nicht. Ich drehe ihn stattdessen leicht auf die Seite und betrachte seine Handfesseln. Diese zu lösen ist kein Problem. Es ist nur ein eng gebundener Strick. Mokuba rührt sich nicht als ich mich anschicke, seine Hände zu befreien. Er sieht mich nur mit großen Augen an. Es dauert nur ein paar Sekunden und seine Arme sind frei. Vorsichtig nehme ich ihm den Knebel aus dem Mund. "Bleib liegen." versuche ich ihm durch einen Blick zu sagen und Mokuba versteht. Er rührt sich nicht. Er atmet nur erleichtert auf. Mein Blick wandert zu der Kette. Die zu lösen wird weitaus schwerer. Vor allem, wenn ich keinen Krach schlagen will. Bakura würde es sicherlich ohne Geräusch schaffen, ob ich so gut bin, bezweifle ich. Daher entscheide ich mich dafür, mich erst um die Männer im Nebenraum zu kümmern. Ich beuge mich tief über Mokuba und flüstere so leise ich kann: "Warte." Dann bedeute ich ihm mit einem Kopfnicken, was ich vorhabe. Er blinzelt, um mir anzuzeigen, dass er versteht. Ich erhebe mich widerwillig und mache einen Schritt auf die Tür zu. Jetzt gilt es schnell zu sein. Ich habe nur einen Versuch. Ist der Überraschungseffekt auf meiner Seite, vermag ich es vielleicht die beiden Kerle auszuschalten, ohne dass sie Alarm schlagen. Für den Fall, dass es mir nicht gelingt, kann ich immer noch die Türen verbarrikadieren, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass das jemanden lange aufzuhalten vermag. Wenn ich nur so etwas wie einen Schalldämpfer hätte, dann bräuchte ich nur zwei gezielte Treffer zu landen. Einen Moment stehe ich da und bin unschlüssig wie ich am sinnvollsten Vorgehen soll. Dann wende ich mich zurück in Richtung Tür und verschließe sie lautlos. So entgehe ich wenigstens vorerst einer unliebsamen Überraschung von der Seite. Mokuba beobachtet mich aufmerksam. Ich lächele ihm aufmunternd zu. Wie gerne würde ich ihm sagen, dass alles gut wird. Ich hoffe, er liest es in meinen Augen. Langsam nähere ich mich wieder der offenen Tür. Der Mann redet immer noch. Kapitel 54: Kleine Morde unter Freunden Teil 3 ---------------------------------------------- Merci mal wieder für die tollen Kommis! Ich freue mich, dass euch die Story immer noch gefällt und ihr eifrig mitfiebert. "So ist es brav." sagt Bakura zufrieden und lächelt Siegfried so freundlich an, dass mir ein Schauder über den Rücken läuft. Der Deutsche hat sich wie eine Puppe in die Mitte des Raumes führen lassen und Bakura wies mich an, einen Stuhl beizuziehen. Den Koffer hat der Dieb auf einem Beistelltisch abgestellt und ist nun dabei etwas Kabel zu entrollen. "Ich weiß, du würdest nicht versuchen wegzulaufen." meint der Weißhaarige und dieser unheimlich sanfte, ruhige Plauderton mit dem er spricht, verschafft mir unwillkürlich eine Gänsehaut. Fast schon behutsam nimmt er Siegfried´s Hände und legt sie auf die Lehnen des Stuhls. "Schön." befindet er und greift zum Kabel. "Zum einen gehört das Fesseln einfach dazu, auch wenn es natürlich ein Klischee sein mag, und zum anderen..." Er hält kurz inne und wickelt das Kabel um Arm und Stuhllehne. "Wollen wir ja nicht, dass unser Freund hier plötzlich erschreckt. Das würde die Arbeit behindern und das Kunstwerk vielleicht sogar ganz zerstören." Bakura lächelt mich an und widmet sich dann dem anderen Arm. Ich stehe einfach nur da und beobachte sein Treiben und versuche irgendwo zu verstehen was er meint und vor allem... Nein, ich weiß natürlich was er vor hat. Gut, ich bin mir nicht sicher wie genau das aussehen wird, aber ich habe zumindest eine Ahnung. Was sich mir verschließt, ist die Art wie er vorgeht. Er wirkt geradezu erschreckend entspannt und redet sowohl mit mir als auch mit Siegfried als würde er einen Heimwerkerkurs leiten. Und ich glaube, das ist das wirklich entsetzliche an der Situtation gerade. Siegfried sitzt vollkommen regungslos da. Nach Bakura´s Ansprache ist jede Farbe aus seinem Gesicht gewichen und wie ein Roboter folgte er den Anweisungen den Diebes. Einen Moment habe ich fast den Eindruck als würde er sich in Trance befinden, doch als Bakura seine Beine an den Stuhl bindet, zuckt er kurz. Der Dieb richtet sich wieder auf. "So, das war die Vorarbeit." erklärt er und lächelt Siegfried an. "Ich werde dir jetzt die weitere Vorgehensweise erläutern." Der Deutsche reagiert nicht, es scheint fast so als blicke er durch ihn hindurch. "Du weißt, was ich wissen will, nicht wahr?" fragt er und streichelt im nächsten Augenblick fast zärtlich über Siegfried´s Wange. Diese Geste scheint den Mann vollkommen aus seiner Lethargie zu reißen. Ich sehe wie seine Pupillen wieder größer werden und er den Kopf zur Seite dreht. Ein undefinierbarer Ton kommt über seine Lippen, aber er sagt nichts. Bakura nickt versonnen. "Ich schlage vor, du beginnst deine Geschichte am Anfang." meint er nach kurzem überlegen. "Ja, erzähl uns alles von Anfang an. Und solltest du was vergessen... Nun, wir haben Zeit, nicht wahr, Joey?" Bakura sieht mich fragend an und ich nicke leicht. Sein Lächeln wird zu einem Grinsen. Langsam wendet er sich wieder Siegfried zu und einen Moment scheint es als würde er überlegen. "Ich sollte dir vielleicht erst einmal die Spielsachen zeigen, die ich mitgebracht habe." höre ich ihn dann sagen und für einen Moment kann ich Siegfried´s Grauen förmlich riechen und teile es sogar. Bakura wendet sich dem Koffer zu und ich sehe wie der Deutsche ihm mit dem Blick folgt. Bakura kramt in dem Koffer und bringt schließlich eine kleine Zange zum Vorschein. Er zeigt sie Siegfried und ich sehe wie dieser zusammenzuckt. "Weißt du, eigentlich hatte ich vor dich mit meinem neuen Spielzeug zu bearbeiten." erzählt Bakura. "Einer wunderschönen Bohrmaschine. Aber bedauerlicherweise musste ich sie im Hotel zurücklassen. Dabei hatte ich so eine hübsche Idee..." Der Weißhaarige seufzt. "Diese Amerikaner... sie sind wirklich interessant." fährt er dann fort und ich frage mich unwillkürlich worauf er hinaus will. Siegfried ist sichtlich bemüht die Contenance zu bewahren, aber ich sehe dass er schwerer atmet. "Neulich habe ich von einem sehr, sehr charmanten Mann gelesen." fährt Bakura fort. "Der Kerl hatte recht kreative Ideen. Weißt du, was er so vor hatte?" Er sieht Siegfried fragend an und etwas an seinem Blick scheint den Gefesselten dazu zu bringen, den Kopf zu schütteln. Bakura lächelt nachsichtig. "Keine Sorge, ich habe nicht erwartet, dass du das weißt." meint der Dieb gnädig. "Also, dieser Typ... er meinte, wenn man jemandem direkt in die Schädeldecke ein Loch bohrt und dieses dann mit Säure füllt, man so seinen eigenen, kleinen Lustsklaven erschaffen könnte." Ich schlucke hart und weiß nicht was mich mehr erschreckt, Bakura´s vollkommen gelassener Tonfall oder die fast schon anerkennende Art wie er über diesen Irren redet. Ich muss mir ins Gedächnis rufen, dass Bakura die Nummer möglicherweise nur abzieht, um Siegfried zu erschrecken. Ja, das muss es sein. "Ja, dieser Kerl hat es versucht." fährt der Dieb fort. "Er war der festen Überzeugung, es würde ihm gelingen..." Bakura seufzt mitleidig. Ich starre Bakura entsetzt an. Der Weißhaarige nickt. "Also hat er es wieder und wieder versucht." sagt er ernst und zuckt dann mit den Schultern. Ich stelle da, höre die Worte und betrachte Bakura mit einer Mischung aus Erstaunen und Abscheu. Das was er da redet, das kann doch nicht sein Ernst sein? Ok, ich wusste, dass der Kerl irre ist, aber so irre? Oder will er dem Deutschen nur Angst machen? Ist das eines seiner perfiden Psychospiele? Ich schlucke und mein Mund ist trocken. Bakura fährt derweil ungerührt fort: "Aber es hat leider nicht funktioniert, aber hey, die Idee ist toll, oder? Auf solch einen Gedanken kann auch wirklich nur ein Irrer kommen, oder? Natürlich hat man den Kerl geschnappt." Siegfried rührt sich nicht und ich bin auch nicht in der Lage mich zu bewegen. Bakura scheint sichtlich vergnügt. Er beäugt die Zange und überlegt. Dann legt er sie zurück in den Koffer und beugt sich zu Siegfried. "Das Hemd war sicher teuer." bemerkt er und ist im nächsten Augenblick auch schon dabei es zu öffnen. Jetzt zittert der Deutsche. "Ich rede zuviel, ich weiß. Dabei solltest du reden." Bakura seufzt und eine Sekunde später hat er ein Skalpel in der Hand. "Wir sollten anfangen." Wieder beugt er sich zu dem Deutschen. "Hm... " Die Hand des Weißhaarigen ist vollkommen ruhig und sein Blick verrät höchste Konzentration. Ich wende meinen Blick langsam ab. Gerade als er das Messer ansetzen will, keucht Siegfried auf. "Ich sage euch alles." kreischt er und seine Stimme klingt jetzt alles andere als normal. Sie klingt hysterisch... und naja, irgendwie hört er sich wie eine Sieglinde an. "Sch... Das weiß ich doch." flüstert Bakura und im nächsten Moment höre ich Siegfried aufschreien. Widerwillig blicke ich wieder zu dem Gefesselten und sehe, dass Bakura seinen ersten Schnitt gemacht hat. Eine lange rote Linie zeichnet sich auf Siegfried´s Brust ab und Blut quillt hervor. "Oh, die Dinger sind wirklich sehr scharf." stellt Bakura fest. "Es bedarf kaum Druck." Der Dieb begutachtet seine Tat und Siegfried rüttelt derweil an seinen Fesseln. Seine Züge sind schmerzverzerrt. "Aufhören..." schreit er schrill und reißt an der Stuhllehne. Bakura ignoriert beides und beugt sich erneut vor. "Ich an deiner Stelle würde aufhören zu zappeln." meint er ruhig und ich beobachte, wie er die Klinge erneut ansetzt. Siegfried windet sich noch immer und dieses Mal wird die Linie keineswegs gerade, aber scheinbar hat Bakura den Druck etwas reduziert, denn weniger Blut kommt zum Vorschein. Erneut schreit Siegfried gequält auf. "Ich sag es euch doch." schreit er. "Ich sag euch alles... Ich wollte nicht... Ich... Oh Gott." Der dritte Schnitt bringt ihn dazu endlich wieder still zu sitzen. Bakura richtet sich langsam auf. "Also das war jetzt wirklich nicht nett." sagt der Weißhaarige und seine Tonfall verrät nun, dass er ungehalten ist. "Ich wollte das eigentlich ordentlich machen, aber wenn du nicht still halten kannst..." Er schüttelt missbilligend den Kopf und legt das Skalpel zur Seite, um sich erneut die Zange zu greifen. "Scheinbar magst du keine Feinchirugie, was? Aber keine Sorge, ich bin flexibel." Alles an und in mir zieht sich zusammen als er sich Siegfried´s rechte Brustwarze greift und an ihr zieht. Ich ahne was er vor hat und stöhne leise auf. Siegfried scheint ebenso zu begreifen. Seine Augen treten fast schon aus den Höhlen. "Was wollt ihr denn nur?" winselt er. "Ich... Oh Gott... bitte." Bakura lacht und setzt die Zange an der empfindlichen Stelle an. Meine Hände verkrampfen sich und ich will eigentlich wegsehen, aber ich kann den Kopf nicht drehen. Ich vermag es nicht einmal die Augen zu schließen. Ich halte die Luft an und Bakura tut es wirklich. Er drückt zu. Die Zange gibt ein merkwürdiges Geräusch von sich und im nächsten Augenblick höre ich Siegfried qualvoll schreien und dann ist da wieder Blut... Es sprudelt wie eine Fontäne und ich schlucke hart. Jetzt erst gelingt es mir die Lider zu senken und ich wünschte, ich wäre überall sonst, nur nicht hier. Und Gott, das war erst der Anfang... "Aus Erfahrung weiß ich, dass jeder bereit ist zu reden, aber wenn man ihnen ein wenig unterstützend unter die Arme greift, dann erinnern sie sich nicht nur viel, viel schneller, sondern vergessen auch selten wesentliche Details." höre ich Bakura erläutern und öffne die Augen. Der Dieb sieht mich vollkommen gelassen an. Ich schüttele leicht den Kopf, aber er lächelt nur. Dann wendet er sich wieder Siegfried zu. Heiße Tränen laufen ihm über die Wangen und ein winselndes Glucksen durchzuckt seinen Körper. Bakura streichelt ihm sanft über den Kopf. "Ganz ruhig... Entspann dich." sagt der Weißhaarige mit samtener Stimme, aber natürlich beruhigt sich der Deutsche keineswegs. "Erzähl uns, was dich auf die dämliche Idee gebracht hat, dich mit Kaiba anzulegen." fordert der Dieb ihn auf. "Erzähl uns, was genau deine Rolle bei dieser Sache ist." Siegfried nickt weinend. "Es war nicht meine Idee..." schluchzt er und Bakura nickt verstehend. "Ich weiß." sagt er und Siegfried´s Blick heftet sich einen Moment an mich. Ich sehe das stumme Flehen in seinen Augen, lese die Bitte und schlucke erneut. "Er kam zu mir und... er wusste, von meiner Rivalität mit Kaiba. Er wusste alles darüber. Auch von meiner Blamage bei diesem Tunier." fährt Siegfried stammelnd fort. "Er schlug mir vor, mir zu helfen. Er sagte... er wisse, wie man Kaiba schaden könne. Er sagte, er habe auch Grund Rache zu nehmen." Bakura nickt verständnisvoll. "Er hat dich also verleitet, nicht wahr?" fragt er sanft. Siegfried nickt. "Ich... alleine wäre ich doch nie... Ich war so wütend und neidisch und..." Der Deutsche hält inne und schüttelt leicht den Kopf. Seine Stimme scheint zu versagen und er winselt von Neuem. Bakura seufzt. Mein Blick ist auf Siegfried gerichtet, der den Kopf nun hängen lässt und immer wieder laut aufschluchzt. Ich erinnere mich an seine Worte bei dem Tunier. Den Vorwurf an Kaiba, ihm seine Erfindung gestohlen zu haben. Sein verzweifelter Versuch, den Erzrivalen zu besiegen und an seine Niederlage. "Du warst also wütend und neidisch." stellt Bakura fest. Ein Ruck geht durch den Körper vor ihm. Der Weißhaarige nickt, dann geht er in die Hocke und ich brauche einen Moment bis ich begreife was er als nächstes vor hat. Er hält eine kleine Packung in der Hand und ich sehe wie Siegfried sich verkrampft. Langsam bringt Bakura eine Nadel zum Vorschein. "Die Nerven an den Händen und speziell an den Fingern sind sehr ausgeprägt." erklärt er und pack sich die Hand des Deutschen. Siegfried versucht Widerstand zu leisten, sich dem Griff zu entziehen, aber das ist natürlich zwecklos. Ich spüre wie mein Herzschlag sich beschleunigt. Als er die Nadel mit einem kräftigen Ruck unter den Fingernagel des Zeigefingers schiebt, durchzuckt mich unwillkürlich Schmerz und genau wie Siegfried könnte ich laut aufschreien. Der Deutsche brüllt auf und sein Schrei halt in meinen Ohren wider. Einen Moment rechne ich damit, dass er ohnmächtig wird. Sein Gesicht verfärbt sich bläulich und ich starre ihn entsetzt an. "Wer ist dieser Kerl?" fragt Bakura nun harsch. "Und woher wusste er von Kaiba´s Erfindung? Warum habt ihr Pegasus auf Kaiba angesetzt? Und wer hat ihn getötet?" Die Fragen kommen so schnell, dass ich fast sicher bin, dass Siegfried ihm nicht folgen kann. Nicht nachdem was Bakura gerade getan hat. Er wimmert noch immer und die Tränen laufen ihm sturzbachartig über die Wangen. "Oh Gott...Gott..." schreit er erneut und Bakura packt erneut nach seiner Hand. Verzweifelt blickt der Rosane den Dieb an. "Er... ich... Er nannte sich... Grey." presst er schließlich hervor. "Grey. Mehr weiß ich nicht." Bakura sieht ihn einen Moment abschätzend an. Dann lässt er seine Hand wieder los und richtet sich zu meinem Erstaunen auf. "Nun gut... ich höre." sagt er und zieht ruhig eine Zigarettenpackung aus der Jacke. Siegfried atmet schwer und Bakura zündet sich lässig eine Zigarette an. "Grey also. Hm... Erzähl." Der Deutsche schluckt schwer und mein Blick wandert zu seiner Hand. Der Finger ist jetzt schon angeschwollen und wenn das Ganze nur halb so weh tut, wie es aussieht, dann muss es grauenvoll sein. Siegfried schluchzt noch einmal und Bakura bläst ihm den Rauch ins Gesicht. "Ich bin nicht sonderlich geduldig, mein Lieber." sagt er leise und wendet sich dann mir zu. Er hält mir die Zigaretten hin und ich greife fast schon dankbar danach. "Herrje, Hündchen, du bist ja kreidebleich." meint der Dieb fröhlich und gibt mir Feuer. Dann sieht er Siegfried wieder erwartungsvoll an. "Er kam vor ein paar Monaten zu mir." keucht der Gefesselte mit schmerzverzerrtem Gesicht. "Er wusste eine Menge... über mich... Kaiba... alles. Er sagte... er meinte... er hätte noch eine Rechnung mit Kaiba offen, die er begleichen wolle." Siegfried hält kurz inne und sein Blick wandert wieder kurz zu mir. Doch dieses Mal liegt keine stumme Bitte darin. "Vielleicht sollten wir ihm was zu trinken geben?" frage ich an Bakura gewandt. Der Dieb mustert mich kurz. Dann zuckt er mit den Schultern. "Ok, gib ihm was." meint er dann gleichgültig und ich sehe mich im Zimmer um. Auf einem Beistelltisch steht eine Karaffe und zwei Gläser. Ich fülle beide und gehe dann zurück zu Siegfried. Wortlos führe ich ein Glas an seinen Mund und er nippt auch direkt dankbar daran. Gierig schluckt er die braune Flüssigkeit und wirft mir dann einen dankbaren Blick zu. Bakura lacht. "Siehst du, wie die Hoffnung wieder in ihm aufkeimt, Joey?" fragt er spöttisch. "Er denkt, dass es noch einen guten Ausweg geben könnte, weil du die Rolle des guten Bullen übernimmst." Der Dieb lacht verächtlich. "Es ist jedes Mal das Gleiche... Hoffnung. Tzzz... Weißt du nicht wie dämlich dieses Gefühl ist? Hoffnung ist nur ein Trugbild, dass einem etwas vorgaukelt." Er schüttelt leicht den Kopf und etwas an seiner Haltung, obgleich sich diese nicht wirklich verändert hat, und auch an seinem Tonfall irritieren mich. Ich sehe den Dieb an und sein Blick scheint nicht mehr auf Siegfried zu ruhen. Er scheint vielmehr ins Leere zu starren und insgeheim kommt mir der Gedanke, dass sein Geist augenblicklich wo anders verweilt. Unwillkürlich erinnere ich mich an etwas, dass Atemu vor langer Zeit einmal über Bakura gesagt hat. Nein, eigentlich erinnere ich mich nicht an die Worte des Pharao´s, ich erinnere mich lediglich daran, dass er etwas über Bakura gesagt hat und dass seine Stimme damals nachsichtig und auch wehmütig klang. Was war es nur, dass Atemu gesagt hat? "Nun gut... Dieser Grey hat also eine Rechnung mit Kaiba offen." höre ich den Dieb sagen. "Ich vermute, er hat dir gesagt, dass der Feind deines Feindes dein Freund sei und dir einen Vorschlag gemacht, richtig?" Siegfried nickt langsam und ich nehme einen großen Schluck Whisky. Bakura nickt. "Was genau hat er vorgeschlagen?" will er weiter wissen. "Ich will jede Einzelheit, jedes Details." Siegfried scheint zu überlegen. Sein Gesicht ist wieder leichenblass, nur hier und da zeichnen sich ein paar rote Flecken ab. "Er... er... sagte..." beginnt der Rosane schleppend. "Er sagte... dass er einen Weg wisse, wie man Kaiba... ausschalten könne. Er meinte, wenn wir es geschickt anstellen würden... Aber erst bräuchten wir Informationen." Siegfried schluckt und hält kurz inne. Die Worte kosten ihn Kraft, das ist ihm deutlich anzusehen. Ich nippe erneut an meinem Drink. "Er schlug vor, sich an Pegasus zu wenden. Ich sollte das tun... Ich bot ihm Geld... er sagte, er würde uns die Informationen beschaffen." erzählt Siegfried dann stockend weiter. "Derweil fingen wir an Aktien der Kaiba Corp. auzukaufen... Ich... mir ging es um die Firma. Ich wollte... die Firma zerstören... Der Rest..." Siegfried schüttelt leicht den Kopf und presst seine Lippen aufeinander. "Den Rest wolltest du nicht, oder?" Bakura seufzt. "Ja, ich schätze, du hattest keine Vorstellung davon, was?" Der Dieb schüttelt leicht den Kopf und zieht erneut an seiner Zigarette. Einen Moment betrachtet er Siegfried abschätzend, dann lächelt er. Im nächsten Augenblick höre ich den Deutschen erneut schreien und der Geruch von verbranntem Fleisch dringt mir in die Nase. Angewidert wende ich mich ab. Siegfried´s Schrei hallt durch das ganze Haus und ich muss dem Wunsch widerstehen, mir die Ohren zu zuhalten. "Natürlich hattest du keine Ahnung, was dein Verbündeter noch so vor hatte. Ja ja... so ist das doch immer, nicht wahr?" höre ich Bakura liebevoll sagen. "Ich schwöre, ich wusste das alles nicht. Ich hatte keine Ahnung, was dieser Kerl mit Mokuba vor hatte... wirklich... Ich dachte, wir wollten Kaiba nur ruinieren, weiter nichts." Siegfried´s Stimme ist ein erbärmliches Wimmern und seine Worte treffen mich wie ein Schlag. Ich glaube ihm. Ich weiß nicht warum, aber ich glaube ihm. Er hasst Kaiba, das steht außer Frage. Er beneidet Seto, ja. Er hätte ihm zu gerne die Firma abgenommen, aber... "Ich habe selbst einen Bruder... dass... nein, ich wusste..." stammelt der Deutsche weiter und schluchzt wieder. Nein, jetzt weint er. Ich schlucke bedrückt. Bakura verdreht die Augen und sofort ist da wieder dieses ungute Gefühl, das sich bestätigt als er sich wieder dem Koffer zuwendet. "Warte!" halte ich ihn zurück und er wirft mir einen giftigen Blick zu. Ich ahne, dass er keinen Einspruch dulden wird. Also überlege ich schnell, was ich am Besten sagen soll. Ich mag Siegfried nicht, aber ihn sinnlos zu quälen... nur zu Bakura´s Vergnügen... "Lass ihn doch erst einmal reden." meine ich und lächele den Dieb beschlichtigend an. "Nicht, dass er uns noch ohnmächtig wird, dann sitzen wir die ganze Nacht hier." Ich rechne fest mit einer missbilligenden Bemerkung, doch Bakura zuckt mit den Schultern. "Scheint als würde Wheeler das für dich in die Länge ziehen wollen." meint er stattdessen an Siegfried gewandt. "Also schön, erzähl weiter." Siegfried wirft mir einen dankbaren Blick zu, aber ich ignoriere ihn geflissentlich. "Wer ist dieser Grey?" will ich wissen. "Wie sieht er aus? Was hat er dir erzählt?" Der Deutsche zuckt hilflos mit den Schultern. "Er sagte nur, dass ich ihn Grey nennen soll." antwortet er brav auf meine Frage und sieht mich wieder mit diesem flehenden Blick an. "Er meinte, er kenne Kaiba schon sehr, sehr lange. Woher hat er mir nicht verraten, ich wollte es auch nicht wissen." Ich nicke als würde ich verstehen. "Ich sollte die Firma bekommen." fährt der Deutsche fort. "An der Kaiba Corp. hatte er kein Interesse. Ihm ging es allein um Kaiba." Wieder zuckt der Gefesselte mit den Schultern. "Durch Pegasus erfuhren wir von der Erfindung." Ich werfe Bakura einen kurzen Blick zu, doch die Miene des Diebes ist vollkommen ausdruckslos. "Kaiba´s Idee verhieß eine Menge Geld." nimmt Siegfried ängstlich seine Rede wieder auf. "Aber Kaiba wollte die Firma nicht so einfach übergeben. Er..." Bakura stöhnt auf. "Das wissen wir." unterbricht er den Rosanen unwirsch. "Was ist mit der Nummer mit Mokuba? Wozu das alles?" Siegfried schluckt schwer. "Ich weiß es nicht." sagt er dann und blickt mir dabei in die Augen. "Ich weiß es wirklich nicht... Nachdem die Firma ruiniert war und wir auch nicht mehr an die Erfindung kamen, übernahm Grey alles weitere. Er sagte, er würde sich schon darum kümmern. Das Nächste was ich hörte war, dass man Klage geben Kaiba erhoben hatte." Der Deutsche schüttelt wieder den Kopf. "Ich wusste nicht, was er vor hat. Das schwöre ich. Ich begriff es erst als es schon zu spät war." Flehend blickt er zu mir auf. "Was hätte ich tun sollen?" "Wer hat Pegasus ermordet?" mischt sich Bakura mit einem so kalten Tonfall ein, dass es Kaiba alle Ehre machen würde. "Ich weiß es nicht." ist die knappe Antwort und sie gefällt Bakura keineswegs. Ich sehe wie er wieder in die Hocke geht und sich eine weitere Nadel nimmt. Ich weiß, dass es nichts bringt, ihn davon abzuhalten, gleichgültig ob ich Siegfried glaube oder nicht. Ich wende den Kopf ab und bereite mich innerlich auf den fürchterlichen Schrei vor, der auch zugleich erfolgt. Grey... Wer zum Teufel soll das sein? Wer verbirgt sich dahinter? So ein Sydonym habe ich noch nie gehört, aber allem Anschein nach scheint es sich bei diesem Mann um jemanden zu handeln, dem es mehr als ernst mit seiner Rache ist. Das Ganze war seit Monaten geplant. Jeder Schritt genau insziniert und etwas in mir, sagt mir, dass auch die Beteiligten nicht zufällig gewählt wurden. Pegasus, Siegfried... Vertraute Feinde von Kaiba. Aber was bedeutet das? "Diesem Grey... es ging ihm nie um die Erfindung, oder?" frage ich laut in den Raum. Siegfried anwortete nicht. Ich bin auch nicht wirklich sicher ob ich ihm die Frage wirklich gestellt habe oder es vielmehr eine rhetorische Frage ist. Bakura dagegen nickt. "Nein, dieser Kerl will etwas anderes. Kaiba fertigmachen und das nach allen Regeln der Kunst." höre ich den Dieb sagen und etwas an der Art, wie er mich jetzt ansieht, beunruhigt mich zutiefst. Ich glaube, ich habe Bakura noch nie so ernst gesehen. In seinen Augen liegt keine Spur mehr von Belustigung, ich glaube sogar für einen Moment Unruhe darin zu erkennen und nicke leicht. Der Dieb denkt das Gleiche wie ich. Dessen bin ich mir schlagartig sicher und keinem von uns behagt der Gedanke. Es ist eine Sache, zu wissen, dass jemand hinter Kaiba´s Firma, Geld oder Erfindung her ist, aber zu wissen, dass da draußen jemand ist, der darauf abzielt ihn fertig zu machen, ist etwas anderes. Pegasus wollte Geld und die Genugtum, Kaiba zu demütigen. Siegfried ebenso und dazu noch die Kaiba Corp. Vielleicht wollte der Deutsche auch die Erfindung, aber die bringt schließlich auch jede Menge Geld ein. Doch diesem Grey... Ihm scheint es um etwas gänzlich anderes zu gehen und mich beschleicht der Gedanke, dass Mokuba´s Entführung nur einer der Punkte auf der Liste des Unbekannten ist. "Ein Austausch sollte nie stattfinden." überlege ich laut. "Die Erfindung... all das war nur ein Teil des Ganzen. Dieser Grey hätte Mokuba nicht frei gelassen, selbst wenn Kaiba ihm seine Erfindung überlassen hätte, oder?" Mein Blick wandert zu Siegfried. Der Deutsche schluckt, sagt jedoch nichts. Unwillkürlich blicke ich zu Bakura und erneut habe ich das Gefühl, dass der Dieb mich versteht, dass er genau das Gleiche denkt wie ich. "Wo finden wir diesen Kerl?" fragt Bakura Siegfried harsch. Der Deutsche zuckt mit den Schultern. "Wie habt ihr Kontakt aufgenommen?" Jeder Muskel im Körper des Diebes ist gespannt und in seinen Augen blitzt es gefährlich auf. Der Rosane wimmert hilflos und Bakura wendet sich wieder seinem Koffer zu. Mein Herz schlägt wie wild und ich verspüre eine undefinierbare Angst. Nicht wegen dem was Bakura nun schon wieder vor hat, sondern wegen Kaiba. Gott, ich hoffe, es geht ihm gut. "Bitte, lieber Gott, mach das es ihm gut geht." flehe ich innerlich. Kapitel 55: Befreiungsschlag Teil 2 (Roland) -------------------------------------------- "Marik!" höre ich Ishizu Ishtar neben mir ausrufen. Im nächsten Moment ist sie auch schon neben ihrem Halbbruder, der eine zierliche Gestalt in den Armen hält. "Es geht ihm soweit gut." sagt Odion ruhig und schickt sich auch bereits an, den Jungen in seinem Arm auf den Kissen abzulegen. Ishizu beugt sich zu ihrem Bruder und ich trete auch einen Schritt näher. Ein Blick genügt um festzustellen, dass man Marik Ishtar übel zugerichtet hat. Einen Moment mustere ich den Jungen, dann trifft mich der Blick von Odeon. "Er hat mir aufgetragen, Marik hier herzubringen." erklärt mir der Ägypter ohne, dass ich fragen muss. "Mokuba befindet sich in dem Haus. Er sagte, er würde es alleine schaffen, aber ich werde gleich zurückkehren..." Ich schüttele den Kopf. "Es ist besser, wenn sie sich um ihren Bruder kümmern." erkläre ich entschieden. "Ich werde gehen." Eine Moment sieht mich der junge Mann erstaunt an, dann nickt er leicht. In kurzen Zügen schildert er mir die Situation im Haus und ich präge mir die wesentlichen Informationen ein. "Es sind noch ein paar Männer im Haus und Marik meinte, dass einer von ihnen sehr gefährlich wäre." erzählt mir Odeon Ishtar. Ich nicke lediglich. Dann frage ich nach dem Weg zu dem Haus. Odeon überlegt kurz. "Ich gehe mit ihnen." sagt er dann, aber ich schüttele erneut den Kopf. "Sie haben genug getan. Master Kaiba würde das auch sagen. Sagen sie mir einfach, wie ich zu dem Haus komme." erkläre ich und der Ägypter nickt. Langsam erhebt er sich. Ishizu ist dabei ihren Bruder zu versorgen. Vorsichtig tupft sie ihm mit einem feuchten Tuch die Stirn ab und endlich gibt der Junge auch ein Lebenszeichen von sich. "Wasser." höre ich ihn leise sagen. Sofort führt seine Schwester einen Becher an seinen Mund. Ich wende mich wieder Odeon zu. "Ali wird sie führen." meint er und verlässt den Laden. Ich folge ihm und sehe, dass er mit einem kleinen Jungen spricht, der vor der Tür mit anderen spielt. Er deutet auf mich und der Kleine nickt. "Möge Ra über sie wachen." sagt Odeon Ishtar ernst. "Ich hoffe, ihr Bruder ist schnell wieder auf den Beinen." entgegne ich und wir nicken uns kurz zu. Dann folge ich dem kleinen Jungen. Er führt mich durch ein paar enge Gassen und es dauert nicht lange bis er auf ein Haus deutet. Odeon hat mir erklärt wie Master Kaiba und er ins Haus gelangt sind. Ich gebe dem Kleinen ein paar Münzen, worauf er mich anstrahlt, dann gehe ich um das Haus und finde die Stelle, die der Ägypter mir beschrieben hat. Außer den Bettlern, die an der Mauer lehnen, ist niemand zu sehen und die Dunkelheit gewährt mir zusätzlichen Schutz. Ich klettere über die Mauer und befolge die Antweisungen, die Odeon mir gegeben hat. Im Haus scheint alles ruhig, nichts ist zu hören. Ich vermute, dass Master Kaiba noch nicht entdeckt wurde und vermutlich noch dabei ist sich vorzutasten. Ich schleiche um das Gebäude und finde auch schnell das Fenster, dass Odeon gemeint hat. Im Innern ist alles dunkel und ich brauche einen Moment um mich an die Finsternis, die mich umgibt zu gewöhnen. Dann taste ich mich so leise wie ich es vermag voran und stoße schließlich an eine Tür. Vorsichtig drücke ich den Knauf nach unten und spähe hinaus auf den Flur. Spärliches Licht scheint unter einer Tür weiter vorne durch. Von dort vernehme ich auch gedämpfte Stimmen. Langsam schleiche ich über den Flur und halte an der Tür kurz inne. Zwei Männer scheinen sich zu unterhalten. Sie wirken entspannt. Demnach ist Master Kaiba´s Anwesenheit bislang unbemerkt geblieben. Ich frage mich allerdings, wo mein Herr sich befindet. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und mir kommt der Gedanke, dass mein Vorhaben keineswegs so wohl durchdacht ist, wie ich geglaubt hatte. Ich weiß weder wo Master Mokuba sich aufhält, noch wie ich Master Kaiba finden soll. Im Haus scheint alles ruhig, die Männer hier haben jedenfalls bislang noch keine Notiz davon genommen, dass jemand die Wachen vor dem Haus ausgeschaltet hat und Marik befreit wurde. Odeon sagte, dass sich vier Männer im Haus befänden. In dem Raum direkt neben mir scheinen zwei zu sein. Es ist auch das einzige Zimmer, dass beleuchtet ist. Wenn ich recht vermute, befinden sich die anderen beiden im oberen Stockwerk und ich glaube, dass dort auch Master Mokuba gefangen gehalten wird. Im Grunde wäre es logisch gewesen, die zwei Männer hier als nächste auszuschalten. Andererseits hätte man dabei riskiert Alarm zu schlagen. Ich gehe davon aus, dass Master Kaiba sich deshalb die Zwei noch nicht vorgenommen hat. Ein Schrei würde die Aufmerksamkeit der anderen Personen auf sich ziehen und wenn sich Master Mokuba tatsächlich oben befindet... Ich nicke leicht. Ja, deshalb hat Master Kaiba die Beiden hier noch nicht ausgeschaltet. Er würde niemals riskieren, dass man seinen Bruder als Geisel nehmen würde. Folglich muss er sich erst einmal um die Personen im oberen Stock kümmern. Ich fasse einen Entschluss. Da von oben noch nichts zu hören ist, gehe ich davon aus, dass mein Herr entweder dabei ist die Sachlage auszukundschaften oder sich bereits oben befindet und jeden Moment in die Offensive gehen könnte. Ich bezweifle, dass es ihm möglich ist, Mokuba hier raus zu bringen ohne, dass irgendjemand etwas bemerkt. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, seinen Namen zu flüstern, aber die Hoffnung, dass er mich hören würde, wäre eher gering. Wahrscheinlicher wäre es, dass meine Anwesenheit auffällt. Also taste ich mich weiter voran und stoße einen Moment später auch schon an den Treppen lauf. Noch immer ist von oben nichts zu hören, aber ich glaube einen leichten Lichtschein wahrzunehmen. Gerade als ich meinen ersten Fuß vorsichtig auf die Treppenstufe setzen will, geht das Gepolter los. Ich vernehme einen gedämpften Schrei, dann ein dumpfes Aufprallen und im nächsten Moment wird auch schon die Tür neben mir aufgerissen. Ein Mann stolpert auf mich zu, tastet scheinbar nach dem Lichtschalter und ich nutze den Moment, um ihm einen Schlag mit der Handkante auf die Schulter zu verpassen. Er keucht auf, taumelt kurz, fällt aber nicht um. Doch ich habe Glück. Er dreht mir die Seite zu und ich nutze diesen Augenblick, um ihm einen weiteren Handkantenschlag in den Nacken zu verpassen. Dieses Mal geht er zu Boden, doch sein Gefährte ist direkt hinter ihm und es gelingt ihm das Licht anzumachen. "Was zum..." hebt der Mann an und hebt auch dann schon die Hand, um seine Waffe auf mich zu richten. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er mich erstaunt an, dann scheint er sich wieder auf die Lage zu besinnen. Ich reagiere instinktiv. Ich schiebe mit dem Arm seine ausgestreckte Hand zur Seite und höre dann auch den Schuss. Hinter mir schlägt eine Kugel in die Holzvertäfelung ein, aber ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Mein nächster Schlag muss sitzen, sonst hat der Mann genug Zeit die Waffe wieder auf mich zu richten und abzudrücken. Zum Glück bin ich beidhändig. Mit einem gezielten Schlag zertrümmere ich ihm das Nasenbein und höre wie er scharf die Luft einzieht, dann aufstöhnt und sich im nächsten Augenblick auch schon die Nase hält. Blut rinnt über seine verhornten Finger und er taumelt, was mir genug Zeit gibt, ihm die Pistole zu entwenden. Ehe er weiß was passiert, richte ich die Waffe auf ihn. Er starrt mich fassungslos an. Ich versetze ihm einen Tritt, der ihn in die Knie gehen lässt und verpasse ihm mit dem Kolben einen harten Schlag auf den Kopf. Wie ein nasser Sack geht er zu Boden und fällt auf seinen keuchenden Komplizen, der eben im Begriff war sich wieder aufzurichten. Von oben vernehme ich lautes Gepolter. Für einen Moment glaube ich Master Mokuba schreien zu hören und alles in mir drängt danach die Treppe hochzulaufen, doch ich zwinge mich dazu, Ruhe zu bewahren und mich erst einmal um die beiden Herrn hier zu kümmern. Ich sehe mich kurz um und mein Blick fällt auf einen schweren Vorhang, mit einer recht stabil aussehenden Kordel. Ich reiße die Schnur runter und beuge mich zu den bewusstlosen Gangstern. Zum Glück habe ich während meiner Zeit bei der Armee gelernt, wie ich einen ordentlichen Knoten mache. Die Schnur ist zwar kurz, aber ich schlinge sie gekonnt um den Hals des einen und führe sie zu den Händen des anderen. Jetzt bin ich sicher, Master Mokuba gehört zu haben. Ein ängstliches "Seto." hallt durch das Haus und ein ungehaltener Fluch entweicht mir. Schnell ziehe ich die Schnur zurecht und erlaube mir noch einen kurzen Blick auf mein Werk, dann renne ich los. Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus als ich einen Schuss vernehme. Wieder höre ich Mokuba schreien, doch dieses Mal bin ich fast erleichtert darüber, denn nun weiß ich wo er sich befindet. Ich rüttele an der Tür, doch sie ist verschlossen. Ich muss mich zwei Mal dagegen werfen bis sie nachgegibt und ich in den Raum stolpere. Mein Blick wandert rasch durch den Raum. Auf einem Bett liegt der kleine schwarzhaarige Junge und seine Augen weiten sich als er mich erkennt. Im Nebenzimmer scheint der eigentliche Kampf stattzufinden. Ich nicke Master Mokuba kurz zu, der meinen Blick richtig zu deuten scheint, dann eile ich ins Nebenzimmer. Ein Mann liegt am Boden. Ein Blick genügt, um festzustellen, dass er tot ist. Leere Augen starren an die Decke und noch ein letzter Rest Blut quillt aus seinem gräßlich verzerrten Mund. Dann wende ich mich den anderen Personen zu. Master Kaiba kämpft mit einem hünenhaften Mann, der scheinbar versucht ihm die Waffe zu entreißen. Eisern hält der ehemalige Firmenchef die Pistole umklammert während der andere einen Schlag nach den andern auf ihn einprasseln lässt. Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken, wie ich am Besten vorgehen soll. Mit einem Satz bin ich neben meinem Herrn und jetzt erst werde ich von den Kämpfenden registiert, doch der Hüne lässt sich durch mein Erscheinen nicht aus der Ruhe bringen. Ich trete hinter den Riesen und verpasse ihm einen Schlag in den Nacken, doch anders als seinen Komplizen scheint ihn dieser nicht wirklich zu beeindrucken. Er stößt mir den Ellenbogen in die Seite und dann sehe ich wie die Waffe durch die Luft fliegt. Sowohl Master Kaiba als auch der Riese folgen der Flugbahn und wir beide stürzen gleichzeit los. Die Waffe ist über den Boden geschliddert und im anderen Zimmer gelandet. Ich schicke mich gerade an den Zwei zu folgen als ich zu meinem Entsetzen auch schon sehen muss, dass der Riese sich die Pistole geschnappt hat. Ich halte in meiner Bewegung inne und auch Master Kaiba scheint auf der Stelle zu erstarren. Der Hüne verzieht seine wulstigen Lippen zu einem Grinsen. "Ganz ruhig." höre ich ihn sagen. "Keine falsche Bewegung, Jungchen." Der Lauf der Waffe ist auf Master Kaiba gerichtet. Von meiner Position aus habe ich nicht die geringste Möglichkeit mich dem Riesen zu nähern. Kaiba steht genau zwischen der Tür. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Master Kaiba´s Lippe aufgesprungen ist und ein kleines rotes Rinnsal über seine blasses Kinn läuft. Sein Haar ist zerzaust, aber zu meiner Überraschung atmet er vollkommen ruhig und sein Blick ruht regungslos auf dem Riesen. Dieser grinst noch immer. "Grey hatte Recht, du bist nicht ohne." höre ich ihn sagen ohne wirklich zu verstehen was er meint. Kaiba regt sich nicht. Mit ausdrucksloser Miene blickt er auf sein Gegenüber und ich frage mich, was dieser nun als nächstes vorhat. Wenn er abdrückt, hat Master Kaiba keine Chance und ich wäre nicht in der Lage etwas dagegen zu unternehmen. Ich bin zu weit entfernt, um dazwischen zu springen oder meinen Herrn zur Seite zu stoßen. Vorsichtig wage ich daher einen Schritt nach vorne, doch der Riese registriert meine leichte Bewegung und wirft mir einen kurzen Blick zu. "Schön stehen bleiben." sagt er an mich gewandt, dann streift sein Blick scheinbar Master Mokuba. "Steh auf, Kleiner." befiehlt er und ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht. Ich höre das rasseln einer Kette und vermute, dass Master Mokuba dem Befehl folge leistet. Im nächsten Augenblick tritt er auch schon in mein Blickfeld und steht nun zwischen dem Riesen und seinem Bruder. Das Grinsen des Mannes wird noch eine Spur breiter und aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass mein Herr nun auch eine Regung zeigt. Minimal, aber sie genügt. "Ich könnte euch jetzt alle einfach abknallen." sagt der Mann. Mokuba´s Augen sind stur auf seinen Bruder gerichtet. Dieser jedoch vermeidet es, ihn anzusehen und ich ahne warum. Ein Blick auf den Kleinen würde genügen, um sein Denken lahm zu legen. "Du hast wirklich Glück, dass der Boss dich nicht tot sehen will." spricht der Fremde weiter und ich überlege ob ich es wagen soll, noch einen Schritt nach vorne zu machen. Irgendetwas an der Stimme des Mannes mag mir ganz und gar nicht behagen. Sein Tonfall hat etwas mehr als unangenehmes und ich glaube, Master Kaiba spürt das ebenso wie ich. Für einen Moment rechne ich damit, dass mein Herr eine Frage stellen wird. Die Frage, die mir augenblicklich auch auf der Zunge brennt, aber zu meiner Überraschung sagt Master Kaiba nichts. Er sieht den Hünen weiterhin vollkommen ungerührt an. Ich sehe, dass ein Ruck durch Mokuba´s Körper geht und seine Augen füllen sich mit Tränen, doch zugleich bemerke ich, dass er verzweifelt bemüht ist, genau wie sein Bruder die Fassung zu wahren. "Auf deinen Bruder trifft das allerdings nicht zu." vernehme ich die tiefe Stimme des Riesen und mein Herzschlag setzt tatsächlich aus. Ein gemeines Lachen erfüllt den Raum und das Nächste was ich bewusst wahrnehme ist, dass er die Pistole nun auf Master Mokuba richtet. Dann passiert alles wahnsinnig schnell und doch habe ich das Gefühl alles wie in Zeitlupe zu betrachten. Der Riese fletscht die Zähne und gibt einen schmatzenden Laut von sich. Master Kaiba´s Blick trifft den seines Bruders und ich sehe wie sich seine Züge noch eine Spur verhärten, etwas blitzt in den eisigen blauen Augen auf. Als der Schuss sich löst, setzt mein Denken für einen Moment komplett aus. Ich glaube, ich schreie auf, bin jedoch nicht sicher ob tatsächlich ein Laut aus meinem Mund kommt. Vage nehme ich wahr, dass Master Kaiba mit einem Satz auf seinen Bruder zu springt, ihn herumreißt und dem Riesen den Rücken zuwendet, während er zugleich Mokuba unsanft zu Boden schleudert. Der Kleine schreit auf, sein Gesicht prallt auf den Holzboden und ein Ruck geht durch Master Kaiba´s Körper. Die kalten Augen erstarren einen Augenblick, heften sich dann aber wieder an seinen Bruder und ich schlucke schwer als ich Erleichterung in seinen Augen zu entdecken glaube. Dann wird die Hand des Riesen nach oben gerissen und ich weiß erst nicht wie es passiert, kombiniere dann jedoch, dass Master Kaiba ihm rückwärts einen gezielten Tritt verpasst hat. Der Mann heult auf und die Waffe fliegt erneut durch die Luft genau auf mich zu. Ich fange sie auf und sehe dann erst, dass Master Kaiba zu Boden gesunken ist. "SETO!" höre ich Mokuba panisch schreien. Sein Bruder liegt halb über ihm und der Kleine robbt nach vorne, nur um sich direkt umzudrehen und sich über seinen Bruder zu beugen. Ich wende mich dem Riesen zu und richte die Waffe auf ihn. Einen kurzen Augenblick steht er unschlüssig da und auch ich überlege was ich tun soll, dann springe auch ich auf ihn zu und feuere. Ich treffe seine Schulter und er zuckt schmerzverzerrt zusammen. Ich drücke ein weiteres Mal ab, treffe dieses Mal seinen Brustkorb und der Mann funkelt mich mit einem unheilverkündenden Lodern in den Augen an. Er zischt irgendetwas und stürzt sich trotz seiner Verletzung auf mich, um mir die Waffe zu entreißen. Wieder löst sich ein Schuss und ich glaube, dass ich ihn dieses Mal in den Oberschenkel getroffen habe, doch dann lässt ein jäher Kinnhaken meinen Kopf hart zurückschleudern. Ich schließe instinktiv die Augen, reiße sie doch gleich wieder auf und sehe buchstäblich Sternchen. Ich beiße mir fest auf die Unterlippe. Ich weiß, ich darf jetzt nicht zu Boden gehen. Master Kaiba liegt noch immer am Boden, wo genau ihn die Kugel getroffen hat ist nicht zu sagen, aber er wird so schnell nicht mehr aufstehen und Mokuba... Nein, ich muss Gegenwehr leisten oder die Beiden sind verloren und das werde ich unter keinen Umständen zulassen. "Verdammter Wichser." zischt mich der Hüne an als ich ihm meinerseits einen Schlag verpasse. Mit aller Macht umklammere ich die Waffe und er gibt sich größte Mühe sie mir zu entreißen. "Dich mach ich platt..." vernehme ich wieder die tiefe, grollende Stimme und höre gleichzeitig Master Mokuba schluchzen. "Seto... Seto..." Etwas in meinem Denken setzt aus. Ich habe schon oft davon gehört und gelesen, dass dies in bestimmten Situationen geschieht, dass man rot sieht, aber das es mir je passieren würde... Ich weiß nicht was ich tue als ich es tue. Erst hinterher begreife ich, dass ich dem Kerl einen gezielten Tritt in sein Heiligtum verpasst habe und er dadurch endlich auf die Knie sank. Ein Kinnhaken ins Gesicht zertrümmert seine Nase und gleichzeitig meine Hand und ich keuche auf und hole ein weiteres Mal aus. Erst als er wie ein nasser Sack zu Boden fällt, höre ich auf zu zuschlagen und komme langsam wieder zur Besinnung. Ich atme schwer und betrachte den regungslosen Körper, richte instinktiv die Waffe auf den Kerl und als sein Kopf sich leicht regt, drücke ich ab. Die Kugel trifft ihn dieses Mal direkt in der Stirn und ich schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne ist er tot und ich habe mich wieder weitgehend im Griff. "Niemand vergreift sich an meinen Schützlingen." sage ich mit tonloser Stimme, was eigentlich überflüssig ist, denn der Mann wird mich nie wieder hören. Dann bin ich neben meinen Herrn und helfe Master Mokuba seinen Bruder auf die Seite zu drehen. Kurz mustere ich seinen Rücken. Sein Gewand hat sich rot verfärbt und ein gewaltiger Fleck ziert seinen Rücken. Mokuba blickt verzweifelt zu mir auf und ich fühle den Puls meines Herrn. "Er lebt noch, keine Sorge." versuche ich den Kleinen zu beruhigen. "Er muss schnellstens versorgt werden. Die Wunde ist nicht so schlimm wie es aussieht, aber... " Ich spreche nicht weiter. Der Kleine ist leichenblass. Er nickt nur und ich überlege wie ich am Besten vorgehen soll. Die Verletzung sieht auf den ersten Blick schlimmer aus als sie vermutlich ist. Ich habe ähnliche Wunden bei Kameraden gesehen. Wenn die Kugel nicht allzu tief sitzt... Sie muss auf jeden Fall entfernt werden, aber ich vermute, dass es keine gute Idee wäre, einen Krankenwagen zu rufen, sofern ich bezweifle, dass die medizinische Versorgung in Ägypten... Ich treffe meine Entscheidung so wie Master Kaiba sie zu treffen pflegt und ich glaube auch in seinem Sinne. Der Weg bis zu dem Laden, wo die Ishtars sind, war nicht weit. Wenn ich ihn trage... Bestimmt hat man inzwischen einen Arzt für Marik gerufen, ich glaube mich zu erinneren, dass Odeon dergleichen gesagt hat. Ich wende mich an Master Mokuba, dessen Blick gebannt und fast leer auf seinem Bruder ruht. "Wir bringen ihn zu Odeon." sage ich dem Kleinen und er nickt. Dann fällt mein Blick auf die Kette. Ich nehme die Waffe wieder auf. "Ich werde sie durchschießen." erkläre ich dem Jungen und er nickt erneut. Zum Glück ist die Kette lange genug, dass ich den Schuss nicht in seiner Nähe abgeben muss. Ich gehe zu dem Bettgestell und ziele. Die Glieder zerbersten und ich nehme die Kette auf. Wortlos reiche ich sie dem Kleinen und er scheint zum Glück zu verstehen. Ich sehe ihn eindringlich an. "Er wird wieder." versichere ich ihm. "Seto ist stark. Du kennst deinen Bruder. Er hat schon weit schlimmeres überlebt, erinnerst du dich?" Der Junge sieht mich an und ich hoffe inständig, dass meine Worte zu ihm durchdringen. "Mokuba, du musst jetzt tapfer sein." ermahne ich ihn. "Wir schaffen es. Er schafft es." Ich bin nicht sicher ob er mir überhaupt zuhört, aber als er dieses Mal nickt, habe ich wenigstens das Gefühl, dass er den ersten Schock überwunden hat und sich wieder richtig rühren kann. Ich beuge mich zu Master Kaiba und hebe ihn so behutsam wie ich es vermag auf meine Arme. Dann deute ich dem Jungen an mir zu folgen. Wie wir es schaffen den Weg zu dem Laden zurückzulegen, weiß ich nicht. Ich habe lediglich das Gefühl, dass Master Kaiba immer schwerer wird und mein Herz hämmert so hart gegen meinen Brustkorb, dass ich befürchte, dass es jeden Moment zerspringt. Mokuba geht schweigend neben mir her und nur für einen kurzen Augenblick habe ich Angst, dass ich den Weg alleine nicht mehr finde, aber ich habe ihn mir doch gut genug eingeprägt. Erleichterung durchströmt mich als ich den Laden endlich sehe. "Halt durch, Seto." flüstere ich dem jungen Mann in meinen Armen zu. "Ich weiß, wie zäh du bist." Kapitel 56: Suprise, Suprise (Bakura) ------------------------------------- Merci mal wieder für euer eifriges Lesen und Mitfiebern und keine Sorge... unser Seto ist noch nicht am Ende. Wir brauchen ihn doch auch noch, oder? "Raus mit der Sprache. Wo finden wir diesen Grey?" zische ich den komischen Kerl mit dieser fürchterlichen Frisur an und weiß bereits jetzt, dass er mir diese Frage nicht wird beantworten können. Ich sehe es ihm deutlich an. Er windet sich und das nicht nur vor Schmerz. Er sucht nach den richtigen Worten, einer Antwort, die mir glaubhaft macht, dass er es nicht weiß und noch immer hat er die Hoffnung, dass er irgendwie aus dieser Sache herauskommen wird. Ich rieche seine Angst. Ich höre seinen Herzschlag und ich kann sogar seine Gedanken lesen. Er atmet schwer und ich greife nach den Nadeln. Er folgt meiner Bewegung und seine Pupillen werden schlagartig wieder größer. Genau wie die von Wheeler, auch wenn er sich augenblicklich besser im Griff hat als in der letzten halben Stunde. Der Köter ist immer noch blass, aber dieses Mal ist es aus Sorge, nicht wegen der Show, die ich ihm hier biete. Er macht sich ernstlich Sorgen um Kaiba und ich gehe davon aus, dass er zu dem gleichen Schluss gelangt ist wie ich. Seine Worte gerade haben es bewiesen, seine Augen sprechen für sich. Genau wie ich hat er erkannt, dass diese ganze Sache weitaus düsterer ist als wir bislang angenommen haben. Ob sich Kaiba darüber im Klaren ist... Ich bezweifle es. Ab und an hatte ich zwar den Eindruck, dass der Eisklotz mehr hinter der Sache vermutet als den Versuch an seine ach so tolle Erfindung zu kommen, aber sicher bin ich nicht. Doch wie kann man sich bei Kaiba auch sicher sein? Ich für meinen Teil bin mir nun jedoch sicher, dass diese Geschichte weitaus weitere Kreise zieht als bislang vermutet und wer auch immer dieser Grey sein mag, er ist noch lange nicht fertig mit Kaiba. Nein, ich wage zu behaupten, dass das Spiel für ihn gerade erst richtig anfängt. Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, ob dieser Kerl mit unseren Schritten gerechnet hat. Und es drängt sich mir auch die Frage auf, ob der gute Kaiba nicht vielleicht in eine Falle getappt ist, mit seinem Versuch, Mokuba zu befreien. Ich glaube, dass Wheeler der gleiche Gedanke durch den Kopf geht, aber ich verdränge ihn schlagartig. Augenblicklich bin ich nicht in der Lage, mich um Kaiba zu kümmern. Was auch immer gerade in Ägypten geschieht, ich habe keinen Einfluss darauf. Ich kann lediglich hoffen, dass es dem ehemaligen CEO gut geht. Ja, ich hoffe, dass es ihm gut geht. Für einen Moment schlägt mein Herz ein, zwei Takte schneller. Seltsam... Die ganze Zeit über schlug es ruhig und regelmäßig. Mein Puls ist nicht einmal angestiegen als ich Siegfried seine Brustwarze abgeschnitten habe. Keiner seiner Schreie hat mich auch nur ansatzweise berührt und jetzt... allein durch den Gedanken daran, dass es dem Brünetten nicht gut gehen könnte, dass er möglicherweise... Ich schüttele leicht den Kopf und bemerke, dass Wheeler mich aufmerksam mustert. Ich schenke ihm ein spöttisches Grinsen, doch er sieht mich weiterhin ungerührt an. Seine Züge haben sich deutlich verhärtet. Seine Augen sehen mich zwar ruhig an, aber ich spüre, dass in ihnen bereits etwas aufzulodern beginnt. Etwas, dass ich sehr gut kenne... Mein Grinsen wird schlagartig breiter. Interessant... Das Hündchen hat also auch seine Abgründe. Ich wette, wenn Kaiba tatsächlich etwas passiert ist, ist der Kleine zu allem fähig. Ja, dessen bin ich mir sogar sicher. Eben mag er noch vor dem Anblick, den Siegfried bot zurückgewichen sein, ich glaube sogar, dass er Mitleid mit dem Deutschen hatte, aber ich bezweifle, dass dieses Gefühl anhalten würde, wenn seinem Liebsten etwas passiert ist. Nein, dann tun sich die Abgründe auf und weder ängstliche Schreie noch ein Meer aus Blut würde ihn davon abhalten etwas zu unternehmen. Seinem Liebsten... Ich spüre wie sich etwas in mir zusammen zieht. Kaiba und er... ja, die Sache ist eindeutig und es ist ebenso eindeutig, dass es mir nicht behagt, wie die Dinge sich zwischen ihnen entwickelt haben. "Bei ihm ist es etwas anderes, oder, Kura?" höre ich Alister´s sanfte Stimme fragen und presse hart meine Lippen aufeinander. Ja, verdammt. Aus irgendeinem Grund ist es bei Kaiba etwas anderes. Ich weiß nicht warum und ich will nicht, dass es so ist, aber es ist etwas anderes. Diese Erkenntnis behagt mir keineswegs. Im Gegenteil. Sie irritiert mich. Ein Gefühl, dass ich keineswegs mag und in Kombination mit Wheeler mag ich es noch weniger. Ich atme tief durch und versuche mich wieder auf den Deutschen zu konzentrieren, der immer noch vor sich hin wimmert und scheinbar noch keine Antwort auf meine Frage gefunden hat. Ich frage nicht noch einmal. Ich greife seiner Hand, sehe wie er zusammenzuckt und kurz sogar aufschreit, aber davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Ich packe seinen Mittelfinger und jage dann auch schon die nächste Nadel unter seinen Nagel. Dieses Mal schreit er so laut, dass ich das Gefühl habe, dass das Haus in seinen Grundfesten erschüttert wird. Wheeler zieht scharf die Luft ein. "Ich warte." sage ich ungerührt. Der Deutsche krümmt sich vor Schmerz. "Ja, ja, die Finger sind sehr empfindlich... " Ich seufze leicht und bedenke ihn mit einem mitleidigen Blick. "Habe ich schon angemerkt, dass Geduld keine meiner Tugenden ist?" frage ich als er sich immer noch nicht rührt und nur wieder zu schluchzen anfängt. Seine Augen sind glasig und er öffnet leicht den Mund. "Ich..." Mehr kommt nicht über seine Lippen und ich seufze bedauernd. Als ich erneut zu den Nadel greife, rechne ich fast damit, dass Wheeler mir Einhalt gebieten wird, aber er rührt sich nicht. Aber Siegfried scheint langsam wieder zu sich zu kommen. Ich sehe ihn erwartungsvoll an. "Es liegt allein bei dir." erkläre ich ihm. "Ich kann das die ganze Nacht weiter machen. Denk nicht, dass ich müde werden würde oder es eilig hätte." erkläre ich dem Deutschen sanft und seine Augen füllen sich mit neuen Tränen. "Ich... ich weiß.. es nicht." kommt es schließlich über seine Lippen und er sieht mich mit tränenverhangenen Augen verzweifelt an. "Ich weiß es nicht." Seine Stimme ist mit einem Mal schrecklich hoch, ein hysterisches Piepsen, dass ich nur zu gut kenne. Weinerliches Flehen und echte Verzweiflung. Und natürlich glaube ich ihm, dass er es nicht weiß. Wer auch immer dieser Grey sein mag, er ist nicht dumm. Ich glaube keine Sekunde daran, dass er Siegfried auch nur ansatzweise in seine Pläne eingeweiht hat. Nein, der Deutsche ist nur eine weitere Schachfigur. Genau wie Pegasus eine war. Eine Schachfigur, die man problemlos vom Brett nehmen kann und ich glaube, dessen wird der Deutsche sich auch endlich bewusst. Unwillkürlich muss ich an damals denken. Auch ich habe gefleht, geweint. Die Verzweiflung drohte mich zu übermannen als ich die Flammen sah. Ein Teil von mir wollte sich ins Feuer stürzen. Oh ja, ein Teil von mir wünschte sich den Tod herbei wie einen guten Freund, der mich wieder mit meinen Liebsten vereint. Ich wollte sterben, mit ihnen verbrennen - alles nur nicht alleine zurückbleiben mit diesem grausamen Gefühl der Hilflosigkeit und Trauer. Doch dann war ein anderes Gefühl gekommen. Ein anderes Feuer hatte mich verzehrt und ich nachdem die Tränen endlich versiegt waren, hatte ich gewusst, was ich zu tun hatte. Rache. Vergeltung üben. Deshalb habe ich Kaiba auch nur zu gut verstanden. Vergeltung in einem biblischen Ausmaß. Das war auch mein Ansinnen gewesen. Damals. Vor so unendlich langer Zeit. Ich erinnere mich nur zu gut an das erste Leben, dass ich ausgelöscht habe. Damals war ich noch unkontrolliert vorgegangen, hatte mich von meiner Wut leiten lassen und ein wahres Blutbad angerichtet. Immer wieder hatte ich den Dolch in den zuckenden Körper niederfahren lassen und mir dabei vorgestellt, dass es dieser verfluchte Pharao wäre, dessen Leben ich auslösche, aber es war lediglich einer seiner Diener gewesen. Doch so hatte es begonnen und letztlich war es sogar so noch besser gewesen. Hätte ich diese Made gleich getötet, was hätte es verändert? Nichts. Meine Liebsten wären noch immer tot gewesen... Nein, mein Ziel war es, jedes Leben mit einem anderen zu vergelten. All die Menschen in meinem Dorf, die grundlos und schuldlos gestorben waren, sollten gerächt werden. Ja, das war mein Vorhaben gewesen und mein Plan hatte mir ein Teil meines Lebens zurück gegeben, mich vor eine neue Aufgabe gestellt. Oh und ich erinnere mich noch genau an den Tag als ich Seth zum ersten Mal sah. Den Vetter des großen Pharaos. Sein Vertrauter, sein Freund. Wie köstlich hatte ich es mir vorgestellt, den Priester zu töten und seinen geschundenen Leichnamen vor den Palast zu werfen. Atemu hätte direkt gewusst, wer ihm dieses hübsche Geschenk gemacht hat und ich habe mir das Gesicht des Pharao´s vorgestellt, wenn er seinen geliebten Vetter findet und... Aber alles war anders gekommen. "Es ist leichter, das Licht in sich selbst zu löschen, als der Finsternis in der Welt Einhalt zu gebieten, Kura." Seth´s Worte. Entschieden und sanft zugleich. Nein, es ist wahrhaftig alles anders gekommen. Ich schlucke hart als die vertraute Erinnerung wieder vor meinen Augen aufsteigt und es bedarf meiner ganzen Kraft sie wieder ins Dunkle zu verbannen. Nein, hier und jetzt ist nicht die Zeit daran zu denken. Ich will mich nicht erinnern. An nichts. Nicht einmal an diese Pharaonenmade, die meiner Vergeltung letztlich entgangen ist. Denn all das führt unweigerlich zu dem Gedanken, dass ich alleine übrig bin. Nur ich bin noch da. Der lebendige Beweise, dass es keine Hoffnung gibt, keine Erlösung. Dass all das nichts als Illusionen sind und es den süßen Frieden einfach nicht gibt. Etwas, dass auch Kaiba weiß. Kaiba. Ich kann es nicht verhindern, dass ich für einen Augenblick die Augen schließe. Es sind nur ein paar Sekunden, aber als ich sie wieder öffne, merke ich, dass Wheeler dieser Umstand keineswegs entgangen ist. Er sieht mich besorgt an. Ja, er wirkt tatsächlich besorgt. Warum auch immer. Ich weiche seinem Blick aus und wende mich wieder diesem rosanen Subjekt zu. "Wie habt ihr Kontakt aufgenommen?" will ich wissen. Mein Tonfall ist harsch und scheindend und er zuckt unwillkürlich zusammen. "Telefon." höre ich ihn dann leise wimmern. "Er hat... angerufen." Ich nicke. "Aber du hast ihn mindestens einmal gesehen." stelle ich fest. Er nickt kaum merklich. "Einmal." presst er dann mit tonloser Stimme hervor. "Aber... ich... er war..." Er bricht ab, aber ich kann mir denken, was er sagen will. "Maskiert? Verhüllt?" hake ich nach und er nickt wieder. "Alles grau." höre ich ihn sagen und werfe Wheeler einen kurzen Blick zu. Das Hündchen wirkt ebenso ratlos wie ich. Scheinbar fällt ihm auch kein Mensch ein, hinter dem er diesen Kerl vermuten würde. Ich seufze. Dieses Verhör wird zu nichts führen. Siegfried weiß nichts und dieser Grey hat seine Spuren zu gut verwischt. Er muss damit gerechnet haben, dass man die Spur zu dem Deutschen entdecken würde. Vielleicht wollte er auch, dass wir sie finden. Ja, gut möglich, dass wir genau so agieren, wie er es vorhergesehen hat. "Geh den Jungen holen." sage ich an Wheeler gewandt und der Blonde sieht mich erstaunt an. Für einen Moment blitzt wieder Entsetzen in seinen Augen auf, doch ehe er etwas sagen kann, kreischt Siegfried auch schon los. "Lasst Leon daraus..." Er versucht entschieden zu klingen, doch es ist lediglich ein weinerliches Flehen. Ich seufze. "Keine Panik, mein Lieber, noch habe ich keine Pläne für deinen Bruder." erkläre ich ruhig. Nicht etwa um ihn zu beruhigen. In so einer Situation würde ich nicht lügen. Wozu auch? Warum ihm etwas vormachen? Ich mag ein Sadist sein, aber ich bin kein verfluchter Bastard. Wheeler zögert. "Geh." zische ich ihn ungehalten an und er gibt sich einen Ruck. Im nächsten Augenblick bin ich mit Siegfried alleine. Der Deutsche atmet schwer. Ich strecke die Hand aus und berühre für einen Moment sein Haar. "Ist dir klar, dass dies die unmännlichste Farbe überhaupt ist?" frage ich. Er blinzelt, sagt jedoch nichts dazu. Ich lächele ihn an. "Da fällt mir ein... was hat es eigentlich mit diesem Bier auf sich?" will ich dann wissen und der Mann sieht mich verständnislos an. Ich verdrehe leicht die Augen. "Ihr Deutschen scheint darauf voll abzugehen." erkläre ich gelassen. "Deshalb hab ich es auch gleich mal probiert... Aber mal ehrlich, so toll ist das Zeug nicht." Siegfried betrachtet mich einen Augenblick und scheint keinerlei Ahnung zu haben, worauf ich hinaus will. In seinem Kopf arbeitet es allerdings schon wieder eifrig. Er überlegt vermutlich, was ich mit meinem Gerede bezwecken will und natürlich fragt er sich auch, was ich mit seinem Bruder vorhabe. Ich nehme mir Wheeler´s Glas und schenke mir aus der Karaffe ein. "Das Zeug zum Beispiel ist wesentlich besser." befinde ich und sehe ihm deutlich an, dass mein Plauderton ihm weitaus mehr Angst macht als mein harsche Art von vorhin. Ich grinse. "Bislang schlägst du dich wirklich gut. Hätte ich nicht gedacht." sage ich aufrichtig. "Ich hätte damit gerechnet, dass du ohnmächtig wirst... Aber nein, du hältst dich wacker." Ich proste ihm anerkennend zu und er presst die Lippen fest aufeinander. Ich nippe an meinem Drink und wende mich dann wieder dem Koffer zu. "Schade nur, dass du uns nicht wirklich etwas brauchbares zu liefern vermagst." seufze ich dann. "Er...ich wusste.. nicht..." beginnt der Deutsche zu stammeln, aber ich winke ab. "Schon gut, schon gut. Ich glaube dir doch. Cool down. Du bist nur eine Marionette, das ist mir klar." erkläre ich und er winselt wieder kurz. "Allerdings muss ich dir schon sagen, dass es keine gute Idee war, dich mit Kaiba anzulegen. Mal unter uns, da konnte doch nichts gutes bei rauskommen, oder?" Erneut treten Tränen in seine Augen und ich lächele ihn nachsichtig an. Kaiba hat mir ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass es ihm egal ist, was aus Siegfried wird. Seine Anweisungen bezogen sich nur auf Wheeler. Das Hündchen muss heil zurückgebracht werden, der Deutsche... Es spielt keine Rolle für den Eisklotz ob ich ihn in Stücke schneide oder mir anderweitig die Zeit mit ihm vertreibe. "Ich nehme an, du hast nichts mehr brauchbares zu sagen." stelle ich ungerührt fest und leere mein Glas. Der Deutsche lässt mich nicht aus den Augen. Er gibt ein merkwürdiges Bild ab, so wie er gerade da sitzt. Sein Haar ist strähning geworden vor Schweiß, seine Brust blutüberströmt und seine Hand... Die zwei Finger sind erstaunlich angeschwollen und ich vermute, die Schmerzen sind barbarisch. Augenblicklich dürfte ihn lediglich der Gedanke an seinen Bruder aufrecht halten. Ja, ich glaube, er hätte schon längst resigniert, wenn es dieser Leon nicht im Hause wäre. "Ich glaube, dir liegt viel an deinem Bruder." sage ich und seine Augen werden noch einen Tick größer. "Ja, ich bin mir sogar sicher. Damit hast du übrigens etwas mit Kaiba gemeinsam." fahre ich fort. "Und ich kann dich verstehen. Oh ja. Familie ist wichtig. Sehr, sehr wichtig sogar und es gibt nichts schlimmeres als einen geliebten Menschen zu verlieren, nicht wahr?" Ich mache eine kurze Pause. Er rührt sich nicht. "Weißt du was ich glaube?" frage ich dann. Er antwortet natürlich nicht. "Für einen geliebten Menschen ist man bereit alles zu tun. Man wächst über sich hinaus. Man ist mit einem Mal zu allem fähig, gleichgültig was es ist. Sogar zu den abscheulichsten Greultaten." Ich seufze und bereue es im gleichen Moment das gesagt zu haben, denn unweigerlich bringen diese Worte meine Erinnerung zurück. Ich schenke mir nach und hoffe insgeheim, dass Wheeler gleich zurückkommt. Nachdenklich beäuge ich den Rosanen. "Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sag es jetzt." fordere ich ihn ernst auf. "Das ist sozusagen deine letzte Chance, deine Vergehen zu bereinigen und glaub mir, es ist wesentlich leichter vor die Götter zu treten, wenn du reinen Tisch gemacht hast." Er scheint über meine Worte nachzudenken. Sein Brustkorb hebt und senkt sich hektisch und ich vermute, der denkt an die Worte, die ich ihm eingangs gesagt habe. Dass er ohnehin nicht lebend hier rauskommen wird und ich schätze, er ist fast an dem Punkt angelangt, an dem er sich damit abzufinden beginnt. Oh, ja. Aber er wird es noch nicht tun. Nicht solange sein Bruder lebt und er sich an seiner Hoffnung festklammert. Hoffnung... Wie albern es doch ist, sich an so etwas zu klammern. Zu hoffen... Wieder triften meine Gedanken ab, ohne dass ich etwas dagegen zu tun vermag. Bei Ra, was ist heute nur mit mir los? Warum vermag ich es nicht zu verhindern, dass die Geister der Erinnerung mich heimsuchen - hier und jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt? Alles nur wegen Seto Kaiba? "Sag was du willst, Kura, aber Kaiba geht dir unter die Haut. Ich weiß nicht, warum dem so ist. Vielleicht hat es mit - ... nun, ich weiß es nicht, aber er ist dir nicht egal und dir ist auch nicht gleichgültig, was zwischen Wheeler und ihm läuft. Ich glaube, du bist dabei dein Herz wiederzuentdecken, Kura..." Dieser verfluchte Alister mit seinen rauchigen Augen und diesem zaghaften und doch bestimmten Tonfall. Ich hätte ihm den Hals umdrehen sollen, aber nein. Ich konnte ihn noch nicht einmal zum Schweigen bringen. Und warum? Ich weiß es nicht... nicht wirklich. Letztlich ist es auch egal. Es hätte ohnehin nichts geändert. Seine Worte waren gesagt und der Kleine traf damit unweigerlich ins Schwarze. Ich gebe mir einen Ruck und fasse mich wieder. Augenblicklich spielen weder Alister noch Kaiba noch meine Gefühle eine Rolle. Hier und jetzt geht es um die Mission. Um Siegfried. "Ich glaube, du hörst mir nicht zu." sage ich nachdem er sich keinen Milimeter rührt und greife erneut zu der Zange. Mein Herzschlag ist vollkommen ruhig als ich ihm sein Ohr abtrenne. Er gibt einen bestialischen Schrei von sich, der erneut Erinnerungen in mir zu wecken beginnt und ich spüre sein warmes Blut auf meinem Arm. "Gott!" höre ich ihn schreien. Einmal, zweimal. Ich lächele ihn spöttisch an. "Mein Erfahrung hat mich gelehrt, dass kein Gott einem je zur Hilfe geeilt ist." erkläre ich und leere mein Glas. "Nein, kein einziger Gott hat je einen Hilferuf wirklich erhört. Und glaub mir, ich muss es wissen." Ich habe nach Ra gerufen als ich mein Dorf brennen sah. Ich war bereit mein Leben zu opfern, wenn er die Flammen löschen würde. Auch an die anderen Götter habe ich mich in meiner Verzweiflung gewandt und gefleht, sie mögen mich erhören. Isis, Osiris, Anubis... Irgendwer sollte mir beistehen, koste es was es wolle, aber nein. Nichts war passiert. Die Flammen loderten nur noch höher und der Geruch von brennendem Fleisch stieg mir in die Nase so unbarmherzig und gnadenlos, dass ich mich übergeben musste bei dem Gedanken, wessen Fleisch die Flammen da verzehrten. Unwillkürlich fühle ich es wieder. Rieche den Qualm, den Gestank und bin erleichtert als die Tür sich öffnet und Wheeler mit dem Kleinen auf dem Arm eintritt. Er ist noch immer bewusstlos und hängt wie eine schlaffe Puppe in den Armen des Blonden. "LEON!" wimmert Siegfried auf und sein Blick hängt an Wheeler, der den Jungen behutsam auf das Sofa legt und mich dann fragend ansieht. Ihm ist nicht entgangen, dass die Hälfte von Siegfried´s Gesicht in Blut getaucht ist. Als er den Mund öffnet, ahne ich was kommen wird, aber bevor er etwas zu sagen vermag, geht das Telefon. Das Klingeln lässt sowohl den Deutschen als auch Wheeler zusammen zucken. Ich werfe einen gleichgültigen Blick über die Schulter und zu dem Telefon auf dem Schreibtisch. Das Klingeln durchbricht die grausige Stille, die augenblicklich in dem Raum herrscht. Keiner rührt sich. Es dauert nicht lange und der Anrufbeantworter geht ran. Ich vernehme Siegfried´s Stimme, ruhig und sachlich, ganz anders als die mit der er eben noch mit mir geredet hat. Ein totaler Stillbruch und ich kann nicht umhin den Deutschen anzusehen während ich ihn auf dem Band so natürlich reden höre. Der Widerspruch ist so herrlich grotesk, dass ich lächeln muss. Im nächsten Moment erstarre allerdings auch ich. "Ich bedauere, dass unsere Geschäftsbeziehung auf diese Weise endet, mein lieber Siegfried." vernehme ich eine merkwürdig klingende Stimme. "Ja, ich bedauere es wirklich sehr." Mein Blick trifft den von Wheeler und wir starren uns entgeistert an. "Ich nehme an, meine Herrn, sie sind noch eifrig bei der Arbeit. Nun, ich möchte sie auch nicht weiter dabei stören. Ich habe lediglich eine kleine Nachricht für unseren gemeinsamen Freund." redet die Stimme auf dem Band weiter und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit habe ich das Gefühl, dass mein heißes Blut stark abkühlt. Aus Wheeler´s Gesicht ist alle Farbe gewichen, ich glaube er hält sogar gebannt die Luft an. Siegfried ebenso. Einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, den Hörer abzunehmen, aber ich rühre mich nicht. Wie erstarrt sehe ich da, immer noch die Zange in der Hand und lausche der seltsam unwirklichen Stimme, die merkwürdig verzerrt klingt und mich unwillkürlich an einen dieser Horrorfilme denken lässt, den ich letztens noch mit Alister gesehen habe. "Das ist erst der Anfang." erklärt die Stimme. "Ich bin noch lange nicht fertig mit dem werten Seto. Im Gegenteil. Die Spiele haben gerade erst begonnen. Ich habe noch eine Menge mit ihm vor. Oh ja und nichts davon wird ihm gefallen oder schnell vorbei sein. Sagen sie ihm das bitte. Und sagen sie ihm auch, dass wenn ich mit ihm fertig bin und endlich so gnädig sein werde, ihn zur Hölle zu schicken, wird ihm diese wie das Paradies erscheinen." Wheeler atmet heftig aus. Sein Mund klappt auf und ich höre, dass das Band fast am Ende ist. "Und nun, meine Herrn, wünsche ich ihnen noch viel Spaß. Ich hoffe, dass sie die Nachricht noch übermitteln können." Es klickt und der Anrufer hat das Gespräch somit beendet. Einen Augenblick sehen Wheeler und ich uns in die Augen und wieder habe ich das Gefühl, dass der Blonde das Gleiche denkt wie ich. Dann höre ich ihn laut fluchen und bin erstaunt, solche Worte aus seinem Mund zu hören. Ich setze gerade zu einer sarkastischen Bemerkung an als mich ein Gedanke durchzuckt. Mein Blick wandert kurz zu Siegfried, dann zu dem Jungen und schließlich wieder zu Wheeler. "Wir müssen hier raus." erkläre ich und das Hündchen sieht mich verständnislos an. Kapitel 57: Aufatmen -------------------- Da ich euch ja nicht so lange um unseren Seto bangen lassen will... Viel Spaß beim Lesen! "Mokuba." Meine Stimme kommt mir so unendlich leise vor, sie klingt nicht nach mir. Fast glaube ich, dass ich seinen Namen nur flüstere oder gar kein Wort über meine Lippen kommt. Der Schuss! Ich blinzele unsicher und erst jetzt registriere ich diesen alles umfassenden Schmerz, der durch meinen Körper jagt. Ich versuche mich zur Seite zu drehen und es durchzuckt mich wie einen Blitz. Ich stöhne auf und verziehe den Mund. Mein Rücken brennt wie Feuer und ich habe das Gefühl, dass ich keine Bewegung machen kann ohne, dass der Schmerz noch größer wird. "Bleiben sie liegen, Sir." höre ich eine vertraute Stimme sagen. "Wir haben die Kugel noch nicht entfernt." Die Kugel. Ich brauche einen Moment bis ich begreife, dann reiße ich die Augen auf und blicke in die meines kleinen Bruders. Sein Gesicht ist schmutzig und Tränen überströmt und doch strahlen seine Augen mich an. "Mokuba." keuche ich und er schluchzt. "Setoooo." Ich versuche die Hand nach ihm auszustrecken, aber ich vermag es kaum meinen Arm zu bewegen. Mokuba greift nach meiner Hand und drückt sie. Ein warmer, wohliger Schauder läuft mir über den Rücken und verdrängt für einen Moment den Schmerz. "Seto." sagt er wieder schniefend und ich versuche zu lächeln. "Wir haben es gleich geschafft, Sir." vernehme ich Roland´s Stimme und mit einem Schlag ist die Erinnerung wieder da. Ich sehe den Hünen wieder vor mir, der auf Mokuba zielt und selbst jetzt schlägt mein Herz sofort wieder schneller. "Geht es dir gut?" frage ich den Kleinen und er nickt. "Dank dir." schnief er und ich seufze erleichtert. Für einen Moment schließe ich wieder die Augen. Dann vernehme ich Odeon´s Stimme. "Trink das." sagt er nur und als ich die Augen wieder öffne, hält er mir eine kleine Schale hin. Das Zeug riecht abscheulich und ich verziehe unwillkürlich den Mund, aber ich lasse zu, dass er sie an meinen Mund führt und nehme einen kräftigen Schluck. Im nächsten Augenblick habe ich das Gefühl, dass es mir die Eingeweide zerreißt und ich verziehe angewidert den Mund, doch der Ägypter hält mir die Schale noch immer an den Mund. "Trink." ermahnt er mich sanft und ich tue es widerwillig. Brennend rinnt die Flüssigkeit meine Kehle hinunter, doch im nächsten Moment habe ich das Gefühl, dass der Schmerz ein wenig nach lässt. Mein Schädel pocht und für einen kurzen Augenblick verschwimmt alles vor meinen Augen. "Sir?" höre ich Roland sagen und versuche mich ihm zu zuwenden, doch das ist unmöglich. "Wir haben die Kugel." Ich nicke verstehend und bereite mich innerlich darauf vor, dass nun ein noch größerer Schmerz folgen wird. Mokuba hält noch immer meine Hand und lächelt mich an. Ich erwidere den Druck sanft und sehe ihm direkt in die Augen als ich das Gefühl habe, dass man irgendetwas spitzes in mich bohrt. Es kostet mich all meine Selbstbeherrschung nicht zu schreien und ich versuche mich einzig auf Mokuba zu konzentrieren. "Geschafft." höre ich Roland erleichtert sagen und dann erscheint mein Assistent auch schon in meinem Blickwinkel. Er hat die Sonnenbrille abgelegt und ich glaube Spuren von Tränen in seinen Augen zu erkennen. "Roland." sage ich nur und er lächelt mich leicht an. "Die Kugel hat keine Organe verletzt, Sir. Allerdings werden sie sich eine Weile schonen müssen. Der Arzt ist ein Freund der Ishtars. Odeon hatte ihn zum Glück schon für Master Marik gerufen." erklärt er mir in seinem gewohnt nüchternen Tonfall und doch habe ich das Gefühl, dass er dieses Mal keineswegs so emotionslos klingt. In seinem Gesicht sehe ich deutlich die Zeichen des Kampfes und ich vermute, dass er, nachdem ich bewusstlos wurde, die Lage unter Kontrolle gebracht hat und ich es einzig ihm verdanke, hier zu sein. Mit Mokuba. "Wie geht es Marik?" will ich wissen. Odeon bedenkt mich mit einem sanften Blick. "Er schläft. Seine Verletztungen sind versorgt. Er brauchte Nahrung und Ruhe." sagt der Ägypter und ich nicke erleichtert, wende den Kopf dann wieder Roland zu. "Roland, sie..." Ich weiß nicht wie ich ihm danken soll, wie ich ihm überhaupt danken kann. Er hat sein Leben für Mokuba und mich riskiert und es muss ein harter Kampf mit dem Hünen gewesen sein. Seine rechte Schläfe ist blutverkrustet und auch seine Nase scheint schwer in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Es kommt selten vor, dass mein Assistent mich unterbricht. Dieses Mal fällt er mir jedoch ins Wort. "Nachdem Master Odeon zurückkehrt ist, hielt ich es für angebracht, ihn anzuweisen bei seinem Bruder zu bleiben. Ich denke, dass war in ihrem Sinne, Sir. Daher bin ich allein zur Villa aufgebrochen." erklärt er mir ruhig und ich schaffe es trotz meiner Schmerzen zu grinsen, doch Roland fährt ungerührt fort. "Bis auf zwei Männer sind alle tot. Ich habe die Beiden verschnürt zurück gelassen. Da bislang niemandem aufgefallen ist, was sich ereignet hat, müssten sie sich noch dort befinden. Allerdings wage ich zu behaupten, dass eine Befragung sich als sinnlos erweisen würde. Sie machten keineswegs den Eindruck als hätten sie brauchbare Informationen." Ich nicke leicht und will gerade zu einer Erwiderung ansetzen als Mokuba aufgeregt zu reden anfängt. "Du hattest ihn sehen müssen. Roland ging ab wie Wolverine. Wirklich! Er hat den Typen so was von fertig gemacht. Es war fast wie in einem Film." erzählt mir der Kleine eifrig und blickt zwischen meinem verlegenen Assistenten und mir hin und her. "Der Riese hat auf ihn eingeschlagen und dann hat Roland ihn eiskalt erledigt." Roland hüstelt pikiert. "Nun, ganz so eiskalt war es nun nicht wirklich, aber ich habe in der Tat dafür gesorgt, dass dieses Subjekt keinen Unfrieden mehr zu stiften vermag." wirft er sichtlich verlegen ein und ich muss erneut grinsen. "Dessen bin ich mir sicher, Roland." entgegne ich und mustere dann meinen kleinen Bruder. Die Erleichterung, die ich bei seinem Anblick verspüre, verdrängt jeden Schmerz und wäre das Zehnfache an Kugeln wert. Ich lächele den Kleinen an und er drückt meine Hand noch etwas fester. "Ich hatte solche Angst um dich, Seto." sagt er und scheint sichtlich bemüht nicht wieder zu schluchzen. "Und ich um dich, Mokuba." entgegne ich und wünschte augenblicklich nur eins, ich könnte ihn in meine Arme ziehen. "Die Kerle haben dir doch hoffentlich nichts getan?" frage ich dann und er schüttelt den Kopf. "Nein." entgegnet er schnell. "Ich hab ehrlich gesagt nur Hunger." Ich lache kurz auf und wie auf´s Stichwort erscheint Ishizu Ishtar. "Ich habe alles für sie herrichten lassen." erklärt sie. "Sie werden ein paar Tage Ruhe brauchen. Dr. Rashyd hat mir gesagt, wie ich ihre Wunden versorgen soll." Ich nicke nur und sie wendet sich an Mokuba. "Und wenn du Hunger hast..." Sie lächelt den Kleinen an und er grinst verlegen. "Ich bringe dir gleich etwas, du willst sicher bei deinem Bruder bleiben." Mokuba lächelt sie dankbar an und ich lasse den Kopf zurück auf das Kissen sinken. "Was ist mit Joey?" will Mokuba dann wissen und Roland antwortet ihm: "Master Wheeler befindet sich mit Herrn Bakura auf einer Mission in Deutschland." Mokuba wirkt einen Moment erstaunt, dann wendet er sich wieder an mich. "Du hast meinen Hinweis verstanden?" fragt er dann. "Natürlich." entgegne ich und füge hinzu: "Das war wirklich sehr klug von dir. Andernfalls hätte ich nicht gewusst, wo wir suchen sollten." Ich sehe ihn anerkennend an und zarte Röte erscheint auf seinen schmutzigen Wangen. "Ich hab aufgeschnappt, dass das Haus etwas mit den Schröders zu tun hat und was ich von dem Weg sehen konnte, zeigte mir, dass wir nicht in Deutschland oder so waren, sondern uns irgendwo in Arabien befinden mussten. Und ich habe auch deutlich den Muezzin rufen gehört." Ich seufze leise und sofort sieht Mokuba mich besorgt an. "Schon gut, Mokuba, ich bin einfach nur erleichtert, dass es dir gut geht." winke ich ab und es glitzert wieder gefährlich in seinen Augen. "Ach Seto..." Er wischt sich mit dem Handrücken über die Augen, doch zum Glück erscheint in diesem Moment Ishizu, die ihm einen Teller reicht. Er nimmt ihn dankbar entgegen und die Ägypterin wendet sich an mich. "Haben sie auch Hunger?" will sie wissen. Ich schüttele den Kopf. "Danke, nein." entgegne ich und sie sieht Roland fragend an. "Danke, ich könnte tatsächlich eine Kleinigkeit vertragen." meint mein Assistent etwas unsicher und Ishizu nickt. "Kein Wunder, sie haben ja auch gekämpft wie ein Löwe." meint Mokuba mit vollem Mund und Roland´s Wangen röten sich leicht. "Haben sie schon etwas von Joey gehört?" frage ich. Er schüttelt den Kopf. "Ich habe bislang allerdings auch nicht versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Master Mokuba und sie waren meine oberste Priorität." entgegnet er und macht einen zerknirschten Eindruck. Ich werfe ihm einen verständnisvollen Blick zu. "Sie haben sich mehr als richtig verhalten, Roland." versichere ich ihm. "Wenn sie nicht gekommen wären..." Ich beende den Satz nicht, aber keineswegs, weil es mir schwer fallen würde ihm zu danken oder einzugestehen, dass ich nicht mehr ganz Herr der Lage war, sondern weil ich weiß, dass Roland sich bei solchen Worten unwohl fühlt und auch weil ich mir bewusst bin, dass er mich auch so versteht. Zudem vermute ich, dass mein Assistent genug in meinen Augen zu lesen vermag. Immerhin kennt er mich neben Mokuba besser als jeder sonst. Jeder sonst. Meine Gedanken wandern schlagartig zu Wheeler und ich hoffe inständig, dass Bakura sein Wort hält und ein Auge auf das Hündchen hat, aber auch, dass die Mission der Beiden glatt verläuft. Dann fallen mir wieder die Worte des Riesen ein. Seine Aussage, dass sein Auftraggeber, mich nicht tot sehen will... Ich presse die Lippen fest aufeinander. Irgendwie habe ich das Gefühl, die Lage bislang von einem falschen Blickwinkel aus betrachtet zu haben. Pegasus, Siegfried, dieser ominöse Mann im Hintergrund. All das ergibt Sinn und doch wieder nicht und ich werde die Vermutung nicht los, dass es keineswegs um diese - meine - Erfindung geht. Nein, der Mann wollte Mokuba vor meinen Augen töten. Er wollte ihn töten, um mir einen Denkzettel zu verpassen. Es hatte keinen anderen Grund und diese Tatsache besagt, dass es keineswegs, um irgendeine Erfindung geht. Unwillkürlich muss ich wieder an Pegasus Worte denken. "Ich wollte nicht, dass es so kommt. Das wirst du mir sicher nicht glauben, doch es ist die Wahrheit. Mag sein, dass wir beide alles andere als Freunde sind, aber Familie war für mich immer wichtig und wäre es nach mir gegangen..." "Viel Glück, Seto Kaiba!" Damals habe ich seinen Worten keine Bedeutung beigemessen, ich hielt es für eine seiner aalglatten Floskeln, aber jetzt... Pegasus war seine Familie in der Tat wichtig und wenn ich mich jetzt an den Erfinder erinnere, dann sehe ich Bedauern in seinen Augen. War das vielleicht der Grund, warum er sterben musste? Ich hoffe, dass Bakura in der Lage ist, ein paar Informationen aus Siegfried herauszuholen, auch wenn ich den vagen Verdacht habe, dass der Deutsche nichts weiter als eine Spielfigur meines ominösen Feindes ist. Wieder stellt sich mir die Frage, wer mich so sehr hasst, dass er zu solchen Schritten fähig ist. "Du solltest noch etwas trinken." höre ich Odeon sorgen und erneut hält er mir die Schale mit diesem fürchterlichen Gebräu hin, aber ich schätze, dass es irgendwas damit auf sich hat und deshalb nicke ich und lasse zu, dass er mir erneut von dieser grauenvollen Flüssigkeit einflößt. Ich nicke dem Ägypter dankbar zu und für einen Moment huscht ein kleines Lächeln über das Gesicht des großen Mannes. "Das war sehr tapfer von dir." befindet er knapp und wendet sich dann auch wieder ab. Tapfer. Hm. Mein Blick wandert zu Mokuba, der sein Mahl fast beendet hat und ich betrachte ihn einen Augenblick liebevoll. Gott, ich darf mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die Kugel ihn... Nein, darüber will ich nicht nachdenken und zum Glück muss ich es auch nicht. "Du hast wirklich keinen Hunger, Seto?" fragt er kauend und ich schüttele leicht den Kopf. Er zuckt mit den Schultern und verputzt auch den letzten Rest von seinem Teller. "Du solltest dich vielleicht ein wenig waschen." schlag ich ihm dann vor und er nickt gehorsam. Als er verschunden ist, wende ich mich wieder an Roland, der etwas skepitsch das Essen beäugt, dass Ishizu ihm gebracht hat. "Diese Männer, das waren keine Profis. Nur der Eine, der Riese..." stelle ich fest und Roland nickt leicht. "Ja, davon gehe ich auch aus. Die anderen waren wohl angeheuerte Söldner. Daher bezweifle ich auch, dass einer von ihnen etwas brauchbares weiß." Ich nicke. "Dann werden wir wohl unsere Hoffnungen auf Wheeler und Bakura setzen müssen." entgegne ich nachdenklich. "Darf ich fragen, was ihre nächsten Schritte sind, Sir?" will Roland dann wissen. "Ich denke, wir werden noch ein paar Tage hier bleiben müssen bis sie wieder auf den Beinen sind." Ich seufze unwillkürlich. Der Umstand, dass ich erst einmal mehr oder weniger außer Gefecht bin, behagt mir keineswegs. Ich überlege kurz. Deutschland ist nicht weit... So gesehen wäre es keine schlechte Idee, Wheeler und Bakura zu sagen, dass sie herkommen sollen. Zumal ich nicht sicher bin, welche Schritte der Gegner als nächstes unternimmt. "Ich werde Wheeler und Bakura unterrichten, dass sie herkommen sollen." erkläre ich schließlich. "Und vielleicht wäre es gut, wenn sie sich um einen Unterschlupf für uns kümmern. Wir können diesen Leuten ja nicht zur Last fallen." Roland nickt. "Ich werde alles notwendige in die Wege leiten, Sir." Ich nicke leicht und er widmet sich wieder seinem Essen. Mein Kopf sink wieder auf das Kissen und ich spüre wie meine Lider schwer werden. So groß meine Erleichterung auch sein mag, Mokuba endlich wieder in Sicherheit, bei mir, zu wissen, so unbehaglich fühle ich mich angesichts dieser undefinierbaren Situation. Ich weiß weder wer mein Gegner ist, noch was seine Ziele sein könnten. Die Erfindung ist es nicht, soviel steht für mich fest. Aber was hat er vor? Worum geht es ihm tatsächlich? Und vor allem - was gedenkt er als nächstes zu unternehmen? Bis Bakura und Wheeler hier sind, werde ich mich wohl gedulden müssen, so sehr es mir auch missfällt. Ich hoffe nur, dass es den Beiden gut geht und diese Spur zu Siegfried keine Falle war. "Sag mal, Seto, kennst du jemanden namens Grey?" höre ich Mokuba plötzlich fragen und öffne die Augen. Fragend sehe ich meinen Bruder an. "Dieser Riese... er redet von einem Grey, der ihm den Auftrag erteilt hätte." "Grey." wiederhole ich laut, aber der Name sagt mir überhaupt nichts. Kapitel 58: Kollateralschäden ----------------------------- "Wir müssen hier raus." wiederholt der Dieb energisch und ich verstehe nur Bahnhof. Bakura scheint mit einem Mal ungewohnt angespannt. Er blickt zwischen Siegfried, Leon und mir hin und her. "Wieso?" frage ich ziemlich belämmert und er verdreht genervt die Augen. "Schnapp dir den Kleinen." befiehlt er mir harsch. "Das Haus wird gleich in die Luft fliegen." Ich starre Bakura entgeistert an, rühre mich jedoch nicht einen Millimeter. Wie kommt er auf die Idee? Ich kann ihm nicht wirklich folgen. Wieso soll das Haus in die Luft fliegen? Bakura stöhnt auf. "Wheeler, vertrau mir einfach. Schnapp den Kleinen und komm mit." befiehlt er. "Was ist mit Siegfried?" will ich wissen. Der Dieb seufzt. Dann beginnt er an den Fesseln des Deutschen zu nesseln. Siegfried ist inzwischen halb bewusstlos und stöhnt auf als Bakura die Fesseln um seine Handgelenke löst. "Ich nehme den Penner, du den Jungen." sagt Bakura und obgleich ich nach wie vor nicht verstehe, wie er darauf kommt, dass das Haus in die Luft fliegen könnte, gehe ich zur Couch und nehme Leon auf die Arme. Der Kleine ist noch immer bewusstlos. Bakura hat Siegfried inzwischen losgebunden und auf die Beine gezogen. Der Deutsche stöhnt gequält auf und der Dieb wirft ihn sich unsanft über die Schulter. "Verdammt noch mal, komm einfach." zischt der Weißhaarige mich an und bewegt sich dann auch schon Richtung Tür. Ich folge ihm wie in Trance. Bakura stürmt auf die Haustür zu. "Was ist mit den Dienstboten?" will ich wissen, aber er gibt mir keine Auskunft. Er stellt Siegfried kurz neben der Tür ab und schickt sich an die Tür aufzuschließen. "Wie kommst du darauf, dass..." setze ich an, doch Bakura wirft mir einen giftigen Blick zu und reißt die Tür auf. "Später." zischt er mir zu, packt sich wieder Siegfried und reißt diesen mit sich nach draußen. Der Deutsche taumelt und hält sich mehr schlecht als recht auf den Beinen. Was dann passiert, verstehe ich im ersten Augenblick nicht. Ich höre einen Knall. Es klingt als würde irgendwo ein großer Luftballon zerplatzen und im nächsten Augenblick sehe ich wie Siegfried sich aufbäumt. Erneut knallt es und dieses Mal begreife ich was passiert. Eine Kugel hat den Deutschen getroffen. Es folgt ein dumpfer Aufprall und der Rosane liegt am Boden. Bakura packt mich am Arm und als es zum dritten Mal knallt, wirft er mich unsanft zu Boden. Ich schaffe es gerade noch Leon festzuhalten und sowohl er als auch der Dieb landen auf mir. Kaum eine Sekunde später, rollt sich der Weißhaarige zur Seite und befiehlt mir liegen zu bleiben. Dann ist er verschwunden und ich rolle Leon vorsichtig von mir runter. Der Kleine ist noch immer bewusstlos. Ein Glück, denn ein Blick zur Seite verrät mir, dass sein Bruder gerade erschossen wurde. Ein kleines Loch prangert in seiner Stirn und seine Augen sind bizarr aufgerissen. Ich schlucke und frage mich was ich tun soll, doch dann ist Bakura auch schon wieder bei mir und reißt mich auf die Beine. "Wir müssen hier weg." zischt er ungehalten und schnappt sich Leon. Ich folge ihm blindlings durch den Vorgarten Richtung Mauer und kaum fünf Sekunden später knallt es hinter mir so ohrenbetäubend, dass ich befürchte taub zu werden. Eine Art Erdbeben erschüttert den Boden, ich stolpere und pralle gegen Bakura, der mich mit seinem freien Arm mit sich zieht und dann durch das Gartentor stößt. Ich taumele erneut, falle rücklings auf die Straße und jetzt sehe ich was passiert ist. Die Villa steht in Flammen. Doch ich habe keine Zeit das Schauspiel länger zu betrachten, denn im nächsten Augenblick schreit mich Bakura auch schon an: "Steh auf verdammt, wir müssen verschwinden." Ich nicke und bin auch schon auf den Beinen obgleich ich keine Ahnung habe, wie es mir wirklich gelingt aufzustehen, denn kein bewusster Gedanke durchzuckt meinen Verstand. Ich handele instinktiv, automatisch und rappele mich auf, um dem Dieb zu folgen. Er hastet in Richtung Auto und ich tue es ihm gleich. Raphael ist ausgestiegen und blickt uns fragend entgegen. "Wirf den Motor an." höre ich Bakura rufen und sehe im nächsten Augenblick wie er den Jungen auf die Rückbank schiebt, sich nach mir umdreht und auch mir einen Schubs ins Auto gibt. Ich bin gerade noch dabei Leon zur Seite zu schieben als Bakura auch schon mehr oder weniger auf mir landet und Raphael mit quietschenden Reifen losfährt. "Was ist passiert?" höre ich Alister fragen, aber Bakura´s Antwort verstehe ich nicht, denn mein Blick ist zurück auf die Villa gerichtet, deren Dachgebälk inzwischen in sich zusammengekracht ist. "Das war knapp." höre ich den Dieb sagen als wir uns soweit von der Villa entfernt haben, dass nur noch das rötliche Licht am Himmel zu sehen ist. Ich sehe ihn verwirrt an. "Woher wusstest du..." setzt ich an und er wirft mir einen kalten Blick zu. "Die Nachricht auf dem Ab." erwidert er knapp und ich runzele fragend die Stirn, aber er scheint nicht gewillt, sich näher zu erklären. "Du blutest." Alister´s entsetzte Stimme zwingt mich dazu den Dieb zu mustern. Tatsächlich. Sein linker Arm ist blutüberströmt und auch der Rest seiner Kleidung scheint in Blut getränkt. "Halb so wild. Das Meiste ist nicht mein Blut." entgegnet der Dieb säuerlich und im gleichen Moment begreife ich. "Man hat auf uns geschossen." stelle ich mit tonloser Stimme fest. Bakura stöhnt genervt auf. "Brilliante Erkenntnis, Wheeler." entgegnet er und reißt sich den Ärmel runter. "Nur ein Streifschuss." stellt er fast schon gelangweilt fest und ich starre ihn entsetzt an. "Siegfried..." Ich schlucke hart. "Der ist exikutiert worden." meint Bakura gleichgültig und schickt sich an eine Zigarette in seinen Mund zu stecken. "Wie... ich meine... wer... ?" stammele ich los und der Dieb wirft mir einen undefinierbaren Blick zu. "Dieser Grey ist gründlich." stellt er dann fest und zündet sich die Zigarette an. Ich denke über seine Worte nach und langsam beginnt mein Verstand wieder zu arbeiten. Jetzt weiß ich auch, was er meint... Der letzte Satz es Anrufers. Ich schaudere. "Fuck." entfährt es mir und Bakura grinst. "So kann man es auch ausdrücken." befindet er lässig. Während mein Herz so schnell rast, dass es mir Angst macht, scheint dieser Psycho wieder vollkommen ruhig. "Weißt du wer geschossen hat?" frage ich unsinnigerweise. Bakura zuckt mit den Schultern. "Keinen Plan, aber die Kugeln galten in erster Linie wohl dem guten Siggi." erwidert er ruhig und zieht lässig an seiner Zigarette. Dann schenkt er mir einen süffisanten Blick. "Nummer drei hätte dich aber um ein Haar getroffen." bemerkt er mit einem sonderbaren Tonfall und ich schlucke hart. Das Puzzel in meinem Kopf beginnt sich zusammen zu setzen. Die erste Kugel traf Siegfried in die Brust. Deshalb bäumte er sich einen Moment auf. Die Zweite ging direkt in den Kopf und die Dritte... Wenn Bakura mich nicht zu Boden geworfen hätte... Der Streifschuss, den er kassiert hat. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Mein Blick fällt auf Leon. "Wie lange wird er noch bewusstlos sein?" frage ich und Bakura zuckt erneut mit den Schultern. "Vielleicht noch ne Stunde." ist die vage Antwort und ich seufze. Verdammt, wie zum Teufel soll ich dem Jungen erklären was passiert ist? Und was machen wir mit ihm? Ich bin noch vollkommen in Gedanken versunken als wir das Hotel erreichen. Wie in Trance folge ich den andern in Bakura´s Zimmer. "Würde uns jetzt einer erzählen was passiert ist?" fragt Raphael nachdem er Leon auf dem Bett abgelegt hat. Bakura ist dabei sich einen Drink einzuschenken und reicht auch mir ein Glas. "Spül es runter, Wheeler, sonst wird das heute mit dir nichts mehr." meint er grinsend und ich tue wortlos was er sagt. Alister betrachtet derweil Bakura´s Arm. "Das sieht übel aus." befindet der Rothaarige. Der Dieb erwidert nichts, sondern leert sein Glas und schenkt sich ein weiteres ein, dann zieht er sich sein Oberteil aus und betrachtet beiläufig die Wunde an seinem Arm. "Warum ist das Haus in die Luft geflogen?" präzisiert Raphael seine Frage und Bakura sieht mich kurz an. "Weil Kaiba sich mit jemand angelegt hat, der darauf bedacht zu sein schein, sämtliche Spuren zu verwischen." entgegnet er ruhig und ich nicke nachdenklich. "Wenn du..." hebe ich an und erstarre. Zwei Minuten länger in der Villa und wir wären zu Grillfleisch geworden. Fassungslos sehe ich den Weißhaarigen an. "Gern geschehen." meint er nur als hätte ich meinen nächsten Gedanken, ihm zu danken schon ausgesprochen. Ehe ich etwas erwidern kann, ist der Dieb auch schon im Bad verschwunden und Alister sieht mich fragend an. Ich schüttele leicht den Kopf. "Siegfried konnte uns nichts groß sagen." erkläre ich mit tonloser Stimme. "Er sagte nur, dass ein Typ names Grey an ihn herangetreten ist und ihm helfen wollte, Kaiba die Firma abzujagen." Alister mustert mich einen Augenblick, sagt aber nichts. Dann wandert sein Blick zu Raphael, der genauso ratlos wirkt. "Was machen wir mit dem Kleinen?" will der Blonde dann wissen und ich zucke hilflos mit den Schultern. Raphael seufzt. "Diese Sache scheint komplexer als ich bislang dachte." meint er leise und ich nicke. Automatisch greift meine Hand zu der Flasche und ich schenke mir nach. Meine Hände zittern und wenn ich daran denke, dass ich ohne Bakura... Der Dieb hat mir heute zwei, nein dreimal das Leben gerettet. Die Kugel, die ihn gestreift hat, um ein Haar hätte sie mich getroffen. Wenn er nicht... Ich schließe kurz die Augen und als ich sie öffne, ist Bakura wieder aus dem Bad getreten. Er hat das Blut von seinem Arm gewaschen und getrachtet in aller Seelenruhe die Wunde. "Du musst zum Arzt." sage ich und er lächelt mich spöttisch an. "Klar doch." entgegnet er. "Damit wir uns noch mehr Ärger einhandeln. Vergiss es." Er schüttelt entschieden den Kopf und wendet sich an Alister. "Wo ist das Notfallpaket?" Der Rothaarige geht wortlos zu einem der Koffer und reicht Bakura kurz darauf eine kleine rote Schachtel. Der Dieb lässt sich auf dem Bett nieder, beginnt in dem Kästchen zu kramen und verstreut dann auch schon ein paar Sachen auf dem Bett. "Soll ich dir helfen?" will Alister wissen. Dieses Mal liegt kein Spott in dem Lächeln des Diebes, aber er schüttelt erneut den Kopf. "Du kippst mir nur um, Ali." höre ich ihn auf eine ruppig-sanfte Art sagen und beobachte im nächsten Augenblick, wie er die Wunde mit einem Tuch abtupft und dann zu Nadel und Faden greift. Ich starre ihn wie gebannt an und ohne dass ich es will entfährt mir auch schon: "Das kannst du doch nicht bringen!" Bakura schnaubt verächtlich. "Wo liegt dein Problem?" zischt er mich an. "Es ist mein Arm. Denkst du, ich mache das zum ersten Mal? Trink noch was, Wheeler, und komm erstmal runter." Ich trinke tatsächlich noch etwas und lasse mich erschöpft in einem der Sessel nieder. "Dieser...Grey... der Kerl scheint über Leichen zu gehen. Erst Pegasus, jetzt Siegfried... Was hat dieser Kerl denn vor?" fragt Alister sichtlich geschockt in die Runde. Ich schlucke. Wenn ich das nur wüsste. Augenblicklich habe ich das Gefühl überhaupt nichts mehr zu verstehen. Dieser Anruf... der Kerl wusste, dass wir dort sind. Und die Bombe war demnach auch schon dort. Das heißt, dass dieser ominöse Grey über unsere Schritte informiert war. Aber wie kann das sein? War es so vorhersehbar? Oder reiner Zufall? Auf einmal kommt mir ein erschreckender Gedanken. "Kaiba!" rufe ich aus und blicke zu Bakura, der seine Arbeit fast beendet hat. Der Dieb nickt. "Die Bombe war schon vorher im Haus." höre ich ihn sachlich sagen. "Und der Typ wusste, dass wir da sind. Er wusste, dass wir es sind, nicht Kaiba." Ich nicke automatisch. Stimmt. Der Anrufer wusste, dass Kaiba nicht in der Villa ist, sonst hätte er keine Botschaft für ihn übermitteln lassen und er hat uns auch einen Hinweis gegeben, das Haus zu verlassen, auch wenn nur Bakura ihn verstanden hat. Der Anschlag an sich galt also mehr Siegfried als uns. Aber wozu? Wir hatten den Deutschen längst verhört und dieser Kerl musste doch wissen, dass er uns nicht viel würde sagen können? "Ich schätze, er will einfach alle Zeugen beseitigen." höre ich Bakura sagen und sehe ihn fragend an. "Überleg doch mal. Siegfried meinte, dass er von der Sache mit Mokuba nichts wusste und ihm erst klar wurde, dass dieser Grey dahinter steckt als es zu spät war." Ich nicke zustimmend. "Wenn Siegfried seine Geschichte erzählt hätte, wäre Kaiba mehr oder weniger aus dem Schneider gewesen. Die Polizei hätte die Geschichte vielleicht nicht auf Anhieb geglaubt, aber es wäre zu berechtigten Zweifeln gekommen." erläutert mir der Dieb weiter und ich verstehe worauf er hinaus will. "Deshalb wurde auch Pegasus erledigt. Er und Siegfried hätten die Spur zu Grey führen können und Kaiba wenigstens ein bisschen entlastet." spinne ich den Faden weiter. Bakura nickt. "Und das will dieser Kerl auf keinen Fall." beendet er unsere Überlegungen. "Dieser Typ will Kaiba fertig machen und es ist ihm egal wer dabei drauf geht. Er hat unseren Tod in Kauf genommen, den des Jungen und..." Er spricht nicht weiter, aber ich verstehe auch so. Drei unschuldige Menschen sind heute Nacht gestorben. "Wollt ihr damit sagen, dass es gar nicht um die Erfindung oder die Firma geht? Dass das alles ein ausgeklügelter Rachefeldzug gegen Kaiba ist?" Alister´s Stimme klingt hysterisch, was ich nur zu gut nachvollziehen kann. Seltsamerweise bin ich dabei wieder ruhig zu werden. Mein Herz schlägt wieder halbwegs normal und der Alkohol beginnt zu wirken. "So sieht es aus." meint Bakura und begutachtet sein Werk. "Scheint als hätte ich jetzt auf ewig eine Erinnerung an dich, Hündchen." Er grinst mich an und ich bin nicht sicher wie ich diese Aussage deuten soll. Alister sieht den Weißhaarigen fragend an. "Was machen wir denn jetzt?" Bakura bedenkt ihn mit einem nachsichtigen Blick. "Wir werden erstmal den Chef informieren." entgegnet er und ich nicke. Ohne weiter nachzudenken ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle Kaiba´s Nummer. Die anderen beobachten mich dabei schweigend. Es weckt so lange, dass ich fast glaube, dass Kaiba den Anruf nicht mehr entgegen nehmen wird. Umso überraschter bin ich als ich dann Roland´s Stimme vernehme. "Roland!" bringe ich überrascht vor. "Hier ist Joey." "Master Wheeler, gut das sie anrufen. Ich wollte gerade versuchen sie zu erreichen." kommt Kaiba´s Assistent auch gleich zur Sache und ich halte gebannt die Luft an als er zu erzählen beginnt: "Es ist uns gelungen, Master Mokuba zu befreien. Wir befinden uns augenblicklich noch bei den Ishtars. Master Kaiba wurde allerdings verletzt." "Was?" unterbreche ich ihn hektisch. "Was ist passiert? Geht es ihm gut?" Vage nehme ich wahr, dass Bakura´s Augen sich weiten und er mich fragend ansieht. "Ja, Sir, es geht ihm soweit gut. Allerdings wird er sich ein paar Tage schonen müssen." erklärt der Assistent mir ruhig und ich atme erleichtert auf. "Es wäre daher am Besten, wenn sie nach Ägypten kommen würden, um alles weitere zu besprechen. Master Kaiba hat mir aufgetragen..." Ich nicke nur. "Natürlich." unterbreche ich Roland erneut. "Wir kommen so schnell es geht." erkläre ich ihm und überlege kurz ob ich von den jüngsten Ereignissen bereichten soll, entscheide mich dann aber dagegen. "Wir nehmen den nächsten Flug." Die anderen sehen mich erwartungsvoll an als ich das Gespräch beendet habe und ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln. Dann berichte ich ihnen in kurzen Zügen, was sich in Ägypten zugetragen hat. "Mokuba ist in Sicherheit, aber Kaiba ist verletzt. Deshalb sollen wir auch zu ihnen kommen." erkläre ich und Bakura nickt. Einen Moment rechne ich damit, dass er bezüglich Kaiba´s Verletzungen nachhakt, doch stattdessen wendet er sich an Alister. "Tja, dann buch mal den nächsten Flug." meint er und der Rothaarige nickt. "Wir kommen ganz schön rum, was?" fragt Bakura an mich gewandt und grinst, aber dieses Mal ist sein Grinsen nicht echt und ich glaube auch zu wissen warum. "Was machen wir mit Leon?" will ich wissen. Kapitel 59: Offene Fragen ------------------------- Merci für eure lieben Kommis und gleich ein Hinweis vorab, das nächste Kapitel wird erst nächste Woche kommen, da ich ab morgen erst mal wieder unterwegs bin. Sorry, dass ich euch so lange warten lasse! Grey... Gleichgültig wie sehr ich´darüber nachdenke und mein Gedächnis durchforste, wer oder was sich hinter diesem Sydonym verbirgt, bleibt mir verschlossen. Ich schaffe es nicht zu ergründen, wer hinter all diesen Dingen steckt und das beunruhigt mich weitaus mehr als die Sache an sich. Umso gespannter bin ich natürlich ob es Bakura und Wheeler gelungen ist, etwas in Erfahrung zu bringen. Ich hoffe es, denn augenblicklich weiß ich nicht wo ich sonst ansetzen sollte und irgendwie bin ich mir sicher, dass diese Angelegenheit mit Mokuba´s Befreiung noch lange nicht zu Ende ist. "Woran denkst du, Seto?" fragt mich mein kleiner Bruder und ich lächele ihn automatisch an. "Ich frage mich, wer für all das verantwortlich ist." gebe ich unumwunden zu und er nickt. Sein Blick wird ernst und eine Weile sehen wir uns schweigend an. "Wir können noch immer nicht zurück nach Hause, nicht wahr?" fragt er dann weiter und ich seufze. Während ich noch überlege, wie ich ihm antworten soll, spricht er auch schon weiter. "Naja, Hauptsache ist doch, dass wir zusammen sind, oder?" Er sieht mich fragend an. "Und Roland ist bei uns. Joey wird auch bald hier sein..." Er lächelt mich spitzbübisch an. Ich nicke leicht. "Stimmt, das ist das Wichtigste." erwidere ich und erwidere sein Lächeln. "Und New York ist gar nicht mal so übel. Ok, alles ist ein wenig groß und wirr, aber wenn man sich daran gewöhnt hat..." Er zuckt mit den Schultern. Ich nicke erneut. Scheinbar hat Mokuba sich schon mit dem Gedanken abgefunden, im Exil zu leben. Bei Wheeler. Mit mir. Nun, so schlecht ist der Gedanken aus seinem Blickwinkel auch keineswegs. Aber ich befürchte, das es keineswegs so leicht sein wird. Zum einen, weil unser Gegner noch nicht fertig mit uns, mir zu sein scheint und zum anderen... Was werde ich tun, wenn diese Sache vorüber ist? Die Kaiba Corporation war mein Leben. Was soll ich mit meiner Zeit anfangen, wenn... Und dann ist da noch Wheeler. Joey. Noch immer irritiert mich diese Entwicklung zwischen uns und auch wenn ich an einem Punkt angelangt bin, an dem ich mir unweigerlich eingestehen muss, dass es diese Entwicklung gibt, dass ich tatsächlich Gefühle für ihn habe, bin ich nach wie vor nicht sicher wie ich damit umgehen soll. Generell habe ich das Gefühl, dass ich augenblicklich nicht wirklich weiß, wie ich mit der menschlichen Komponente dieser Angelegenheit verfahren sollte und zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich all die Jahre über meine Emotionen auf Eis gelegt habe. Ja, ich habe mich vor allem menschlichen verschlossen, abgeschottet mit Ausnahme von Mokuba, dem ich mich nie verschließen konnte. Es ist seltsam, aber jetzt glaube ich Muto zu verstehen und so schwer es mir auch fällt, mir das einzugestehen, dieser Kulleraugenzwerg hatte Recht. Ja, er hatte Recht und ich habe mich geirrt. Diese ganze Sache beweist es. Mit einem Mal sind Menschen für mich da, mit denen mich nie wirklich etwas verband. Die Ishtars helfen mir einfach so. Ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Gut, sie tun es auch für Muto oder weil ich in ihren Augen ein Freund ihres Freundes bin. Aber sie helfen mir. Marik hat sein Leben riskiert, Odion ebenso und selbst jetzt sind sie für Mokuba und mich da. Ishizu kümmert sich fast schon mütterlich um meinen kleinen Bruder und versorgt meine Wunde. Teilweise erscheint mir das so unwirklich, dass ich ab und an daran zweifele ob es tatsächlich Realität ist. Hätte man mir vor einem halben Jahr gesagt, dass ich mich irgendwann einmal freiwillig mit diesen Ägyptern abgeben würde, ja, es sogar zulasse, dass ein anderer Hand an mich legt... Pegasus hatte in gewisser Hinsicht tatsächlich Recht. "Weißt du, Kaiba, man sagt, wenn einem die Menschen, die man liebt, genommen werden, kann man nie wieder der sein der man war." Diese neue Situation hat tatsächlich alles verändert. Sie hat mich verändert und in gewisser Weise glaube ich sogar, dass sie alle anderen auch verändert. Wheeler, Bakura, Mokuba - sogar Roland. Und so irritierend diese Veränderung auch sein mag, sie fasziniert mich gleichermaßen. "Odion ist gerade zum Flughafen gefahren, um die anderen abzuholen." höre ich Ishizu sagen und nicke. "Ich wollte die Zimmer für sie herrichten, aber dein Assistent scheint das lieber selber zu tun." fährt sie fort und für den Bruchteil einer Sekunde stößt es mir seltsam auf, dass die junge Frau mich duzt, ja, dass sie fast schon vertraut mit mir redet, dabei habe ich ihr angeboten, dies zu tun. Doch ich glaube, auch für sie ist es noch ein wenig befremdlich. Für mich ist es auf jeden Fall neu. Jahrelang war ich es gewohnt, immer nur Kaiba zu sein. Der Kaiba. Für alles und jeden. Außer Mokuba. Keiner außer meinem Bruder redete auf solche Weise mit mir und ich selbst habe mit keinem anderen so gesprochen. "Roland ist sehr penibel." entgegne ich und sie schenkt mir ein süffisantes Lächeln. "Ja, das ist mir nicht entgangen." erwidert sie keck und in ihren Augen blitzt es kurz auf. Unwillkürlich muss ich an den Umzug denken, den wir heute morgen gemacht haben. Roland hatte ziemlich schnell eine geeignete Unterkunft für uns gefunden und war auch schon gleich dabei alles notwendige in die Wege zu leiten. Die Hilfe der Ägypterin schien ihn zu irritieren und die entschiedene Art der Frau brachte meinen Assistenten auch ein, zwei Mal leicht aus der Fassung, auch wenn Roland sich dergleichen natürlich nicht wirklich anmerken ließ, aber ich konnte ihm deutlich ansehen, dass es ihm nicht wirklich behagte, dass sie sich so energisch in gewisse Dinge einmischte. Mokuba musste einige Male kichern als die Beiden einen leichten Disput hatten. Mit Odion dagegen scheint Roland hervorragend auszukommen und ich konnte an dem Ägypter auch eine mehr als respektvolle Haltung gegenüber meinem Assistenten bemerken, die scheinbar auf Gegenseitigkeit beruht. Andernfalls kann ich mir auch nicht erklären, wie es kam, dass Roland sich dazu überreden ließ, Wasserpfeife mit dem Ägypter zu rauchen. Dass mir solche Kleinigkeiten je auffallen würden... Früher habe ich mir keinerlei Gedanken um diese Dinge gemacht, sie nicht einmal wahrgenommen. Mag sein, dass es mit meiner augenblicklichen Lage zu tun hat, da ich aufgrund der Verletzung dazu angehalten bin, ein mehr oder weniger stiller Beobachter zu sein. Sämtliche meiner Versuche mein Lager zu verlassen wurden von Roland und Ishizu vehement unterbunden, was den einzigen Punkt darstellte bei dem die Beiden sich einig waren. So vollkommen passiv sein zu müssen, behagt mir keineswegs, doch ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass es angebracht ist, mich zu schonen. Im Übrigen glaube ich, dass ich gegen die vereinte Kraft von Roland und Ishizu augenblicklich keine wirklich große Chance gehabt hätte. "Wir könnten doch auch einfach alle hier bleiben." höre ich Mokuba sagen und sehe ihn etwas irritiert an. Er grinst. "Ägypten ist doch toll, oder? Wir könnten über den Nil schippern und Ausgrabungen machen." erläutert er seinen Gedankengang weiter und ich verkneife es mir gerade noch rechtzeitig, die rechte Braue hochzuziehen. Mokuba ist trotz allem was er durchgemacht hat so gut gelaunt, dass ich davon absehe, ihm zu erklären, dass die Dinge nicht so einfach sind, wie er es sich gerade mit jugendlichem Enthusiasmus ausmalt. "Du, ich und Joey..." sinniert er weiter und ich spüre, dass ich rot werde, aber meinem Bruder scheint es zum Glück zu entgehen. "Bakura könnten wir im Notfall auch mitnehmen." fügt er nachdenklich hinzu und seine Augen glänzen so, dass ich stark davon ausgehe, dass er sich das Szenario gerade gedanklich ausmalt. Unwillkürlich versuche ich es ihm gleich zu tun. Einfach so. Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, mit den beiden, den dreien über den Nil zu fahren. "Worüber lachst du?" fragt mich Mokuba und reißt mich wieder aus meinen Gedanken. "Ich finde die Vorstellung einfach amüsant." entgegne ich und er sieht mich einen Moment verwirrt an. Dann lächelt er verlegen. "Weißt du, ich mag Joey sehr, Seto." meint er dann als müsse er mir erklären, warum nicht nur wir beide in diesem Szenario vorkommen. "Und Bakura... Du scheint ihn zu mögen, oder?" will er dann plötzlich wissen und nun bin ich etwas irritiert. "Wie kommst du darauf?" frage ich zurück und mein Bruder zuckt mit den Schultern. "Naja, zum einen, weil du ihn mit in die Sache hineingezogen hast und zum anderen..." Er hält kurz inne und ich glaube, er muss überlegen wie er seinen zweiten Punkt erläutern soll. "Ich hab den Eindruck, dass ihr zwei irgendwie ne gemeinsame Ebene habt." Ich richte mich etwas auf und sehe Mokuba verdutzt an. Er zuckt wieder mit den Schultern. "Bakura ist ein komischer Vogel, aber ich hab so das Gefühl, dass seine Art dir nicht so sehr missfällt, wie du immer tust." erklärt der Kleine mir ruhig und beäugt mich dabei abschätzend. "Hm." Ich überlege einen Moment, frage mich was ihm diesen Eindruck vermittelt haben könnte. Bislang habe ich nicht weitergehend über den Dieb nachgedacht, aber jetzt wo er es sagt... In gewisser Hinsicht hat er Recht. Bakura´s Art, so verquer sie auch sein mag, liegt mir weitaus mehr als die von manch anderem. Zwar weiß ich oftmals nicht genau wie ich den Weißhaarigen einschätzen soll, doch obgleich er stets seine eigenen Interessen verflogt, habe ich das Gefühl, dass Bakura weitaus mehr Tiefgang hat als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Aber ob ich mit seiner Art wirklich klar komme... "Ich meine, ihr habt doch recht gut zusammen gearbeitet, oder?" hakt Mokuba nach und ich nicke unwillkürlich. "Gut ist vielleicht übertrieben, Bakura hat durchaus seine Qualitäten." entgegne ich und Mokuba nickt. "Und wenn er nicht gerade versucht alles und jeden ins Schattenreich zu verbannen, ist er auch gar kein so übeler Kerl. Schließlich hat er dir auch geholfen, oder, Seto?" Ich lache kurz trocken auf. "In gewisser Hinsicht." gebe ich zu und Mokuba grinst. "Aber Joey ist mir trotzdem lieber. Er passt auch besser zu uns." meint er dann und mich beschleicht mit einem Mal ein merkwürdiges Gefühl. Wäre es möglich... Nein, mein kleiner Bruder kann doch nicht wirklich darüber nachdenken... Seltsamerweise habe ich aber genau diesen Eindruck augenblicklich. Ich mustere ihn einen Moment, aber er wirkt so unschuldig und süß, dass ich den Gedanken sofort wieder verwerfe und im nächsten Augenblick sagt er auch schon: "Wäre doch toll, wenn Yugi, Tea, Duke und Tristan jetzt auch hier wären. Dann wären wir wieder alle zusammen." Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, dass er sich das vermutlich immer gewünscht hat. Teil dieser Gemeinschaft zu sein, die ich so rigeros abgelehnt habe. Er mochte den Kindergarten nach den anfänglichen Schwierigkeiten. Immer wieder pochte er darauf, mit Muto und den anderen zusammen zu arbeiten. "Was werden wir jetzt eigentlich weiter unternehmen?" will Mokuba weiter wissen und sieht mich ernst an. Ich seufze unwillkürlich. "Das hängt davon ab, was Bakura und Whe-Joey herausgefunden haben." entgegne ich und der Kleine nickt nachdenklich. "Ich wünschte, die Sache wäre vorbei." meint er dann und ich nicke. "Ich auch, Mokuba." Ich lächele ihn an. "Wir werden das schon alles hinbekommen." versichere ich ihm. "Augenblicklich ist mir nur wichtig, dass du in Sicherheit bist und ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert." Mokuba schenkt mir ein scheues Lächeln und für einen Augenblick sehen wir uns schweigend an. Dann erscheint Roland in der Tür. "Odion ist vom Flughafen zurück." verkündet mein Assistent und ich nicke. Mokuba´s Augen beginnen schon wieder zu strahlen. "Joey!" ruft er aus und schickt sich an aufzuspringen, sieht mich dann aber unschlüssig an. "Lauf schon und begrüß ihn." sage ich und richte mich ein wenig auf. Er nickt und flitzt im nächsten Augenblick auch schon los. Ich blicke ihm kurz nach, dann bemerke ich, dass Roland mich mustert und sehe ihn fragend an. "Die Drei sind nicht allein gekommen, Sir." erklärt er mir. "Sie haben Leon von Schröder mitgebracht." Einen Augenblick bin ich irritiert und bin nicht sicher, was ich davon halten soll, aber das werden Wheeler und Bakura mir sicher gleich erklären. Ich wünschte nur, ich müsste sie nicht in dieser demütigenden Position empfangen. Roland scheint meinen Gedanken zu ahnen. "Soll ich ihnen aufhelfen, Sir?" fragt er und ich nicke. Vorsichtig umfasst er meine Schultern und hilft mir in eine sitzende Position. "Der Verband muss bald auch wieder gewechselt werden." stellt er fest und ich presse die Lippen aufeinander, sage jedoch nichts. Kaum zwei Minuten später wird Joey auch schon von Mokuba in mein Zimmer gezogen. Ein Blick auf das Hündchen genügt, um festzustellen, dass er kein Auge zu getan hat und mehr als nur mitgenommen ist. Zudem sehe ich Sorge in seinen Augen und schenke ihm ein leichtes Lächeln. Dann erscheint auch Bakura in der Tür. Die Miene des Diebes ist emotionslos. "Wie geht es dir?" ist das Erste was Wheeler fragt und ich ziehe unwillkürlich eine Braue nach oben. Einen Moment wirkt er unschlüssig und ich verstehe auch warum. Er weiß nicht so recht, wie er mich augenblicklich begrüßen soll und ich muss gestehen, dass es mir ähnlich geht - zumal Roland, Bakura und Mokuba anwesend sind. "Ihr habt Leon mitbebracht?" komme ich gleich zum Punkt und der Blonde nickt. "Er ist bei Odion." entgegnet er und wirft Bakura einen kurzen Blick zu. "Also?" fordere ich die Beiden auf. Die Zwei wirken ungewöhnlich ernst und ich bin nicht sicher wie ich diesen Eindruck deuten soll. Dann wende ich mich an Mokuba. "Würdest du dich um Leon kümmern?" frage ich meinen Bruder. Im ersten Moment zögert er. Wahrscheinlich, weil er lieber bei der folgenden Besprechung anwesend wäre, doch als Bakura dann erklärt, dass Siegfried tot ist, scheint er sich einen Ruck zu geben und nickt mir zu. Roland wirft mir einen fragenden Blick zu und ich bedeute ihm, dass er bleiben soll. Ich warte bis Mokuba die Tür hinter sich geschlossen hat, dann wende ich mich wieder Wheeler und Bakura zu. Der Blonde blickt zu dem Dieb und es ist schließlich Bakura, der anfängt zu erzählen. "Wirklich viel haben wir nicht in Erfahrung gebracht. Siegfried wusste allerdings auch nicht viel." erklärt er und ich seufze. Ich muss nicht nachfragen, wie sie den Deutschen verhört haben, ich kann es mir denken und Wheeler´s Miene spricht für sich. "Aber zumindest konnte er ein wenig Licht ins Dunkle bringen." hebt nun Wheeler an. Bakura verzieht spöttisch das Gesicht. "Wie man´s nimmt." murmelt der Dieb und ich runzele leicht die Stirn. "Er sagte, dass ein Mann namens Grey an ihn heran getreten ist und ihm den Vorschlag gemacht hat, ihm bei seiner Rache an dir zu helfen." erzählt das Hündchen dann weiter. "Scheinbar hat dieser Kerl eine Rechnung mit dir offen und hat Siegfried und auch Pegasus für seine Zwecke eingespannt." Seltsam ruhig und ungewohnt ernst berichtet mir Wheeler, dass der Deutsche lediglich Interesse daran hatte an meine Firma oder meine Erfindung zu kommen und vom weiteren Verlauf der Dinge keine Ahnung hatte. "Er hat die Wahrheit gesagt." meint Wheeler und sieht mich entschieden an. "Er wusste nichts von der Sache mit Mokuba." Auch Bakura nickt bestätigend. "Dem Kerl ging es nur um das Geld und die Kaiba Corp. Alles weitere ging allein von diesem Grey aus." fügt er hinzu und ich nicke leicht. "Wer dieser Typ ist, konnte er auch nicht sagen. Er hat ihn nur einmal getroffen und hatte ansonsten nur telefonisch Kontakt. Aber es liegt auf der Hand, dass dieser Kerl dich und dein Umfeld sehr, sehr gut kennt. Und er wusste, dass wir Siegfried einen Besuch abstatten würden." Diese Aussage wundert mich nicht wirklich, aber Bakura´s weitere Ausführungen überraschen mich dann doch. "Wir waren gerade mitten im Verhör als das Telefon ging. Dieser Grey rief an und meinte, wir sollen dir eine Nachricht übermitteln." sagt der Dieb und die Tatsache, dass Bakura augenblicklich mehr als ernst ist, schürt mein Unbehagen zusätzlich. "Der Typ ist noch lange nicht fertig mit dir, Kaiba. Er will dich fertig machen. Um jeden Preis." Wheeler nickt. "Er hat Siegfried´s Villa in die Luft gejagt. Wir hatten unverschämtes Glück, dass wir es noch nach draußen geschafft haben. Wenn Bakura den Wink nicht verstanden hätte..." Das Hündchen wird eine Spur blasser und Bakura fährt mit der Erzählung fort. "Wir haben versucht Siegfried und seinen Bruder mit rauszuholen, aber vor der Tür wurde der Deutsche erschossen. Hingerichtet. Um ein Haar hätte es auch Wheeler erwischt. Den Kleinen haben wir dann einfach mitgenommen." Ich schlucke unwillkürlich. "Der Typ hatte alles geplant. Die Bombe war bereits im Haus und draußen saß auch jemand und wartete. Scheinbar war es diesem Kerl ungemein wichtig, Siegfried auszuschalten. Genau wie er es bei Pegasus gemacht hat." meint Bakura und ich nicke. "Wenn du mich fragst, dieser Grey ist zu allem fähig und er schreckt vor nichts zurück." Diese Worte aus Bakura´s Mund sprechen für sich. "Ich nehme an, du hast keine Ahnung wer das sein könnte?" will der Dieb wissen und ich schüttele den Kopf. "Mokuba hat erzählt, dass die Entführer auch von einem Grey gesprochen haben." erzähle ich mit seltsam tonloser Stimme. "Und nein, ich habe nicht die geringste Ahnung, wer dieser Kerl sein könnte, aber das es ihm ernst ist, hat er auch hier unter Beweis gestellt." Kurz schildere ich den Beiden was sich hier zugetragen hat und einen Moment herrscht betretenes Schweigen. "Was willst du jetzt unternehmen?" fragt mich schließlich Wheeler und ich wünschte, ich könnte ihm seine Frage beantworten, aber ich augenblicklich habe ich nicht den geringsten Ansatzpunkt. "Wen zum Teufel hast du so verärgert, dass er deinen Bruder vor deinen Augen würde abknallen lassen, Kaiba?" fragt mich Bakura harsch und ich funkele ihn eisig an. "Wenn ich das wüsste, dann hätte ich mich längst um ihn gekümmert." entgegne ich scharf. "Könnte es was mit Gozaburo zu tun haben?" mischt sich nun Wheeler ein und ich überlege kurz. Mein Blick wandert zu Roland, der mit ausdrucksloser Miene bislang nur zugehört hat. "Möglich... aber auch in dem Fall wüsste ich nicht wirklich wer es sein könnte." entgegne ich und fühle mich mit einem Mal noch kraftloser als zuvor. Auch wenn ich geahnt hatte, dass die Beiden mir nicht viele Informationen würden liefern können, hatte ich doch gehofft, dass sie es wenigstens schaffen würden mir einen kleinen Ansatzpunkt zu geben, aber ich bin nicht schlauer als bisher. Grey Ich habe nicht den geringsten Verdacht, wer dieser Kerl sein könnte. Möglich, dass einer von Gozaburo´s Feinden sich dahinter verbirgt und den Hass auf meinen Stiefvater auf mich ausgedehnt hat, aber irgendwie glaube ich das nicht. Dafür ist seine Vorgehensweise zu persönlich. "Verdammt." entfährt es mir und ich schlage mit der Faust auf das Bett. Der Dieb nickt. "Das kannst du laut sagen." meint er und bedenkt mich mit einem ernsten Blick. "Scheint als wären wir keinen Schritt weitergekommen." stellt er dann fest und ich seufze. "Immerhin konnest du Mokuba befreien." wirft Wheeler ein und ich nicke. Dennoch behagt mir das Ganze keineswegs. Ich habe das Gefühl im Nebel zu wandeln und nicht einmal die eigene Hand vor den Augen zu sehen. Wer auch immer dieser Kerl ist... er beherrscht sein Handwerk. Wenn er wirklich wusste, dass Bakura und Wheeler Siegfried aufsuchen würden, dann ist er auch in der Lage andere unserer Schritte vorherzusehen. Entweder hat er einen Spion in unseren Reihen oder er ist einfach gut im Taktieren. Beides gefällt mir ganz und gar nicht. Vor allem aber weiß ich nicht was ich nun tun soll und diese Hilflosigkeit verunsichert mich ungemein und ich glaube, Wheeler und Bakura geht es ebenso. "Sieht aus als könnten wir augenblicklich nichts anderes tun als auf den nächsten Zug des Gegners zu warten." meint Bakura und spricht somit aus, was ich mir längst gedacht habe. Aber genau das behagt mir nicht im Geringsten. Ich überlege kurz, dann trifft mein Blick den von Wheeler. "Irgendetwas müssen wir übersehen." sage ich und er nickt. "Ja, es muss irgendeinen Anhaltspunkt geben, der uns bislang nicht aufgefallen ist." stimmt der Blonde mir zu und auch Bakura nickt. "Vielleicht wäre es hilfreich, wenn wir alles noch einmal von Anfang an durchgehen." meint Wheeler und ich nicke. "Irgendwo muss es doch einen Hinweis geben..." Ich seufze. Dann kommt mir ein Gedanke. Genau genommen zwei. "Theoretisch muss es möglich sein die Telefonverbindungen von Siegfried zurückzuverfolgen." merke ich an und Bakura nickt. "Klar, Alister dürfte das hinbekommen, wird aber sicher ne Heidenarbeit. Wir suchen schließlich die Stecknadel im Heuhaufen." meint er und ich nicke. "Dennoch... es ist zumindest eine mögliche Spur, auch wenn sie vielleicht zu nichts führt." Der Dieb zuckt mit den Schultern. "Besser als nichts zu tun ist es alle mal." sagt er. "Da es eine persönliche Sache zwischen diesem Grey und mir ist, müssen wir irgendwann einmal direkt oder indirekt aufeinander getroffen sein." sinniere ich weiter und wende mich an Roland. "Wir müssen die geschäftlichen Interaktionen der Kaiba Corp. der letzten Jahre sichten. Vielleicht ist dieser Kerl jemand, den ich im Zuge von Fusionen oder Übernahmen irgendwie einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. Ähnlich wie bei Siegfried." Mein Assistent nickt. "Ich werde mich darum kümmern, Sir." meint er. Seltsamerweise habe ich allerdings das Gefühl, dass diese Angelegenheit nichts mit meiner Firmenpolitik zu tun hat. Nein, irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass etwas anderes dahinter steckt. Wenn ich nur wüsste was... Kapitel 60: Unruhe ------------------ Sorry, dass ich euch hab so lange warten lassen, aber ich hatte so viel um die Ohren und jetzt bin ich auch noch krank. seufz. Viel Spaß beim Lesen! Einen Moment sehen wir uns schweigend an. Ich habe den Eindruck, dass er noch eine Spur blasser ist als sonst, aber das ist eigentlich kein Wunder nach der Nacht, die er hinter sich hat. Odion hat uns am Flughafen bereits das Wesentliche in kurzen Zügen erzählt und im ersten Moment war ich erleichtert, dass seine Verletzung nicht so gefährlich ist, wie es erst den Anschein hatte, aber ihn jetzt zu sehen, beunruhigt mich doch wieder ein wenig mehr. Er sitzt zwar aufrecht da, aber es ist ihm deutlich anzusehen, dass er Schmerzen hat und wie ich ihn kenne, ist er sichtlich bemüht sich nicht anmerken zu lassen, typisch Kaiba eben. Dazu kommt diese Sache mit Grey. Ich kann an seinen Augen ablesen, wie sehr ihn diese Entwicklung beunruhigt, auch wenn er sich auch hierbei größte Mühe gibt, seine Gedanken zu verbergen. Alleine schon wegen Mokuba. Langsam mache ich einen Schritt auf ihn zu, zögere dann einen Moment und lasse mich schließlich doch neben ihm nieder. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er mich noch etwas unsicher an, zumindest deute ich seinen Blick so, doch dann entspannen sich seine Züge langsam. "Fuck, ich hatte eine Heidenangst als ich gehört habe, dass du angeschossen wurdest." sage ich und lächele ihn an. Er erwidert mein Lächeln. "Halb so wild." entgegnet er dann. "Hauptsache Mokuba ist wieder in Sicherheit." Ich nicke zustimmend und greife automatisch nach seiner Hand. Die Geste scheint ihn zu überraschen und ich muss gestehen, dass sie auch mich ein wenig irritiert, aber als ich seine kühle Hand in meiner spüre, erscheint es mir richtig. "Diese Geschichte..." hebe ich an und er seufzt. "Das alles läuft vollkommen aus dem Ruder." meint er dann und sein Blick wird wieder ernst. "Dieser Kerl wollte Mokuba tatsächlich vor meinen Augen erschießen. Und das einfach nur, um mir..." Er spricht nicht weiter, schüttelt nur leicht den Kopf, aber ich verstehe auch so und ich vermute, dieser Gedanke quält ihn am Meisten. Die Tatsache, dass da draußen irgendein Irrer ist, der bereit ist, Menschen zu töten, nur um sich an ihm zu rächen, ist nicht nur beängstigend, sie erschüttert auch mich bis in meine Grundfeste. Kaiba mag zwar in der Vergangenheit alles andere als ein feiner Kerl gewesen sein, aber so weit zu gehen, nur um sich zu rächen, hat eindeutig krankhafte Züge. Gleichgültig was er diesem Grey angetan hat oder was auch immer der Bastard denkt, dass Kaiba ihm angetan hätte, nichts rechtfertigt solche eine Vorgehensweise. Dieser Grey hat Pegasus auf dem Gewissen, ebenso Siegfried und dessen Dienstboten... Um ein Haar hätte er auch Bakura und mich erledigt, von Mokuba ganz zu schweigen. "Ihr hattet auch unverschämtes Glück." höre ich Kaiba sagen und seine Stimme reißt mich schlagartig aus meinen Gedanken. Sein Blick ruht noch immer auf mir und im ersten Moment irritiert mich die Sanftheit in seinen Augen auf´s Neue. Ich nicke leicht. "Wenn Bakura den Wink nicht verstanden hätte..." Ich zucke mit den Schultern. "Überhaupt... wenn Bakura nicht wäre, wäre ich jetzt nicht hier." gestehe ich und er sieht mich fragend an. Ich nicke lächelnd. "Ernsthaft." bestätige ich meine Aussage. "Er hat mir das Leben gerettet. Auch wenn er es vermutlich nur getan hat, weil du es ihm angeschossen hast." Es ist nach wie vor ein klein wenig befremdlich für mich Seto Kaiba verlegen zu sehen und nicht nur menschliche Züge an dem Eisklotz, wie ich ihn kannte, zu erkennen, sondern auch eine gewisse... Sanftheit zu erblicken. Er bemüht sich zwar, dergleichen zu verbergen, aber mein geschultes Auge erkennt die Zeichen sofort. Für einen Moment drücke ich leicht seine Hand und mein Herz macht einen leichten Sprung als er den Druck erwidert. Mehr bedarf es in dem Augenblick nicht zu sagen. "Und du hast wirklich keine Ahnung wer dieser Typ sein könnte?" frage ich ein wenig zaghaft. Er antwortet nicht gleich. Erneut scheint er nachzudenken und ich kann deutlich sehen wie es in seinem Kopf arbeitet. Dann schüttelt er leicht den Kopf. "Nein. Eigentlich nicht." antwortet er schließlich und seufze. "Es kämen sicher eine Menge Leute in Frage." Er schenkt mir ein zynisches Lächeln. "Ich habe mir in der Vergangenheit viele Feinde gemacht. Das bleibt nicht aus, wenn man in der Geschäftswelt erfolgreich sein will." Ich nicke versehend. "Ich weiß." stimme ich zu und erinnere mich unwillkürlich an einen ehemaligen Geschäftspartner meines Vaters, mit dem es Ärger gab. Eigentlich wegen einer Lapalie, doch der Mann geriet so außer sich, dass er im Büro meines Vaters einen Tobsuchtsanfall bekam und wir ihn vom Sicherheitsdienst entfernen lassen mussten. Kurioserweise war er ein recht guter Bekannter meines alten Herrn, ein Golffreund. Die Szene ereignete sich während meines ersten Monats in der Firma und ich muss zugeben, ich war geschockt über diesen Ausbruch. Mein Vater dagegen blieb vollkommen ruhig. "So etwas bleibt nicht aus, Joey. Leider. In der Geschäftswelt ist Freundschaft anders zu werten als im normalen Leben. Deshalb sollte man beides auch strikt trennen. Manchmal muss man sich gegenseitig auf die Füße treten und wer damit nicht umgehen kann..." Ich glaube, in dem Moment fing ich schon an, anders über Kaiba zu denken. Seine harte Art war mir früher immer so willkürlich erschienen. Die Tatsache, dass er immer und überall nicht nur beherrscht war, sondern überhaupt keine Emotionen zeigte, erschien mir stets befremdlich, zumal ich ganz anders war. Aus mir sprudelte es nur so hervor. Sympathie und Antipathie zeigte ich ganz offen. In meinem Gesicht konnte man immer lesen wie in einem offenen Buch und ich sah auch nie eine Notwendigkeit, meine Gefühle zu verbergen. Doch in diesem Augenblick begriff ich, dass die Geschäftswelt keineswegs so leicht zu nehmen ist, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Mein Vater sagte mir, dass es wichtig wäre, sich einen Panzer zu zulegen, um nicht alles an sich heran zu lassen. "Es kann passieren, dass man Entscheidungen treffen muss, die für andere alles andere als bequem sind. Vielleicht muss man einen langjährigen Mitarbeiter entlassen, weil die Marktlage es erfordert. Das ist keine leichte Entscheidung, aber man muss sie treffen. Verstehst du was ich meine, Joey? Manchmal kann man es nicht allen recht machen und ist sogar gezwungen, Dinge zu tun, die man selbst gerne vermeiden würde. Das ist die Schattenseite und mit ihr muss man leben können." "Woran denkst du?" höre ich Kaiba fragen und sehe ihn einen Moment etwas verdutzt an. Dann muss ich unweigerlich grinsen. "Das ist das erste Mal, dass ich so eine Frage von dir höre." entfährt es mir und die rechte Braue schnellt nach oben. Ich spüre leichte Missbilligung in seinem Blick, aber auch eine Spur Unsicherheit und lache kurz auf. "Ich muss mich noch daran gewöhnen." erkläre ich lächelnd. "Aber hey, es gefällt mir... Ich meine, dass du so mit mir redest." Für ein paar Sekunden mustert er mich, dann nickt er leicht und mir wird bewusst, dass für ihn das alles, diese Entwicklung zwischen uns, weitaus schwieriger ist als für mich. Kaiba ist es gewohnt niemanden, außer Mokuba, an sich heran zulassen und nun nehme ausgerechnet ich eine neue Stellung in seinem Leben ein, dass zur Zeit alles andere als wohl strukturiert ist. So gesehen schlägt er sich eigentlich recht gut. "Ich warte auf eine Antwort." sagt er dann und ich lache wieder. "Naja, ich habe über die Geschäftswelt nachgedacht." antworte ich und zucke mit den Schultern. "Früher hatte ich vollkommen naive Vorstellungen. Ich dachte, wenn man eine gewisse Position inne hat, muss man nur delegieren und der Rest macht sich von allein. Hier eine Unterschrift, dort ein Telefonant... Weißt du was ich meine?" Er nickt. "Aber so leicht ist es eben nicht und es bleibt sicher nicht aus, dass man sich manchmal unbeliebt macht, auch wenn man es nicht möchte." Kaiba nickt erneut und scheint über meine Worte nachzudenken. "Für Yugi zum Beispiel wäre das nichts. Er ist der liebste Kerl auf der Welt, aber als Chef, als Führer..." Ich schüttele den Kopf. "Nicht nur, weil ihm die Autorität fehlt." Unwillkürlich muss ich an den Kleinen denken. Ich habe ihn so lange nicht mehr gesehen. Wenn das alles vorbei ist, werde ich mir die Zeit nehmen, ihn und auch Tea und Tristan zu besuchen. Und Duke natürlich. Wer weiß, vielleicht begleitet Kaiba mich sogar. Mokuba würde sich sicher freuen. "Was sollen wir jetzt eigentlich mit Leon machen?" frage ich plötzlich und Kaiba seufzt. "Soweit ich weiß hat er keine weiteren Verwandten." erwidert er nachdenklich. "Ich denke, für´s erste wird er bei uns bleiben müssen." Ich nicke zustimmend. "Wir werden ihm die Sache erklären müssen." gebe ich zu bedenken. "Bislang haben wir ihm nicht viel gesagt. Er weiß von der Explosion und dass Siegfried tot ist, aber..." Ich halte inne und muss an Bakura denken, der den Deutschen vor seinem Ableben noch in die Mangel genommen hat. Diesen Teil werden wir dem Kleinen verschweigen. Das steht außer Frage. Ich hoffe nur, dass der Dieb sich in der Hinsicht zurückhält, aber seltsamerweise traue ich dem Weißhaarigen in dem Punkt sogar etwas Feingefühl zu, so unwahrscheinlich es auch klingen mag. Kaiba nickt. "Ich werde mit ihm reden." erklärt er und seine Züge verhärten sich für einen Moment. "Ich kann das auch tun." schlage ich vor, aber er schüttelt den Kopf. "Nein, es geht schließlich um mich." widerspricht er und ich nicke verstehend. Erneut herrscht für einen Moment Schweigen, dann geht ein Ruck durch seinen Körper und er verzieht leicht den Mund. "Vielleicht solltest du dich wieder hinlegen." meine ich und für einen Moment zögert er. Dann nickt er jedoch und schickt sich an sich wieder in die Kissen sinken zu lassen. Ich umfasse vorsichtig seine Schulter und nehme seinen Arm, um ihm zu helfen und kurz blitzt es in seinen Augen auf. Ich grinse ihn an. "Sag jetzt nichts, Wheeler." meint er und ich grinse noch eine Spur mehr. "Ich werd gleich mal nach Mokuba und Leon sehen." erkläre ich und er nickt. "Ishizu wird sicher gleich kommen, um den Verband zu wechseln." erwidert er und verdreht kurz die Augen. Ich lache. "Scheint als würden Roland und sie sich regelrecht darum schlagen, wer sich um dich kümmern darf." bemerke ich süffisant und er seufzt. "Na, wenigstens bist du in guten Händen." befinde ich. "Und hier sind wir wohl auch erstmal sicher." Er wirft mir einen skeptischen Blick zu. "Denkst du?" fragt er. "Ich bin mir nicht so sicher." Ich sehe ihn fragend an. "Dieser Grey scheint ungewöhnlich gut informiert zu sein." gibt er zu bedenken. "Es würde mich nicht wundern, wenn er längst weiß wo wir sind." Ich schlucke. Vermutlich hat er Recht. Dieser Kerl weiß inzwischen sicher, dass Mokuba befreit wurde, folglich weiß er auch, dass Kaiba in Ägypten ist und es bedarf sicher auch keiner großen Recherche, um herauszufinden, dass wir das Land noch nicht verlassen haben. Mit einem Mal bekomme ich ein beklemmendes Gefühl. Diese ganze Sache... Wenn ich nur wüsste, wer dahinter steckt oder wenigstens was derjenige als nächstes vorhat. "Odion und Roland halten die Augen offen." höre ich Kaiba sagen. "Und Bakura wird sicher seins dazu betragen. Augenblicklich können wir leider auch nicht viel mehr tun. Ich hoffe, dass Roland oder Alister irgendeine Spur finden. Diese Unwissenheit..." Er bricht ab und presst die Lippen fest aufeinander. Jetzt erst bemerke ich, dass er die Hände zu Fäusten geballt hat. "Wenn ich diesen Kerl in die Finger bekomme, dann werde ich ihn persönlich zur Hölle schicken." erklärt er und der Ausdruck in seinen Augen lässt mich schaudern. Gerade als ich etwas erwidern will, klingelt mein Handy. Die Nummer auf dem Display sagt mir im ersten Augenblick nichts. Ich melde mich knapp mit "Wheeler" und höre im nächsten Augenblick auch schon Tea´s aufgeregte Stimme. "Joey, ich bin´s, Tea." sagt sie und sofort spüre ich, dass etwas passiert sein muss. "Ich hab gerade mit Ryuo geredet. Er hat etwas herausgefunden." höre ich sie sagen und die Worte kommen so schnell, dass ich einen Moment brauche, um ihr folgen zu können. "Er hat von einem Freund erfahren, dass man einen Fingerabdruck in Pegasus Hotelzimmer gefunden hat." redet sie weiter ohne Luft zu holen und ich halte gebannt den Atem an. Mein Blick trifft den von Kaiba und ich sehe, dass er die Stirn runzelt. "Tea." raune ich ihm zu und seine Augen weiten sich kurz fragend. "Anscheinend hat die Polizei bislang nichts damit anfangen können, aber gestern hat man wohl festgestellt, dass dieser Abdruck von einem Toten stammt." erzählt Tea weiter. Ich blinzele verständnislos. "Von einem Toten?" frage ich. "Ja, von einem Jungen, der vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben ist." fährt Tea fort und ich verstehe nur Bahnhof. "Wie kann das sein?" will ich wissen und versuche den Zusammenhang zu ergründen. "Das ist ja die große Frage." erwidert Tea aufgeregt. "Allem Anschein nach wurde der Abdruck absichtlich plaziert. Zumindest vermutet das Ryou und es gibt ja auch keine andere Erklärung. Ich meine, der Junge ist seit fünf Jahren tot. Er kann unmöglich in dem Zimmer gewesen sein und selbst wenn er je in dem Hotel war..." "Und wer ist dieser Junge?" unterbreche ich sie. Sie hält kurz inne und ich höre sie nach Luft schnappen. "Ein gewisser John Armstrong. Ein Amerikaner, der in Japan aufgewachsen ist. Seine Eltern waren für den diplomatischen Dienst tätig. Mehr weiß ich leider noch nicht." antwortet sie dann und ich runzele die Stirn. "John Armstrong." wiederhole ich den Namen und blicke zu Kaiba. "Vielleicht kann Kaiba was mit dem Namen anfangen, Joey. Irgendwo muss ja eine Verbindung sein." redet Tea auch schon weiter. "Aber das war noch nicht alles... Ryou hat erfahren, dass ein Zeuge aufgetaucht ist. Irgendein Obdachloser hat sich gemeldet und erzählt, dass er zwei Männer an jenem Abend in das Hotel gehen gesehen hat, die ihm merkwürdig erschienen. Die Polizei hat daraufhin den Portier des Hotels noch einmal befragt und er konnte sich daran erinnern. Er bestätigte die Aussage des Obdachlosen. In wiefern die zwei Männer mit dem Mord an Pegasus in Verbindung stehen, weiß man zwar noch nicht, aber es ist zumindest eine weitere Spur." erzählt meine Freundin weiter. "Wäre möglich, dass dieser Umstand Kaiba entlasten könnte. Der Obdachlose meinte, es wären keine Japaner gewesen und auch definitiv nicht Kaiba." Ich nicke nachdenklich. "Ryuo bleibt natürlich an der Sache dran. Bislang wurde noch nichts an die Presse gegeben, aber ich dachte mir, dass es euch vielleicht helfen könnte. Wie ist eigentlich die Lage bei euch? Wie geht es Mokuba und Kaiba?" Ich überlege kurz was ich Tea erzählen soll und ob es klug ist, ihr unseren Aufenthaltsort zu verraten. Nicht, dass ich ihr nicht vertrauen würde, aber es wäre immerhin möglich, dass dieser Grey die Verbindung angezapft hat. Alister meinte, so etwas wäre durchaus möglich. "Bei uns ist alles in Ordnung soweit. Mokuba und Seto geht es gut." erwidere ich schließlich und höre sie erleichtert aufatmen, dann trägt sie mir auch schon auf die Beiden zu grüßen und übermittelt auch mir Grüße von Yugi und Ryou. Als ich das Gespräch beende und Kaiba von dem Gehörten in Kenntnis setzen will, fällt mir erst auf, dass er noch blasser ist als zuvor. "Was ist mit John Armstrong?" herrscht er mich an und ich spüre förmlich seine Unruhe. Ich berichte knapp was Tea erzählt hat und will auch gerade von dem Zeugen erzählen als ich höre wie Kaiba scharf die Luft einzieht. "Was ist los?" frage ich unsicher. "Sagt der Name dir etwas?" Er hat die Augen geschlossen und ist so weiß, dass es mir Angst macht. "Kaiba?" Seltsamerweise beginnt mein Herz wie wild zu schlagen. Der Name sagt ihm was, soviel ist sicher. Er kennt diesen Armstrong und die Erwähnung des Namens scheint auszureichen, um ihn vollkommen aus der Fassung zu bringen. "Seto!" Die blauen Augen richten sich auf mich und ich schlucke schwer. Kapitel 61: Neue Perspektiven (Grey) ------------------------------------ Sorry, ihr Lieben, dass ihr so lange warten musstet, aber jetzt bin ich wieder fit und es kann munter weiter gehen. Dieses Kapitel war etwas schwierig, ich hoffe es gefällt euch trotzdem. "Nun, was hast du herausgefunden?" Mein Gegenüber zögert einen Moment und ich fixiere ihn mit einem kalten Blick. "Er ist noch in Ägypten. Der Amerikaner und dieser Verrückte sind bei ihm. Sie kamen heute vormittag an." berichtet der Mann und ich nicke. "Gut. Genau wie erwartet." entgegne ich und lächele. "Ich vermute, dass der gute Seto sich erst einmal auskurieren muss. Sein Zusammentreffen mit dem Hünen ist schließlich nicht so gimpflich abgelaufen wie erwartet." Mein Gegenüber entgegnet nichts, der Mann sieht mich mit ausdrucksloser Miene an und wartet auf einen weiteren Befehl. Ich seufze leicht. Es war vorhersehbar gewesen, dass Kaiba selbst die Befreiung seines Bruders in die Hände nehmen würde. Allerdings war ich davon ausgegangen, dass es ihm nicht ganz so leicht fallen würde. Natürlich habe ich mich keine Moment dem Irrglauben hingegeben, dass der Hüne ihn wirklich besiegen könnte. Er hatte aber auch keinen solchen Befehl. Nein, noch ist es nicht Zeit für den guten Seto abzutreten. Noch hat er den Nullpunkt nicht erreicht. "Sir?" Der Mann wird langsam unruhig. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Sag Omar, dass er die Bande im Auge behalten soll. Ich will über jeden seiner Schritte unterrichtet werden." erkläre ich dann mit kalter Stimme. "Und -." Ich halte kurz inne und denke nach. "Ich will Informationen über den Amerikaner. Jede Einzelheit. Und wenn du gerade dabei bist... Dieser Bakura ist ein schwer einzuschätzendes Faktum und ich weiß bislang so gut wie nichts über ihn." Mein Gegenüber nickt, macht die Andeutung einer Verbeugung, was ich mit einem spöttischen Blick quittiere und wendet mir dann den Rücken zu. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, lehne ich mich in meinem Sessel zurück und falte nachdenklich die Hände. Bislang läuft im Grunde alles genau wie ich es geplant habe. Einige Abstriche musste ich allerdings machen, aber mit unvorhersehbaren Variabeln muss man bei einer Gleichung immer rechnen. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass man dem guten Kaiba von so vielen Seiten Hilfe gewähren würde. Das ist einer der wenigen Punkte, die mich bislang ein klein wenig irritieren. Ich war davon ausgegangen, dass er nach wie vor der sture, alte Einzelgänger ist, dem einzig sein kleiner Bruder wichtig ist, aber scheinbar gibt es einige Menschen, denen aus unbegreiflichen Gründen etwas an diesem Egomanen liegt. Dieser Wheeler zum Beispiel. Der Kleine hat mir einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht, in dem er Mokuba Kaiba zu sich genommen hat. Das war nicht vorgesehen. Doch es war auch nicht absehbar gewese. Genau wie die Tatsache, dass dieser Dieb sich auf Kaiba´s Seite stellen würde. Ich hätte es lieber gesehen, wenn er für mich gearbeitet hätte und so wie ich Pegasus anfangs verstanden habe, schien dieser auch davon auszugehen, dass es durchaus möglich wäre Bakura auf unsere - meine - Seite zu ziehen. Wäre dieser Dieb nicht gewesen, hätte Kaiba keineswegs so früh vom Tod des Erfinders erfahren. Dann wäre er erst einmal in Untersuchungshaft gelandet und somit in Erklärungsnot. Nicht, dass ich davon ausgegangen bin, dass die Polizei ihn hätte lange festhalten können. Darum ging es mir aber auch keineswegs. Nein, mein Ziel ist ein anderes. Ich will Seto Kaiba am Nullpunkt sehen. Doch wie sich inzwischen herausgestellt hat, gestaltet sich das doch schwieriger als erwartet. Zumal er von mehreren Seiten Hilfe bekommt und mein schöner Plan, ihn zu isolieren, nicht wirklich funktioniert hat. Aber ich bin flexibel. Und vor allem bin ich noch lange nicht fertig mit meinem Vorhaben. Oh nein, wir stehen erst am Anfang. Und wider erwarten bieten sich durch diese neuen Erkenntnisse auch neue Möglichkeiten. Wenn die Berichte meiner Spione der Wahrheit entsprechen, dann gibt es noch einen Menschen, an dem Kaiba etwas liegt. Das eröffnet natürlich eine ganz neue Perspektive. Ja, so gesehen habe sich auch noch die kleinen Löcher in meinem Plan zu etwas positivem entwickelt. Ich habe auch schon eine hübsche, kleine Idee bezüglich dieser neusten Entwicklung. Ich spüre geradezu wie meine Mundwinkel sich zu einem zufriedenen Grinsen verziehen. Und das Beste an all dem ist bislang, dass der gute Seto nicht einmal weiß, warum ihm das alles passiert. Er hat nicht die geringste Ahnung, noch nicht einmal eine vage Vermutung. Ich habe meine Spuren aber auch sehr gut verwischt. Immerhin will ich mir das Beste bis zum Schluss aufheben. Wo wäre sonst der Reiz? Nein, erst wenn er am Boden ist und sein Kampfgeist endgültig gebrochen wurde, werde ich ihn wissen lassen warum alles so gekommen ist. Ja, dann werde ich ihm mitteilen, warum er es verdient hat. Und es steht außer Frage, dass er diese Strafe verdient hat, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass er anderer Ansicht sein wird. Aber das tut nichts zur Sache. Es ist irrelevant ob er seine Schuld einsieht oder nicht. Natürlich würde ich es begrüßen, wenn er sie sich eingestehen würde, aber darauf wage ich nicht zu hoffen. Das wäre lediglich das Sahnehäubchen, doch ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist. Vermutlich wird Kaiba die Schuld auf seinen Adoptivvater schieben. Schade eigentlich, dass ich mir den alten Kaiba nicht auch noch vornehmen kann. Eine Teilschuld trägt der Alte schließlich auch. Doch ich muss mich mit dem zufrieden geben, was ich augenblicklich erreichen kann. Was schon eine Menge ist. Betrüblich ist im Grunde nur, dass John diesen Moment nicht erleben wird. Diesen glorreichen Moment, in dem Seto Kaiba´s Welt nicht nur in Trümmern liegt, sondern sein Ruf vollkommen vernichtet wurde und der arrogante Stolz endlich aus seinen Augen verschwindet. Ich schlucke unwillkürlich, wie jedes Mal, wenn ich an John denke. Und wie jedes Mal verspüre ich einen leichten Stich. Für einen Moment schließe ich die Augen und gebe mich dem dumpfen Schmerz hin, der jeden Gedanken an ihn begleitet. Natürlich weiß ich, dass es die Dinge nicht ändert, wenn ich mein Ziel erreicht habe. Die Rache wird mir kein Trost sein. Ich bin bei weitem nicht so törricht das zu glauben. Aber sie gibt mir Halt. Sie ist zu meinem Lebensinhalt geworden. Wie immer brauche ich einen Moment, um mich von den Gedanken an John loszureißen und in die Wirklichkeit zurückzukehren, auch wenn ein Teil von mir sich stets wünscht, in der bittersüßen Erinnerung verweilen zu können. Ich gebe mir einen Ruck, richte mich auf und bemühe mich meine Gedanken wieder auf die nächsten Züge zu konzentrieren. Siegfried ist tot. Mokuba Kaiba wieder bei seinem Bruder. Soweit der Stand der Dinge. Leon von Schröder befindet sich ebenfalls in Kaiba´s Obhut. Auch ein Ansatzpunkt. Ein kleiner Hinweis an die Polizei und der gute Seto müsste sich nicht nur mit einem Fahndungsbefehl aus Japan auseinandersetzen. Zudem würde diese Vorgehensweise seine Möglichkeiten enorm verringern und ich weiß nur zu gut, wie sehr Seto Kaiba es hasst, wenn ihm die Hände gebunden sind. Aber das sind natürlich nur Fingerübungen, kleine Streiche. Dieser Wheeler bietet eine weitaus vergnüglicher Möglichkeit. Ja, im Grunde fast schon eine schicksalshafte Fügung, wenn man so will. Quid pro quo. Wenn ich an Glück glauben würde, wäre ich geneigt, diese Entwicklung als glückliches Omen zu betrachten. Aber Glück hat damit nichts zu tun. Alles ist vorherbestimmt, manifestiertes Schicksal. Man kann genauso wenig die Zeit anhalten, wie man durch Willensanstrengung erreichen kann, dass die Ozeane die Erde überschwemmen, der Mond aus dem All herunter fällt. Oder ein Mensch von den Toten aufersteht. Ich schüttele leicht den Kopf, denn es ist müßig darüber nachzudenken und es gibt wichtigeres zu tun. Ich lehne mich vor und betätige die Sprechanlange. "Quentin!" Mehr muss ich nicht sagen. Es dauert fünf Sekunden, dann steht mein Sekretär in der Tür. "Sir?" "Ich möchte, dass sie mir sämtliche Informationen über die Firma von Jack Wheeler besorgen und dann einen Termin bei besagtem Herrn für mich vornehmen." Quentin nickt, sieht mich noch einen Moment abwartend an und ich deute ihm mit einer knappen Handbewegung an, dass er gehen kann. Wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, dann dass es besser ist, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Und gerade kommt mir eine vorzügliche Idee. Es ist eine Sache, jemandem alles zu nehmen, was ihm wichtig ist, aber es ist noch weitaus befriedigender, ihn selbst alles zerstören zu lassen, was ihm etwas bedeutet. Ja, ich glaube, das ist die ultimativste Form der Rache, die man an einem Menschen nehmen kann. Dafür zu sorgen, dass er sich selbst in den Abgrund stürzt. Ich nicke leicht und meine Gedanken nehmen bereits Struktur an. "Nun, mein lieber Seto... dann gehen wir mal auf eine kleine Entdeckungsreise nach der wahren Natur des Schmerzes." sage ich laut und lächele. Kapitel 62: Der Hauch einer Spur Teil 1 --------------------------------------- Sorry, dass ihr so lange warten musstet, aber momentan bin ich so beschäftigt, dass ich leider kaum zum schreiben komme. Zum Glück wird das nächste Woche wieder besser. Dann bin ich die Handwerker auch wieder los. Viel Spaß beim Lesen! "Der Name sagt dir etwas, oder?" höre ich Wheeler fragen und werfe ihm einen spöttischen Blick zu. Es müsste offensichtlich sein, dass dieser Name mir nicht unbekannt ist. Das Hündchen sieht mich mit einer Mischung aus Sorge und Verwirrung an und ich seufze. "Ja." sage ich knapp und ahne, dass er gleich mit weiteren Fragen auf mich einstürmen wird. Ich kann es ihm auch nicht verdenken. Es ist nur allzu verständlich, dass es ihn interessiert. Zumal dies scheinbar die erste wirkliche Spur ist, die wir haben. Dank Ryou wie es scheint. Nur, dass ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Denn es ergibt nicht wirklich Sinn. Zumindest bin ich augenblicklich nicht in der Lage einen Sinn dahinter zu entdecken. John Armstrong. Ich habe den jungen Mann zwei Mal getroffen, wenn ich mich recht erinnere, doch das ist lange her und ein wirkliches Treffen in dem Sinne war es auch nicht. "Seto?" höre ich Wheeler fragen und blicke kurz zu ihm auf. Er scheint meinen Blick richtig zu deuten, denn im nächsten Moment schickt er sich auch schon an, mir wieder aufzuhelfen. Ich lasse meinen Blick kurz durch den Raum schweifen. "Wo sind meine Zigaretten?" will ich wissen und auch Wheeler sieht sich um, scheint aber genau wie ich, keine entdecken zu können. Er fischt seine eigene Schachtel aus dem Hemd und reicht sie mir. Ich nicke ihm kurz zu, hole mir eine Zigarette aus dem leicht zerknautschten Päckchen und er gibt mir wortlos Feuer. Ich inhaliere tief und bemühe mich, meine Gedanken wieder zu ordnen. "Seine Eltern, genau genommen sein Vater war..." Ich halte kurz inne und suche nach dem passenden Wort. "Er war Diplomat und half meinem Adoptivvater bei einigen Transaktionen auf internationaler Ebene." Wheeler nickt als könne er mir folgen, was zweifelsohne nicht der Fall ist. Ich ziehe erneut an meiner Zigarette und er sieht mich weiterhin erwartungsvoll an. "Die Kaiba Corp. hat zu der Zeit noch Waffen hergestellt, die natürlich auch ins Ausland geliefert wurden." Ich werfe ihm einen vielsagenden Blick zu und seine Augen weiten sich kurz. Er nickt erneut. "Dieser Mann hat dabei geholfen die Waffen zu verschieben." kombiniert er und ich nicke zustimmend. "Genau das." entgegne ich. "Natürlich war nur ein Teil der Geschäfte legal." Wheeler zündet sich ebenfalls eine Zigarette an und ich bemerke, dass sein Gesichtsausdruck ernst geworden ist. Noch ernster als bei seinem Gespräch mit Gardner. "Im Grunde könnte man sagen, dass Gozaburo James Armstrong geschmiert hat." Ich lächele kurz zynisch bei dem Gedanken. Wenn Wheeler sich in der Geschäftswelt inzwischen so gut auskennt, wie er behauptet hat, dürften ihm solche Praktien bekannt sein. Er sagt jedoch nichts, aber ich glaube in seinen Augen zu lesen, dass er genau weiß was ich damit sagen will. Ich inhaliere tief und ein kurzer, stechender Schmerz jagt durch meine Schulter. "Irgendwann wollte er jedoch nicht mehr mitspielen." fahre ich mit meiner Erzählung fort. "Ich vermute, er bekam Skrupel, denn Gozaburo wollte weiter expandieren und die vereinigten Nationen verabschiedeten zu der Zeit ein paar recht harte Auflagen für solche Geschäfte, welche den Handel mit Waffen..." Ich sehe wie er nickt und beende meinen Satz nicht. Er scheint auch so zu verstehen. "Ich schätze, dein Adoptivvater war davon nicht gerade begeistert." bemerkt Wheeler und schenkt mir ein zynisches Lächeln, dass mich für einen kurzen Augenblick tatsächlich irriiert - irritiert und auch seltsam berührt. Ich glaube, ich mag es nicht ihn so lächeln zu sehen. Es passt einfach nicht. Nicht zu dem Wheeler, den ich als Katsuya kenne. "Gozaburo war alles andere als begeistert." entgegne ich und fast im gleichen Augenblick fallen mir auch schon wieder die Worte meines Adoptivvaters ein, die er diesbezüglich damals äußerte. Er war wütend. Außer sich. Und er ließ Armstrong umgehend antreten. "Damals fing es an, dass Gozaburo mich mehr und mehr in die Firmenpolitik miteinbezog. Ich sollte lernen worauf es ankommt." Erneut verziehe ich spöttisch den Mund. "Er wollte, dass ich einen Einblick in die Zusammenhänge gewinne. Daher war ich auch dabei als er mit Armstrong redete." Wheeler schluckt kaum merklich. "Ich kannte den Mann vom sehen. Er war ein paar Mal bei uns gewesen. Einmal sogar mit seiner Frau und seinem Sohn, John." fahre ich fort und habe das Gefühl, dass Wheeler die Luft anhält. "John muss zwei, vielleicht drei Jahre älter gewesen sein als ich." Ich versuche mich an den Tag zu erinnern, nein, an das Gesicht des Jungen, aber gleichgültig wie sehr ich mich bemühe es mir ins Gedächnis zu rufen, es ist mir unmöglich. Seinen Vater sehe ich vor mir als hätte ich ihn gestern noch gesehen, aber sein Gesicht bleibt ohne Kontur. Seltsam, wenn man bedenkt, dass er tot ist und ausgerechnet sein Fingerabdruck... "Der Unfall..." höre ich Wheeler plötzlich sagen und wende mich ihm zu. Er sieht mich unsicher an. "Denkst du... ich meine, hatte Gozaburo..." Er scheint es nicht zu wagen, den Satz zu beenden, aber ich verstehe auch so was er anzudeuten versucht. Natürlich wusste ich von dem Unfall. John war mir schließlich nicht gänzlich unbekannt und die Geschichte ging damals auch durch die Presse. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Polizei den Unfallhergang genau untersuchte, obgleich es auf den ersten Blick wohl so ausgesehen hat, dass der junge Mann einfach zu schnell unterwegs war. Doch bei einem Ausländer, dazu noch als Sohn eines angesehenen Diplomaten, musste man den Fall natürlich eingehender untersuchen. Soweit mir bekannt ist, gab es keine Hinweise darauf, dass ein Fremdverschulden zu dem Unfall geführt hat. Doch was besagt das schon? Gozaburo hätte durchaus Mittel und Wege gehabt... Unwillkürlich muss ich schlucken. Bislang habe ich nie darüber nachgedacht. Über die Möglichkeit, dass mein Adoptivvater bei dem Unfall seine Finger im Spiel hatte. Könnte es sein, dass er... "Es wäre doch möglich... ich meine, wenn dem so ist... naja, das würde erklären, warum dieser Grey hinter dir her ist. Er könnte dich stellvertretend für Gozaburo zur Verantwortung ziehen wollen." höre ich Wheeler überlegen und starre ihn einen Moment lang an. Er zuckt mit den Schultern. "Selbst wenn dieser Grey nur denkt, dass Gozaburo etwas mit dem Unfall zu schaffen hat, würde es vielleicht ausreichen, um... Der Kerl ist verrückt, Kaiba. Er wollte Mokuba töten! Und er hatte auch keine Skrupel dabei, Leon, Siegfried, Bakura und mich aus dem Weg zu räumen." Ich nicke unwillkürlich. "Es wäre eine Möglichkeit." stimme ich zu. "Allerdings stellt sich die Frage, wer dieser Grey ist. Soweit ich weiß, ging James Armstrong ein Jahr später zurück nach Amerika und ist inzwischen auch verstorben. Herzinfarkt, glaube ich." Wheeler scheint zu überlegen. "Ich weiß nicht ob Gozburo etwas mit dem Unfall zu schaffen hat. Es wäre möglich. Er hat James Armstrong damals gedroht. Ich war dabei." sage ich und erinnere mich schlagartig wieder an die Szene. Es war der ausdrückliche Wunsch meines Stiefvaterers, dass ich der Besprechung beiwohne und ich weiß noch, dass mir die ganze Zeit über seltsam zumute war, ich mich unbehaglich fühlte, was ich jedoch nicht zeigen durfte. James Armstrong war ein netter Mann. Ein typischer Amerikaner. Gut gelaunt, pathetisch, offen. Auch seine Frau hatte einen netten Eindruck gemacht. Und John... Ja, ich glaube auch er. Warum kann ich mich nicht an ihn erinnern? Warum schaffe ich es nicht mich an sein Gesicht zu erinnern? Ich bin ihm zweimal begegnet. Das weiß ich genau. Einmal bei uns in der Villa und das zweite Mal... Wo war das noch gleich? Ich kann mich nicht erinnern. Aber irgendwie habe ich das seltsame Gefühl, dass es wichtig ist, auch wenn ich nicht sagen kann, warum ich das denke. Ich weiß, dass ich ihn zweimal gesehen habe und beim zweiten Mal war es... Zufall? Ich glaube ja. Aber wo war es? Unter welchen Umständen? "Es wäre also möglich, dass Gozaburo etwas damit zu tun hat." stellt Wheeler fest. Ich nicke. "Vielleicht war dieser John nur zufällig das Opfer. Vielleicht sollte es seinen Vater treffen?" Ich zucke mit den Schultern. "Möglich. Man kann es nicht ausschließen. Wenn die Polizei damals nichts ungewöhnliches entdeckt hat, heißt das schließlich nichts." entgegne ich und Wheeler nickt eifrig. Ich deute mit einer Kopfbewegung auf das Päckchen Zigaretten und er reicht es mir wortlos. "Überleg doch mal." meint er während ich mir eine Zigarette anzünde. "Warum sollte jemand den Fingerabdruck eines Toten an einem aktuellen Tatort hinterlassen? Das ergibt doch keinen Sinn." Ich inhaliere tief. "Ach? Und es ergibt Sinn den Abdruck zu hinterlassen?" erwidere ich. "Im Grunde gibt dieser Abdruck doch nur Rätsel auf und wenn Ryou nicht wäre, hätte ich nicht davon erfahren. Also welchen Sinn sollte es haben ihn zu hinterlassen?" "Um eine Spur zu hinterlassen!" meint Wheeler ernst. "Dieser Irre will, dass du ihn findest. Er hat selbst gesagt, dass das bisherige erst der Anfang war und naja, ich schätze, er will, dass du weißt, wer dich fertig macht. So ist das doch immer. Der Bösewicht will, dass sein Werk anerkannt wird, man ihm Respekt zollt, obwohl ich denke, dass dieser Kerl sich nicht als Bösewicht sieht. Ich glaube, er denkt, er ist im Recht und du hast es verdient. Verzehrte Wahrnehmung, übersteigerter Gerechtigkeitssinn... Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher, dass er will, dass du es weißt." Ich mustere den Blonden einen Moment abschätzend und Wheeler schenkt mir ein schiefes Grinsen. "Du klingst schon fast wie Bakura." stelle ich fest und er lacht. "Naja, so abwegig ist der Gedanke doch nicht, oder?" Da hat er Recht. Sein Gedanke ist bei weitem nicht so absurd wie er vielleicht klingt. Es wäre durchaus möglich, dass es sich so verhält. Einmal angenommen, dass dieser Grey tatsächlich davon ausgeht, dass es bei John´s Unfall nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Das würde natürlich voraussetzen, dass irgendeine Verbindung zwischen Grey und John oder der Familie Armstrong besteht und er Kenntnis von den Geschäften mit meinem Adoptivvater hatte. Selbst wenn Gozaburo nichts mit dem Tod des Jungen zu tun hat, wäre es nicht allzu weit hergeholt, dergleichen zu glauben. Es wäre schließlich durchaus möglich, dass Gozaburo seine Finger im Spiel hatte und da der alte Kaiba nicht mehr lebt... Aber würde jemand dann tatsächlich seinen ganzen Hass auf mich projiezieren und in auf solche Weise Rache üben? Wheeler´s Einschätzung von Grey ist richtig. Der Kerl muss verrückt sein, zumindest scheint er für seine Rache einiges in Kauf zu nehmen. Auch den Tod Unschuldiger. "Vielleicht hast du Recht." stimme ich vorsichtig zu. "Es wäre in der Tat möglich." Wheeler nickt. "Und das heißt, dass wir eine Spur haben." entgegnet er und ich spüre wieder den wohlbekannten Kampfgeist. Er reckt die Faust in die Höhe. "Wir müssen nur herausfinden, welche Verbindung zwischen John Armstrong und diesem Grey besteht! Dann können wir zurückschlagen." Er schenkt mir einen leuchtenden Blick aus angriffslustigen braunen Augen und ich muss unwillkürlich lächeln. Auch damit hat er alles andere als Unrecht. Es kann durchaus eine heiße Spur sein. "Wir müssen Alister sagen, dass er recherchieren soll." verkündet Wheeler und ich nicke. "Irgendwo muss es einen Hinweis geben!" Er sieht mich einen Moment abschätzend an und ich versuche erneut mir das Gesicht des Jungen ins Gedächnis zu rufen. Ohne Erfolg. Was seltsam ist. Normalerweise habe ich ein gutes Gedächnis, erinnere ich mich an jedes Gesicht, jeden Namen. Und nun will mir nicht einmal mehr einfallen, wo ich den Jungen sonst noch gesehen habe. "Es war nicht in der Firma..." überlege ich laut und Wheeler sieht mich fragend an. Ich schüttele leicht den Kopf. "Ich habe ihn zweimal getroffen, einmal zuhause, bei uns und das zweite Mal..." Ich seufze. "Ich weiß es nicht." "Es wird dir schon wieder einfallen." meint er und legt seine Hand auf meine. Ein wohliger warmer Schauder durchzuckt meine Körper und er lächelt mich aufmunternd an. "Hey, wir haben eine Spur. Das heißt, die Sache ist bald ausgestanden." höre ich ihn sagen. In seinen Augen leuchtet es auf. Ich erwidere sein Lächeln, doch mein skeptisches Gefühl weicht nicht. Er scheint sich seiner Sache ja sicher zu sein, aber so ist Wheeler eben. Ein Optimist. Im Gegensatz zu mir. Doch ich sage nichts dazu. Insgeheim hoffe ich, dass er Recht behält. "Wir werden diesen Typen finden und dann drehen wir den Spieß um." meint er ernst und ich nicke. Einen Moment später liegen seine Lippen auf meinen und wie immer ist es im ersten Augenblick ein Schock. Ich blinzele kurz, dann schließe ich die Augen und spüre auch schon Wheeler´s Zunge in meinem Mund. Seine Hand wandert zu meinem Nacken und ich glaube, meine Hand tut es ihm gleich. Ich ziehe ihn ein Stück näher an mich und er gibt wieder unwillkürlich dieses süße, kleine Geräusch von sich, dass mich leicht schmunzeln lässt. Nach wie vor bin ich erstaunt, wie warm er sich anfühlt. Ich wusste schon immer, dass es so sein würde, dass eine ungeheuere Wärme von ihm ausgeht, aber wie es sich tatsächlich anfühlt, weiß ich erst jetzt und seltsamerweise vertreibt diese Wärme und natürlich auch seine weichen Lippen für einen Moment jeden besorgten Gedanken. "Seto! Oh Mann...das ist... " Mokuba´s Stimme reißt mich jäh zurück in die Realität. Wie vom Blitz getroffen fahren Wheeler und ich auseinander. Mein kleiner Bruder starrt uns mit hochrotem Kopf an. Bakura grinst nur. "Ekeleregend?" höre ich den Dieb sagen und werfe ihm einen eisigen Blick zu, den Bakura ungerührt mit einem herausfordernden Grinsen quittiert. "Kleiner, wenn du deine erste Freundin oder deinen ersten Freund hast, dann wirst du es nicht mehr eklig finden. Im Gegenteil." Der Dieb zwinkert meinem Bruder zu und ich verdrehe unwillkürlich die Augen. "Ich hoffe wir stören nicht, aber ich dachte, es interessiert euch vielleicht, dass wir etwas herausgefunden haben." meint Bakura und grinst mich triumphierend an. Wheeler scheint er dabei geflissentlich zu ignorieren. "Was?" frage ich knapp. Kapitel 63: Der Hauch einer Spur Teil 2 --------------------------------------- Sorry, dass ihr so lange warten musstet, aber wie gesagt, zur Zeit habe ich so viel um die Ohren, dass ich gar nicht weiß wo mir der Kopf steht. Dabei sind die nächsten Kapitel schon längst in meinem Kopf... Ich hoffe ihr habt nach wie vor Spaß an der Geschichte! "Damit ist es doch eindeutig." stelle ich fest und sehe Kaiba fragend an. Er erwidert nichts. Seine Miene ist wieder so verschlossen wie ich sie aus meiner Erinnerung kenne und ich bin sicher, dass es in seinem Kopf gerade auf Hochtouren arbeitet. Bakura sieht mich fragend an und ich erzähle dem Dieb in kurzen Zügen was ich von Tea erfahren habe. Der Dieb nickt. "Also hat dieser Grey eindeutig etwas mit diesem Armstrong zu schaffen." stimmt er mir zu und nun wandert sein Blick abschätzend zu Kaiba. Der scheint ganz in Gedanken versunken. Scheinbar hat er alles andere ausgeblendet und denkt lediglich über die neusten Informationen nach. Er scheint nicht einmal zu bemerken, dass wir im Raum sind, geschweige denn, dass sein kleiner Bruder gerade Zeuge davon geworden ist, dass wir uns geküsst haben. Aber auch Mokuba scheint augenblicklich größeres Interesse an der Situation an sich zu haben, als an der Intimität zwischen Kaiba und mir. "Was machen wir denn jetzt?" fragt der Kleine und blickt zwischen Kaiba und mir hin und her. Mokuba´s Stimme scheint Kaiba aus seinen Gedanken zu reißen und er wendet sich seinem Bruder zu. Doch gerade als er etwas erwidern will, öffnet sich die Tür und Ishizu tritt ein. Einen Moment wirkt sie irriert. Vermutlich hat sie nicht erwartet, uns alle hier versammelt zu sehen. Zudem müssten unsere Gesichter gerade Bände sprechen. Doch sie fragt nicht was passiert ist, sondern wendet sich direkt an Kaiba. "Es ist Zeit für deinen Verbandswechsel." bemerkt sie und wirft dann Bakura, Mokuba und mir einen vielsagenden Blick zu. Ich schätze, sie will andeuten, dass wir das Zimmer verlassen sollen. Unschlüssig blicke ich zu Seto, der langsam nickt. Ishizu scheint dieses Nicken als Aufforderung zu deuten, denn sie macht einen Schritt auf ihn zu und stellt die Schüssel mit Wasser, die sie mitgebracht hat auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab. "Wir reden später weiter." höre ich Kaiba zu meiner Überraschung sagen und sehe ihn kurz verblüfft an. Eigentlich ist es nicht seine Art, solche Gespräche aufzuschieben und ich brauche einen Moment bis ich begreife. Er will erst alleine nachdenken, daher kommt ihm wohl Ishizu´s Erscheinen gerade recht. Ich nicke und trete zur Tür. "Komm, Mokuba." fordere ich den Kleinen auf. Auch er zögert, folgt mir dann aber und Bakura schickt sich an das Gleiche zu tun. "Was hat das alles zu bedeuten, Joey?" fragt mich Mokuba bereits auf dem Flur und ich seufze. "Ich weiß es nicht." gebe ich ehrlich zu und mein Blick trifft den von Bakura. Etwas in den Augen des Diebes sagt mir, dass er dabei ist, die Puzzelteile zusammen zufügen. Die knappen Informationen, die ich von Tea erhalten habe und das was Alister herausgefunden hat, passen zusammen wie die Faust auf´s Auge. Auch Alister ist bei seiner Recherche auf den Namen "John Armstrong" gestossen. Wenn ich Bakura richtig verstanden habe, wurden sämtliche Telefonate, die Siegfried vermutlich mit Grey geführt hat, von einem Anschluss getätigt, der auf eben diesen "John Armstrong" läuft. Der Name an sich ist jetzt nicht so außergewöhnlich. Gut möglich, dass es mehrere Personen gibt, die so heißen. Dessen bin ich mir sogar sicher. Aber die Parallele ist zu groß und ich bin sicher, dass es ein Hinweis sein soll. Grey scheint bislang alle unsere Schritte vorhergesehen zu haben, wie auch immer er das anstellt. Daher wage ich zu behaupten, dass er auch wusste, dass wir die Anruflisten von Siegfried durchgehen würde. So gesehen eine logische Vorgehensweise. Dergleichen sieht man in jeder Krimiserie. Standartvorgehensart, wenn man so will. Nein, der Name ist ein Hinweis und dieser wurde bewusst gesetzt. Grey will Kaiba damit etwas sagen. Bakura scheint das Gleiche zu denken. "Es wäre gut, wenn Kaiba sich daran erinnern könnte, bei welcher Gelegenheit er diesen Typen sonst noch getroffen hat." bemerkt er und ich nicke unwillkürlich. Ja, irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass dieser Umstand wichtig ist und für gewöhnlich ist es nicht Kaiba´s Art so etwas zu vergessen. Vermutlich war ihm das Zusammentreffen nicht weiter wichtig, aber für Grey scheint es eine Bedeutung zu haben und ich hoffe, dass es Kaiba wieder einfällt, denn Alister´s Nachforschungen sind im Sande verlaufen. Außer der Tatsache, dass es einen Anschluss gibt, der auf einen gewissen John Armstrong angemeldet ist, konnte der Rothaarige nichts in Erfahrung bringen. Der Anschluss wurde inzwischen abgemeldet und es existieren weder Adressen noch Bankdaten, die uns weiterhelfen könnten. "Dieser Grey..." Mokuba wirft mir einen ernsten und auch ängstlichen Blick zu, spricht jedoch nicht weiter. Ich nicke. "Wir werden den Typen schon kriegen, Mokuba." versichere ich ihm. "Wir finden einen Weg." Der Kleine erwidert nichts. Mir entgeht allerdings nicht Bakura´s skeptischer Blick. Doch der Dieb hält sich zurück. Ich spüre förmlich, dass ihm etwas auf der Zunge liegt, aber aus irgendeinem Grund, vielleicht wegen dem Kleinen, sagt er nichts dazu, sondern verkündet stattdessen, dass er zu Alister geht und sich später wieder bei Kaiba einzufinden gedenkt. Ich nicke nur und bin dann auch froh mit Mokuba alleine zu sein, denn ich schätze, ich werde noch über ein anderes Thema mit ihm reden müssen. "Ishizu wird nicht lange brauchen." erkläre ich dem Kleinen. "Aber dein Bruder braucht noch Ruhe und ich glaube, er will auch erst einmal nachdenken." Mokuba nickt und ich schlage ihm vor in die Küche zu gehen. "Dieser Tee von Odion macht echt süchtig." Ich lächele ihn an und er nickt. Seine Miene bleibt nach wie vor ernst, aber seine Züge entspannen sich ein wenig. "Ähm... das vorhin..." hebe ich an als wir in der Küche sind und ich zu meiner Erleichterung feststelle, dass wir allein sind. Mokuba wirft mir aus großen, dunklen Augen einen abschätzenden Blick zu und zu meiner Überraschung verfärben sich seine Wangen dann auch leicht rot. Doch bei mir verhält es sich gerade wohl nicht anders. "Du magst Seto." stellt er nüchtern fest und ich nicke automatisch. "Ja." erwidere ich und bin erstaunt, wie unsicher und verlegen ich mich mit einem Mal fühle. Der Kleine nickt und ich reiche ihm eines der schönen Teegläser. "Seid ihr jetzt..." Er sucht bewusst meinen Blick. "... ein...Paar?" Die Frage klingt sachlich, fast so als würden wir über das Wetter reden, doch mir entgeht keineswegs der wachsame Unterton. Ich überlege kurz. Eigentlich wäre es Kaiba´s Aufgabe, mit Mokuba darüber zu reden. Bislang haben wir auch noch nicht wirklich besprochen, was wir sind oder in Zukunft sein wollen. Dafür hat sich der richtige Augenblick noch nicht ergeben. Ebenso wenig wie wir bislang darüber geredet haben, was wir Mokuba diesbezüglich sagen sollen. Er ist kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen. Und zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass der Kleine vielleicht Probleme mit dieser Entwicklung haben könnte. Nicht jetzt unbedingt meinetwegen, aber vielleicht wegen der Tatsache, dass sein angebeteter, großer Bruder... naja, auf Männer steht. Ich versuche mir zu überlegen was ich am Besten erwidern soll, doch dass was ich dann sage, ist etwas gänzlich anderes. "Ja, ich denke darauf läuft es hinaus. Wir haben das bisher noch nicht weiter besprochen." gebe ich offen zu. "Wir haben auch gerade erst bemerkt, dass wir..." "Dass ihr euch doch nicht so hasst, wie ihr immer dachtet." beendet der Kleine meinen Satz und ich nicke. "So könnte man es ausdrücken." Ich schenke ihm ein verlegenes Grinsen und für einen Moment leuchtet es in seinen Augen auf. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass meine Verlegenheit ihn gerade sehr amüsiert. Er nippt an seinem Tee und ich schweige, um ihm Zeit zu lassen darüber nachzudenken. "Gut." meint er schließlich und ich glaube, ich sehe ihn etwas verdutzt an. "Gut?" wiederhole ich. "Du hast nichts dagegen?" Mokuba grinst mich an. "Warum sollte ich?" kontert er dann mit einer Gegenfrage und klingt fast wie sein großer Bruder. Eigentlich fehlt es nur noch, dass er die rechte Braue nach oben zieht. Er zuckt leicht mit den Schultern. "Wenn Seto mit dir glücklich ist, was sollte ich dagegen haben?" "Hm." Wo er Recht hat, hat er Recht. Doch obgleich ich erleichtert über den Verlauf des Gespräches bin und ich schätze, Kaiba wird es ebenso gehen, bin ich gleichzeitig überrascht, wie locker der Kleine mit dieser neuen Erkenntnis umgeht. Als könne er meine Gedanken lesen, meint er im nächsten Augenblick: "Das hab ich mir gewünscht." Einen Moment lang starre ich ihn wohl entgeistert, fast fassungslos an und sein kindliches Grinsen wird noch breiter. "Ich wusste immer, dass ihr euch gar nicht so hasst, wie ihr immer getan habt." fährt er mit unschuldigem Tonfall fort. "Tea hat mal gesagt, was sich liebt, das neckt sich." Er zwinkert mir tatsächlich zu und ich glaube, mein Kopf ist so rot wie eine Tomate. "Ähm..." Meine Stimme ist nur ein Krächzen und der Kleine lacht mich an. "Ich mag dich sehr gerne, Joey." sagt er dann aufrichtig. "Du bist wie ein großer Bruder für mich." Er hält kurz inne und legt den Kopf schief. "Dann hab ich jetzt zwei große Brüder..." sinniert er und ich muss ebenfalls lachen. "Sieht so aus, Mokuba." stimme ich zu und leere mein Teeglas. Einen Moment sehen wir uns schweigend an, dann fragt er ernsthaft: "Werdet ihr jetzt... naja, macht ihr jetzt immer so rum?" Ich bin heilfroh, dass ich meinen Tee noch rechtzeitig runtergeschluckt habe, sonst hätte ich ihn bei dieser Frage jetzt sicherlich über den ganzen Tisch und möglicherweise auch über Mokuba verteilt. Der Kleine sieht mich mit großen, unschuldigen, aber sehr, sehr aufmerksamenen Augen an und ich frage mich, was wohl gerade in seinem kleinen Kopf vorgeht. "Also..." hebe ich an und weiß nicht was ich sagen soll. Der Gedanke, dass Kaiba und ich rummachen ist immer noch ein wenig befremdlich für mich. "Naja, ich denke, hin und wieder werden wir das tun." erwidere ich schließlich aufrichtig. "Aber wie ich deinen Bruder kenne..." Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass ich nicht weiterzureden brauche. Also zwinkere ich dem Kleinen zu und er grinst erneut. "Verstehe." meint er und ich bin sicher, dass er das tut. Wer sonst kennt Seto Kaiba so gut, wie er? "Wenn das alles vorbei ist, Joey, bleiben wir dann in den Staaten?" will er einen Moment später wissen. Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. So weit haben wir noch nicht geplant. Gut möglich, aber ich kenne die Pläne deines Bruders nicht." antworte ich ihm ehrlich und er nickt nachdenklich. "Also, ich hätte nichts dagegen." befindet er. "Aber wir könnten auch hier bleiben." Erstaunt und auch ein wenig gerührt lausche ich seiner Ausführung über diese Möglichkeit. Eine Möglichkeit, die ihm scheinbar gefällt und den Verdacht in mir weckt, dass er sich darüber sogar schon ein paar Gedanken gemacht hat. Allerdings fällt es mir schwer, mir Kaiba auf einem Boot vorzustellen oder bei Ausgrabungen. Doch wer weiß. "Gleichgültig was wir machen, wenn das alles endlich vorbei ist, Mokuba, wir werden sicher Spaß haben." befinde ich und lächele ihn an. Er erwidert mein Lächeln, wird dann jedoch schlagartig wieder ernst. "Das ist gut. Seto hatte lange keinen Spaß mehr." höre ich ihn sagen und erneut spüre ich deutlich die Sorge um seinen Bruder, die in seiner Stimme mitschwingt. Ähnlich wie Kaiba ist Mokuba für sein Alter schon sehr erwachsen, auch wenn er sich noch einen Teil seiner Kindlichkeit bewahren konnte. Doch ich sehe ihm an, dass er sich nicht erst jetzt Gedanken über seinen Bruder und dessen Leben macht. Und ich bin sicher, dass er es auch nicht erst tut seit diese Sache begonnen hat. Unwillkürlich muss ich wieder an die Worte des Kleinen denken als Kaiba beim BattleCityFinale, das Duell von Yugi und Marik nicht ansehen wollte. Damals hatte der Kleine seinem Bruder vorgeworfen, hart geworden zu sein. Hart und kalt und nicht mehr lachen zu können. Es war das erste Mal gewesen, dass ich erlebte, dass der Kleine Kritik an seinem verehrten Bruder übte. Vielleicht war es auch tatsächlich das erste Mal. Doch Mokuba hatte damals den Nagel auf den Kopf getroffen und insgeheim kommt mir mit einem Mal der Gedanke, dass er all die Jahre über auch in gewisser Weise eine Bürde zu tragen hatte. Kaiba hat seine Jugend für Mokuba geopfert, aber Mokuba war sich dessen stets bewusst und seinem Bruder auch dankbar, doch gleichzeitig ahnte der Kleine wohl immer, welchen Preis Kaiba damit gezahlt hatte. Erneut erinnere ich mich an dem Moment als er sich die Schuld an allem gab. Wie oft hat er das in Gedanken zuvor schon bewusst oder unbewusst getan? Vielleicht war er Kaiba deshalb stets loyal ergeben, aus dem Gedanken heraus, seinem Bruder etwas schuldig zu sein. "Joey?" Mokuba´s Stimme reißt mich schlagartig aus meinen Gedanken und ich sehe den Kleinen fragend an. Seine Miene ist noch immer ernst, aber auch entschlossen. "Versprich mir, dass du nicht zulässt, dass dieser Grey Seto etwas tut!" fordert er mich auf und seine Augen fixieren mich so vehement, dass ich unwillkürlich schlucken muss. "Was auch immer dieser Kerl denkt, dass Seto ihm angetan hat, er irrt sich. Seto würde nie, niemals, jemandem etwas antun. Nicht so etwas, du weißt schon." Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mit Sicherheit was er damit meint. Ich vermute jedoch, dass er an eine persönliche Sache denkt, etwas, dass nichts mit der Firma zu tun hatte. Ich nicke leicht. "Ich verspreche es dir, Mokuba." versichere ich ihm dann ernst. "Wir alle werden alles in unserer Macht stehende tun, um deinem Bruder zu helfen. Er ist nicht mehr allein und ich werde nicht zulassen, dass dieser Grey oder sonst wer, ihm etwas antut. Und auch dir nicht." Ich habe das Gefühl, dass meine Worte ihn nicht nur berühren, sondern auch seine Sorgen ein wenig zerstreuen. Seine Miene hellt sich auf und er wirkt fast erleichtert. Ohne nachzudenken strecke ich die Hand aus und ergreife die Seine. Er lässt es geschehen, wirkt auch nur den Bruchteil einer Sekunde überrascht. Ich drücke seine Hand und sehe ihm dabei tief in die Augen. "Wir sind jetzt eine Familie, genau wie du gesagt hast." erkläre ich ihm entschieden. "Und wir halten zusammen, egal was passiert." Ein paar Sekunden sieht er mich einfach nur an. Dann höre ich ihn leise sagen: "Familie." Ich nicke. "Familie." sage ich erneut und nun erwidert er zaghaft den Druck meiner Hand. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Wort für ihn augenblicklich wie eine Art Zauberformel klingt. Seine Augen leuchten und ich lächele. Für einen Moment glaube ich sogar, dass ich das Gefühl, dass ihn bewegt, verstehen kann. Vielleicht geht es ihm so wie mir als ich Jack traf und mit ihm nach Amerika ging, ich endlich eine wirkliche Familie hatte, auch wenn dieser Gedanke unfair klingt, wenn ich an Serenity denke, die immer gut zu mir war. Doch erst Jack gab mir das Gefühl... Das Gefühl, etwas wert zu sein. Mehr zu sein als ein kleiner Chaot, ein Verlierer, der selbstbewusst auftrat, aber es im Grunde nicht wirklich war. Ja, Jack war es, der mir half, mich selbst wirklich kennenzulernen und an mich zu glauben und ich vermute, dass Mokuba gerade ein ähnliches Gefühlserlebnis durchströmt. Gerade als Mokuba den Mund öffnet, um noch etwas zu sagen, klingelt mein Telefon. Ich zucke unwillkürlich zusammen als mein Klingelton das sanfte Schweigen zwischen uns stört und werfe Mokuba einen entschuldigenden Blick zu. Dann ziehe ich mein Handy aus meiner Tasche und blicke auf das Display. "Mein Dad." erkläre ich Mokuba ehe ich den Anruf entgegennehme. Kapitel 64: Der Hauch einer Spur Teil 3 (Bakura) ------------------------------------------------ "Devlin." meldet sich die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung mit dem gewohnt lässigen Tonfall, dass ich unwillkürlich grinsen muss. "Hey, mein Katerchen." entgegne ich und Duke kontert auch schon prompt: "Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich so nennst, Kura." Obgleich er dies trocken feststellt, entgeht mir keineswegs, dass er erleichtert ist, mich zu hören. Nichts anderes habe ich erwartet. Seit wir für kurze Zeit bei ihm untergetaucht waren, habe ich mich nur noch zweimal kurz bei ihm gemeldet und von den jüngsten Ereignissen weiß er noch gar nichts. "Zieh die Krallen wieder ein, Duke." fordere ich ihn süffisant auf und fahre dann auch schon gleich fort: "Ich brauche deine Hilfe." Falls ihn meine Ansage überraschen sollte, so zeigt er es nicht. Er zögert keine Sekunde mit seiner Antwort. "Ok, schieß los. Was kann ich tun?" fragt er und klingt nun ebenfalls ernst. "Wie ist eigentlich der aktuelle Stand der Dinge? Tea meinte gestern, dass ihr in Ägypten wärt und das soweit alles in Ordnung wäre." Ich seufze und überlege kurz ob ich ihm die jüngsten Ereignisse schildern soll. "Momentan sind wir in Ägypten, ja. Und ich würde sagen, es herrscht gerade die berühmte Ruhe vor dem großen Sturm, wenn du verstehst. Mokuba ist bei uns, Kaiba wurde angeschossen und..." "Kaiba wurde angeschossen?" unterbricht mich Duke aufgeregt und ich bereue, dass ich damit angefangen habe. Nun muss ich doch ins Details gehen, aber Duke gegenüber kann ich auch offen sein. Es gibt wenige Menschen, denen ich vertraue. Duke Devlin ist einer davon. Doch er ist ja auch mein Kater, auch wenn er das nicht gerne hört. In kurzen Zügen erzähle ich ihm von Mokuba´s Entführung, Kaiba´s Befreigungsaktion und natürlich bleibt die Frage nicht aus, wo ich in der Zeit war. "Ich habe mich um Siegfried gekümmert." erkläre ich und ahne, dass ich nicht mehr dazu sagen muss. Duke versteht auch so und er weiß nur zu gut, was es heißt, wenn ich mich um jemanden kümmere. "Fuck, das klingt mehr als übel. Kaiba scheint sich wirklich einen Heidenärger eingebrockt zu haben." höre ich Duke sagen und nicke unwillkürlich. Einen Moment herrscht Schweigen und ich lasse ihm die Zeit das Gehörte erst einmal zu verdauen. Doch Duke fasst sich wie immer wieder schnell und kommt auch gleich zum Punkt. "Was kann ich für dich tun, Kura?" will er wissen. "Weißt du wo Ace steckt?" frage ich und dieses Mal scheine ich ihn zu überraschen. Seine Atmung verrät es, auch wenn er keinen wirklichen Mucks von sich gibt. Falls ihm die Frage auf der Zunge brennt, warum ich das wissen will, scheint er sich gut beherrschen zu können. "Soweit ich weiß ist er derzeit im Lande. Letzte Woche war er noch im Club." bekomme ich die erhoffte Antwort und nicke zufrieden. Dann kann er sich seine Frage wohl nicht länger verkneifen. "Was willst du von Ace?" Ich grinse, denn ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass sich die schönen, grünen Augen gerade zu zwei argwöhnischen Schlitzen verengt haben. "Ich brauche ein paar Informationen von ihm." erkläre ich und Duke gibt ein undefinierbares Geräusch von sich. "Eurer letzten Begegnung nach zu urteilen, würde ich wetten, dass er nicht gerade Luftsprünge mach bei dem Gedanken, dir zu helfen." stellt Duke trocken fest und ich lache. "Die Messerstecherei? Hm. Gut möglich." entgegne ich und spüre wie mein Grinsen breiter wird. Ich erinnere noch sehr gut an meine letzte Begegnung mit Ace und ich wette, er hat sie ebenso gut in Erinnerung. "Deshalb brauche ich ja auch deine Hilfe, Duke." fahre ich fort und bin sicher, dass nun auch er grinsen muss. "Verstehe." meint er und ich höre sein Grinsen förmlich. "Ok, was willst du wissen?" "Pragmatisch wie immer, mein Kater." Ich kann mir den Kommentar nicht verkneifen. Ich habe nichts anderes von ihm erwartet. Auf Duke ist Verlass. Das weiß ich. Er hat es mir oft genug bewiesen. So gesehen stehe ich vielleicht sogar noch in seiner Schuld, wenn man so will. Aber das ist ein Thema für sich. Er erwidert nichts auf meine süffisante Bemerkung, sondern wartet geduldig auf meine Antwort. Er kennt mich gut genug, um meine Stimme richtig zu deuten und daher weiß er, dass es mir mit meinem Anliegen ernst ist. "Es geht um einen Unfall vor fünf Jahren. Ein junger Mann namens John Armstrong kam dabei ums Leben." erzähle ich nüchtern die Fakten. "Wir haben die Vermutung, dass es kein Unfall war, sondern vielmehr ein Auftragsmord, der vielleicht seinem Vater galt. Einem amerikanischen Diplomaten." Duke hört schweigend zu während ich rede. "Und du denkst, dass Ace wissen könnte, wer den Auftrag gegeben hat?" fragt er als ich geendet habe. "Wenn es ein Auftrag war, dann weiß er es." erwidere ich entschieden und Duke gibt ein nachdenkliches "Hm" von sich. Falls dieser Unfall nicht wirklich ein Unfall war, sondern ein Anschlag, den jemand in Auftrag gegeben hat, dann muss Ace es wissen. Ace Hanlon ist DER Mann, wenn es um diese Dinge geht. Immerhin vermittelt er solche Aufträge. Er kennt nicht nur die Klienten, sondern auch die ausführenden Gewalten. Die Besten der Besten. Ja, ich bin mir sicher, dass er es wissen muss und dann haben wir eine weitere Spur. "Was ist mit diesem Unfall, Kura? Wer ist dieser Armstrong?" höre ich Duke fragen und seufze. "Wir haben zwei Spuren entdeckt, die auf diesen Namen hindeuten. Der Vater des Jungen war laut Kaiba in einige recht zwielichtige Geschäfte mit Gozaburo Kaiba verwickelt und wollte aussteigen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Kaiba´s Adoptivvater etwas mit diesem Unfall zu schaffen hat und..." "Und das wäre ein Motiv für denjenigen, der hinter dem ganzen Ärger steckt." beendet Duke meinen Satz. "So sieht es aus." Der Schwarzhaarige pfeift. "Scheint als würde diese Geschichte wirklich tiefer gehen." stellt er fest und ich nicke. "Mehr als das, Duke. Kaiba steckt echt in Schwierigkeiten." entgegne ich nüchtern. "Von Siegfried haben wir erfahren, dass ein Typ, der sich Grey nennt, hinter der ganzen Intrige steckt und der Kerl hat gerade erst angefangen." Kurz schildere ich Duke von der kleinen, netten Ansprache dieses Kerls und auch von der Tatsache, dass einer seiner Handlanger bereit war, Mokuba vor den Augen seines Bruders zu erschießen. "Kaiba ist dazwischen gegangen." kombiniert Duke richtig und mir entgeht keineswegs die Anerkennung, die in seinen Worten mitschwingt. "Ja. Und es ist einzig Kaiba´s Pinguin zu verdanken, dass die Beiden lebend dort rausgekommen sind." füge ich hinzu. Erneut gibt Duke einen Pfiff von sich. "Roland?" fragt er ungläubig und ich muss schon wieder grinsen. Tja, wer hätte gedacht, dass dieser stoische Mann so abgehen würde? Ich sicher nicht, auch wenn ich bereits eine Ahnung hatte, dass er seinem Herrn mehr als loyal ergeben ist. "Laut Mokuba muss er wie Wolverine gefochten haben." erzähle ich und Duke lacht. "Oh Mann." "Du sagst es." Schlagartig werde ich allerdings wieder ernst. "Es ist wichtig, dass du die Information von Ace bekommst, Duke. Wenn es ein Auftragsmord war, dann weiß er es." komme ich wieder auf mein Anliegen zurück. "Ich hab verstanden, Kura. Keine Sorge. Ich werd mich gleich dran hängen." versichert mir Duke. "Auch wenn ich nicht so ganz verstehe, was diese Information bringen soll. Sie würde doch lediglich eure Vermutung bestätigen, was das Motiv anbelangt." Natürlich hat er mit seinem Argument Recht. Diese Information wird uns nicht zwangsläufig zu diesem Grey führen, aber wenn man erst die Motivation eines Menschen kennt, dann kennt man auch den Menschen dahinter. Zumindest glaube ich das und bislang hat sich diese Theorie immer wieder für mich bewahrheitet. John Armstrong ist aus irgendeinem Grund Grey´s Motivation bei seinem Rachefeldzug gegen Kaiba. Es muss eine Verbindung zwischen den Beiden geben. Eine Verbindung, die so tief geht, dass Grey bereit ist, ihretwegen zu morden. Duke´s nächste Worte bringen mich leicht aus dem Konzept. "Du machst dir ernsthaft Sorgen um Kaiba." bemerkt er und etwas an seiner Stimme versetzt mir unwillkürlich einen Stich. Für den Bruchteil einer Sekunde setzt mein Denken aus und ich brauche einen Moment, um mich wieder zu fassen. "Sorgen ist vielleicht das falsche Wort..." entgegne ich und bin selbst überrascht wie fremd meine Stimme mit einem Mal klingt. "Kura." sagt Duke und ich muss unwillkürlich schlucken. Ein Glück, dass ich ihm gerade nicht gegenüber stehe. Die grünen Augen würde direkt auf den Grund meiner Seele blicken. Etwas, dass bislang nur Duke Devlin gelungen ist. Warum vermag ich nicht zu sagen, aber er ist der Einzige, der in der Lage dazu ist. Nicht einmal Ryou vermochte es. Alister kratzt arg an der Oberfläche, aber niemand außer Duke ist je tiefer gedrungen. Zumindest nicht in dieser Zeit. Ohne es zu wollen, muss ich wieder an Seth denken. Fuck, ich hasse es, wenn das passiert. Wenn ich mich nicht mehr soweit unter Kontrolle habe, die Vergangenheit im Zaum zu halten. Warum musste ich auch meine Erinnerung wieder erlangen? Hätte ich nicht einfach vergessen können? So vieles wäre dadurch leichter. Meine nächsten Worte kommen automatisch aus meinem Mund. Ich spreche sie aus ohne es zu wollen und beiße mir auch gleich auf die Unterlippe als ich sie ausgesprochen habe. "Er ist mit Wheeler zusammen." höre ich mich sagen und verspüre erneut einen Stich. Für einen Moment herrscht Schweigen. "Du meinst, Kaiba und Joey..." hebt Duke dann ungläubig an. Ich seufze. "Genau das." bestätige ich seine unausgesprochene Aussage. "Mann." entfährt es ihm und ich spüre, dass nicht nur überrascht, sondern nahezu irritiert ist. "Also echt, das ist jetzt eine Überraschung. Ich meine, ausgerechnet die Beiden..." Duke seufzt und ich presse fest die Lippen aufeinander, um mir einen Kommentar diesbezüglich zu verkneifen. Doch ich ahne, dass Duke meine Gedanken zu lesen vermag. Er kennt mich viel zu gut. "Tut mir leid." sagt er sanft und ich verziehe spöttisch den Mund. "Vergiss es." entgegne ich kühl, aber Duke lässt sich davon natürlich nicht einschüchtern. "Ach, Kura..." hebt er von neuem an und ich verdrehe die Augen. "Lass gut sein, ok. Erspar mir deinen Kommentar. Es ist alles in Ordnung." unterbreche ich ihn ehe er weiterreden kann, denn ich weiß, was er sagen möchte. Auch ich kenne ihn gut. Wieder herrscht kurzes Schweigen und ich bereue, dass ich das Thema überhaupt angeschnitten habe. Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht? Im Grunde ist einzig Alister daran schuld. Alister mit seinen Vermutungen, mit denen er bedauerlicherweise neuerdings mehr und mehr ins Schwarze trifft, was ich jedoch nicht zugeben werde. Weil ich es mir nicht eingestehen will. Weil es ohne Bedeutung ist. "Mach dir ruhig etwas vor." sagt eine Stimme in meinem Kopf. "Du weißt doch längst, dass es ist wie es ist, oder?" Seltsamerweise muss ich wieder an den Pharao denken, der längst erlöst ist. Warum hat er Erlösung verdient? Womit? Mir sollte es vergönnt sein, in Frieden zu ruhen oder wieder dort zu sein, wo ich hin gehöre. "Und wohin gehörst du, Bakura?" Ist das die Stimme in meinem Kopf, die das wissen will oder seine Stimme, die mich das vor langer, unendlich langer Zeit fragte. Unwillkürlich muss ich wieder an meine erste Begegnung mit dem jungen Priester denken und mein Herzschlag beschleunigt sich automatisch. Wie leicht es für mich gewesen wäre, sein Leben auszulöschen. Einfach so. Ich hätte sein Genick brechen können wie einen vertrockneten Ast und niemand hätte es verhindern können. "Ich werde dir die Infos besorgen, die du willst." höre ich Duke sagen und kehre schlagartig zurück in die Gegenwart. "Wenn ich Glück habe, schaffe ich es Ace noch heute zu finden." Ich nicke. "Gut." entgegne ich knapp und damit ist im Grunde alles gesagt. Ein Teil von mir wünscht sich auch das Gespräch zu beenden. Ein anderer Teil... Nun, seltsamerweise würde dieser sich wünschen, dass er, Duke, hier wäre. Seine Gegenwart würde es erträglicher machen, Wheeler und Kaiba zusammen zu sehen. Und als könne er meine Gedanken lesen, meint Duke in diesem Moment: "Ich könnte zu euch kommen..." Es ist ein zaghafter Vorschlag und wir beide wissen, dass er die Entscheidung mir überlassen wird. "Tea hatte auch schon so eine Idee, aber sie kann sich nicht losreißen." fährt der Schwarzhaarige auch schon fort und ich erkenne den subtilen Versuch, seinen Vorschlag auf eine unpersönliche Ebene zu heben und muss lächeln. "Nun, wenn du Lust auf ein wenig Spaß hast, Katerchen..." entgegne ich zweideutig und er lacht. Kapitel 65: Eine Frage des Standpunktes --------------------------------------- Merci mal wieder für die lieben Kommis und vor allem dafür, dass Bakura wieder in eurer Sympathie gestiegen ist. Ich mag ihn wie gesagt sehr gerne und wünsche mir auch ein Happy End für ihn, wenn auch nicht mit Seto. "Wie sie wünschen, Sir." sagt Roland und ich nicke ihm zu. Einen Moment habe ich den Eindruck, dass er noch etwas sagen möchte, doch in dem Augenblick als er den Mund öffnet, klopft es an der Tür. "Herein." sage ich und kaum zwei Sekunden später steckt Wheeler auch schon zaghaft seinen Kopf ins Zimmer. Er mustert mich kurz, dann öffnet er die Tür ganz und tritt ins Zimmer. Roland nickt mir kurz zu und wendet sich auch schon zum gehen um. "Störe ich?" fragt das Hündchen und ich verdrehe leicht die Augen. Ich kann nicht anders. Allerdings verkneife ich es mir, ihn darauf hinzuweisen, dass er diese Frage vor seinem Eintreten hätte stellen müssen. "Nein." sage ich stattdessen und er lächelt mich an, sagt jedoch nichts bis Roland die Tür hinter sich geschlossen hat. Dann tritt er langsam auf mich zu, wobei er erneut etwas unsicher wirkt, was ich ihm nicht verdenken kann. "Wie geht es dir?" fragt er und ich vermute, dass er auf den Verbandswechsel von Ishizu anspielt. "Gut." entgegne ich und er nickt zufrieden. Soviel zum Thema Schmalltalk. Einen Moment sieht er mich noch abschätzend an, dann kommt er auch schon zum Wesentlichen. "Ich hab mit Mokuba geredet." verkündet er mit einem leicht schiefen Grinsen und ich muss zugeben, dass mich diese Ansage überrascht. Ich hatte erwartet, dass er auf das andere Thema zu sprechen kommen würde. Ehrlich gesagt, ich hatte Mokuba über dieser ganzen Geschichte mit John Armstrong und Grey fast vergessen, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Meine Miene scheint meine Gedanken zu verraten, denn das Hündchen lächelt mich beschlichtigend an. "Ich weiß, eigentlich wäre es ja deine Aufgabe gewesen, aber naja, ich dachte mir..." Er hält kurz inne und mustert mich abschätzend und ich seufze. "Schon gut." Ich mache eine wegwerfende Geste. "Vermutlich bist du in solchen Dingen auch etwas geübter als ich." gebe ich eine Stimmlage leiser zu und in den braunen Augen leuchtet es kurz auf. "Naja, Übung habe ich jetzt nicht unbedingt in so was, aber ich weiß was du meinst." entgegnet er und macht noch einen zaghaften Schritt auf mein Bett zu. Schon seltsam, dass wir nach wie vor wie Katzen um einander schleichen. Früher gingen wir aufeinander los wie zwei... Hm, ja wie was? Bissige Hunde? Der Vergleich trifft auf Wheeler zu. Was mich selbst anbelangt... Wie dem auch sei, augenblicklich scheinen wir beide unschlüssig zu sein, wie wir uns einander gegenüber verhalten sollen. Ich zumindest bin es und er scheint es ebenso zu sein. Ich deute ihm mit einem Kopfnicken an, dass er sich neben mir niederlassen soll und er tut es sichtlich erleichtert, wenn auch nach wie vor eine Spur verlegen. Dann sehe ich ihn erwartungsvoll an und das Hündchen enttäuscht mich nicht. Er deutet meinen Blick richtig und beginnt auch schon mir Bericht zu erstatten. "Mokuba hat kein Problem damit, dass wir..." Er hält inne und ich ahne, was er eigentlich sagen will und auch warum er es nicht ausspricht. Bislang haben wir noch nicht explizit über diese Dinge gesprochen. Es hat sich nie der richtige Moment ergeben. Ich bezweifele allerdings, dass es diesen berühmten richtigen Moment überhaupt gibt. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen, darüber zu reden, wie es weitergehen soll unabhängig von der Miesere in der ich mich nach wie vor befinde. Zumal wir augenblicklich ohnehin nicht wirklich etwas anderes tun können. Alister ist genau wie Roland nach wie vor am recherchieren und wir können nur abwarten. "Was sind wir deiner Ansicht nach, Joey?" frage ich ihn direkt und sehe, dass er kaum merklich zusammenzuckt. Ob es an meiner offenen Frage liegt oder an der Tatsache, dass ich seinen Vornamen benutze, vermag ich nicht zu sagen. Zarte Röte erscheint auf seinen Wangen und ich muss unwillkürlich lächeln. Warum ist mir früher nie aufgefallen, dass er unglaublich süß aussieht, wenn er verlegen ist? Ich habe ihn doch oft genug verlegen erlebt. Er legt den Kopf leicht schief und überlegt. "Naja, ich denke..." hebt er dann an und bricht auch gleich wieder ab. Seine warmen Augen mustern mich unsicher. "Ich denke, wir sind auf dem besten Wege ein Paar zu werden." spricht er es schließlich aus und ich nicke. "Ja, darauf läuft wohl alles hinaus." stimme ich zu und er lächelt wieder. "Und Mokuba hat deiner Ansicht nach keine Probleme mit dieser Vorstellung?" frage ich nach und aus seinem Lächeln wird das berühmte Wheeler-Grinsen. Er schüttelt leicht den Kopf. "Ehrlich gesagt, ich hatte den Eindruck, dass er sich sogar freut." erwidert er und ich atme erleichtert auf. Ich glaube, in diesem Augenblick fällt mir ein Stein vom Herzen. Zwar könnte ich nicht behaupten, dass ich mir seit dieser Entwicklung zwischen Wheeler und mir, bewusst Gedanken über die Reaktion meines Bruders gemacht zu haben, aber der Umstand, dass Mokuba kein Problem mit dieser neuen Situation zu haben scheint, erleichtert mich ungemein. Und erst jetzt wird mir bewusst, dass dies eigentlich die größte Hürde für mich war. Einen Augenblick sehe ich Wheeler schweigend an. Natürlich war ich einerseits zu sehr mit der Gesamtsituation beschäftigt, um mir wirklich Gedanken über eine gemeinsame Zukunft mit ihm zu machen und andererseits musste ich auch erst einmal verdauen, dass solch ein Gedanke überhaupt zur Option steht. Alle anderen Widrigkeiten habe ich vorerst wohl ausgeblendet. Nun aber scheint mich die Realität einzuholen oder vielmehr werde ich mir der Konsequenzen, die diese Entwicklung hat, bewusst. Es ist eine Sache, mir einzugestehen, dass ich ausgerechnet für meinen Erzfeind Gefühle entwickelt habe und dadurch erkennen zu müssen, dass ich allem Anschein nach mein eigenes Geschlecht bevorzuge. Wobei ich mir auch diesbezüglich nie wirklich Gedanken um meine Neigungen gemacht habe. Ich hatte nie Neigungen und ein Teil von mir ist auch jetzt noch der Ansicht, dass es sich so verhält. Tatsache ist, dass ich auf Wheeler stehe. Ob das zwangsläufig besagt, dass ich homosexuell bin, weiß ich nicht. Schließlich habe ich keinerlei Interesse an anderen Männern oder Frauen und bei genauerer Betrachtung hatte ich dergleichen auch noch nie. Wheeler ist somit... Ich schlucke "Was ist?" höre ich ihn fragen und bemerke jetzt erst, dass er mich besorgt mustert. "Mir ist gerade wirklich bewusst geworden, dass ich...schwul bin." gebe ich ehrlich zu und kann nicht umhin leicht zu lächeln. Einen Moment sieht mich Wheeler erstaunt an, dann lacht er. "Ach? Und was hast du vorher gedacht?" entgegnet er und zwinkert. Ich verdrehe unwillkürlich die Augen. "Gar nichts." erwidere ich kühl und er grinst. "Hm." Wieder mustert er mich, doch dieses Mal blitzt es vergnügt in seinen Augen auf. "Und wie geht es dir jetzt mit dieser Erkenntnis?" will er dann ernsthaft wissen und ich kann es nicht verhindern, dass ich leise aufstöhne. Doch bevor ich etwas erwidern kann, fährt er auch schon fort: "Hey, denkst du mir geht es anders? Ich habe auch eine Weile gebraucht, um das zu verdauen, aber was soll´s? Es ist eben so und zum Glück leben wir nicht mehr im Mittelalter." Ich nicke nachdenklich. "Im Mittelalter leben wir zwar nicht, aber ganz so leicht ist das auch heutzutage nicht. Zumindest, wenn man im Focus der Öffentlichkeit steht." gebe ich zu bedenken und nun wird auch seine Miene ernst. Scheinbar hat auch er bislang noch nicht viel weiter gedacht. Das hätte mich auch sehr verwundert. "Und in Amerika soll man es als Homosexueller auch nicht unbedingt leicht haben." füge ich hinzu und er starrt mich an. Ich befürchte, dass ich nun ebenfalls verlegen erröte, denn Wheeler scheint die Doppeldeutigkeit meiner Worte nicht entgangen. Für einen kurzen Augenblick herrscht verlegenes Schweigen. Es ist schließlich Wheeler, der den Blickkontakt unterbricht und ich bin derjenige, der den Dialog wieder aufnimmt. Ich räuspere mich leicht und bemühe mich darum, wieder sachlicher zu klingen, was mir allerdings nur ansatzweise zu gelingen scheint. "Was ich sagen will ist, dass wenn wir... zusammen bleiben wollen, dann heißt das, dass gewisse Konsequenzen auf uns zukommen werden." erkläre ich ernst. "Mokuba ist eine Sache, auch wenn er für mich der wichtigste Punkt bei dieser Angelegenheit ist." Wheeler sieht mich weiterhin abschätzend an und ich verziehe leicht die Mundwinkel in der Hoffnung, ein Lächeln zu stande zu bringen, denn augenblicklich wirkt das Hündchen etwas verschreckt. Ein Umstand, der mir nicht wirklich gefallen will. Ich glaube, ich mag es einfach nicht, ihn ernst zu sehen. Oder gar traurig. "Mein Ruf ist ohnehin ruiniert, aber deiner..." Ich beende den Satz nicht, aber ich vermute, dass er auch so versteht, was ich zu sagen versuche. Unwillkürlich frage ich mich, was wohl gewesen wäre, wenn ich diese Gefühle für ihn früher entdeckt hätte. Hätte ich mich als CEO der Kaiba Corporation darauf einlassen können? Nun aber befinde ich mich in einer gänzlich anderen Position und er ist es, der in der Öffentlichkeit steht, wenn man so will. Er ist der Vizepräsident in der Firma seines Vaters. Ich vermute zwar, dass Jack Wheeler seinem Sohn keine Steine bezüglich seiner Neigung in den Weg legen wird, aber wie sieht es mit den Geschäftspartnern des Unternehmens aus? Freunden? Angestellten? Die Liste ist lang. Wheeler scheint über meine Worte nachzudenken. Er blinzelt und dann grinst er mich an, was mich im ersten Moment irritiert und auch ein wenig verunsichert. Zum einen, weil mich das Bild schlagartig an den Katsuya aus meinen Erinnerungen erinnert, der siegessicher die Faust hochreckt und verkündet, dass er niemals aufgibt und dabei so albern grinste, dass man fast geneigt war, ihm Glauben zu schenken. Und zum anderen, weil mich dieser Anblick rührt. "Wenn ich dich richtig verstanden habe, Seto..." beginnt er und sein Blick trifft meinen. "Dann sind wir in deinen Augen längst zusammen?!" Er schmunzelt leicht und seine Augen nehmen einen merkwürdig verklärten Ausdruck an, den ich bislang nur einmal gesehen habe. Bei Gardner, wenn sie Muto anblickte. Ich brauche einen Moment, um den Ausdruck richtig zu deuten und ich hege den Verdacht, dass meine Gesichtsfarbe sich gerade in einem bedenklichen Ausmaß verändert. "Nun, wenn wir die jüngsten Entwicklungen bedenken, dann..." Ich halte schlagartig inne und seufze. "Ja. Sind wir." beantworte ich ihm dann seine Frage kurz und präzise und...ehrlich. Er lächelt mich an und mir ist seltsam zumute. Es ist ein liebevolles, warmes Lächeln mit dem er mich bedenkt und es irritiert mich. "Wir werden das schon hinbekommen, Seto." meint er dann ernst und greift nach meiner Hand. "Wir werden jetzt erst einmal die Sache mit diesem Grey regeln und dann, dann kümmern wir uns um alles andere." Wheeler´s Augen leuchten kurz auf. "Wenn diese Angelegenheit erledigt ist, dann ist dein Ruf auch wiederhergestellt. Ich weiß nicht, was du dann vorhast, ich meine... die Kaiba Corp. ..." Er zuckt leicht mit den Schultern. "Wenn es nach Mokuba gehen würde, dann würden wir uns ein Schiff kaufen und hier in Ägypten bleiben und..." "Und Ausgrabungen machen. Ich weiß." beende ich seinen Satz und er lacht. "Dein Bruder hat sehr detailierte Vorstellungen von der Zukunft." kommentiert er und ich seufze. "Ja, das habe ich inzwischen mitbekommen." erwidere ich und Wheeler grinst. "So schlecht ist die Idee gar nicht, oder?" Er zwinkert mir erneut zu und mir liegt schon auf der Zunge ihn darauf hinzuweisen, dass weder er noch ich, geschweige denn Mokuba, Ahnung von archeologischen Ausgrabungen haben und dass es für dergleichen auch gewisser Genehmigungen bedarf, aber ich sage nichts dergleichen. Denn in eben diesem Moment wird mir bewusst, dass Mokuba Joey scheinbar über seine Vorstellungen informiert hat und dass Wheeler eindeutig ein Teil von Mokuba´s Zukunftsversion ist. Ich vermute, er ist sogar ein wichtiger Teil in diesem Szenario und ich muss an das Gespräch mit meinem kleinen Bruder denken. "Weißt du, Kaiba, es ist wird immer die eine oder andere Schwierigkeit geben. Nichts läuft perfekt. Das weißt du so gut wie ich." höre ich Wheeler ernst sagen. "Gut möglich, dass wir Probleme bekommen, wenn wir uns offiziell zueinander bekennen, wenn diese Geschichte vorüber ist. Aber was soll´s? Ich meine, hält dich das davon ab? - Ich glaube kaum." Er macht eine kurze Pause und sieht mich herausfordernd an. "Du bist Seto Kaiba. Hat dich je gestört, was man über dich dachte?" fragt er dann und ich ziehe automatisch die rechte Braue in die Höhe. Er nickt zufrieden. "Siehst du?" fährt er dann fort. "Und ich werde mich auch nicht von irgendwem ins Bockshorn jagen lassen." Er verstärkt leicht den Druck seiner Hand auf meine und beugt sich ein Stück zu mir. "Und mal unter uns, wenn du es nicht geschafft hast, mich ins Bockshorn zu jagen, wer sollte es sonst schaffen?" fragt er mit einem verschwörerischen unterton und mein Herz macht einen Sprung. Kapitel 66: Unsicherheit (Jack) ------------------------------- Sorry, ihr Lieben, dass ich momentan mit den Kapiteln so warten lasse, aber wie gesagt, momentan habe ich ne Menge um die Ohren und ja auch noch andere Projekte am Laufen, auch wenn diese FF mir besonders am Herzen liegt. Hier nun wieder ein Kapitel aus Jack´s Sicht. Ich hoffe es gefällt euch. Ach ja und vielen, lieben Dank für die tollen Kommentare!! Zum dritten Mal lese ich das Schreiben obgleich ich seinen kurzen Inhalt im Grunde schon zu Genüge kenne, doch ich habe das Gefühl, dass darin etwas verborgen ist, dass sich mir auf den ersten Blick verschließt. Natürlich vermag ich zwischen den Zeilen zu lesen, aber nach wie vor bleibt der Eindruck, dass noch mehr zwischen ihnen steht als ich augenblicklich zu erfassen vermag. "Sehr geehrter Herr Wheeler, ich bin im Besitz eines Beweisstückes, das unseren gemeinsamen Freund bezüglich des Mordes an Maximilian Pegasus wohlmöglich entlasten könnte. In Hinblick auf die Tatsache, dass Ihnen das Wohl unseres Freundes ebenso am Herzen zu liegen scheint wie Ihrem Sohn, gehe ich daher davon aus, dass Sie daran interessiert sein könnten, besagten Beweis von mir zu bekommen. Da es sich allerdings um eine doch recht prekäre Angelegenheit handelt, werden Sie sicher verstehen, dass ich Ihnen solch ein wertvolles Stück nicht einfach so überlassen kann. Aber ich hege die Vermutung, dass wir uns diesbezüglich zu einigen vermögen, zumal mein Preis auch der Sachlage angemessen sein dürfte." Erneut halte ich an dieser Stelle inne und atme tief durch. War der Anfang des Schreibens schon prekär, um bei der Wortwahl des Schreibers zu bleiben, so enthält der Rest Andeutung, die mich keineswegs kalt lassen können. "Wie ich erfahren habe, ist man augenblicklich dabei, die Verbindung zwischen dem Mord an Maximilian Pegasus und dem Tod des Deutschen Geschäftsmannes Siegfried von Schröder in Hinblick auf unseren gemeinsamen Freund zu prüfen. So weit ich unterrichtet bin, war Ihr Sohn doch kurzem noch in Deutschland? Ein Umstand, der für die Ermittlungen sicher auch nicht uninteressant sein dürfte, zumal Ihr Sohn doch in reger Verbindung zu unserem Freund steht, wie mir bekannt ist. Anbei schicke ich Ihnen ein paar Bilder, die Sie sicher interessant finden dürften. Ich werde mich in Kürze bezüglich der Modalitäten in dieser Angelegenheit noch einmal bei Ihnen melden." Noch bevor ich die Bilder ganz aus dem braunen Umschlag gezogen hatte, ahnte ich was sie mir zeigen würden und obgleich mein Gefühl mich vorwarnte, blieb mein Herz doch für den Bruchteil einer Sekunde stehen als ich mit eigenen Augen sah, was ich bereits vermutete. Zwei Bilder. Schwarzweißaufnahmen, die man scheinbar aus nächster Nähe geschossen hat und die ganz eindeutig, meinen Sohn zeigen. Meinen Sohn und den weißhaarigen, jungen Mann und obgleich ich Siegfried von Schröder nicht kenne, vermute ich, dass er die dritte Person auf den Bildern ist. Die Szene, die abgelichtet wurde, ist eindeutig. Einen Moment starre ich gebannt auf die zwei Bilder, dann schiebe ich sie zurück in den Umschlag und widme mich erneut dem Schreiben. Es besteht keine Möglichkeit es zurückzuverfolgen. Dessen bin ich mir sicher. Der Umschlag wurde von einem Kurier abgegeben und ich vermute, es würde zu nichts führen, den Mann ausfindig zu machen. Er hat den Umschlag sicherlich von einem Mittelsmann erhalten, der selbst entweder gar nichts mit dieser Angelegenheit zu schaffen hat oder bereits über alle Berge ist. Druck und Papier verraten auch nichts und ich gehe auch davon aus, dass der Schreiber darauf bedacht war, sämtliche Spuren zu beseitigen. Dieser Jemand ist ganz offensichtlich die Person, die hinter der ganzen Angelegenheit steckt, die Seto Kaiba zu Fall gebracht hat und ein Mensch, der sich solche Mühe gibt, einem anderen zu schaden, wird ganz sicher nicht den Fehler machen, einen Fingerabdruck auf einem Erpresserbrief zu hinterlassen. Und dieser Jemand ist auch keineswegs an Geld interessiert, auch wenn der Brief offenkundig auf solch ein Geschäft anspielt. Nein, diesem Menschen geht es nicht um Geld, folglich stellt sich die Frage, worum es ihm tatsächlich geht. "Unser gemeinsamer Freund..." Möglich, dass derjenige tatsächlich den Beweis für Seto Kaiba´s Unschuld in Händen hält, aber ich bezweifele, dass er ihn mir überlassen wird, gleichgültig für welche Summe. Und der Umstand, dass er nun auch Joey in seinem Visier hat, spricht für sich. Der Mann ist gut unterrichtet. Er hat sämtliche Schritte Kaiba´s, aber auch die von Joey beobachtet. Und wie er in seinem Schreiben durch die Blume andeutet, weiß er auch von der Art der Beziehung, welche meinen Sohn mit dem jungen Firmenchef verbindet. Ich überfliege das Schreiben ein letztes Mal ehe ich zum Hörer greife und die Nummer meines Sohnes wähle. Es dauert einen Moment bis ich seine vertraute Stimme höre und seltsamerweise muss ich erst einmal erleichtert aufatmen. "Hallo Junge." begrüße ich ihn dann und mein Blick streift noch einmal das Blatt Papier und den braunen Umschlag. "Hey Dad." erwidert er und ich entspanne mich ein wenig, denn seine Stimme klingt ruhig und locker wie ich es von ihm gewohnt bin. Scheinbar haben sie die Situation in Ägypten augenblicklich unter Kontrolle. "Wie geht es dir, Joey?" frage ich und hoffe, dass meine Stimme, nicht die Sorge widerspiegelt, die sich in meiner Magengegend mehr und mehr ausbreitet. "Mir geht´s gut, Dad, und Kaiba geht es auch schon besser." höre ich ihn antworten. Gerade als ich noch überlege, wie ich am Besten fortfahren soll, spricht er bereits weiter. "Wir haben vielleicht sogar eine Spur. Tea hat vorhin angerufen." erzählt mein Sohn und ich höre ihm erst einmal nur zu. "Naja, würde jetzt zu weit führen, ins Details zu gehen, aber es wäre möglich, dass dieser Grey in Verbindung zu dem Jungen stand, dessen Fingerabdruck man gefunden hat. Anders würde es wohl auch keinen Sinn ergeben." Ich nicke obgleich ich ihm augenblicklich nicht so ganz zu folgen vermag, was allerdings daran liegt, dass meine Gedanken ganz woanders sind. "Dann hoffe ich, dass diese Spur zu etwas führt." sage ich knapp und atme tief durch. Das scheint Joey keineswegs zu entgehen. "Ist etwas, Dad?" fragt er und ich blicke erneut zu dem Umschlag, in dem die Bilder sind. "Nein, alles in Ordnung. Ich mache mir nur Sorgen, um dich. Euch." entgegne ich und höre kurz darauf wie er leicht lacht. Schlagartig kann ich ihn vor mir sehen. Seine warmen, braunen Augen und das spitzbübische Lächeln. "Wir haben alles unter Kontrolle. Sobald Seto reisefähig ist, kommen wir zurück." erklärt er mir und ich nicke. "Gut, dann bin ich ja beruhigt." entgegne ich und für einen Moment herrscht Schweigen. "Wie geht es Mokuba?" will ich dann wissen. "Der ist gerade bei mir." sagt Joey und hatte ich eben noch den Eindruck, dass ein besorgter Ton in seiner Stimme mitschwingt, so ist er nun verschwunden. Noch einmal überlege ich, ob ich Joey von dem Brief erzählen soll. Eben noch erschien es mir richtig, doch jetzt... Ich weiß, dass ich es ihm sagen sollte, aber ich bezweifle, dass jetzt der richtige Moment ist und wenn er tatsächlich bald wieder hier ist, nun, dann ist es sicher besser, wenn ich es ihm von Angesicht zu Angesicht sage. Vielleicht weiß ich bis dahin auch schon etwas mehr. "Pass auf dich auf, Junge." sage ich und er versichert mir, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Ich sage ihm noch, dass er Seto und Mokuba von mir grüßen soll und natürlich auch Roland, dann ist das Gespräch beendet und erneut sitze ich unschlüssig da. So gesehen habe ich keine andere Wahl als darauf zu warten, dass sich der anonyme Schreiber wieder meldet, wie er es angekündigt hat. Ansonsten kann ich augenblicklich nicht viel tun. Abwarten. Nur, dass mir dies keineswegs behagt. Der Schreiber hat deutlich gemacht, dass er es nicht nur auf Seto abgesehen hat, er scheint nun auch meinen Sohn im Visier zu haben. Vermutlich wegen der aufkeimenden Beziehung zwischen Joey und Seto. Ja, dessen bin ich mir mehr als sicher. Dieser Grey will Seto Kaiba um jeden Preis fertig machen und dazu scheint ihm jedes Mittel recht. Und vorzugsweise scheint er sich radikaler Mittel zu bedienen. Sprich, er geht direkt an die Wurzel, was die Sache mit Mokuba beweist. Er weiß, wie wichtig der Junge für seinen Bruder ist und nun wird er wissen, dass auch Joey einen besonderen Stellenwert im Leben des jungen Firmenchefs einnimmt. Noch während ich darüber nachdenke, drücke ich die Nummer eins an meinem Telefon und höre kurz darauf Jacksons ruhige Stimme. "Ich muss mit dir sprechen." erkläre ich und mehr bedarf es nicht zu sagen. Kaum drei Minuten später ist er in meinem Büro und sitzt mich fragend an. Ich deute ihm an Platz zu nehmen und reiche ihm dann das Schreiben. Er überfliegt es schnell und mit ausdrucksloser Miene, dann sieht er mich an. "Was hältst du davon?" will ich wissen. Jackson überlegt einen Moment. Er weiß im großen und ganzen über die Angelegenheit Bescheid. Einzig über den Grad der Beziehung zwischen Seto und Joey habe ich ihn nicht in Kenntnis gesetzt, aber ich vermute, dass er sich das nun selbst zusammenreimen kann. "Das ist kein normaler Erpresserbrief." stellt er fest und bestätigt damit nur meine Meinung. Ich nicke und warte was er weiter zu sagen hat. "Wenn mich mein Bauchgefühl nicht täuscht, dann hat der Schreiber keineswegs vor, dir diesen ominösen Beweis auszuhändigen, unabhänging davon ob du bereit bist dafür zu zahlen oder nicht. Und ich denke, es ist auch fraglich ob es solch ein Beweisstück tatsächlich gibt." meint Jackson nach kurzem Schweigen. "Was die Fotos anbelangt... Auch hier denke ich nicht, dass es ihm um Geld geht. Nein, es ist eine versteckte Drohung - wobei... so versteckt ist sie im Grunde nicht einmal." Jackson lächelt mich kalt an und ich nicke erneut. "Was glaubst du, will der Schreiber damit erreichen?" frage ich weiter obgleich ich auch hier schon eine Ahnung habe und lediglich wissen will ob meine Nummer rechte Hand es ebenso sieht. "Nun..." Jackson bedenkt mich mit einem vielsagenden Blick. "Wenn es diesem Kerl tatsächlich darum geht, diesen Kaiba fertig zu machen, dann wird es ihm nicht unbedingt gefallen, dass es Leute gibt, die ihm zur Seite stehen. Das heißt, dein Sohn ist ihm ein Dorn im Auge. Möglich, dass er damit rechnet, dass du Joey zurückpfeifst." Er zuckt leicht mit den Schultern. Ich seufze. Daran habe ich auch bereits gedacht. Der Umstand, dass Joey Seto geholfen hat und auch weiterhin hilft, dürfte die Pläne des Gegners ganz schön aus der Bahn geworfen haben. Er wollte Seto allein an den Pranger stellen und hat sicher keineswegs damit gerechnet, dass ausgerechnet Joey eingreifen würde, wenn er ihn überhaupt in seine Überlegungen mit einbezogen hat. "Was willst du nun tun, Jack?" höre ich Jackson fragen und mir entgeht keineswegs sein ernster Blick. "Augenblicklich kann ich nur abwarten, was als nächstes kommt." entgegne ich vage und er nickt nachdenklich. "Es wäre durchaus möglich, dass es auch eine Falle ist." meint er dann und ich sehe ihn fragend an. Sein trocknes Lächeln wird zu einem Grinsen. "Wäre nicht das erste Mal, dass jemand bei einer Geldübergabe entführt wird." erklärt er und ich sehe ihn einen Moment irritiert an. Dann begreife ich seinen Gedankengang. Ja, auch das wäre ein Option. "Das dieser Typ es ernst meint, ist inzwischen offensichtlich, Jack. Nach allem was du erzählt hast, scheint der Kerl nicht gerade zimperlich zu sein. Und dem Schreiben nach zu urteilen, würde ich vermuten, dass er es entweder auf Joey oder auf dich abgesehen hat. Beides könnte seinem Vorhaben, Kaiba fertig zu machen dienlich sein." Jackson zuckt erneut mit den Schultern. Dann fragt er: "Weiß Joey davon?" Ich schüttele den Kopf. "Nein. Ich hielt es für keine gute Idee, ihm am Telefon davon zu erzählen." antworte ich und Jackson nickt. "Wann wird er wieder hier sein?" "Ich vermute in ein paar Tagen." entgegne ich und Jackson erhebt sich langsam. "Dieser Kerl scheint eine Menge zu wissen." bemerkt er und schenkt mir einen vielsagenden Blick. "Möglich, dass es irgendwo ein Leck gibt." Jackson scheint einen Moment zu überlegen. "Ich habe einen Freund, der mir noch einen Gefallen schuldet." fährt er nach einer kurzen Pause fort und ich muss nicht nachfragen, was er mir damit sagen will. Jackson kennt eine Menge Leute. Er hat Verbindungen zu den höchsten Kreisen, aber auch zu der Unterwelt. Obgleich ich ihn inzwischen sehr gut kenne und er mehr ist als nur ein Angestellter, bin ich mir noch immer nicht im Klaren darüber, was er in seiner Vergangenheit so getrieben hat. Manchmal, wenn wir spät abends zusammensitze und etwas trinken, entfährt ihm die eine oder andere undurchsichtige Andeutung, aber ich habe es inzwischen aufgegeben nachzuhaken. Seine Vergangenheit scheint ein Thema zu sein, über das er nicht reden will. Als sein Freund respektiere ich das, auch wenn die Neugier ab und an an mir nagt. Ich nicke langsam. "Ok, sieh zu was du in der Angelegenheit herausbekommen kannst." erwidere ich schließlich. "Falls du noch irgendwelche Informationen brauchst..." Er schenkt mir ein müdes Lächeln und ich quittiere es mit einem Grinsen. "Verstehe." Für einen Moment sehen wir uns stumm in die Augen, dann verändern sich seine Züge und er fragt: "Wie sieht´s mit Mittagessen aus? Ich hätte Lust auf Portugiesisch." Kapitel 67: Winkelzüge (Grey) ----------------------------- "Sehr schön, Quentin. Ausgezeichnete Arbeit." sage ich und lehne mich in meinem Sessel zurück. Ich lächele meiner rechten Hand zu, während seine Züge vollkommen versteinert bleiben. "Was ist mit den Informationen über diesen Dieb?" will ich dann wissen und nehme für den Bruchteil einer Sekunde wahr, dass Quentin´s Mundwinkel leicht zucken. Das und die Tatsache, dass er meine Frage nicht gleich beantwortet, bestärken meinen Eindruck, dass dieser Punkt sich als schwieriger gestaltet hat, als die andere Phase seines Auftrages. Erwartungsvoll mustere ich meinen Sekretär. "Über diesen Mann ist so gut wie nichts zu finden." höre ich ihn schließlich sagen. "Keine Geburtsurkunde, keine Krankenversicherungsnachweise, nicht einmal Bankkonten." Ich nicke leicht, auch wenn mich diese Äußerung doch ein wenig überrascht. Ich war davon ausgegangen, dass es irgendetwas mit diesem Bakura auf sich haben musste, aber dass er solch eine nebulöse Gestalt zu sein scheint, erstaunt mich nun doch ein wenig. "Was soll das heißen?" zische ich Quentin ungehalten an. Er zuckt leicht mit den Schultern und scheint erneut seine nächsten Worte genau zu überdenken. "Es scheint fast so als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht." sagt er zögerlich und ich starre ihn an. Die Aussage an sich ist schon befremdlich, doch solche Worte aus seinem Mund zu hören, irritieren mich noch mehr. Quentin ist einer der Besten seines Faches. Darum habe ich ihn auch eingestellt. Ein Mann ohne Skrupel und mit erstaunlichen Fähigkeiten, die er mehrmals für mich unter Beweis gestellt hat, und nun scheint er sich ausgerechnet an diesem Dieb die Zähne auszubeißen... "Die einzig wirkliche Spur, die ich gefunden habe, besagt, dass er drei Jahre die gleiche Schule wie Seto Kaiba besucht hat. Wo er vorher unterrichtet wurde oder aus welchem Land er stammt, ließ sich nicht feststellen." klärt mich Quentin nun langsam auf. "Und selbst die Unterlagen besagter Schule waren... nun, sie wiesen enorme Lücken auf. Aus ihnen geht nur hervor, dass er zeitweise bei einem Ryou Bakura gelebt hat. Einem gleichaltrigen Jungen, der ebenfalls zu dieser Schule ging. Die genaue Verbindung zwischen den Beiden ist mir allerdings schleierhaft. Es scheint kein wirkliches Verwandtschaftsverhältnis zu bestehen." "Ryou Bakura..." wiederhole ich den Namen nachdenklich. Wenn ich mich recht erinnere, dann handelt es sich bei diesem Jungen um einen Freund von Yugi Muto, dem König der Spiele, dem Jungen, der Seto Kaiba besiegte. "Was hat es mit ihm auf sich?" frage ich weiter und Quentin liefert mir auch schon prompt eine Kurzbiographie des jungen Mannes. Ich nicke nachdenklich während ich zuhöre. "Dann wäre da noch dieser Duke Devlin." meint mein Sekretär und ich werde wieder hellhöriger. "Zumindest scheint dieser Bakura auch mit ihm kurzfristig in Verbindung gestanden zu haben." "Ein weiteres Mitglied dieser Clique." sinniere ich und versuche mir ein Bild zu machen. Über Yugi Muto habe ich mich bereits zur Genüge informiert. Ebenso über das Mädchen, Tea, und auch was diesen Devlin anbelangt habe ich ein paar vage Informationen, die allerdings bislang nichts zur Sache taten, da es sich bei ihnen lediglich um Randfiguren handelte. Genau wie es eigentlich auch bei Joey Wheeler der Fall sein sollte. Aber wer hätte auch ahnen können, dass ausgerechnet dieser Junge für Seto Kaiba in die Bresche springen würde? Das war eine wahrhaft unvorhersehbare Wendung und erneut kann ich nicht umhin mich darüber zu ärgern, dass ich diese Entwicklung nicht habe kommen sehen. "Dann solltest du sowohl ihm als auch diesem Ryou einen Besuch abstatten." befinde ich nach kurzem Überlegen. "Ja, am Besten nimmst du dir erst einmal diesen Ryou vor. Ich will wissen, was es mit diesem Bakura auf sich hat." Quentin nickt. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass ich diesen Dieb nicht unterschätzen sollte. Genau wie Wheeler hat er mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber im Gegensatz zu dem Amerikaner habe ich bei dem Dieb den Eindruck, dass er noch wesentlich mehr Ärger verursachen könnte. Zudem habe ich seine Arbeit in Bezug auf Siegfried gesehen. Ich wusste gleich, dass es eine gute Idee sein würde und sich auch durchaus als nützlich erweisen könnte, Kameras in Siegfried´s Villa anbringen zu lassen. Und obgleich ich einen durchaus robusten Magen habe und mich so schnell nichts aus der Fassung bringt, war ich doch erstaunt über die kaltblütige und fast schon diabolische Vorgehensweise dieses Weißhaarigen. In gewisser Hinsicht scheint er ein Meister seines Faches zu sein. Er wusste jedenfalls genau wie er die Schrauben bei Siegfried ansetzen sollte und mehr noch - er schien daran sogar großes Vergnügen zu finden. Doch das ist nicht wirklich etwas besonderes. Nein, die Tatsache, dass dieser Dieb Kaiba loyal ergeben ist, interessiert mich weitaus mehr und dass er es ist, steht außer Frage. "Was hat Omar berichtet?" wechsele ich schlagartig das Thema, aber Quentin ist natürlich auf diese Frage vorbereitet. "Augenblicklich halten sie die Füße still. Seto Kaiba muss sich noch erholen. Die anderen lassen ihn nicht aus den Augen, ebenso wie seinen Bruder. Diese Ishtars kümmern sich um sie. Omar vermutet allerdings, dass sie eine baldige Abreise in die Staaten planen. Scheinbar hat man das Haus nur für diese Woche gemietet." schildert er mir die Lage und ich seufze. Kaiba ist also nach wie vor zur Untätigkeit verdammt. Sehr schön. Das verschafft mir Zeit. Zudem wird er sicherlich auf meinen nächsten Schritt warten. Was soll er auch anderes tun? Er hat keinen wirklichen Anhaltspunkt. Aber genauso wollte ich es auch. Obwohl... Im Grunde habe ich ihm doch die eine oder andere Spur gelegt, aber das angebliche Genie, Seto Kaiba, hat sie nicht zu deuten vermocht. Nun, sein Problem. Ich bezweifle ohnehin, dass er die Puzzelsteine zusammensetzen könnte. "Wie soll ich nun mit Jack Wheeler verfahren?" höre ich Quentin fragen und überlege einen Augenblick. Kaiba und Wheeler befinden sich also noch in Ägypten. Das heißt, das Spielfeld in den Staaten ist noch ein paar Tage ungeschützt. Ich lächele Quentin an. "Schick das nächste Schreiben." entgegne ich dann. "Und lass uns sehen wieviel Wheeler senior an seinem Sohn liegt." Mein Sekretär nickt und ich greife zu meinem Glas Bourbon. Einen Moment betrachte ich es lächelnd ehe ich einen Schluck davon nehme. "Wheeler junior wäre sicher nicht begeistert, wenn seinem Vater etwas zustossen würde, was meinst du, Quentin?" Mein Sekretär erwidert nichts, sieht mich nur an. "Und ich schätze, Daddy Wheeler geht es ebenso." fahre ich fort und leere das Glas in einem Zuge. "Bereite alles Notwendige für die nächste Phase vor." erkläre ich dann entschieden und schenke Quentin einen vielsagenden Blick. Er nickt. "Und was diesen Ryou betrifft... kümmer dich selbst um ihn, verstanden?" Wieder nickt mein Assistent. "Ich werde den nächstmöglichen Flug nehmen." erklärt er und ich lächele zufrieden. "Tu das." Damit ist das Gespräch beendet und er verlässt mein Büro. Ich sitze einen Moment regungslos da und überlege ob ich auch nichts vergessen habe. Dann schenke ich mir nach und betrachte erneut die braune Flüssigkeit in dem Glas. Jack Wheeler hat die Kaiba Corporation also so gut wie aufgekauft. Nun, das war zu erwarten nachdem ich wusste, dass dieser Joey Kaiba bereits in Bezug auf Mokuba geholfen hat. Scheint als wären die Wheelers daran interessiert, Seto Kaiba sein altes Leben zurückzugeben. Das kann ich natürlich nicht zulassen. Und ich kann auch nicht gestatten, dass dieser verfluchte Kaiba nun auch noch sein Glück findet. Nein, das geht ganz und gar nicht. Schließlich hat er mein Glück zerstört. Und es wäre doch mehr als paradox, wenn ausgerechnet mein Feldzug gegen ihn dazu führen würde, dass er mit diesem Wheeler glücklich wird. Gerade jetzt wo er mir die ultimative Waffe für seine Zerstörung in die Hand gelegt hat. Unwillkürlich muss ich grinsen. Der Gedanke ist wirklich mehr als erfreulich. Ja, ich glaube, diese Entwicklung ist noch vergnüglicher als bislang angenommen hatte. Seto Kaiba´s Ruf zu ruinieren, hat mir schon einen Heidenspaß bereitet. Zu sehen wie man ihn vor Gericht in die Mangel genommen hat, war einfach köstlich. Ja, es war ein erhebender Moment zu beobachten, wie seine unerschütterliche Selbstsicherheit Riss um Riss bekam und die Aura der Unbesiegbarkeit vernichtet wurde. Aber mitzuerleben, wie er das verliert, was er gerade erst gefunden hat, wird alles übertreffen. Und Joey Wheeler ist der Schlüssel zu all dem. So gesehen ist es tatsächlich nur fair. Joey Wheeler für John Armstrong. Dann werden wir quitt sein. Kaiba und ich. Nur, dass dann von dem großen Seto Kaiba nichts mehr übrig sein wird. Aber alles zu seiner Zeit. Erst einmal werde ich mich um Jack Wheeler kümmern. Er wird die Schachfigur sein, die als erstes fällt, und das wird die Lawine auslösen, die Kaiba´s Untergang besiegelt. Ich wette, der alte Mann überlegt gerade, was er tun soll. Ich bin sicher, dass er sich von der offensichtlichen Erpressung keineswegs hat täuschen lassen, aber das war auch nicht meine Absicht. Fragt sich nur, wie er auf mein Schreiben reagiert. Wenn ich recht kalkuliere, dann wird er seinem geliebten Sohnemann nichts davon erzählen. Im Grunde spielt seine Reaktion auch keine Rolle. Gleichgültig wie er von nun an agieren wird, so oder so wird Wheeler senior mir in die Hände spielen. Zufrieden leere ich mein Glas und schenke nach. "Wir sind fast am Ziel, John." sage ich laut und seufze. Fast bin ich geneigt, mich meiner Erinnerung hinzugeben, doch da kommt mir ein Gedanke. Ich betätige die Sprechanlage und übermittele Quentin einen weiteren Auftrag. "Sag Omar, dass er Kaiba´s Assistenten ausschalten soll - noch bevor die Bande Ägypten verlässt." erkläre ich mit kalter Stimme. "Der Kerl wird mir nicht noch einmal ins Handwerk pfuschen." Mein Assistent bestätigt den Auftrag und ich lehne mich vergnügt zurück. Nun müsste ich an alle Eventualitäten gedacht haben. Ja, dessen bin ich mir sogar sicher. Und sobald ich mehr über diesen Bakura weiß, werde ich mich auch um ihn kümmern. Ich mag keine unberechenbaren Variabeln und dieser Kerl scheint unberechenbar. Schon als ich mein Glas erneut fülle, trifften meine Gedanken ab. Dieses Mal lasse ich es zu. Ich weiß wohin sie treiben, wenn ich es ihnen gestatte abzuschweifen und ich erwarte schon fast den Schmerz, den sie mit sich bringen. "Bald, John... bald." flüstere ich und schließe die Augen. Kapitel 68: Wiedersehen macht Freude (Bakura) --------------------------------------------- So, es geht mal wieder weiter. Leider habe ich momentan immer noch zu wenig Zeit zum schreiben, aber ich bemühe mich dennoch euch nicht allzu lange warten zu lassen. Ich hoffe, ihr habt nach wie vor Spaß an der Story und ich kann euch verraten, dass es in den nächsten Kapiteln auch wieder ans Eingemachte gehen wird. Der nächste "Showdown", wenn man so will. Aber keine Sorge, es wird ein gutes Ende nehmen. Wenn auch nicht für alle Beteiligten. Ich wünsche euch wie immer viel Spass! "Du bist tatsächlich gekommen." bemerke ich überflüssigerweise und grinse den Kater an. Im Grunde wusste ich, dass er kommen würde, dass sein Vorschlag nicht nur ein Witz war. Dennoch hat mich die Mitteilung, wann er in Ägypten landen würde, doch im ersten Moment etwas überrascht. Ich hätte nicht so schnell mit seinem Erscheinen gerechnet. Duke grinst zurück. "Hast du was anderes erwartet? Wenn ich sage, dass ich komme, dann tue ich das auch." erwidert er keck und in seinen schönen grünen Augen leuchtet es kurz auf. Dann legt er den Kopf schief, beäugt mich für einen Moment und meint dann: "Zudem habe ich schon lange keine Ferien mehr gemacht." Ich lache kurz auf. "Und deinen Besuch hier verstehst du als Urlaub?" frage ich grinsend nach. Er nickt. "Scheinbar hat das Zusammensein mit dir doch ein wenig auf mich abgefärbt, Kura." erwidert er und für einen Moment wird mir seltsam warm in der Magengegend, so dass ich froh bin, dass Duke das Thema wechselt. "Bist du allein das Empfangskomitee?" will er wissen und ich schenke ihm ein süffisantes Lächeln. "Willst du damit andeuten, dass ich dir nicht genügen würde?" frage ich vergnügt und Duke lacht. "Die anderen wissen nicht, dass du kommst." erkläre ich schließlich und einen Augenblick wirkt er überrascht. "Du bist sozusagen eine Überraschung." Duke scheint einen Moment zu überlegen. Dann nickt er. "Ich schätze, Kaiba hätte auch etwas dagegen gehabt." entgegnet er dann. Ich zucke mit den Schultern. "Kaiba hat andere Sorgen." erwidere ich und mache eine Kopfbewegung in Richtung Ausgang. Duke nickt erneut und wir begeben uns langsam durch die Halle, in der es nur so vor Menschen wimmelt. "Herrje, man könnte meinen, man wäre auf einem Basar, nicht am Flughafen." stellt Duke fasziniert fest. "Hast du mit Ace gesprochen?" will ich wissen und werfe ihm einen fragenden Seitenblick zu. Unwillkürlich werden seine Züge ernst. "Ja. Habe ich. Gleich nach deinem Anruf." antwortet er und ich versuche in seinem Gesicht zu lesen. Er scheint meinen Blick anders zu deuten, denn im nächsten Augenblick meint er ernst: "Wir sollten das in Ruhe besprechen." Ich nicke. Zumal ich überhaupt nicht vor hatte das Thema jetzt und hier zu erörtern. "Wie geht es Kaiba?" will Duke wissen als wir uns zum Parkplatz begeben. "Den Umständen entsprechend. Ishizu pflegt ihn wie eine Löwenmutter ihr Junges und sein Pinguin überwacht jeden ihrer Schritte." erzähle ich spöttisch grinsend und Duke lacht. "Und ich wette, dass gefällt dem Eisklotz nicht im Mindesten." fügt er hinzu, dann mustert er mich kurz abschätzend. "Und was ist mit Joey?" Wie immer verfliegt bei der Erwähnung des Blonden meine gute Laune. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Er streunt um Kaiba rum wie ein kleiner Welpe." entgegne ich sarkastisch und Duke bedenkt mich mit einem mitleidigen Blick. Ich quittiere diesen mit einem warnenden Funkeln. "Sprich das Thema gar nicht erst an." erkläre ich entschieden, aber ich ahne schon, dass er es nicht so einfach auf sich beruhen lassen wird. Genau wie Alister muss er immer wieder nachhaken, doch im Gegensatz zu dem Rothaarigen hat er weniger Angst das zu tun. "Dich hat es also echt erwischt." stellt er überflüssigerweise fest und seufzt. Ich schenke ihm einen strafenden Blick, sage aber nichts sondern verstaue seinen Koffer in dem kleinen Jeep, den ich mir gemietet habe. Dann gehe ich zur Fahrerseite und deute ihm an einzusteigen. Er folgt meiner stummen Aufforderung und hebt erst im Wagen wieder seine Rede auf. "Muss schwer sein, die Beiden..." Dieses Mal scheint mein Blick Wirkung zu zeigen, denn er verstummt umgehend. "Irrelevant." zische ich ihn an und zu meinem Erstaunen weiten sich die Augen des Schwarzhaarigen fast schon amüsiert. "Du klingst schon fast wie der Eisklotz." bemerkt er und ich verdrehe ungehalten die Augen. Doch er lässt es dabei bewenden und ich fahre los. "Wie geht es den anderen? Mokuba? Marik? Ich freue mich echt sie alle wiederzusehen." Ich konzentriere mich auf die Straße und gebe lediglich knappe, einsilbige Antworten und obgleich ich mich über sein Erscheinen freue, bereue ich einerseits, dass er tatsächlich gekommen ist. Er wird das Thema nicht ruhen lassen. Das weiß ich. Doch ich verspüre keinerlei Bedürfnis darüber zu reden, aber ich kenne Duke gut genug, um zu wissen, dass ihn das keineswegs davon abhalten wird. "Tea und Yugi lassen übrigens grüßen. Sie wären zu gerne mitgekommen." höre ich ihn erzählen und werfe ihm einen süffisanten Seitenblick zu. "Dann wäre Kaiba´s Laune total im Arsch gewesen." Duke lacht. "Vermutlich." stimmt er zu, wird aber im nächsten Moment auch schon wieder ernst. "Diese ganze Sache... das scheint wirklich vollkommen aus dem Ruder zu laufen, was?" Er mustert mich abschätzend und ich seufze. "Diesem Grey ist es jedenfalls verdammt ernst." erwidere ich und Duke gibt ein undefinierbares Geräusch von sich. "Was hat Ace nun gesagt?" komme ich auf das Wesentliche zu sprechen und Duke´s Miene wird noch ein wenig ernster. "Du hattest Recht." meint er nach kurzem Schweigen. "Es gab tatsächlich einen Aufrag, allerdings ging es um Armstrong Senior. Dass es den Jungen getroffen hat, war Zufall. Er hat den Wagen seines Vaters an diesem Tag benutzt." Ich nicke. Genau das hatte ich vermutet. John Armstrong war zur falschen Zeit am falschen Ort. Oder viel mehr - im falschen Auto. Ich werfe Duke einen fragenden Seitenblick zu. "Der Auftrag kam nicht von Gozaburo Kaiba persönlich. Einer der Big Five, Nesbit, hat Ace den Auftrag erteilt, aber das kommt im Grunde ja auf das Gleiche raus." fährt Duke mit seiner Erzählung fort. Ich fische mein Päckchen Zigaretten aus meinem Hemd und schüttele mir eine Kippe raus. Folglich ist alles so gelaufen wie ich es bereits vermutet habe und ich schätze, dass Kaiba ebenso denkt. Bleibt allerdings die Frage, warum dieser Grey Kaiba für diesen Anschlag zur Rechenschaft ziehen will. Gut, an Gozaburo kann er sich nicht mehr rächen, vielleicht ist es sogar logisch seine Rachegedanken auf die nächstbeste Person zu übertragen, Gozaburo´s Adoptivsohn, aber das besagt immer noch nicht, in welchem Verhältnis dieser Grey zu John Armstrong stand. "Ace meinte, der Auftrag lautete, dass es wie ein Unfall aussehen sollte. Auf keinen Fall sollte irgendjemand auf die Idee kommen, etwas anderes dahinter zu vermuten. In der Hinsicht hat sich Nesbit wohl sehr deutlich ausgedrückt. Was auch ein Grund war, warum Ace sich überhaupt noch daran erinnern konnte. Immerhin ist bei dem Auftrag ja der falsche Armstrong draufgegangen." Duke hält kurz inne, scheinbar um mir Zeit zu geben über seine Worte nachzudenken. "Jedenfalls war es Zufall, dass es den Jungen getroffen hat. Es war nicht abzusehen, dass er den Wagen an diesem Tag benutzen würde und die Aktion ließ sich auch nicht mehr abbrechen. Ace selbst hat auch erst hinterher erfahren, dass es den Falschen getroffen hat. Einer von seinen besten Männern hat den Auftrag übernommen. Scheinbar ein Typ, der nie Fehler macht." fährt er dann fort und ich verziehe spöttisch den Mund. "Jeder macht irgendwann einen Fehler." bemerke ich trocken und ich muss unwillkürlich an Kaiba denken. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich mich aus der ganzen Sache rausgehalten hätte. Doch dafür ist es nun zu spät. "Allem Anschein nach war der Auftraggeber dennoch zufrieden mit der Arbeit." erklärt Duke ein paar Sekunden später. "Nesbit hat gezahlt und es gab keine weiteren Schwierigkeiten." Duke zuckt mit den Schultern und ich ziehe an meiner Zigarette. "Naja, wenn es Gozaburo darum ging, diesen Armstrong ruhig zu stellen, dann hat er durch den Tod des Sohnes ja auch sein Ziel erreicht." gebe ich zu Bedenken. "Ich schätze, danach hatte der Alte Angst, sich mit Gozaburo anzulegen. Zumindest hat er Japan kurz danach ohne großes Aufsehen verlassen laut Kaiba." Gozaburo Kaiba hatte einen guten Grund, diesen Mann ausschalten zu wollen. Sicher, nicht nur, weil dieser ihm bei seinen Machenschaften nicht mehr helfen wollte. Vielleicht hatte der Amerikaner vor, die Geschäfte des Industriellen publik zu machen. Das wäre Grund genug gewesen, um ihn auszuschalten. Und nachdem an seiner Stelle sein Sohn das Zeitliche segnete, hatte der Vater wohl keinerlei Mut mehr, sich weiter mit Kaiba anzulegen. Vielleicht hatte er den Unfall auch als Warnung an sich angesehen. Eine sehr, sehr ausdrückliche Warnung. Bleibt also die Frage, in wiefern dieser Grey in diese Dinge verwickelt ist. Wenn es sich bei ihm lediglich um einen Freund von John Armstrong handelt, dann muss er sich Mühe gegeben haben, die Zusammenhänge aufzudecken. Folglich weiß er von der Beziehung zwischen John´s Vater und Gozaburo Kaiba. Aber würde ein einfacher Freund hinter einem solchen Unfall tatsächlich mehr vermuten? Irgendwie glaube ich das nicht. Und ich vermute, dass dieser Grey auch weitaus mehr war als ein einfacher Freund. "Wusste Ace noch etwas über den Jungen?" frage ich nach und Duke schüttelt den Kopf. "Nein, aber ich habe ihn darum gebeten, sich umzuhören. Seine Verbindungen reichen weit, möglich, dass er irgendwas erfährt. Der Name Grey sagte ihm jedenfalls nichts." Ich werfe Duke einen anerkennenden Blick zu. "Saubere Arbeit, Katerchen." befinde ich und er grinst mich an. "Nun, ich dachte, das wäre auch dein nächster Schritt gewesen." erwidert er und ich lache kurz auf. "Stimmt. Und Ace hält dich auf dem Laufenden?" Duke nickt. "Ich habe ihm gesagt, dass ich im Ausland bin, aber er wird sich melden." versichert er mir. "Allerdings musste ich ihm dafür auch was bieten." Ich nicke. Davon war ich ausgegangen. Ace tut nichts ohne einen gebührenden Anreiz und ich ahne auch, was er von Duke wollte. Das Grinsen des Schwarzhaarigen bestätigt meine Vermutung. "Er bekommt seinen Spaß und ich die Informationen." erklärt er mir und ich verziehe leicht den Mund. Ich brauche nicht weiter nachzuhaken. Ich wette, ich weiß sogar welches von Duke´s Mädchen sich der gute Ace zu seiner Zerstreunung ausgesucht hat. "Dann schulde ich dir ja wohl etwas." bemerke ich süffisant und der Kater schenkt mir ein betörendes Lächeln. "So gesehen schon." erwidert er und in seinen Augen blitzt es kurz auf. "Ich habe da auch schon etwas im Auge..." Er mustert mich mit einem sanften Lächeln und ich lache erneut. "Oh, ich bin sicher, dass wir uns einig werden." entgegne ich und grinse ihn anzüglich an. Einen Moment später spüre ich seine Hand auf meinem Schenkel. Im ersten Augenblick zucke ich leicht zusammen. Die Berührung kommt so unerwartet, auch wenn die Geste an sich mir von Duke vertraut ist. Er schenkt mir einen warmen Blick aus unbeschreiblich grünen Augen und ich spüre wie sich in mir etwas verkrampft. "Dessen bin ich mir sicher, Kura." meint er leise und lächelt mich an. "Und was Kaiba anbelangt..." Ich verdrehe unwillkürlich die Augen als er dieses Thema wieder aufnimmt. "Ich werde kein Wort darüber verlieren. Weder ihm gegenüber noch bei Joey." versichert er mir ernst und ich sehe ihn einen Moment irritiert an und weiß nicht so recht, was ich von dieser Aussage halten soll. Doch dann verstehe ich, was er mir sagen möchte und nicke. "Habt ihr schon einen Plan wie es weitergehen soll?" fragt er dann und ich bin erleichtert, dass er erneut das Thema wechselt. Ich zucke mit den Schultern. "Augenblicklich geht es nur darum, dass Kaiba wieder auf die Beine kommt. Danach will er wohl wieder in die Staaten." erwidere ich schlicht und Duke nickt. "Joey´s Vater hat ja noch immer die Vormundschaft." meint er nachdenklich. "Ich hoffe, dass Ace uns irgendwie weiterhelfen kann, was diesen Grey anbelangt bevor noch was schlimmes passiert." Duke´s Blick ist in die Ferne gerichtet und ich sehe ihm deutlich an, dass er überlegt. "Ich frage mich allerdings, ob Kaiba wirklich ganz unbeschadet aus der Sache heraus kommen wird." höre ich ihn dann nachdenklich sagen. "Die Polizei in Japan ist jedenfalls immer noch hinter ihm her und wie es scheint, wird auch vermutet, dass er etwas mit Siegfried´s Tod zu schaffen hat, was die Lage natürlich nicht leichter macht." Ich nicke. Davon war auszugehen. Ich bin sogar sicher, dass die Polizei in solch eine Richtung ermittelt. Und nun haben wir auch noch diesen Leon am Hals. Zweifacher Mord und zweifache Entführung, wenn man so will. Reife Leistung innerhalb so kurzer Zeit. Sogar für Kaiba. Auch wenn ich natürlich weiß, wie die Dinge wirklich liegen. Und Duke´s Frage ist durchaus berechtigt. Selbst wenn wir diesen Grey finden und stellen, heißt das noch lange nicht, dass Kaiba nicht mehr unter Mordverdacht steht. Grey zu finden ist eine Sache. Genauso wichtig ist es allerdings Beweise für Kaiba´s Unschuld zu finden. Ein Gedanke, der mir nicht erst jetzt in den Sinn kommt. "Wir sind da." erkläre ich und parke den Wagen in einer Seitenstraße. Duke sieht sich ein wenig irritiert um. Ich grinse ihn an. "Kaiba und Joey werden Augen machen, wenn sie dich sehen." stelle ich fest und er nickt. "Na, dann hoffe ich mal, dass sie meinen Besuch als freudige Überraschung auffassen." erwidert der Schwarzhaarige lässig und ich steige aus dem Wagen. Duke tut es mir gleich und ich bin gerade dabei, seinen Koffer aus dem Jepp zu laden als ich auch schon eine vertraute Stimme vernehme. "DUKE!" Mein Magen zieht sich noch mehr zusammen. Ich muss mich nicht umwenden, um zu wissen, dass Joey Wheeler auf uns zukommt. Unwillkürlich verdrehe ich die Augen. "Hey Joey?" Duke geht dem Blonden entgegen wie ich aus dem Augenwinkel wahrnehme und ich bemühe mich, meine Züge wieder in den Griff zu bekommen, was dieses Mal allerdings einen Moment dauert. "Mann, mit dir hätte ich nie gerechnet. Was machst du hier?" Der Blonde grinst den Schwarzhaarigen schief an und ich stöhne leise auf. Duke deutet mit dem Kopf in meine Richtung. "Kura hatte eine Idee bezüglich eures Gegners." erklärt er dann. "Und ich bin sozusagen hier, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, auch wenn ich nicht unbedingt viel zu berichten habe." Wheeler mustert mich einen Moment erstaunt, dann nickt er. "Na, wir können jede Hilfe brauchen, wie du sicher schon weißt." erklärt das Hündchen dann und klopft dem Kater freundschaftlich auf die Schulter. "Es tut gut dich zu sehen, Duke." sagt er und die Freude ist ihm deutlich anzusehen. Duke lächelt. "Gleichfalls, Joey." entgegnet der Kater und im gleichen Augenblick erscheint auch schon Kaiba´s Pinguin mit Mokuba im Schlepptau. Beide sehen den Schwarzhaarigen erstaunt an, dann fängt der Kleine an zu grinsen und stürmt auch schon auf Duke zu. Ich beziehe etwas abseits Position und beäuge die Begrüßungsarie betont desinteressiert. Mokuba scheint sie sehr über Duke´s Erscheinen zu freuen, Kaiba´s Assistent dagegen begrüßt den Kater distanziert. "Dann hoffe ich mal, dass du ein paar gute Infos für uns hast." meint Wheeler schließlich und Duke zuckt leicht mit den Schultern. "Naja, wie man´s nimmt." erwidert er schlicht. "Dann begeben wir uns am Besten mal zu unserem Verwundeten." sagt der Blonde und wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich setze mich langsam in Bewegung, um ihm und Duke zu folgen, die zusammen mit Mokuba und Roland zurück ins Haus gehen. Doch bevor wir uns zu Kaiba begeben können, kommt uns Alister entgegen und ich sehe ihm gleich an, dass etwas nicht stimmt. In seinem blassen Gesicht zeichnen sich sehr deutlich rote Flecken ab und sein Blick sucht meinen ohne die anderen zu beachten. "Ryou." sagt er mit tonloser Stimme und ich sehe ihn fragend an. "Yugi hat gerade angerufen. Ryou ist verschwunden. Man hat ihn entführt." erklärt der Rothaarige mit ernstem Blick und ich starre ihn einen Augenblick lang verständnislos an. Er nickt als hätte ich ihn gefragt, ob das tatsächlich sein Ernst sei. Nun wendet sich auch der Kater mir zu und sieht mich fragend an. Ich schlucke kaum merklich. Kapitel 69: Entscheidungen -------------------------- Ich muss ihn nicht ansehen, um zu wissen was er denkt. Sein Gesicht ist ohnehin wieder diese ausdruckslose Maske geworden, die nichts verrät, aber ich bin sicher, dass er das Gleiche denkt wie ich. "Warum sollte sich dieser Bastard Ryou schnappen?" fragt Duke schließlich laut und blickt von Bakura zu mir und dann zu Seto. Keiner antwortet ihm, aber ich glaube, dass er auch keinerlei Antwort erwartet hat. Die Nachricht, dass Ryou entführt wurde, hat uns alle mehr als nur überrascht. Eine Sache, mit der keiner von uns, nicht einmal Seto gerechnet hätte und die in gewissern Hinsicht auch jeglicher Logik entbehrt, denn was zum Teufel will Grey durch diesen Schachzug erreichen? "Vielleicht hat er mitbekommen, dass Ryou uns von dem Fingerabdruck erzählt hat?" meint Alister und blickt fragend in die Runde. Bakura hat die Lippen aufeinander gepresst und seine Augen sind zwei kleine Schlitze, die nichts gutes verheißen, doch er entgegnet nichts auf die Mutmaßung des Rothaarigen und auch Duke und ich sagen nichts dazu. Nur Seto schüttelt energisch den Kopf. "Der Fingerabdruck wurde platziert, um gefunden zu werden. Das steht außer Frage." meint er mit dieser distanzierten, kühlen Stimme, die mich früher zur Weißglut gebracht hat. "Ich wage zu behaupten, dass Grey wollte, dass Ryou uns davon unterrichtet. Wie sonst hätten wir auch davon erfahren soll? Er konnte sich ausrechnen, dass Ryou sich für den Fall interessieren würde und auch die Möglichkeit hat, an Informationen zu kommen. Nein. Deshalb wurde er nicht entführt." Ich nicke unwillkürlich. Es würde auch keinerlei Sinn ergeben. Es sei denn natürlich, dass Ryou in der Zwischenheit noch etwas in Erfahrung gebracht hätte, dass er uns nicht mitteilen sollte, aber auch diese Wahrscheinlichkeit erachte ich als gering. Dieser Grey war bislang sehr geschickt darin, seine Spuren zu verwischen und nur einzelne Brotkrumen zu hinterlassen, die wir finden sollten. Ich bezweifle, dass ihm solch ein Fehler unterlaufen wäre. Doch welchen anderen Grund gibt es dann, Ryou zu entführen? Als Druckmittel taugt er nicht wirklich, auch wenn ich vermute, dass Seto´s Einstellung sich in der Hinsicht inzwischen doch verändert hat. Nein, das kann nicht der Grund sein. Ich bemerke wie ein Ruck durch Seto´s schmalen Körper geht. Wieder einmal wirkt er bis auf´s Äußerste angespannt und sichtlich bemüht, jede Regung unter Kontrolle zu halten, aber ich spüre, dass ihn diese Entführung nicht kalt lässt. Und nicht nur das. Ich habe fast den Eindruck, dass er sich Vorwürfe macht. Unter anderen Umständen würde mich dieser Gedanke wohl irritieren, immerhin hat er sich nie etwas aus einem Mitglied des Kindergartens gemacht, es könnte ihm folglich egal sein was mit Ryou ist, aber das glaube ich nicht. Die Dinge haben sich geändert. Bakura nickt. "Da steckt etwas anderes dahinter." stimmt der Dieb zu und sowohl Duke als auch ich sehen ihn an. Jetzt erst bemerke ich, dass er die Hände zu Fäusten geballt hat und mir fällt schlagartig wieder ein, wie nah Ryou und er sich doch stehen, auch wenn sich ihr Verhältnis im Gegensatz zu früher verändert hat. Ryou war seine erste Bezugsperson in dieser Zeit, wenn man so will. Sein Hikari. Ihr Verhältnis ist ähnlich wie das von Yugi und Atemu und auch wenn sie nicht immer auf freundschaftlicher Basis verkehrten, vermute ich, dass der Dieb auf seine Weise Gefühle für Ryou hat. "Aber was?" fragt nun auch Mokuba. Bakura zuckt mit den Schultern. "Das ist eben die große Frage." meint der Weißhaarige und seine Stimme jagt mir einen Schauder über den Rücken. "Eins kann ich euch jedoch sagen: sollte dieser Kerl es wagen, dem Kleinen etwas zu tun, dann...." Er beendet den Satz nicht, aber das ist auch nicht notwendig. Wir alle wissen was er meint und wenn Grey das wüsste, dann würde er sich gut überlegen was er mit Ryou macht. Ich habe Bakura in Aktion erlebt und ich schätze, bei Siegfried hielt er sich noch zurück. Ich habe eine vage Vorstellung davon, was er mit jemandem anstellen würde, der Hand an Ryou legt. "Was machen wir jetzt?" will Alister wissen und wirft dem Dieb einen besorgten Blick zu. Ich vermute, dass er sich gerade das Gleiche ausgemalt hat wie ich. Bakura scheint zu überlegen, dann wandert sein Blick zu Seto. "Ich werde nach Japan fliegen." erklärt er nach kurzem Schweigen und Seto sieht ihn einen Moment abschätzend an. "Ich glaube kaum, dass man ihn außer Landes geschafft hat." fährt Bakura ernst fort und auch wenn ich seine Vermutung teile, kann ich mir nicht vorstellen, was es bringen soll, sich ziel- und planlos auf die Suche zu begeben. "Es könnte eine Falle sein." vernehme ich Seto´s kühle Stimme. Er sieht den Dieb eindringlich an und dieser zuckt mit den Schultern. "Und wenn schon?" entgegnet er ungerührt. "Aber vielleicht tust du so genau das was dieser Grey will." gibt nun auch Duke zu bedenken und erst jetzt fällt mir auf, dass seine Hand auf dem Arm des Diebes liegt. Dieser schenkt ihm einen amüsierten Blick. "Davon will ich doch ausgehen." erwidert Bakura süffisant. "Warum auch immer er sich Ryou geschnappt hat, er erwartet eine Reaktion. Man hat den Kleinen so offensichtlich entführt, dass man sicher gehen wollte, dass die Botschaft ankommt." Ich blinzele. "Die Botschaft?" frage ich irritiert nach und Bakura schenkt mir einen abfälligen Blick. "Man kann Leute auch unauffällig verschwinden lassen, so dass es erst nach ein paar Tagen auffällt. Gardner und Muto stehen ja nicht in Dauerkontakt mit Ryou." erläutert der Dieb mir seinen Gedankengang und ich nicke verstehend. "Ok, das leuchtet ein..." erwidere ich und der Dieb grinst spöttisch, sagt jedoch nichts. "Aber man wird doch nicht davon ausgehen, dass wir alle nach Japan zurückkommen? Ich meine, Kaiba kann zur Zeit doch ohnehin nicht ins Land." mischt Alister sich ein und kurz fällt sein Blick auf Duke´s Hand, die noch immer auf Bakura´s Arm ruht. Bakura nickt. "Grey geht aber vermutlich davon aus, dass wenigstens einer von uns zurückkommt und scheinbar will er das." erwidert der Weißhaarige und wendet sich wieder an Seto. "Was meinst du?" Seto scheint zu überlegen. "Ich denke, deine Vermutung ist richtig." antwortet er ernst. "Dennoch... welcher Spur willst du folgen?" Bakura grinst erneut. "Lass das meine Sorge sein." erwidert er vage. "Ich habe so meine Methoden und wenn ich Recht habe, wird man auch ein paar unübersehbare Spuren für mich gelegt haben." Duke´s Blick ist nach wie vor skeptisch und auch ich teile den Enthusiasmus des Diebes nicht wirklich, auch wenn an seiner Ausführung etwas dran sein mag. "Ich werde umgehend fliegen." erklärt Bakura entschieden. "Ihr macht weiter wie besprochen." Mokuba´s Blick wandert von mir zu Seto und ich sehe deutlich die unausgesprochenen Fragen in seinen Augen. Er scheint es allerdings nicht zu wagen sie laut zu stellen. "Ishizu hat gesagt, dass du vielleicht noch einen Tag warten solltest bis wir aufbrechen können..." meine ich an Seto gewandt und dieser nickt. "Wir könnten jetzt schon fliegen, aber diese Frau..." Er bricht ab und seufzt und ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Ich weiß, dass er selbst keine Bedenken hätte, seinem Körper irgendetwas zu zumuten. Schon immer hat er seine physologische Kontruktion seinem Willen unterworfen und seinen Körper geschunden durch zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf und ich vermute, Massen an Tabletten und Koffein. Aber Ishizu hat sich in der Hinsicht klar und deutlich ausgedrückt und sowohl Roland als auch Mokuba haben ihren Standpunkt so vehement unterstützt, dass ich mich geflissentlich zurückgehalten habe. Ich musste ohnehin nichts mehr dazu sagen. Die vereinten Kräfte der Ägypterin, des Assistenten und Mokuba verfehlten nicht ihre Wirkung, auch wenn ich nicht sicher bin ob es nicht letztlich doch Mokuba´s "Bitte, Seto." war, dass den Ausschlag dafür gegeben hat, dass er resignierte. "Wir fliegen übermorgen." meint er schließlich und sieht mich kurz an. Ich nicke. "Wenn bis dahin noch etwas passiert..." Er seufzt. "Nun, wir werden sehen." Nun wendet er sich an den Dieb. "Ich weiß zwar nicht, wie du Ryou aufspüren willst, aber ich kann nur zu gut verstehen, warum du es versuchen musst." erklärt er und für einen Moment leuchten seine schönen Augen auf. Der Dieb nickt, dann wendet er sich an Alister. "Du wirst hier bleiben." erklärt er ausdrücklich und seine Stimme duldet keinen Widerspruch. Dennoch klappt Alister´s Mund kurz auf und der Blick des Weißhaarigen wird etwas weicher. "Du wirst hier mehr gebraucht." fügt er hinzu und sein Blick wandert zu Duke. "Scheint als würde dein Besuch kürzer werden als geplant, Katerchen." Duke lacht. "Ach? Du gehst davon aus, dass ich dich begleite?" Bakura nickt. "Ich will auch mit Gardner und Muto reden und ich schätze, da ist es besser, wenn jemand dabei ist, der..." "... die Kunst der diffizilen Vorgehensweise beherrscht?" beendet der Schwarzhaarige den Satz und Bakura grinst. "Naja, eigentlich meinte ich, jemanden, dem sie die Tür auf machen." erwidert er spöttisch und Duke grinst. "Wenn´s weiter nichts ist." Für einen Moment sehen sich die Beiden grinsend an und ich muss unwillkürlich auch grinsen, auch wenn die Lage jetzt nicht gerade danach schreit. "Roland?" Seto´s Stimme hat wieder ihren nüchtern-sachlichen Tonfall angenommen. "Ja, Sir?" fragt der Assistent. "Veranlassen sie das Notwendige und buchen sie auch schon die Flüge für uns." Roland nickt und schickt sich im nächsten Moment auch schon an, das Zimmer zu verlassen. "Was wird jetzt eigentlich aus Leon?" will Mokuba plötzlich wissen und sieht seinen Bruder fragend an. Stimmt, über den Punkt haben wir bislang auch noch nicht wirklich geredet. Augenblicklich befindet sich der kleine Bruder von Siegfried bei Ishizu und ihrer Familie und ist verständlicherweise traumatisiert und durcheinander. Die Offenbarung, dass sein Bruder tot ist, war mehr als nur ein schwerer Schlag, auch wenn ich zugeben muss, dass der Kleine die Nachricht sehr ruhig aufgenommen hat. Die näheren Umstände haben wir ihm natürlich verschwiegen. Über das Verhör, dass Siegfried´s Tod voraus gegangen ist, muss er allerdings auch nichts wissen. Es ist so schon schwer genug, zumal Leon natürlich nicht wirklich begreift, wie es dazu kommen konnte. Kaiba hat ihm gegenüber zwar mehr oder weniger die Karten auf den Tisch gelegt, aber da wir selbst nicht einmal wirklich wissen, was die Motivation dieses Greys ist, war es natürlich schwer ihm zu erklären, dass dieser Kerl seinen Bruder wie eine nutzlose Schachfigur aus dem Spiel entfernt hat, nur weil er keinen Nutzen mehr für ihn hatte. Ich bezweifle, dass Leon wirklich verstanden hat, was Kaiba ihm erzählte und vermutlich wird es auch noch eine Weile dauern, bis der Junge wirklich begreift. "Es gibt keine Verwandten." meint Seto und seufzt. Ich nicke. "Und augenblicklich wird nach ihm gesucht." füge ich hinzu. Er wirft mir einen knappen Seitenblick zu ehe er sich wieder seinem Bruder zuwendet. "Im Grunde haben wir nur zwei Möglichkeiten. Wir können ihn den deutschen Behörden übergeben und diese werden sich um alles weitere kümmern oder er bleibt bei uns." meint Seto nach kurzem Schweigen. Mokuba´s Augen werden noch größer und er sieht seinen Bruder eindringlich an. "Die werden ihn ins Waisenhaus stecken!!" sagt der Kleine und Seto nickt. "Vermutlich ja." stimmt er Mokuba´s Aussage zu und für einen Moment sehen sich die Brüder direkt in die Augen. Mokuba´s Blick spricht Bände und ich bin sicher, dass Seto das Gleiche denkt wie sein Bruder. Die Beiden wissen wie es in Waisenhäusern zugeht und auch wie gering die Möglichkeit ist, dass man eine liebevolle Familie für Leon finden würde. Mokuba muss nichts sagen, man sieht ihm deutlich an, welche Möglichkeit er vorziehen würde und ich bin nicht überrascht als Seto langsam nickt. "Er wird vorerst bei uns bleiben." verkündet der ehemalige Firmenchef dann und schlagartig erscheint in Mokuba´s Gesicht ein Strahlen. "Vielleicht wäre es auch eine Option, ihn bei den Ishtars zu lassen." überlegt Seto sein Blick wandert zu mir. "Was meinst du, Joey?" fragt er mich dann und ich überlege. "Naja, es würde nichts dagegen sprechen, ihn mit in die Staaten zu nehmen. Auf einen Flüchtling mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an." Ich schenke meinem Drachen ein schiefes Grinsen. "Andererseits scheint Ishizu ein gutes Händchen für ihn zu haben und ich hatte auch den Eindruck, dass Odion einen guten Einfluss auf ihn hat." Seto nickt. "Ich werde mit Ishizu und Odion reden. Ich glaube, es wäre das Beste für den Jungen, wenn er bei ihnen bleiben könnte. Zumal wir auch nicht genau wissen wie es bei uns weiter gehen wird und ich vermute, der Junge braucht erst einmal Ruhe." Ich nicke zustimmend und bin sicher, dass sowohl Odion als auch Ishizu mit dieser Idee einverstanden sein werden. Und für Leon ist es sicher so auch das Beste. Er braucht definitiv Ruhe und Seto hat Recht, wir wissen nicht was als nächstes auf uns zukommt. Unwillkürlich muss ich wieder an den Anruf meines Vater´s denken. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass etwas nicht stimmte. Dass Jack beunruhigt und besorgt geklungen hat, war verständlich, aber da war noch etwas in seiner Stimme und schon während unseres Gespräches hatte ich dieses seltsame Gefühl. Ich hoffe nur, dass ich mich irre und nicht mehr dahinter steckt. Warum sollte mir Jack allerdings auch etwas verschweigen? Bislang waren wir immer ehrlich zueinander. Wenn etwas passiert wäre, hätte er es mir doch sicher gesagt. Dennoch habe ich dieses komische Gefühl. Ich schrecke leicht zusammen als ich die Theme von John Carpenter´s "Halloween" höre. Dann wandert mein Blick zu dem Dieb, der sein Handy aus der Tasche zieht. Scheinbar bemerkt er meinen Blick, denn er grinst mich an ehe er sich seinem Telefon zuwendet. Seine Augen richten sich auf das Display und im nächsten Augenblick sehe ich wie seine Miene versteinert. Das Grinsen ist in einer Sekunde verschwunden und ich begreife sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Noch bevor ich fragen kann, was los ist, vernehme ich Bakura´s tonlose Stimme. "Eine Sms." sagt der Dieb und sein Blick wandert von Duke zu Seto. "Von Ryou." "Was?" entfährt es mir erstaunt. "Was schreibt..." "Er schreibt nichts. Die Nachricht ist von Grey" unterbricht mich Bakura ehe ich meine Frage aussprechen kann und ich schlucke. Alle sehen wir Bakura an. "Scheint als könne ich mir die Mühe sparen, ihn zu suchen. Er hat mich eingeladen." erklärt der Dieb und in seinen Augen blitzt es auf. Kapitel 70: Vorspiel -------------------- Erstaunt sehe ich den Dieb an und auch sein Blick scheint mich zu suchen. Einen Moment sehen wir einander schweigend in die Augen und für den Bruchteil einer Sekunde habe ich das Gefühl, etwas in seinen Augen zu sehen, dass mir seltsam vertraut erscheint. Als würde ein stilles Einverständnis zwischen uns herrschen und ein merkwürdiges Gefühl durchzuckt mich. Ich bin nicht sicher wie ich es einschätzen soll, ob es überhaupt etwas zu bedeuten hat und ehe ich mich ohnehin anschicken kann es weiter zu ergründen, wandert Bakura´s Blick zu Duke Devlin und wieder zu dem Display seines Handys. Noch immer schweigt jeder im Raum. Alister ist noch blasser geworden als der Junge es ohnehin schon ist und auch Wheeler wirkt sichtlich geschockt über diese neue Wendung. "Eine Einladung?" bricht Joey schließlich das Schweigen und starrt Bakura an als habe er gerade verkündet, dass die Welt jeden Moment untergehen würde. Der Dieb hat die Lippen aufeinander gepresst und obgleich er bemüht zu sein scheint, sich weiterhin locker zu geben, sehe ich ihm deutlich an, dass ihn diese Wendung mehr als nur überrascht. Genau wie mich beunruhigt sie ihn. Erneut trifft sich mein Blick. "Er schreibt, wenn ich Ryou wiedersehen will, soll ich mich umgehend nach Japan begeben. Allein. Weitere Instruktionen bekomme ich dann." erklärt Bakura ohne den Blick von mir zu nehmen. Ich nicke. "Dich lässt er übrigens grüßen und fragt auch nach deinem Befinden." Der Dieb verzieht spöttisch den Mund und ich spüre, dass Joey sich mir ebenfalls zuwendet. In seinen braunen Augen liegt Angst und ich bemühe mich ihn ruhig anzusehen. "Aber dann haben wir den Kerl doch!" meldet sich mit einem Mal Devlin zu Wort und blickt von Bakura zu mir. "Man kann doch sicher die Nummer zurückverfolgen oder so etwas. Das Handy orten." Der Schwarzhaarige zuckt mit den Schultern. Seine Züge haben sich aufgehellt und er lächelt sogar. "Das dürfte doch kein großes Problem sein, oder?" Sein Blick wandert fragend zu Alister und dann zu mir. "Ich meine, Kura könnte so tun, als würde er sich auf die Sache einlassen und wir folgen ihm dann. Wenn wir diesen Typen erst geortet haben, dann..." Bakura schüttelt leicht den Kopf. "Vergiss es, Duke." sagt er und ich nicke. "Ich bezweifle, dass es möglich ist, das Handy zu orten und selbst wenn es uns gelingen würde, dieser Grey ist nicht dumm. Er wird es uns sicher nicht so leicht machen, ihn ausfindig zu machen." erkläre ich und Bakura nickt zustimmend. "Vermutlich macht er Ryou´s Handy aus, sobald er Antwort von mir hat. So würde ich es jedenfalls machen." meint der Dieb ernst. "Zudem gibt es noch andere Möglichkeiten, die Ortungsfunktionen zu umgehen." Sein Blick wandert kurz zu Alister. Der Rothaarige nickt ebenfalls. "Ich glaube zwar nicht, dass es etwas bringt, aber ich kann´s gerne versuchen..." Er sieht den Dieb fragend an und Bakura zuckt mit den Schultern. Im nächsten Augenblick setzt der schmächtige Rothaarige sich auch schon in Bewegung und klappt seinen Laptop auf, den er immer bei sich hat. Für einen Moment muss ich daran denken, dass ich auch so war. Zeitweise war ich mit meinem Laptop so verbunden, dass man hätte meinen können, wir wären eins. Alister´s Finger wandern routiniert über die Tastatur und Bakura reicht ihm sein Handy. Dann wendet sich der Dieb wieder mir zu. "Dennoch eröffnet diese Wendung einige Möglichkeiten." Der Weißhaarige sieht mir erneut in die Augen und ich glaube zu wissen woran er denkt. Wheeler macht unsicher einen Schritt auf mich zu. "Das kann doch nur eine Falle sein!" meint Joey. "Auch wenn ich nicht wirklich verstehe, warum er Bakura sehen will." Der Blonde mustert den Dieb einen Augenblick abschätzend und ich vermute, dass er über die Möglichkeit nachdenkt, dass vielleicht mehr dahinter steckt als man bislang zu erkennen vermag. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er den Verdacht hegt, dass der Dieb und Grey zusammenarbeiten. Immerhin hatten wir bereits die Vermutung, dass es irgendwo ein Leck gibt und jemand den Feind mit Informationen versorgt. "Natürlich ist es eine Falle." Bakura bedenkt Joey mit einem spöttisches Blick. "Ich glaube kaum, dass Grey mit mir Kaffee trinken will." Joey funkelt den Dieb herausfordernd an. "Ach? Und was könnte er dann von dir wollen?" will mein Hündchen wissen und mir entgeht keineswegs der provozierende Unterton. Bakura verschränkt die Arme vor der Brust. "Woher soll ich das wissen?" zischt er dann zurück. Ich sehe, wie Joey seine Hände zu Fäusten ballt und lege ihm die Hand auf den Arm. "Was auch immer er von Bakura will, wir werden es nur erfahren, wenn er die Einladung annimmt." sage ich und schenke Joey einen vielsagenden Blick. Einen Moment sieht das Hündchen mich an und ich nicke ihm leicht zu ehe ich mich wieder dem Dieb zu wende. "Du wolltest ohnehin zu ihm." erkläre ich und der Dieb nickt. "Also antworte ihm, dass du einwilligst." Bakura bedenkt mich mit einem süffisanten Blick, nickt jedoch. "Das hatte ich auch vor." erwidert er dann und wendet sich Alister zu. Dieser blickt kurz von seinem Laptop auf und reicht dem Weißhaarigen dann sein Handy zurück. "Sollten wir nicht noch einen Moment darüber nachdenken?" vernehme ich Devlin´s besorgte Stimme. Der Schwarzhaarige sieht Bakura fragend an. "Wozu?" entgegnet der Dieb gelassen. "Ich wollte ohnehin nach Japan und auch zu Grey. So gesehen erspart er mir Zeit." Devlin nickt. "Sicher, aber du weißt nicht was dich erwartet." gibt er zu bedenken und ich sehe ihm deutlich an, dass ihn die Vorstellung beunruhigt, dass der Dieb sich in Gefahr begeben könnte. Aber Bakura grinst nur. "Und?" Er zuckt gleichgültig mit den Schultern. "Dann lasse ich mich eben überraschen." Er zwinkert dem Schwarzhaarigen kurz zu. "Er wird mich sicher nicht einladen, um mir etwas anzutun. Nein, ich denke viel eher, dass er sich mit mir unterhalten möchte, auch wenn ich nicht wüsste, was er mit mir zu besprechen haben könnte." Bakura wirft mir einen kurzen Blick zu und ich nicke. Insgeheim kommt mir der Gedanke, dass Ryou´s Entführung weniger mit mir zu tun hat als mit Bakura. Ryou und ich hatten bislang nie viel miteinander zu schaffen. Er ist kein wirklicher Freund von mir, auch wenn seine Informationen bislang hilfreich waren. Ginge es Grey darum, Menschen, die in einer gewissen Verbindung zu mir stehen, etwas anzutun, dann wäre der Kleine ein schlechtes Ziel und ich vermute, dass mein Feind sehr gut über meine zwischenmenschlichen Verbindungen Bescheid weiß. Nein, Ryou ist kein willkürliches Opfer. Dann hätte die Wahl auch auf Muto fallen können, dem ich so gesehen im Grunde näher stehe oder stand als dem schüchternen weißhaarigen Jungen, auch wenn dieses Verbindung etwas weit hergeholt wäre. Ryou´s Entführung hat etwas mit Bakura zu tun. Deshalb hat sich Grey auch direkt an ihn gewandt. Es geht ihm nicht darum, mich in eine Falle zu locken, er will irgendetwas von dem Dieb. Und die Frage ist, was das sein könnte. "Ich finde Duke hat Recht." meldet sich Joey zu Wort. "Wir sollten nichts überstürzen. Wir wissen nicht..." Bakura stöhnt genervt auf ehe er dem Hündchen ins Wort fällt. "Herrje, Wheeler, wir werden so auch nichts rausbekommen. Wir haben nur die Chance, dass ich mich mit diesem Irren treffe und so erfahre was er will." meint der Dieb sichtlich giftig. "Und zudem... was habt ihr zu verlieren, wenn ich allein gehe? Oder hast du Angst um mich?" Er bedenkt Joey mit einem spöttischen Blick und die Augen des Blonden werden zu zwei schmalen Schlitzen. "Um dich mache ich mir keine Sorgen, aber es ist schon komisch, dass dieser Kerl sich an dich wendet. Immerhin hast du indirekt ja schon einmal für ihn gearbeitet. Woher sollen wir wissen, dass du es nicht noch immer tust?" sprudelt es aus dem Hündchen raus und schlagartig erinnert er mich an früher. So wie er nun Bakura gegenüber steht, stand er einst mir gegenüber. Kampfbereit und energisch. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Duke´s Miene sich verändert und er den Blonden mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglaube ansieht. Bakura dagegen wirkt absolut gelassen. In seinen Augen blitzt es amüsiert auf und im nächsten Moment höre ich ihn auch schon laut lachen. Eine Geste, die ihre Wirkung auf das Hündchen nicht verfehlt und auch wenn Joey bei weitem nicht mehr der aufbrausende Raufbold von früher ist, spüre ich deutlich, dass es in ihm brodelt. Gerade als Bakura zu einer Erwiderung ansetzen will, ergreife ich das Wort. "Hört auf!" befehle ich und meine Stimme duldet keinen Widerspruch. Ich werfe Joey einen kurzen Blick zu und sehe, dass seine Wangenknochen kurz zucken. "Das führt ohnehin zu nichts." fahre ich fort und blicke nun auch zu dem Dieb. "Ich vertraue dir nicht, aber ich glaube auch nicht, dass du gemeinsame Sache mit Grey machst. Und du hast Recht. Wir haben nichts zu verlieren, wenn du alleine gehst." "Aber..." hebt Joey sichtlich irritiert an und ich bringe ihn mit einem Blick zum Schweigen. "Schreib Grey, dass du einwilligst." fordere ich Bakura auf. "Ich bin sicher, dass du alleine zurecht kommen wirst und vielleicht ist das auch unsere Chance endlich an diesen Verrückten ranzukommen." Mein Blick wandert von Bakura zu Joey und ich bemühe mich mein Hündchen sanft anzusehen. "Wir haben ohnehin keine andere Wahl." erkläre ich ihm und sehe wie er sich langsam entspannt. Schließlich seufzt er resignierend und nickt. Ich bin erleichtert als Bakura sich ohne weiteren Kommentar seinem Handy widmet und sich mit flinken Fingern anschickt, die Sms zu beantworten. "Wenn du alleine kommen sollst..." hebt Devlin im nächsten Moment etwas unsicher an. "Heißt das, ich soll hier bleiben?" Seine Frage ist an Bakura gerichtet, der seine Antwort bereits gesendet hat, aber ich bin derjenige, der ihm antwortet. "Ich denke, diese Anweisung bezog sich auf einen von uns. Joey oder mich. Ich glaube kaum, dass etwas dagegen spricht, dass du wieder mit nach Hause fliegst." erkläre ich dem Schwarzhaarigen, doch erst als Bakura leicht nickt, scheint Devlin sich zu entspannen. "Dann bleibt es also dabei. Wir gehen wie besprochen vor. Ihr fliegt nach Japan, wir bleiben bis übermorgen hier." Bakura nickt. "Vielleicht können wir die Angelegenheit schneller zuende bringen als gedacht." Er zuckt mit den Schultern. "Ich hoffe nur, dass dieser Bastard nicht so dämlich war, Ryou etwas anzutun." Für einen Moment herrscht betretenes Schweigen, dann meldet Alister sich wieder zu Wort. "Sorry, nichts zu machen." erklärt er, den Blick immer noch auf seinen Laptopbildschirm gerichtet. "Ich kann Ryou´s Handy nicht lokalisieren." Das hatte ich erwartet. Ebenso wie Bakura bin ich der Ansicht, dass es uns Grey keineswegs so leicht machen würde. Ich frage mich nur, was dieser Kerl von Bakura will. Joey´s Theorie ist zwar gar nicht so weit hergeholt, aber ich glaube dennoch nicht daran, dass Bakura mit Grey unter einer Decke steckt. Zum einen hat ihn die Nachricht über Ryou´s Entführung sichtlich überrascht und alles andere als kalt gelassen, auch wenn er bemüht war sich seine Gefühlsregungen nicht ansehen zu lassen. Und zum anderen... er hat Joey und Leon das Leben gerettet und auch mir mehr als einmal geholfen. Zudem... was hätte er davon? Nein, der Dieb mag verrückt sein und auch auf seine eigenen Vorteile bedacht, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er ein solcher Verräter sein könnte. "Ich möchte kurz mit Bakura unter vier Augen reden." erkläre ich und Joey sieht mich überrascht an. Der Weißhaarige dagegen wirkt so als hätte er dergleichen bereits erwartet. Einen Moment lang rührt sich niemand. Devlin steht genauso unschlüssig da wie Mokuba und Alister und auch Joey macht keinerlei Anstalten, Bakura und mich alleine zu lassen. Ich bedenke ihn mit einem vielsagenden Blick und widerwillig nickt mein Hündchen und wendet sich an meinen Bruder. "Komm, Mokuba." meint er und mein kleiner Bruder blickt kurz fragend zu mir. Ich schenke ihm ein leichtes Lächeln und der Kleine nickt. Die anderen tun es den Zwei gleich und schicken sich an das Zimmer zu verlassen, nur Bakura bleibt wo er ist. Erneut treffen sich unsere Augen und auch wenn der Dieb im nächsten Augenblick grinst, sehe ich ihm an, dass er keineswegs so gelassen ist, wie er den Anschein zu erwecken versucht. "Nun?" fragt er als die Tür hinter Devlin ins Schloss fällt. Ich überlege kurz. "Ich gehe davon aus, dass du genauso wenig weißt wie ich, was dieser Kerl von dir will." entgegne ich dann und warte nicht ab ob er meine Vermutung bestätigt. "Und ich glaube auch nicht, dass du gemeinsame Sache mit diesem Typen machst. Allerdings stellt sich die Frage, was er von dir will." Ich halte kurz inne und mustere Bakura. Er hält meinem Blick gelassen stand und für ein paar Sekunden sehen wir einander nur schweigend an. Dann legt der Weißhaarige den Kopf schief und grinst. "Dein Schoßhündchen ist da anderer Ansicht." entgegnet der Dieb provozierend. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Das tut nichts zur Sache." erwidere ich dann. "Wobei Joey´s Theorie keineswegs von der Hand zu weisen ist. Immerhin wäre es durchaus möglich." Ich beobachte ihn genau während ich rede. Er verändert seine Position keineswegs. In seinen Augen funkelt es weiterhin amüsiert und er zuckt lediglich gleichgültig mit den Schultern. "Ich könnte dir jetzt versichern, dass dem nicht der Fall ist, aber was würde das ändern?" meint Bakura schließlich. "Nichts." erwidere ich und er nickt. "Genau." sagt er und lächelt. "Eine Glaubensfrage. Und ich denke, damit sollten wir uns nicht länger aufhalten." Ich lächele den Dieb kühl an. "Also kommen wir zum Wesentlichen." stimme ich zu und Bakura nickt. Kapitel 71: Heimtückischer Angriff (Roland) ------------------------------------------- "Was meinen sie, Roland, ist diese Sache bald vorbei?" Master Mokuba sieht mich fragend an und ich blicke von dem Laptop auf. Ich bin ohnehin fertig damit, die gewünschten Buchungen vorzunehmen. Einen Moment sehe ich den Kleinen nachdenklich an und überlege wie ich ihm am Besten antworten soll. Er mustert mich derweil aufmerksam und der kindliche Anschein seiner Augen trügt mich keineswegs. Ich merke ihm an, dass er mehr als aufmerksam ist und meine Antwort für ihn wichtig zu sein scheint. Zu gerne würde ich ihm sagen, dass ich glaube, dass dieses Angelegenheit bald ihr Ende finden wird. Dass bald alles wieder so sein wird wie früher. Aber es wäre ein Lüge und ich glaube, dass er sie trotz seiner jugendlichen Naivität durchschauen würde. In dieser Hinsicht ist er seinem Bruder sehr ähnlich. Er lässt sich nicht leicht täuschen und was meinen Schützling anbelangt wäre ich auch sicher ein schlechter Lügner. Also überlege ich mir meine nächsten Worte gut. "Ich hoffe, dass sie bald ein Ende findet." sage ich schließlich. "Immerhin haben wir nun eine heiße Spur. Gut möglich, dass es Bakura gelingen wird, diesen Grey zu stellen." Der Kleine nickt, beäugt mich aber weiterhin aufmerksam und ich lächele ihn leicht an. Für einen Augenblick bin ich sogar versucht, ihm über den Kopf zu streicheln, aber für solch eine Geste ist er schon zu alt und sie würde ihn auch mehr irritieren als beruhigen. "Momentan sind sowohl sie als auch ihr Bruder in Sicherheit, Master Mokuba. Das ist die Hauptsache. Alles weitere... Ich bin sicher, dass ihr Bruder alles in seiner Macht stehende unternehmen wird, um diese Angelegenheit zu beenden." rede ich weiter und nun erwidert er mein Lächeln ebenso leicht. Einen Augenblick sehen wir uns einfach nur an und ich habe das Gefühl, dass er ahnt, dass ich ihm etwas verschweige, doch er fragt zu meiner Erleichterung nicht weiter nach. Einerseits bin ich geneigt zu glauben, dass diese Sache bald ihr Ende finden wird, nun da Seto Kaiba eine Spur hat, die er verfolgen kann. Ich vermute, dass der junge Mann, sobald er wieder auf den Beinen ist, alles dran setzen wird, diesen Grey zu finden, sofern es dem Dieb nicht gelingen sollte, den Gegner zu stellen. Seltsamerweise habe ich in dieser Angelegenheit Vertrauen in die Fähigkeiten des weißhaarigen Mannes, auch wenn ich ihm genau wie Master Kaiba nicht wirklich traue. Doch mir ist nicht entgangen, dass dem Dieb, diesem Bakura, etwas an meinem Herrn zu liegen scheint. Ja, ich bin sogar inzwischen den Überzeugung, dass er alles tun wird, um Seto Kaiba zu helfen. Dennoch ist damit die Sache noch nicht ausgestanden. Diesen Grey zu stellen, ist der Anfang und die Art wie es uns letztlich gelingen wird, ihn zur Strecke zu bringen, dürfte entscheidend sein. Nach meinem Herrn wird immer noch gefahndet. Nach wie vor hat er ein Umgangsverbot was Master Mokuba anbelangt und so ist es eine Hürde, den Gegner zu besiegen. Die wichtigste Aufgabe besteht allerdings darin, die Vorwürfe gegen Master Kaiba zu entkräften, bestenfalls sie vollkommen widerlegen zu können. Nur so wird diese Sache ein richtiges Ende finden. Andernfalls... Daran will ich nicht denken, auch wenn ich sicher bin, dass mein Herr bereits über diese Option nachdenkt. Was wird passieren, wenn es uns nicht gelingt, seine Unschuld zu beweisen? Diese Frage beschäftigt mich in den letzten Tagen mehr und mehr. Einerseits habe ich mit Erleichterung und auch Freude zur Kenntnis genommen, dass mein sonst so distanzierter Herr langsam aus sich heraus geht, was nicht zuletzt Joey Wheeler zu verdanken ist. Doch was wird aus Seto Kaiba, wenn er nicht mehr zurück kann in sein altes Leben. Zwar hege ich die Vermutung, dass sich seine Denkweise in Bezug auf sein bisheriges Leben verändert hat, seine Prioritäten sich verschoben haben, doch er ist nach wie vor ein Geschäftsmann. Im Grunde der geborene Geschäftsmann. Was wird er mit seiner Zeit und vor allem mit sich anfangen, wenn er schlimmstenfalls für immer auf der Flucht sein muss? Wie würde dieses Leben aussehen? Was wird aus dem Übermenschen werden, den Gozaburo Kaiba geschaffen hat, wenn sein Lebenswerk dahin ist und er gezwungen wird von vorne zu beginnen? Augenblicklich hat er schließlich eine Aufgabe, ein Ziel vor Augen und wie immer steht dies allein in seinem Fokus. Doch wenn die Angelegenheit ihr Ende gefunden hat... was dann? Master Mokuba hat mich bereits über seine Zukunftsvision unterrichtet und ich musste lächeln als er mir von seiner Idee erzählte. Zudem war ich gerührt, dass er mich nach wie vor als Teil davon ansieht. "Ihre Anzüge sollten sie dann vergessen, Roland. Wenn wir in Ägypten bleiben, müssen sie sich was lockerers zulegen. Sonst fallen sie auch zu sehr auf." Als er das sagte, betrachtete er mich einen Augenblick nachdenklich und grinste schließlich. Ich hege die Vermutung, dass er sich meine Wenigkeit in diesem Moment in einer ähnlichen Aufmachung wie Odion Ishtar vorgestellt hat, was ihn zu amüsieren schien. Master Mokuba´s nächste Frage reißt mich aus meinen Gedanken und auch wenn mich der Themawechsel erleichtert, bin ich für den Bruchteil einer Sekunde irritiert. "Ishizu hat gesagt, dass heute Markt wäre... Meinen sie, wir könnten mal hingehen? Die ganze Zeit im Haus bleiben zu müssen, ist so langweilig." Mein Schützling sieht mich fragend an und mir entgeht keineswegs der hoffnungsvolle Schimmer in seinen Augen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass er die letzten Tage über nur im Haus verbracht hat, zwar hatte er durch seine Freunde eine Menge Gesellschaft, aber ich verstehe durchaus seinen Wunsch, die Gegend ein wenig zu erkunden. "Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre. Master Kaiba..." hebe ich an, werde aber im nächsten Augenblick schon unterbrochen. "Seto wird es nicht erlauben." meint der Kleine und verzieht den Mund. "Aber wenn sie bei mir sind, dann kann doch nichts passieren. Und auf dem Markt ist doch sicher so viel los, dass keiner es wagen würde, etwas zu tun. Wir könnten Odion fragen ob er mitkommt. Ach, bitte, Roland!!" Er zwinktert mir verschwörerisch zu, eine Geste, die ich aus der Vergangenheit zu gut kenne und ich seufze leicht. "Ich glaube, unter gewissen Umständen hätte ihr Bruder nichts dagegen einzuwenden. Allerdings würde ich ihn vorab gerne, um Erlaubnis fragen. Immerhin sind sie noch nicht außer Gefahr, Master Mokuba." entgegne ich so ernst ich es angesichts dieses verschmitzten Lächelns kann. Der Kleine scheint einen Augenblick zu überlegen, dann nickt er. "Ok, wir fragen ihn." stimmt er zu und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er seinen großen Bruder fragen wird und dass ein gezieltes "Bitte, Seto!!" auch durchaus seine Wirkung zeigen wird. Einen Moment später werde ich von Master Mokuba auch schon zu Master Kaiba´s Zimmer dirigiert. Doch gerade als der Kleine anklopfen will, hören wir ein schwer zu definierendes Geräusch aus dem Innern des Raumes und er lässt die Hand wieder sinken. "Ich glaube, Seto ist nicht allein." meint der Kleine und linst auch schon durch das Schlüsselloch ehe ich zu protestieren vermag. "Ähm... wir sollten ihn jetzt besser nicht stören, Roland." verkündet er eine Sekunde später mit leicht gefärbten Wangen und ich räuspere mich. Ich vermute, dass Master Joey bei meinem Herrn ist. Anders kann ich mir die Reaktion des jungen Kaiba nicht erklären. "Dann müssen wir warten bis..." setze ich leise an, doch Mokuba schüttelt den Kopf. "Wir gehen einfach schnell. Seto bekommt das gar nicht mit. Wir sind zurück bis er..." Er beendet den Satz nicht, senkt stattdessen leicht verlegen den Blick und ich schlucke. Erneut vernehme ich ein gedämpftes Geräusch aus dem Raum und mache einen Schritt zurück. Unschlüssig beäuge ich meinen Schützling. Ich bezweifle, dass Master Kaiba es gut heißen würde, wenn ich den Jungen mit auf den Markt nehme. Andererseits verstehe ich, dass er den Wunsch hegt, das Haus zu verlassen. Erneut wirft er mir einen fast schon flehenden Blick zu und ich glaube, nicht einmal sein großer Bruder könnte diesen Augen widerstehen. Ich seufze und nicke leicht. "Wir werden Odion mitnehmen." erkläre ich entschieden. "Und wir werden nur einen kurzen Rundgang machen." Master Mokuba´s Miene hellt sich so auf, dass man glauben könnte, die Sonne wäre gerade aufgegangen. Er strahlt mich förmlich an und obgleich ich Zweifel an meiner Entscheidung habe, berührt mich sein Gesichtsausdruck und als wir kaum zehn Minuten später gemeinsam mit Odion Ishtar Richtung Markt aufbrechen, hat ein Teil seiner guten Laune auf mich abgefärbt und für einen Moment vergesse ich die Sorgen, die ich mir mache, fast. "Sie bleiben in meiner Nähe." ermahne ich den Jungen als wir uns dem Zentrum des Marktes nähern und betrachte kritisch den Menschenauflauf. Wenn ich schon dachte, dass es am Flughaften wie auf einem Basar zuging, so übertrifft das Geschehen hier dieses um das Zehnfache. Odion Ishtar schenkt mir ein wissendes Lächeln. "Keine Sorge, es hört sich nur so bedrohlich an. Wir, Ägypter sind ein friedliches Volk." meint der junge Mann ehe wir in die Menschentraube eintauchen. Ich brauche einen Moment, um mich an all die Geräusche, Gerüche und Eindrücke zu gewöhnen und gleichzeitig meine Ruhe zu bewahren. Master Mokuba zieht mich von einem Stand zum Nächsten und ich bin froh, dass der Ägypter uns begleitet. Innerhalb kürzester Zeit haben wir mehrere Tüten in der Hand und ich befürchte, dass der Junge sich den Magen verderben wird angesichts der Menge an süßem Gebäck, dass ihm der eine und andere Händler zusteckt. "Seto würde das hier nicht ertragen." meint Master Mokuba grinsend an mich gewandt und ich nicke. "Dessen bin ich mir sicher." stimme ich zu. Master Kaiba hätte weder seine Freude an diesem Menschenauflauf noch an den angebotenen Leckereien. Sein Bruder allerdings scheint die Atmosphäre mehr als zu genießen und allmählich entspanne auch ich mich immer mehr. "Wir sollten ihnen wirklich etwas anderes zum anziehen besorgen, Roland. Sie fallen hier auf wie ein bunter Hund." Master Mokuba lacht und versucht auch schon einen Moment später mir einen Turban aufzusetzen. Ich räuspere mich pikiert. "Ich glaube nicht, dass mir so etwas steht, Master Mokuba." erkläre ich ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, den der zahnlose Händler mir reicht. Zu meiner Erleichterung pocht der Junge nicht darauf, dass ich mir solch eine Kopfbedeckung anschaffen soll und ist auch einverstanden sich für einen Moment in eines der Zelte zu begeben, um Tee zu trinken. Odion bringt uns ein paar Minuten später wieder von dem süßlichen Tee und ich blicke auf die Uhr. "Wir sollten bald wieder zurückgehen." sage ich und rechne fast schon mit Protest, aber Master Mokuba nickt. "Ok." willigt er ein und nippt genüßlich an seinem Tee. "Seto und Joey sind jetzt bestimmt auch fertig." Er grinst mich an und auf seinen Wangen zeichnet sich wieder zarte Röte ab. "Hätten sie gedacht, dass die Beiden... naja, sie wissen schon?" fragt er mich im nächsten Augenblick und ich befürchte, dass nun auch ich meinerseits etwas verlegen werde. "Diese Entwicklung kam eher unerwartet." antworte ich vage und Master Mokuba nickt. "Aber es ist toll, oder? Ok, auch ein bisschen, naja... egal." redet er bereits weiter. "Ich meine, dass Seto überhaupt einmal..." Den Rest des Satzes höre ich nicht mehr. Plötzlich durchzuckt mich ein scharfer Schmerz an der Seite. Mein Blick wandert zu der Stelle und im nächsten Augenblick spüre ich auch schon wie sich der Stoff meines Anzuges mit Feuchtigkeit füllt. Ich glaube, dass ein gurgelndes Geräusch aus meinem Mund entweicht während meine Hand tastend über besagte Stelle wandert. Noch bevor ich einen Blick auf meine Finger werfe, weiß ich, dass sich Blut daran befindet. Mein Blick wandert zu Master Mokuba, der mich überrascht und entsetzt ansieht. "Roland!" höre ich ihn dann rufen und sein kreideweißes Gesicht beginnt vor meinen Augen zu verschwimmen. Ich presse die Hand an meine Seite und schaffe es irgendwie mich Odion zu zuwenden. "Bringen sie Master Mokuba hier weg!" sage ich an den Ägypter gewandt, der scheinbar jetzt erst die Situation realisiert. Dann sehe ich winzige Lichter flimmern und schließe für einen Moment die Augen. Der Schmerz ist beißend, aber noch hat er mein Denken nicht lahm gelegt. Ich vermute, dass man mir eine Stichwunde mit einem Messer verpasst hat. Irgendwie nehme ich gerade noch wahr, dass der Ägypter aufgestanden ist, doch scheinbar keinerlei Anstalten macht, mit Master Mokuba zu verschwinden. Erneut versuche ich ihm zu sagen, dass er den Jungen in Sicherheit bringen soll, aber schon das erste Wort erstickt in meiner Kehle. Odion Ishtar beugt sich über mich, ruft dann etwas auf arabisch und nun wird mir bewusst, dass ich scheinbar nach hinten gesackt bin. Dann wird alles um mich herum schwarz. Kapitel 72: Rausch ------------------ Einen Moment bleibe ich unsicher vor der Tür stehen. Meine Hand ist schon ausgestreckt, um anzuklopfen, doch ich lasse sie wieder sinken und starre stattdessen auf die geschlossene Tür. Bakura ist schon vor einer halben Stunde gegangen. Seto ist allein. Vermutlich rechnet er damit, dass ich jeden Moment komme. Er erwartet es vielleicht sogar. Nein, eigentlich bin ich mir dessen sogar sicher. Ich seufze und komme mir mit einem Mal unendlich dämlich vor. Warum zögere ich? Warum klopfe ich nicht an? Im Grunde weiß ich es. Der Umstand, dass er mit Bakura alleine reden wollte, hat mich irritiert, auch wenn ich es bis zu einem gewissen Grad sogar verstehe. Nur wüsste ich zu gerne, was er mit dem Dieb besprochen hat. Aber vielleicht sollte ich ihn einfach fragen. Was spricht schließlich dagegen? Ich bin sicher, dass er mir von dem Gespräch erzählen wird, wenn ich ihn danach frage. Unwillkürlich muss ich an Mokuba´s Frage denken. Der Kleine wollte wissen, ob ich Bakura tatsächlich für einen Verräter halte. Nun, ich weiß es nicht. Einerseits traue ich Bakura so ziemlich alles zu. Andererseits... welchen Grund sollte der Dieb haben, sich so gegen Seto zu stellen? Vermutlich hat Seto Recht. Welche Motivation sollte der Weißhaarige auch haben, Seto zu verraten? Immerhin scheint es ja fast so als würde der Dieb gewisse Sympathien für Seto hegen. "Fast?" fragte diese kleine Stimme in meinem Kopf. "Ich dachte, das wäre längst offensichtlich?" Unwillkürlich muss ich nicken. Es ist offensichtlich, auch wenn ich nicht genau weiß in welche Richtung diese Sympathie wirklich geht, doch so etwas lässt sich bei Bakura auch nur schwer einstufen. Fakt ist jedoch, dass ihm mehr an Seto liegt als er bereit ist zuzugeben und die Blicke, die er mir zuwirft sprechen für sich. Auch wenn mir die Vorstellung, dass jemand wie dieser verrückte Dieb zu tiefergehenden Gefühlen fähig sein könnte, schwer fällt, so ist es doch im Grunde das was ich schon die ganze Zeit vermute. Es sind tiefergehende Gefühle. Dessen bin ich mir eigentlich sicher. Ob Seto sich darüber im Klaren ist? Ich bezweifle es. Zumal er augenblicklich auch sicher weder den Nerv noch die Zeit hat, um sich über Bakura Gedanken zu machen. Oder wollte er deshalb alleine mit ihm reden? Glaubt er aus diesem Grund nicht daran, dass Bakura ein Verräter sein könnte? Mit einem Mal kommt mir mein Ausbruch von vorhin, die Anschuldigung an den Dieb vollkommen absurd und lächerlich vor. Wenn Bakura tatsächlich Gefühle für Seto hat, dann wird er ihn keinesfalls verraten, oder? So verrückt ist nicht einmal der Dieb. Ich gebe mir einen Ruck und klopfe an und verspüre etwas wie Erleichterung als ich seine Stimme vernehme. "Herein." Im nächsten Moment öffne ich auch schon die Tür und sein Blick trifft meinen. Seine Züge sind ernst, doch hellen sie sich sofort ein wenig auf als er mich sieht und ich entspanne mich wieder ein bisschen. "Hey." sage ich und schließe die Tür hinter mir. Er erwidert nichts, lässt mich langsam näher kommen und kommt in gewohnter Kaiba-Manier auch gleich zur Sache. "Ich nehme an, du willst wissen, was Bakura und ich besprochen haben." bemerkt er so nüchtern, dass ich kann nicht anders. Ich muss ihn schief angrinsen, wenn auch etwas verlegen. "Bin ich so leicht zu durchschauen?" kontere ich mit einer Gegenfrage und er verzieht den schönen Mund zu einem sarkastischen Lächeln. "Du warst schon immer neugieriger als dir gut getan hat." bemerkt er und ich lache. Für einen Augenblick leuchtet es amüsiert in seinen schönen Augen auf und ich bin etwas irritiert. Seine Miene ist nicht länger eine regungslose, kalte Maske. Seine Augen lächeln in gewisser Weise, doch ist es keines dieser kühlen, überlegenen Kaiba-Lächeln, das seine Augen zum leuchten bringt. Es ist ein echtes Lächeln und das ist noch immer neu für mich. Dieser Umstand scheint ihm nicht zu entgehen, denn seine Mundwinkel zucken leicht und aus irgendeinem Grunde sage ich: "Sorry, aber ich schätze, ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass du solche Regungen zeigst." Sofort zieht er die rechte Braue nach oben und ich zucke mit den Schultern. "Ich meine, dass du überhaupt Regungen zeigst." füge ich hinzu und für ein paar Sekunden sieht er mich nur an. Dann nickt er leicht und ich lasse mich etwas zaghaft neben ihm nieder. "Also?" frage ich und sehe ihn erwartungsvoll an. "Wir hatten nichts tiefergehendes zu besprechen." höre ich ihn dann sagen. "Im Grunde hättest du anwesend sein können, aber ich habe den Eindruck, dass ihr zwei nicht unbedingt gut aufeinander zu sprechen seid, was allerdings mehr von Bakura ausgeht, auch wenn deine Anschuldigung an ihn vorhin euer Verhältnis nicht unbedingt verbessert haben dürfte." Ich nicke obgleich ich zugeben muss, dass es mich doch etwas erstaunt, dass ihm dieser Umstand nicht entgangen ist, doch scheinbar ist ihm durchaus aufgefallen, dass der Dieb und ich ein angespanntes Verhältnis haben - unabhängig von meinem Vorwurf an ihn. Ich hätte allerdings auch nicht erwartet, dass er auf so etwas Rücksicht nehmen würde. "Ich schätze, meine Anschuldigung kam etwas unüberlegt." gebe ich dann etwas verlegen zu und spüre sofort wieder diesen typischen, kritischen Kaiba-Blick auf mir. Ich zucke leicht mit den Schultern und spüre auch schon wie ich rot werde. "Der Dieb scheint eine Schwäche für dich zu haben." bemerke ich erklärend. "Folglich ist es eher unlogisch, dass er dich verraten würde." Seto´s blaue Augen weiten sich für einen Moment. Ich seufze. "Allerdings traue ich Bakura alles zu. Ich habe ihn schließlich in Aktion erleben dürfen." fahre ich fort und bemühe mich einen ernsten, sachlichen Tonfall anzuschlagen. "Wie dem auch sei, ich schätze du hast Recht. Er ist kein Verräter." Einen Augenblick betrachtet Seto mich mit undurchdringlicher Miene. "Eifersüchtig?" fragt er dann und dieses Mal sieht man ihm seine Belustigung deutlich an. "Sollte ich?" entgegne ich mit gleichermaßen amüsierten und verlegenem Grinsen. Seto macht eine wegwerfende Geste und ist schlagartig wieder ernst. "Joey, es dürfte dir bekannt sein, dass die Sache zwischen uns mir schon nicht unbedingt leicht fällt, ..." fährt er auf die mir nur zu allzu vertraute, sachlich-nüchterne Kaiba-Art fort, doch ich lasse ihn den Satz nicht beenden. Ich weiß selbst nicht warum, aber ich beuge mich vor und ohne weiter darüber nachzudenken, küsse ich ihn auch schon. Nun, genau genommen weiß ich schon warum ich es tue. Ich will es tun. Ihn küssen. Im ersten Moment spüre ich, dass ich ihn wieder einmal überrumpelt habe, doch er fasst sich schnell wieder und erwidert den Kuss und als ich spüre, dass er mich näher an sich zieht, breitet sich schlagartig wieder dieses warme, prickelnde Gefühl in mir aus. Ich tue es ihm gleich, schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe weiter an mich. So seltsam es auch sein mag angesichts unserer aktuellen Lage und der Tatsache, dass es eigentlich augenblicklich wichtigeres zu tun gäbe als rumzumachen, ich genieße seine Berührungen dermaßen, dass ich kurzfristig alles andere vergesse. Bakura, Grey, alles verschwimmt und es gibt nur noch ihn, seine Lippen und Hände und ich nehme gerade noch wahr, dass seine Finger sich unter mein Shirt schieben. Kühle Fingerspitzen streifen über meine erhitzte Haut und ein Schauder durchzuckt mich. Ich keuche in den Kuss und schicke mich dann gleichfalls an meine Hände auf Wanderschaft zu schicken. "Deine Schulter..." hebe ich plötzlich innehaltend an. Jetzt erst fällt mir seine Verletzung wieder ein und Seto bedenkt mich mit einem amüsierten Blick. "Ich denke, ich werde es überleben, Hündchen." erwidert er mit rauer Stimme und ich schlucke. Erneut durchzuckt mich ein Schauder und ich komme nicht umhin festzustellen, dass er eigentlich unglaublich sexy klingt, wenn er so redet. Wenn seine Stimme nicht eisig ist. Und auch sein Blick ist alles andere als kalt. Genau genommen geht er mir gerade durch Mark und Bein, allerdings anders als früher, doch es ist ja schließlich auch keiner seiner Todesblicke. "Joey, ich..." hebt er an während seine Fingerspitzen unerwartet sanft über meine Brust streichen und ich sehe ihn fragend an. Aber er beendet seinen Satz nicht, sondern presst stattdessen seine Lippen auf meine und ich schließe schlagartig wieder die Augen. Eine Hitzewelle durchströmt mich und ich bezweifle, dass es an dem Klima in Ägypten liegt. Unwillkürlich muss ich an Lucy denken. Die Frau, mit der ich zuletzt Sex hatte und die mir mehr oder weniger klar gemacht hat, dass ich eigentlich...schwul bin? Nun, ob dem tatsächlich so ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass dieses Gefühl, dass ich für Seto empfinde, jede Skala sprengt. Bislang habe ich noch nie so etwas empfunden. Wieder pocht mein Herz so unsagbar schnell, dass es mir fast Angst macht und gleichzeitig spüre ich wie meine Hose immer enger zu werden scheint. Mein Blut sammelt sich gerade ganz eindeutig in einer bestimmten Region und im nächsten Augenblick kralle ich mich auch schon fast an ihn. Herrje, wer hätte gedacht, dass dieser Eisklotz so küssen kann? Dass er in der Lage ist einen anderen Menschen so zu berühren, regelrecht ein Feuer zu entfachen? Ich keuche wieder auf und er löst seine Lippen von mir und ich glaube, ich sehe ihn etwas belämmert an. Nein, ich vermute viel eher, dass ich diesen verfluchten Hundeblick an den Tag lege. Lucy meinte, das würde ich hin und wieder tun, wenn ich erregt wäre. Unwillkürlich fangen meine Wangen auch schon an zu brennen und Seto mustert mich. "Ich... ähm..." hebe ich an, breche dann jedoch ab und starre auf seinen Mund. "Ich... hasse dich wirklich nicht, Seto." sage ich einen Augenblick später und schlucke dann auch schon schwer. Jetzt erst fällt mir auf, dass ich eigentlich schon fast mehr liege als sitze und er sich über mich beugt. Wie es dazu gekommen ist, weiß ich allerdings nicht so recht. Er betrachtet mich noch einen Augenblick und ich werfe ihm einen verlegenen Blick zu. In gewisser Weise hat es schon eine gewisse Ironie. Früher war ich in seiner Anwesenheit alles andere als verlegen. Genau genommen habe ich nie ein Blatt vor den Mund genommen. Im Gegenteil. Mir fiel es leicht, ihm die unsäglichsten Dinge an den Kopf zu werfen und jetzt verhalte ich mich wie ein junges Mädchen vor seinem ersten Mal. "Ich dich auch nicht, Joey." raunt er mir heiser zu und mein kleiner Wheeler ist nun alles andere als klein. Und scheinbar scheint er auch das Denken für mich zu übernehmen, denn meine Hand fängt an sich vorzutasten und liegt im nächsten Augenblick auch schon in seinem Schritt, wo sich ziemlich deutlich abzeichnet, dass er ebenso erregt ist wie ich. Während seine Zunge meine weiterhin umkreist und sich ein letztes Fünkchen meines rationalen Verstandes eingestehen muss, dass er bei diesem Duell sichtlich die Oberhand hat, beginne ich wie ferngesteuert damit seine Erregung durch den Stoff zu massieren, auch wenn ich nicht wirklich weiß was ich da eigentlich tue. Aber scheinbar gefällt es ihm, denn er stöhnt kaum merklich auf und drängt sich noch ein Stück enger an mich. Ich bin nicht sicher was dann genau als Nächstes passiert, ich fühle mich wie in einem Rauschzustand. Seto´s Hemd wandert auf den Boden und er stöhnt kurz auf als ich seinen Verband streife, hört aber nicht damit auf mich zu küssen. Der störende Stoff wird scheinbar wie von selbst weniger und ich stocke einen Augenblick als ich Seto Kaiba zum ersten Mal wirklich nackt sehe. Auf seinen Wangen zeichnet sich verlegene Röte ab als sein Blick meine nicht zu übersehende Erregung streift und ich hoffe inständig, dass Ishizu nicht jeden Moment anrückt, um seinen Verband zu wechseln. Kapitel 73: Euphemismus (Bakura) -------------------------------- Merci für eure lieben Kommis und so viele Favos!! Wirklich schön, dass ihr so mitfiebert!! "Wenn ich dich frage, was Kaiba mit dir zu besprechen hatte, wie gut stehen meine Chancen, dass du mir antwortest, Kura?" Ich werfe dem Schwarzhaarigen einen spöttischen Blick zu, den er mit einem belustigten Grinsen quittiert und wieder einmal stelle ich fest, dass Duke Devlin mich fast schon zu gut kennt. Natürlich kennt er die Antwort. Er weiß, dass die Chancen gut stehen. Zumal ich nichts zu verbergen habe. Dennoch lasse ich mir mit meiner Antwort Zeit und fahre damit fort, meine Sachen in die kleine Reisetasche, die ich immer bei mir trage und welche die meine wichtigsten Besitztümer beinhaltet, packe. Duke beobachtet mich dabei geduldig wartend und ich kann nicht umhin ihm ab und an einen kurzen Blick zu zuwerfen. Der Kater lümmelt sich lässig auf dem zierlichen Diwan und unwillkürlich muss ich grinsen. Ich glaube, dass es kaum einen anderen Menschen gibt, der über solch eine erotische Anziehungskraft verfügt wie Duke und diese auch noch auf zugleich schamlose und unschuldige Weise einzusetzen vermag. Als könne er meine Gedanken lesen, sehe ich, dass es kurz in seinen Augen aufblitzt und ich widme mich wieder meiner Packerei. "Du solltest übrigens noch mit Alister reden bevor wir abreisen." meint er dann und ich gebe einen undefinierbaren Laut von mir, der an ein Grunzen erinnern könnte. Duke seufzt. "Der Kleine steht auf dich." bemerkt er überflüssigerweise, denn das weiß ich selbst. "Und das nicht nur, weil du der heiße, unberechenbare bad boy bist, Kura." Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu und stelle fest, dass er sich aufgerichtet hat und mich nun ernst ansieht. "Er denkt sicher, dass du und ich..." Er kommt nicht dazu den Satz zu beenden, denn ich falle ihm ins Wort. "Das bezweifle ich." widerspreche ich entschieden und funkele Duke einen Augenblick an. "Er weiß, dass wir beide nur noch Freunde sind." füge ich hinzu und verfluche mich selbst, dass ich mich überhaupt auf das Thema eingelassen habe. Bei Ra, ich habe bei weitem besseres zu tun als über die Gefühle des Rothaarigen und mögliche Techtelmechtel mit dem Kater nachzudenken. Ryou ist in Gefahr und Kaiba verlässt sich auf mich. "Nun, sein Blick vorhin sagte etwas anderes." vernehme ich Duke´s ruhige, gelassene Stimme und verdrehe die Augen. Doch dieses Mal erwidere ich nichts. Das ist allerdings auch nicht nötig, denn er scheint in Stimmung zu sein, mir einen seiner gut gemeinten Vorträge zu halten. Ich ahne was kommen wird und im Grunde hat er sogar Recht. Bis zu einem gewissen Grad. "Ich finde einfach, dass du die Dinge klar stellen solltest." meint der Kater ernst. "Ich bezweifle, dass Alister versteht, warum du ihn nicht mitnehmen willst. Soweit ich weiß habt ihr in der letzten Zeit immer zusammen gearbeitet, oder? Und er hilft dir ja auch jetzt." Er sucht meinen Blick und ich tue ihm kurz den Gefallen, bestätige seine Mutmaßungen allerdings mit keiner einzigen Regung. "Ich weiß, warum du nicht willst, dass er mitkommt, Kura." fährt Duke auch schon fort. "Dieser Grey ist gefährlich, das hast du selbst gesagt und du willst nicht, dass dem Kleinen etwas passiert." Ich stöhne kurz auf. "Ich will nicht, dass mir jemand im Weg rumsteht." korrigiere ich den Kater giftig, doch er übergeht meinen Einwurf geflissentlich. "Ich weiß, dass du dir Sorgen um Ryou machst, das verstehe ich nur zu gut, aber lass Alister nicht so außen vor. Du magst den Kleinen doch. Das weiß ich." Ein missbilligendes Geräusch entweicht meinem Mund und ich drehe Duke den Rücken zu, um mich der Kommode zu zuwenden, in der ich meine Spielsachen verstaut habe. Fester als notwendig ziehe ich die Schubladen auf und verfluche den Umstand, dass Duke wieder einmal Recht hat. Ja, verdammt, er hat Recht. Natürlich mag ich den kleinen Rothaarigen. Ich hatte bislang eine Menge Spaß mit ihm. Er ist ein treuer Gefährte, mir loyal ergeben und eine hübsche Zerstreuung für einsame Nächte, wenn auch nicht vergleichbar mit dem Kater, aber der ist ohnehin ein Kapitel für sich. Und was den Grund anbelangt, warum ich Alister nicht mitnehmen möchte... Er würde mir im Weg rumstehen, mich unnötig behindern und er würde ein zusätzliches Risiko bedeuten. Es reicht mir schon, dass dieser verfluchte Grey Ryou in den Händen hat. Ryou hat mit dieser ganzen Geschichte nicht das Mindeste zu tun und es gibt wohl mit Abstand keinen harmloseren, feinfühligeren Jungen als ihn. Dagegen ist sogar Muto schon ein Rebel. Ryou ist so dermaßen brav, dass er eigentlich an Langeweile eingehen müsste. Vor allem aber hat er noch nie einer Fliege etwas getan. Nun, noch ein Grund mehr, diesem Grey eine Lektion zu verpassen. Eine, die er nie vergessen wird. Ja, ich glaube, nein, ich bin sicher, dass ich mit dieser Aktion mein Meisterstück abliefern werde. Wie hat der Typ noch am Telefon gesagt, Kaiba wird die Hölle wie das Paradies vorkommen, wenn er mit ihm fertig ist? Eigentlich ein guter Spruch. Könnte von mir sein. Ich denke, ich werde dieses Motto für die kommende Mission übernehmen. Unwillkürlich muss ich grinsen und meine Laune verbessert sich schlagartig. "Red mit ihm. Tu es mir zu liebe, Kura." höre ich Duke sagen und seufze. "Wenn du dann aufhörst mich weiter vollzusülzen als wärst du einer dieser Nachmittagsaushilfspsychologen." erwidere ich unwirsch und der Schwarzhaarige lacht. "Natürlich." ist die kecke Antwort, die ich bekomme und ich nicke. Damit ist das Thema beendet und ich verstaue mein Spielzeug in der kleinen Reisetasche, wobei mir Duke´s skeptischer Blick nicht entgeht. "Keine Sorge, es wird keine Probleme am Zoll geben. Darin habe ich Übung." erkläre ich grinsend, was ihn jedoch nicht wirklich zu beruhigen scheint, aber das ist nicht mein Problem. Ich weiß, dass es keinen Ärger geben wird. Nicht mit dem Arsenal, dass ich mitnehmen werde. Es ist ja nicht einmal ein Bruchteil meiner Grundsausstattung, aber wozu gibt es Baumärkte? Ich werde mir in Japan alles notwendige besorgen was ich für diese Expedition benötige. Der Plan dafür steht bereits. "Was ist nun mit Kaiba?" will Duke wissen womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. "Er ist der gleichen Ansicht wie ich, dass Ryou kein zufälliges Opfer ist." erwidere ich und stelle fest, dass meine Antwort Duke überrascht. Der Schwarzhaarige sieht mich fragend an. "Wie kommst du darauf?" fragt er weiter und ich starre auf meine Reisetasche. "Zum einen, warum sollte man Ryou entführen und sich dann bei mir melden? Wenn es um Kaiba ginge, dann hätte er Kontakt mit ihm aufgenommen, aber Grey will sich mit mir treffen." erkläre ich dem Kater ernst und für einen Moment sieht er mich verständnislos an. Ich lege den Kopf schief und schenke Duke ein spöttisches Grinsen. "Denkst du, ich würde nach Japan fliegen, wenn man Gardner, Muto oder Taylor entführt hätte?" frage ich süffisant und sehe ihm an, dass er den Wink verstanden hat als seine Augen sich kurz weiten. "Und was wäre gewesen, wenn man mich entführt hätte?" will Duke dann wissen. "Ist das eine ernsthafte Frage, Katerchen?" kontere ich und er grinst, wird aber schlagartig auch wieder ernst. "Was denkst du will dieser Typ von dir? Hast du irgendeine Ahnung?" fragt er mich und ich zucke mit den Schultern. Genau das hat Kaiba mich auch gefragt und ich habe nicht die geringste Ahnung. Ein Umstand, der mich leicht beunruhigt. Hätte ich eine Vorstellung davon, was dieser Kerl von mir wollen könnte, ich würde diesem Treffen wesentlich gelassener gegenüber stehen, aber unter diesen Umständen... Ich schüttele den Kopf. "Keinen Plan." erwidere ich bissig. "Ich kann mir nicht einmal vorstellen was er von mir wollen könnte." Duke nickt und scheint zu überlegen während ich meine restlichen Sachen in die Tasche packe. "Bislang war dieser Grey verdächtig gut informiert." sinniert Duke nach kurzem Schweigen laut und ich werfe ihm einen abschätzenden Blick zu. "Ich hoffe, du fängst jetzt nicht mit der gleichen Leier an wie Wheeler..." warne ich ihn, doch Duke schüttelt bereits den Kopf. "Keine Sorge, ich weiß, dass du nicht für den Feind arbeitest." beruhigt er mich und fügt mit einem Lächeln hinzu: "Ich kenne dich schließlich. Du magst Spielchen, aber das würde selbst für deine Verhältnisse zu weit gehen. Zudem..." Er hält kurz inne und bedenkt mich mit einem vielsagenden Blick und ich ahne was jetzt folgen wird. Instinktiv verschränke ich die Arme vor der Brust, gehe in Abwehrposition und funkele meinen Kater herausfordernd an. Duke lächelt noch immer. "Du hast dich in Kaiba verliebt. Alleine das spricht..." "Bei Ra, lass den Unsinn!" unterbreche ich ihn unwirsch. "Ich bin nicht..." Ich beende den Satz nicht, spreche das Wort nicht aus. Duke zuckt mit den Schultern. "Sag was du willst, ich seh´s dir doch an oder genau genommen habe ich gesehen, wie du ihn ansiehst." "Pah!" Ich mache eine wegwerfende Geste und lege so viel Verächtlichkeit wie ich vermag in meinen Blick. "Mag sein, dass ich eine vorübergehende Schwäche für den Eisklotz habe, aber das heißt nicht, dass ich... Du kennst mich, ich jage gerne." erkläre ich und weiß schon während ich rede, dass ich ihn nicht zu überzeugen vermag, doch was noch schlimmer ist, ist die Tatsache, dass meine Worte nicht einmal mich überzeugen. Gleichgültig wie ich es drehe und wende und wie sehr es mir widerstrebt dieses Wort, dieses Gefühl, auch nur zu denken, im Grunde weiß ich, dass es den Nagel auf den Kopf trifft. Und bei Ra, ich will nicht darüber nachdenken. Was bringt es auch, dieses Gefühl zu ergründen? Gefühle bedeuten Schwäche und Schwäche... Ich bin nicht schwach. "Na schön, wenn du dir weiterhin etwas vormachen willst." Duke seufzt und erhebt sich langsam. Seine grünen Katzenaugen fixieren mich. "Aber gleichgültig wie du dich nach außen geben magst, Kura, ich weiß, dass du im Grunde ein gutes Herz hast und das mehr Menschen darin einen Platz gefunden haben als dir vielleicht lieb ist und Seto Kaiba ist einer von ihnen." Ich widerstehe dem Drang zu schlucken und will gerade zu einer sarkastischen Erwiderung ansetzen als Duke fortfährt: "Früher oder später wirst du dich damit auseinandersetzen müssen. Da führt kein Weg dran vorbei." Der Schwarzhaarige seufzt und schenkt mir einen liebevollen Blick. Einen Moment sehen wir uns schweigend an und der Protest in mir ebnet so langsam ab. Es würde ohnehin nichts bringen, zu protestieren. Der Kater hat Recht. Wieder einmal. Unwillkürlich senke ich den Blick und starre auf den Boden, unfähig etwas zu erwidern. Kurz darauf schlingen sich sanfte Arme um meinen Nacken und ich spüre Duke´s Atem auf meiner Haut, seinen Kopf an meiner Schulter und obgleich mich die Umarmung im ersten Augenblick irritiert und ich den Wunsch verspüre sie zu beenden, schaffe ich es doch nicht mich von ihm zu lösen. Stattdessen heben sich meine Arme wie von selbst und schlingen sich um den schmalen Körper des Schwarzhaarigen. Wie lange wir engumschlungen da stehen und sich keiner von uns rührt weiß ich nicht, aber das Gefühl, den Schwarzhaarigen so nah zu spüren, beruhigt mich und auch meine Gedanken und unwillkürlich muss ich daran denken, dass Duke immer schon diese Wirkung auf mich hatte. Gleichgültig wie aufgewühlt ich war, wie aufbrausend ich agierte, seine Nähe vermochte es mich zu beruhigen, auch wenn ich nicht sagen könnte aus welchem Grund. Seth hatte einst eine ähnliche Wirkung auf mich, wenn auch in einem weitaus größeren Ausmaß. Seth Der Gedanke an den Hohepriester reißt mich schlagartig zurück in die Realität und ich löse mich von dem Kater. "Ich gehe kurz zu den anderen." meint Duke und sieht mir dabei direkt in die Augen. "Red mit Alister, Kura." Ich nicke nur. "Vielleicht haben wir auch Glück und Ace meldet sich bald. Dann hätten wir zumindest einen Ansatzpunkt mehr." Erneut nicke ich, noch immer zum Teil im Bann der Umarmung und er schenkt mir ein warmes Lächeln ehe er sich umwendet und zur Tür geht. Als sie hinter ihm ins Schloss fällt, stehe ich eine Weile regungslos da und mein Kopf ist für einen Moment vollkommen leer. Dann gebe ich mir einen Ruck und konzentriere mich wieder auf das Wesentliche. Kaiba hat Recht, es muss einen Grund haben, warum ausgerechnet Ryou entführt wurde. Es hat etwas mit mir zu tun, auch wenn ich augenblicklich noch nicht wirklich verstehe was es damit auf sich haben könnte, aber ich bin mir dessen sicher. Und Kaiba ist es auch. Es hat etwas mit mir zu tun. Meine Gedanken wandern wieder zu meinem Gespräch mit Kaiba. "Auch wenn es unnötig ist das zu sagen, Kaiba, ich habe noch nie jemanden verraten, der nicht sowieso untergegangen wäre." "So? Nun, Bakura, denkst du, ich werde untergehen?" "Genauso wenig wie ich dich verraten werde." Ich seufze leise und schließe die Tasche. Alister wird sicher in der Küche sein. Kapitel 74: Déjà-vu ------------------- "Wir konnten den Angreifer nicht einmal sehen. Alles geschah unglaublich schnell. Wir saßen da und tranken Tee und ..." Vage nehme ich wahr, dass der Ägypter dabei von den Geschehnissen auf dem Markt zu berichten, aber ich bin nicht in der Lage, ihm zu zu hören. Mein Blick ruht auf Roland, den Odion und ein anderer dunkelhäutiger Mann vor ein paar Minuten ins Haus getragen und auf die Kissen gebettet haben. Ishizu beugt sich über den leblos wirkenden Körper und mein Blick fällt auf das Blut, dass Roland´s weißes Hemd rot verfärbt hat. "Der Arzt ist unterwegs." sagt irgendjemand im Raum, ich glaube es ist Marik, aber ich bin mir nicht sicher. Ich kann nur auf Roland blicken und mein eigener Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. Dunkel nehme ich ein Schluchtzen wahr und ich schaffe es den Kopf zu drehen als Mokuba meinen Namen sagt. "Es tut mir so leid, Seto." schluchzt der Kleine. Tränen laufen über seine Wangen und verschleiern seinen Blick. "Es war meine Idee. Ich habe ihn so lange gedrängt bis er mit mir zum Markt gegangen ist." Mokuba schnieft und ich sehe die Hilflosigkeit ins seinen Augen, aber auch die Sorge und schlucke unwillkürlich. "Ich wollte nicht..." hebt er von neuem an, doch ich unterbreche ihn. "Schon gut, Mokuba. Es ist nicht deine Schuld." Meine Stimme klingt fremd, emotionslos und die Worte kommen automatisch aus meinem Mund. Mokuba blickt weiter zu mir auf und ich weiß, dass ich ihn trösten sollte, dass es anbebracht wäre ihn in meine Arme zu nehmen, aber ich schaffe es nicht mich zu rühren. Mein Innerstes ist viel zu aufgewühlt. Ich bin nicht einmal in der Lage rational zu denken. Zu viele Gefühle durchströmen meinen Körper und mit einem Mal scheinen sie mich gänzlich zu beherrschen. Eben noch hielt ich Joey in meinen Armen und bereits in diesem Augenblick waren es meine Gefühle, die mich leiteten, die meinen Verstand blockierten und mich instinktiv handeln ließen. Doch gingen diese Gefühle mit Wärme und Geborgenheit einher. Nun, kaum fünf Minuten später, verspüre ich etwas anderes, aber es ist ebenso unrational. Wut, Hilflosigkeit, Sorge... Ich vermag nicht zu beschreiben welches Gefühl mich augenblicklich wirklich erfüllt. Es sind zu viele, viel zu viele und das ist neu. Ebenso wie die Tatsache, dass ich es nicht vermag mich diesen Emotionen zu entziehen. Dabei konnte ich das Jahre lang, war es gewohnt meine Gefühle nicht nur zu verbergen sondern sie auch im Zaum zu halten, zu unterdrücken. Doch jetzt und hier bin ich nicht länger in der Lage, die Mauern aufrecht zu erhalten. Ein Ruck geht durch meinen Körper und ich höre mich selbst flüstern: "Roland." Eine Hand legt sich auf meinen Arm und ich muss nicht hinsehen, ich spüre, dass es die von Joey ist und der sanfte Druck hat etwas tröstliches. Ich schlucke erneut und habe den Eindruck, dass meine Beine jeden Moment nachgeben, dass ich es nicht länger schaffe mich auf ihnen zu halten genau wie in jenem Moment als der Hüne die Waffe auf Mokuba richtet und mein Herzschlag für einen Augenblick aussetzte. Auch da waren all diese Gefühle und drohten mich gänzlich in Besitz zu nehmen. Einzig der Gedanke, dass ich Mokuba retten müsse, hielt mich aufrecht und vermochte es irgendwie, mich handeln zu lassen. Doch jetzt und hier kann ich nicht eingreifen. "Er wird durchkommen." höre ich Joey leise sagen und der Druck auf meinen Arm verstärkt sich kurz. Immer noch blicke ich auf das blutgetränkte Hemd, dass ich noch nie anders als in blütendem weiß gesehen habe. Gleichgültig wo wir waren oder was wir getan haben, Roland´s Anzug hat immer perfekt gesessen. Das Hemd war weiß und ohne jede Falte und jetzt ist es voller Blut. "Seto." Mokuba weint noch immer und irgendwie gelingt es mir, mich aus meiner Starre zu lösen. Ich gehe in die Knie und sehe meinem Bruder in die Augen. Jetzt erst merke ich, dass auch mein Blick getrübt ist, dass sich Tränen in meinen Augen zu sammeln beginnen und ich verspüre den Impuls mich abzuwenden, damit er sie nicht sieht, aber ich gebe ihm nicht nach, sondern sehe Mokuba weiter an. "Er wird durchkommen, Moki. Genau wie Joey gesagt hat." versichere ich ihm und bin erleichtert, dass meine Stimme wieder nach mir klingt. Mein Herz rast immer noch und es kostet mich Kraft, diesem Sturzbach an Gefühlen stand zu halten, doch irgendwie schaffe ich es. Ich sehe meinem Bruder fest in die Augen und lese darin all das was auch mein Innerstes gerade bewegt. Für uns beide war Roland immer mehr als nur mein Assistent. Er ist ein Teil unserer Familie, auch wenn keiner von uns und ich am wenigsten, dass je ausgesprochen hat. Es musste nicht ausgesprochen werden. Wir wissen es. Alle drei. Mokuba´s kleiner Körper bebt und er macht einen Schritt auf mich zu. Seine Arme schlingen sich um meinen Körper und ich tue es ihm gleich, halte ihn fest und streiche mit einer Hand beruhigend über seinen Kopf. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie selten ich meinen Bruder in die Arme genommen habe und wie wenig ich umarmt wurde. Mokuba weint an meiner Schulter, die Tränen durchnässen mein Hemd, dass ich mir schnell übergestreift habe, als Mokuba´s Rufen, Joey und mich aufschrecken ließ und ich gleich wusste, dass etwas passiert sein musste. Meine Schulter schmerzt unter der Berührung, genau wie vorhin als Joey sich an mich klammerte, doch wie eben ist mir der Schmerz egal. Er kümmert mich nicht. "Die Stichverletzung ist zwar tief, aber ich glaube nicht, dass ein wichtiges Organ verletzt wurde." höre ich Ishizu sagen und wende den Kopf leicht, um zu ihr rüber zu sehen. Mein Blick gleitet zu Roland´s Gesicht und ich sehe seine Lider flackern. Zaghaft löse ich mich etwas von Mokuba und Joey tritt neben uns. Ich nicke ihm kurz zu und er scheint, meine unausgesprochene Aufforderung zu verstehen. Er zieht den Kleinen an sich und ich gehe zu Roland. Der Arzt ist bereits eingetroffen. Es ist der gleiche Mann, der mich behandelt hat. Er nickt mir kurz zu, tauscht dann ein paar Worte mit Odion und Ishizu aus und ich beuge mich zu Roland. Seine Augen sind noch immer geschlossen, aber seine Lider bewegen sich und ich nehme auch wahr, dass er atmet. Einen Moment betrachte ich sein Gesicht. Selten sehe ich es ohne die obligatorische Sonnenbrille, die mein Assistent fast nie abzulegen scheint. Noch immer stehen mir Tränen in den Augen. Meine Hand sucht nach der von Roland. "Eigentlich müsste er ins Krankenhaus." höre ich Ishizu sagen. "Aber Rashid meint, es würde auch so gehen, zumindest wenn es in den nächsten Stunden zu keinen Komplikationen kommt." Ich nicke nur und die Ägpyterin redet weiter. "Es sind keine Organe verletzt und Roland hat scheinbar auch sehr schnell reagiert und durch Druck die Blutung zurückgehalten." Typisch Roland. Selbst in solch einer Situation reagiert er perfekt. Unwillkürlich muss ich lächeln und drücke die Hand des Mannes, der mehr Vater für mich war als mein leiblicher Vater und Gozaburo Kaiba zusammen, was mir gerade erst wirklich bewusst wird. Mit einem Mal fallen mir wieder all die Kleinigkeiten ein, die Roland für mich getan hat noch lange bevor er in meinen Diensten stand. Ob er mir nun spät nachts noch etwas zu essen ins Zimmer schmuggelte, wenn ich wieder einmal nicht mit bei Tisch sein durfte, weil ich mit meinen Aufgaben nicht rechtzeitig fertig geworden war, oder dass er für mich den Boten spielte, wenn ich Mokuba eine Nachricht übermitteln wollte. Kleinigkeiten, die mit der Zeit verblasst sind, damals jedoch einer der wenigen Lichtblicke waren. "Siehst du, Mokuba. Ich hab´s dir doch gesagt." meint Joey. Die Beiden sind zu mir getreten und das Hündchen lächelt mich aufmunternd an. "Roland ist ein zäher Kerl. Der Angreifer hätte sich schon mehr einfallen lassen müssen..." Mokuba nickt, doch seine Miene ist immer noch ernst und ich vermute, dass er sich trotz meiner Worte die Schuld an diesem Angriff gibt. "Also werden wir beobachtet." Ich spreche den Gedanken laut aus und Joey´s Miene verdüstert sich fast sofort. "Odion meinte, der Angreifer hätte es direkt auf Roland abgesehen. Es wurde kein Versuch unternommen, Mokuba zu entführen." erzählt er mir dann und mein Blick wandert wieder zu meinem Assistenten. Warum zum Teufel sollte es jemand auf Roland abgesehen haben? Das ergibt doch keinerlei Sinn. Roland anzugreifen, um Mokuba zu entführen, hätte mir eingeleuchtet, aber dieser Angriff... Warum sollte Grey Roland attakieren wollen? Der Hass dieses Mannes kann doch nicht so weit gehen, dass er... Ich schlucke. Mokuba und Roland sind die Menschen, die mir bislang am Nächsten standen. Die zwei Personen, die als einziges eine Rolle in meinem Leben spielten und wenn dieser Grey sich wirklich eingehend über mich informiert hat, dann muss er wissen, dass Roland mehr ist als nur ein Angestellter. Dem zufolge macht dieser Angriff auch wieder irgendwo Sinn. Dieser Kerl will mich am Boden sehen. Er hat damit begonnen, mir alles wegzunehmen was mir wichtig ist. Dazu gehört auch Roland. Schlagartig begreife ich das Ausmaß dieser Schlussfolgerung und blicke rüber zu Joey, der immer noch die Hände auf Mokuba´s Schultern hat. Weiß Grey bereits, wie es um Joey und mich steht? Wenn er es weiß, dann... Dann müsste Joey sein nächstes Opfer sein. Ja, wenn ich Grey richtig einschätze, ist dies die logische Schlussfolgerung. Diese Erkenntnis prallt mit einer solchen Wucht gegen meinen Verstand, dass ich scharf die Luft einziehe und spüre wie sich alles in mir zusammenzieht. Mein Blick wandert zu dem blonden Hündchen. Sein Blick trifft meinen und er runzelt die Stirn. "Seto?" Scheinbar kann er meine Miene entnehmen, dass etwas nicht stimmt. Ich schließe kurz die Augen, dann winke ich ab und will mich gerade wieder Roland zuwenden als ein Bild vor meinem geistigen Auge erscheint als würde ein Blitz einschlagen. Das Ganze dauert nur ein paar Sekunden, vielleicht sogar nur eine, gerade lange genug, um es anzusehen. Erst vermag ich nichts damit anzufangen. Die Personen, die vor meinem inneren Auge wie aus dem Nichts auftauchen, sind mir fremd, ich kann die dargestellte Szene nicht einordnen. Ich glaube, wieder Joey´s Stimme zu hören und schließe für einen Augenblick die Augen und in eben diesem Moment, erinnere ich mich. Mit einem Mal weiß ich wieder wo ich John Armstrong zum zweiten Mal begegnet bin. Es war eine zufällige Begegnung und er war es gewesen, der mich angesprochen hatte. Er kam auf mich zu und ich erinnere mich noch, dass ich im ersten Augenblick nicht wusste wie ich reagieren sollte. Mir war klar, dass mein Adoptivvater es nicht gerne sehen würde, wenn ich mich mit dem jungen Mann unterhielt. Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Es war kurz nach dem Besuch der Familie Armstrong in der Kaiba Villa. "Seto, verdammt, was ist los? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen." Joey´s Stimme bebt vor Sorge und als ich ihn ansehe, sind seine braunen Augen eine Spur dunkler geworden. "Ich erinnere mich an John Armstrong. An meine zweite Begegnung mit ihm." bringe ich mit tonloser Stimme hervor und Joey´s Augen weiten sich. "Wir trafen uns zufällig... Ich war auf dem Weg zu einer Veranstaltung, die ich auf Gozaburo´s Befehl hin besuchen sollte." Ich atme tief durch und Joey sieht mich erwartungsvoll an. "Er war nicht alleine." Kapitel 75: Schlussfolgerungen (Jack) ------------------------------------- "Ich nehme an, dass es sich bei dem Typen nur um einen Strohmann handeln wird. Ich bezweifle, dass dieser Grey persönlich in Erscheinung tritt." meint Jackson und ich nicke. "Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann hat er das bislang nicht getan, folglich ist anzunehmen, dass er es auch jetzt nicht tun wird." Ich nicke erneut, auch wenn es nichts neues ist, dass mein Freund mir mitteilt. Ich hatte den gleichen Gedanken. "Denkst du es würde etwas bringen, das Treffen überwachen zu lassen? Vielleicht führt der Strohmann uns ja zu diesem Grey?" frage ich dann und Jackson lacht kurz auf ehe er den Kopf schüttelt. "Alter Junge, du solltest so oder so nicht alleine zu diesem Treffpunkt gehen. Das wäre mehr als törricht." meint mein Freund und sieht mich dabei ernst an. "Ich kann nur Vermutungen anstellen, was dieser Kerl vorhaben könnte, aber auch wenn ich augenblicklich davon ausgehe, dass man dich nicht entführen wird, heißt das noch lange nicht, dass ich recht behalte." "Was würde es auch nützen, mich zu entführen?" sinniere ich laut. Über diese Möglichkeit habe ich schon ein paar Mal nachgedacht und bislang keine befriedigende Antwort gefunden. Jackson zuckt mit den Schultern. "Man könnte Joey auf diesem Wege erpressen." erwidert er knapp. "Das wäre allerdings ein lausiger Spielzug, denn dieser Grey müsste ausschließen können, dass Kaiba von der Entführung erfährt. Gut, es ließe sich sicher bewerkstelligen, aber ich halte solch eine Vorgehensweise für unwahrscheinlich. Dennoch solltest du dich absichern. Wenn du willst, werde ich dir folgen und ein Auge auf die Sache habe." Ich nicke. Darauf wollte ich hinaus. Der Briefeschreiber hat zwar ausdrücklich angeordnet, dass ich alleine kommen soll, aber ich schätze, dass nicht einmal er davon ausgeht, dass ich mich daran halten werde. Vermutlich wird er damit rechnen, dass ich mich beschatten lasse, ja, es sogar erwarten. "Falls du dir Gedanken machen solltest, dass..." hebt Jackson an, aber ich winke ab. "Tue ich nicht." versichere ich ihm schnell und lächele ihn kurz an. "Ich weiß wie gründlich du deine Arbeit machst." Auch er lächelt mich knapp an und wird dann schlagartig wieder ernst. "Ich gehe davon aus, dass es zu nichts führen wird, wenn wir diesem Kerl nach dem Treffen zu folgen versuchen." fährt er dann in seiner Ausführung fort. "Man wird damit rechnen, dass du nicht alleine kommst, ob man mich nun bemerkt oder nicht. Und man wird solch einen Versuch auch erwarten. Zudem ist nicht offensichtlich, wo sich dieser Grey wirklich aufhält. Vielleicht bekommt sein Kontaktmann hier nur via Telefon oder Computer seine Instruktionen..." Jackson zuckt mit den Schultern und ich habe den Eindruck, dass er über diese Optionen schon zur Genüge nachgedacht hat. Nun, eigentlich bin ich mir sicher, dass dem so ist. Ich vermute sogar, dass er sämtliche Möglichkeiten erschöpft hat, noch ehe ich ihm das zweite Schreiben gezeigt habe. Ein Mann wie er denkt an alles, was vielleicht auch der einzige Grund dafür ist, dass meine Unruhe mich nicht übermannt. "Was glaubst du, will der Kerl von mir?" Ich habe ihn das schon einmal gefragt und er konnte mir natürlich keine klare Antwort geben. Genauso wenig wie jetzt. Das zweite Schreiben enthielt keine wirklichen Informationen. Nur eine Anweisung für mich an einem bestimmten Treffpunkt zu vorgeschriebener Zeit zu erscheinen. Alleine. Jackson überlegt dennoch. "Ich glaube, dass man dir nahelegen wird, Joey zu sagen, dass er sich von diesem Kaiba fernhalten soll." sagt er schließlich. "Dieser Typ hat Beweise, dass dein Sohn bei diesem Deutschen war und das kurz vor dessen Tod und er hat zumindest damit Recht, dass es die Polizei sicherlich interessieren würde. Ob diese Beweise nun ausreichend wären für eine Verhaftung kann ich dir nicht sagen, aber sie würden Joey auf jeden Fall in eine sehr ungemütliche Lage bringen." Ich seufze. Dessen bin ich mir bewusst und in Hinblick darauf, dass es diesem Grey bereits möglich war, Seto Kaiba auf solchem Wege fast ins Gefängnis zu bringen, weiß ich, dass ich diese Sache nicht unterschätzen darf. Joey ist an dem Tag nach Deutschland geflogen als der Anschlag auf diesen Siegfried von Schröder verübt wurde. Das wird man mit Leichtigkeit herausfinden können, womit man ein weiteres Indiz gegen meinen Sohne hätte, sofern man versucht wäre, ihn mit dem Tod des Deutschen in Verbindung zu bringen. Dabei sind die Bilder schon eindeutig genug. "Diese Sache ist nicht zu unterschätzen, Jack. Er könnte deinem Sohn ernsthaft schaden und ich bezweifle, dass es selbst für dich leicht wäre, ihn aus der Sache wieder rauszubekommen." höre ich Jackson sagen und muss unwillkürlich schlucken. Jackson´s Blick ruht weiterhin mit ernster Ausdrücklichkeit auf mir. "Dessen bin ich mir bewusst." entgegne ich seufzend. "Und ich stimme dir zu, ich glaube, das wird es sein worauf es hinausläuft. Man will Kaiba isolieren und wenn Joey mit ihm bricht, dann bricht aus seine Verbindung zu seinem Bruder." Mein Gegenüber nickt. "Zwei Fliegen mit einer Klappe." bemerkt er und wieder einmal stelle ich fest, dass dieser Grey seine Schachzüge wirklich sehr gut zu machen versteht. Er weiß genau was er will und wie er es bekommt. Das hat er bislang oft genug unter Beweis gestellt. Aber denkt er ernsthaft, dass ich Joey zurückpfeifen würde? Dass ich ihn zurückpfeifen könnte? Es scheint fast als könne Jackson meine Gedanken lesen, denn seine nächsten Worte treffen sich mit meinem Gedankengang. "Man wird erwarten, dass du Joey unter Druck setzt, damit er sich zurückzieht und man rechnet damit, dass deine Sorge, um deinen Sohn groß genug dafür ist." meint mein Freund und ich nicke. "Und vielleicht wäre es das Klügste, wenn du auch genau das tun würdest, Jack." Einen Moment lang starre ich mein Gegenüber überrascht an. Schlägt er mir tatsächlich vor, mich auf diese Erpressung einzulassen? Ich weiß, dass Joey sein eigenes Wohl egal sein würde. Selbst wenn er gezwungen wäre, zu fliehen, wenn die Polizei hinter ihm her wäre, würde er sich von seinen Freunden nicht abwenden. So gut kenne ich meinen Sohn inzwischen. Nein, Joey würde an Kaiba festhalten, koste es was es wolle. Es sei denn... und das scheint die Option zu sein, auf die dieser Grey hinaus will, dass mein Sohn sich zwischen Kaiba und mir entscheiden müsse. "Denkst du ernsthaft, dass ich darauf eingehen sollte?" frage ich meinen alten Freund ungläubig. Jackson hält meinem Blick gelassen stand und nickt. "Ja, das denke ich." antwortet er mit fester Stimme und ich verspüre einen leichten Stich. Diese Aussage, sein Vorschlag überrascht mich nicht nur, es enttäuscht mich auch irgendwie. "Dieser Kerl will Seto Kaiba fertig machen und dazu ist ihm jedes Mittel Recht." bemerkt Jackson ernst. "Und er wird keineswegs davor zurückschrecken, auch deinem Sohn etwas anzutun, Jack, ich denke daher..." Ich schüttele den Kopf. "Das weiß ich alles, Jackson!" unterbreche ich meinen Freund ungehalten und lauter als gewollt. "Ich weiß, dass Joey durchaus in Gefahr schwebt und er sich auf Dinge eingelassen hat, die noch weitaus gefährlicher werden könnten. Aber..." Ich halte kurz inne und suche nach den richtigen Worten während Jackson mich aufmerksam mustert. "Aber mein Sohn liebt diesen jungen Mann." sage ich schließlich und sehe ihm direkt in die Augen. "Und er will ihm helfen!" Ich seufze. "Ich habe Seto Kaiba kennengelernt, Jackson. Er ist ein ungewöhnlicher, junger Mann. Vielleicht etwas zu hart und verschlossen für sein Alter, aber er ist ein guter Mensch und was man ihm antut..." Erneut schüttele ich entschieden den Kopf und überlege wie ich meinem Freund begreiflich machen soll, dass ich mir einerseits natürlich große Sorgen, um meinen Sohn mache, ich ihn aber auch verstehen kann. Kaiba bedeutet Joey eine Menge. Vielleicht hat mein Sohn in ihm diesen einen, besonderen Menschen gefunden, den man sein Leben lang sucht und umgekehrt scheint es ebenso der Fall zu sein, nach allem was Joey mir über Seto erzählt hat. "Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich von meinem Sohn verlangen würde, seinen Freund aufzugeben? Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich diesem jungen Mann, die Hilfe, die ich ihm angeboten habe, wieder entziehe und..." Ich komme nicht dazu den Satz zu beenden, denn Jackson hat sich erhoben und fällt mir ins Wort. "Jack." sagt er mir ruhigem, nüchternen Tonfall und erst jetzt fällt mir auf, dass ich impulsiver reagiert habe als er es von mir gewohnt sein dürfte. Ich halte schlagartig inne und sehe meinen Freund an. Er mustert mich abermals einen Augenblick, dann meint er: "Ich denke, es wäre das Beste, wenn du mit Joey darüber redest. Sag ihm was los ist." Einen Augenblick überrascht mich der plötzliche Wechsel in unserer Unterhaltung. "Als ich sagte, dass du genau das tun sollst, was man von dir verlangt, wenn es denn das ist, was wir vermuten, wollte ich darauf hinaus, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, dem Feind in die Hände zu spielen." erklärt mir Jackson und ich sehe ihn kurz irritiert an. "Du meinst, Joey sollte so tun als würde er..." hebe ich an und scheine seinen Gedankengang nun langsam zu begreifen. Er nickt. "Genau das." stimmt er zu. "Joey soll so tun als würde er Kaiba den Rücken zukehren. Vielleicht können wir so diesen Grey aus der Reserve locken." "Hm." Auf diesen Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen, aber jetzt wo er es sagt... Es wäre durchaus möglich, dass wir auf diesem Wege etwas erreichen. Und Joey wäre erst einmal auch wieder aus der Schusslinie. So gesehen wäre es wirklich eine Option, es zu versuchen. Und wenn Kaiba wüsste, dass Joey sich aus besagten Gründen, von ihm zurückzieht... Ich bin sicher, dass der ehemalige Firmenchef auch keinesfalls wollen würde, dass sich mein Sohn in Gefahr begibt. Vermutlich würde er sich von selbst zurückziehen, wenn er von dieser Sache Kenntnis hätte. Ja, so wie ich den jungen Mann einschätze, würde er genau das tun. "Es ist eine Überlegung wert." stimme ich Jackson schließlich zu und er nickt zufrieden. "Zudem würde es uns Zeit verschaffen." fügt er hinzu. "Wenn der Feind wirklich glaubt, dass Joey mit Kaiba bricht, ist er erst einmal außen vor und wir hätten Zeit, einen Weg zu suchen, aus der ganzen Sache raus zukommen." Unwillkürlich muss ich grinsen. "Wir." stelle ich fest und Jackson lacht. "Wir." bestätigt er. "Du denkst doch nicht, dass ich dich in so einer Situation hängen lasse, alter Junge, oder?" Einen Augenblick sehen wir einander grinsend an. Jackson wird als erster wieder ernst. "Geh zu dem Treffen." fordert er mich dann auf. "Finde als erstes einmal heraus, ob wir Recht haben und es das ist, was man von dir will. Ich werde dich dabei überwachen." Ich nicke. "Und dann werde ich Joey und Seto von all dem unterrichten. Sie müssten ja ohnehin bald wieder hier sein." beende ich seinen Vorschlag und er nickt. "Ich nehme an, du konnest bislang nichts in Erfahrung bringen, was uns weiterhelfen könnte?" frage ich nach kurzem Schweigen und entnehme zugleich Jackson´s Miene, dass ich mich irre. Er strafft sie Schultern und richtet sich kerzengerade auf. "Ich habe ein paar Nachforschungen über diesen John Armstrong angestellt." höre ich ihn dann sagen und werde schlagartig hellhörig. Jackson nickt, um seine Aussage zu unterstreichen. "Viel habe ich nicht herausgefunden, aber von Seiten unserer Regierung ist man davon überzeugt, dass der Tod des Jungen keineswegs auf einen Unfall zurückzuführen ist, auch wenn die Untersuchungen der japanischen Behörden nichts anderes ergeben haben." Ich halte gebannt den Atem an und höre Jackson´s Ausführungen zu. "Man konnte zwar nichts beweisen, aber in gewissen Kreisen wusste man durchaus von der Verbindung von John´s Vater zu Gozaburo Kaiba und auch was es damit auf sich hatte. Das ist wohl auch der Grund, warum man nicht weiter nachgeforscht hat. Man wollte es vermeiden, unnötigen Staub aufzuwirbeln. Immerhin war Armstrong als offizieller Botschafter der USA in Japan." Ich nicke. Was er sagt, macht Sinn. Wenn Armstrong Kaiba bei irgendwelchen krummen Geschäften geholfen hat oder sogar selbst darin verwickelt war, dann hat man mit Sicherheit versucht, diesen Umstand zu vertuschen. Die Konsequenzen für beide Länder wären sonst zu groß gewesen und die Spannungen zwischen den Staaten und Japan sind nach Peal Harbor und dem unseligen Einsatz in Hiroshima und Nagasaki nie wirklich ganz verflogen. Verständlicherweise. Folglich würde man sich bemühen, die Annäherung beider Länder nicht unnötig zu gefährden. Vermutlich hat man Armstrong deshalb auch so schnell zurück in die Staaten beordert, abgesehen davon, dass der Mann sicherlich ohnehin Japan verlassen wollte nach dem Tod seines Sohnes. "Ich bin nicht sicher ob es mit unserer Angelegenheit etwas zu tun hat, aber aus gut unterrichteten Kreisen habe ich erfahren, dass der junge Armstrong in einer Beziehung war bevor er ums Leben kam." fährt Jackson mit seiner Rede fort. "Allem Anschein nach nichts offizielles, aber seine Mutter hat jemandem gegenüber angedeutet, dass es in John´s Leben jemanden gab." Ich brauche einen Moment, um die Information zu verarbeiten, dann reiße ich die Augen auf und frage ungläubig: "Seine Mutter?" Jackson nickt. "Wie gesagt, die Information habe ich nur zufällig bekommen. Mein Informant vermutet, dass es sich dabei um eine delikatere Angelegenheit gehandelt hat. Allem Anschein nach waren seine Eltern und insbesondere sein Vater mit seiner Wahl nicht unbedingt einverstanden." erklärt mein alter Freund mit sachlich weiter und ich ahne worauf das hinaus laufen wird. "Er hatte einen Freund." Es ist keine Frage, sondern eine logische Schlussfolgerung. Jackson nickt. "Ja, so sieht es aus und scheinbar war es dem Jungen ernst, sehr zum Leidwesen seines Vaters." bestätigt er meine Feststellung und ich muss unwillkürlich wieder an Joey denken. Joey und seinen Freund. Jackson zuckt leicht mit den Schultern und bedenkt mich dann mit einem vielsagenden Blick. "Ich weiß nicht, in wiefern da ein Zusammenhang besteht, aber so gesehen, wäre es doch keineswegs abwegig, wenn..." "Wenn John Armstrong´s Freund dabei wäre, sich für den Tod seines Liebsten zu rächen." beende ich seinen Satz und Jackson nickt. Kapitel 76: Der Nebel lichtet sich ---------------------------------- Merci mal wieder für eure lieben Kommi´s und Sorry, dass ich euch augenblicklich so warten lasse. Ich hoffe wirklich, dass ich bald wieder mehr Zeit für´s Schreiben haben werde. Wünsche euch weiterhin viel Spass und ein schönes Wochenende! Ich starre Seto entgeistert an und brauche einen Moment, um das was er gerade gesagt hat zu begreifen. Sein Teint ist noch blasser geworden als er es üblicherweise ohnehin schon ist und auch aus seinen Lippen ist sämtliche Farbe gewichen. Er erinnert sich also an John Armstrong. Mein Herzschlag hat sich beschleunigt wie mir plötzlich auffällt und ich halte gebannt die Luft an. Obgleich ich ihn fragen will, was das zu bedeuten hat, an was genau oder besser gesagt an wen genau, er sich erinnert, bin ich unfähig mich zu rühren und kann ihn nur ansehen. Ich ahne, dass diese Erinnerung etwas zu bedeuten hat. Vielleicht ist sie sogar der Schlüssel zu all dem was mit ihm geschieht und seiner Miene nach zu urteilen, denkt er genauso. "Seto." vernehme ich Mokuba´s Stimme und aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass auch der Kleine blass geworden ist. Sein Bruder rührt sich nicht als er ihn anspricht. Er sieht weiterhin mich an und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er durch mich hindurch sieht. "Wer war bei ihm?" will Mokuba mit bebender Stimme wissen, doch Seto rührt sich nicht und gerade als ich es dem Kleinen gleich tun will und mich ebenfalls anschicke diese, vielleicht alles entscheidende Frage zu stellen, höre ich ein leises Stöhnen. "Master...Kaiba." Seto´s Blick löst sich von mir und wandert blitzschnell zu seinem Assistenten, der langsam die Augen öffnet. Jetzt erst fällt mir auf, dass der ehemalige Firmenchef noch immer Roland´s Hand hält. "Roland." Seine Stimme spiegelt all die Sorge wieder, die ich schon die ganze Zeit unter der emotionslosen Maske sehen konnte und sie versetzt mir einen Stich. Würde Mokuba da liegen oder ich, Seto würde sich nicht besorgter anhören. Dessen bin ich mir sicher. Der sonst so stoische Assistent dreht seinem Herrn leicht den Kopf zu und sein Blick trifft den von Seto. "Es...tut...mir...leid..." Roland´s Stimme ist nur ein Flüstern und ich muss genau hinhören, um zu verstehen was er sagt. "Geht..es... Ist... Master...Mokuba..." "Mokuba geht es gut. Er ist in Sicherheit." vernehme ich Seto´s ruhige Stimme und habe fast den Eindruck, dass der Assistent erleichtert aufatmet. "Und sie werden auch bald wieder auf den Beinen sein." höre ich meinen Freund sagen. "Sie waren wie immer..." Seto schluckt und ich vermute, dass er nach den richtigen Worten sucht oder vielmehr nach Worten, die nicht verraten, dass er aufgewühlt ist. Wie immer scheint er darum bemüht, die Fassung zu bewahren, dabei weiß jeder hier im Raum, dass er sich Sorgen macht, dass er vorhin noch Angst um Roland hatte. Ich habe es ihm deutlich angesehen als Odion und Mokuba uns von dem Angriff berichteten und auch als er seinen Blut überströmten Assistenten sah. Für einen Moment bekam seine Maske Risse, so tiefe Risse, dass er nicht zu verbergen vermochte, was in ihm vorging. Roland´s Lider flattern leicht und für einen Moment schließt er auch wieder die Augen. Dunkel nehme ich wahr, dass Seto seine Hand drückt und ich glaube, wenn keiner von uns anderen anwesend wäre, würde er jetzt auch etwas zu ihm sagen. Etwas, von persönlicherer Natur. Selbst jetzt habe ich den Eindruck, dass er mit sich ringt. Und als würde sein Bruder die Situation genauso begreifen wie ich, löst er sich von mir und macht einen Schritt auf die Beiden zu. "Sie haben mir eine Heidenangst eingejagt, Roland." höre ich Mokuba sagen. Er schnieft kurz. "Sie können uns doch nicht alleine lassen." Unwillkürlich muss ich lächeln und ein seltsames Gefühl beschleicht mich. Für einen Moment betrachte ich fasziniert und irgendwie gerührt, das Bild der beiden Brüder, die sich mehr oder weniger über ihren Angestellten beugen, der im Grunde doch so viel mehr für sie ist. Roland ist ein Teil ihrer Familie. Ein Freund. Vielleicht sogar mehr. Sowohl für Seto als auch für Mokuba und das was der ältere Kaiba nicht auszusprechen vermag, fasst der Jüngere in naiv-süße Worte. Und natürlich versteht Roland beides nur zu gut. Selbst in seinem jetztigen Zustand. Dessen bin ich mir sicher. Er öffnet langsam wieder die Augen und bedenkt Mokuba mit einem liebevollen Blick. "Natürlich, Sir." haucht der Verwundete und ich kann nicht umhin, den Mann zu bewundern. Einmal abgesehen davon, dass er nicht nur schon seit Jahren, Kaiba´s Launen über sich ergehen lässt, was - wie ich selbst nur zu gut weiß - alles andere als leicht ist, er versteht seine Schützlinge auch, vielleicht besser als jeder andere, einschließlich meiner Wenigkeit. Und er ist bereit jederzeit alles für die Beiden zu tun. Das hat er bislang mehr als einmal unter Beweis gestellt. Wirklich zu schade, dass ich ihn nicht in Aktion erleben konnte. Das hätte ich zu gerne gesehen. Mokuba´s Schilderung sprach zwar für sich, aber einen Roland, der in Wolverine-Manier mit einem Riesen kämpft... Noch während ich darüber nachdenke, fallen mir Seto´s Worte wieder ein. "Seto?" hebe ich vorsichtig an und er wendet mir den Kopf zu. Scheinbar vermag er es in meinem Gesicht zu lesen, denn er nickt leicht und wendet sich dann noch einmal Roland zu. "Kommen sie schnell wieder auf die Beine, Roland." höre ich ihn sagen und erneut drückt er kurz die Hand seines Assistenten. Dann löst er sich von ihm und deutet Mokuba an, seinen Platz einzunehmen, was der Kleine auch umgehend tut. Der Arzt scheint inzwischen seine Arbeit getan zu haben und unterhält sich auf arabisch mit Ishizu. Seto tritt zu ihnen und wechselt ebenfalls ein paar Worte auf arabisch mit den Beiden, dann deutet er mir an, ihm zu folgen. "Wo sind Bakura und die anderen?" will er wissen, was mich nicht wirklich überrascht. Ich zucke mit den Schultern. "Bakura wollte zu Alister und Duke... ich glaube, er ist bei Marik." erwidere ich und er scheint einen Moment zu überlegen. Einen Moment steht er unschlüssig da, doch innerhalb von ein paar Sekunden trifft er wohl eine Entscheidung und schreitet in Richtung seines Zimmers. Ich folge ihm wortlos und erst als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, frage ich das was mir eigentlich schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt: "Was hast du damit gemeint, er war nicht allein?" Seto antwortet nicht gleich. Er geht zu dem kleinen Beistelltisch und greift sich eine seiner Zigaretten und ich warte bis er sie sich angezündet hat. Dann blickt er sich um und ich bin nicht sicher, aber ich habe den Eindruck, dass er was sucht, jedoch nicht findet. Schließlich wendet er sich mir zu und mir fällt auf, dass seine Miene noch immer mehr als ernst ist. Erwartungsvoll sehe ich ihn an. "Ich weiß nicht, wer der Typ war, der bei ihm war. Er war mir nicht bekannt und er hat ihn mir auch nicht vorgestellt." beantwortet er endlich meine Frage und zieht dann an seiner Zigarette. "Aber du denkst, dass diese Begegnung etwas mit dieser ganzen Geschichte zu tun hat?" äußere ich meine Vermutung und er nickt. "Ja, das denke ich." bestätigt er meine Schlussfolgerung. "Und auch wenn es kleinerlei Indiz dafür gibt, ich vermute, dass sein Begleiter von damals Grey war." Obgleich ich bereits bei seiner Äußerung vorhin zu einem ähnlichen Schluss gekommen bin, überrascht mich seine Aussage dennoch. "Diese Begegnung war reiner Zufall." fährt Seto mit seiner Erzählung fort und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit vermag ich seinen Gesichtsausdruck nicht wirklich zu deuten. "Natürlich wäre es möglich, dass er mich dort abgepasst hat, aber das glaube ich nicht. Wenn ich mich recht erinnere, dann war er überrascht mich zu sehen, sogar ein wenig... pikiert." Er hält kurz inne, inhaltiert und scheint sichtlich bemüht, sich an jede Einzelheit zu erinnern. "Ja, er wirkte überrascht. Ich denke daher nicht, dass er mit meinem Erscheinen gerechnet hat und es wäre auch eher unwahrscheinlich, dass er wissen konnte, dass ich an diesem Seminar teilnehmen würde." Ich nicke leicht und lasse mich in einem der Sessel nieder, während er im Zimmer auf und ab geht. Ich weiß nicht warum, aber genau wie er, glaube ich, dass diese Begegnung wirklich etwas mit der ganzen Sache zu tun hat. Ich könnte nicht sagen, warum ich das denke, aber ich bin mir dessen fast sicher. "Was wollte er von dir?" frage ich nach als er nicht weiterredet und sehe, dass seine Schultern sich unwillkürlich straffen. Mit einem Mal wirkt er steif und verkrampft und ich vermute, dass diese Reaktion mit dem zusammenhängt, was John Armstrong an diesem Tag von ihm wollte. Und mit Gozaburo Kaiba. Seinem Adoptivvater. Unwillkürlich muss ich an etwas denken, dass mein Vater mir gleich zu Beginn der ganzen Sache gesagt hat. Damals als ich den ersten Bericht über Mokuba und Seto in der Zeitung gelesen habe. "Die Vergangenheit, Joey, holt einen immer wieder ein. Man kann ihr nicht entfliehen und sie nicht hinter sich lassen. Besonders nicht, wenn es noch Dinge gibt, die nicht abgeschlossen wurden. Früher oder später kommt alles zurück." Jack´s Worte waren auf Seto bezogen. Auf Seto und mich und er hatte Recht behalten. Doch man kann sie auch auf Kaiba beziehen. Seine Vergangenheit hat ihn eingeholt, auch wenn ich augenblicklich nicht wirklich weiß, was das zu bedeuten hat. Aber ich habe eine Ahnung und ich denke, er ebenfalls und auch wenn es für ihn sicherlich schmerzlich werden dürfte, sich mit all dem wieder auseinandersetzen zu müssen, vielleicht hilft es uns weiter und wir können diese Sache endlich beenden. Ich hoffe es. Obgleich ich darauf brenne, zu erfahren, was es mit dieser Begegnung nun auf sich hat, widerstehe ich dem Wunsch, nachzuhaken oder ihn zu drängen. Er scheint ohnehin in Gedanken versunken und seine Züge sind wieder zu dieser ausdruckslosen Maske geworden, dass ich fast sicher bin, dass er an Gozaburo Kaiba denkt. Der Mann, der im Grunde den Schlüssel zu all dem hier darstellt und erneut fällt mir ein, was Mokuba mir irgendwann gesagt hat, dass er sich wünschte, sie wären nie zu dem Industriemagnaten gekommen. "Ich habe ihn nicht auf Anhieb erkannt." nimmt Seto schließlich seine Erzählung wieder auf und seine Stimme klingt vollkommen emotionslos und nüchtern als würde er beiläufig ein Referat halten. Sein Tonfall steht in totalem Kontrast zu der Art wie er eben noch mit Roland geredet hat und unwillkürlich muss ich schaudern. "Als er mit seinen Eltern in der Villa war, waren wir nur kurz miteinander bekannt gemacht worden. Danach wurde ich wieder zum lernen auf mein Zimmer geschickt." Ich beobachte ihn, wie er mit einer grazilen Geste, die Zigarette ausdrückt ehe er fortfährt: "Er begrüßte mich freundlich. Typisch Amerikaner. Sein Begleiter hielt sich abseits." Ich nicke und spüre, dass mein Herz wieder schneller zu schlagen beginnt. Meine Kehle ist trocken und ich wünschte, ich hätte einen Drink, doch ich will ihn keinesfalls unterbrechen, also rühre ich mich nicht und warte geduldig. "Wir tauschten ein paar Höflichkeitsfloskeln aus und eigentlich war für mich die Unterhaltung damit auch beendet, doch dann fragte er mich, ob er kurz unter vier Augen mit mir reden könne, was mich natürlich überraschte, da ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, welchen Grund er für solch eine Anfrage habe könne." Seto greift erneut nach seinen Zigaretten und obgleich seine Hände mehr als ruhig sind, spüre ich seine Anspannung. "Ich willigte ein und er gab seinem Begleiter ein Zeichen, dann gingen wir ein paar Schritte und..." Er hält kurz inne, zieht an seiner Zigarette und ich habe nicht die geringste Ahnung worauf das hier hinauslaufen wird, geschweige denn warum er so angespannt sein könnte. Liegt es daran, dass er hinter John´s Begleiter Grey vermutet? Seine nächsten Worte überraschen mich und ich sehe ihn verständnislos an. "Er wollte meine Hilfe." Ich blinzele. "Deine Hilfe?" frage ich irritiert. Kapitel 77: Hintergründe und Strategien Teil 1 (Bakura) ------------------------------------------------------- Mea culpa, dass ich euch hab so lange warten lassen, aber nun geht´s endlich wieder weiter! Endlich habe ich auch mal wieder Zeit zum Schreiben! Ich hoffe ihr habt nach wie vor Spaß an der Story. Danke auch für die tollen Kommentare!! Viel Spaß! "Sag jetzt nichts!" zische ich Duke an und er hält tatsächlich die Klappe. Dennoch blitzt es in seinen schönen grünen Augen kurz amüsiert auf und ich weiß genau, was in seinem hübschen Köpfchen gerade vor sich geht. Oh ja, ich weiß es nur zu gut. Und ich weiß auch, dass er das Thema früher oder später noch einmal anschneiden wird. Ich kenne ihn mindestens so gut wie er mich. Für den Augenblick aber scheint er zu spüren, dass ich keineswegs in Stimmung bin, darüber zu reden. Es reicht schließlich auch, dass er Recht behalten hat und ich noch vor der Abreise mit Alister gesprochen habe. Genau wie der Kater es gewünscht hat. Aber ich tat es nicht allein, weil er mich darum gebeten hat. Er hatte schlicht und ergreifend Recht. "Denkst du, Kaiba´s Vermutung ist richtig?" fragt er stattdessen und ich zucke mit den Schultern. "Möglich." erwidere ich knapp und lehne mich in meinem Sitz zurück, um es mir einigermaßen bequem zu machen. Der Flug wird schließlich eine Weile dauern. Kurz vor unserer Abfahrt hat Kaiba uns seine neusten Erkenntnisse mitgeteilt. So gesehen überraschte seine Geschichte mich nicht wirklich. Es war die ganze Zeit anzunehmen, dass dieser Grey in einer engen Verbindung zu dem jungen Armstrong steht. Was wäre also naheliegender als ein Partner? Im Grunde hat seine Erzählung meine Vermutungen lediglich bestätigt. Ein Mensch, der so vehement versucht Rache zu üben, braucht ein starkes Motiv und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies selten ein Materialistisches ist. Nein, um jemanden so sehr mit Hass zu verflogen, muss der Grund wesentlich tiefer gehen. Familie oder Freunde Nichts anderes treibt einen Menschen so zum Äußersten. Das weiß ich zur Genüge, war es doch bei mir nicht anders. Und auch Kaiba dürfte augenblicklich dieses Gefühl kennen. "Aber warum nimmt dieser Kerl Kaiba so in die Mangel, wenn eigentlich Gozaburo der Schuldige ist?" höre ich Duke fragen und öffne wieder die Augen. Ich wende meinen Kopf leicht um ihn anzusehen und stelle fest, dass ihn dieser Punkt sichtlich beschäftigt. Seine Stirn ist in Falten gelegt und sein Blick ungemein ernst. Ich seufze. "Vermutlich, weil der alte Kaiba schon unter der Erde ist." schlussfolgere ich ohne groß nachzudenken. Das erscheint mir mehr als logisch. "Wer weiß, wann dieser Kerl sein Vorhaben aufgenommen hat. Vielleicht war Gozaburo zu dem Zeitpunkt schon tot, also konnte er seine Wut nur noch auf Kaiba projezieren." Wieder zucke ich mit den Schultern. Duke nickt. "Möglich." entgegnet er und wirft mir einen schwer einzuschätzenden Blick zu. "Vielleicht macht er Kaiba aber auch indirekt dafür verantwortlich dafür, weil er diesem John nicht helfen wollte." gibt er zu bedenken. "Sicher, auch eine Option." stimme ich gleichmütig zu. "Im Grunde spielt das nun keine Rolle mehr. Wir kennen sein Grundmotiv. Das genügt. Damit wissen wir zwar noch nicht, wer er ist, doch auf was für einen Menschen wir uns einstellen können." Duke sieht mich fragend an. "Wie meinst du das?" will er wissen und ich verziehe spöttisch den Mund. "Nun, ganz einfach. John Armstrong ist sein Antrieb." erwidere ich. "Er hat einen geliebten Menschen verloren und er ist bereit diese Nummer durchzuziehen, koste es was es wolle. Was er auch tun wird, wenn man ihn nicht aufhält, denn er hat nichts mehr zu verlieren. Wir können uns also sicher sein, dass er nicht von seinem Vorhaben abgehen wird, gleichgültig was wir unternehmen." Einen Moment sieht Duke mich verständnislos an und ich gähne. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Flug über zu schlafen. "Ist dem so?" fragt er skeptisch. "Hat er wirklich nichts mehr zu verlieren?" Ich nicke. "Dessen können wir sicher sein." erkläre ich entschieden. "Diesem Grey ist egal was mit ihm passiert. Ihm sind Außenstehende und Unschuldige gleich. Dazu kommt, dass er scheinbar nicht mehr in der Lage ist zu unterscheiden, was richtig und falsch ist. Schließlich macht er Kaiba für etwas verantwortlich, woran er keine Schuld trägt. Gleichgültig was man Kaiba nachsagen kann, in diesem Fall, John Armstrong´s Fall, war er nicht in der Lage zu handeln. Er hätte dem Jungen gar nicht helfen können, doch dieser Punkt scheint Grey vollkommen egal zu sein. Zudem scheint er auch nicht mehr ganz frisch in seinem Dachstübchen zu sein - was nicht heißt, dass er dumm wäre. Im Gegenteil. Er ist verdammt klug und wahnsinnig wütend. Und das ist eine verdammt gefährliche Mischung, die ihn zu einem sehr, sehr gefährlichen Gegner macht." Ich halte kurz inne und Duke mustert mich sichtlich interessiert. "Ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat, ist ein unberechenbarer Gegner. Er hat in den Abgrund geblickt und fürchtet sich nicht vor dem was er dort gesehen hat." Unwillkürlich muss ich wieder an Ägypten denken. An jene Nacht, die alles auslöschte, was ich liebte. Die mich meiner Familie und meiner Heimat beraubte. Damals habe ich in den Abgrund geblickt und ich verspürte keine Furcht. Nein, keine Spur von Angst, nur Hass. Blanker Hass. Ich vermute, dass Grey von ähnlichen Empfindungen angetrieben wird. Sein Hass auf Kaiba gleicht meiner Verachtung für den Pharao. Und dieser Hass macht blind. Genau wie Seth es mir einst gesagt hat. "Hüte dich davor, deine Feinde zu sehr zu hassen, Hass trübt dein Urteilsvermögen, Kura!" Vielleicht hatte der Hohepriester Recht... "Kura?" Duke sieht mich besorgt an. "Was?" zische ich ungewollt bissig. Er zögert einen Augenblick, was mich irritiert, denn normalerweise hat der Kater keinerlei Problem damit mir seine Gedanken mitzuteilen, gleichgültig wie sehr sie mich verärgern könnten. "Was willst du tun, wenn du bei ihm bist?" fragt er mich nach einer kurzen Pause und studiert dabei scheinbar aufmerksam meine Reaktion. Ich schenke ihm ein belustigtes Grinsen. "Was denkst du wohl, Duke?" entgegne ich, aber er erwidert nichts darauf, doch ich weiß, dass er mich nur zu gut versteht. Für einen Moment senkt er den Blick und ich vermute, dass er nachdenkt. "Wenn Kaiba und du Recht habt, was Ryou betrifft... Was könnte das bedeuten? Ich meine, Grey kann doch nicht davon ausgehen, dass du dich gegen Kaiba stellst, oder? Warum also sollte er dich treffen wollen?" will Duke als nächstes wissen und ich muss zugeben, dass ich auf diese Frage nach wie vor keine Antwort habe. Ich habe nicht die geringste Vermutung, warum dieser Typ ausgerechnet mich sehen will. Unzählige Male habe ich nun schon darüber nachgedacht, überlegt welchen Vorteil Kaiba gegenüber dieses Treffen Grey bringen könnte, doch ich bin zu keinem wirklichen Schluss gelangt. Was mich zugegebenerweise doch etwas beunruhigt. Genau wie die Tatsache, dass ich es mit einem Menschen zu tun habe, der sowohl sehr, sehr klug als auch hochgradig wütend ist. Eine gefährliche Kombination, zumal dieser Mann zu allem fähig ist. Ich werde auf der Hut sein müssen. Vor allem aber werde ich dafür sorgen, dass Duke sich aus allem weiteren raushält. Wie ich den Kater kenne, kommt er sonst noch auf die Idee mich zu begleiten. Das würde ich ihm durchaus zutrauen. Duke hatte schon immer einen leichten Hang zum Nervenkitzel, aber diese Sache ist eine Nummer zu groß. Mich selbst in die Höhle des Löwen zu begeben, ist eine Sache. Ich weiß auf mich aufzupassen und ich habe schon zu viel gesehen als das man mich noch groß überraschen könnte. Duke dagegen... "Kura?" höre ich ihn erneut fragen und seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. "Ich weiß nicht was der Typ wollen könnte." beantworte ich endlich seine Frage. "Ich habe nicht einmal eine Vermutung." Duke nickt als habe er nichts anderes erwartet und für einen kurzen Augenblick herrscht Schweigen. Fast glaube ich, dass ich endlich mein Nickerchen antreten kann, als der Schwarzhaarige sich wieder zu Wort meldet. Doch dieses Mal überrascht mich was er zu sagen hat und ich richte mich schlagartig wieder auf. "Könnte es was mit Joey zu tun haben?" fragt Duke und ich sehe ihn erstaunt an. "Wie kommst du darauf?" will ich irritiert wissen. "Was bei Ra sollte das mit Wheeler zu tun haben?" Duke zuckt mit den Schultern. "Nur ein Gedanke." antwortet er knapp und ich verdrehe die Augen. "Aber irgendwas hat dich doch darauf gebracht!" Er seufzt. "Ich meinte nur... Ach, ich weiß auch nicht recht." Er schüttelt leicht den Kopf, aber sein Blick ist nach wie vor so ernst, dass es mich leicht beunruhigt. Zudem sagt Duke selten Dinge einfach nur so dahin. Und dieser Gedanke... ich sehe ihm an, dass er selbst glaubt, dass daran etwas sein könnte. "Sag schon, was du denkst." fordere ich ihn auf, doch er zögert. "Bei Ra, rück mit der Sprache raus oder..." Ich beende den Satz nicht, funkele Duke lediglich warnend an und muss mir Mühe geben, ernst zu bleiben als der Kater die Dreistigkeit besitzt, mich anzugrinsen. "Sorry, der Blick zieht nicht mehr, Kura." meint der Schwarzhaarige und schenkt mir ein bezauberndes Lächeln. Ich verdrehe leicht die Augen. "Du wirst noch meinen Ruf zunichte machen!!" entgegne ich und komme nicht umhin zu lächeln. Duke lacht und beugt sich für einen Moment zu mir. "Kura, wenn man dich erst einmal besser kennt, dann weiß man, dass dieser Ruf nur Schall und Rauch ist." flüstert er mir zu und zwinkert. Ich verziehe missbilligend den Mund, sage jedoch nichts dazu. Es würde ohnehin nichts bringen. "Na, schön." seufzt Duke nach kurzem Schweigen neben mir und wird schlagartig wieder ernst. "Ich dachte daran, dass dieser Typ bislang mehr als gut informiert gewesen ist, warum auch immer." Ich nicke nur, verstehe aber noch nicht wirklich auf was er hinaus will. Duke zögert erneut, was leichtes Unbehagen in mir auslöst. Duke Devlin und Zögern... irgendwie passt das für mich nicht. "Es wäre daher doch möglich..." hebt er zaghaft an und ich runzele die Stirn. "Was, wenn dieser Grey weiß, dass du Gefühle für Kaiba hast." Zu meiner Überraschung rutscht er ein Stück von mir ab, fast als rechne er damit, dass ich ihm an die Gurgel gehen würde. Dabei zucke ich nicht einmal mit der Wimper. Ich sehe Duke lediglich an und weiß nicht im Mindesten was ich zu diesem Gedanken sagen soll. Seine Aussage trifft mich vollkommen unvorbereitet. Duke zuckt leicht mit den Schultern. "Möglich wäre es doch." fährt er ernst fort. "Und es könnte doch sein, dass er versucht, diesen Umstand irgendwie für sich zu nutzen." "Ach?" Ich schenke ihm einen spöttischen Blick. "Und was sollte ihm dieses Wissen nutzen?" Ich schüttele den Kopf. "Einmal abgesehen davon, dass er davon nichts wissen kann, weil es nicht wirklich etwas zu wissen gibt, wäre es doch mehr als dämlich sich dann ausgerechnet an mich zu wenden, oder? Logischerweise müsste er doch dann davon ausgehen, dass ich fest auf Kaiba´s Seite stehe und..." "Aber da ist Joey." unterbricht mich Duke und nun fällt der Groschen bei mir, was Duke nicht zu entgehen scheint. Er nickt leicht. "Joey ist zu einer weiteren Schwachstelle von Kaiba geworden. Überleg doch mal: Bislang waren Mokuba und Roland wohl die wichtigsten Personen in seinem Leben. Mokuba wurde entführt und Roland angegriffen. Es wäre also nur logisch, dass Joey ein weiteres Ziel von Grey ist, oder?" Duke hält einen Moment inne, scheinbar um mir Zeit zu geben ihm zu folgen. "Und wenn Grey nun tatsächlich der Freund von John war und Kaiba dafür verantwortlich macht, seinen Liebsten verloren zu haben, nun, was würde sich wohl besser als Rache eignen als Kaiba den geliebten Menschen zu nehmen. Verstehst du worauf ich hinaus will?" Ich nicke automatisch und meine Gedanken überschlagen sich. Duke´s Theorie ist alles andere als abwegig, auch wenn ich nach wie vor nicht sicher bin, wie ich in diese Sache hineinpassen soll, aber der Gedanke, dass Wheeler nun ins Fadenkreuz rücken könnte, ist mehr als logisch. Ja, absolut plausibel. Zumindest sofern dieser Verrückte weiß, was zwischen den Beiden läuft. "Vielleicht geht er davon aus, dass du... naja... dass es auch in deinem Interesse sein könnte, Joey loszuwerden." höre ich Duke sagen und werfe ihm einen scharfen Blick zu. "Um Wheeler loszuwerden, bräuchte ich diesen Grey ganz sicher nicht." erkläre ich entschieden und funkele mein Gegenüber wütend an. Duke nickt. "Sicher, ich weiß." stimmt er schnell zu. "Und ich gehe auch eigentlich nicht davon aus, dass du dergleichen vorhaben könntest, aber sieh es einmal so... du bist in dieser ganzen Geschichte wohl der undurchsichtigste Charakter, oder? Du bist für Pegasus bei Kaiba eingestiegen, nun hilfst du dem Eisklotz. Zudem wäre es auch gut möglich, dass der Typ davon ausgeht, dass Kaiba dich für deine Dienste bezahlt." Erneut zuckt er mit den Schultern. Ich lache kurz trocken auf. "Hm." gebe ich dann von mir und muss zugeben, dass Duke´s Gedankengang durchaus einleuchtet. Der Schwarzhaarige beäugt mich weiterhin ernst. "Wenn Grey nicht weiß, wie du zu Kaiba stehst, nun, dann könnte es doch sein, dass er dir ein Angebot machen will, dass..." "Dass ich nicht ablehnen kann?" unterbreche ich ihn und muss erneut lachen. Nicht, weil der Gedanke unsinnig klingt, sondern weil ich die Vorstellung recht amüsant finde. Und sie durchaus zutreffen könnte. Ja, ich halte diese Theorie für weitaus wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass dieser Kerl von meiner...Neigung in Bezug auf Kaiba wissen könnte. Aber wenn er sich tatsächlich über mich informiert hat, wovon ich ausgehe, dann wäre es in der Tat plausibel, dass seine Gedanken in solch eine Richtung gehen. "Bei Ra, du bist unglaublich, Duke." sage ich immer noch grinsend, was mir einen leicht irritierten Blick von dem Kater einbringt. "Ja, wirklich. Dein Gedankengang erscheint mir mehr als plausibel und die Idee gefällt mir ungemein." Ich grinse vergnügt, Duke dagegen runzelt die Stirn und auch ich werde schlagartig wieder ernst als mir ein besorgniserregender Gedanke kommt. "Was denkst du, Kura?" will Duke wissen, dem meine emotionale Veränderung sicher nicht nicht entgangen sein kann. "Ryou." sage ich und Duke versteht sofort. Seine Augen weiten sich entsetzt. "Du denkst..." Er beendet seinen Satz nicht, aber ich nicke. "Damit hätten wir auch den Grund für die Entführung." erkläre ich mit tonloser Stimme und mit einem Mal scheinen sich alle Puzzelstückchen zusammen zufügen. Duke schluckt. "Fuck." meint er dann und ich nicke. Ja, jetzt erscheint mir das Ganze auch logisch. Wenn dieser Grey sich über mich informiert hat, was mehr als anzunehmen ist, dann muss er dabei auch darauf gestossen sein, dass mich mehr mit Ryou verbindet als mit jedem der anderen. Ich habe bei dem Kleinen gewohnt, in der Schule gab ich mich als sein Cousin aus. Wer versucht meine Fährte aufzuspüren, wird zwangsläufig auf Ryou stossen. Also wurde er entweder entführt, um mehr über mich zu erfahren oder um... Der Gedanke behagt mir ganz und gar nicht. Und diese neue Erkenntnis erschwert die Sachlage auch zwangsläufig. Habe ich bislang meinem Treffen mit diesem Typen gelassen entgegen geblickt, hat sich nun alles verändert. Duke´s Überlegungen sind mehr als schlüssig, gleichgültig wie es sich letztlich genau verhält. Ich vermute, nein, ich bin sicher, dass der Kater mitten ins Schwarze getroffen hat. Bei Ra, das verändert in der Tat alles. "Was willst du tun, wenn es sich so verhält?" Duke sieht mich fragend an und es ist wieder einmal so als könne er meine Gedanken lesen. Sein Blick ist ernst und irgendwie auch besorgt. Ich presse die Lippen aufeinander und überlege. Bislang hatte ich einen vage Vorstellung dessen im Kopf, wie ich vorgehen würde. Nun aber gibt es weitere Aspekte zu bedenken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Festung des Feindes einfach stürmen, Ryou befreien und Grey erledigen kann, war ohnehin geringer Natur. So einfach wird dieser Typ es mir sicher nicht machen. Er wird Teile meiner bisherigen Arbeit kennen und sich vorbereitet haben und... "Wir brauchen einen Plan." unterbricht Duke meine Gedanken und ich starre ihn einen Moment an. "Wir werden Hilfe brauchen." fährt der Kater auch schon fort. "Yugi, Tea und Tristan werden uns sicher helfen. Vielleicht können wir auch..." "Es gibt hier kein WIR!" unterbreche ich ihn unwirsch. "Ich werde mich darum kümmern. Du wirst dich da raushalten, Duke. Und diesen Kindergarten brauche ich noch weniger. Ich werde diese Nummer alleine durchziehen. Verstanden?" Duke schüttelt den Kopf. "Das kannst du vergessen!" widerspricht er entschieden. "Alleine wirst du nicht weit kommen. Du weißt ja noch nicht mal mit wievielen Gegnern du es zu tun hast. Grey mag gesagt haben, dass du alleine kommen sollst, aber das heißt sicher nicht, dass ich dich im Stich lasse! Und ich finde, wir sollten die Anderen hinzuziehen, Kura. Das hier ist kein Spiel..." "Ach?" Ich verziehe verächtlich den Mund. "Denkst du, ich bin mir dessen nicht bewusst?" unterbreche ich seinen Vortrag ungehalten. "Ich weiß, dass die Lage mehr als ernst ist und genau deshalb will ich, dass du deine Pfoten raushältst, es reicht mir schon, dass dieser Irre Ryou in seiner Gewalt hat, ich kann es nicht gebrauchen, dass du auch noch in sein Visier gerätst. Was denkst du, warum ich Alister in Ägypten gelassen habe?" Duke nickt. "Ich weiß." stimmt er zu und legt mir für einen Moment die Hand auf den Arm. "Aber das hier ist keine One-Man-Show, Kura. Genau das hast du auch zu Kaiba gesagt und selbst ihm hat es eingeleuchet. Also stell dich nicht sturer als der Eisklotz. Ich werde dich ganz sicher nicht alleine losziehen lassen. Die Idee kannst du gleich wieder vergessen. Und du kannst es drehen und wenden wie du willst, aber für diese Operation brauchen wir Hilfe und sei es nur, dass uns jemand den Rücken frei hält." Er sieht mich eindringlich an und ich weiß, dass er nicht locker lassen wird. Er hat seine Entscheidung bereits getroffen und scheinbar hat er auch schon genaue Vorstellungen wie diese Hilfe aussehen soll. Ich stöhne genervt auf. Muto und seine Weltrettertruppe. Bei Ra, ich hätte besser daran getan, Kaiba, Alister und Wheeler mitzunehmen. Sogar Odion und Marik wären eine größere Hilfe gewesen, von Roland ganz zu Schweigen. Als ich nichts sage, spricht Duke weiter. "Grey sagte, dass er wieder Verbindung mit dir aufnimmt. Sicherlich überprüft er die ankommenden Flüge und wird unterrichtet sobald du eintriffst. Trotzdem wird uns noch etwas Zeit für Vorbereitungen bleiben." erklärt er mir ungewohnt sachlich. "Wir werden die anderen kontaktieren und..." Ich schüttele den Kopf. "Werden wir nicht." unterbreche ich und er verzieht seinen hübschen Mund. "Kura..." setzt er auch schon zu einer weiteren Protestansprache an, aber ich mache eine unwirsche Geste mit der Hand und bringe ihn zum Schweigen. "Wir werden uns am Flughafen trennen. Gut möglich, dass man mich beschattet." erkläre ich ernst. "DU wirst den Kindergarten kontaktieren. Ich suche mir einen Unterschlupf und dann... nun, dann sehen wir weiter." Einen Augenblick lang sieht er mich skeptisch an und ich bin sicher, dass er abwägt ob er mir trauen kann oder ich diesen Plan nur vorschiebe, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Schließlich nickt er jedoch. "Gut." stimmt er zu. "So machen wir´s. Ich werde Tea anrufen sobald wir gelandet sind. Sie kann die anderen dann schon mal zusammentrommeln. Kaiba´s Nummer 2 würde sicher auch eine gute Hilfe sein. Und vielleicht können wir Valon erreichen." Ich verdrehe die Augen. "Klar, am Besten sagst du auch noch Mai Bescheid. Und Opa Muto." schlage ich sarkastisch vor. "Ach und dann wäre da noch diese Kleine... wie hieß sie noch? ... Die ganze Liga der Armleuchter. Ra steh mir bei." Duke wirft mir einen gespielt giftigen Blick zu, sagt jedoch nichts zu meiner Bemerkung und ich lasse mich zurück in meinen Sitz sinken. Herrliche Aussichten. Ich sehe die Truppe schon vor mir. Aber Duke ist es mit seinem Vorhaben sichtlich ernst. Nun gut, soll er für den Augenblick die Zügel in die Hand nehmen. Ich werde sie schon früh genug wieder übernehmen und dann werde ich diesem Grey eine Lektion á la Bakura verpassen, dass er sich wünschen wird, nie meine Kreise gestört zu haben. Kaiba wollte Vergeltung im biblischen Ausmaß. Die wird es auch geben. Kapitel 78: Rekapitulation -------------------------- "Fuck, aber das ist doch hirnrissig." meint Joey und stampft erneut wild auf. Es ist nun das zwölfte Mal, dass er eine Anmerkung dieser Art macht und ich stelle fest, dass er mit jedem neuen Ansatz eine Spur ungehaltener zu werden scheint. Sein Vokabular wird immer derber und ich frage mich insgeheim bei welcher Ausdrucksweise er ankommen wird, wenn er sich weiterhin so in Rage redet. Genau wie bei den letzten fünf Mal sage ich auch jetzt nichts dazu. Im Grunde gibt es auch nichts dazu anzumerken. Zum einen, weil das Hündchen Recht hat und zum anderen, weil ich ihm bereits bei seinem ersten Kommentar zugestimmt habe. Doch scheinbar kann er die Sache damit noch nicht auf sich beruhen lassen und für einen Moment erinnert er mich wieder an den alten, wilden Katsuya und ich kann mir den Anflug eines Grinsens nicht verkneifen, auch wenn es in dieser Situation nicht wirklich etwas zu lachen gibt. "Aber so was von hirnrissig!" stimmt nun mein kleiner Bruder mit ein und ich werfe ihm einen tadelnden Blick. "Mokuba, was habe ich dir über solch eine Ausdrucksweise gesagt?" Der Kleine bemüht sich einen zerknirschten Gesichtsausdruck aufzusetzen, aber mir entgeht keineswegs das Blitzen in seinen Augen. Ich seufze unwillkürlich. Mokuba zuckt leicht mit den Schultern. "Aber Joey hat Recht!" hebt er dann an. "Was hättest du denn tun sollen? Du hättest ihm nicht mal helfen können, wenn du es gewollt hättest, Seto!" Damit hat er natürlich Recht. Ich hätte nichts für John Armstrong tun können. Es lag nicht in meiner Hand und wenn ich jetzt darüber nachdenke, frage ich mich, wie er überhaupt auf die Idee kommen konnte, mich um Hilfe zu bitten. Vermutlich war es Verzweiflung, die ihn dazu trieb. Er wollte seinem Vater helfen. So gesehen ist sein Gedanke sogar nachvollziehbar. Immerhin hatte er mitbekommen, dass mein Verhältnis zu Gozaburo alles andere als väterlich war. Ich vermute sogar, dass er mir ansah, dass ich meinen Adoptivvater verabscheute. Vielleicht hätte ich ihm sogar geholfen. Aber das Risiko wäre einfach zu groß gewesen. Gozaburo hätte es herausgefunden und die Konsequenzen dafür... Die Konsequenz wäre gewesen, dass er mich bestraft hätte, was ich sogar in Kauf genommen hätte. Doch er hätte Mokuba weggeschickt. Dessen bin ich mir sicher. Damit hat er mir schließlich oft genug gedroht. Und was ging mich dieser Junge auch an? Sicher, mir war keineswegs entgangen, wie mein Adoptivvater seinen Vater behandelte, dabei war der Amerikaner ein netter, freundlicher Mann, der vermutlich nur durch Zufall in Gozaburo´s Fänge geraten war. Ich seufze leise. "Vermutlich wäre es mir nicht einmal gelungen, ihm zu helfen. Gozaburo hütete seine Papiere wie seinen Augapfel und John wusste auch nicht einmal genau, um welche Unterlagen es sich handelte, mit denen er seinen Vater in der Hand hatte." Das Risiko wäre zu groß gewesen. Und John Armstrong war ein Fremder. Mokuba´s Zukunft für einen Fremden auf´s Spiel zu setzen wäre mir unter keinen Umständen der Welt in den Sinn gekommen. Gleichgültig welche Folgen das für jemand anderen gehabt hätte. "Dieser Grey muss vollkommen verrückt sein!" vernehme ich wieder Joey´s Stimme und Mokuba nickt eifrig. "Wie kann er dich für etwas verantwortlich machen, wofür du überhaupt keine Schuld trägst?" Das Hündchen schüttelt den Kopf. "Für ihn ist dieser Umstand scheinbar irrelevant." erkläre ich nüchtern. "Und an Gozaburo kann er sich nicht mehr rächen." Ich zucke mit den Schultern und Joey wirft mir einen leicht irritierten Blick zu. "Wie kannst du nur so ruhig bleiben?" will er wissen. "Ich meine, wir wissen jetzt warum das alles passiert ist und es hat überhaupt keine haltbare Grundlage! Das ist doch..." "Irrelevant." unterbreche ich ihn ruhig und Joey starrt mich fast schon entgeistert an. "Was würde es ändern, wenn sein Motiv ein anderes wäre? Gerechtfertigt oder nicht für mich spielt es keinerlei Rolle. Er versucht mir Mokuba wegzunehmen und Roland umzubringen. Das ist das Einzige was zählt und dafür gibt es keine Entschuldigung." Einen Moment mustert mich der Blonde und ich sehe ihm deutlich an, dass er meinen Worten zu folgen versucht. "Natürlich gibt es dafür keine Entschuldigung." stimmt er mir schließlich zu. "Aber wenn man bedenkt, dass sein Motiv vollkommen aus der Luft gegriffen ist, dann..." Er bricht ab und schüttelt erneut den Kopf. Ich nicke. "Ich weiß was du meinst, Joey." sage ich und lächele ihn kurz an. "Aber es bringt nichts sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wir kennen nun sein Motiv. Das heißt wir sind einen Schritt weitergekommen und wenn Bakura es nun schafft an ihn heran zu kommen, dann haben wir eine gute Chance, diese Sache endlich zu beenden." Joey nickt. "Du hast ja Recht." stimmt er mir zu und seufzt. "Ich hoffe nur, dass wir Bakura wirklich trauen können." fügt er dann hinzu und wirft mir einen skeptischen Blick zu. "Ich habe sein Wort." erwidere ich knapp und Mokuba meint: "Jetzt wo dieser Kerl Ryou entführt hat, ist Bakura ohnehin auf 180." Ich nicke. Ein weiterer Grund, der mir sagt, dass ich dem Dieb vertrauen kann. Vertrauen Unwillkürlich muss ich schlucken und ein seltsames Gefühl beschleicht mich. Ich vertraue dem Weißhaarigen tatsächlich. Genauso wie ich Joey vertraue. Und wenn ich es recht bedenke... Ich vertraue auch Odion, Marik und Ishizu augenblicklich. Sogar Alister und Devlin. Eine Erkenntnis, die ebenso abstrakt wie irritierend ist. Ich, Seto Kaiba, vertraue anderen Menschen. Verlasse mich sogar auf sie und dass obwohl ich es bislang gewohnt war, meine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und einzig Mokuba und Roland gegenüber Zugeständnisse gemacht habe. Die Dinge haben sich weitaus mehr verändert als mir bislang tatsächlich bewusst war. Vielleicht habe ich auch diese Veränderung aufgrund der Umstände nicht wirklich gänzlich realisiert. Nun aber wir mir schlagartig klar, wieviel in den letzten Wochen wirklich geschehen ist. Alles hat sich verändert. Meine Position, mein Leben. Ich selbst habe mich verändert. Ja, ich bin nicht mehr der, der ich einst war und irgendetwas sagt mir, dass ich das auch nie wieder werde. Gleichgültig wie diese Sache ausgehen wird. Ob ich nun meine Firma zurückbekomme oder Mokuba und ich wieder vereint sind, ohne auf der Flucht sein zu müssen, nichts wird mehr so sein, wie es einst war. Der Kaiba, der wie ein Uhrwerk funktionierte, noch vor dem ersten Schrillen des Weckers wach wurde und den Tag mit stoischer Routine gleich einem Roboter beging, wird es in der Form nicht mehr geben. Ein Blick auf Joey genügt, um mir dessen gewiss zu sein. "Seto?" Joey sieht mich fragend an und ich mache eine wegwerfende Geste. "Ich war nur in Gedanken." erkläre ich, doch er sieht mich weiterhin fragend an. "Machst du dir Sorgen wegen Bakura? Hast du eigentlich eine Ahnung, wie er vorgehen will?" will er wissen. Ich schüttele den Kopf. "Bakura und ich haben keine Einzelheiten besprochen. Ich gehe auch davon aus, dass er frei improvisieren wird sobald er weitere Instruktionen von Grey erhält. Er wird mich auf dem Laufenden halten." erkläre ich und Joey nickt, sein Gesichtsausdruck bleibt aber weiterhin skeptisch. "Na, dann hoffen wir mal, dass der Dieb Erfolg hat." meint er und erneut kommt mir der Gedanke, dass ich ich tatsächlich auf den Weißhaarigen verlasse. Es ist zwar nicht so, dass ich vom Erfolg seiner Mission überzeugt bin oder davon ausgehe, dass es ihm gelingen wird, die Angelegenheit im Alleingang zu klären, aber ich vertraue ihm soweit, dass ich davon überzeugt bin, dass er mich nicht hintergehen wird, sondern sein Bestmögliches tun wird, um mir zu... helfen. Nein, ich mache mir keinerlei Sorgen wegen Bakura. Vielmehr mache ich mir Sorgen... um Bakura. Der Dieb mag abgebrüht sein und ich bin auch sicher, dass er auf sich aufzupassen vermag, aber Grey ist nicht zu unterschätzen und nach dem was man Marik und Roland angetan hat, ist davon auszugehen, dass unser Gegner keineswegs vor weiteren Gewalttaten zurückschrecken wird. Und Bakura begibt sich in die Höhle des Löwen, wenn man so will. Erneut muss ich bei diesem Gedanken, der mir so gänzlich neu ist, schlucken. Seto Kaiba macht sich Sorgen um einen anderen Menschen. Einen Menschen, der nicht sein Bruder ist. Der bis vor kurzem nicht mal ein Freund war, bestenfalls ein flüchtiger Bekannter. Und nun? "Bakura ist ein Freund." höre ich mich selbst laut sagen und bin überrascht, dass ich den Gedanken laut ausspreche. Meine Stimme klingt seltsam. Anders als sonst. Und sowohl Joey´s als auch Mokuba´s Blick verrät mir, dass auch ihnen dieser Umstand nicht entgeht. Beide sehen mich einen Moment sichtlich verwundert an und ich fühle mich auf seltsame Weise ertappt. Auch ein Gefühl, dass ich bislang nicht gekannt habe. Die Zwei sehen mich an als würden sie eine Erklärung für diese Worte erwarten, doch ich winke ab. "Vergesst es." erkläre ich und zu meiner Überraschung grinst Mokuba mich an. Sein Blick hat etwas seltsam wissendes, dass mich für den Bruchteil einer Sekunde irritert. Es kommt selten vor, dass er mich auf diese Weise ansieht, aber hin und wieder, in bestimmten Momenten tut er es und jedes Mal verwirrt mich dieser Ausdruck in seinen Augen für einen winzigen Moment. Es wirkt stets so als wisse er etwas, dass mir bislang entgangen ist und sein Lächeln hat dann etwas verstörend nachsichtiges. Unwillkürlich muss ich an damals denken als ich in meiner seltbst geschaffenen virtuellen Welt von den Big Five festgesetzt worden war und Mokuba mir zur Hilfe eilte. "Mokuba?! Wie kommst du hier her?" "Nun ja.. ich habe Yugi und seine Freunde um Hilfe gebeten ..." "Du hast WAS??" "Zu wem hätte ich sonst gehen sollen??" Ich erinnere mich nur zu gut an meine Antwort und daran, dass ich wütend war, ohne zu wissen warum. Mokuba hatte genau das Richtige getan. An wen sonst hätte er sich damals auch wenden sollen? Aber mein Stolz wollte das nicht gelten lassen. Mein Stolz lehnte jede Hilfe ab. Besonders die von Muto und seinem Kindergarten. Derselbe Kindergarten, der mir nun zur Seite steht. Als wären wir immer schon Freunde gewesen. "Yugi und die anderen sind unsere Freunde, Seto, egal was du sagst." Wie oft hat Mokuba versucht mir das begreiflich zu machen? Und wie oft habe ich verächtlich geschnaubt und betont, dass ich keine Freunde brauchen würde? Wie falsch ich doch lag. Was Muto und die anderen betrifft, aber auch in Bezug auf mich selbst. Und mit einem Mal fällt mir auch Bakura´s Aussage wieder ein. "Das hier ist keine One-Man-Show, Kaiba." Er hatte Recht. Fakt ist, dass ich ohne ihn und die anderen sicherlich nicht weit gekommen wäre. Wäre Bakura an diesem Abend nicht aufgetaucht und hätte mir vorgeschlagen, Pegasus einen Besuch abzustatten, wäre vermutlich am nächsten Tag die Polizei bei mir aufgetaucht und hätte mich in Untersuchungshaft genommen. Mokuba wäre wohlmöglich noch immer in den Händen von Grey und ich würde alleine in einer Zelle sitzen. Und wenn Joey nicht gewesen wäre... Wer weiß, wohin man meinen Bruder gebracht hätte. Nein, alleine hätte ich es nicht so weit geschafft. Das steht außer Frage. Gleichgültig wie oft ich mir eingeredet habe, dass ich nichts und niemanden brauche, ich habe mich geirrt. Ohne die anderen hätte ich dieser Angelegenheit hilflos gegenüber gestanden. "Seto? Geht´s dir wirklich gut?" will Mokuba wissen und reißt mich mit seiner Frage aus meinen Gedanken. Ich nicke langsam. "Ich glaube, mir geht es besser als je zuvor, Mokuba." entgegne ich und lächele meinen Bruder an, der scheinbar verstehend nickt. Dann wende ich mich Joey zu, der unschlüssig dasteht und sich am Kopf kratzt. "Wie gehen wir jetzt weiter vor?" will er wissen. "Ich meine, wir müssen mit der Abreise warten bis Roland wieder einigermaßen auf dem Damm ist, das ist klar, aber ansonsten..." Er bricht ab und zuckt mit den Schultern und ich verstehe, dass es ihm augenblicklich ähnlich wie mir geht. Der Gedanke, einfach nur da zu sitzen und abzuwarten, behagt ihm nicht. Zumal er in Bezug auf Bakura nach wie vor skeptisch zu sein scheint. Gerade als ich ihm antworten will, kommt Mokuba mir zuvor. "Können wir nicht irgendwie herausfinden, wer dieser Grey ist? Wir wissen doch jetzt, dass er mit diesem John zusammen war. Irgendjemand muss uns doch sagen können, wer dieser Kerl ist." merkt mein Bruder an und wendet sich an mich. Ich zögere einen Moment mit einer Antwort. "Bislang nehmen wir an, dass es sich so verhält." entgegne ich schließlich. "Sicher können wir noch nicht sein, aber du hast Recht, Mokuba. Das ist immerhin eine Spur, wo wir ansetzen können." Der Kleine strahlt mich an und ich muss erneut lächeln. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fällt mir auf, wie wichtig ihm meine Anerkennung zu sein scheint. Fast habe ich den Eindruck, dass er um zwei Zentimeter gewachsen ist und das nur, weil ich seiner Überlegung zugestimmt habe. Seine großen Kulleraugen strahlen mich so sehr an, dass mich eine Art warmer Schauder durchzuckt und für einen Moment muss ich wieder an früher denken. An unsere Zeit im Waisenhaus. "Vielleicht kann Alister uns dabei helfen?" schlägt nun auch Joey vor. "Wenn wir einen Namen hätten, wären wir einen gewaltigen Schritt weiter. Zudem muss der Kerl über enorme finanzielle Mittel verfügen." Sein Kampfgeist scheint geweckt und Mokuba nickt eifrig. Beide blicken sie zu mir auf und warten scheinbar darauf, dass ich das Kommando übernehme. Ich nicke. "Die Finanzen sind ein guter Punkt." stimme ich Joey zu und überlege kurz. "Grey braucht Geld für seinen Feldzug. Ohne die notwendigen Mittel ist er sich nicht in der Lage seine Pläne weiterhin durchzuziehen. Die Frage ist nur..." Ich komme nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Odion stürmt aufgeregt in den Raum und ich erkenne auf den ersten Blick, dass was passiert sein muss. Der Ägypter ringt nach Atem und ich registriere blitzschnell, dass sein Gesicht nicht nur ein paar Schrammen aufweist, die zuvor nicht da waren, sondern auch, dass seine Kleidung mehr als nur in Unordnung ist. "Ist etwas mit Roland?" will Mokuba besorgt wissen ehe der Ägpyter etwas zu sagen vermag. Odion schüttelt den Kopf. "Wir haben den Angreifer gefasst." erklärt er atemlos und blickt mir direkt in die Augen. "Einer der Straßenjungen hat mich auf einen Fremden aufmerksam gemacht, der sich scheinbar schon einige Zeit in der Gegend rumtreibt und sich verdächtig verhielt." erklärt der Dunkelhäutige weiter und mein Herzschlag beschleunigt sich. "Was?" ruft Joey erstaunt aus. "Ich meine... wer...?" Odion schnappt nach Luft und ich deute Joey an, dem Ägpyter einen Moment zu geben, sich zu sammeln. "Marik und ich haben uns darauf auf die Suche gemacht." fährt er schließlich in seiner Erzählung fort. "Wir haben uns den Kerl geschnappt bevor er fliehen konnte und ihn hergebracht. Ich bin sicher, dass er den Angriff auf Roland verübt hat. Ich habe ihn auf dem Markt gesehen." Ich nicke und mein Blick wandert zu Joey. "Damit hätten wir noch eine Spur." sage ich und das Hündchen grinst. "Dann nehmen wir uns den Kerl doch mal vor." entgegnet Joey mit feurigem Blick und ich wende mich wieder Odion zu. "Wo ist der Kerl?" will ich wissen. "Wir haben ihn in den Schuppen neben dem Haus gesperrt, Marik bewacht ihn gerade." antwortet der Dunkelhäutige und fügt mit vielsagendem Blick hinzu: "Er heißt Omar und ist ein ganz übeler Kerl." Was wohl auch die Schrammen in seinem Gesicht erklären. Der Mann muss massiven Widerstand geleistet haben und die Tatsache, dass Marik und Odion ihn nicht zusammen ohne Probleme festnehmen konnten, spricht für sich. Ich vermute, dass es sich bei dem Typen um einen Profi handelt. Einen Moment stehe ich noch da und rühre mich nicht während die anderen mich erwartungsvoll ansehen. "Reden wir mit ihm." sage ich nach kurzem überlegen und Odion setzt sich auch schon in Bewegung, um uns zu ihm zu führen. Ich hoffe, ihr habt nach wie vor Spaß an der Story und freut euch auf das erste Zusammentreffen mit Grey! Kapitel 79: Konsequenzen (Grey) ------------------------------- "Der Dieb ist angekommen." höre ich Quentin sagen, der lautlos eingetreten ist und nun abwartend vor meinem Schreibtisch steht. Ich lasse den Stift in meiner Hand sinken. "Alleine?" will ich wissen und mein Sekretär schüttelt den Kopf. "Dieser Devlin war mit im Flieger. Die Beiden haben sich jedoch am Flughafen getrennt." erzählt er und ich sehe ihn scharf an. "Ich habe beide beschatten lassen." fügt Quentin mit regungsloser Miene hinzu und ich nicke zufrieden. "Gute Arbeit, Quentin." Ich lächele ihn kurz an und seine Mimik scheint sich etwas zu entspannen. "Der Dieb hat sich einen Leihwagen genommen und sich dann in Narita ein Zimmer genommen. Dort hält er sich augenblicklich auf." fährt Quentin mit seinem Bericht fort. "Der andere ist nach Domino City aufgebrochen." "Domino City?" wiederhole ich und lehne mich in meinem Sessel zurück. Das kann nur bedeuten, dass dieser Devlin sich mit einem der anderen aus der Clique trifft. Yugi Muto und das Mädchen, Tea Gardner, wohnen in Domino City. Allerdings befindet sich dort auch das Kaiba Anwesen. Ich überlege kurz was diese Information bedeuten könnte. "Wo genau ist der andere hin?" will ich wissen und Quentin´s Antwort erfolgt prompt: "Er ist zu Tea Gardner gefahren. Unser Mann behält das Haus bis auf weiteres im Auge." "Gut." Ich vermute, dass Devlin das Mädchen von den jüngsten Entwicklungen in Kenntnis setzen will. Gut möglich, dass Muto später noch dazu stößt. Keine ungewöhnliche Entwicklung. Scheinbar ist der Schwarzhaarige ohnehin nur wegen dem Dieb nach Ägypten geflogen, auch wenn ich nach wie vor nicht sicher bin, warum. Die genauen Hintergründe für diesen Kurztrip bleiben mir bislang noch verborgen. Nach Quentin´s Informationen über den Nachtclubbesitzer zu urteilen, standen sich die Beiden einmal recht nahe, auch wenn diese Liasion bereits eine Weile zurückliegt. Allerdings ist der Schwarzhaarige auch ein Freund von Wheeler. "Was hat Omar berichtet?" wechsele ich das Thema und merke wie Quentin´s Schultern sich anspannen. Ein Schatten huscht über sein Gesicht und ich ahne, dass von dieser Seite keine guten Nachrichten zu erwarten sind. "Das Attentat auf den Assistenten ist missglückt." gesteht mein Sekretär mit deutlicher Anspannung in der Stimme und ich schlage mit der Faust auf den Tisch. "Was soll das heißen missglückt?" herrsche ich mein Gegenüber wütend an. Quentin schluckt kaum merklich. "Omar hat ihn lediglich verletzen können. Scheinbar hat der Mann zu schnell reagiert." erklärt er mir nüchtern das Versagen des Arabers und ich schnaube laut auf. "Wie sehr verletzt?" will ich wissen und bemühe mich, meine Fassung wieder zu gewinnen. Quentin zuckt leicht mit den Schultern. "Eine mittelschwere Stichwunde. Ich vermute, dass der Mann in ein paar Tagen wieder auf den Beinen sein wird." erklärt er mir emotionslos und ich überlege. "Das heißt, dass die Bande Ägypten vorerst nicht verlassen kann." sage ich mehr zu mir selbst als an ihn gewandt. Nun gut. Mein Plan ist zwar nicht aufgegangen, aber augenblicklich stehen auch andere Punkte im Focus. Kaiba wird vorerst in Ägypten festsitzen. Ich bin sicher, dass er auf keinen Fall ohne seinen Assistenten in die Staaten fliegen wird. So gesehen nicht die schlechteste Entwicklung. Immerhin verschafft mir dies mehr Zeit was mein Vorhaben mit Wheeler Senior anbelangt. Und es spricht ja auch nichts gegen einen zweiten Versuch, auch wenn die Bande nun vermutlich auf der Hut sein wird. Aber um diesen Roland kann ich mich auch noch später kümmern. "Und was ist mit dem Kleinen?" frage ich weiter und kann die Antwort bereits an Quentin´s Gesicht ablesen. "Nichts." antwortet er knapp. "Wir können ihn nicht zum reden bringen. Er wiederholt nur wieder und wieder den gleichen Unsinn." Ich schüttele ungehalten den Kopf und spüre wie Wut in mir aufsteigt. Wer hätte denken können, dass dieser unscheinbare, schmächtige Junge sich als solch harte Nuss erweisen würde? Ihn entführen zu lassen war ein Kinderspiel, aber beim Verhör stößt man bei dem Kleinen auf Granit wie es scheint. Dabei hatten wir in den letzten Stunden mehr Zeit als genug, um ihn zum reden zu bringen. Als könne er meine Gedanken lesen, sagt Quentin nach kurzem Schweigen: "Ich kann es mir selbst nicht erklären, nicht einmal das Wahrheitsserum hat Wirkung gezeigt. Der Kleine bleibt Zeile für Zeile bei seiner Geschichte und weicht auch kein Jota davon ab. Ich bezweifle, dass es etwas bringt, es weiter zu versuchen." Seinem Tonfall kann ich deutlich entnehmen, dass ihn dieser Umstand ebenso irritiert wie mich, doch ich bemühe mich dieses Gefühl zu unterdrücken. "Dann müssen wir eben zu effektiveren Methoden bleiben." erkläre ich und richte mich schlagartig wieder auf. Quentin sieht mich einen Augenblick lang fragend an und ich lächele kalt. "Es scheint als bedarf der Junge einer intensiveren Behandlung. Ich denke jedenfalls nicht daran, aufzugeben. Ich will Informationen bevor ich mich mit dem Dieb treffe." Quentin runzelt leicht die Stirn und mir entgeht auch keineswegs sein skeptischer Blick. Ich vermute, dass er sich fragt, an welche Methoden ich denke. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr, dann erhebe ich mich von meinem Stuhl. Quentin beobachtet jede meiner Bewegungen aufmerksam, aber bar jeder Emotion. "Ich werde diesen Ryou Bakura schon zum reden bringen." Er nickt, doch sein Blick bleibt skeptisch. "Was ist mit diesem Bakura?" will er wissen und erwartet weitere Anweisungen. Ich mache eine wegwerfende Geste. "Er kann noch warten. Erst nehme ich mir den Kleinen noch einmal vor." entgegne ich. "Und dieses Mal werde ich mich nicht mit diesem Märchen abspeisen lassen." Entschlossen schreite ich an Quentin vorbei und mache mich auf dem Weg zu der kleinen Zelle, in welcher der Junge untergebracht ist. Quentin folgt mir fast lautlos. Marius steht nach wie vor vor der Tür als ich mein Ziel erreicht habe und ich deute ihm wortlos an, zur Seite zu treten. Dann werfe ich ein Blick durch die kleine Luke in der Tür. Der Junge liegt zusammengerollt auf der schmalen Pritsche, die neben einem Stuhl, das einzige Möbelstück ist, dass sich im Zimmer befindet. Ich glaube, leises Wimmern zu vernehmen, ansonsten zeigt der schmächtige Junge keinerlei Regung. Einen Moment bleibe ich noch vor der Tür stehen und überlege mir meine Vorgehensweise. Wenn ich bei meinem bisherigen Plan bleiben will, dann ist es eine zwingende Notwendigkeit, dem Kleinen ein paar Informationen zu entlocken. Ich muss mehr über diesem Bakura wissen, um ihn einschätzen zu können. Ja, für meine weiteren Pläne ist es erforderlich zu wissen, was es mit diesem Dieb auf sich hat, in welchem Verhältnis er genau zu Kaiba steht, aber vor allem wie ich am Besten die Schrauben bei dem Dieb ansetzen kann. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Dieb arbeitet für Kaiba und hat ihm alleine des Geldes wegen bislang geholfen oder aber diesen Bakura verbindet irgendwas mit dem ehemaligen CEO. Da Kaiba bislang nie freundschaftliche Bande pflegte, erscheint es auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass irgendeine Verbindung zwischen den Beiden besteht. Andererseits habe ich auch bei Wheeler nichts dergleichen vermutet besonders angesichts der ehemaligen Feindseligkeiten zwischen Kaiba und dem Blonden. Auch mir die Sachlage nun im Nachhinein nachvollziehbar erscheint. Allem Anschein nach waren Kaiba und Wheeler schon immer auf eine merkwürdige Art miteinander verbunden. Ein schwer zu definierendes Verhältnis, dass man im Grunde nur als eien Art Hassliebe bezeichnen kann, nach allem was ich inzwischen über die Beziehung der Beiden erfahren habe. Doch bei diesem Bakura verhält es sich anders. Er hatte nie wirklich etwas mit Kaiba zu schaffen und wurde von diesem auch nicht einmal ansatzweise in einem Maße wie Wheeler beachtet. Folglich bleibt die Frage wie es sich in der Hinsicht verhält. Steht der Dieb tatsächlich auf Kaiba´s Seite oder aber auf der Seite, die am Meisten für seine Dienste bezahlt. "Hol das Werkzeug." befehle ich an Marius gewandt, der sich sofort in Bewegung setzt. Die Tür gibt ein leises Knarren von sich als ich sie öffne, aber der Junge rührt sich nicht als ich den Raum betrete. Seine Lider sind geschlossen und seine Atmung geht flach und gleichmäßig. Langsam trete ich in die Mitte des Raumes und wende mich der Pritsche zu. Quentin steht in der Tür und noch während ich den Jungen betrachte, nehme ich aus dem Augenwinkel wahr, dass Marius zurückkehrt und Quentin einen Rolltisch hinschiebt. Ich nicke ihm zu und deute ihm an, ins Zimmer zu treten. Dann beuge ich mich zu Ryou Bakura und meine Fingerspitzen streifen seinen Oberarm. Die leichte Berührung lässt ihn erzittern und seine Lider flackern ehe er sie aufreißt und mich entsetzt anstarrt. Getrocknetes Blut zeugt von dem Schlag auf den Kopf, welcher ihn hier her gebracht hat und als er sich ruckartig aufrichtet und sich sichtlich bemüht sich in den hintersten Winkel der Pritsche zu kauern, sehe ich die zarten, filigranen Schnitte auf seinen Armen. Ich lächele ihn beruhigend an. Sein schmächtiger Körper zittert. "Das hier ist deine letzte Chance." erkläre ich ruhig und ziehe mir den Stuhl näher an das Bett. Gemächlich lasse ich mich darauf nieder wobei er mich keine Sekunde aus den Augen lässt. Quentin hat das Tischchen neben mich geschoben und ich werfe wie beiläufig einen Blickd darauf. Verschiedene Werkzeuge sind darauf feinsäuberlich angerichtet und ich nicke zufrieden ehe ich mich wieder dem Jungen zuwende. Sein Körper bebt geradezu und sein Herzschlag hat sich sichtlich beschleunigt. "Also, Ryou... willst du mir etwas über deinen Freund Bakura erzählen?" frage ich in ruhigem Plauderton, mit dem ich ihn allerdings keinen Moment zu täuschen vermag. Seine Augen sind gerötet und fixieren mich genau und ich höre förmlich, wie es in seinem Kopf arbeitet. "I-i-ich... h-h-abe... doch schon... alles gesagt." kommt es rau aus seinem Mund und die Angst in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Ich nicke. "Du hast uns eine nette kleine Geschichte erzählt, Ryou." entgegne ich gelangweilt. "Nun will ich die Wahrheit hören." Beiläufig greife ich mir eines der Werkzeuge von dem Tisch und drehe es zwischen meinen Fingern. Die Augen des Jungen weiten sich vor Entsetzen und sein Blick ruht auf dem kalten, metallenen Gegenstand in meiner Hand. Ich lächele ihn freundlich an. "Die Sache ist ganz einfach, Ryou. Ich habe nur ein paar, kleine Fragen an dich und wenn du sie mir brav beantwortest, dann ist das alles hier auch schon vorbei und du kannst wieder nach Hause. Warum machst du es dir nur selbst so schwer?" erkläre ich ernst. Seine Lippen beben und fast rechne ich damit, dass er erneut zu protestieren versucht, doch stattdessen presst er die Lippen fest aufeinander und ich seufze. "W-was soll ich d-denn noch sagen?" höre ich ihn leise fragen und seine Stimme zittert ebenso wie sein Körper. Hilflos und entsetzt zugleich blickt er mich an und ich kann seine Zerrissenheit geradezu spüren. "Nun, zum Beispiel könntest du mir verraten, was genau dein Freund Bakura mit Seto Kaiba zu schaffen hat." entgegne ich geduldig. Ryou seufzt und für einen kurzen Augenblick schließt er die Augen. "Das habe ich ihnen doch schon..." hebt er mit kraftloser Stimme an und ich springe auf. Mit einem Schritt bin ich neben ihm und ein erstickter Schrei entringt sich seiner Kehle. Er presst seinen Körper weiter gegen die Wand fast als habe er die Hoffnung auf diesem Wege zu entkommen. "Genug gespielt, Kleiner." zische ich ihn warnend an. "Ich will keinen weiteren Unsinn hören." Er schnappt nach Luft und sein Blick starrt voll Grauen auf meine Hand. "In welchem Verhältnis stehen die Beiden zueinander?" will ich wissen. "Arbeitet dein Freund für Kaiba?" Langsam nähere ich mich mit der Hand seiner Brust und sein Herz hämmert so hart gegen seinen Brustkorb, dass ich das Pochen vernehmen kann. Gebannt blickt der Kleine auf den schmalen, messerähnlichen Gegenstand in meiner Hand und schluchzt. Kraftlos versucht er seinen blutverkrusteten rechten Arm zu heben und abwehrend vor seine Brust zu halten. Ein schmerzhaftes Keuchen kommt aus seinem Mund und nun registriere ich die roten, geschwollenen Finger und den riesigen Bluterguss auf seiner Hand und erinnere mich daran, dass Marius ihm ein paar Stunden zuvor ja die Hand gebrochen hat. "Ryou? Ich warte." Meine Stimme ist noch immer ruhig, aber der gefährliche Unterton entgeht ihm nicht. Er sieht mich flehend an und schluckt, sagt jedoch nichts. Ich seufze. "Gut, wie du willst." Kapitel 80: Gruppierung (Duke) ------------------------------ Hier nun ein Kapitel aus Duke´s Sicht. Ich habe seine Sichtweise gewählt, weil es mir auf diesem Weg am Einfachsten schien, den nächsten Handlungsstrang, sprich den Besuch bei Grey, zu beginnen. Zudem mag ich ihn als Chara sehr und da ich ja auch für Bakura ein Happy End will, brauche ich ihn noch. ^^ Allerdings bin ich mir noch nicht sicher, mit wem ich meinen Lieblingsdieb am Ende wirklich verkuppeln werde. Es bieten sich ja einige Optionen an. Vielleicht habt ihr ja ein paar Ideen diesbezüglich. Bin wie gesagt noch für alles offen. Also wer einen Vorschlag machen will, nur zu. :-) Da ich ursprünglich die Idee hatte, alle Yu-gi-oh-Chara´s irgendwie einzubauen (zumindest diejenigen, welche die letzte Staffel überlebt haben), werden ab diesem Kapitel am Rande auch eine alte Bekannte einen Auftritt haben. Ich hoffe, das wird euch nicht zuviel. ^^" Genug der Vorrede, ich wünsche euch wie immer viel Spaß! "... und sag ihm, dass er den Weg durch den Garten nehmen soll, Tea. Am Besten parkt er seinen Wagen ein Stück abseits und kommt..." Ich beende den Satz nicht als ich Tea´s verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkt. Sie sieht mich an als hätte ich komplett den Verstand verloren und würden wir uns in einem Comic befinden, würden jetzt unzählige Fragezeichen über ihrem Kopf erscheinen. Ich seufze, dann gebe ich mir einen Ruck und nehme ihr den Hörer aus der Hand. Wortlos tritt sie beiseite, immer noch sichtlich irritiert und überlässt es mir Tristan anzurufen. Es dauert eine Weile bis der Brünette sich meldet und fast rechne ich schon damit, dass er nicht zuhause ist. Dann vernehme ich seine vertraute Stimme und erkläre ihm in kurzen Zügen was Sache ist. Wie zu Erwarten braucht der gute, alte Tristan einen Moment, um mir zu folgen, doch nach zwei, drei Fragen seinerseits habe ich ihm alles Wesentliche erklärt und er verspricht mir, sich auf den Weg zu machen. Ich lasse den Hörer zurück auf die Gabel sinken und wende mich wieder Tea zu, die mich fragend ansieht. "Warum soll Tristan sich herschleichen, Duke?" will sie wissen. "Zu Yugi hast du nichts dergleichen gesagt. Ich verstehe nicht ganz, was das soll. Würdest du also die Güte besitzen..." Ich lache los worauf sie schlagartig inne hält und mir einen bösen Blick zuwirft. "Wie in den guten, alten Zeiten." bemerke ich immer noch lachend und ihre Miene verfinstert sich noch ein wenig mehr. Ich reiße mich zusammen und werde sofort wieder ernst. "Auf dem Weg hier her bin ich verfolgt worden, Tea." erkläre ich ihr nach kurzem Schweigen und ihre Augen weiten sich entsetzt. Dann wandert ihr Blick zum Fenster und ich ahne was sie vor hat noch bevor sie sich rührt. Gerade als sie sich in Bewegung setzen will, um zum Fenster zu treten, packe ich sie am Arm. "Nicht." sage ich eindringlich und sie hält inne. "Ich wurde verfolgt, ganz sicher. Und ich bin ebenso sicher, dass man uns beschattet." "Aber warum?" fragt sie verständnislos. Ich zucke mit den Schultern. "Ich kann nur vermuten." erwidere ich aufrichtig. "Bakura hat damit gerechnet, dass man abchecken würde, wann er landet und auch, dass man ihn verfolgen würde, aber dass man mich auch ins Visier nimmt..." Ich sehe wie ihr Blick erneut zum Fenster wandert und für einen Moment wirkt sie eine Spur blasser als vorher. "Ich schätze, dieser Grey will auf Nummer sicher gehen was sein Treffen mit Kura angeht." bemühe ich mich sie zu beruhigen. "Wahrscheinlich dient meine Überwachung einer reinen Vorsichtsmaßnahme." Sie nickt, aber wirklich beruhigt scheint sie nicht zu sein. "Aber warum wolltest du, dass Tristan sich herschleicht? Denkst du, dass man ihn auch...?" Ich schüttele den Kopf. "Nein, aber es muss nicht jeder wissen, dass er her kommt." erwidere ich ernst. "Dass ich dich besuche wird man vielleicht noch als normal einstufen und auch, dass Yugi bei dir vorbeischaut, aber wenn Tristan aufkreuzt wird man vielleicht darauf kommen, dass wir etwas vorhaben." Tea starrt immer noch verständnislos an. "Duke, ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst. Was sollten wir vorhaben? Wo ist Bakura überhaupt?" fragt sie irritiert weiter und ich seufze. Für einen Moment muss ich wieder an Bakura´s Kommentar bezüglich unserer Gang denken. "Dieser Grey will sich mit Bakura treffen. Wir vermuten, dass er deshalb auch Ryou entführt hat. Kura soll alleine kommen." versuche ich ihr die Sachlage erneut zu erklären. "Aber alleine wird er den Kleinen sicher nicht dort rausholen können. Wir müssen ihm Rückendeckung geben." Nun scheint Tea endlich zu verstehen. Langsam nickt das Mädchen und einen Moment später lässt sie sich in einem der Sessel nieder. Ich sehe ihr deutlich an, dass sie nachdenkt. "Und was will dieser Kerl von Bakura?" fragt sie mich schließlich und ich kann nur mit den Schultern zucken. "Wir sind nicht sicher." gebe ich zu. Einerseits glaube ich zwar, dass ich mit meiner Theorie diesbezüglich gar nicht so falsch liege, andererseits kann ich mir nicht sicher sein. Fakt ist, dass dieser Grey einen Grund haben muss, sich mit Kura treffen zu wollen und dass es dabei um Kaiba geht, steht wohl außer Frage. Vermutlich hat der Dieb Recht und meine zweite Theorie, dass der Gegner versuchen könnte ihn entweder zu kaufen oder mit Ryou zu erpressen, ist wahrscheinlicher als der Punkt, dass Grey von Kura´s Gefühlen für Kaiba weiß. Augenblicklich dürften nur zwei Personen außer dem Weißhaarigen davon Kenntnis haben. Alister und meine Wenigkeit. Wobei Bakura sich nach wie vor alle Mühe gibt, diesen Umstand zu leugnen und zu verdrängen. Vielleicht hat Joey einen Verdacht, aber in der Hinsicht bin ich mir nicht sicher. Kaiba allerdings weiß auf keinen Fall etwas davon. "Und was genau sollen wir tun?" Tea sieht mich fragend an und ich lächele. Scheinbar hat sie sich sehr schnell gefasst und ist schon dabei, gedanklich zum prakmatischen Teil überzugehen. Genau wie früher. Manche Dinge ändern sich eben nie. "Das besprechen wir, sobald die anderen da sind." entgegne ich zumal ich selbst noch keine konkrete Vorstellung davon habe. Ich hoffe nur insgeheim, dass Bakura sich an unsere Abmachung halten wird und nicht alleine losstürmt. Zu zutrauen wäre es dem Dieb alle mal und ich weiß auch, dass es ihm lieber wäre. "Hast du eigentlich eine Ahnung, wo Valon stecken könnte?" frage ich und Tea sieht mich überrascht an. "Valon?" Ich nicke. Sie scheint einen Moment zu überlegen. Dann schüttelt sie jedoch den Kopf. "Vielleicht weiß Yugi es." entgegnet sie und ich nicke. "Je mehr Hilfe, desto besser." erkläre ich ihr als sie mich weiterhin fragend ansieht. "Und ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser Grey bei seinen Überlegungen Leute wie Valon vollkommen außer Acht gelassen hat. Sie stehen schließlich in keiner Verbindung zu Kaiba." Tea´s Miene hellt sich schlagartig auf und sie nickt eifrig. "Verstehe." meint sie einen Augenblick später. Ehe sie noch etwas sagen kann, klingelt es und ich vermute, dass Yugi da ist. Tea setzt sich bereits in Bewegung, um zur Tür zu gehen, als ich sie kurz zurückhalte. "Wenn du ihm aufmachst, verhalt dich ganz normal. Sieh dich draußen nicht um. Lass dir nichts anmerken." ermahne ich sie eindringlich und sie schenkt mir einen missbilligenden Blick. "Denkst du ich bin dumm, Duke Devlin?" fragte sie und ich schüttele grinsend den Kopf. Zwei Minuten später kommt sie mit Yugi zurück, der mich genau wie in alten Zeiten mit großen, strahlenden Augen und einem noch größeren Lächeln begrüßt. "Duke! Mann, wie lange ist es her, dass wir uns nicht gesehen haben?" Ich erwidere den Gruß ebenso freundlich, komme dann aber auch schon direkt zur Sache. In kurzen Zügen schildere ich Yugi genau wie zuvor Tea die augenblickliche Lage und der Kleine nickt mit ernster Miene. "Ich wusste schon, dass Kaiba Feinde hat, aber das jemand mal so weit gehen würde..." Der Kleine schüttelt traurig den Kopf. Ich nicke. "Dieser Typ ist komplett irre." stimme ich zu. "Allem Anschein nach hat all das etwas mit Kaiba´s Adoptivvater zu tun. Naja, lange Geschichte." Obgleich ich den Beiden ansehe, dass sie darauf brennen sämtliche Neuigkeiten zu erfahren, wechsele ich das Thema. "Weißt du vielleicht wo Valon steckt? Oder wie wir ihn erreichen könnten?" will ich von Yugi wissen und bin etwas überrascht als der Kleine sein Handy zückt. "Wo er ist weiß ich nicht, aber ich habe seine Nummer." erklärt er und ich strahle ihn an. "Sehr gut." entgegne ich und überlege kurz. "Kannst du ihn anrufen, Yugi? Von Alister weiß er bereits einiges. Vielleicht ist er ja in der Nähe und kann uns helfen." Der Kleine nickt und macht sich auch umgehend ans Werk. Er geht ein paar Schritte abseits und ich hoffe, dass es ihm gelingt, den ehemaligen Ladendieb zu erreichen. Gleichgültig was Bakura auch denken mag, zumindest Valon wäre eine Bereicherung für unser Team. Ähnlich wie Alister besitzt er ein paar Talente, die wir bei unserer bevorstehenden Mission sicherlich gut gebrauchen könnten. Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, den Rothaarigen zurückzulassen, auch wenn ich Kura´s Sorge um ihn nur zu gut verstehen kann. Aber Alister ist ein kleines Computergenie. Seine Fähigkeiten hätten uns sicher enorm weitergeholfen. Weder Tristan, Tea noch Yugi können mit so was aufwarten. Tea scheint mir anzusehen, dass ich am grübeln bin. "Woran denkst du, Duke?" will sie wissen. Ich seufze. "Ach, ich habe mich gerade gefragt, wie wir Bakura unauffällig folgen könnten, wenn er zu seinem Treffen mit Grey aufbricht. Alister hätte sicher dafür irgendein technisches Spielzeug am Start." entgegne ich und sie nickt verstehend. "Tja, dann werden wir dieses Mal also auf einen Computercrack verzichten müssen." Ich zucke mit den Schultern und bin schon dabei den Gedanken zu verwerfen und zu überlegen, ob es ratsam ist, mit Bakura Kontakt aufzunehmen als Tea plötzlich meint: "Nicht unbedingt!" Ich sehe sie fragend an und ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. "Ich glaube, ich habe da eine Idee." meint sie verschwörerisch und zwinkert mir zu. Ich runzle die Stirn. "Na, Rebecca." erklärt Tea triumphierend. "Du erinnerst dich doch an die Kleine?" Ich nicke. Sicher erinnere ich mich an das Mädchen. Herrje, war das vielleicht eine Nervensäge als wir sie zum ersten Mal getroffen haben. Später allerdings, bei Kaiba´s Tunier, war sie recht erträglich. Dennoch verstehe ich nicht ganz worauf Tea hinauswill. "Die Kleine kennt sich aus mit Computern." erklärt sie mir. "Sie ist vielleicht kein Genie wie Kaiba und auch kein solcher Crack wie Alister, aber für unsere Zwecke dürften ihre Kenntnisse ausreichen." Erneut vernehme ich Kura´s Stimme in meinem Kopf und muss grinsen. "Klar, am Besten sagst du auch noch Mai Bescheid. Und Opa Muto. Ach und dann wäre da noch diese Kleine... wie hieß sie noch? ... Die ganze Liga der Armleuchter. Ra steh mir bei." "Ruf sie an." sage ich an Tea gewandt und sie nickt. "Soll ich ihr auch sagen, dass sie sich anschleichen soll?" Ich schüttele den Kopf. "Rebecca dürfte genauso harmlos erscheinen wie Yugi." entgegne ich und Tea grinst mich kurz an. Dann schickt sie sich an den Anruf zu tätigen. Yugi hat seinen in der Zwischenzeit beendet. "Valon kann in frühstens einer Stunde hier sein." erklärt mir der Kleine und ich klatsche zufrieden in die Hände. "Sehr gut." befinde ich vergnügt. "Ungefähr zur gleichen Zeit dürfte Tristan einlaufen. Hast du ihm gesagt, dass er den Hintereingang benutzen soll?" Yugi nickt. "Er meinte, keiner würde ihn sehen." So weit, so gut. Ich rekapituliere in Gedanken, meine bisherige Vorgehensweise. Alles in allem hat sich alles schneller bewerkstelligen lassen als ich gedacht hätte. Wenn Tristan und Valon in einer Stunde da sind, können wir bereits zur Planung über gehen. "Becky ist unterwegs." verkündet Tea und Yugi sieht sie fragend an. Tea erläutert ihm kurz, unsere Überlegungen und der Kleine nickt. Dann sehen mich beide wieder erwartungsvoll an und ich greife nach meinem Handy. "Ich rufe Kura an. Vielleicht hat er bereits was von seinem Gastgeber gehört." erkläre ich und wähle Bakura´s Nummer. Es läutet zweimal, dann meldet sich der Dieb auch schon. "Na, Katerchen, schon Entzugserscheinungen?" fragt Bakura und ich höre geradezu das anzügliche Grinsen, dass jetzt sicher sein Gesicht ziert. Für einen kurzen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken mit einer Gegenfrage in Bezug auf Kaiba zu kontern, doch da Yugi und Tea im Raum sind, verkneife ich es mir und entgegne stattdessen nur schlicht: "Kennst mich doch." Am anderen Ende der Leitung lacht Bakura vergnügt auf. "Ich schätze, du bist bereits im Kindergarten eingetroffen." bemerkt er dann und ich bestätige. "Ja, Tea und Yugi sind hier. Tristan und Valon unterwegs und..." Ich halte kurz inne. "Und ich habe einen würdigen Ersatz für Alister für diese Mission gefunden." beende ich den Satz anders als ursprünglich beabsichtigt. "Tatsächlich?" Bakura klingt ebenso spöttisch wie skeptisch. "Na, dann ist die Mannschaft ja komplett, was? Nein, halt. Was ist mit Mai? Wolltest du sie nicht auch..." "Nein, die Runde ist groß genug." unterbreche ich seine sarkastische Ausführung und Bakura gibt ein verächtliches Geräusch von sich. "Hast du was von Grey gehört?" will ich wissen. "Nein, aber ich werde beschattet." entgegnet der Dieb sichtlich belustigt. "Ein kleiner Stümper ist mir vom Flughafen aus gefolgt und hat jetzt Position auf der anderen Straßenseite bezogen. Sehr unauffällig, sage ich dir." Erneut lacht der Weißhaarige auf und ich kann nicht umhin ebenfalls zu grinsen. "Dito. Mir ist man auch gefolgt." erzähle ich dann. "Aber keine Sorge, ich habe alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen." Einen Moment herrscht Stille, dann vernehme ich ein anerkennendes Pfeifen. "Mein liebes Katerchen, du entwickelst ja fast schon kriminelle Energie." meint Bakura und lacht erneut auf. Dieses Mal ist es allerdings ein warmes, ehrliches Lachen und ich weiß, dass seine Gesichtszüge, die sonst stets so angespannt und verhärtet, ja, teilweise sogar diabolisch wirken, sich enspannen. "Na, ich habe doch beim Besten gelernt, oder?" gebe ich grinsend zurück und er entgegnet mit rauer Stimme: "Weißt du eigentlich, dass mich das anmacht, Katerchen? Deine dunkle Seite wollte ich schon immer mehr in den Vordergrund bringen." Ich verdrehe leicht die Augen, grinse aber weiterhin. "Ja, ja, ich weiß. Na, schauen wir mal, was sich da machen lässt." entgegne ich vage, denn Tea und Yugi beäugen mich nicht unbedingt unauffällig. "Wie gehen wir jetzt weiter vor?" will ich wissen und Bakura scheint kurz zu überlegen. "Ich schätze, nach dem Anruf von Grey werde ich nicht viel Zeit haben zu reagieren. Also wenn du und deine Krabbelgruppe tatsächlich mit von der Partie sein wollt, dann solltet ihr euch auf Abruf bereit halten." erklärt mir der Dieb und sein Tonfall hat sich mit einem Schlag verändert. Jetzt ist er wieder der harte, unberechenbare Bakura. "Geht klar. Was sonst?" erwidere ich und erneut herrscht für einen Moment Stille. "Ich werde mir jetzt erst einmal ein bisschen Ausrüstung besorgen." fährt Bakura fort und ich muss nicht nachfragen, was er damit meint. Genausowenig wie ich fragen muss, wie er das unbemerkt anstellen will. "Am Besten wäre es, wenn ihr schon mal hier her kommen würdet. Ihr könntet in der Nähe meines Hotels Position beziehen. Falls du tatsächlich jemanden am Start hast, der Alister ersetzt, dann soll derjenige mein Handy orten. So könnt ihr mir unbemerkt folgen." Ich nicke. "Ich denke, das lässt sich einrichten." erwider ich etwas unsicher ob Rebecca wirklich in der Lage ist, so etwas durchzuführen. "Schön." befindet Bakura. "Ihr könnt dann das Haus erst einmal beobachten. Ich werde derweil die Lage checken und mir anhören, was dieser Kerl zu sagen hat. Ich werde mein Handy so einstellen, dass du mithören kannst, sofern man mir das gute Ding nicht abzunehmen versucht." Er lacht kurz auf und ich hege wieder einmal den Verdacht, dass diese ganze Sache für ihn so etwas wie ein Spiel ist. Auch wenn er gesagt hat, dass Grey ein gefährlicher Gegner ist, macht er keineswegs den Eindruck als würde ihn dieser Umstand beunruhigen. Ja, er zeigt sich gänzlich unbekümmert und unbeeindruckt und ich frage mich, wo er diese Gelassenheit hernimmt. "Und was dann?" hake ich weiter nach. "Dann wird improvisiert, Katerchen." entgegnet er amüsiert und es liegt mir schon auf der Zunge ihn für das Katerchen zurecht zu weisen, doch er lässt mich gar nicht erst zu Wort kommen. "Damit wir uns richtig verstehen, Duke. Ich gehe erst einmal alleine rein und checke die Lage. Ihr wartet auf Instruktionen von mir." Seine Stimme klingt dermaßen entschieden, dass ich keinen Widerspruch einlege. Vermutlich würde er dann das Gespräch beenden und die Nummer alleine durchziehen. "Ich melde mich, sobald ich von Grey gehört habe." höre ich den Dieb sagen und erwidere automatisch: "Ok." Doch bevor er auflegt, meint Bakura ernst: "Lass Gardner und Muto zuhause, Duke. Valon, Tristan und du könnt mir vielleicht sogar wirklich eine Hilfe sein, aber die beiden Kleinen würden nur im Weg stehen. Verstanden?" Er wartet erst keine Antwort meinerseits ab, sondern beendet das Gespräch. "Und?" will Tea wissen und sieht mich ebenso wie Yugi erwartungsvoll an. "Er hat noch nichts gehört." entgegne ich und Tea nickt. "Also müssen wir erst einmal warten." stellt sie fest. Ich nicke. "Zumindest bis die anderen hier sind." stimme ich zu und frage mich insgeheim, wie ich den Beiden beibringen soll, dass sie hier bleiben müssen. Für einen Moment herrscht Schweigen und keiner von uns scheint so recht zu wissen, was er sagen soll, doch dann klatscht Tea plötzlich in die Hände und meint: "Was ist mit Kaiba´s Nr. 2? Fukuda könnte uns sicher auch behilflich sein." Fragend blickt sie von Yugi zu mir und ich schenke ihr eines meiner charmantesten Duke-Devlin-Lächeln. "Tea, du bist grandios!" erwidere ich worauf sie ein wenig zu erröten scheint. "An Fukuda hatte ich auch schon gedacht, aber wieder ganz vergessen... Wenn er nur halb so effektiv ist wie Roland, dann ist er der richtige Mann!" Kapitel 81: Im Kreuzfeuer ------------------------- "Wartet, ich werde ihn holen." meint Odion und deutet uns an in dem kleinen Wohnraum zu warten. Seto´s Miene ist so eisig, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Sein Blick ist dermaßen hart, dass es mir einen Schauder über den Rücken jagt. Mein Blick wandert unwillkürlich zu Mokuba, der kerzengerade neben seinem Bruder steht und als könne Seto meine Gedanken lesen, wendet nun auch er sich dem Kleinen zu. "Geh zu Ishizu und Roland, Mokuba." "Aber, Seto..." hebt der Schwarzhaarige an, verstummt jedoch als er seinem Bruder in die Augen sieht. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, dreht er sich um und verlässt den Raum. Fast zeitgleich erscheinen Marik und Odion mit einem Mann im Schlepptau. Ein Araber in typischer Landeskleidung. Unsanft wird er von Odion auf einen Stuhl gestossen und jetzt erst hebt der Mann seinen Kopf, so dass ich sein Gesicht sehen kann. Was an dem Kerl nun besonders auffällig sein soll, weiß ich nicht. Er sieht aus, wie unzählige andere Ägypter. Zumindest auf den ersten Blick. Bei näherer Betrachtung fällt mir eine große, senkrechte Narbe auf, welche die komplette linke Gesichtshälfte entstellt. Seine dunklen Augen richten sich sofort auf Seto und in seinem Blick liegt keineswegs Angst. Nicht eine Spur Furcht ist in ihnen zu erkennen. Fast trotzig reckt er sein Kinn empor und er zeigt keinerlei Regung als Odion und Marik ihn an den Stuhl binden. Genau genommen wirkt der Fremde erstaunlich ruhig angesichts seiner Lage und ich frage mich insgeheim, was das zu bedeuten hat. Genau wie ich begutachtet auch Seto den Mann einen Augenblick genaustens und aus dem Augenwinkel nehme ich eine minimalistische Veränderung in der Mimik meines Freundes wahr. "Omar." höre ich Seto mit kalter, gleichgültiger Stimme sagen. "Ist das dein wirklicher Name?" Der ehemalige Firmenchef lässt dem Fremden keine Zeit die Frage zu beantworten. Ich nehme an, der Mann hätte ohnehin nichts erwidert. Provozierend blickt er in die Augen seines Gegenübers und im nächsten Moment verziehen sich seine wulstigen Lippen auch schon zu einem spöttischen Grinsen. Seto sieht ihn weiterhin ungerührt an. "Nun, das tut auch nichts zur Sache. Mir ist egal wer du bist. Mich interessiert vielmehr für wen du arbeitest." fährt Seto in seiner Rede fort und das Grinsen des Fremden wird noch eine Spur breiter. "Wer ist dein Auftraggeber?" fragt nun Odion und seine große, braune Hand umfasst den Nacken des Fremden und reißt seinen Kopf nach hinten. Der Angesprochene verzieht verächtlich den Mund, macht aber keinerlei Anstalten zu antworten. Odion´s dunkle Augen funkeln Omar angriffslustig an. Das Attentat auf Roland hat den Ägypter tief getroffen. Nicht nur, weil er es nicht zu verhindern vermochte, sondern vor allem, weil sich zwischen den beiden Männern, so verschieden sie auf den ersten Blick auch sein mögen, in den letzten Tagen eine Art Freundschaft entwickelt hat. "Rede oder du wirst es bereuen!" droht der Ägypter als er keine Antwort bekommt und der Fremde spuckt ihm ins Gesicht. Marik gibt ein entrüstetes Geräusch von sich und macht einen Schritt auf den Araber zu, doch eine einzige Handbewegung von Seto hält ihn zurück. Odion streift sich mit dem Ärmel über das Gesicht und verstärkt sichtlich den Druck auf den Nacken des Gefesselten. Seine Miene drückt Verachtung aus. Seine sonst so ruhigen Züge sind hart und fast rechne ich damit, dass er diese abwertende Geste mit Vergeltung strafen wird, doch er tut nichts dergleichen. Mein Blick wandert zu Seto, der noch immer regungslos neben mir steht und den Fremden eingehend betrachtet. Ich weiß, dass er dabei ist, die Person auf dem Stuhl zu analysieren. Ich sehe es ihm an. Sein Blick fixiert den Dunkelhäutigen genau und ich vermute, er ist dabei sich eine Strategie zurecht zu legen. Es ist offensichtlich, dass wir den Mann nicht einfach so zum Reden bekommen werden und insgeheim wünschte ich, dass Bakura hier wäre. Er würde wissen, was zu tun ist. Unwillkürlich muss ich wieder an die Szene mit Siegfried denken und Widerwille und Ekel steigt in mir auf als ich mich daran erinnere, was der Dieb mit dem Deutschen gemacht hat. "Du hast nun zwei Möglichkeiten." ergreift Seto schließlich das Wort. Er klingt vollkommen ruhig, absolut nüchtern und bar jeder Emotion. "Du kannst es uns und vor allem dir leicht machen und mir sagen was ich wissen will oder..." Er hält kurz inne und schenkt Omar einen Todesblick der Stufe 10. Ich schaudere alleine beim zusehen. "Du wirst dieses Haus in Einzelteilen verlassen. Stück für Stück." Wieder macht Seto eine kurze Pause und ich blicke zu dem Fremden, um zu sehen welche Wirkung Seto´s Worte auf ihn haben. Noch immer spielt ein Grinsen um seine dicken Lippen, doch ich glaube Unsicherheit in seinem Blick zu erkennen. "Aber denk nicht, das würde langsam passieren. Mit den richtigen anatomischen Kenntnissen vermag man es, diesen Prozess in die Länge zu ziehen. Man stirbt nicht gleich, wenn einem eine Hand oder ein Bein amputiert wird, wie du sicher wissen dürftest." fährt Seto in dem gleichen gleichgültigen Tonfall fort als würde er irgendwelchen Geschäftspartnern einen Vortrag halten. "Ohne Betäubung dürfte solch ein Eingriff natürlich nicht unbedingt angenehm sein, aber das wirst du dir sicherlich vorstellen können. Es bedarf auch eines gewissen Maßes an chirurgischer Präzession.Vermutlich wirst du während dieses Prozesses mehrmals ohnmächtig werden, aber das stellt weiterhin kein Hindernis dar. Ich habe Zeit." Seto zuckt leicht mit den Schultern und für einen Moment hat er eine fast schon erschreckende Ähnlichkeit mit Bakura, dass sich meine Augen weiten und ich ihn entsetzt anstarre. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Marik ein wenig blass geworden ist und genau wie ich Seto ansieht. Einzig Odion wirkt unbeeindruckt von Seto´s kleiner Rede. Omar mustert den ehemaligen Firmenchef einen Augenblick. Das Grinsen ist zu einer bizarren Grimasse geworden, die nichts mehr von einem Lächeln hat. Genau wie Seto zuvor bei ihm, versucht nun auch er in seinem Gegenüber zu lesen, festzustellen ob der junge Japaner seine Worte ernst meint oder blufft. Und auch ich stelle mir unwillkürlich diese Frage. Könnte er das tun? Wäre Seto in der Lage diesen Menschen so zu Foltern, wie er es ihm gerade beschrieben hat? Früher habe ich Kaiba eine Menge zugetraut. Ich war der festen Überzeugung, dass er vor nichts zurückschrecken würde, um seine Vorrechte zu verteidigen. Manchmal ging sogar meine Phantasie etwas mit mir durch und ich habe mir Dinge ausgemalt, die wahrscheinlich nicht das Geringste mit der Wirklichkeit zu tun hatten. Aber könnte er solch eine Aktion wirklich durchführen? Ich mustere ihn eingehend, aber seine Züge sind so verschlossen, dass ich nicht darin zu lesen vermag. Seinem Blick nach zu urteilen, würde ich seinen Worten Glauben schenken, wenn ich an Omar´s Stelle wäre. Und in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Araber vermutlich mit Mokuba´s Entführung und Roland´s Verletzung zu tun hat, wäre es durchaus möglich, dass Seto so weit gehen würde, natürlich sofern der Mann nicht freiwillig mit der Sprache rausrückt. "Sie bluffen." bemerkt der Fremde. Es sind die ersten Worte, die er spricht und auch wenn ich seine Stimme nicht kenne, habe ich den Eindruck, dass er bei weitem nicht so sicher klingt, wie er es gerne hätte. Er bemüht sich zwar weiterhin, Kaiba´s Blick standzuhalten, aber etwas in seinem Blick hat sich verändert. Der Trotz ist gewichen. Seto zuckt gleichgültig mit den Schultern. "Möglich." entgegnet er gelassen. "Ich gebe allerdings zu bedenken, dass du mitverantwortlich für die Entführung meines Bruders bist und darüber hinaus einen meiner engsten Freunde angegriffen hast. Und wie du von deinem Auftraggeber vielleicht weißt, habe ich nichts zu verlieren. Bezieht man diese Punkte in die Überlegungen mit ein, nun... ich denke, dass man dann durchaus zu dem logischen Schluss kommen kann, dass ich mit an wahrscheinlichkeitgrenzender Sicherheit nicht bluffe. Aber entscheide selbst." Ich schlucke unwillkürlich. Seto´s Ansprache hat mich zumindest überzeugt. Marik scheint es ebenso zu gehen und Odion... Er blickt zu dem ehemaligen Firmenchef und fragt ernsthaft: "Soll ich das notwendige Werkzeug holen?" Seto blickt fragend zu Omar. "Denkst du, dass das notwendig ist, Omar?" will er von dem Gefesselten wissen. Nun ist dem Fremden deutlich anzusehen, dass er überlegt. Kaiba´s Worte sind zu ihm durchgedrungen und ich vermute, dass er zu dem gleichen Schluss kommen wird wie ich. Dennoch rührt er sich nicht, sieht Seto weiterhin abschätzend an. "Ich weiß doch gar nichts." sagt er schließlich. "Ich habe nur Befehle ausgeführt." Er scheint sichtlich bemüht, selbstsicher zu klingen, obgleich seine Äußerung deutlich verrät, das er Kaiba´s Drohung Glauben schenkt. "Von wem hast du deine Befehle bekommen?" will Seto weiter wissen. Omar rutscht auf seinem Stuhl unruhig hin und her. Wieder scheint er zu überlegen. Vermutlich wägt er ab, was er Preis geben kann, ohne dass sein Auftraggeber ihm ein ähnliches Schicksal bereitet wie Kaiba es ihm angedroht hat. "Ich kenne den Mann nicht. Meinen Auftrag habe ich per Email bekommen. Wir haben uns nie gesehen. Nur geschrieben und telefoniert." gibt er nach kurzem Zögern zu und Seto nickt als habe er genau das erwartet. "Worin genau besteht dein Auftrag?" Die nächste Frage überrascht mich ein wenig. Ich hätte weiter nachgehakt an dieser Stelle, doch ich vermute, dass Seto seine Gründe hat, auf diesen Punkt nicht weiter einzugehen. Erneut zögert Omar. Schweißperlen haben sich auf seiner Stirn gebildet. Seto sieht ihn weiterhin ungerührt an. Der Araber zuckt leicht mit den Schultern. "Ich sollte den Bodyguard ausschalten." entgegnet er gleichmütig. "Was dir nicht gelungen ist." bemerkt Seto trocken. Der Fremde funkelt ihn wütend an, was Seto ungerührt ignoriert. "Hast du darüber Bericht erstattet?" fragt er weiter und Omar´s Miene nimmt einen zerknirschten Eindruck an. Widerwillig nickt der Gefesselte. "Wie lauten deine weiteren Befehle?" Ein undefinierbarer Ton kommt aus Omar´s Kehle. Er schnaubt verächtlich und spuckt erneut aus. Dieses Mal allerdings auf den Boden. Seto quittiert diese Geste mit dem Hochziehen seiner rechten Braue und sein Blick ist dermaßen missbilligend, dass ich grinsen muss. Solche primitiven Gesten widern ihn zutiefst an, wie ich aus Erfahrung weiß. "Ich soll mich bereit halten." sagt Omar nach seiner kleinen Showeinlage und Seto zieht die Braue noch etwas höher. Der Araber verdreht leicht die Augen. "Meine Anweisung besagen, dass ich euch im Auge behalten soll und wenn sich die Möglichkeit ergibt..." Er beendet den Satz nicht, aber uns allen ist klar, was er damit meint. Unwillkürlich frage ich mich, warum ausgerechnet Roland ausgeschaltet werden soll. Sicher, Seto´s Assistent hat bei Mokuba´s Befreiung das Schlimmste verhindert, aber ist das tatsächlich der Grund? Oder hat es vielmehr damit zu tun, dass er Kaiba nahe steht? Ich bin nicht sicher und ich glaube, Seto ist es auch nicht. "Du Sohn einer räudigen Hündin!" entfährt es Odion verächtlich und ich sehe den Ägypter erstaunt an. So habe ich den sonst so ruhigen Mann noch nie erlebt. Doch Omar zeigt sich unbeeindruckt von dem kleinen Ausbruch und Marik... Mein Blick wandert zu dem jungen Ägypter. Marik funkelt den Fremden ebenso verächtlich an wie sein Bruder. Seto scheint wieder in Gedanken versunken. Sein Blick ist auf den Boden gerichtet. "Wie nimmst du Kontakt auf? Wie oft erstattest du Bericht?" will er dann wissen und Omar seufzt gespielt genervt. "Ich habe eine Handynummer, die ich anrufe." entgegnet er mit rauer Stimme. "Qu- ... Man erwartet meinen Bericht jeden zweiten Tag. Es sei denn, es passiert was unvorhergesehenes." Qu-? Der Araber hätte sich um ein Haar verraten. Auch Seto ist es aufgefallen. Seine Augen haben sich kaum merklich geweitet. Omar bemüht sich derweil, diesen Fauxpax zu überspielen. Sein Blick wandert gelangweilt durch den Raum und die Unschuldsmiene, die er glaubt zur Schau zu tragen, würde nicht einmal ein Kleinkind täuschen. "Wie heißt deine Kontaktperson?" lautet die nächste Frage. Omar zuckt mit den Schultern und ich wette, dass er mit einem "Weiß ich nicht" antworten würde, hätte Seto ihm die Zeit gelassen. Nun hat der ehemalige Firmenchef sein Gegenüber wieder voll im Blick. Er fixiert Omar genau und dieser fühlt sich sichtlich unwohl. "Quinn?" höre ich Seto fragen. Der Gefesselte reagiert nicht. "Quirin? Quentin? Quincy?" Der Gefragte macht keinerlei Anstalten, ihm diese Frage zu beantworten. Seto zählt noch ein paar weitere Namen auf. Namen, die ich nie gehört habe. Wieder einmal stelle ich anerkennend fest, dass sein Gedächnis unvorstellbar gut sein muss. Von seinem Wissen ganz zu schweigen. Aber Omar verzieht keine Miene, zuckt nicht einmal mit der Wimper. Marik stöhnt laut auf. "Das führt doch zu nichts." bemerkt er und sieht seinen Bruder an. Auch Odion scheint dieser Ansicht zu sein. Und ich bin auch nicht sicher, ob es tatsächlich etwas bringt, den Mann weiter zu befragen. Vermutlich weiß er wirklich nicht mehr. Warum sollte man einen Handlanger auch in alle Pläne einweihen? Zu meinem Erstaunen hellt sich Seto´s Miene ein wenig auf und er lächelt sogar. "Also, Quentin." stellt er fest und Omar reißt entgeistert die Augen auf, sagt jedoch nichts. Seto nickt zufrieden. "So heißt er. Quentin." sagt er von Neuem und ich sehe ihn fragend an. Gerade als ich ihn fragen will, wie er darauf kommt, erklärt er es uns von selbst. "Das war der einzige Name bei dem unser guter Omar reagiert hat. Ein Glück, dass die Liste der Namen mit Q so übersichtlich ist." Ich bin nicht sicher wie ich das verstehen soll. Ich hatte Omar die ganze Zeit im Auge. Er hat nicht reagiert. Bei keinem der Namen. Doch scheinbar hat Seto mit seiner Äußerung ins Schwarze getroffen. Ich sehe es dem Araber deutlich an. Er wirkt erstaunt, wütend und auch verwirrt. "Ich will die Nummer." erklärt Seto entschieden und Odion reicht ihm das Handy des Gefangenen. "Im Telefonbuch ist nichts zu finden." berichtet der Ägypter und Omar lacht. "Ich bin nicht dumm." verkündet er selbstgefällig. "Die Nummer!" Kaiba´s Stimme ist eisig. Omar scheint erneut in Gedanken abzuwägen, was er nun tun soll. "Die Nummer wird dir nichts nützen." erwidert er schließlich. "Lass das meine Sorge sein." entgegnet Seto kühl und wendet sich mir zu. "Hol Alister." befiehlt er mich. "Ich habe eine Idee." Ich frage nicht weiter nach, nicke nur und mache mich auf den Weg. Ich finde den Rothaarigen in der Küche und bin erstaunt als ich Mokuba neben ihm entdecke. Scheinbar ist Alister dabei ihm etwas an seinem Laptop zu zeigen und der Kleine wirkt mehr als nur interessiert. Beide blicken auf als ich in die Küche stürme und auch Ishizu, die am Herd steht, sieht mich fragend an. "Kaiba will, dass du kommst, Alister." sage ich knapp und der Rothaarige nickt. Er klappt seinen Laptop zu und erhebt sich. "Wir machen später weiter, Mokuba." meint er dann an Seto´s Bruder gewandt und Mokuba nickt. Zusammen mit Alister kehre ich zurück zu den anderen. Omar mustert den Neuankömmling mit einem spöttischen Grinsen. Alister dagegen ignoriert den Gefesselten vollkommen und wendet sich direkt an Kaiba. "Du bekommst gleich Arbeit." verkündet dieser und der Rothaarige nickt. "Die Nummer. Ich sage es nicht noch einmal." Erneut zögert unserer Gefangene, zuckt dann jedoch mit den Schultern und nennt uns die gewünschten Ziffern. "Versuch herauszufinden, wo sich dieses Handy befindet und wem es gehört. Und check noch einmal alle Telefonate von Siegfried nach einem Anrufer namens Quentin." trägt Seto Alister auf und dieser macht sich sofort ans Werk. Omar lacht. "Das wird dir nichts nutzen." erklärt er Seto grinsend und zu meiner Überraschung grinst dieser nun zurück. "Wir werden sehen." entgegnet er gelassen. "DU wirst uns allerdings von Nutzen sein." In den blauen Augen blitzt es gefährlich auf und Omar´s Blick verfinstert sich. Ohne den Gefangenen weiter zu beachten, wendet sich mein Freund nun an Odion. "Wie lange können wir ihn unbemerkt festhalten?" will er wissen. Odion lächelt. "So lange du willst." erwidert dieser und Seto nickt. "Gut. Wir werden ihn noch eine Weile brauchen." verkündet er und bedenkt Omar mit einem undefinierbaren Blick. "Ich habe da eine kleine Idee." Kapitel 82: Hintergründe und Strategien Teil 2 (Bakura) ------------------------------------------------------- "Klingt wie aus einem schlechten Krimi." kommentiere ich die sachlich-nüchternen Anweisungen, die mein Gesprächspartner mir übermittelt und lache kurz auf. "Aber wie der Herr will. Spielen wir eben dieses Spielchen. Soll mir recht sein." Der Sprecher am anderen Ende der Leitung übergeht meinen spöttischen Einwurf und erinnert mich in seiner Art und Ausdrucksweise an Roland. "In einer halben Stunde. Halten sie sich bereit." sagt er und ich seufzt gelangweilt. "Sicher doch. Es ist mir ein Vergnügen." entgegne ich dann gut gelaunt und beende das Gespräch. Mein Blick wandert zur Uhr. Ich habe also noch eine halbe Stunde. Gut. Zeit genug, um Duke anzurufen und mich vorzubereiten. In Gedanken gehe ich das Gespräch mit dem Fremden noch einmal durch. Der Anrufer war nicht Grey. Das hätte ich allerdings auch ohne den Hinweis seinerseits gewusst. Die Stimme passte nicht zu unserem Oberschurken. Hätte es sich tatsächlich um Grey gehandelt, wäre ich enttäuscht gewesen. Ich vermute, dass es sich bei diesem Mann um seine Nr. 1 handelt. Eine Art "Roland" wohlmöglich. Fragt sich nur, ob er ebenso effektiv ist, wie Kaiba´s Pinguin. Die Anweisungen an sich sind auch nicht weiter ungewöhnlich. Mit ähnlichem habe ich bereits gerechnet. Sehr klischeehaft bei genauerer Betrachtung. Der Text klang tatsächlich so als hätte man ihn aus irgendeinem Film geklaut. Ich würde sogar darauf wetten, dass es tatsächlich so ist. Vermutlich wird man mir auch noch die Augen verbinden wollen. Nun gut, wenn diese Kinderreien mich zum Ziel bringen, werde ich mal nicht so sein. Wie ich vermutet habe, wird man mir also einen Wagen schicken. Ich schätze, dass man mich dann als erstes durchsuchen wird. In guten Gangsterfilmen wird das schließlich auch so gemacht. Das beschränkt natürlich die Mitnahme meiner neuen Spielsachen etwas. Aber vielleicht werde ich dafür Duke und seine "Defenders" einspannen können. Dann wären sie zumindest zu etwas nutze. Bei Ra, warum zum Teufel habe ich mich von dem Kater nur breit schlagen lassen? Normalerweise arbeite ich auch alleine. Naja, von Alister abgesehen. Aber der Rothaarige ist inzwischen auch ein Profi und er gerät auch nie in die Schusslinie. Wenigstens werden dieser Zwerg und das Mädchen nicht im Weg rumlaufen und Kaiba´s zweiter Assistent könnte sich sogar als brauchbar erweisen. Pinguin Nr. 1 war bislang recht eindrucksvoll unterwegs. Der Mann verfügt zwar nicht unbedingt über Humor, dafür weiß er aber was bei einer gepflegten Schlägerei zu tun ist. Für einen Moment wandern meine Gedanken zu Ryou. Etwas, dass ich seit ich von seiner Entführung erfahren habe, zu vermeiden versucht habe. Natürlich frage ich mich wie es ihm geht, was dieser Grey möglicherweise mit ihm anstellt und das was ich mir ausmale, gefällt mir keineswegs. Ich vermute, dass er durch Ryou auch an Informationen über mich kommen will. Ryou ist neben Duke wohl der einzige Mensch, bei dem man eine Verbindung zu meiner Person herstellen kann. Wäre ich an Grey´s Stelle, würde ich sicher versuchen so viel wie möglich aus dem Kleinen rauszuholen und im Grunde bin ich mir sicher, dass der Gegner auch genauso handelt. Bisher war Grey sichtlich darum bemüht, gut informiert zu sein und mit Ryou in seiner Hand... Ich schlucke unwillkürlich und meine Hände ballen sich zu Fäusten. Ich weiß, wie ich vorgehen würde, wenn ich Grey wäre. Oh ja, ich weiß es nur zu gut. Oft genug habe ich Leute zum Reden gebracht. Auch und vor allem gegen ihren Willen. Und wenn ich mir vorstelle, dass Ryou nun... Energisch schüttele ich den Kopf und versuche den Gedanken zu verdrängen. Ryou ist ein ängstliches Kerlchen. Es dürfte nicht schwer sein, ihn zum Reden zu bringen. Ich befürchte nur, dass der Kleine dem Feind nicht unbedingt viele brauchbare Informationen wird liefern können. Ryou weiß zwar einiges über mich, aber was meine Arbeit anbelangt, habe ich ihn so weit es geht rausgehalten. Er ist einfach kein Typ mit dem man über solche Dinge reden kann. Der Kleine ist ein so guter Mensch, dass er sogar meine Strafgebühren für zu spät zurückgegebene Bücher beglichen hat. Er würde nicht einmal eine rote Ampel überfahren, wenn sein Leben davon abhinge. Nein, Ryou ist wahrhaftig ein guter Mensch. Das Gegenteil von mir, wenn man so will. Er ist derjenige, der alten Damen über die Straße hilft oder die Einkaufstaschen nach Hause bringt. Ich habe ihn immer belächelt für diese - seine - Freundlichkeit. Bei Ra, ich habe ihn anfangs ausgelacht. Er erschien mir so... schwach. Hilflos. Das geborene Opfer. Und nun ist er meinetwegen in den Händen dieses Verrückten. Damit hat Grey diese Angelegenheit endgültig zu einer persönlichen Sache zwischen uns gemacht. Das steht außer Frage. Kaiba hin oder her, jetzt ist es persönlich. Ryou ist in dieser Welt so etwas wie meine Familie. Ja, so könnte man es tatsächlich sehen. Unwillkürlich muss ich wieder an die Zeit denken als ich endlich meinen eigenen Körper hatte. Ryou war es, der sich um die wesentlichen Dinge gekümmert hat, der mir beibrachte mich in dieser Zeit zurecht zufinden. Natürlich musste ich ihn hin und wieder auch dazu bringen, mir zu helfen. Besonders bei den Kleinigkeiten, die er selbst auf keinen Fall tun wollte und nie getan hätte. Aber im Grunde war der Kleine stets für mich da. Hielt zu mir, gleichgültig wie sehr ich sein Leben auch ins Chaos gestürzt habe. "Wir geben dich einfach als meinen Cousin aus. Meinen Cousin aus... Europa. Du bist hier, um ein Auslandssemester einzulegen. Natürlich benötigen wir dafür ein paar Papiere. Du brauchst einen Personalausweis und noch ein paar andere Sachen, aber das bekommen wir schon irgendwie hin." Der Cousin aus Europa Erneut muss ich lachen, wenn ich da diesen Moment zurückdenke. Und ich weiß auch noch zu gut, was ich erwidert habe. "Ich bin kein jämmerlicher Schüler! Ich bin der König der Diebe und bei Ra, sollte sich mir irgendjemand von diesem verdorbenen Rattengezücht in den Weg stellen, dann wird er sich an den unaussprechlichen Qualen des Reichs der Schatten erfreuen dürfen!" Wahrhaftig, ich habe es dem Kleinen alles andere als leicht gemacht. Ein Grund mehr, mich zu revanchieren. Und genau das werde ich tun. Oh ja. Das schwöre ich bei dem allmächtigen Osiris selbst. Bei Anubis und Horus. Wenn dieser Grey ihm auch nur ein einziges Haar gekrümmt hat, dann wird er die Ewigkeit im Schattenreich verbringen. Aber vorher werde ich noch ausgiebig mit ihm spielen. Für Kaiba wird dann allerdings nichts mehr übrig bleiben befürchte ich. Aber ich schätze, das wird er verkraften, wenn er dafür sein Leben wieder bekommt. Der Gedanke an Kaiba versetzt mir wieder einmal einen leichten Stich. Auch etwas, dass ich mich bemühe auszublenden. Ich dachte, es würde mir leichter fallen, nicht an ihn zu denken, wenn ich ihn oder diesen Hund von Wheeler nicht sehen muss, aber mitnichten. Wieder und wieder wandern meine Gedanken zu ihm und ich kann mich dem nicht entziehen. Aber das Schlimmste daran ist, dass auch Wheeler sich in meine Gedankenwelt schleicht und... Ich schüttele energisch den Kopf und konzentriere mich wieder auf die bevorstehende Mission. Der Wagen wird in knapp 23 Minuten hier sein. Man wird mich durchsuchen, mir die Augen verbinden und mich dann zu diesem Grey bringen. Zumindest, wenn diese Kerle so vorgehen, wie ich es vermute. Stellt sich nur die Frage ob man mich an den Ort bringen wird an dem auch Ryou ist oder Grey auf Nummer sicher geht. Am Telefon habe ich zwar ausdrücklich betont, dass ich den Kleinen sehen will, aber das heißt noch lange nicht, dass man darauf eingehen wird. Sollte Duke Recht behalten und man versucht mich mittels Ryou zu einer Zusammenarbeit zu zwingen, hat man den Jungen sicher irgendwo anders versteckt. Ein Risiko, dass ich eingehen muss. So oder so, ich werde erfahren wo er ist. Koste es was es wolle. Auch für diesen Fall habe ich mir einen vagen Plan zurecht gelegt. Im Grunde vermag ich augenblicklich nichts anderes mehr zu tun als mich bei Duke zu melden. Ich greife zu meinem Handy und Duke nimmt bereits nach dem ersten Klingeln ab. Auf meine Frage wo sie sich befinden, erklärt er mir, dass sie in unmittelbarer Nähe des Hotels aufhalten. Kaiba´s Assistent hat einen unauffälligen Wagen besorgt und sie haben den Eingang meines Unterschlupfes im Auge. Laut Duke ist ihnen niemand gefolgt. In kurzen Zügen schildere ich ihm den Inhalt des Gespräches und kläre ihn über die Auflagen auf, die man mir gestellt hat und erteile ihm alle notwendigen Instruktionen. "Ich werde eine Tasche in der Hotelhalle abstellen, gleich eben der Tür." sage ich und mein Kater versteht sofort worauf ich hinaus will. "Darin befindet sich auch ein Kommunikator. Neuste Technik. So etwas benutzen die Typen vom CIA. Damit werden wir in Verbindung bleiben können. Ich denke, du wirst damit zurecht kommen." Duke lacht kurz auf. "Keine Sorge, so unbegabt bin ich technisch nun auch wieder nicht." erwidert er und ich würde wetten, dass es in seinen Augen gerade aufblitzt.. "Bleibt nur zu hoffen, dass sich Ryou auch tatsächlich am Treffpunkt aufhält." überlege ich laut und der Kater seufzt. "Diese Kerle scheinen an alles zu denken. Ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich ehrlich bin. Ich hoffe, du weißt was du tust, Kura." gibt Duke zu und ich höre auch deutlich die Sorge in seiner Stimme. "Entspann dich, Katerchen." erwider ich lässig. "Ich bin schon mit weitaus schlimmeren Dingen fertig geworden." Wir schweigen beide einen Moment, dann fahre ich mit meinen Anweisungen fort. Kurz erläutere ich ihm meinen Plan. Duke hört zu, stellt noch ein, zwei Fragen und das Gespräch ist beendet. Ich bin sicher, dass er meinen Plan verstanden hat und kann nun nur noch darauf vertrauen, dass es ihnen möglich sein wird, mir zu folgen. Wenn diese Rebacca mein Handy zu orten vermag, dürfte dieser Punkt nicht weiter schwer werden. Zumal ich in der Lage bin, zu verhindern, dass man mir das Mobiltelefon wegnimmt. Vier Wurfmesser werde ich sicher auch ungesehen verstecken können. Wäre nicht das erste Mal, dass ich eine Leibesvisite über mich ergehen lassen muss. Am Flughafen habe ich es schließlich auch geschafft. Einen Moment betrachte ich meinen Dolch. Darauf werde ich keinesfalls verzichten. Mein Lieblingsspielzeug. Ein Geschenk von Seth, dass mir schon mehr als einmal gute Dienste erwiesen hat. Ich halte kurz inne, verharre in meiner Erinnerung an jenen Moment, dann klappe ich das Handy wieder auf und ehe ich weiß, was ich eigentlich tue, wähle ich auch schon Kaiba´´s Nummer. Es dauert nicht lange bis er sich meldet und der Klang seiner kühlen Stimme versetzt mir einen Stich. Ich sehe förmlich Duke´s mitfühlenden Blick vor mir. So nüchtern wie möglich erstatte ich ihm Bericht. Er hört ruhig zu als ich ihm von den jüngsten Entwicklungen berichte. Fast erwarte ich, dass er etwas zu der Beiteiligung der anderen sagt, aber er äußert sich nicht dazu. Meine eigene Stimme klingt seltsam fremd, nicht nach mir und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit verspüre ich so etwas wie Unsicherheit. "Nun, ich hoffe, dass dein Plan aufgeht." sagt er schließlich. "Ich werde schon dafür sorgen." versichere ich ihm und werfe einen Blick auf die Uhr. Noch eine viertel Stunde. Als ich frage wie die Dinge bei ihm stehen, bin ich wohl weitaus überraschter über meine eigene Frage als er. Sachlich wie es seine Art ist, erzählt er mir was sich in Ägypten nach meinem Abflug zugetragen hat und ich nicke leicht. "Gut. Eine zweite Spur kann nicht schaden." kommentiere ich den Sachverhalt und damit könnten wir das Gespräch eigentlich beenden. Normalerweise würde ich das auch tun. Auflegen. Es ist schließlich alles gesagt. Aber ich tue es nicht. Für einen kurzen Augenblick herrscht Schweigen, dann gebe ich mir einen Ruck und will gerade zu einer knappen Verabschiedung ansetzen, als ich Kaiba meinen Namen sagen höre. "Bakura..." "Ja?" Mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller und aus irgendeinem Grund halte ich kurz den Atem an. Kaiba räuspert sich am anderen Ende der Leitung. "Pass auf dich auf." höre ich dann sagen und es klingt so als würde er es ernst meinen. Ja, Kaiba hört sich tatsächlich so an als würde er sich Sorgen machen. Um mich. Ich schlucke unsicher und verspüre erneut einen leichten Stich. Es kostet mich enorme Mühe ruhig zu bleiben. Für den Bruchteil einer Sekunde weiß ich nicht einmal was ich erwidern soll. Dann fasse ich mich jedoch. "Was denkst du wer ich bin?" entgegne ich und bemühe mich lässig und spöttisch zugleich zu klingen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich hoffe insgeheim, dass er das leichte Zittern in meiner Stimme nicht bemerkt. Kaiba lacht kurz auf. "Nun, ich hoffe, das wofür du dich hältst." erwidert er in typischer Kaiba-Manier und ich sehe ihn schlagartig vor mir. Den Anflug eines Lächelns auf den Lippen, mit festem, kühlen Blick. "Fuck you." ist meine Entgegnung und er neut lacht er auf. "Viel Glück." höre ich ihn dann sagen und das Gespräch ist beendet. Ich atme kurz durch und stecke mein Handy zurück in meine Tasche. Dann sehe ich mich kurz in dem kleinen Zimmer um, greife mir noch eine Zigarette und begutachte noch einmal kurz die Tasche, die ich bereit gestellt habe. Es bedarf ein paar Zügen und ein paar Minuten bis mein Herz wieder normal schlägt und ich Kaiba´s Stimme aus meinem Kopf verbannt habe. Ein letzter Blick auf die Uhr und ich schnappe mir Jacke und Tasche und begebe mich in die Lobby des Motels. Neben der Eingangstür deponiere ich ich unauffällig meine Ausrüstung, dann beziehe ich vor dem Haus Position. Noch drei Minuten. Ich angele mir eine weitere Zigarette aus meinem Päckchen und zünde sie an während ich mich unauffällig umsehe. Von Duke und den anderen ist nichts zu sehen. Es parken zwar einige Wagen in der Straße, aber ich könnte nicht mit Bestimmtheit sagen, dass der Kater sich in einem davon befindet. Soweit so gut. Wenn die Bande mir nicht auffällt, wird sie auch meiner Verabredung nicht auffallen. Ich habe die Zigarette erst halb geraucht als ein Wagen in in die Straße einbiegt und sofort weiß ich, dass die Show jetzt beginnen wird. Ich ziehe noch einmal an meiner Zigarette, werfe sie dann achtlos beiseite und richte mich auf. Das Auto kommt direkt vor mir zum stehen. Kurz mustere ich den Wagen und seine Insassen. Es sind zwei. Der Beifahrer steigt aus und mustert mich kurz abschätzend. Ich tue es ihm gleich. "Pünktlich." stelle ich grinsend fest. "Lobenswert." Der dunkelhaarige Mann verzieht keine Miene und noch bevor er ein Wort sagt, weiß ich, dass er es war mit dem ich telefoniert habe. Meine Vermutung bestätigt sich. Er sieht sogar ein klein wenig wie Roland aus. Genau wie Kaiba´s Assistent trägt er einen Anzug und legt die gleiche steife Haltung an den Tag. Auf der linken Seite glaube ich unter dem Jacket eine Waffe auszumachen. Wortlos öffnet er die hintere Tür. Dann bringt er ein schwarzes Tuch zum Vorschein. Ich ahne was nun kommt und verziehe spöttisch den Mund. "Ah ja." bemerke ich gleichmütig. "Wir bleiben also den Klischees treu, was? Na, dann..." Ich mache einen Schritt auf ihn zu, wende ihm den Rücken zu und warte. "Ich werde sie nun durchsuchen." erklärt mir der Anzugträger mit trockener Stimme. "Sie werden sicher verstehen, dass dies..." Ich nicke. "Ja, ja, schon klar. Tu dir keinen Zwang an, Kumpel." unterbreche ich ihn gutgelaunt und bin sicher, dass ich ihn mit dieser Äußerung und vermutlich noch mehr mit meinem Tonfall irritiere. Könnte ich sein Gesicht sehen, würde ich ich es ihm sicher deutlich ansehen können. Es dauert ein paar Sekunden, dann spüre ich Hände an meinen Fußgelenken. Routiniert tastet er mich ab und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Als er seine Arbeit beendet hat, wird mir wortlos die Augenbinde angelegt und mir beim Einsteigen geholfen. Dieses Mal nimmt der Mann hinten Platz und der Wagen fährt auch direkt an als die Tür ins Schloss gefallen ist. "Na, dann bin ich mal gespannt wohin die Reise geht." sage ich ihn fröhlichem Plauderton, bekomme aber keinerlei Erwiderung. "Ich hoffe, dass es meinem Freund gut geht." fahre ich munter fort. "Denn anderenfalls... naja, dann müsste ich euch alle töten und bislang verstehen wir uns doch recht gut." Ich höre, dass der Mann neben mir ein undefinierbares Geräusch von sich gibt und bin sicher, dass sich an seiner Atmung etwas verändert hat. Er sagt jedoch nichts und auch der Fahrer schweigt. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, sofern ich die Zeit richtig einschätze. Ich vermute, dass wir die Stadt verlassen haben. Der Fahrverlauf in den letzten zehn Minuten war mehr als flüssig, was darauf schließen lässt. Als der Wagen stoppt und der Mann neben mir die Tür öffnet, ist jede Faser meines Körpers gespannt wie ein Bogen. "Wir sind da." sagt der Mann unnötigerweise und packt mich unsanft am Arm. Ich steige aus dem Auto und höre gleich darauf, dass es sich wieder entfernt. Der Geräuschskulisse nach zu urteilen, sind wir tatsächlich nicht mehr in der Stadt. Ich höre Vögel singen. Ansonsten ist nicht viel zu hören. Keine weiteren Autos. Ich hoffe, dass Duke und die anderen sich der Lage anzupassen wissen. Der Mann hält mich immer noch am Arm fest und dirigiert mich neben sich her. Fünfzehn Meter etwa und wir kommen zum Stehen. Eine Klingel wird betätigt und ich höre Schritte. Eine Tür wird geöffnet und eine neue Stimme sagt: "Der Boss wartet schon." "Dann wollen wir aber keine Zeit verschwenden." Ich grinse als man mich ins Innere führt und höre, dass die Tür hinter mir wieder ins Schloss fällt. Standartschloss. Keine weiteren Sicherung. Aber vermutlich gibt es Alarmanlagen. Man dirigiert mich weiter wobei sich uns die zweite Person nicht anschließt. Weitere zehn Schritte und es wird an eine Tür geklopft. Ich vernehme ein fest klingendes "Herein" und werde einen Augenblick später auch schon in den Raum geschoben. "Hier ist er." erklärt mein Begleiter an die Person im Zimmer gerichtet. "Er ist sauber." fügt der Mann neben mir hinzu und lässt nun auch endlich meinen Arm los. Ich grinse. "Ich habe ja auch vorher noch schnell geduscht." Aus einiger Entfernung vernehme ich ein emotionsloses Lachen. Es klingt irgendwie bleiern, definitiv unecht. "Sie sind wirklich ein ungewöhnlicher Mann, Bakura." bemerkt die Person, zu der auch das Lachen gehört. Auch die Stimme hat etwas metallenes. Die Aussprache ist sauber, nicht der geringste Akzent ist zu hören. Schwer zu schätzen, welche Nationalität der Sprecher besitzt. "Man tut was man kann." erwidere ich lässig und spüre wie mein Begleiter sich daran macht, die Augenbinde zu lösen. "Es freut mich, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen. Teile ihrer Arbeit durfte ich ja schon bewundern." meint der Fremde in höflichem Plauderton und ich vermute, dass er etwas vier Meter von mir entfernt ist. "Ob die Freude auch meinerseits ist, werden wir sehen, wenn ich weiß was mit Ryou ist." entgegne ich scharf und erneut lacht der Mann kurz auf. Die Augenbinde wird entfernt und ich brauche einen kurzen Augenblick, um mich den Lichtverhältnissen anzupassen. Helles Sonnenlicht dringt durch drei große Flügelfenster auf der linken Seite. Ich blinzele kurz und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Wie vermutet. Der Mann ist etwa vier Meter von mir entfernt und sitzt an einem großen, massiv aussehenden Schreibtisch. Mein Blick trifft seinen und er lächelt mich an. "Bakura." sagt er und macht eine leichte Kopfbewegung, die wohl an eine angedeutete Verbeugung erinnern soll. Ich verziehe spöttisch den Mund. "Grey." entgegne ich ihn dem gleichen Tonfall und mustere den Mann, der also der Kopf hinter dieser ganzen Angelegenheit ist, eingehend. Kapitel 83: Quid pro quo (Grey) ------------------------------- Sorry, dass ihr dieses Mal sooo lange warten musstet. Leider ist meine Zeit momentan immernoch etwas begrenzt. Trotz der Augenbinde und wirkt sein Auftreten alles andere als verunsichert. Im Gegenteil. Er macht einen geradezu lässigen Eindruck, fast als wäre er es, der die Situation unter Kontrolle hat und für einen kurzen Augenblick irritiert mich dieser Gedanke. Ich blicke fragend zu meinem Assistenten, der meinen Blick umgehend zu deuten versteht und verkündet: "Er ist sauber." Ich nicke leicht und mein Blick wandert erneut zu dem Weißhaarigen, der ungerührt da steht. "Ich habe ja auch vorher noch schnell geduscht." meint der Dieb und grinst. Ich lache trocken auf. ""Sie sind wirklich ein ungewöhnlicher Mann, Bakura." bemerke ich dann und er zuckt kaum merklich mit den Schultern. "Man tut was man kann." erwidert er gelassen und erneut beschleicht mich der Eindruck, dass ich diesen Mann keineswegs unterschätzen sollte. Alles was ich bislang über ihn in Erfahrung gebracht habe, was keineswegs viel war, deutet unwiderruflich darauf hin, dass der Dieb mit allen Wassern gewaschen ist. Erschien er mir zuvor schon undurchsichtig, verstärkt sich dieser Eindruck bei seinem Anblick nur noch mehr und ich verspüre für einen kurzen Moment sogar etwas Unbehagen. Irgendwas an dem Mann macht mich nervös. Erneut nicke ich meinem Assistenten zu. "Es freut mich, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen. Teile ihrer Arbeit durfte ich ja schon bewundern." fahre ich dann in ruhigem Plauderton fort, wobei ich sichtlich bemüht bin, mein Unbehagen zu überspielen. Bakura ist kein Mann, dem gegenüber man sich eine Schwäche leisten sollte. Dessen bin ich mir mehr als sicher. Wieder zuckt der Weißhaarige leicht mit den Schultern. "Ob die Freude auch meinerseits ist, werden wir sehen, wenn ich weiß was mit Ryou ist." entgegnet er scharf und ich würde wetten, dass seine Augen gefährlich unter der Binde funkeln. Ich entgegne nichts, lache nur kurz auf und warte bis mein Assistent die Augenbinde gelöst hat. Der Weißhaarige blinzelt kurz, dann schweift sein Blick auch schon durch den Raum ehe er mich ansieht. "Bakura." sage ich und nicke ihm lächelnd zu. Er verzieht spöttisch den Mund. "Grey." erwidert er und unterzieht mich ebenfalls wie zuvor den Raum einer beiläufig wirkenden Musterung. Ich halte seinem Blick stand, tue es ihm sogar gleich und betrachte mein Gegenüber auch eingehend. Sein Gesicht ist mir von der Videoaufnahme vertraut. Dennoch ist es etwas anderes ihn in Natura vor mir zu sehen. Sein Gesichtsausdruck schwankt zwischen Sarkasmus und Gelassenheit, doch mir entgeht keineswegs das gefährliche Funkeln in seinen Augen und auch nicht der leicht grausame Zug um seinen Mund. Als sein Blick meinen trifft, verspüre ich sogar einen leichten Schauder. Die Augen des Diebes... Solche Augen habe ich noch nie bei einem Menschen gesehen. Etwas in ihnen irritiert mich unwillkürlich, auch wenn ich nicht sagen könnte was es ist. Der Mann ist jünger als ich und doch liegt etwas in seinen Augen was von uraltem Wissen zeugt. Unwillkürlich muss ich wieder an die Worte des Kleinen denken. An diese absonderliche Geschichte von der er selbst nach meiner intensiven Behandlung nicht absehen wollte. Einen Augenblick sehe ich mein Gegenüber einfach nur an und er erwidert meinen Blick lässig abwartend. Dann mache ich eine leichte Handbewegung und deute ihm an, Platz zu nehmen. Er zögert einen Moment und fast erwarte ich eine ungehaltene Bemerkung, doch dann setze er sich in Bewegung und nimmt mir gegenüber Platz. "Damit wir uns richtig verstehen, ich bin nicht hier um meine Zeit mit überflüssigem Geplauder zu verschwenden." meint er mit ruhigem, aber ausdrücklichem Unterton. "Also kommen wir gleich zur Sache." Ich lehne mich lächelnd in meinem Sitz zurück. Eine Geste, die wie ich hoffe, nicht nur gelassen sondern auch selbstsicher wirkt. Seine Miene verrät nicht das Geringste. Schwer einzuschätzen, was in seinem Kopf vorgeht. Obgleich ich es in den letzten Jahren gelernt habe, mein Gegenüber durch einen kurzen Blick einzuschätzen oder seine Gedanken anhand von Gestik und Mimik zu lesen, gelingt es mir bei dem Dieb nicht einmal ansatzweise. Zwar spüre ich deutlich, dass er in Bezug auf seinen kleinen Freund mehr als ungehalten ist, doch ansonsten verrät seine Haltung nicht das Geringste und i ich muss meine Gedanken einen Moment sammeln, um die weitere Vorgehensweise abzuwägen. Bakura ist ein direkter Mensch. Das steht außer Frage. Geplänkel liegt ihm nicht. Sinnlos die Zeit damit zu vergeuden. Da hat er Recht. Umso wichtiger ist es, dass ich die Sache richtig anpacke. Wenn es mir doch nur möglich gewesen wäre, dem Kleinen ein paar brauchbare Informationen zu entlocken. "Gut." sage ich schließlich. "Kommen wir gleich zum Wesentlichen." Er reagiert nicht, fixiert mich nur weiterhin und diese Augen irritieren mich zusehenst. Betont beiläufig schweift mein Blick zu meinem kleinen Bartisch. "Möchten sie etwas trinken?" frage ich freundlich und rechne im Grunde damit, dass er ablehnen wird. "Wenn es der Sache dienlich ist..." entgegnet mein Gegenüber gleichgültig und ich nicke meinem Assistenten zu. Wortlos schreitet dieser zu dem Tisch und befüllt zwei Gläser. Das Erste reicht er mir, das Zweite stellt er vor dem Dieb ab, der jede seiner Bewegungen genau beobachtet hat. "Ich hoffe, Cognac ist genehm. Es ist ein exzellenter Jahrgang." erkläre ich ehe ich mich meinem Assistenten zuwende. "Sie können gehen." Der Mann verneigt sich kurz und ich warte bis er den Raum verlassen hat. Bakura beäugt mich belustigt, sagt jedoch nichts. Ich schwenke mein Glas kurz hin und her, nehme dann einen Schluck und wende mich wieder meinem Gast zu. Doch ehe ich etwas sagen kann, kommt er mir zuvor. "Also, wo ist Ryou?" will er wissen. "Und was soll diese Nummer?" "Ich bedauere, dass ich zu diesem Mittel greifen musst, nur um sie hierher einzuladen, aber ich vermute, andernfalls wären sie meiner Einladung nicht so schnell gefolgt." erkläre ich und er gibt ein undefinierbares Geräusch von sich. In seinen Augen blitzt es kurz auf. "Sparen sie sich das Gelaber. Ich sagte doch schon, ich bin nicht zum Reden hier." erwidert er mit einer lässigen Handbewegung. "Was wollen sie von mir?" Ich seufze gespielt theatralisch auf, beäuge einen Moment mein Glas ehe ich es auf dem Tisch abstelle und mich wieder ihm zuwende. "Ich möchte ihnen ein Angebot machen." Ob meine Wort ihn überraschen, lässt sich nicht sagen. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Fast schon gelangweilt greift er zu dem Glas vor ihm, betrachtet es einen Moment und leert es dann in einem Zug. "So so." Er verzieht spöttisch den Mund. "Ein Angebot." Ich nicke mit ernster Miene. Bakura lacht. "Haben sie die Nummer aus einem Gangsterfilm?" will er zu meinem Erstaunen wissen. "Zwielichte Gestalten, Augenbinden... und nun ein Angebot, dass ich vermutlich nicht ausschlagen kann, was?" Wieder lacht er und ich brauche einen Moment, um mich auf diesen Gesprächsverlauf einzustellen. Mit einer einzigen Bewegung ist der Dieb auf den Beinen und ohne dass ich es will, weiten sich meine Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde steht er vor meinem Schreibtisch und ich versuche die Situation einzuschätzen. Mich anzugreifen würde ihm nichts bringen. Immerhin habe ich seinen Freund in meiner Gewalt. Dennoch irritiert mich seine Reaktion. Als könne er meine Gedanken lesen, lacht er wieder auf und wendet sich dann dem Bartisch zu. Mit einer grazilen Handbewegung greift er sich die Cognacflasche und ehe ich weiß was passiert, schenkt er sich ein weiteres Glas ein. "Na, schön. Machen sie ihr Angebot." fordert er mich dann fast schon vergnügt auf und ich habe das Gefühl, dass mir die Situation zu entgleiten droht. Ich weiß im Grunde nicht welche Reaktion ich von ihm erwartet habe. Ich war davon ausgegangen, dass er ungehalten sein würde, mir droht oder ähnliches. Doch dass er sich so verhalten würde, war nicht abzusehen. Lässig lässt der Dieb sich wieder mir gegenüber nieder und betrachtet mich mit einer Mischung aus Erwartung und Spott. Ich greife nach meinem Glas. Eine Geste, die ich im gleichen Augenblick auch schon bereue, könnte sie doch den Eindruck erwecken, dass ich Halt suche. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. So lässig seine Haltung auch sein mag, sein Blick ist mehr als aufmerksam. "Sie stehen unserem gemeinsamen Freund recht nahe." sage ich schließlich und für den Bruchteil einer Sekunde zucken seine Brauen leicht. "Bislang haben sie sich nicht gerade als Kaiba´s Freund präsentiert." entgegnet er trocken und ich nicke lächelnd. "Dafür haben sie sich als wahrer Freund erwiesen, Bakura." erwidere ich und seine Augen verdunkeln sich leicht. "Eine unerwartete Wendung in diesem Spiel, wie ich sagen muss." fahre ich in meiner Rede fort. Er entgegnet nichts, sieht mich nur abwartend an. "Ich muss gestehen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass der gute Kaiba solche Hilfe bekommen würde." Nun bin ich derjenige, der spöttisch lächelt und für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, dass seine Miene sich verfinstert. "In der Vergangenheit waren sie nicht gerade als Kaiba´s Freund bekannt. Sofern ich korrekt unterrichtet bin, haben sie sogar einmal eines seiner Tuniere... gestört." Ich beobachte seine Miene genau während ich rede. Bislang habe ich nur einen vagen Verdacht, was seine Rolle in dieser Geschichte anbelangt. Anfangs war ich davon ausgegangen, dass Kaiba ihn angeheuert hat. Immerhin scheint der Dieb für Geld so einiges zu tun. Doch inzwischen bezweifle ich, dass dies sein wahres Motiv ist, dem ehemaligen Firmenchef beizustehen. Wenn meine Spione Recht haben und die Situation richtig einschätzen, dann steckt mehr. Dann hat der Weißhaarige einen Grund, Kaiba beizustehen. Und Nächstenliebe ist es sicherlich nicht. Der Weißhaarige verzieht gelangweilt den Mund. "Wollten sie nicht zum Wesentlichen kommen?" fragt er mich und irgendwie habe ich das Gefühl, einen Nerv getroffen zu haben. Ja, wenn ich ihn richtig einschätze, dann behagt es ihm nicht diesen Punkt zu vertiefen, was mich in meiner Vermutung bestätigt. Wieder muss ich an die Worte des Kleinen denken. An diese verrückte Gesichte über diesen Pharao und seinen Hohepriester, dessen Wiedergeburt Seto Kaiba sein soll. Und über den Dieb, der bereits vor über 5000 Jahren gelebt hat und dann als Geist aus dem Schattenreich wiedergekommen ist. Der Kleine war von dieser Geschichte nicht abzubringen. Er wich auch mit keiner einzigen Silbe davon ab. Im Gegenteil. Die ganze Zeit über hielt er an seinen Worten so beharrlich fest, dass Quentin sogar anmerkte, dass vielleicht etwas an dem Gerede dran sein könnte. "Sie haben ein weiterreichendes Interesse an Seto Kaiba." stelle ich fest. Ein Schuss ins Blaue. Die Reaktion ist nicht eindeutig. Der Dieb rührt sich nicht, sieht mich nur weiterhin an. Ich lächele. "Das kann man ihnen nicht verdenken... der Junge soll ja bekanntlich das gewisse Etwas haben." Ich verziehe spöttisch den Mund. "Dumm nur, dass ihnen dieser Wheeler zuvor gekommen ist, nicht wahr?" Bei der Erwähnung des Blonden bin ich sicher eine Reaktion in seinem Gesicht feststellen zu können. Ja, ich glaube seine Augen werden noch eine Spur dunkler und für einen Moment zuckt sogar seine Halsschlagader ein wenig. Ich lächele zufrieden. Mit meiner Vermutung liege ich folglich richtig. Sehr gut. Unwillkürlich kehrt meine Selbstsicherheit zurück. Joey Wheeler ist dem Dieb ein Dorn im Auge. Genau wie ich es vermutet hatte. "Genug geredet." höre ich mein Gegenüber plötzlich ausdrücklich sagen. Seine Haltung hat sich mit einem Mal verändert. Alle Lässigkeit ist von ihm abgefallen und jeder Muskel seines Körpers scheint mit einem Mal angespannt. Er hat sich aufgerichtet und funkelt mich an. "Unser Gespräch ist hiermit beendet." verkündet er. Auch sein Tonfall hat sich verändert. Seine Stimme klingt nun scharf und schneidend. Erneut ist er mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Beinen und beugt sich über den Tisch zu mir. "Wo ist Ryou? Ich will ihn sehen. Umgehend." fährt er mit einem gefährlichen Unterton fort. Es kostet mich all meine Selbstbeherrschung ruhig zu bleiben. "Bedauere, aber ihr Freund wird noch einen Moment warten müssen." entgegne ich und seine Augen werden zu zwei Schlitzen, doch ehe er etwas zu erwidern vermag, fahre ich bereits fort: "Wenn sie den Kleinen wiedersehen möchten, dann sollten sie sich anhören, was ich ihnen zu sagen habe, Bakura." "Ach ja?" Der Dieb fixiert mich mit einem fast schon diabolischen Blick und ich muss an die Szene im Haus der Schröders denken. Im nächsten Augenblick sehe ich es auch schon aufblitzen. Wo er das Messer her hat und wie er es so schnell zum Vorschein bringen konnte, weiß ich nicht. Für einen kurzen Augenblick starre ich gebannt auf die Klinge in seiner Hand. Sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Grinsen. Dann fasse ich mich jedoch wieder und bedenke ihn mit einem nachsichtigen Blick. "Mir zu drohen, wird ihnen nichts bringen, mein Freund." erkläre ich so ruhig ich kann. Immerhin weiß ich wozu der Weißhaarige mit solch einem Messer fähig ist. "Ryou befindet sich nicht in diesem Haus." Der Dieb zuckt mit den Schultern. "Davon bin ich auch nicht wirklich ausgegangen." erwidert er kühl und ich schlucke ohne es zu wollen. Obgleich ich mit solch einem Auftritt gerechnet habe, fühle ich mich dennoch mehr als ungehaglich. Ich komme mir vor wie ein Kanninchen, dass vor einer Schlange sitzt und seine Augen gleichen augenblicklich auch denen einer Schlange. Ich brauche einen Moment um mich zu fassen. Noch immer habe ich die Situation unter Kontrolle. Das weiß ich. Er wird mich nicht angreifen solange er nicht weiß wo sein Freund ist. Dafür habe ich Vorsorge getroffen. "Ich werde ihnen nicht sagen wo er ist. Gleichgültig was sie mit mir anstellen wollen." verkünde ich und richte mich nun ebenfalls auf. "Ich bin viel zu weit gekommen, um mich jetzt von irgendjemandem von meinem Ziel abbringen zu lassen." Ich schenke ihm einen vielsagenden Blick, den er ungerührt quittiert. "Meine Männer haben die Anweisung, sich um ihren Freund zu kümmern sofern mir etwas zustossen sollte." erkläre ich ihm weiter. "Sie sehen, mir zu drohen hat keinerlei Nutzen für sie. Ich schlage daher vor, dass sie sich wieder entspannen und sich anhören, was ich zu sagen haben. Glauben sie mir, das ist auch in Ryou´s Interesse." Bakura blickt mich einen Moment abschätzend an. Ich sehe Wut in seinen Augen auflodern und fast bin ich geneigt ihm ein spöttisches Lächeln zu schenken, doch ich tue es nicht, sondern sehe ihn nur ruhig und abwartend an. Der Weißhaarige wägt derweil die Situation ab. Ich kann förmlich sehen wie es in seinem Kopf arbeitet. Ich bin sicher, dass er eine Strategie hatte, ehe er hergekommen ist, auch wenn es ihm sicherlich nicht möglich war, auf dieses Treffen vorzubereiten. Dennoch wird er genau wie ich Vorkehrungen getroffen haben und sei es auch nur für einen möglichen Rückzug. Und ich glaube ihm, dass er nicht so törricht war, anzunehmen, dass sein kleiner Freund hier sein würde. Das wäre auch ein sehr unkluger Schachzug gewesen. Einen Moment sehen wir uns beide nur an. Schließlich macht er eine kleine Bewegung und lässt das Messer wieder verschwinden. Er seufzt leise ehe er sich zurück in den Sessel fallen lässt und seine nächsten Worte überraschen mich. "Ich nehme an, ich soll Wheeler ausschalten." höre ich ihn sagen. Sein Tonfall ist nun wieder entspannt, fast lässig. Er bedenkt mich mit einem abschätzenden Blick. "Und im Gegenzug lassen sie Ryou wieder frei, korrekt?" Sein Blick ruht abwartend auf mir und ich nicke. "Quid pro quo." fasse ich die Sachlage zusammen. Kapitel 84: Neue Taktik ----------------------- Sorry, ihr Lieben, dass ihr soooooo lange auf die Fortsetzung warten musstet, aber in den letzten Monaten hatte ich andere Prioritäten als das Schreiben. Mein Mann hatte einen schweren Unfall und aufgrund dessen gab es wichtige familiäre Angelegenheiten, die ich regeln musste. Nun geht langsam alles wieder bergauf, so dass ich endlich auch wieder Zeit finde an meinen FFs zu arbeiten. Ihr könnt euch sicher sein, dass ich jede meiner noch offenen Geschichten beenden werde, allerdings werde ich wohl nicht mehr so schnell mit meinen verschiedenen Kapiteln sein. Ich werde mich dennoch bemühen euch weiterhin mit Lesestoff zu versorgen und hoffe, ihr habt nach wie vor Spaß an der Geschichte. „Was hast du vor?“ fragt Joey mich nun schon zum zweiten Mal, aber erneut antworte ich nicht. Meine Gedanken überschlagen sich gerade, mein Verstand arbeitet fieberhaft. Ich spüre seinen fragenden Blick auf mir ruhen und mache eine leichte Handbewegung, um ihm anzudeuten, dass ich einen Moment zum nachdenken brauche. Er nickt leicht, sieht mich aber weiterhin fragend an. Wenn meine Schlussfolgerungen richtig sind, wovon ich ausgehe, dann wird Alister die Nummer, welcher der Araber uns widerwillig gegeben hat, auf einer der Telefonrechnungen von Siegfried entdecken. Vermutlich handelt es sich dabei sogar um die gleiche Nummer, die wir bis zu dem Namen „John Armstrong“ zurückverfolgt haben. Ich bezweifle jedoch, dass es tatsächlich etwas bringen wird, die Nummer weiter zu verfolgen. Das tut allerdings auch nichts zur Sache. Der Araber hat gesagt, dass er uns bis auf weiteres observieren soll. Folglich ist er Grey´s Quelle hier in Ägypten. Durch ihn weiß der Gegner wo wir sind. Ein Punkt, den ich nun zu meinen Gunsten zu nutzen vermag. Augenblicklich scheint uns Grey schließlich immer einen Schritt voraus zu sein. Und eben diesen Umstand gedenke ich zu ändern. Mein Blick wandert zu Joey, der unruhig von einem Bein auf das andere tritt und dabei wie früher auf seiner Unterlippe herumkaut. Für einen Moment verzieht sich mein Mund zu einem Lächeln, dann werde ich schlagartig wieder ernst und wende mich Odion zu, der geduldig wartend neben dem Araber steht. „Bring ihn irgendwo unter, wo niemand an ihn heran kommen kann.“ trage ich dem Ägypter auf, der umgehend nickt und den Gefangenen unsanft am Arm packt. „Aber sorg dafür, dass er von seinem Aufenthalt bei uns keine weiteren Spuren davon trägt.“ Odion nickt erneut und mit einer Handbewegung seinerseits ist der Araber auch schon auf den Beinen. Seine Augen schleudern mir giftige Pfeile entgegen. „Das wird euch nichts nützen. Man wird euch...“ hebt er mit grollender Stimme an, doch ich unterbreche ihn mit einer wegwerfenden Geste. Für einen Moment hält Omar inne, dann werden seine Augen zu zwei dunkelen Schlitzen. Seine nächsten Worte verstehe ich nicht, gehe aber davon aus, dass es sich bei ihnen um eine wüste Verwünschung in seiner Sprache handelt. Odion erwidert etwas, dass ähnlich barsch und ungehalten klingt und ich wende mich wieder Alister und Joey vor. Der Rothaarige ist nach wie vor in seine Arbeit vertieft und mein Blick streift den meines Hündchens, dem die Neugier deutlich ins Gesicht geschrieben steht. „Also?“ fragt er auch schon, kaum das Odion den Raum verlassen hat und erneut gestatte ich mir ein Lächeln. „Was für eine Idee hast du?“ „Omar soll uns beschatten und Roland ausschalten. Warum auch immer... .“ hebe ich an und rekapituliere im Kopf noch einmal schnell meiner Überlegungen. „Sorgen wir also dafür, dass er seinen Auftrag erfüllt.“ Joey runzelt verständnislos die Stirn und starrt mich für den Bruchteil einer Sekunde irritiert an. Dann hellt sich seine Miene auf und im nächsten Augenblick nickt er auch schon. „Verstehe... du willst, dass dieser Quentin denkt, es wäre ihm gelungen...“ beendet er meine Ausführung und ich nicke. „Exakt.“ stimme ich zu. „Und dann?“ fragt der Blondschopf weiter. „Ich meine, was denkst du passiert dann?“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich bin nicht sicher.“ gebe ich aufrichtig zu. „Fakt ist jedoch, dass wir uns so einen Vorteil verschaffen. Vielleicht gelingt es uns sogar auf diesem Wege, an diesen Quentin heranzukommen. Auf einen Versuch kommt es zumindest an. Und was Roland anbelangt ...Grey muss einen Grund haben, warum er Roland beseitigen will. Wofür es in meinen Augen im Moment nur zwei logische Gründe gibt. Zum einen wäre es möglich, dass der gute Roland ihm ein Dorn im Auge ist, weil er sich wieder mal als ungemein effizient erwiesen hat und zum anderen...“ Ich halte kurz inne. Möglich, dass ich mich was den zweiten Grund anbelangt irre, ich weiß es nicht. Es ist lediglich eine Art Bauchgefühl, wenn man so will, und normalerweise gebe ich nichts auf solche Eingebungen, aber aus irgendeinem Grund habe ich den Eindruck, dass dieses Gefühl keineswegs so abwegig ist. „Seto?“ reißt Joey´s Stimme mich sanft aus meinen Überlegungen. Ich lächele ihn entschuldigend an. „Nun, zum anderen wäre es möglich, dass man durch den Anschlag auf ihn erreichen wollte, dass wir unseren Aufenthalt hier noch etwas ausdehnen. Warum auch immer.“ Ich zucke erneut leicht mit den Schultern und sehe Joey deutlich an, dass er über meine Ausführung nachdenkt. Nun bin ich derjenige, der ihn erwartungsvoll ansieht. „Hm.“ gibt er nach kurzem Schweigen von sich. „Durchaus möglich. Beide Punkte.“ stimmt er mir schließlich zu. „Es wäre allerdings auch denkbar, dass Grey dir damit lediglich... naja, … Es ist kein Geheimnis, dass Roland dir nahe steht. .“ Seine braunen Augen sehen mich mit stummem Bedauern an und ich weiß, was er damit sagen will. Ich nicke langsam. „Das wären dann drei mögliche Gründe.“ stimme ich zu. „Denkbar, dass alle drei eine Rolle für den Anschlag spielen. Das könnte sogar am wahrscheinlichsten sein.“ Joey nickt. „Warum sollte er wollen, dass wir weiterhin hier bleiben?“ stellt er dann die nächste logische Frage und ich muss gestehen, dass ich die Antwort nicht kenne und mit einem Mal kommt mir dieser Gedanke auch an den Haaren herbeigezogen vor. Unser Aufenthaltsort dürfte für Grey im Grunde schließlich keine Rolle spielen. Schließlich war er bislang auch stets über unsere Schritte informiert. Dennoch werde ich dieses Gefühl nicht los, dass es irgendetwas mit diesem Punkt zu tun hat, auch wenn Joey mit seinem Einwurf durchaus den Nagel auf den Kopf getroffen haben könnte. Grey wird wissen, dass ich Roland als Teil meiner Familie ansehe und da er nun einmal darauf aus ist, mir zu schaden... Meine Familie. Ich stocke und mein Blick wandert wieder zu Joey. Wie viel weiß Grey inzwischen über mein Verhältnis zu ihm? Wäre es denkbar, dass er Kenntnis darüber hat, dass sich unsere Beziehung verändert hat? Plötzlich kommt mir ein Gedanke. „Wann hast du zum letzten Mal mit deinem Vater gesprochen?“ will ich von Joey wissen und meine Frage scheint ihn mehr als nur zu überraschen. Verständnislos sieht er mich an und es dauert einen Moment ehe er antwortet. „Er hat gestern angerufen.“ antwortet er und seine Augen weiten sich schlagartig. „Wieso? Woran denkst du?“ fragt er und ich höre deutlich die Sorge in seiner Stimme. Ich übergehe seine Frage und will meinerseits wissen: „Was hat er gesagt? War alles in Ordnung?“ Joey scheint einen Moment zu überlegen, dann nickt er. „Wir haben nur kurz geredet.“ erzählt er dann und geht in Gedanken scheinbar ihr Gespräch noch einmal durch. „Er hat sich nach dem Stand der Dinge erkundigt und...“ Schlagartig hält er inne. „Was?“ frage ich und hoffe insgeheim, dass ich mich irre und mit seinem Vater alles in Ordnung ist, dass mein Gedankengang sich als falsch erweist, aber im Grunde kann ich an seinem Gesicht ablesen, dass irgendetwas nicht stimmt. Joey zögert einen Augenblick. Dann zuckt er leicht mit den Schultern. „Jack meinte, es wäre alles in Ordnung.“ sagt er nach einer kurzen Pause. „Aber wenn ich es genau bedenke... Er klang irgendwie... anders als sonst.“ Ich schlucke hart. „Kaiba, was...?“ hebt mein Gegenüber an, doch ich unterbreche ihn schlagartig. „Ruf ihn an, Joey.“ sage ich nur. Joey zögert. Ich sehe ihm deutlich an, dass er weiter nachhaken möchte, doch er tut es nicht und an seinem Gesichtsausdruck ist deutlich abzulesen, dass auch er nun beunruhigt ist. Was allerdings kein Wunder ist bei meinem Verhalten. Ohne ein weiteres Wort greift er zu seinem Handy und betätigt die Kurzwahltaste. Sekunden vergehen bis sein Vater sich endlich meldet und ich sehe wie Joey aufatmet. „Hallo Dad.“ In seiner Stimme schwingt Erleichterung, aber auch Unruhe mit. Sein Blick wandert wieder zu mir. Augenscheinlich ist sein Vater etwas überrascht über den Anruf und aus Joey´s nächsten Sätzen entnehme ich, dass er sich Sorgen macht. Vermutlich glaubt er, es wäre etwas passiert. Ich warte unruhig, während das Hündchen seinen Vater beruhigt und hoffe insgeheim, dass ich mich dennoch irre und in den Staaten alles in Ordnung ist. Zumindest geht es seinem Vater gut. Trotzdem bin ich sicher, dass in unserer Abwesenheit irgendetwas passiert ist. Mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller als Joey endlich zum Wesentlichen kommt und gebannt beobachte ich sein Gesicht während er seinem Vater zuhört. Im ersten Augenblick verrät seine Miene nichts über das was er gerade hört, dann weiten sich seine Augen leicht und sein Blick trifft meinen. Sofort weiß ich, dass meine Vermutung richtig war. Etwas stimmt nicht, doch noch habe ich keine Ahnung was wirklich los ist. „Ich rufe dich gleich zurück.“ höre ich Joey sagen. Dann ist das Gespräch beendet und ich sehe meinen Freund erwartungsvoll an. Seiner Haltung ist anzusehen, dass er mehr beunruhigt ist als besorgt und ich frage mich, was das zu bedeuten hat. Auf die gewünschten Informationen muss ich allerdings nicht lange warten. Joey kommt ohne Umschweife zur Sache. „Jack hat einen Erpresserbrief bekommen.“ erzählt er mir und ich stutze. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich bin nicht sicher, was ich eigentlich erwartet habe, aber an Erpressung habe ich keineswegs gedacht. Joey redet bereits weiter während ich noch nachdenke und seine nächsten Worte setzen meine Gedanken wie ein Puzzle zusammen. „Man hat ihm Bilder geschickt, die mich bei Siegfried zeigen.“ höre ich ihn sagen und im Grunde müsste er nicht weitersprechen. Ich ahne worauf es hinauslaufen wird. „Man hat damit gedroht, diese Aufnahmen der Deutschen Polizei zu zu spielen.“ Ich nicke verstehend. Die Polizei würde sich sicher für die Aufnahmen interessieren. Mehr noch, wenn den Behörden dann auch noch der Zusammenhang zwischen Wheeler und mir bekannt werden würde, sofern dem noch nicht der Fall ist, dann... Ich schlucke hart. Dann wäre Joey ebenso verdächtig wie ich im Falle Pegasus. Man würde nach ihm fahnden und... „Was hat dein Vater noch gesagt? Was will der Erpresser?“ will ich wissen und Joey´s Miene verfinstert sich schlagartig. „Ein Treffen.“ erwidert er angespannt. „Jack soll sich mit jemandem treffen.“ Ich weiß, welches Szenario sich nun im Kopf des Blonden abspielt. Er vermutet eine Falle hinter diesem Treffen und vielleicht liegt er damit gar nicht mal so falsch. „Was hat dein Vater nun vor?“ frage ich weiter. Ich bin sicher, dass Jack Wheeler alles in seiner Macht stehende unternehmen wird, um seinem Sohn zu helfen. Welcher Vater würde sich anders verhalten? Was auch immer Grey also mit dieser Aktion bezwecken mag, er hat seine Züge gut gewählt. „Er will hingehen.“ erklärt mir Joey nach einer kurzen Pause und ich höre deutlich die Sorge in seiner Stimme. „Er hat sich mit Jackson beraten und ist fest entschlossen, das Treffen wahrzunehmen. Er weiß natürlich, dass es eine Falle sein könnte, aber Jackson und er haben noch eine andere Vermutung.“ Ich runzele leicht die Stirn und sehe ihn fragend an. Er lächelt mich entschuldigend an. „Jackson ist ein sehr, sehr guter Freund meines Vaters. Sein Roland, wenn man so will.“ klärt er mich auf und ich nicke. „Jackson hat scheinbar ein paar Erkundigungen eingezogen, konnte aber keine konkreten Hinweise finden. Er geht allerdings davon aus, dass man nicht bezweckt, Dad zu entführen. Er vermutet etwas anderes...“ Joey hält inne. Seine nächsten Worte scheint er mit Bedacht zu wählen und ich glaube, dass sie ihm schwer fallen. Irgendwie wirkt er mit einem Mal zerknirscht und ich ahne, was er mir sagen will, noch bevor er weiter redet. „Dad vermutet, dass man versuchen will, mich durch ihn zu beeinflussen.“ höre ich ihn schließlich sagen. „Er glaubt, dass man erreichen möchte, dass ich dich...“ Das Hündchen beendet den Satz nicht, doch ich verstehe auch so. Grey hat inzwischen erkannt, dass ich nicht allein da stehe. Mehr noch, er weiß, dass ausgerechnet Joey Wheeler mein stärkster Verbündeter ist. Dank ihm habe ich Mokuba wieder. Allein dadurch hat Joey dem Feind einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und falls er über die jüngsten Entwicklungen zwischen dem Hündchen und mir Bescheid wissen sollte, nun, dann gibt es noch einen Grund, warum der Kleine ihm ein Dorn im Auge ist. Aber wie sollte er von Joey und mir erfahren haben? Nein, er kann nichts von „uns“ wissen. Vielleicht hat er eine Ahnung, aber bestimmt keine Sicherheit, doch unabhängig davon, ist es natürlich ein kluger Schritt, einen Keil zwischen Joey und mich zu treiben. Joey´s Vater hat das Sorgerecht für Mokuba. Sowohl Jack als auch sein Sohn würden eine Menge Ärger bekommen, wenn der Kleine plötzlich aus ihrer Obhut verschwinden würde und dazu noch die Verbindung zu Siegfried und mir. „Du musst dir keine Sorgen machen.“ vernehme ich den Blonden und merke jetzt erst, dass er zu mir getreten ist. „Ich werde dich nicht im Stich lassen, Seto!“ versichert er mir. „Egal womit man mir drohen mag. Und Jack sieht das ebenso. Wir müssen nur einen Weg finden, diese ganze Sache endlich zu beenden, dann hat keiner von uns was zu befürchten. Grey ist für Siegfried´s Tod verantwortlich und...“ Ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er hält auch schlagartig inne und sieht mich fragend an. „Wenn Grey ernst macht, dann wird man nach dir fahnden. Mehr noch, dein Vater wird eine Menge Ärger bekommen und es ist nicht auszudenken welche Konsequenzen das für ihn, für euch haben wird.“ erkläre ich ernst. Ich sehe ihm an, dass er protestieren möchte, doch ich gebe ihm nicht die Gelegenheit zu Wort zu kommen. „Ich weiß, dass du mir helfen willst. Deine Loyalität steht hier nicht zur Debatte, aber wir müssen die Konsequenzen bedenken. Du weißt so gut wie ich, dass Grey keine Skrupel hat, Unschuldige in seinen Kleinkrieg mit mir hineinzuziehen.“ „Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“ will er wissen. Ich seufze. Im Grunde steht Joey´s Entscheidung längst fest. Ich sehe es ihm deutlich an. Auch wenn er sich des Risikos bewusst sein mag, augenblicklich ist es ihm egal. Er denkt nicht daran, sich von dieser Erpressung ins Boxhorn jagen zu lassen und unwillkürlich muss ich wieder an die unzähligen Male denken, bei denen er mir „Katsuya Jonouchi gibt nicht auf!“ an den Kopf geschmissen hat und muss lächeln. Gleichgültig wie sehr er sich in den letzten Jahren verändert haben mag, sein Kampfgeist und sein gutes Herz hat er sich dabei bewahrt. Und genau wie früher ist ihm sein eigenes Wohl egal, wenn es um die Menschen geht, die ihm wichtig sind. Und ich muss ihm nur in die Augen sehen, um zu wissen, dass ich ihm wichtig bin. Doch gerade weil er mir ebenso wichtig ist, weiß ich nicht ob ich zulassen kann, dass er sich einer solchen Gefahr aussetzt. Ich weiß inzwischen was es heißt, auf der Flucht zu sein. Letztlich geht es hier auch nicht nur um ihn. Sein Vater ist ebenfalls ein Glied in dieser Kette. „Hey, wir wissen doch noch nicht mal ob Dad und Jackson Recht haben!!“ gibt er zu Bedenken als ich nichts sage und lächelt mich auf diese typische Wheeler-Art an. „Ich meine, vielleicht will man auch etwas ganz anderes mit dieser Aktion bezwecken...“ Er zuckt leicht mit den Schultern. Ich seufze. „Joey, selbst wenn die Beiden sich irren, was wäre die Alternative? Möglich, dass es Grey um deinen Vater geht, dass es doch eine Falle ist... Ich weiß es nicht. In beiden Fällen ist das Risiko groß und vielleicht solltest du...“ Er lässt mich den Satz nicht beenden, sondern fällt mir ins Wort. „Was sollte ich? Zurückfliegen? Und dann? Du hast gerade selbst gesagt, dass wir nicht wissen, was dieser Verrückte vor hat. Sicher, es könnte eine Falle sein, aber Jack ist sicherlich nicht so dämlich und lässt sich entführen. Jackson wird schon aufpassen. Natürlich mache ich mir Sorgen. Die Nummer gefällt mir auch ganz und gar nicht, aber was sollte es bringen, wenn ich jetzt zurückfliege? In ein paar Tagen wollten wir sowieso gemeinsam zurück und...“ Er spricht nicht weiter, sondern sieht mich fragend an. Ich vermute, dass man meiner Miene entnehmen kann, dass mir gerade ein weiterer Gedanke gekommen ist. „Seto, was-?“ hebt er auch schon unsicher an, doch ich schüttele nur den Kopf. „In ein paar Tagen wollten wir sowieso...“ murmele ich leise und Joey starrt mich verständnislos an. „Sobald es Roland besser geht...“ füge ich nachdenklich hinzu. Der Blonde nickt. „Ja, sage ich doch, also...“ „Was, wenn es darum geht?“ unterbreche ich ihn und spreche somit meinen letzten Gedanken laut aus. „Ich kann dir leider nicht folgen.“ meint Joey während er mich etwas ratlos mustert. Ich nicke. Dessen bin ich mir bewusst. Mein Verstand arbeitet fieberhaft und ich muss mich bemühen eine Struktur in meine Gedankengänge zu bringen, sie in eine logische Bahn zu lenken. Was dieses Erpressung anbelangt... Es war für Grey abzusehen, dass Jack Wheeler darauf eingehen würde, gleichgültig um was es sich letztlich handelt. Joey´s Vater würde dieses Treffen auf jeden Fall wahr nehmen, doch ich bezweifle, dass es wirklich darum geht, seinen alten Herrn zu entführen. Das ließe sich leichter bewerkstelligen – ohne jede Erpressung. Und ginge es tatsächlich darum, Joey der Polizei auszuliefern, dann hätte Grey die Bilder den Behörden längst zuspielen können. Nein, es muss um etwas anderes gehen und vielleicht haben Jack und sein Assistent Recht, vielleicht will man dafür sorgen, dass Joey sich von mir wendet. Fakt ist jedoch, dass man bezwecken möchte, dass Joey in die Staaten zurückkehrt. Vorzugsweise ohne mich. Zumindest gehe ich davon aus. Und dafür muss es einen Grund geben. Genau wie für Ryou´s Entführung. Und das Attentat auf Roland. Bislang hat Grey keinen Zug ohne Grund gemacht. Jede seiner Handlungen war wohlbedacht. Wie sich nun gezeigt hat, auch die Explosion von Siegfried´s Villa. „Du musst zurückfliegen.“ höre ich mich im nächsten Augenblick sagen und Joey starrt mich verständnislos an. Mein Tonfall ist ganz der Alte, meine Stimme duldet keinen Widerspruch und dieser Umstand scheint ihm nicht zu entgehen. „Umgehend.“ füge ich hinzu und erneut überschlagen sich meine Gedanken. Mit einem Mal glaube ich ein wenig Licht im Dunkeln zu sehen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, was dies zu bedeuten hat. Während Joey sich anschickt erneut zu protestieren, wende ich mich Alister zu, der nach wie vor in seine Arbeit vertieft ist. Als ich ihn anspreche, zuckt er leicht zusammen und ich vermute, dass er von dem Gespräch zwischen Joey und mir nicht das Geringste mitbekommen hat. Er wirkt als hätte ich ihn gerade aus einer anderen Welt zu uns gerufen. „Finde heraus, wo sich John Armstrongs Mutter aufhält.“ trage ich ihm auf und der Rothaarige blinzelt kurz. Dann nickt er jedoch und wendet sich wieder seinem Spielzeug zu. „Kaiba, was-...?“ Joey sieht mich an als würde er mich jeden Moment am Kragen packen und kräftig durchschütteln. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. „Vertrau mir, Joey.“ sage ich und nehme seine Hand in die Meine. „Wenn wir es richtig anstellen, schaffen wir es vielleicht uns gleich zwei Vorteile gegenüber Grey zu sichern.“ Und als könne er einen Teil meiner Gedanken lesen, fragt Joey nach kurzem Überlegen: "Du willst, dass ich so tue als würde ich dich im Stich lassen?" Ich nicke. "Korrekt." entgegne ich. "Sofern es bei dieser Erpressungsaktion tatsächlich darum geht, doch dass wirst du erfahren sobald dein Vater sich mit dem Erpresser getroffen hat. Dann wissen wir mehr. Auf jeden Fall wirst du dann vor Ort sein. Alles weitere werden wir dann besprechen." Joey sieht mich einen Augenblick abschätzend an, dann nickt er widerwillig. "Ich bin mir zwar nicht sicher, was das bringen soll, aber wenn du denkst, dies ist der richtige Weg... Du weißt, dass ich dir vertraue, Seto!?" Ich drücke leicht seine Hand und ich glaube, dass sagt mehr als jedes weitere Wort. Kapitel 85: Unbehagen (Duke) ---------------------------- „Duke??“ Tristan´s Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich schiebe das Head-set beiseite und wende mich meinem alten Freund zu, der sich fragend zu mir rüber beugt. „Was denkst du sollen wir jetzt tun?“ will der Brünette wissen und mein Blick wandert kurz zu Rebecca, die neben mir sitzt. Die Miene des Mädchens verrät nichts, doch ich weiß, dass sie gerade das Gleiche gehört hat wie ich und sie sich ebenso der Bedeutung der gehörten Worte bewusst ist. Und auch dessen, was danach geschehen ist. Ich höre wie Tristan etwas ungehalten erneut meinen Namen sagt und reiße mich von Rebecca´s Anblick los. Tristan sieht mich erwartungsvoll an und auch Valon scheint auf Instruktionen zu warten. Ich bin nicht sicher was ich sagen soll, ob es eine gute Idee ist, Tristan, Valon und auch Fukada in das eben gehörte einzuweihen. Unschlüssig sehe ich von einem zum anderen als ich Rebecca´s ruhige Stimme vernehme. „Ryou ist nicht im Haus.“ erklärt sie schlicht. „Folglich können wir hier auch nicht viel tun.“ Ich sehe sie einen Moment abschätzend an, dann nicke ich zustimmend. „Es gibt nichts, dass wir tun könnten.“ sage ich an Tristan gewandt, der missbilligend den Mund verzieht. „Also ist diese ganze Aktion hier vollkommen umsonst? Was für eine Pleite. Und jetzt?“ Er seufzt und ich kann ihm den Frust, der in seiner Stimme mitschwingt nicht verdenken. Genau wie ich, wie wir alle, macht auch er sich Sorgen um unseren Freund und ich vermute, dass ihm die Hilflosigkeit unserer Lage ebenso zu schaffen macht wie mir. Tristan war schon immer ein Mann der Tat, keiner der lange die Hände in den Schoß legen konnte. Doch genau dazu sind wir augenblicklich verdammt wie es scheint. „Was will der Typ denn nun von Bakura?“ meldet sich nun Valon zu Wort und ich schlucke hart. Sofort sind Kura´s Worte wieder in meinem Kopf. Ich nehme an, ich soll Wheeler ausschalten. Und im Gegenzug lassen sie Ryou wieder frei, korrekt?" Der Tonfall des Diebes war lässig, dennoch weiß ich, dass dieser Umstand nicht viel zu bedeuten hat. Ich kenne Bakura zu gut, um mich von dem äußeren Schein täuschen zu lassen. Was mich allerdings beunruhigt, ist die Tatsache, dass ich mit meiner Vermutung Recht hatte. Joey ist Greys nächstes Ziel und Bakura soll die Drecksarbeit für ihn erledigen. Es ist genauso wie ich es geahnt habe, auch wenn ich nicht wirklich weiß, was mich zu diesem Gedanken veranlasste. Undwillkürlich muss ich daran denken, dass wir beide, Kura und ich, Grey unterschätzt haben. Törrichterweise sind wir davon ausgegangen, dass Grey uns zu Ryou führen würde und insgeheim hatte ich die Hoffnung, dass dem auch der Fall sein würde. Denn nun, vor diese Wahl gestellt, mit keinerlei Aussicht darauf, den Kleinen alleine befreien zu können... Ich schüttele leicht den Kopf. Verflucht, diese Entwicklung ist alles andere als gut. Und ich vermute, dass es auch kein gutes Zeichen ist, dass wir nach Greys Ausspruch, „Quid pro quo“, nichts mehr von den Beiden gehört haben, wofür es nur einen einzigen Grund geben kann. Bakura hat die Verbindung unterbrochen. Schließlich gab es keinerlei Anzeichen, dass dieser Umstand mit Grey zusammenhängt. Nur ein leises Klicken in der Leitung und die Verbindung war unterbrochen. Doch das wissen bislang nur Rebecca und ich. Insgeheim frage ich mich, warum sie es den anderen gegenüber nicht erwähnt und auch, warum sie ihnen die letzten Worte verschweigt, die wir vernommen haben. „Was will dieser Typ denn nun?“ wiederholt Valon seine Frage und ich überlege fieberhaft was ich erwidern soll. Aus irgendeinem Grund, der mir nicht einmal selbst bewusst ist, vermag ich es nicht, die Wahrheit zu sagen. Valon und Tristan mögen keine wirklichen Freunde von Kaiba sein, aber sie sind immerhin hier um zu helfen, auch wenn sie es sicherlich mehr für Ryou tun. Wenn ich ihnen sage, was Grey von Bakura will... Ich bin nicht sicher wie sie reagieren würden. Tristan traut Kura ohnehin nicht weit, wie es sich bei Valon verhält weiß ich nicht und was Fukada anbelangt... Fuck, ich habe keinerlei Ahnung was ich tun soll. Und die Tatsache, dass ich nichts mehr von Bakura höre, beunruhigt mich zusätzlich. Warum hat er die Verbindung unterbrochen? Ich bin nicht sicher was ich davon halten soll, was es zu bedeuten hat. Natürlich bin ich mir des Offensichtlichen bewusst und wenn ich den anderen davon erzählen würde... Ich wette, ich weiß wie das Ganze in ihren Augen aussehen würde. Beiläufig nehme ich wahr, dass ich damit angefangen habe auf meiner Unterlippe zu kauen und auch, dass meine Freunde immer noch auf eine Antwort warten. „Um ehrlich zu sein...“ beginne ich ohne genau zu wissen was ich sagen soll, doch da fällt Rebecca mir ins Wort. „Bakura hat die Aktion abgebrochen. Er meint, wir sollen uns zurückziehen.“ erklärt sie in einem solch nüchternen, ruhigen Ton, den ich ihr nie zugetraut hätte und zum ersten Mal muss ich das Mädchen genauer mustern. Sie ist bei Leibe nicht mehr die kleine Göre als die ich sie kennengelernt habe. Genau genommen ist sie inzwischen eine junge Frau. Eine sehr effiziente, junge Frau, wie ich heute feststellen konnte. Ähnlich wie Alister scheint sie mit ihrem Laptop verwachsen zu sein. Bakura zu orten schien eine Kleinigkeit für sie zu sein. Tea hat wirklich nicht untertrieben. Ich würde sogar behaupten, dass die Kleine doch ein Computercrack ist. Ihr Blick streift kurz meinen und ich spüre wie ich leicht fragend die Stirn runzele, sage jedoch nichts. Im nächsten Augenblick höre ich Valon auch aufstöhnen und Tristan meint: „Toll, also alles umsonst. Wirklich klasse.“ Er lässt sich zurück in seinen Sitz fallen und ich nicke stumm. „Scheint so.“ stimme ich zu und bin insgeheim erleichtert, dass die Beiden Rebecca´s Worte so einfach schlucken. „Na, dann fahren wir zurück zu Tea.“ höre ich Tristan sagen und ich nicke. „Wird wohl das Beste sein.“ Ohne dass noch einer von uns etwas sagen muss, startet Fukada auch schon den Motor und wir entfernen uns von dem Haus, in dem sich der Feind nach wie vor befindet. Er und auch Bakura. Etwas unsicher blicke ich zurück zu dem Haus als wir bereits die Straße verlassen und frage mich was nun tatsächlich als nächstes passieren wird. Greys Ansage war deutlich. Ryou befindet sich an einem anderen Ort und ihn zu bedrohen würde zu nichts führen. Der Kerl scheint sich sehr gut abgesichert zu haben und in Hinblick auf Ryou glaube ich kaum, dass Bakura es riskieren würde, diesen Verrückten anzugreifen. Somit sind Kura die Hände gebunden und ich bin sicher, dass ihn das ganz und gar nicht behagt. Doch die eigentliche Frage ist eine andere... Was wird der Dieb nun tun? Ich weiß, dass er alles tun würde, um Ryou zu befreien. Gleichgültig was. „Gleichgültig was.“ echot es in meinem Kopf und ich spüre wie sich mein Magen zusammen zieht. Grey hat gesagt, was er tun müsse, um den Kleinen zu befreien. Joey für Ryou – ein perfider Gedanke über den ich gar nicht erst nachdenken will. Und noch weniger will ich daran denken, was nun in Bakura vorgehen mag. Ich weiß nur zu gut, dass er keinerlei Probleme damit hat jemanden zu beseitigen. Ein Menschenleben bedeutet dem Dieb nicht sehr viel. Zumindest keines, dass ihm wichtig ist und was Joey anbelangt... Aber nein. Kura mag seine eigenen moralischen Grundsätze haben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er ernsthaft in Erwägung ziehen würde, Joey... Trotzdem behagt mir das Ganze nicht. Wenn ich nur mit Kura reden könnte... Die Fahrt zu Tea legen wir schweigend zurück. Ich wüsste allerdings auch nicht was ich sagen sollte und vermute, dass es den anderen ähnlich geht. Ich bin erleichtert als wir endlich ankommen und ich aus dem Wagen aussteigen kann. Ich schätze, Tea und Yugi warten bereits auf Nachricht. Während Tristan und Valon bereits auf das Haus zu steuern, packt Rebecca mich am Arm. Ich sehe sie fragend an und verstehe ihre stumme Bitte sofort. Ich trete ein Stück zur Seite und sie folgt mir langsam. Tea hat die Tür bereits geöffnet, wie ich aus dem Augenwinkel wahrnehme. Ich winke ihr kurz zu und hoffe, dass sie mein Zeichen richtig deutet. Für einen Moment sieht sie sowohl mich als auch Rebecca etwas irritiert an, verschwindet dann jedoch hinter Valon, Tristan und Fukada wieder im Haus. Ich wende mich nun Rebecca zu, deren wachsame Augen mich hinter ihrer Brille aufmerksam mustern. „Warum hast du nichts gesagt?“ will ich wissen. Sie scheint einen Moment nachzudenken und ich sehe sie erwartungsvoll an. Mit einer fast schon grazilen Geste rückt sie dann ihre Brille zurecht und erklärt mir mit einem merkwürdig nüchternen Tonfall, der mich instinktiv an Kaiba erinnert: „Ich wollte die anderen nicht beunruhigen.“ Ich nicke obgleich ich nicht wirklich verstehe. Sicher, ich hatte einen ähnlichen Beweggrund, aber dennoch erklärt das ihr Verhalten nicht ganz. Als könne sie meine Gedanken lesen, seufzt sie leicht ungehalten und fährt ruhig fort: „Augenblicklich gibt es nichts, dass wir tun können, abgesehen davon, Joey und Kaiba vorzuwarnen, sofern du es als notwendig erachten solltest.“ Sie macht eine kurze Pause und fixiert mich für einen Moment eingehend. „ Ansonsten bleibt uns nichts anderes übrig als auf Bakura zu warten.“ Einen Augenblick sehe ich sie überrascht an. Natürlich hat sie Recht. Mit jedem Wort. Dennoch überrascht es mich solch eine Aussage aus ihrem Mund zu hören und erneut muss ich mir ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht mehr die kleine Göre ist, die mir einmal so auf die Nerven ging. Ich nicke. „Ich glaube nicht, dass wir die Beiden warnen müssen.“ sage ich schließlich. Sie nickt. „Wie du meinst.“ befindet sie und ich bin nicht sicher was ich davon halten soll, frage jedoch nicht weiter nach. Ihre Miene verrät nicht was in ihr vorgehen mag oder warum sie ausgerechnet mir diese Entscheidung überlässt. Vermutlich, weil ich Kura´s Freund bin und den Dieb am Besten kenne. Eine andere Erklärung finde ich nicht. „Was willst du nun zu unternehmen?“ will sie wissen und erneut kann ich nicht anders als sie überrascht anzusehen. Ich zucke unwillkürlich mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ich habe keinen Plan.“ gebe ich unumwunden zu. „Ich hoffe, dass Bakura sich meldet...“ Sie nickt leicht, dann legt sich wieder ihre Stirn in Falten und ich frage mich, was sie wohl denken mag. Einen Moment herrscht Schweigen, dann höre ich sie sagen: „Gut, hoffen wir, dass er sich meldet. Für den Fall, dass er es nicht tut, können wir ihn immer noch versuchen, ihn zu orten.“ Ich nicke zustimmend und muss zugeben, dass der Plan gut ist. Nun, einen anderen haben wir auch nicht. Ohne ein weiteres Wort wendet sie mir den Rücken zu und bewegt sich in Richtung Haus. Ich folge ihr langsam und versuche dabei das ungute Gefühl zu verdrängen, dass beharrlich versucht an die Oberfläche zu gelangen. „Herrje, Duke, Kura würde Joey nie etwas tun.“ rufe ich mir ins Gedächtnis und versuche mich damit selbst zu beruhigen. Es mag ja sein, dass der Dieb nicht sonderlich gut auf Joey zu sprechen ist, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er soweit gehen würde, sich auf Greys Erpressung einzulassen. Nein, ich traue Kura zwar eine Menge zu, aber das sicherlich nicht. Zudem würde er dem Feind damit in die Hände spielen und das alleine kommt für ihn schon nicht in Frage. Und dann ist da auch noch Kaiba... Trotzdem hoffe ich, dass der Weißhaarige sich bald bei mir meldet. „Hey!“ grüße ich Yugi und Tea als ich mich hinter Rebecca im Wohnzimmer einfinde und ihren Gesichtern entnehme ich, dass Tristan es schon unternommen hat, sie über unsere Pleite in Kenntnis zu setzen. Tea sieht mich einen Moment abschätzend an und ich glaube, dass ihr Blick auch für einen Augenblick Rebecca streift. Unwillkürlich muss ich grinsen. Oh, ich kann mir gut vorstellen, was in ihrem Kopf vorgeht. Typisch Tea. Ich vermute, ich darf mich auf einige Fragen gefasst machen, wenn die anderen gegangen sind. „Dann heißt es jetzt wohl warten bis Bakura sich meldet.“ höre ich Yugi sagen und nicke automatisch. Der Kleine seufzt leise, doch in seinen Augen sehe ich wieder diese unerschütterliche Zuversicht, die nur Yugi Muto an den Tag legen kann. „Wer will etwas trinken?“ ruft Tea in die Runde, doch meine Gedanken trifften bereits wieder ab. Wie zum Teufel ist es möglich, dass Grey von Bakura´s Gefühlen für Kaiba weiß? Ich würde die Hand dafür ins Feuer legen, dass Kura mit niemandem außer mir darüber gesprochen hat. Und selbst bei mir gegenüber war der Dieb mehr als kurz angebunden was dieses Thema anbelangt. Wie also kommt dieser Typ auf die Idee, dass er Interesse an Kaiba hat? Ich weiß zwar, dass ich selbst Kura gegenüber diese Möglichkeit angesprochen habe, aber das war nur eine spontane Eingebung, nichts weiter und der Dieb hielt es für unmöglich. Entweder ist dieser Grey ein psychologisches Genie oder unglaublich gut informiert. „Gin Tonic.“ höre ich eine Stimme neben mir und werde jäh ins Hier und Jetzt zurück gerissen. Jemand hält mir ein Glas hin. Ich greife automatisch danach und Tea meint: „Du siehst aus als könntest du einen gebrauchen.“ Dankbar nicke ich ihr zu. „Immer noch die fürsorgliche Oberglucke, was?“ Ich zwinkere ihr grinsend zu und ernte sogleich einen leichten Schlag gegen meinen Oberarm. „Hüte deine Zunge, Duke Devlin!“ ermahnt sie mich, aber ich lache nur und nippe an meinem Glas. „Meint ihr, wir sollten Kaiba Bescheid geben?“ fragt Tristan in die Runde und sein Blick wandert unwillkürlich zu mir. Ich zögere. Dann schüttele ich den Kopf. „Wozu? Wir haben ihm nicht wirklich etwas zu sagen.“ entgegne ich und bemühe mich gelassener zu klingen als ich mich augenblicklich fühle. Er nickt nachdenklich, verzieht dann jedoch leicht den Mund. „Das heißt also, wir müssen uns auf Bakura verlassen.“ stellt er fest. „Toll.“ Zu meiner Überraschung ist es Yugi, der etwas erwidert. „Kaiba verlässt sich auch auf ihn.“ gibt der Kleine zu bedenken und Tea nickt. „Er mag sein wie er will, aber er würde Ryou nie im Stich lassen.“ stimmt sie ihm zu und ich nippe erneut an meinem Glas. „Dieser Grey scheint auf jeden Fall noch verrückter zu sein als Bakura.“ meint Tristan nach kurzem Schweigen und beiläufig nehme ich wahr, dass von seiner Aussage ausgehend eine leichte Diskussion entbrennt, doch ich höre nicht wirklich zu als mein Handy in meiner Tasche anfängt zu vibrieren. Mein Herzschlag beschleunigt sich schlagartig und ich muss das Glas abstellen, um nichts auf Tea´s guten Teppich zu verschütten. Meine Finger zittern leicht als ich das Telefon aus meiner Tasche fische. Eine Kurzmitteilung. Von Bakura. Kapitel 86: Strategische Züge ----------------------------- „Und du bist dir sicher, dass das du das willst?“ frage ich noch einmal obwohl ich die Antwort längst kenne. Er nickt langsam und ich seufze. Einerseits glaube ich, jetzt wo ich seine Gedanken kenne, dass seine Idee alles andere als schlecht ist, andererseits behagt es mir die Vorstellung, ihn zu verlassen, nicht wirklich. Seto lächelt mich aufmunternd an und für einen Moment sind seine Züge vollkommen entspannt. Seine nächsten Worte treffen mich, trotz allem was in den letzten Tagen zwischen uns war, doch unvorbereitet. „Natürlich hätte ich dich lieber an meiner Seite.“ höre ich ihn sagen und kann nicht verhindern, dass ich ihn für den Bruchteil einer Sekunde überrascht ansehe. Natürlich weiß ich inzwischen, dass ihm etwas an mir liegt, mehr noch als das. Sonst wäre er auch schließlich nicht mir mir zusammen. Dennoch sind diese Worte etwas besonderes für mich. Dieses „Natürlich“ berührt mich augenblicklich mehr als alles andere. Falls er meine Reaktion bemerkt, so geht er nicht darauf ein, denn er redet bereits weiter. „Ich sehe in diesem Vorhaben eine Chance, Grey aus der Reserve zu locken.“ erklärt er mir mit diesem sachlich-nüchternen Kaiba-Tonfall weiter. Ich nicke. „Du weißt, dass das mitunter riskant werden kann.“ gebe ich zu bedenken und bin keineswegs überrascht als er nickt. „Dessen bin ich mir bewusst.“ entgegnet er gleichmütig. Ich nicke langsam. Sein Vorhaben leuchtet mir durchaus ein. Wie alle seine Gedankengänge ist auch dieser in sich mehr als logisch. Typisch Kaiba eben. Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl. Immerhin spielen wir Grey auf diesem Wege auch in die Hände. Zumindest wenn Seto Recht hat mit seiner Theorie, woran ich im Grunde keine Zweifel habe. Es ist durchaus einleuchtend, dass der Feind versucht, ihn zu isolieren. So gesehen bin ich augenblicklich sein stärkster Verbündeter – neben Bakura, wenn man so will, und es wäre durchaus denkbar, dass Grey darauf aus ist, uns zu spalten. Wozu sonst dieser Erpresserbrief? Um Geld geht es diesem Verrückten sicherlich nicht und würde er mich hinter Gitter sehen wollen, nun, dann hätte er die Dinge schon längst in die Wege geleitet. Vielleicht ist das auch der Grund für Ryous Entführung. Immerhin hat er es auf diesem Wege geschafft, Bakura nach Japan zu locken. Aber ob und inwiefern die beiden Dinge im Zusammenhang stehen, wissen wir nicht. Momentan haben wir lediglich eine Theorie und Seto´s Vermutung, dass nach meiner Abreise irgendetwas passieren wird. Ich bin nicht sicher was genau er vermutet, was das anbelangt hat er sich mehr als vage ausgedrückt und jegliche Fragen meinerseits abgeblockt, aber ich schätze, er geht davon aus, dass der Feind auf der Bildfläche erscheinen wird. So oder so, Grey wird dann seinen nächsten Zug machen. „Und du denkst, dass du durch Omar diesen Quentin herlocken kannst?“ frage ich etwas skeptischer als ich eigentlich bin, doch er nickt. „Ja, ich denke, dass sich das bewerkstelligen lässt.“ entgegnet er gelassen. „Wenn ich die Situation richtig einschätze, dann ist dieser ominöse Quentin Greys rechte Hand. Wo der Feind nicht persönlich in Erscheinung treten will, wird er es für ihn tun. Und mit dem richtigen Köder...“ Ein kleines Lächeln erscheint in seinem Gesicht und ich schaudere leicht. Dieses Mal ist es kein warmes Lächeln,nicht wie das mit dem er mich eben noch bedacht hat. Es ist ein kaltes Kaiba-Lächeln wie ich es aus der Vergangenheit nur zu gut kenne und ich weiß, dass es nichts gutes zu bedeuten hat. „An welchen Köder denkst du?“ will ich wissen, denn diesen Punkt hat er mir bislang noch nicht näher erläutert, aber ich bin sicher, dass er in seinem mehr als effizienten Verstand schon längst eine Idee hat. Zu meiner Enttäuschung macht er jedoch eine wegwerfende Geste und ich vermute, dass er mich darüber im Dunkeln lassen möchte. Leider kenne ich ihn nur zu gut, um zu wissen, dass es nichts bringen würde, weiter nachzuhaken. Ich seufze unwillkürlich und mache einen Schritt auf ihn zu. Er rückt ein Stück zur Seite, so dass ich neben ihm auf dem kleinen Diwan Platz nehmen kann und sieht mir direkt in die Augen. „Versprich mir, dass du dich nicht in unnötige Gefahr begeben wirst.“ fordere ich ihn auf. Er verzieht leicht den Mund, doch im nächsten Augenblick nickt er. „Ich werde mich bemühen, die Risiken so gering wie möglich zu halten.“ entgegnet er und ich verdrehe leicht die Augen. „Das war keineswegs die Antwort, die ich hören wollte.“ erkläre ich gespielt ungehalten. „Ich weiß, dass du diese Sache endlich hinter dich bringen willst, wer kann es dir verdenken? Aber es hilft keinem von uns, wenn du dich...“ „Joey!“ unterbricht er mich entschieden und ich halte schlagartig inne. „Ich habe keinerlei Interesse daran, mich in Gefahr zu bringen! Ich will diese Angelegenheit endlich beenden.“ Sein Blick ist ernst, seine Augen noch dunkler als sonst. Ich nicke langsam und für einen kurzen Augenblick sehen wir uns einfach nur an. Ich weiß, dass er mir einen Teil seiner Überlegungen verschweigt, vermutlich um mich nicht zu beunruhigen und ich bin mir im Klaren darüber, dass ich daran nichts daran ändern kann. Was auch immer er sich in den Kopf gesetzt hat, er wird es durchziehen. „Was ist mit Mokuba, Marik und den anderen?“ fällt mir plötzlich ein und seine rasche Antwort trifft mich wie ein Schlag. „Du wirst Mokuba mitnehmen.“ erklärt er mir und seine Stimme duldet keinerlei Widerspruch. Ich starre ihn entgeistert an. Mit allem hätte ich gerechnet, doch keineswegs damit. „WAS?“ frage ich ungläubig. Er nickt, um seine Aussage zu bekräftigen. „Es ist das Beste, Joey.“ erklärt er mir nach einer kurzen Pause. „Ich weiß nicht, was Grey als nächstes tun wird. Ich habe lediglich eine Theorie, doch das ist alles. Aber unabhängig davon, die Gefahr für ihn ist einfach zu groß. Ich weiß, dass ich Odin, Ishizu und auch Marik vertrauen kann und dass sie ihn hüten würden wie ihren Augapfel, aber...“ Er hält kurz inne und ich glaube zu wissen was er mir zu sagen versucht. „Aber du könntest dich nicht auf das Wesentliche konzentrieren.“ beende ich seinen Satz und er nickt dankbar. „Ja.“ stimmt er mir zu. „Zudem ist dein Vater sein Vormund und wenn ich jemandem vertraue, Joey, dann dir.“ Ich befürchte, ich gebe augenblicklich ein ziemlich belämmertes Bild ab. Vermutlich gleiche ich in diesem Moment tatsächlich einem kleinen, glücklichen Welpen und ich hoffe insgeheim, dass ich Seto nicht so anstrahle wie ich es befürchte. Er will mir Mokuba anvertrauen. Freiwillig. Für Seto Kaiba ist dies der ultimative Vertrauensbeweis. „Ich schätze, Mokuba wird alles andere als begeistert sein. Es gefällt ihm hier.“ wechsele ich aprubt das Thema. Seto verzieht leicht den Mund. „Ja, davon gehe ich aus, aber Mokuba wird meine Gründe verstehen.“ entgegnet er und für einen Moment werden seine Züge wieder weicher. „Ihm gefällt es hier.“ höre ich ihn sagen. „Scheinbar könnte er sich vorstellen, hier zu bleiben, wenn die ganze Sache vorüber ist...“ Unwillkürlich muss ich daran denken, was der Kleine zu mir gesagt hat, wie er sich die Zukunft vorstellt und ich kann nicht umhin zu lächeln. Seto mustert mich von der Seite und auch auf seinem Gesicht erscheint der Anflug eines Lächelns, doch dann wird er schlagartig wieder ernst. „Die Angelegenheit ist entschieden.“ erklärt er mit fester Stimme . „Ich werde es ihm gleich selbst sagen. Und was Odion und die anderen betrifft... Ruf sie bitte alle zusammen, ich möchte sie über die weiteren Schritte unterrichten.“ Ich nicke und bin im nächsten Moment auch schon auf den Beinen. Doch bevor ich mich zum gehen umwende, sehe ich ihn noch einmal an. „Ich nehme an, du hast noch nichts von Bakura gehört.“ Es ist vielmehr eine Feststellung als eine Frage und er nickt. „Noch nicht, aber das habe ich auch nicht erwartet.“ antwortet er und erhebt sich seinerseits. Ich vermute, dass ich leicht den Mund verziehe und in seinen Augen blitzt es amüsiert auf. „Um den Dieb mache ich mir die geringsten Sorgen.“ meint er lässig, was mich doch ein wenig erstaunt und mir seltsamerweise auch einen leichten Stich versetzt. Mir liegt eine bissige Erwiderung auf der Zunge, aber ich verkneife sie mir im letzten Moment. Wenn Seto dem Weißhaarigen vertraut, nun, dann wird er seine Gründe haben. „Ich hoffe nur, dass wir auf diesem Wege Grey nicht nur in die Hände spielen...“ gebe ich stattdessen zu bedenken. Mein Gegenüber zuckt leicht mit den Schultern und zündet sich mit einer grazilen Handbewegung eine Zigarette an. „Das tun wir sicherlich, aber das ist der einzige Weg.“ entgegnet er und inhaliert tief. Ich betrachte ihn einen Augenblick schweigend, dann nicke ich und mache mich auf den Weg zu den anderen. Ich vermute, dass ich Odion und vielleicht auch Ishizu bei Roland vorfinden werde. Doch als erstes treffe ich auf Alister, der noch immer in der Ecke sitzt, in der wir ihn zurückgelassen haben. Als er mich sieht, blickt er von seinem Laptop auf. „Ich habe die Information, die Kaiba wollte.“ erklärt er mir mit gleichmütigem Tonfall. Ich nicke. „Gut, wir werden gleich eine Lagebesprechung abhalten.“ entgegne ich und begebe mich, ohne eine Erwiderung abzuwarten, in Richtung Salon. Alister hat also Mrs. Armstrong gefunden. Nun, ich vermute, das war nicht weiter schwer. Inwiefern sie uns es vermag uns weiterzuhelfen weiß ich nicht. Seto´s Gedankengang war durchaus plausibel. John´s Eltern wussten von seinem Freund, von Grey. Sein Vater war alles andere als begeistert von dieser Verbindung. Ich bezweifle, dass John seinen Eltern seinen Freund vorgestellt hat, aber möglich wäre es durchaus, dass seine Mutter zumindest etwas über den Mann weiß. Vielleicht kennt sie sogar seinen Namen. Seinen wirklichen Namen. Aber es ist natürlich nicht gesagt, dass uns dieser irgendwie weiterhelfen würde. Dennoch wäre es natürlich ein weiterer Ansatzpunkt. Ich weiß, dass Seto sich keine Illusionen macht. Die Spur ist dünn, sofern sie überhaupt existiert und ich frage mich, wie er an die Dame herantreten will. Doch ich vermute, dass er uns diesen Punkt gleich erläutern wird. Odion ist tatsächlich bei Roland. Beide blicken auf als ich den Raum betrete. „Ihr spielt Karten?“ stelle ich etwas erstaunt fest und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen als Roland mit fast schon schuldbewusster Miene die Karten sinken lässt. „Wie geht es ihnen, Roland?“ erkundige ich mich und sofort wird sein Gesichtsausdruck wieder so stoisch wie ich ihn kenne. „Danke der Nachfrage, mir geht es schon um einiges besser, Master Joey.“ entgegnet er und ist dabei sichtlich bemüht, sich nicht gegenteiliges anmerken zu lassen. „Ich wünschte nur, diese...“ Er beendet den Satz nicht, aber ich kann mir durchaus denken, was er sagen wollte. Wieder muss ich grinsen. Ich vermute, es hat mit Ishizu zu tun. „Es gibt ein paar Neuigkeiten.“ erkläre ich schließlich und sowohl Roland als auch Odion sehen mich fragend an. „Seto hat einen Plan. Er wird uns gleich alle darüber informieren.“ Odion nickt verstehend und erhebt sich gemächlich. „Ich hole Marik und Ishizu.“ erklärt er und schickt sich auch sofort an, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich mache einen Schritt auf Roland zu, der versucht sich etwas aufzurichten. Sanft drücke ich ihn zurück in die Kissen. „Bleiben sie bloß liegen, Roland!“ Einen Moment rechne ich mit Protest. Kaiba´s Assistent ist es nicht gewohnt zur Untätigkeit verdonnert zu sein. Besonders nicht in einer solchen Lage. Er seufzt kaum hörbar und lässt den Kopf wieder auf das Kissen sinken, wobei mir nicht entgeht, dass er für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht verzieht. Es dauert nicht lange und der Ägypter kommt mit seinen Geschwistern zurück und auch Alister huscht fast wie ein Schatten hinter ihnen in den Raum, seinen Laptop natürlich in der Hand. „Seto hat noch etwas mit Mokuba zu besprechen.“ erkläre ich und hoffe insgeheim, dass er recht behält und der Kleine seine Vorgehensweise verstehen wird. „Ihr habt also einen Plan?“ fragt Marik neugierig und ich nicke. „Mehr oder weniger.“ entgegne ich und der junge Ägypter nickt nachdenklich. Ich mustere ihn kurz. Von seinen Verletzungen scheint er vollständig genesen. Ishizus stechender Blick trifft mich. „Habt ihr schon etwas von Bakura gehört?“ will sie wissen. Ich schüttele den Kopf. „Ich hoffe, Ryou geht es gut.“ meldet sich Marik erneut zu Wort und für einen kurzen Augenblick herrscht betretenes Schweigen. Wir alle wissen inzwischen nur zu gut, dass Kaiba´s Feind alles andere als zimperlich ist. Pegasus und Siegfried sind bereits tot. Marik wurde übel zugerichtet und Roland... Ich schlucke unwillkürlich. Bislang habe ich es vermieden an Ryou zu denken. Wenn Grey ihn als Druckmittel gegen Bakura benutzt, wird er zumindest noch am Leben sein. Hoffe ich zumindest und ich will mir nicht vorstellen was passiert, wenn es sich anders verhält. Kurz überlege ich ob ich Alister beauftragen soll, schon einmal einen Flug für Mokuba und mich zu buchen, doch ich sage nichts dergleichen. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zu Jack. Er hat mir zwar versichert, dass er die Sache augenblicklich im Griff hat und wie ich Jackson kenne, wird er sich auch auf dieses Treffen sehr gut vorbereitet haben, aber die Angelegenheit ist nach wie vor riskant und ein Teil von mir wäre jetzt auch gerne an der Seite meines Vaters. Ich glaube zwar, dass unsere Schlussfolgerung richtig ist und es nicht darum geht, Jack zu entführen oder gar ihm etwas anzutun, aber wirklich beruhigen kann mich dieser Gedanke nicht. Fünf Minuten verstreichen, in denen keiner etwas sagt. Alle warten wir gespannt auf Seto und ich bin erleichtert als er endlich den Raum betritt. Mokuba folgt ihm auf den Fersen und nach dem Gesichtsausdruck des Kleinen zu urteilen, ist ihr Gespräch gut verlaufen. Doch Mokuba ist schließlich auch kein kleines Kind mehr. Er wird Seto´s Beweggründe durchaus verstanden haben. Schweigend tritt der Schwarzhaarige neben mich und ich lächele ihm kurz aufmunternd zu. Seto kommt direkt zur Sache und schlagartig erinnert er mich wieder an den alten Kaiba, der immer fest die Zügel in der Hand hatte, ganz Herr der Lage war. Genau wie bei unserer Besprechung unter vier Augen bekomme ich auch jetzt wieder das Gefühl, dass sein Verstand auf Hochtouren arbeitet und er sichtlich bemüht ist, kein Details zu übersehen. In seinem Kopf steht sein Plan bereits. „Joey und Mokuba werden in die Staaten zurückfliegen.“ erklärt er der versammelten Runde und zumindest Marik und Alister scheinen erstaunt über diese Entscheidung. In kurzen Zügen erzählt Seto ihnen von dem Erpresserbrief an meinen Vater und die Blicke der Runde richten sich auf mich. „Dieser Typ ist...“ Marik schüttelt leicht den Kopf. „Du willst also so tun als würde Greys Plan aufgehen.“ bemerkt Ishizu mit ernstem Blick auf Seto gerichtet. Er nickt. „Ja.“ entgegnet er knapp und die Frau nickt verstehend. „Und mehr noch... wir werden ihm mithilfe von Omar vorspielen, dass ein zweiter Anschlag auf Roland gelungen ist.“ Falls seine Worte den Assistenten überraschen, so lässt er sich nichts anmerken und auch Ishizu wirkt keineswegs verwundert. Marik dagegen runzelt leicht die Stirn. „Du willst so tun als wäre Roland...“ hebt der Junge an und Seto nickt. „Omar wird mit seinem Verbindungsmann Kontakt aufnehmen und ihn davon überzeugen, dass Roland ausgeschaltet wurde.“ erläutert er den Plan weiter. „Und durch ihn werden wir versuchen, an diesen Quentin heranzukommen.“ Noch immer weiß ich nicht, wie er das bewerkstelligen will und ich schätze, dass er diesen Punkt auch jetzt nicht weiter ausführen wird. „Wichtig ist dabei, dass wir sicher gehen, dass uns sonst niemand hier observiert.“ fährt Seto auch schon fort und seine Worte scheinen in erster Linie an Odion gewandt. Der große Ägypter nickt. „Keine Sorge, ich werde mich darum kümmern.“ versichert er ihm und Seto nickt ihm leicht zu. „Gleichzeitig werden wir noch eine weitere Spur verfolgen, doch dafür brauche ich in erster Linie deine Hilfe, Ishizu.“ Erneut wirkt die Ägypterin keineswegs überrascht. Sie nickt leicht als Zeichen ihrer Zustimmung. Fragend sehe ich meinen Freund an. „Ich bitte dich darum, John Armstrongs Mutter aufzusuchen.“ erklärt Seto weiter und nun begreife ich langsam. „Ob sie tatsächlich etwas weiß, vermag ich nicht zu sagen. Genauso wenig wie ich nicht sicher bin ob Grey diesen Zug bedacht hat. Möglich, dass er ihn einkalkuliert hat. Schließlich hat er ja die Spur zu ihm gelegt. Es wäre jedoch denkbar, dass er mein Erinnerungsvermögen unterschätzt.“ Seine Stimme klingt sachlich-nüchtern wie immer, wenn er solch eine Ansprache hält, trotzdem entgeht mir nicht der feine Unterton. Er gestattet sich nicht, sich allzu viele Hoffnungen in diese Spur zu setzen. Vielleicht tut er auch gut daran. Bislang hat Grey schließlich immer alles bedacht, aber es ist wie er mir vorhin gesagt hat. Wir dürfen nichts unversucht lassen. Wir. Seit Tagen benutzt er dieses Personalpronomen und fasziniert stelle ich fest, dass er sich verändert hat. Nicht nur mir gegenüber. Er ist ein anderer geworden. Diese ganze Geschichte hat ihn zu einem anderen gemacht. Wie oft hat er Yugi früher gesagt, dass es kein „wir“ für ihn gibt, dass er niemanden braucht? Die Zeiten haben sich geändert und er sich mit ihnen und ich frage mich insgeheim, was die anderen über diese Entwicklung wohl denken. Ich weiß, dass Mokuba sich darüber freut. Ich vermute, genau das hat der Kleine sich immer gewünscht und vielleicht war es auch etwas, dass Seto sich insgeheim gewünscht hat. Inzwischen benutzt er den Plural wie selbstverständlich. Bakura hatte Recht. Diese Angelegenheit ist keine One-man-Show und er hat es endlich auch selbst begriffen. Und so verrückt es auch sein mag, mit einem Mal habe ich das Gefühl, dass wir es tatsächlich schaffen werden, diese Sache zu einem guten Ende zu führen. Ja, ich bin mir sogar sicher. Ich glaube daran. Wir werden es schaffen. „Ich werde tun was ich kann, Kaiba.“ höre ich Ishizu sagen und ihre singende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Seto nickt ihr knapp zu. „Warum soll Ishizu das übernehmen, Seto?“ fragt Mokuba neben mir und ich vermute, er ist etwas erstaunt. Der Brünette bedenkt seinen kleinen Bruder mit einem liebevollen Blick. „Zum einen, weil ich mich einer anderen Sache widmen muss und zum anderen, weil Ishizu es sicherlich unauffälliger bewerkstelligen kann. Falls Grey diesen Punkt nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hat, dann wird sie weniger auf sich aufmerksam machen als wenn ich mich zu Mrs. Armstrong gegeben würde.“ erklärt er Mokuba und die Augen des Schwarzhaarigen leuchten kurz auf. „Guter Punkt, großer Bruder!“ entgegnet er anerkennend und Kaiba lächelt. Alister räuspert sich leise. „Ich nehme an, ich soll schon mal die Flüge klar machen?!“ Seto nickt und sofort wandern die Finger des Rothaarigen über die Tastatur. „Es ist wichtig, dass du so unauffällig wie möglich von hier abreist, Ishizu.“ meint Seto an die junge Frau gewandt. „Falls wir noch anderweitig beobachtet werden, müssen wir sicher gehen, dass keiner von dieser Reise erfährt.“ „Ich werde ein paar der Straßenkinder beauftragen, die Gegend abzusuchen. Falls da draußen noch jemand ist, wird er ihnen auffallen.“ meldet sich nun Odion zu Wort. „Und ich habe auch schon eine Idee wie wir Ishizu unauffällig aus dem Haus bekommen.“ Ein leichtes Schmunzeln erscheint im Gesicht des Ägypters und ich frage mich unwillkürlich welchen Gedanken er wohl hat. Seto nickt zufrieden. „Gut.“ befindet er. „Damit wären die nächsten Schritt erst einmal klar.“ _________________________________________ Mit diesem Kapitel beginnt nun sozusagen der letzte Akt. Einige der nächsten Kapitel werden wieder aktionreicher werden. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und ihr freut euch auf die Fortsetzung. Merci an dieser Stelle für euer Verständins!! Kapitel 87: Klare Sache (Bakura) -------------------------------- "Quid pro quo." sagt mein Gegenüber mit gespielt lässigem Tonfall, doch mir entgeht keineswegs der Ernst in seiner Stimme und ich kann auch in seinen Augen deutlich lesen, dass es ihm mehr als erst ist. Er beäugt mich abwartend, wobei er leicht das Glas in seiner Hand schwenkt und ich spüre deutlich seinen lauernden Blick auf mir ruhen. Das Lächeln, dass um seine Lippen spielt, vermag mich keine Sekunde zu täuschen. Er mag sich hier als jovialer Gastgeber geben und vielleicht gefällt er sich sogar in dieser Rolle, aber ich weiß, dass hinter dieser Fassade etwas Dunkles lauert. Ich erkenne Abgründe, wenn ich sie sehe und seine Augen sprechen Bände. Der Mann, der mir gegenüber sitzt, ist zu allem bereit. Er will seine Rache und wenn es sein eigenes Leben kosten sollte. Unwillkürlich muss ich daran denken, dass er mir nicht einmal unähnlich ist. Genau wie er war ich vor langer Zeit. Einzig beherrscht von dem Gedanken an Rache, dem Wunsch nach Vergeltung. „Wie wär´s mit noch einem Cognac?“ frage ich und schiebe ihm mein leeres Glas hin. Falls ihn meine Reaktion überraschen sollte, so versteht er es ausgezeichnet es zu verbergen. „Natürlich.“ entgegnet er freundlich und schickt sich auch schon an, mir nachzuschenken. Ryou ist also nicht hier. Gut. Damit hatte ich in gewisser Weise gerechnet. Es wäre auch mehr als törricht gewesen, den Jungen hier zu verstecken. Bislang hat Grey genügend unter Beweis gestellt, dass er keineswegs ein Narr ist. Im Gegenteil. Er ist ein hervorragender Gegenspieler, in der Tat eines Seto Kaibas würdig. Ich greife nach meinem Glas und nehme einen kräftigen Schluck. Grey lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen, doch wenn er glaubt, mich so aus der Fassung bringen zu können, dann irrt er sich. Unwillkürlich muss ich früher denken. An meine Zeit bei Ryou. In den ersten Wochen, nein, Monaten hat der Kleine mich auch nie aus den Augen gelassen. Stets vermutete er, dass ich „irgendeinen Unsinn“ anstellen würde, wie er es gern ausdrückte und unzählige Male gerieten wir deshalb aneinander. Während der Junge immer darauf bedacht war, dass Richtige zu tun, hatte ich anfangs nur Verachtung für diese Denkweise übrig. Das Richtige... Lange Zeit habe ich nicht einmal verstanden, was er damit eigentlich meinte, trotz seiner unzähligen Vorträge und Ermahnungen. “Spiel dich hier nicht auf wie eine alte Glucke. Ich brauche keinen Babysitter!! Wenn hier jemand Hilfe braucht, dann bist du das. Dein Leben ist so was von langweilig...“ Nun, nach meinem Erscheinen war es nicht mehr so langweilig. Wortlos stelle ich das Glas zurück auf den Tisch und suche in meiner Tasche nach meinen Zigaretten, wobei ich beiläufig die Telefonverbindung zu Duke abbreche. Grey sagt nichts als ich mir eine anzünde und ihm den Rauch entgegenblase. „Ich soll also die Drecksarbeit für sie erledigen.“ fasse ich sein Angebot zusammen und er lacht laut auf. „Wenn sie es so nennen wollen.“ entgegnet er schmunzelnd. Ich ziehe erneut an meiner Zigarette. „Ich ziehe es vor die Dinge beim Namen zu nennen.“ erkläre ich ruhig. Wahrscheinlich steht der Kater augenblicklich kurz vor einem Schlaganfall. Wie ich Duke kenne, kann er sich ausrechnen, dass ich die Verbindung unterbrochen habe und das keinesfalls etwas mit Grey zu tun hat. Und ich schätze, in seinem Kopf rattert es gerade ganz gehörig. Dabei war er es doch, der solch ein Manöver in Betracht gezogen hat. Mein schlauer, kleiner Kater... Stellt sich im Grunde nur die Frage, warum ausgerechnet ich diesen Auftrag für Grey erledigen soll, aber eigentlich kann ich mir das auch denken. Nach den jüngsten Entwicklungen sind Kaiba und Co. mehr als nur auf der Hut. Es dürfte sich also als schwierig gestalten an einen von ihnen heranzukommen. Wobei ich hingegen ein Teil des Teams bin. „Ich mag direkte Menschen. Und ich dachte mir schon, dass sie dazu gehören.“ höre ich mein Gegenüber sagen und sehe, dass er mir leicht zu prostet. Ich schenke ihm einen gleichmütigen Blick. „Und ich dachte bislang, dass sie die Zügel fest in der Hand hätten.“ entgegne ich mit einem boshaften Grinsen. „Aber scheinbar sind ihre Möglichkeiten dann doch begrenzt, wenn sie mich brauchen, um an Wheeler heranzukommen.“ Meine bissige Bemerkung scheint ihn nicht weiter zu stören. Er macht eine leichte Handbewegung und nickt. „Nun, Bakura, sie sind aber auch der richtige Mann für solch ein Unterfangen.“ erwidert er und ich verziehe leicht den Mund. Ohne auf seine Worte einzugehen frage ich sachlich: „Wäre nicht Mokuba das treffendere Ziel, um Kaiba zu treffen?“ Greys Blick ist nun auf sein Glas gerichtet. Ein leichtes Lächeln umspielt seinen Mund. „Oh, von meinem Standpunkt her, ist Joey Wheeler ein ebenso treffendes Ziel.“ entgegnet er und für einen Moment blitzt es in seinen Augen auf. Ich vermute, dass er an diesen Armstrong denkt und schlagartig verstehe ich. Quid pro quo. Einen Geliebten für einen anderen. Bei dem Gedanken verspüre ich einen leichten Stich und muss mich zwingen, meine Gedanken in eine andere Bahn zu lenken. „Joey Wheeler wird sich in Kürze wieder in den Vereinigten Staaten befinden.“ erklärt mir mein Gegenüber sachlich. „Ohne unseren gemeinsamen Freund.“ Erneut blitzt es kurz in seinen Augen auf und ich runzele leicht die Stirn. „Ich denke, dass wird ihnen eine hervorragende Gelegenheit verschaffen, ihren Teil unserer Abmachung zu erfüllen.“ Jetzt richtet sich seine Aufmerksamkeit wieder voll auf mich und ich muss gestehen, dass mich diese Offenbarung irritiert. Soweit ich unterrichtet bin, wollten Kaiba und Joey gemeinsam zurück in die Staaten fliegen sobald es Roland besser geht. Als könne er meine Gedanken lesen, erklärt der Schwarzhaarige mir freundlich: „Ich habe es in die Wege geleitet, dass Mr. Wheeler die Heimreise alleine antritt.“ „Verstehe.“ entgegne ich knapp und drücke meine Zigarette auf dem Tisch aus. Die Asche habe ich ohnehin unachtsam auf den Boden fallen lassen. Grey scheint diese Geste mehr zu amüsieren als zu ärgern, aber ich habe auch nicht wirklich mit einer Reaktion gerechnet. Eigentlich war es mehr eine Laune, den Tisch anstelle des großen marmornen Aschenbechers zu benutzen. Dieser Kerl hat es demnach also irgendwie geschafft, dass Joey alleine zurück in die Staaten fliegt. Ich frage mich, wie ihm das gelungen sein mag. Es kann sich nur so verhalten, dass Wheeler die Heimreise sehr schnell antreten musste. Folglich muss irgendetwas passiert sein, was keinen Aufschub duldete. Ich vermute, dass es mit seinem Vater zusammen hängt. Einen anderen Grund kann ich mir nicht denken. Joey musste weg und Kaiba wollte auf Roland warten. Ja, das klingt einleuchtend. „Das heißt also, ich soll für sie in die Staaten fliegen und Wheeler kalt machen.“ fasse ich sein Vorhaben zusammen. Grey schüttelt leicht den Kopf. „Genau genommen, mein lieber Bakura, sollen sie ihn nicht nur „kalt machen“, ich wünsche, dass er eine ihrer persönlichen Spezialbehandlungen erfährt.“ „Und ich nehme an, wenn ich mich weigere, muss Ryou dafür zahlen.“ fahre ich in meiner Rede fort. Mein Gegenüber lächelt. „Da sie ein Mann direkter Worte sind. Ja. Das müsste er bedauerlicherweise.“ entgegnet er und das gespielte Bedauern in seinem Gesicht, zerrt an meiner Beherrschung. „Ich bin untröstlich, dass ich zu solch einem Mittel greifen muss, aber sie werden sicher verstehen...“ Unwirsch falle ich ihm ins Wort. „Lassen sie den Schmus endlich. Wir beide wissen schließlich was Sache ist.“ weise ich ihn zurecht. „Wer garantiert mir, dass Ryou nichts passiert? Noch weiß ich nicht einmal ob es ihm gut geht. Und sagen sie jetzt bloß nicht, dass sie mir ihr Wort geben. Darauf gebe ich nämlich nicht das Geringste.“ Wieder lacht er. „Sie können hier und jetzt mit ihrem Freund telefonieren, um sich zu vergewissern, dass der Junge wohlauf ist.“ entgegnet er schlicht. „Und was alles weitere anbelangt... Ich gebe ihnen mein Wort. Ich hege keinerlei Groll gegen sie oder den Kleinen. Führen sie meinen Auftrag aus und der Junge ist frei. Eine andere Garantie bekommen sie nicht.“ In den dunklen Augen blitzt es auf. Die Maske des jovialen Gastgebers schwindet. „Unter uns, welche Wahl haben sie?“ fragt er nach einer kurzen Pause und ich spüre wie mein Blut zu kochen beginnt. Natürlich hat er recht. Ich habe keine große Wahl. Er hat an alles gedacht, wie es scheint. Ryou wird irgendwo an einem mir unbekannten Ort sein und ich bin sicher, dass ich aus dem Kerl kein Wort darüber raus bekommen würde, gleichgültig was ich auch mit ihm anstelle. Er hat es selbst gesagt. Er ist zu weit gekommen. Unwillkürlich fallen mir wieder meine eigenen Worte ein, die ich eben noch zu Duke gesagt habe. "Entspann dich, Katerchen. Ich bin schon mit weitaus schlimmeren Dingen fertig geworden." Nun, das war die Wahrheit. Angesichts so mancher Episode aus meiner Vergangenheit ist diese hier schon fast lächerlich. Doch noch nie ging es dabei um irgendetwas was Ryou betraf. Oder Kaiba und Wheeler. Und wenn Kaiba nicht wäre, dann müsste ich augenblicklich auch nicht wirklich nachdenken. Wheeler wäre nicht der erste Mensch, den ich kalt mache. Ich bin nicht einmal sicher ob ich wirklich Skrupel habe, ihn umzubringen. Er hat mir zwar nicht wirklich etwas getan, aber er tangiert mich auch keineswegs. So gesehen gäbe es also keinerlei Problem. Wäre da eben nicht Kaiba. „Ich will mir Ryou reden.“ erkläre ich entschieden und Grey greift zu seinem Handy. Ich beobachte ihn, wie er eine Taste drückt und es dauert scheinbar nicht lange bis sich am anderen Ende der Leitung jemand meldet. Die Stimme des Schwarzhaarigen ist schneidend und kalt. „Hol den Jungen ans Telefon.“ sagt er lediglich und sieht mir dabei genau in die Augen. Fast rechne ich damit, dass er die Lautsprecherfunktion betätigen wird, doch er reicht mir sein Mobiltelefon. „Ryou?“ frage ich und halte instinktiv den Atem an. Die Person am anderen Ende der Leitung atmet schwer. Ich vernehme ein leises Keuchen und weiß sofort, dass es tatsächlich Ryou ist. „Kleiner.“ sage ich und gebe mir mühe lässig zu wirken. „Kura.“ Seine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. Ich atme erleichtert auf. „Wie geht es dir?“ will ich wissen. Ein paar Sekunden vergehen bis er antwortet. „Mir... es... geht mir gut.“ entgegnet er und ich schließe für einen Moment die Augen. Der Kleine ist sichtlich bemüht tapfer zu klingen, aber ich habe zu oft, zu viele Menschen gehört, die alles andere als in guter Verfassung waren, als mich davon täuschen zu lassen. Leider kann ich mir nur zu gut ausmalen, was man ihm angetan hat. Mein Blick trifft den von Grey und es kostet mich enorme Selbstbeherrschung, um nicht nach dem nächstbeste Gegenstand zu greifen und... „Ich hol dich dort raus, Ryou.“ versichere ich ohne mein Gegenüber aus den Augen zu lassen. Ryou antwortet nicht gleich. „Ich weiß.“ höre ich ihn dann leise sagen. „Kura...“ Er bricht ab und ich spüre, dass sich meine freie Hand zu einer Faust geformt hat. „... tu nichts... unüberlegtes...“ meint der Kleine und unter anderen Umständen würde ich nun sicherlich grinsen. „Ich tue was notwendig ist.“ entgegne ich ernst. „Halt du einfach durch, ok?“ Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühle ich mich hilflos. Die Wut in mir tobt, versucht an die Oberfläche zu kommen und will, dass ich ihr freien Lauf lasse. Genau wie früher ist da dieser unvorstellbare Zorn in mir, doch ich weiß, dass es nichts bringt, ihm Luft zu machen. Um Ryous Willen werde ich mich zügeln müssen. „Ok.“ sagt er schließlich und im nächsten Moment streckt Grey auch schon seine Hand aus. „Wenn ich bitten darf...“ Einen Augenblick lang zögere ich. Dann reiche ich ihm das Handy und er beendet den Anruf. „Sie sehen, ihrem Freund geht es gut.“ sagt er an mich gewandt und ich verziehe unwillkürlich den Mund. „Gut ist übertrieben.“ entgegne ich verächtlich, rechne aber nicht wirklich mit einer Reaktion. „Also, mein Freund, was sagen sie?“ will mein Gegenüber wissen und bei Ra, wenn ich könnte wie ich wollte, ich würde dem Wichser sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht schneiden. Oh, mehr noch. Mir fallen tausende hübscher Sachen ein, die ich zu gerne mit ihm tun würde. „Ihnen ist hoffentlich klar, dass diese Nummer Konsequenzen haben wird?“ frage ich und zu meiner Überraschung nickt er ernst. „Rache.“ entgegnet er ruhig. „Damit kenne ich mich bestens aus. Und ja, ich bin mir im klaren darüber, aber alles zu seiner Zeit, nicht wahr?“ Er nippt an seinem Glas und der ernste Ausdruck schwindet aus seinem Gesicht. „Schön, dass wir uns einig sind. Kommen wir also zu den Einzelheiten.“ Ich seufze. „Nur zu... langweilen sie mich.“ erwidere ich gleichmütig und greife meinerseits zu dem Glas Cognac. „Man wird sie zu ihrem Hotel zurückbringen.“ hebt Grey nach einer kurzen Pause an. „Ich hoffe, ich brauche nicht zu betonen, dass es dumm wäre, wenn sie versuchen würden, Mr. Wheeler oder unseren Freund vorzuwarnen.“ Ich verdrehe genervt die Augen. „Ich bin kein Anfänger.“ zische ich ihn an und er lacht. „Dann verstehen wir uns auch richtig. Gut.“ Er nickt mir freundlich zu. „Einer meiner Männer wird sie in die Staaten begleiten. Halten sie sich also bereit. Ihr Flug ist schon gebucht.“ fährt er in seiner Rede fort. „Dort angekommen... nun, die Vorgehensweise überlasse ich ihnen. Auf eine Sache muss ich allerdings bestehen.“ Er macht eine dramatische Pause und hofft wohl darauf, dass ich nachhake, was ich keineswegs zu tun gedenke. Ich ahne, worauf das hinauslaufen wird. „Ich möchte eine Aufnahme ihrer Arbeit.“ sagt er schließlich und sein Blick spricht Bände. Erneut verdrehe ich die Augen. „Ah ja... wir bedienen also jedes Klischee.“ entgegne ich lässig und muss unwillkürlich an Kaiba denken. „Ich nehme an, eine Kopie davon darf sich Kaiba dann ansehen.“ Hut ab, der Kerl hat sogar ein wenig Fantasie und ist fest entschlossen dem alten Seto einen Stich zu versetzen. Kaiba... Unwillkürlich muss ich wieder an Ryou´s unzählige Vorträge denken, seine scheuen Versuche mir begreiflich zu machen was das Richtige und was das Falsche ist. Mein Rachefeldzug gegen den Pharao war natürlich falsch - in seinen Augen. Was er nun wohl als das Richtige erachten würde? Grey hat - zumindest im Augenblick - die Oberhand. Und er hat Recht. Welche Wahl habe ich gerade? Joey Wheeler für John Armstrong. Das ist soweit klar und vom Standpunkt dieses Verrückten sogar logisch. Aber wie passen Kaiba und Ryou in dieses Szenario? Und ich? Grey nickt lächelnd. „Sie halten mich sicher für grausam...“ meint er und macht eine fast schon entschuldigende Handbewegung. Ich zucke leicht mit den Schultern. „Grausamkeit wird überbewertet.“ falle ich ihm ins Wort und schenke ihm ein diabolisches Lächeln. Kapitel 88: Eröffnung Teil 1 ---------------------------- “Der Assistent ist tot.” sagt der Araber und sein Blick hält meinen dabei fest. Seine Stimme klingt gleichmütig, nur bei genauerem hinhören kann man eine Spur von Unsicherheit darin mitschwingen hören. Auf eine Erwiderung muss er nicht lange warten. “Gute Arbeit, Omar.” befindet der Sprecher am anderen Ende der Leitung und sofort versuche ich die Stimme zu analysieren. Der Mann ist Brite, dessen bin ich mir sicher. Mittelklasse, mit relativ guter Schulbildung. Omar entgegnet nichts. Genau wie ich ihm aufgetragen habe, überlässt er das Gespräch dem anderen und wie ich erwartet habe, stellt dieser auch prompt seine nächst Frage. “Was hast du sonst in Erfahrung bringen könne?” will der Mann wissen. Omar zögert einen Moment und ich bedenke ihn mit einem durchdringenden Blick. Odion´s Hand verstärkt automatisch den Druck auf die Schulter des Arabers. “Ich bin nicht sicher.” entgegnet Omar schließlich und nun klingt seine Stimme unsicher. Ich nicke langsam. Gut, genauso hatte ich mir dieses Gespräch vorgestellt. Die Unsicherheit an dieser Stelle stellt kein Problem da. Im Gegenteil. Sie dürfte der Sache sogar dienlich sein. “Was willst du damit sagen?” Wieder zögert der Araber. “Es ist etwas im Gange.” sagt er nach einer weiteren kurzen Pause. “Man trifft Vorbereitungen. Ich weiß nicht für…” Wie ich vorausgesehen habe, fällt ihm der Sprecher am anderen Ende der Leitung ins Wort. “Vorbereitungen?” Der Tonfall ist nun schärfer, nicht wirklich besorgt, aber durchaus interessiert. Omar schluckt. “Wagen fahren vor. Technische Ausrüstung wird geliefert und… man heuert Männer an.” erläutert er dann seine angeblichen Beobachtungen genau wie ich es ihm zuvor aufgetragen habe. Es folgt eine längere Pause. Quentin scheint nachzudenken. Omars Äußerungen sind vage genug, um alles mögliche hinein zu interpretieren. Ich halte unwillkürlich die Luft an und hoffe, dass der Fremde den Köder schlucken wird. “Ich brauche mehr Informationen.” sagt der Brite schließlich und nun glaube ich, leichte Beunruhigung in seiner Stimme zu hören. Omar schluckt. “Das ist nicht so leicht.” gesteht er und ich muss zugeben, dass der Araber eine bessere Leistung abliefert als ich gedacht habe. “Ich komme nicht nah genug an das Haus. Dieser Ishtar lässt es bewachen.” Aus dem Augenwinkel nehme ich Odions Grinsen wahr. Quentin entgegnet nichts. Wieder scheint Greys Helfer zu eruieren und nun kommt der alles entscheidende Moment. Sowohl Odion als auch ich warten gespannt auf die Erwiderung des Mannes. Ich vermute, dass es Grey darum geht, jeden meiner Schritte zu kennen. Folglich dürfte ihn diese Entwicklung überraschen. Es ist keine, die er geplant hat und wenn er so denkt wie ich hoffe, dann dürfte ihn diese Sache mehr als nur interessieren. Sekunden verstreichen bis Quentin sich wieder meldet. “Dann brauchen wir einen von ihnen.” befindet der Brite und ich atme innerlich auf. Omar blinzelt. “Was- …” Der andere fällt Omar sofort ins Wort. “Kommst du an einen von ihnen heran?” will er wissen. Der Araber verzieht leicht den Mund. “Das dürfte schwierig werden. Sie sind alle auf der Hut…” entgegnet er und Quentin gibt einen missbilligenden Lau von sich, doch bevor er etwas erwidern kann, fährt Omar fort: “Das Mädchen… vielleicht wäre es möglich…” Erneut wird er von Quentin unterbrochen. “Versuch es und zwar so schnell wie möglich!” bestimmt er und mein Herzschlag beruhigt sich wieder etwas. Sehr gut. Es läuft genau wie ich vorhergesehen habe. Wieder nicke ich Omar zu. “Das kostet extra.” erklärt der Araber und ich muss unwillkürlich lächeln. Jetzt ist sein Tonfall mehr als überzeugend. All seine Verschlagenheit schwingt in seiner Stimme mit. “Mach dir darum keine Gedanken.” erwidert der Brite gleichgültig. “Schnapp dir das Mädchen, dann melde dich wieder.” Ohne dass Omar noch etwas sagen kann, ist das Gespräch auch schon beendet. Quentin hat aufgelegt. Der Araber klappt nun seinerseits das Handy zu und reicht es mir wortlos. “Gut.” befinde ich. Die erste Phase wäre damit also abgeschlossen. “Es ist genauso gelaufen wie du es vorhergesagt hast.” meint Odion und ich glaube so etwas wie Anerkennung in seiner Stimme zu hören. Ich lächele den Ägypter kurz an. “Hoffen wir nur, dass sich alles weitere ebenso fügen wird.” entgegne ich schlicht und wende mich wieder an Omar. “Wenn du deine Rolle weiterhin so gut spielst, wird dein Aufenthalt bei uns bald sein Ende finden.” erkläre ich ihm. Der Araber funkelt mich kurz an, sagt jedoch nichts. Odion klopft ihm unsanft auf die Schulter. “Steh auf.” befiehlt er und Omar leistet dem Befehl mürrisch folge. “Ich bringe ihn zurück in seine Unterkunft.” Ich nicke dem Ägypter zu und verlasse ebenfalls den Raum. Alister und Marik erwarten mich bereits gespannt. “Wie ist es gelaufen?” will der junge Ägypter wissen. “Wie erwartet. Quentin hat Omar den Befehl erteilt Ishizu zu entführen.” erzähle ich knapp und der Rothaarige nickt. Marik dagegen sieht mich etwas verständnislos an. “Ich verstehe immer noch nicht, was du genau bezweckst, Kaiba. Du hast Ishizu doch fortgeschickt…” hebt er im nächsten Moment auch schon an und ich unterbreche ihn mit einer leichten Handbewegung. “Ich erläutere euch die nächsten Schritte sobald Odion zurück ist.” Marik mustert mich einen Augenblick, dann nickt er und Alister wendet sich auch schon wieder seinem Laptop zu. “Hat Bakura sich bei dir gemeldet?” frage ich den Rothaarigen. Einen Moment wirkt er erstaunt, dann schüttelt er den Kopf, sagt jedoch nichts. Ich schweige ebenfalls. In meinem Kopf routiert es. Der erste Schritt ist getan. Dieser Quentin hat genauso reagiert wie ich es geplant habe. Dieses Mal war ich es, der die Schritte des Gegners manipuliert hat, doch ich hüte mich davor zu früh zu triumphieren. Noch habe ich nichts erreicht und nun ist erst einmal warten angesagt. Morgen Abend, frühestens morgen Nachmittag werde ich die nächste Phase einläuten können. Alles andere wäre unglaubwürdig. Bis dahin aber wird der Brite sicher Rücksprache mit seinem Auftraggeber gehalten haben und es steht in der Schwebe ob Grey ebenso auf diesen Köder reinfallen wird wie sein Handlanger. Davon hängt alles weitere ab. “Omar ist wieder sicher untergebracht.” höre ich Odion sagen, der lautlos den Raum betreten hat. Ich nicke dem Ägypter knapp zu. Alister legt seinen Laptop beiseite und alle drei sehen mich erwartungsvoll an. Ich überlege mir meine nächsten Worte genau. “Morgen werden wir Omar einen zweiten Anruf tätigen lassen.” beginne ich nach einer kurzen Pause meine Rede. “Er wird Quentin sagen, dass es ihm gelungen ist, Ishizu in die Hände zu bekommen.” Ich halte kurz inne und zumindest Odion scheint mir folgen zu können. Keiner sagt etwas, aber mir entgeht nicht Mariks fragender Blick. “Ich gehe davon aus, dass Grey es keinesfalls diesem Araber überlassen wird, ein Verhör durchzuführen. Ich vermute, er wird diesen Quentin herschicken. Ich an seiner Stelle würde so handeln.” erläutere ich meinen Plan weiter. Alister mustert mich kurz, dann nickt er scheinbar zustimmend. “Ich vermute weiterhin, dass dieser Quentin die Lokalität für dieses Vorhaben bestimmen wird.” fahre ich fort. Mein Tonfall ist sachlich-nüchtern. Nichts an meiner Stimme verrät wie aufgewühlt ich in Wahrheit innerlich bin. “Ich rechne mit irgendeinem Lagerhaus, etwas außerhalb der Stadt. Er wird Omar sicher genauestens instruieren und sich vermutlich auch absichern.” “Und was ist, wenn dieser Grey es doch nicht glaubt?” will Alister wissen. Ich verziehe leicht den Mund. “Auch daran habe ich gedacht.” entgegne ich, was den Rothaarigen keineswegs zu überraschen scheint. “Wenn er diesen Köder nicht schluckt, dann dürfte er sich dennoch dafür interessieren, was wir damit bezwecken. Also wird er sich auf das Spiel einlassen. So oder so, ich bin mir sicher, dass er jemanden schicken wird. Diesen Quentin oder einen anderen Handlanger, der ihm weitaus näher steht als Omar. Natürlich wird er dann dementsprechende Vorbereitungen treffen und aus diesem Grund habe ich dem Araber gesagt, dass er Ishizu als mögliche Geisel benennen soll.” Alister nickt leicht, doch Marik runzelt nach wie vor die Stirn. “Zum einen stellt Ishizu sicherlich das leichteste Ziel da. Sie zu entführen, dürfte einfacher sein als Odion oder dich.” erkläre ich an den jungen Ägypter gewandt. “Und zum anderen geht auch von ihr weitaus weniger Gefahr aus. Zumindest aus Greys Blickwinkel.” Odion verzieht leicht den Mund und ich komme nicht umhin, den Ägypter anzugrinsen. Vermutlich denken wir das Gleiche. Ishizu ist schließlich keineswegs zu unterschätzen. “Verstehe.” murmelt Alister leise. “Bei Ishizu würde man auch weitaus weniger mit einer Falle rechnen…” Ich nicke. “Das auch.” stimme ich dem Rothaarigen zu. “Aber Ishizu ist doch nicht hier.” wirft Marik verständnislos ein. Ich verschränke die Arme vor der Brust. “Und deshalb wird jemand ihre Rolle spielen müssen.” erkläre ich und alle drei sehen mich nun fragend an. Odion begreift als erster. “Einer von uns soll…” hebt der Ägypter an und ich nicke. “Einer von uns muss sich in Ishizu verwandeln.” spreche ich mein Vorhaben aus und beobachte die Reaktion der Drei. Odions Miene verrät nichts. Er scheint nachzudenken und Marik starrt mich an als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. “Und wer soll diese Rolle übernehmen?” Es ist schließlich Alister, der die entscheidende Frage stellt und mein Blick wandert zu Marik. Die Augen des Ägypters weiten sich. “ICH?” Ich nicke. “Weder Alister noch ich können es tun. Wir würden einer genaueren Betrachtung nicht standhalten.” erkläre ich sachlich. “Und Odion…” Ich räuspere mich leicht. “Aber…” Marik blickt zwischen seinem Bruder und mir hin und her. “Du kannst als Einziger die Rolle glaubhaft verkörpern.” erläutere ich weiter. “Odion wird derweil als einer von Omars Handlangern fungieren. Du wärst also keineswegs alleine, falls dir das Sorgen bereiten sollte.” Der Junge schüttelt schnell den Kopf. “Das ist es nicht.” meint er. “Aber ich als… Frau…” Er verzieht leicht den Mund und ich verstehe nur zu gut. Mir würde der Gedanke auch keineswegs behagen, doch ich habe lange genug über dieses Manöver nachgedacht. Ich kann nicht abschätzen ob Grey mein Vorhaben durchschaut. Die Chancen stehen im Grunde 50:50. Möglich, dass er dem Araber Glauben schenkt und schluckt, dass hier tatsächlich etwas im Gange ist. Doch es ist ebenso möglich, dass er den Plan durchschaut, aber ich bin sicher, dass er in beiden Fällen jemanden schicken würde, um die Angelegenheit zu untersuchen. Gerade als ich noch überlege, wie ich dem Jungen meine Überlegungen begreiflich machen soll, meint Odion trocken: “Du hast auch die hübscheren Beine, Marik.” Der junge Ägypter funkelt seinen Bruder kurz an, doch Odion hält dem Blick gelassen stand. “Ich werde also einen Handlanger dieses Arabers spielen und dabei sein, wenn man Marik zu dem Treffpunkt bringt?” fasst er meinen Plan knapp zusammen. Ich nicke. “Ja. Und wir stehen natürlich mit euch in Verbindung.” entgegne ich und der Ägypter nickt ebenfalls. “Gut.” befindet er und scheint sich mit der Idee arrangiert zu haben. Ich wende mich wieder Marik zu und sehe den Jungen fragend an. Sein Blick ist ernst und ich vermute, dass er innerlich mit sich hadert. “Ich kann dich natürlich nicht dazu zwingen, Marik.” Der Junge blickt mir direkt in die Augen. “Und ich weiß auch, dass es viel verlangt ist. Besonders nachdem man dich…” Ich beende den Satz nicht, doch er versteht auch so, dessen bin ich mir sicher. “Du bist keineswegs verpflichtet mir zu helfen.” Marik seufzt. “Schon gut.” unterbricht er mich. “Ich werde es tun.” Ich nicke ihm dankbar zu. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass ich Recht behalte, was Greys Schritte anbelangt. Auch in Hinblick auf Joey. Kapitel 89: Eröffnung Teil 2 (Grey) ----------------------------------- “Ich hoffe, es ist wichtig.” Mein Tonfall ist ungehalten, aber Quentin verzieht keine Miene. Er schließt lediglich die Tür hinter sich und macht ein paar Schritte auf mich zu. Erst als er kurz vor meinem Schreibtisch steht, öffnet er den Mund. “Ich habe gerade mit Omar telefoniert.” teilt er mir mit und ich deute ihm durch eine unwirsche Geste an, dass er fortfahren soll. “Der Assistent ist tot.” verkündet mein Gegenüber ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und ich spüre wie sich ein Lächeln in meinem Gesicht ausbreitet. “Tatsächlich?” Quentin nickt. “Wie erfreulich.” befinde ich zufrieden und frage mich unwillkürlich wie es dem guten Kaiba nun gehen mag. Haben der Tod von Pegasus und Schröder ihn noch kalt gelassen, so wird dieser keineswegs spurlos an ihm vorüberziehen. Roland war sein Freund. Sein väterlicher Freund, sofern man bei einem Seto Kaiba von dergleichen sprechen kann. Der Tod seines Assistenten dürfte ihn empfindlich getroffen haben und mir bringt er einen weiteren Vorteil ein. Ja, jetzt dürfte Seto Kaiba dabei sein, die wahre Bedeutung von Schmerz kennenzulernen. Und das war erst der Anfang. Wenn ich ihm Joey Wheeler nehme, dann… nur dann wird er wissen, was wahre Qual bedeutet. Und dann ist da ja noch sein geliebter kleiner Bruder… Ich lächele noch immer versonnen bei diesem Gedanken als ich merke, dass Quentin noch immer regungslos vor meinem Tisch steht. “Was noch?” will ich wissen, denn es besteht kein Zweifel, dass er noch weitere Neuigkeiten für mich hat. Mein Sekretär zögert. “Omar meinte, Kaiba wäre dabei irgendetwas zu planen. Etwas Großes, wie es scheint.” berichtet er mir schließlich und an seiner Miene erkenne ich deutlich, dass ihm diese Aussicht keineswegs gefällt. Mich trifft sie allerdings auch etwas unvorbereitet. “Was soll das heißen?” frage ich barsch und zu meiner Überraschung zuckt Quentin kaum merklich mit den Schultern. “Ich weiß es nicht. Omars Informationen waren recht dürftig.” entgegnet er mir trocken. “Der Araber sagt, man rekrutiere Männer und allerlei technisches Gerät würde zum Haus der Isthars geschafft werden.” Einen Moment sehe ich mein Gegenüber verständnislos an. Was hat das zu bedeuten? Was bezweckt Kaiba mit diesem Schachzug? Ich runzele leicht die Stirn. “Joey Wheeler hat Ägypten zusammen mit Mokuba Kaiba verlassen.” fährt Quentin fort als ich nichts entgegne. “Und die Ishtars haben scheinbar Vorkehrungen getroffen, um ihr Haus zu sichern. Omar meint, es bestünde keinerlei Möglichkeit, näher heranzukommen.” Meine Augen weiten sich kurz, dann verengen sie sich zu zwei Schlitzen. “Wir müssen herausfinden, was Kaiba vor hat.” sage ich mehr zu mir selbst als an ihn gewandt. Quentin nickt. “Ich habe bereits alles notwendige veranlasst.” entgegnet er mir sachlich und ich sehe ihn fragend an. “Der Araber sagte, dass vielleicht die Chance bestünde an die Frau, Ishizu Ishtar, heranzukommen. Ich habe ihn daher beauftragt…” “Hat der Araber diesen Vorschlag gemacht?” unterbreche ich ihn harsch. Erneut zögert Quentin. Dann schüttelt er leicht den Kopf. “Es war meine Idee, eine der Personen zu fassen, sofern es keine andere Möglichkeit gäbe, an Informationen zu gelangen. Omar erklärte darauf, dass am ehesten die Frau für ein solches Vorhaben in Frage käme.” antwortet er und ich lege den Zeigefinger an die Lippen. “Hm.” Quentin räuspert sich leicht. “Ich dachte, eine solche Vorgehensweise wäre in ihrem Sinne, Sir. Sie sagten, dass sie über jeden Schritt…” Ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. “Ich weiß was ich sagte.” zische ich ungehalten und Quentins Miene nimmt einen entschuldigenden Ausdruck an. Natürlich interessiere ich mich für jeden Schritt, den Seto Kaiba unternimmt und mit diesem hatte ich keineswegs gerechnet. Andererseits war vielleicht abzusehen, dass der gute Kaiba nicht weiter untätig bleiben würde. Besonders jetzt nicht, wo sein Hündchen ihn verlassen hat. Dennoch will sich mir nicht offenbaren, was er vor haben könnte. Wozu könnte er technische Geräte gebrauchen? Und Männer? Diese Entwicklung beunruhigt mich etwas. Zumal Kaiba seinen kleinen Bruder mit Wheeler hat gehen lassen. Bislang hat er schließlich mehr oder weniger genauso agiert wie ich es gewollt habe. Wie bei einer Marionette habe ich seine Schritte gelenkt. Zumindest im Großen und Ganzen und nun tut er etwas, dass mir beim besten Willen nicht einleuchten will. Aber wenn Kaiba zu diesen Mitteln greift, dann muss er einen Plan haben. Ich wende mich wieder Quentin zu. “Wie bist du mit dem Araber verblieben?” will ich wissen. “Ich sagte, er solle sich melden, wenn es ihm gelungen ist, die Frau in die Finger zu bekommen. Alles weitere wolle ich mit ihnen besprechen.” entgegnet er und ich nicke nachdenklich. Was zum Teufel könnte er nur vorhaben? Ich spüre, wie Unruhe in mir aufsteigt, und es kostet mich Kraft, dieses Gefühl zu unterdrücken, doch jetzt brauche ich mehr denn je einen kühlen Kopf. Falls Kaiba tatsächlich einen Plan hat, dann muss ich herausfinden, was er vor hat. Ich bin zu weit gekommen, um mir jetzt noch einen Strich durch meine Rechnung machen zu lassen, nur weil ich den Jungen unterschätze. Doch ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es irgendetwas gibt, dass mein Vorhaben jetzt noch aufhalten könnte. Die Räder greifen bereits ineinander. Wheeler ist unterwegs in die Staaten und der Dieb wird ebenfalls bald dort sein. Wheeler Senior hat seine Instruktionen und dieser Roland wird mir nicht mehr in die Quere kommen. Was sollte nun also noch schief gehen? Aber ich kann jetzt kein Risiko eingehen. Nicht jetzt, wo ich meinem Ziel so nah bin. Wenn Kaiba wirklich… Der ehemalige CEO hat oft genug bewiesen, dass er einen brillanten Verstand hat und sich mehr als einmal aus gefährlichen Situationen hinaus winden können. So unwahrscheinlich es auch sein mag, es ist nicht auszuschließen, dass er tatsächlich einen Plan hat, auch wenn ich diesen augenblicklich noch nicht zu erkennen vermag. Es wäre töricht mein ganzes Vorhaben zu riskieren, nur weil ich ihn jetzt unterschätze. “Verflucht!” Quentin zuckt leicht als ich mit der Faust auf den Tisch schlage, sagt jedoch nichts. Mit einer Bewegung bin ich auf den Beinen. “Eigentlich wollte ich, dass du den Dieb nach Amerika begleitest. In dem Punkt werde ich nun umdisponieren.” erkläre ich und mein Sekretär nickt nur. “Du wirst dich auf den Weg nach Ägypten machen. Noch bevor sich Omar wieder gemeldet hat. Bereite alles für ein Treffen mit dem Araber vor und mach dir selbst ein Bild von dem, was dort los ist.” Mein Gegenüber nickt. “Wie sie wünschen, Sir.” entgegnet er kühl und wartet scheinbar darauf, dass ich ihn entlasse. Ich nicke leicht mit dem Kopf und er wendet sich um zum gehen. Er hat die Tür bereits offen als mir ein Gedanke kommt. “Warte!” befehle ich meinem Sekretär und er hält in seiner Bewegung inne. Und wenn es sich bei dieser Sache um ein Ablenkungsmanöver handelt? Was, wenn Kaiba mir diese Informationen selbst zugespielt hat? Omar ist nur ein dummer Araber. Ihn zu täuschen wäre sicher ein leichtes. Gut möglich, dass Kaiba mich auf diesem Wege zum handeln bewegen will. Doch welchen Vorteil sollte ihm das bringen? Wovon würde er mich ablenken wollen? “Sir?” Quentin sieht mich fragend an und ich überlege. “Falls es Omar nicht gelingen sollte, an diese Frau oder jemand anderen aus Kaiba´s Umkreis heranzukommen, dann wirst du diese Aufgabe übernehmen.” erkläre ich und mein Tonfall ist schneidend scharf. “Was auch immer er vorhat, ich will es wissen. Koste es was es wolle, verstanden?” Quentin nickt. “Natürlich, Sir.” entgegnet er ruhig. “Ich werde ich um alles kümmern.” Ich nicke und er lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Einen Moment stehe ich regungslos da. Dann fällt mein Blick auf das Bild von John. Fast automatisch greife ich danach und das Lächeln der Abbildung versetzt mir einen Stich. Nein, ich bin viel zu weit gekommen, um jetzt alles zu riskieren. Ich habe Rache geschworen und die werde ich bekommen, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass es mich keineswegs so befriedigen wird, Seto Kaiba am Boden zu sehen, wie ich es mir erhoffen. Sein Untergang wird die Leere in mir nicht füllen und auch den Schmerz nicht vertreiben können. Das steht außer Frage. Doch dieser lllusion habe ich mich noch nie hingegeben. Nichts wird den Schmerz in mir je stillen können. Absolut gar nichts in dieser Welt vermag die Lücke zu füllen, die John hinterlassen hat. Aber es wird mir Genugtum verschaffen, den Jungen büßen zu lassen, der es vermocht hätte, John zu helfen. Unwillkürlich muss ich wieder an jene Szene denken, als John Gozaburo Kaiba´s Adoptivsohn um Hilfe bat. Und an die kalten, harten Augen des Jungen. Ich frage mich, wie diese Augen wohl jetzt blicken. Wie sie blicken werden, wenn er die Aufnahme sieht, welche die letzten Stunden seines Liebsten zeigen werden? Ich bin sicher, dass der Dieb hervorragende Arbeit leisten wird. Allerdings behagt es mir nicht wirklich, dass ich ihn nun mit meiner Nummer zwei losschicken muss. Es wäre mir lieber gewesen, wenn Quentin den Grauhaarigen im Auge behalten hätte. Nicht, dass ich mir in Bezug auf Bakura Sorgen machen würde. Es ist eindeutig, wie viel ihm an dem kleinen Ryou liegt und ich bin sicher, dass er den Jungen keineswegs gefährden möchte. Zudem habe ich an alles gedacht. Der Dieb wird es nicht wagen Kontakt mit Kaiba oder Wheeler aufzunehmen. Sein Handy habe ich in Verwahrung genommen und meine Männer haben auch ein Auge auf ihn. Ich bin sicher, dass Bakura keineswegs so töricht sein wird, ein Risiko einzugehen. Was auch immer genau zwischen Kaiba und ihm ist, dieser Ryou ist ihm weitaus wichtiger und Wheeler… Ich verziehe spöttisch den Mund. Mit der Beseitigung von Kaibas Hündchen scheint der Dieb keine großen Probleme zu haben. Nein, was diesen Teil meines Vorhabens betrifft, dürfte es in der Tat keinerlei Überraschungen geben. Trotzdem wäre hätte ich Quentin in diesem Fall lieber in den Staaten gewusst, aber Dante wird die Aufgabe ebenso gut meistern. Und der Dieb weiß schließlich was geschieht, wenn er sich nicht an meine Instruktionen hält. Kurz gehe ich noch einmal mein Gespräch mit dem Weißhaarigen durch. Sein Flieger müsste bald gehen. Augenblicklich befindet er sich in seinem Hotel. Dante ist bereits bei ihm. Bleibt mir nur noch übrig, Nr. 2 über die Planänderung zu unterrichten. Ich spüre wie ich mich wieder etwas entspanne. Warum sollte ich mir auch Sorgen machen? Gleichgültig was Kaiba in Ägypten treibt, es wird ihm nichts nützen. Die Zahnräder haben sich zu drehen begonnen und nichts wird sie mehr aufhalten können. Lächelnd schenke ich mir ein Glas Cognac ein als das Handy auf meinem Schreibtisch klingelt. Scheinbar versucht jemand den Dieb zu erreichen. Mein Blick wandert zu dem Display. Unbekannte Nummer. Einen Moment überlege ich ob es klug wäre, das Gespräch entgegenzunehmen. Dann ist meine Entscheidung gefallen und ich habe das Handy auch schon in meiner Hand. “Bakura?” Ich erkenne die Stimme am anderen Ende der Leitung sofort und ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. “Bedaure, mein lieber Kaiba, der Dieb ist augenblicklich nicht zu sprechen!” erkläre ich und höre wie er am anderen Ende scharf die Luft einzieht, dann presst er ein scharfes: “Grey” hervor. “Höchstpersönlich.” entgegne ich lässig und warte auf seine Erwiderung. Kapitel 90: Eröffnung Teil 3 (Bakura) ------------------------------------- Hallo, ihr Lieben, schön, dass ihr die Story weiter verfolgt. Wie ihr sicher merkt geht es in die heiße Phase. Der Showdown ist nicht mehr allzu fern, auch wenn ich noch nicht sagen kann, wie viele Kapitel es noch werden. Die drei Eröffnungs-Kapitel sind mehr oder weniger als Zwischenspiele gedacht. In den nächsten Kapiteln wird es dann wieder wieder actionreicher und teilweise auch sehr böse. Lasst euch überraschen! Viel Spaß weiterhin! “Der Flieger geht in zwei Stunden.” teilt mir der Gorilla mit und ich zucke gleichgültig mit den Schultern. “Das heißt, so lange heißt es Däumchen drehen, was?” entgegne ich mit einem spöttischen Grinsen, doch der Mann in dem schwarzen Anzug zeigt keinerlei Regung. Ich seufze theatralisch und werfe mich auf das schäbige Hotelbett. Greys Handlanger mustert mich einen Moment unschlüssig, dann sieht er sich im Zimmer um und ich lache trocken auf. “Setz dich ruhig, Kollege.” fordere ich ihn lässig auf, rechne aber nicht wirklich damit, dass er es tun wird. Anstatt einer Erwiderung, schreitet er auf die Tür zu dem kleinen Bad zu und ich verdrehe unwillkürlich die Augen. Der Gorilla inspiziert kurz den winzigen Raum, wendet sich dann dem Fenster zu und ich richte mich etwas auf. “Keine Sorge, ich habe nicht vor abzuhauen.” Ich zwinkere ihm fröhlich zu, was mir einen missbilligenden Blick einbringt. “Ich warte vor der Tür.” befindet er und ich quittiere seine Ansage mit einem Achselzucken. “Mach nur, wenn du das als bequemer erachtest.” entgegne ich und setze mich auf. “Ich werde erst mal unter die Dusche springen und dann ein Schläfchen machen, wenn´s genehm ist.” Einen Augenblick scheint der Mann, Dante, zu überlegen und ich vermute, dass er sich Greys Anweisungen ins Gedächtnis ruft. Dann nickt er und verlässt den Raum. Natürlich nicht ohne vorher den Schlüssel abzuziehen. Ich schüttele verächtlich den Kopf. Als ob mich dieses Schloss oder die Tatsache, dass wir uns im zweiten Stock befinden, davon abhalten könnten das Weite zu suchen. Lächerlich. Mit einem Ruck bin ich wieder auf den Beinen und werfe einen Blick aus dem kleinen Fenster. Wie ich es mir dachte. Vor dem Hotel hat ein Wagen Position bezogen und behält das Gebäude von außen im Auge. Natürlich stellt auch das keine wirkliche Herausforderung dar, aber ich gedenke ja auch nicht wirklich abzuhauen. Es würde ohnehin nichts bringen. Ryou befindet sich nach wie vor in den Händen dieses Verrückten und Grey hat sich klar ausgedrückt. Ohnehin waren seine Instruktionen sehr präzise. Der Typ hat scheinbar an alles gedacht. So war es auch keinerlei Überraschung für mich, dass ich ihm mein Handy überlassen sollte. Ich hoffe nur, dass Duke meine Nachricht verstanden hat und nicht auf die wahnwitzige Idee kommt, zusammen mit dem Kindergarten irgendeine kopflose Aktion zu starten. Aber wie ich meinen Kater kenne, wird er meine Worte schon zu deuten gewusst haben. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und überlege, wie ich nun am Besten vorgehen soll. Im Grunde steht mein Plan bereits. Fakt ist, dass es keinesfalls in Frage kommt, Kontakt mit Kaiba oder gar Wheeler aufzunehmen. Selbst wenn ich ihnen die jüngsten Entwicklungen mitteile, wird das Konsequenzen haben. Konsequenzen für Ryou und dieses Risiko bin ich nicht bereit einzugehen. Nein, für diese Nummer hier muss ich tief in die Trickkiste greifen. Noch während ich über meine Strategie nachdenke, öffne ich die Minibar und genehmige mir erst einmal etwas von dem billigen Fussel, den sie hier im Angebot haben. Dann greife ich in meine Tasche und ziehe das Handy heraus, dass ich eben einem anderen Gast in der Lobby entwendet habe. Scheint, als habe Grey doch nicht alles bedacht. Vergnügt leere ich mein Glas und begebe mich dann in das kleine Badezimmer. Ich drehe den Wasserhahn auf und tippe schnell Duke´s Nummer ein. Es läutet dreimal, dann hebt der Kater ab und meldet sich mit unsicherer Stimme. “Ich bin´s.” erkläre ich leise und hoffe, dass er mich trotz des Wasserrauschens verstehen kann. Ich höre, wie er erleichtert aufatmet und rechne damit, dass er mir allerhand Fragen an den Kopf wirft, doch ich lasse ihn gar nicht so weit kommen. “Ich kann nicht lange reden, also hör mir genau zu.” fordere ich ihn auf und der Kater schaltet sofort. Er entgegnet nichts. “Kein Wort zu Kaiba oder sonst jemandem, sonst ist Ryou dran. Du kennst doch sicher jemanden in den Staaten. Ich brauche ein Lagerhaus und jemanden, der annähernd Alister ersetzen kann und das so schnell wie möglich.” erkläre ich knapp. “Ruf mich keinesfalls über diese Nummer zurück. Ich melde mich wieder sobald ich kann.” Ich weiß, dass ihm unzählige Fragen auf der Zunge liegen, aber Duke ist nicht dumm. Er beschränkt sich auf das Wesentliche. “Ich kümmere mich darum.” meint er knapp und mir entgeht keinesfalls sein besorgter Tonfall. “Was hast du…” Ich unterbreche ihn barsch. “Ich habe einen Plan. Vertrau mir einfach.” sage ich und beende das Gespräch, noch bevor er etwas erwidern kann. Dann lege ich das Handy beiseite und ziehe mich aus. Als ich wieder das andere Zimmer betrete, bin ich nicht wirklich überrascht den Gorilla vorzufinden. „Wurde wohl doch etwas zu unbequem vor der Tür, was?” frage ich während ich meine Haar trocken rubbele. Der Mann übergeht meine Frage und mustert mich kurz. “Ich werde sie in die Staaten begleiten.” teilt er mir stattdessen mit. “Wir werden in einer halben Stunde aufbrechen.” Ich erwidere nichts, packe mir nur meine Tasche und befördere sie auf das Bett. Grey hatte mir mitgeteilt, dass ein Typ namens Quentin mein Reisebegleiter oder vielmehr mein Aufseher sein würde. Demnach scheint sich etwas an seiner Planung geändert zu haben und ich frage mich insgeheim was. Für mein Vorhaben hat dieser Wechsel jedoch keine weitere Bedeutung. Im Gegenteil. Aus dem Augenwinkel mustere ich kurz den Gorilla, der mich seinerseits beobachtet. Dem Akzent nach zu urteilen, ist der Mann Amerikaner. Vermutlich ein ehemaliger Soldat, zumindest würde ich das anhand seiner Bewegungen schließen. “Ich hoffe, dein Boss hat dir gesagt, dass ich in den Staaten einiges an Spielzeug brauchen werde.” Dante nickt. “Dafür wird gesorgt werden.” entgegnet er knapp und ich seufze. “Bei Ra, entspann dich etwas, Kumpel. Wir beide sind jetzt so was wie Partner.” sage ich mit süffisantem Grinsen. “Also könntest du ruhig weniger einsilbig sein.” Seine Augen weiten sich kaum merklich, doch er entgegnet nichts. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern und widme mich wieder meinem Gepäck. “Was wird eigentlich aus meinen Sachen?” frage ich über die Schulter gewandt. “Ich würde mein Zeug ungern hier lassen…” Dante antwortet nicht gleich. “Die Sachen werden sicher verwahrt werden.” meint er nach kurzem Überlegen und ich nicke. Es dauert nicht lange und ich habe das Nötigste für meine Reise gepackt. Den Rest verstaue ich in einer anderen Tasche und lasse mich dann auf dem abgenutzten Bett nieder. Der Gorilla beobachtet mich mit Argusaugen. Lässig zünde ich mir eine Zigarette an. „Tja, wir beide werden wohl eine Menge Spaß zusammen haben.” bemerke ich grinsend und er verzieht leicht den Mund. “Dein Boss hat dir ja hoffentlich gesagt, dass ich diese Aktion leiten werde. Du darfst mir nur auf die Finger sehen.” Seine Lippen werden zu einer schmalen Linie und ich verdrehe die Augen. “Herrje, da waren ja selbst die Eunuchen gesprächiger als du.” tadele ich ihn mit gespieltem Missfallen und er wirft einen Blick auf die Uhr. In Gedanken gehe ich noch einmal meinen Plan durch. Ich bin sicher, dass es Duke gelingen wird, mir ein hübsches Lagerhaus zu besorgen. Das dürfte bei seinen Beziehungen kein Problem sein. Was den Ersatz für Alister anbelangt… Nun, ich kann nur hoffen, dass die Verbindungen des Katers so gut sind, wie er immer sagt. An Wheeler heranzukommen, dürfte die geringste Schwierigkeit darstellen. Ich weiß wo ich ihn finde und auch wie ich in das Gebäude gelange. Und was alles weitere anbelangt… Ich werde wohl improvisieren müssen. Im Grunde wäre es das Leichteste einfach zu tun, was Grey will. Auf jeden Fall wäre dieser Weg mit weitaus weniger Schwierigkeiten verbunden. Es ist ja nicht so, dass ich Skrupel hätte, das Hündchen kalt zu machen. Das nun beileibe nicht und in der Tat wäre es die einfachste Lösung. Zumindest, wenn ich Grey in Hinblick auf Ryou vertrauen kann. Seltsamerweise bin ich mir sogar sicher, dass der Irre die Wahrheit gesagt hat als er meinte, dass er keinen Groll gegen Ryou oder mich hegen würde. Ja, ich glaube sogar fast, dass er sein Wort halten würde. Dennoch denke ich nicht daran, ihm in die Hände zu spielen. Zum einen, weil ich mir ausrechnen kann, was los ist, wenn ich Wheeler tatsächlich eine meiner Spezialbehandlungen verpasse. So wie die Dinge zwischen ihm und Kaiba liegen, wäre nicht auszudenken, was der Eisklotz unternehmen würde. Von dem Rest des Kindergartens ganz zu schweigen und wie ich Ryou kenne, würde ihm solch eine Vorgehensweise auch alles andere als gefallen. Ja, aus seiner Sicht wäre Wheeler´s Ableben definitiv der falsche Weg. Und der Kater wäre auch nicht gerade begeistert. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich nicht den einfachen Weg zu wählen gedenke. Zumindest nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Ich lasse mich nicht zu einer Marionette degradieren. Ich bin der König der Diebe, Herr über das Schattenreich und mich erpresst man nicht!! Und man vergreift sich auch nicht an Ryou, um mich zu manipulieren. Das allein kann ich Grey schon nicht durchgehen lassen. Und dann ist da noch dieses merkwürdige Gefühl Kaiba gegenüber, dass ich die ganze Zeit zu verdrängen versuche. Ich habe ihm mein Wort gegeben, auf das Hündchen aufzupassen. Gut, die Abmachung bezog sich nur auf unseren Einsatz bei Siegfried und so gesehen würde ich mein Wort auch nicht brechen. Trotzdem fühle ich mich nach wie vor in der Pflicht. Etwas, dass gänzlich neu für mich ist und eigentlich auch jeglicher Logik entbehrt. „Du hast dich in Kaiba verliebt. Alleine das spricht..." höre ich den Kater wieder sagen und verziehe den Mund.   Unwillkürlich muss ich wieder an Seth denken und sofort zieht sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Ich weiß, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen verliert und ich weiß, was Kaiba fühlen würde, wenn Wheeler etwas zustoßen würde. Und aus irgendeinem Grund will ich nicht, dass er dieses Gefühl kennenlernt. Bei Ra, dieser verbohrte Eisklotz ist schließlich gerade erst dabei seine Gefühle zu entdecken. „Fuck, werd jetzt bloß nicht sentimental, Bakura!“ sage ich zu mir selbst und versuche meine Gedanken wieder auf das Wesentliche zu beschränken. Drei Zigaretten später vernehme ich wieder die Stimme meines ungewollten Partners. „Es wird Zeit.“ erklärt er und sieht mich erwartungsvoll an. Ich erhebe mich gemächlich von dem Bett und gähne herzhaft. „Na dann.“ Ich greife zu Jacke und Tasche und wende mich wieder dem Gorilla zu. Wortlos nimmt er die andere Tasche vom Bett und ist im nächsten Augenblick auch schon an der Tür. Ich folge ihm langsam zur Treppe. In der Lobby erklärt er mir, dass mein Zimmer bereits bezahlt ist und ich grinse nur. Der Wagen wartet bereits vor dem Hotel. Dante öffnet mir die hintere Tür und ich schenke ihm ein amüsiertes Lächeln. „Ein wahrer Gentleman, was?“ Er erwidert nichts, wartet lediglich bis ich eingestiegen bin und lässt die Tür ins Schloss fallen. Die zweite Tasche wird im Kofferraum verstaut und schon sind wir unterwegs in Richtung Flughafen. Mein Blick wandert kurz zu dem Armaturenbrett und überschlage die Zeit. Der Flug wird eine Weile dauern. Zeit genug für Duke alles in die Wege zu leiten. Bleibt nur die Frage, wie ich erneut Kontakt mit ihm aufnehme. Der Gorilla begleitet mich schließlich wie ein Schatten. Nun, am New Yorker Airport werde ich mir erst einmal ein neues Handy besorgen müssen. Bis dahin kann ich ohnehin nichts tun. Grey hat mir für die Operation 48 Stunden gegeben. Die Zeit läuft also sobald ich in New York bin. Eigentlich ein recht breites Zeitfenster angesichts dieser simplen Operation. Wheeler dürfte zuhause sein. Erneut frage ich mich, warum der Blonde mit Mokuba und ohne Kaiba Ägypten verlassen hat und spiele sogar für einen Moment mit dem Gedanken, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, den Brünetten zu kontaktieren. Aber ich verwerfe den Gedanken schnell wieder. Wozu Kaiba unnötig alarmieren? Zumal ich mir ohnehin denken kann, was er sagen würde. Sofort sehe ich den ehemaligen Firmenchef vor mir. Jede Faser seines Körpers gespannt, vollkommen Haltung, die Arme vor der Brust verschränkt. Und seine Augen... Diesen Blick. Feuer, tief verborgen unter Eis. Genau wie bei Seth. Nein, ähnlich. Augen, denen man sich nicht entziehen kann. „Bei Ra, ich mag eine Schwäche für Kaiba haben, aber ich bin nicht... verliebt in ihn!“ sage ich zu mir selbst und vernehme fast sofort eine kleine Stimme in meinem Kopf: „Aber wenn du an ihn denkst, fängst du dann nicht an zu zittern? Schlägt dein Herz nicht schneller ohne, dass du es willst? Ist das nicht verliebt sein? So verliebt, dass du dir das Herz herausreißen möchtest...?“ Unwirsch verschränke ich die Arme hinter der Brust. Hoffentlich kann ich im Flugzeug schlafen. Ich will nicht weiter darüber nachdenken. Weder über Kaiba, noch Wheeler und auch nicht über Ryou. Mein Plan steht und ich werde ihn durchziehen und das hat nichts mit meinen Gefühlen Kaiba gegenüber zu tun. Denn wenn ich vor die Wahl gestellt werde, Ryou oder Wheeler, dann werde ich nicht lange überlegen müssen. Kapitel 91: Unangenehme Überraschung ------------------------------------ „Meinst du Seto hat mit seiner Vermutung Recht, Joey?“ Die großen Kulleraugen blicken mich fragend an. „Wann hatte dein Bruder schon mal Unrecht?“ entgegne ich und Mokuba grinst. „Sehr selten.“ erwidert er und ich nicke. „Er hat auf jeden Fall einen Plan und ich bin sicher, dass er weiß was er tut.“ Mokuba´s nächste Frage überrascht mich. „Er wollte uns aus der Schusslinie haben, oder?“ will er wissen und betrachtet mich eingehend. Der Kleine ist wirklich ein schlaues Köpfchen. Ich nicke. „Ja, ich denke, das hat auch eine Rolle gespielt, warum er wollte, dass wir zurück in die Staaten fliegen.“ stimme ich zu. „So kann er sich ganz auf sein Vorhaben konzentrieren und muss sich keine Sorgen um dich machen.“ Der Schwarzhaarige grinst. „Um uns.“ verbessert er mich und ich grinse ebenfalls. Schon während des Fluges habe ich darüber nachgedacht, warum Seto wollte, dass wir zurückfliegen. Hätte ich nicht auf seine Veranlassung hin, Jack angerufen, würden wir von dieser vermeintlichen Erpressung nichts wissen. Folglich wäre ich bei ihm geblieben. Mokuba ebenso. Gut, noch hat mein Vater sich auch noch nicht mit dem Erpresser getroffen. Danach hätte er sich wohl von selbst bei mir gemeldet. Nein, bei genauerer Betrachtung war diese Entwicklung für Seto´s Plan wohl ein Gewinn. Ich bezweifle nämlich, dass Mokuba und ich ihn verlassen hätten, wenn er es gewünscht hätte. Ich hätte auf jeden Fall protestiert und sein Bruder ebenso. Und es steht außer Frage, dass er uns aus der Schusslinie haben wollte. Was Mokuba anbelangt, kann ich ihn sogar verstehen. Schon einmal haben Grey´s Handlanger schließlich versucht, den Kleinen zu töten und nach dem Anschlag auf Roland... Trotzdem ist es mir nicht leicht gefallen, ihn zurück zu lassen, um nun hier zu sein und Däumchen zu drehen. Denn mehr kann ich momentan ja nicht tun. „Wann trifft sich dein Dad mit dem Mann?“ Mokuba´s Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke auf die Uhr. „Heute Abend, um sieben.“ antworte ich und der Kleine sieht mich ernst an. „Denkst du, es ist wirklich so gut, wenn er das macht? Vielleicht wollen diese Leute was ganz anderes?“ fragt er weiter. Ich seufze. „Ich weiß es nicht, Mokuba.“ gebe ich zu. „Aber so wie die Dinge liegen, haben wir keine große Wahl. Wenn diese Bilder in die falschen Hände gelangen, dann wird man nach mir fahnden und...“ Mokuba nickt. „Ja, ich weiß, aber ich will nicht, dass deinem Dad etwas zustößt.“ unterbricht er mich und ich lege ihm die Hand auf die Schulter. „Keine Sorge, Mokuba.“ entgegne ich und bemühe mich zuversichtlich zu klingen. „Jack hat Vorkehrungen getroffen und Jackson wird ein Auge auf ihn haben. Und ich glaube auch nicht, dass man ihm etwas antun will. Ich denke, dein Bruder hat Recht, man will auf diesem Wege nur einen Keil zwischen uns treiben.“ Einen Moment sieht er mich abschätzend an, dann nickt er, sagt jedoch nichts. „Hey, wir sollten positiv denken!“ erkläre ich und wuschele ihm kurz durch´s Haar. „Dein Bruder ist ein Genie und er hat endlich eine Strategie entwickelt, zurückzuschlagen. Dieser Grey sollte sich also warm anziehen, denn Seto Kaiba ist zurück. Du weißt was das heißt?!“ Ich zwinkere ihm vielsagend zu und er lacht. „Du hast sicher Recht.“ meint er und klingt nun schon ein klein wenig fröhlicher. „Mein Bruder wird es diesem Penner schon zeigen!“ Ich nicke und frage mich zugleich, was ich nun tun könnte. Jack ist im Büro. Für heute Abend hat Jackson sämtliche Vorkehrungen getroffen und dabei deutlich gemacht, dass ich mich aus der Sache raus halten soll, was ich einerseits zwar verstehe, mir andererseits jedoch nicht unbedingt behagt. “Kümmer dich einfach um Mokuba, Joey. Der Junge braucht dich jetzt. Er mag ja schon recht erwachsen sein für sein Alter, aber hat in der letzten Zeit eine Menge durchgemacht und auch wenn er sich noch so sehr bemüht stark zu sein, er ist nicht Seto. Er braucht jetzt jemanden an seiner Seite und sein Bruder ist nicht hier.“ Ich lächele als mir Jack´s Worte wieder in den Sinn kommen. Natürlich hat er Recht. Das Beste was ich augenblicklich tun kann, ist für Mokuba da zu sein. Gleichgültig wie sehr sich der Kleine auch bemühen mag, stark zu sein, in den letzten Wochen hatte er eine Menge einzustecken und keine wirkliche Gelegenheit sich einmal fallen zu lassen. Und auch jetzt ist eigentlich nicht die Zeit dazu, aber was ich tun kann ist, zu versuchen ihn auf andere Gedanken zu bringen. Ich bin sicher, dass dies auch in Seto´s Sinne wäre. Und es lenkt mich gleichzeitig von meinen eigenen Gedanken ab. Und als könne er meine Gedanken lesen, fragt Mokuba plötzlich: „Was machen wir jetzt?“ Ich grinse. „Also, ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber der Flug hat mich ziemlich geschlaucht und ich habe wahnsinnige Lust auf einen Chiliburger. Nichts gegen Ishizus Kochkünste, aber ein Chiliburger lässt sich durch nichts ersetzen.“ entgegne ich und der Kleine lacht. „Oder eine Pizza.“ wirft er ein. Ich nicke. „Ja, Pizza ist auch essentiell.“ stimme ich zu. „Schätze, du hattest schon länger keine mehr, was?“ Sein Gesicht spricht Bände. „Na, dann wäre das ja entschieden.“ meine ich. „Wir lassen uns was zu essen kommen und beziehen Stellung auf der Couch. Falls was passiert, sind wir jederzeit erreichbar und eine Verschnaufpause haben wir uns verdient, oder?“ Mokuba grinst. „Und einen Film?“ fragt er und jetzt weiß ich, warum diese großen Kulleraugen sogar Seto Kaiba schwach werden lassen. Ich nicke. „Das versteht sich von selbst!“ entgegne ich und lege nachdenklich den Finger an den Mund. „Hm... was brauchen wir noch? Ach ja. Decken, Popcorn und jede Menge Cherry-Coke. Du schnappst Dir die Decken und ziehst die Couch aus, ich rufe beim Lieferdienst an und mache Popcorn. Ok?“ Sofort ist er auf den Beinen und auf dem Weg zum Sofa. Ich blicke ihm kurz nach, dann mache ich mich auf den Weg in die Küche und greife mir das Telefon. Die Bestellung ist schnell aufgegeben und mein knurrender Magen dankbar, dass man mir versichert, ich müsse nicht lange warten. „Welchen Film willst du sehen, Joey?“ ruft Mokuba mir aus dem Wohnzimmer zu. „Keine Ahnung, such was raus.“ entgegne ich und stelle einen Topf auf, um Popcorn zu machen. Natürlich ist der Kleine vor mir mit seinen Aufgaben fertig und steckt seinen Kopf in die Küche. „Bin gleich soweit.“ sage ich. „Was hast du für einen Film ausgesucht?“ Er grinst. „Einen Action- und einen Horrorfilm. Du darfst entscheiden, welchen wir zuerst sehen.“ Ich überlege kurz. „Altersfreigabe?“ frage ich dann und in den dunklen Augen blitzt es spitzbübisch auf. Ich seufze. „Aber verrate es nicht deinem Bruder, sonst bin ich direkt nach Grey dran.“ Er nickt eifrig. „Das bleibt unser Geheimnis, Joey.“ Er zwinkert mir tatsächlich zu. „Gut.“ befinde ich und lache. „Hol schon mal die Coke und Gläser. Ich komme gleich.“ Fünf Minuten später sitzen wir auf dem Sofa und der Film fängt an. Mokuba´s Blick ist gebannt auf den großen Bildschirm gerichtet und ich mustere ihn von der Seite. Augenblicklich wirkt er entspannt. Nichts an ihm erinnert, dass er vor ein paar Tagen noch in Lebensgefahr schwebte oder er mit Tränen in den Augen an Roland´s Bett saß und ich bin sicher, dass ihm diese kleine Flucht aus der Realität gut tut. Ich weiß, dass er seine Sorge um seinen Bruder nicht gänzlich ablegen kann, aber ich hoffe dass er zumindest für kurze Zeit die dunklen Wolken vergisst, die noch immer über uns allen hängen. Als es an der Tür klingelt scheint er es nicht einmal zu hören. „Das wird unser Essen sein.“ sage ich und stehe auf. Er gibt nur ein leises „Hm“ von sich und ich muss unwillkürlich lächeln. Der Film hat ihn scheinbar gefangen genommen. Immer noch lächelnd gehe ich zur Tür und nehme unser Essen entgegen. Mokuba bekommt von all dem nichts mit und erst als ich ihm seine Pizza hinstelle blickt er kurz auf. Ich habe meinen Burger noch nicht ganz gegessen als mein Handy klingelt. Auf dem Display steht eine mir unbekannte Nummer. Ich stelle mein Essen beiseite und gehe aus dem Wohnzimmer rüber zur Küche. „Wheeler.“ melde ich mich und stelle fest, dass sich mein Puls beschleunigt hat. Es dauert einen Moment bis ich eine Antwort erhalte. „Na, Hündchen, wie ist die Lage?“ fragt eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. „Bakura?!“ frage ich irritiert nach und sein Lachen ist eigentlich Antwort genug. „Der Kandidat hat 100 Punkte.“ entgegnet er gewohnt lässig. „Ist etwas passiert?“ frage ich besorgt und mein Herzschlag setzt für einen Moment aus. „Wo bist du? Ich meine, was ist...“ Er fällt mir ruhig ins Wort. „Entspann dich, Kleiner, es ist alles in Ordnung.“ meint er und ich atme erst einmal erleichtert auf. Dann runzele ich die Stirn. „Was ist los?“ will ich wissen und höre ein genervtes Seufzen in der Leitung. „Bei Ra, komm wieder runter. Kein Grund zur Panik. Es gibt nur eine kleine Planänderung.“ meint Bakura harsch. „Was für eine Planänderung? Was ist mit Seto?“ frage ich weiter nach und höre wie er ungehalten die Luft einzieht. „Wir müssen uns treffen.“ entgegnet der Dieb jedoch ohne auf meine Fragen einzugehen. „Kannst du in einer halben Stunde im Central Garden sein?“ will er stattdessen wissen und ich habe nicht die geringste Ahnung was das zu bedeuten hat. „Ja.“ entgegne ich ein wenig überrumpelt. „Sicher, aber was ist denn...“ Wieder unterbricht er mich. „Das erzähle ich dir dann schon genau.“ sagt der Dieb und an seinem Tonfall erkenne ich deutlich, dass es keinen Sinn macht, nachzuhaken. Was auch immer los ist, er wird es nicht am Telefon mit mir besprechen. „Du kannst auch gerne zu mir kommen.“ meine ich, rechne aber schon fast damit, dass er diesen Vorschlag ausschlagen wird. „In einer halben Stunde. Südtor.“ entgegnet er nur und dann ist das Gespräch auch beendet. Unschlüssig stehe ich in der Küche. Bakura sollte in Japan sein. Was zum Teufel macht er jetzt hier? Und wozu diese Geheimnistuerei? Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, Seto anzurufen. Wenn jemand den Plan geändert hat, dann ja wohl er, oder? Aber warum hat er mich dann nicht selbst davon in Kenntnis gesetzt? „Mokuba, ich muss nochmal kurz weg.“ Der Schwarzhaarige blickt kurz vom Bildschirm auf und sieht mich fragend an. „Ich muss nur kurz was für Jack erledigen. Wird nicht lange dauern.“ erkläre ich ihm und seine Züge entspannen sich wieder. „Du kommst solange klar?“ will ich wissen, was mir einen leicht spöttischen Blick einbringt, der der Familie Kaiba alle Ehre macht. Ich grinse. „Schon gut.“ entgegne ich schnell. „Ich beeile mich. Lass mir noch etwas Popcorn übrig.“ Sein Blick ist wieder auf den Bildschirm gerichtet als ich mir meine Jacke und die Schlüssel schnappe und die Wohnung verlasse. Im Fahrstuhl frage ich mich selbst, warum ich den Jungen angelogen habe. Die Antwort ist leicht. Ich wollte ihn nicht beunruhigen. Doch ich selbst bin alles andere als ruhig. Seto hat zwar zu verstehen gegeben, dass er dem Dieb vertraut, aber mein Vertrauen in den Dieb ist bei weitem nicht so groß. Warum zum Teufel ist er hier? Ich kann mir keinerlei Reim darauf machen. Irgendetwas muss aber passiert sein. Die Frage ist allerdings was. Ich habe den Wagen gerade gestartet als mir der Gedanke kommt, dass es vielleicht keine so gute Idee ist, allein loszufahren. Ich habe schließlich nicht einmal eine Nachricht hinterlassen. Vielleicht sollte ich Seto doch schnell anrufen? Oder zumindest Jack. Andererseits... Seto vertraut Bakura. Ich werfe meine Bedenken über Bord und fahre los. Während der Fahrt wandert mein Blick immer wieder zum Armaturenbrett und zu der kleinen Uhr. Eine halbe Stunde werde ich wohl kaum brauchen. Augenblicklich läuft der Verkehr recht flüssig, aber ich schätze, dass der Dieb ohnehin vor mir am Treffpunkt sein wird. Erneut frage ich mich, was das Ganze soll. Gut, diese Geheimniskrämerei passt durchaus zu Bakura, der Weißhaarige steht auf solche Spielchen, wie ich nur zu gut weiß, trotzdem erklärt das nicht den Sinn und Zweck. Doch ich vermute, dass ich diesen bald erfahren werde. Ich parke den Wagen in einer Seitenstraße, werfe noch einmal einen Blick auf die Uhr und begebe mich dann in Richtung Südtor. Es ist noch hell und da die Sonne scheint, tummeln sich noch immer viele Menschen auf der Straße. Im Park wird es ähnlich sein. Bei diesem Wetter zieht es jeden, der nicht arbeiten muss und die Möglichkeit hat, in den Park. So gesehen ein unverfänglicher Treffpunkt. An meinem Ziel angekommen, sehe ich mich erst einmal um. Von Bakura ist weit und breit nichts zu erkennen und als ich meinen Blick so über das Gelände schweifen lasse, frage mich mich erneut, was die Nummer hier zu bedeuten hat. Gut möglich, dass es sich lediglich um eines der verrückten Spielchen handelt, die der Weißhaarige so gerne treibt. Wenn wirklich etwas passiert wäre, hätte sich Seto schließlich bei mir gemeldet. Oder Roland. Oder Odion. Es sei denn natürlich... Ich schüttele den Kopf und verwerfe den Gedanken schnell. „Früher warst du nie so pünktlich.“ bemerkt eine spöttische Stimme hinter mir und ich fahre herum. Der Dieb grinst mich vergnügt an. Ich quittiere seinen Blick etwas giftig. „Was soll das Ganze?“ will ich ungehalten wissen und Bakura verdreht die Augen. „Schon mal was davon gehört, dass Geduld eine Tugend ist, Wheeler?“ fragt er und ich gebe ein trockenes Lachen von mir. „Bist du neuerdings der Experte in Sachen Tugend?“ gebe ich verächtlich zurück, aber den Dieb scheint mein kleiner Konter nicht weiter zu rühren. Er bedenkt mich mit einem spöttischen Blick und ich verspüre unwillkürlich den Drang, ihm an die Gurgel zu gehen. Aber solch eine Aktion würde gerade hier für viel zu viel Aufsehen sorgen. „Also was ist jetzt?“ frage ich erneut und hoffe für den Dieb, dass er endlich zur Sache kommt, ehe ich doch noch meine guten Manieren vergesse. „Wir werden jetzt einen kleinen Ausflug machen.“ entgegnet er ruhig und ich starre ihn erstaunt an. „WAS?“ entfährt es mir. Bakura nickt langsam. „Ein Ausflug, Wheeler. Eine Spazierfahrt.“ sagt er nur. „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“ fahre ich ihn an. „Entweder du sagst mir jetzt auf der Stelle was los ist oder...“ Ich komme nicht dazu, den Satz zu beenden. Er fällt mir ungerührt ins Wort. „Oder was, Wheeler?“ will er wissen und seine Augen blitzen mich provozierend an. Ich beiße mir fest auf die Unterlippe. Wir beide wissen, dass keine meiner Drohungen ihn beeindrucken würden. Noch während ich darüber nachdenke, was ich als nächstes sagen oder tun soll, bemerke ich, dass ein Wagen in unserer unmittelbaren Nähe zum stehen kommt. Die Fahrertür wird geöffnet und ein Mann steigt aus. Sein Blick ist direkt auf uns gerichtet. Fragend blicke ich zu Bakura. Der Weißhaarige lächelt. „Darf ich dir meinen neuen Kollegen vorstellen?“ fragt er mich genüsslich im Auge behaltend. „Dante.“ Er deutet auf den Mann, der inzwischen ein Stück näher gekommen ist. Dann deutet er auf mich. „Joey Wheeler.“ höre ich ihn sagen und der Fremde mustert mich ohne die geringste Regung zu zeigen. „Wenn du nun die Güte hättest, uns zu begleiten. Wir stehen hier im Halteverbot.“ meint Bakura. Ich rühre mich nicht. Ich starre den Dieb fassungslos an und versuche zu begreifen, was hier gerade passiert. Ich habe zwar keine Ahnung, was diese Nummer hier zu bedeuten hat, aber ich bin sicher, dass Seto hier von keinerlei Kenntnis hat. Nein, das hier ist ganz sicher nicht Teil von seinem Plan. Folglich... Mein Blick bohrt sich geradezu in Bakura. „Du verdammter Mistkerl!“ fauche ich ihn an als mir klar wird, was hier gespielt wird. „Du hast die Seiten gewechselt.“ Der Dieb verzieht keine Miene. „Steig einfach ein, Wheeler.“ befiehlt er mir und sein Tonfall ist so kalt, dass er mir einen Schauder über den Rücken jagt. Ich schüttele leicht den Kopf und Bakura seufzt. „Bei Ra, mach es uns beiden doch nicht unnötig schwer.“ meint er und etwas in mir explodiert. Ich schnelle nach vorne. Wann ich meine Hand zur Faust geballt habe, weiß ich selbst nicht. Aber sie zielt direkt auf Bakura´s Gesicht und in diesem Augenblick ist mir gleichgültig, wie viele Leute um uns herum zusehen. Dieser verfluchte Dieb hat tatsächlich die Seiten gewechselt. Er hat Seto verraten, sein Vertrauen missbraucht. Ich fluche laut auf und versuche meine ganze Wut in den Schlag zu legen, doch der Dieb weicht im letzten Augenblick einen Schritt zur Seite und ich komme ins Taumeln. „Verfluchter-“ hebe ich von neuem an, doch da werde ich unsanft am Arm gepackt. Es ist der Fremde. Ungerührt hält er mich fest. „Es wäre besser, wenn du einsteigst, Kleiner.“ meint er mit rauer Stimme und schiebt für einen Augenblick seinen Mantel zur Seite, um den Blick auf seine Waffe freizugeben. Ich verziehe spöttisch den Mund. „Und wenn nicht? Wollt ihr mich hier abknallen?“ frage ich. Es ist Bakura der antwortet. „Steig in diesen Wagen, Wheeler.“ Seine undefinierbaren Augen ruhen auf mir. Ich zeige ihm den Mittelfinger. Bakura verdreht die Augen und ist im nächsten Augenblick auch dicht neben mir. Der Fremde hat mich inzwischen losgelassen. „Wenn du denkst, dass sich auch nur einer der Leute hier darum scheren würde, was mit dir passiert, dann bist du noch dümmer als ich dachte.“ raunt mir der Dieb zu. „Und du müsstest mich inzwischen gut genug kenne, um zu wissen, welche Konsequenzen es hat, wenn man nicht tut, was ich sage.“ Seine Stimme ist vollkommen ruhig, aber mir entgeht keinesfalls der scharfe Unterton. Ich schlucke unwillkürlich und muss an Siegfried denken. Dann wandert mein Blick in Richtung Straße und ich versuche auszumachen, ob einer der Passanten das Geschehen hier verfolgt. Aber die Leuten hasten nur so vorbei, scheinen die uns Drei gar nicht wahrzunehmen. Ich höre Gelächter, eine Frau tadelt ihre kleine Tochter, der Rest zieht wie Schatten an uns vorüber. Ich richte mich ein wenig auf, bemühe mich etwas Abstand zwischen mich und den Dieb zu bringen als ich etwas Spitzes an meiner Seite fühle. Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen was es ist. „Ich wiederhole mich nicht noch einmal, Wheeler.“ In Bakura´s Augen blitzt es auf und um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, bohrt sich die Spitze des Messers ein Stück weiter in meine Seite. Resignierend nicke ich schließlich und die Miene des Diebes hellt sich auf. „So ist es brav, Hündchen.“ meint er und dirigiert mich auch schon in Richtung Wagen. Der Fremde öffnet die Hintertür und ich steige widerwillig ein. Bakura rutscht neben mir auf die Rückseite. Der Andere, Dante, nimmt auf dem Fahrersitz Platz und wirft Bakura durch den Rückspiegel einen Blick zu. „Habe ich nicht gesagt, dass er vernünftig sein würde?“ fragt der Dieb vergnügt. Der Mann verzieht leicht den Mund, entgegnet jedoch nichts. „Dann brechen mir mal auf.“ meint der Weißhaarige und dieser Dante startet den Motor. „Und wohin soll´s gehen?“ will ich wissen. Bakura lächelt mich an. „Zu einem hübschen, kleinen Lagerhaus, wo uns niemand stören wird.“ erwidert er vergnügt und ich spüre wie sich alles in mir zusammenzieht. _____________________________________________ So, ihr Lieben, es geht endlich weiter. Ich danke euch für eure Geduld. Dieses Kapitel war schon einige Zeit zur Hälfte fertig, aber ich war noch am überlegen, ob ich tatsächlich mit dem Joey-Kapitel weitermachen soll oder der Handlung in Ägypten erst weiter folge. Ich habe mich für Ersteres entschieden und hoffe, der Auftakt gefällt euch. Kapitel 92: Touché ------------------ “Grey” presse ich hervor und vermag es nicht zu verhindern, dass mein Tonfall verrät, wie überrascht ich bin. „Höchstpersönlich.“ erwidert der Sprecher am anderen Ende der Leitung lässig und ich ziehe scharf die Luft ein. Meine Gedanken überschlagen sich. Mit dem Dieb muss irgendetwas passiert sein, wie sonst käme Grey zu Bakura´s Handy. Ich bezweifele, dass der Weißhaarige es ihm freiwillig überlassen hat. Folglich stellt sich die Frage, was passiert ist. Ich überlege mir meine nächsten Worte gut und bemühe mich, wieder all meine Selbstsicherheit in meine Stimme zu legen. „Weshalb ist Bakura nicht zu sprechen?“ will ich scharf wissen und höre, dass er kurz gekünstelt auflacht. Mein Tonfall beeindruckt ihn demnach keineswegs. Nun, das habe ich auch nicht wirklich erwartet. Alles was er bislang unternommen hat, spricht nicht gerade dafür, dass er mich fürchtet und zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass er bisher auch noch keinen wirklichen Grund hatte, dies zu tun. Aber das wird sich bald ändern. „Sagen wir, unser gemeinsamer Freund ist beschäftigt.“ erwidert er schließlich süffisant und ich spüre, wie sich mein Magen schmerzhaft zusammenzieht. Ich bin sicher, dass es nichts bringt, dieses Thema zu vertiefen. Was auch immer mit dem Dieb passiert ist, Grey wird es mir ganz sicher nicht verraten. Und auch jegliche Art der Drohung kann ich mir sparen. Vermutlich würde eine solche Reaktion meinerseits ihn nur weiter belustigen. Erst Ryou und nun der Dieb... Ich frage mich, worum es Grey tatsächlich geht. Hat er Bakura deshalb nach Japan gelockt? Will er die Anzahl meiner Verbündeten reduzieren, wie ich vermute? Ehe ich etwas entgegnen kann, nimmt er das Gespräch wieder auf. „Wie ich höre, hatte dein Assistent einen tragischen Unfall.“ meint er ruhig. „Wie bedauerlich...“ Ich kombiniere sofort. Quentin hat also die vermeintliche Information bereits weitergegeben und wenn ich seinen Tonfall richtig deute, hat er diese auch geschluckt. Das heißt, ich darf mir nun keinen Fehler erlauben. Ich lasse mir mit meiner Erwiderung als kurz Zeit. Dann entgegne ich scharf: „Als Unfall würde ich es nicht bezeichnen.“ Wieder höre ich ihn lachen und nun bin ich sicher, dass er keinen Zweifel mehr an Roland´s Ableben hat. „Als Unfall würde ich auch den Tod von John Armstrong nicht bezeichnen, aber naja...“ Er scheint bemüht weiterhin jovial zu klingen, doch ich höre deutlich, aber bei der Erwähnung von John´s Namen klingt seine Stimme hart. Hart und verbittert. „Mit John´s Tod hatte ich nicht das Geringste zu tun.“ erkläre ich, obgleich ich weiß, dass meine Worte an seiner Haltung mir gegenüber nichts ändern werden. „Ich weiß.“ entgegnet er auch prompt. „Dafür ist Gozaburo verantwortlich, dessen bin ich mir durchaus bewusst.“ „Aber an ihm können Sie ihre perversen Rachegelüste nicht mehr befriedigen.“ entgegne ich kühl und entscheide mich bewusst dazu ihn, weiterhin zu siezen. Dieses Mal lacht er nicht. Ich glaube sogar zu hören, wie er scharf die Luft einzieht und vermute, dass es mir gelungen ist, ihn durch meine Äußerung doch ein wenig zu verärgern. Minimal vielleicht nur, aber immerhin. „Da Sie sich im Klaren sind, dass ich keine Verantwortung für John´s Tod trage, ist ihr Rachefeldzug gegen meine Person im Grunde nichts weiter ist als der hilflose Versuch eines Kleingeistes, seine Trauer zu kompensieren. Doch Sie haben sich dafür den Falschen ausgesucht. Es wird Ihnen noch sehr leid tun, diesen Weg beschritten zu haben, dessen können Sie sich sicher sein.“ fahre ich fort und mit jedem Wort gewinnt meine Stimme an Sicherheit. Ja, jetzt klinge ich wieder ganz wie der Alte. In meinem Tonfall schwingt all meine Verachtung und Arroganz mit. Joey würde sicher sagen, dass ich ganz genauso klinge wie früher. Der „In-den-Staub“-Tonfall nannte er es und ich musste schmunzeln als er mir diese kleine Offenbarung gemacht hat. Und genau wie bei Joey früher, verfehlt meine Stimme auch auf Grey ihre Wirkung nicht. Für einen Moment glaube ich, dass er mit den Zähnen knirscht und im nächsten Augenblick explodiert er auch schon, zwar bei weitem nicht in einem solchen Ausmaß wie mein Hündchen in der guten alten Zeit, doch ich weiß direkt, dass ich ihn getroffen habe. „Der Kleingeist hat dich bislang aber weit getrieben, mein lieber Kaiba!“ zischt er mich wütend an, wobei er sich sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren. „Wo bist du denn jetzt? Du hast keine Firma mehr, wirst von der Polizei gesucht und nun ist auch noch dein geschätzter Assistent tot! Oh, du bist derjenige, dem es am Ende leid tun wird. Sehr leid, Kaiba.“ Nun ist seine Wut triumphaler Genugtuung gewichen und das Bild, dass ich von ihm in meinem Kopf habe, wird um einen weiteren Puzzlestein erweitert. „Wir werden sehen.“ entgegne ich bewusst nüchtern und er lacht. „Ich bezweifele, dass du mir etwas entgegenzusetzen hast, Kaiba. Bislang ist alles genauso verlaufen, wie ICH es geplant habe. Du bist zu meiner Marionette geworden.“ meint er und scheint seine Emotionen wieder unter Kontrolle zu haben. „Wie fühlt sich das an, Kaiba?“ Mein Blick streift den von Alister, der mich besorgt mustert. Dem Rothaarigen ist natürlich nicht entgangen, dass ich nicht mit Bakura rede und sein Gesichtsausdruck verrät auch recht deutlich, dass ihn dieser Umstand beunruhigt. Ich gebe einen verächtlichen Laut von mir. „Ich bin niemandes Marionette!“ kontere ich schneidend. „Noch ist dieses Spiel nicht zu Ende.“ Ich mache eine kurze Pause und überlege blitzschnell ob ich noch etwas hinzufügen soll. Falls Grey Quentin´s Bericht über mögliche Vorhaben meinerseits bislang noch nicht trauen sollte, so habe ich nun die Chance, ihn davon zu überzeugen, dass es angebracht ist, seinen Handlanger zu schicken. „Ich bin Seto Kaiba.“ sage ich schließlich und vermutlich würde Joey, wenn er hier wäre, sagen, dass ich gerade einen Todesblick der Stufe 10 aufgesetzt habe. „Niemand besiegt mich. Mag sein, dass Sie bislang die Zügel in der Hand hielten, aber das Blatt wird sich nun wenden. Auch nur eine Sekunde lang zu glauben Sie könnten bei dieser Angelegenheit gewinnen,ist reiner Selbstbetrug!“ Ich lasse ihm nicht die Gelegenheit etwas zu erwidern, sondern fahre weiter fort: „Ich hoffe für Sie, dass es Ryou und Bakura gut geht, auch wenn es an dem Ausgang dieser Sache für Sie nichts mehr ändern wird.“ Mein Tonfall ist eiskalt und ich sehe wie Alister die Augen aufreißt. Ohne ein weiteres Wort von Grey abzuwarten, beende ich das Gespräch und der Rothaarige starrt mich an. „Er hat Bakura.“ erkläre ich knapp, was er wohl ohnehin schon ahnt und Alister nickt mit düsterer Miene. Ich schätze, er fragt sich genauso wie ich, wie das passieren konnte. Bakura ist schließlich nicht der Typ, der sich überrumpeln lässt. Im Grunde gibt es nur eine einzige logische Möglichkeit, wie Grey dieses Unterfangen gelungen sein kann. Er hat den Dieb durch Ryou in der Hand. Egal wie gleichgültig der Weißhaarige auch immer tun mag, wenn es um andere Menschen geht. An dem Kleinen liegt ihm etwas und aus seiner Reaktion auf die Entführung des Jungen zu schließen, würde ich sogar sagen, dass Ryou für ihn den gleichen Stellenwert hat wie Mokuba für mich. „Was machen wir jetzt?“ Alisters Frage reißt mich aus meinen Gedanken. Der Rothaarige ist eindeutig besorgt. Ich kann es ihm nicht verdenken. „Wir bleiben bei unserem Plan.“ entgegne ich kurz entschlossen. „Ich bin sicher, dass Grey nach diesem Gespräch den Köder geschluckt hat. Omar wird seinen Anruf tätigen und wir bereiten uns auf das Treffen mit diesem Quentin vor.“ Alister macht einen Moment den Eindruck als wolle er protestieren, doch dann nickt er. „Was Bakura anbelangt...“ Ich zögere einen Moment. „Was auch immer mit dem Dieb ist, ich bin sicher, dass er einen Weg findet, sich aus seiner Lage zu befreien. Alles andere würde mich auch enttäuschen.“ Alister nickt erneut, scheint aber nicht wirklich überzeugt. „Spätestens wenn wir diesen Quentin in der Hand haben, werden wir einen Weg finden, Ryou und auch Bakura zu befreien.“ füge ich hinzu und Alister fragt skeptisch: „Du bist dir sicher, dass du aus diesem Quentin Informationen rausholen kannst?“ Unwillkürlich muss ich an Bakura denken. An seine Vorgehensweise bei solchen „Verhören“. Gewalt war bislang nie eine Lösung für mich, auch wenn die Methode des Diebes durchaus ihre Erfolge erzielt hat. Bislang hatte ich es allerdings auch nie nötig zu solchen Mitteln zu greifen. Doch so wie die Dinge nun liegen... Ich vermute, dass es keinen anderen Weg geben wird, Greys Handlanger zum Reden zu bringen. Dieser Mann wird schließlich kein Stümper sein. Er ist Greys rechte Hand, wie ich vermute, und wie ich meinen Gegenspieler einschätze, dürfte dieser Quentin demnach ein ähnlich effizientes Exemplar sein wie Roland, wobei ich bezweifele, dass er die Kompetenz meines Assistenten erreicht. Doch selbst wenn er nur halb so effizient ist, dürfte es schwierig werden, ihm das Notwendige zu entlocken. So gesehen wird mir nichts anderes übrig bleiben, als mich Bakura´s Methoden zu bedienen. Doch diesen Punkt gedenke ich zu entscheiden, wenn ich mir ein Bild von dem Mann gemacht habe. „Vielleicht sollten wir Duke unterrichten...“ höre ich Alister sagen. Es ist ihm anzusehen, dass ihm der Gedanke an den Schwarzhaarigen nicht unbedingt behagt. Ich überlege kurz. „Vermutlich weiß er bereits, was los ist. Oder zumindest, dass Bakura erst einmal verschwunden ist. Helfen wird er uns wohl kaum können.“ entgegne ich und der Rothaarige nickt zustimmend. „Augenblicklich bleibt uns in der Hinsicht nichts anderes übrig als auf den Dieb zu vertrauen.“ befinde ich abschließend. Alister erwidert nichts. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, Joey von den jüngsten Entwicklungen zu unterrichten, verwerfe ihn aber sogleich wieder. Das Hündchen wird genug damit zu tun haben, die Dinge in New York im Auge zu behalten. Zudem will ich ihn nicht beunruhigen. Mokuba und er würden sich nur unnötige Sorgen machen und noch weiß ich schließlich nicht, was diese Sache zu bedeuten hat. Momentan kann ich nichts anderes tun als meine Strategie weiter zu verfolgen. Erst wenn ich diesen Quentin in die Finger bekommen habe, eröffnen sich weitere Optionen. Und dann ist da noch Ishizu. „Wir sollten den Plan noch einmal durchgehen.“ erkläre ich schließlich und Alister versteht die Aufforderung. „Ich hole Odion und Marik.“ meint er und setzt sich auch umgehend in Bewegung. Kapitel 93: Einbahnstraße ------------------------- „Hereinspaziert.“ meint Bakura fröhlich und hält mir galant die Tür zu dem Lagerhaus auf. Ich funkele ihn wütend an, mach jedoch keinerlei Anstalten seiner Aufforderung Folge zu leisten. Der Dieb seufzt und im nächsten Augenblick werde ich auch schon unsanft von seinem neuen Kollegen ins Innere geschoben. Mein Blick wandert durch die Lagerhalle und ich vermute, dass sie einst als einer Art Werkstatt diente. In einer Ecke steht ein ausgeschlachtetes Auto, ansonsten kann ich mehrere Werkbänke und allerhand Gerätschaften entdecken. Wortlos werde ich weiter voran geschoben und höre wie die schwere Eisentür ins Schloss fällt. Bakura schreitet nun voraus und bewegt sich auf eine der riesigen Plastikfolien zu, die von der Decke hängen. Er schiebt sie beiseite und ich schlucke hart als ich eine Art Liege dahinter erkenne. Es besteht kein Zweifel daran, welchem Zweck sie dienen soll. „Nimm doch bitte Platz.“ fordert der Dieb mich auf und deutet mit dem Kopf auf die Liege. Ich rühre mich nicht und er seufzt, sagt jedoch nichts sondern wendet sich einer der Werkbänke zu, die neben der Liege steht. „Setzen.“ befiehlt Dante hinter mir und gibt mir einen so harten Stoß, dass ich ins Taumeln komme. „Damit wirst du nicht durchkommen, Bakura.“ erkläre ich und bin froh, dass meine Stimme sicherer klingt als ich mich fühle. „Ach ja?“ fragt der Dieb. „Und wer sollte mich deiner Meinung nach daran hindern?“ In seinen Augen blitzt es amüsiert auf. „Wenn ich mich nicht irre, weiß niemand wo du bist.“ fährt er ungerührt fort und greift nach einem der Werkzeuge, die auf der Bank liegen. „Mokuba ist mit Fernsehen beschäftigt, dein Vater hat noch einen wichtigen Termin und der gute Kaiba...“ Er spricht nicht weiter, sondern grinst lediglich. „Seto wird wissen, dass du dafür verantwortlich bist.“ entgegne ich eisig, aber er lacht nur und wendet sich wieder der Werkbank zu. Sein Begleiter packt mich unsanft am Arm und macht Anstalten, mich auf die Liege zu befördern. „Das kann ich alleine.“ knurre ich und er zieht seine Hand zurück. Widerwillig nehme ich auf der Liege Platz und mein Blick wandert zu den Bändern, die an den Seiten angebracht sind. Der Dieb hat scheinbar an alles gedacht. Wortlos drückt mich Dante auf der Liege nieder und im ersten Augenblick will ich Widerstand leisten. Ich überlege fieberhaft, wie ich mich aus dieser Lage befreien könnte. Beide sind bewaffnet und auch so hätte ich vermutlich kaum einen Chance gegen alle Zwei. Ich spüre wie mein Mut mich verlässt. Er hat Recht. Niemand weiß wo ich bin. Selbst wenn Mokuba auffällt, dass ich doch länger weg bin, als ich gesagt habe, was sollte der Kleine schon unternehmen? Gut, er könnte sich an Jack wenden, aber... Ich schlucke hart. „Ich sehe, du bist dir der Ausweglosigkeit deiner Situation bewusst, Wheeler.“ bemerkt Bakura, der sich mir wieder zugewandt hat. Meine Handgelenke werden gepackt und festgeschnallt und ich lasse es wortlos geschehen. „Sehr schön, dann kann ich mir ja jegliche Hinweise darauf sparen.“ Bakura lächelt noch immer. Mag meine Zuversicht auch schwinden, meine Wut wächst von Sekunde zu Sekunde. „Was hat dir Grey für die Nummer hier geboten?“ will ich herausfordernd wissen. „Wie hoch ist der Preis für deinen Verrat?“ All meine Verachtung schwingt in meiner Stimme mit und für einen kurzen Augenblick verspüre ich den Wunsch, ihm ins Gesicht zu spucken. Bakura sieht mich erstaunt an. „Du meinst, ich tue das hier für Geld?“ fragt er dann. Ich entgegne nichts. „Nun, wenn es dich wirklich interessiert, Hündchen, dann will ich dir unseren Deal verraten.“ fährt er nach kurzer Pause fort. „Dein Leben für das von Ryou. Das ist der Preis.“ Nun ist es an mir erstaunt zu sein. Ich starre den Dieb entgeistert an. Er nickt bedächtig. „Vor die Wahl hat Grey mich gestellt und mal ehrlich... meine Entscheidung ist doch durchaus nachvollziehbar, oder?“ Er sieht mich fragend an und ich weiß nicht, was ich erwidern soll. Sein Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel daran, dass er gerade tatsächlich die Wahrheit gesagt hat und ich kann mir auch nur zu gut vorstellen, dass Grey zu solch einer Erpressung greifen würde. Und ja, ein Teil von mir findet seine Entscheidung tatsächlich nachvollziehbar. Bakura und ich sind keine wirklichen Freunde. Das waren wir nie. Aber Ryou und er... „Nun guck nicht so belämmert aus der Wäsche, Wheeler.“ fordert er mich auf und da ist es wieder, dieses undefinierbare Lächeln in seinem Gesicht. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Trotzdem schaffe ich es ein trockenes „Warum“ zu krächzen, obgleich ich nicht einmal genau weiß, worauf die Frage eigentlich abzielt. Bakura zuckt mit den Schultern. „Ist das nicht offensichtlich?“ kontert er. „Grey weiß, wie wichtig du inzwischen für Kaiba bist. Also ist es eine ganz einfache Rechnung.“ Ich nicke unwillkürlich. Ja, so gesehen ist es wohl eine einfache Rechnung. Grey will Seto fertig machen. Was liegt da näher als die Menschen aus dem Weg zu räumen, an denen ihm etwas liegt? Mokuba, Roland, meine Wenigkeit. Eine logische Konsequenz. Vor allem in Hinblick auf John Armstrong. „Seto wird dich dafür büßen lassen.“ Meine Stimme klingt eigenartig, mein Hals schmerzt. „Ryou hin oder her. Es muss einen anderen Weg geben. Wenn du das hier durchziehst, dann...“ Ich breche ab und schüttele leicht den Kopf. Bakura macht den Eindruck als wolle er etwas erwidern, aber Dante kommt ihm zuvor. „Fangen wir endlich an. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ meint er ungehalten und funkelt den Dieb an. Bakura´s Miene verfinstert sich schlagartig. „Ich leite diese Operation, Kumpel, falls es dir entgangen sein sollte.“ erwidert er scharf. „Und dein Boss will eine gute Show. Also mach dich nützlich und bring schon mal die Kamera in Stellung.“ Kamera? Ich blicke mich schlagartig zu dem Fremden um, der nun wieder hinter der Plastikfolie verschwindet. Dann wende ich mich wieder Bakura zu. Dieser verdreht gespielt genervt die Augen. „Besonderer Wunsch von Grey.“ erklärt er ruhig. „Er will eine hübsche Aufnahme von meiner Arbeit... Als persönliches Andenken und als Präsent für Kaiba.“ Fassungslos starre ich den Weißhaarigen an, der vollkommen ungerührt da steht und ich brauche einen Moment um seine Worte zu begreifen. „Dann wird Seto wissen, dass du...“ Ich beende den Satz nicht. Mit einem Schlag wird mir die gesamte Tragweite meiner Situation bewusst. Der Dieb will mich tatsächlich töten. Meinen Tod auf Video aufnehmen. Das hier ist keines seiner bösen, kleinen Spielchen. Es ist ernst. Ich werde hier nicht lebend raus kommen. „Denkst du ich bin so dämlich und lasse mich bei meiner Arbeit filmen?“ höre ich den Dieb fragen. „Ich liefere mich Grey doch nicht freiwillig aus. Nein, mich wird man auf dem Video nicht erkennen. Dich jedoch schon. Und wie gesagt, das Ganze war nicht meine Idee. Es ist nichts persönliches, Wheeler, auch wenn ich dich nicht sonderlich mag. Vielleicht ist dir das ein schwacher Trost.“ „Klar ist es das.“ zische ich ihn verächtlich an, aber Bakura hält meinem Blick ungerührt stand. Unwillkürlich wandert mein Blick zu der Werkbank. Verschiedene Gerätschaften liegen dort für ihren Einsatz bereut und ich kann mir ausmalen wie dieser aussehen wird. Wieder muss ich an den Abend bei Siegfried stellen, daran was der Dieb mit dem Deutschen gemacht hat. Er kannte keinerlei Skrupel, keine Hemmungen. Die Schreie des Rosahaarigen ließen ihn vollkommen kalt. „Und so wird es auch bei mir sein...“ durchzuckt es mich und ich schaudere. Erneut überschlagen sich meine Gedanken. Wenn ich nur wüsste, was ich tun könnte. Es besteht kein Zweifel daran, dass Bakura seinen Auftrag auszuführen gedenkt und ich bin ihm hilflos ausgeliefert. Nichts was ich sage, wird ihn davon abbringen können und ich wüsste auch nicht einmal was ich sagen sollte. Und Seto... was spielt es für eine Rolle ob er erfährt, dass es Bakura´s Werk war, wenn ich erst tot bin? Seto... Bei dem Gedanken an ihn, zieht sich alles in mir zusammen. Er wollte mich aus der Schusslinie haben, mich in Sicherheit wissen und nun bin ich hier. Die Rückkehr des Fremden nehme ich nur beiläufig wahr. Das Plastik raschelt und mein Blick wandert fast automatisch zu Dante. Er hat ein Stativ bei sich und eine kleine schwarze Tasche, in der sich wohl die Kamera befindet. Ohne ein Wort zu verlieren, baut er das Gerät auf und wendet sich dann an Bakura. „Wir können anfangen.“ erklärt er und der Dieb nickt. Ich sehe, wie er sich eine Art Skimaske überzieht und zu ein paar Handschuhen greift, die neben ihm auf der Werkbank liegen und alles in mir möchte schreien, doch ich bekomme keinen Ton heraus. Ich kann nur gebannt auf den Dieb starren, der sich dem Werkzeug zugewendet hat und scheinbar dabei ist, sich sein erstes Spielzeug auszusuchen. „Bakura...“ bringe ich schließlich panisch hervor und suche die Augen des Diebes. „Ich bitte dich... du...“ Weiter komme ich nicht, denn der Fremde tritt neben mich und stopft mir etwas in den Mund. Ich würge automatisch und versuche den Gegenstand auszuspucken, doch da wird er auch schon mit Klebeband an meinem Mund fixiert. „Auf Geschrei können wir wohl verzichten.“ meint Dante und bezieht gleich auch wieder Position hinter der Kamera. Bakura zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Solange sein Gesicht im Bild ist.“ entgegnet er trocken und macht einen Schritt auf mich zu. In seiner Hand hält er ein Messer. Ich gebe einen erstickten Schrei von mir als er sich über mich beugt und die Klinge direkt vor meinen Augen aufblitzt. Instinktiv reiße ich an den Fesseln und versuche mich auf der Liege hin und her zu winden. „Je mehr Widerstand du leistest, desto schmerzhafter wird es.“ sagt der Dieb leise und sieht mir direkt in die Augen. Kühle Finger machen sich daran, mein Hemd zu öffnen. Dann spüre ich die Klinge an meiner Schulter und gellender Schmerz durchzuckt mich. Schmerz, der mir klar macht, dass dies alles Wirklichkeit ist. Dass es tatsächlich passiert. Ich sehe wie Blut sich auf meinem weißen Hemd ausbreitet und schreie. Doch von meinem Schrei ist nichts zu hören. Meine Lider beginne zu flackern und dann wird alles für einen Moment schwarz. „Wenn der Kleine jetzt schon ohnmächtig ist, wird die Nummer hier wohl nicht lange dauern.“ vernehme ich eine fremde Stimme in der Dunkelheit. Sie und der brennende Schmerz zwingen mich, meine Augen wieder zu öffnen. Ich blinzele. Bakura beugt sich nicht länger über mich. Ich brauche einen Moment, um wieder zu realisieren wo ich mich befinde. Der Dieb ist zurück an die Werkband getreten. Die Kamera ist noch immer auf mich gerichtet. Genau wie der Blick des Fremden. „Wir werden sehen.“ entgegnet der Weißhaarige gleichmütig und greift nach einem anderen Werkzeug, legt es sogleich jedoch wieder nieder. Fast schon liebevoll streicheln seine Finger über die verschiedenen Gegenstände und trotz meiner Panik und der Schmerzen, entgeht mir nicht sein konzentrierter Blick. Mit seiner Auswahl lässt er sich deutlich Zeit. Doch das hat er bereits bei Siegfried so gemacht. Zermürbungstaktik würde Seto sagen. Nur, dass es hier nicht darum geht mich zu zermürben. „Nimm endlich irgendetwas.“ Dante klingt ungehalten. „Ist ja schließlich keine Wissenschaft.“ Bakura bedenkt ihn mit einem tadelnden Blick. „Man sieht, mein naiver Freund, dass du keinerlei Ahnung von der Materie hast. Die Arbeitsmaterialien müssen sorgsam ausgewählt werden. Wie sonst kann man eine gute Arbeit abliefern.“ erklärt er dem Fremden, der daraufhin leicht den Mund verzieht. „Und dein Boss erwartet doch eine gute Arbeit, oder?“ Der Weißhaarige hält nun irgendetwas in der Hand, was ich nicht wirklich zu erkennen vermag. „Sieh dir zum Beispiel diese hübsche Zange an. Was denkst du, kann man damit herrliches machen?“ fragt er an Dante gewandt. Dieser runzelt leicht die Stirn, sagt jedoch nichts. „Siehst du.“ meint Bakura triumphierend. „Du weißt es nicht. Daher bin ich der Profi und du der Amateur. Aber ich will es dir verraten, mein unwissender Komplize.“ Der Dieb macht einen Schritt auf den Mann zu. „Mit diesem vergnüglichen Instrument kann man zum Beispiel Zähne ziehen. Eine äußerst Schmerzhafte Prozedur, wie du dir vorstellen kannst. Deshalb muss man genau abwägen, wann man dazu greift.“ erläutert der Dieb weiter und ich kann nicht anders, ich muss ihn fasziniert und entsetzt zugleich beobachten. „Greift man zu früh zu solchen Mitteln, wird der Patient ohnmächtig und man muss warten bis er wieder zu sich kommt. Um ein effektives Ergebnis zu erzielen, bedarf es also einer bestimmten Vorgehensweise. Wir möchten doch, dass alle auf ihre Kosten kommen, oder?“ Dante betrachtet Bakura einen Augenblick stirnrunzelnd und ich würde wetten, dass ihm gerade aufgeht, wie verrückt sein neuer Kollege tatsächlich ist. Dann zuckt er gleichgültig mit den Schultern. Bakura legt die Zange zurück auf den Tisch und greift nach etwas anderem. „Für was eignet sich deiner Ansicht nach dieses Stück?“ will er von seinem Komplizen wissen. Dieser antwortet nicht gleich. Er scheint tatsächlich zu überlegen. „Ich würde sagen, damit kann man die Finger brechen. Oder die Kniescheiben zertrümmern.“ erwidert er schließlich und Bakura lächelt. „Exakt.“ meint der Dieb fröhlich. „Aber man kann auch noch etwas anderes damit tun...“ Was als Nächstes passiert, geschieht so schnell, dass ich es im ersten Augenblick nicht wirklich begreife. Bakura macht eine leichte Handbewegung und Dante geht in die Knie. Der Mann sackt in sich zusammen und landet mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Bakura grinst. „Es eignet sich auch perfekt dazu, jemanden außer Gefecht zu setzen, ohne ernsthafte Schäden anzurichten.“ erklärt der Dieb abschließend und ist im nächsten Augenblick auch schon neben mir. „Ich werde dich jetzt losmachen und den Knebel entfernen.“ höre ich ihn sagen und starre ihn entgeistert an. „Und dann wirst du mir helfen, meinen Auftrag zu erfüllen, Wheeler. Hast du verstanden?“ Bakura´s graue Augen ruhen fragend auf mir. Ehrlich gesagt, verstehe ich nur Bahnhof, doch ich nicke langsam. Kapitel 94: Konfrontatsionskurs (Bakura) ---------------------------------------- Wheeler´s teils panischer, teils vollkommen überrumpelter Blick ist unbezahlbar und fast bin ich Grey dankbar für diese unterhaltsame Episode gerade. Bei Ra, ich hatte schon lange keinen solchen Spaß mehr. Das Hündchen hat sich inzwischen aufgerichtet und reibt sich die Handgelenke. Er sieht mich noch immer geschockt an, doch dann wandert sein Blick zu seiner Schulter und mit großen Hundeaugen starrt er auf die Wunde. Sie blutet noch, aber ich bin sicher, dass das bald nachlässt. Aber Wheeler guckt aus der Wäsche als hätte ich ihm gerade den Arm abgesägt. Wirklich zu köstlich. Ich kann nicht anders, ich muss ihn angrinsen. „Die Wunde ist nicht tief. Die Blutung wird gleich nachlassen, also mach dir nicht ins Hemd.“ erkläre ich und der Blonde starrt mich von neuem an. In seinen braunen Augen lodert es kurz auf und ich weiß, was als nächstes kommen wird. Herrje, Wheeler ist aber auch so was von vorhersehbar. Ich frage mich erneut, was Kaiba nur an ihm findet. Mit einem Satz ist er auf den Beinen und kommt bedrohlich auf mich zu. Nun, bedrohlich ist relativ. Ich vermute, es soll bedrohlich wirken. „Du-“ faucht er mich an und seine Stimme bebt vor Wut. Er versucht mich am Kragen zu packen, aber ich weiche ihm mit einer grazilen Bewegung aus und er stößt gegen die Werkbank. Schnell packe ich mir seinen Arm und drehe ihn auf den Rücken bevor das Hündchen mit seiner kleinen Attacke fortfahren kann. „Hör mir jetzt gut zu, Wheeler.“ zische ich ihm ins Ohr. „Das mit Ryou vorhin war kein Scherz. Grey hat ihn nach wie vor in seiner Gewalt und der Preis für seine Freiheit ist tatsächlich dein erbärmliches Leben.“ Ich spüre wie ein Ruck durch seinen Körper geht. „Du weißt, dass ich keinerlei Probleme damit habe, diesen Auftrag auszuführen, aber ich stehe nun einmal nicht darauf, wenn man versucht mich zu seiner Marionette zu machen. Was ein großes Glück für dich ist, Kleiner. Aber ich kann meine Meinung jederzeit ändern. Also reiß dich zusammen. Wir haben noch etwas zu erledigen.“ Ich lockere meinen Griff etwas und er keucht auf. „Wird das Hündchen jetzt brav sein?“ frage ich noch einmal nach. Joey nickt. „Ja, verdammt.“ zischt er und ich lasse ihn los. Er wirbelt herum und funkelt mich säuerlich an. „Verdammt, Bakura, du hast mir ne Heidenangst eingejagt.“ fährt er mich an. Ich lache. „Ich weiß.“ entgegne ich ungerührt. „Was zum Teufel sollte das Ganze?“ fragt er weiter. Ich mache eine wegwerfende Geste. „Dazu kommen mir gleich.“ entgegne ich. „Hilf mir erst einmal meinen Ex-Kollegen auf die Liege zu legen.“ Dante ist noch immer außer Gefecht. Das wird wohl noch die nächste halbe Stunde anhalten, wenn ich mich nicht verschätze. Zeit genug um dem Köter meinen Plan zu unterbreiten und die weiteren Vorkehrungen zu treffen. „Nimm seine Füße.“ weise ich den Blonden an und packe selbst nach Dantes Schultern. Joey zögert einen Augenblick, doch dann beugt er sich runter und gemeinsam heben wir Greys Handlanger hoch. „Schnall ihn fest.“ befehle ich weiter und fixiere schon einmal die rechte Seite. Wheeler kommt meiner Anweisung wortlos nach und befestigt seinerseits die Handgelenke des Mannes an der Liege. Zu guter Letzt schnalle ich noch einen weiteren Gurt über Dantes Brust und fixiere auch noch die Füße. „Sehr schön. Die zweite Phase wäre damit abgeschlossen.“ befinde ich zufrieden und zünde mir eine Zigarette an. Wheeler steht unschlüssig neben mir. „Und was jetzt?“ will er wissen und mir entgeht keineswegs sein skeptischer Blick. Nun, den kann ich ihm augenblicklich nicht einmal verübeln. „Nun, mein neuer Komplize, erläutere ich dir die weitere Vorgehensweise.“ antworte ich und ziehe genüsslich an meiner Kippe. „Wie gesagt, Grey erwartet dein Ableben. Deshalb wurde Ryou entführt, meine Wenigkeit nach Japan eingeladen und deshalb habe ich diesen drittklassigen Babysitter an der Backe.“ erzähle ich dem Blonden in Kürze die Zusammenhänge: Er hört mir schweigend zu. „Und Grey wünscht sich tatsächlich eine Aufnahme deiner letzten Stunden. Allerdings nicht nur als kleine Erinnerung, sondern auch als Bestätigung für unseren Deal. Erst dann lässt er Ryou frei.“ Wheeler schluckt hart. „Und das glaubst du tatsächlich?“ fragt er. Ich verziehe spöttisch den Mund. „Ja und nein.“ gebe ich zu. „Er ist nur an Kaiba interessiert. Und damit auch zwangsläufig an dir. Aber Ryou und meine Wenigkeit sind für ihn ohne Belang. Aber wie auch immer... ohne das Video bzw. deinen Tod sieht es schwarz für den Kleinen aus. Und du wirst verstehen, dass ich so etwas nicht zulassen kann, oder?“ Ich mache eine Pause und lasse ihm Zeit für eine bissige Bemerkung. Sie bleibt aus. Hm. Auch gut. Stattdessen fragt er: „Und was willst du jetzt machen? Das Video hast du schließlich nicht im Kasten und ich lebe noch.“ Ich seufze. Aber ich hatte auch nicht wirklich erwartet, dass er mir würde folgen können. Dafür mangelt es ihm an Kreativität. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. Naja, wir haben ja noch ein wenig Zeit für Erklärungen, die sogar Wheeler verstehen dürfte. „Grey wird sein Video bekommen.“ verkünde ich und beobachte, wie seine Züge nun vollenst entgleisen. Nun sieht er wirklich aus wie ein Welpe. Ein putziger, dummer Welpe. „Ich verstehe nicht, wie willst du...“ hebt er an, doch ich unterbreche ihn ungehalten. „Den ersten Teil haben wir schon einmal im Kasten. Den Rest werden wir jetzt noch drehen.“ erkläre ich ruhig und deute mit dem Kopf auf Dante. Es dauert ein paar Sekunden ehe er begreift. Dann weiten sich seine Augen entsetzt und er starrt mich an als hätte ich gerade verkündet, ich würde ihm den Arm amputieren müssen. Bei Ra, ich liebe diesen Gesichtsausdruck einfach. Er ist zu köstlich. Entertainment pur. „Du willst... ihn...“ Er schluckt hart. Ich nicke. „So sieht´s aus.“ bestätige ich seine Vermutung. „Unser Dante hier wird deinen Part übernehmen. Diese Rolle ist ja auch nicht weiter schwierig.“ Ich schenke ihm ein süffisantes Lächeln. „Der wahre Star bin ja auch ich.“ Wheeler schüttelt langsam den Kopf. „Du bist verrückt. Vollkommen übergeschnappt.“ meint er. „Das funktioniert doch nie im Leben. Grey wird sofort erkennen, dass... Und überhaupt, wir können doch nicht...“ Ich seufze und schüttele tadelnd den Kopf während ich ihm ins Wort falle. „Deshalb musste ich die Eröffnungsszene ja auch mit dir drehen, Holzkopf.“ erläutere ich ihm die Sachlage trocken. „Gleich werden wir Besuch von einer reizenden Assistentin bekommen, die uns helfen wird, unseren Film so zusammenzuschneiden, dass der gute Grey Stein und Bein schwören wird, dass du in diesem hübschen kleinen Werk zerlegt wirst. Ach ja, ich liebe die moderne Technik. Und hey, das wird mein erster Snuff-Film.“ Ich gebe ihm einen aufmunternden Klaps auf die unverletzte Schulter. „Und was unseren Dante hier betrifft... Er ist ein Helfer des Feindes und hätte dich ohne mit der Wimper zu zucken kalt gemacht. Also, spar dir dein Mitleid für jemand anderen.“ sage ich ernst. „Zudem hatte er absolut keinen Sinn für Humor. Du kannst dir nicht vorstellen wie langweilig es die ganze Zeit mit ihm war.“ „Was ist mit Seto?“ Wie immer wenn er Kaibas Vornamen benutzt, zieht sich auch jetzt etwas in mir zusammen. „Was soll mit ihm sein?“ entgegne ich harsch. „Weiß er von all dem hier?“ Ich schüttele den Kopf. „Mir blieb leider nicht die Zeit dazu, unseren glorreichen Anführer zu unterrichten.“ In kurzen Zügen schildere ich ihm widerwillig was sich nach meiner Ankunft in Japan ereignet hat. Wheeler hört mir aufmerksam zu. „Wie du siehst, konnte ich Kaiba nicht informieren. Es wäre ein zu großes Risiko für Ryou. Und deshalb werden wir auch jetzt versuchen Kontakt mit ihm aufzunehmen. Allerdings würde ich dir raten, Mokuba anzurufen. Sein Film dürfte inzwischen aus sein.“ Zufrieden stelle ich fest, dass ich ihn erneut überrascht habe. Herrje, der Junge ist aber auch wirklich nicht gerade eine Leuchte. Oder er unterschätzt mich nach wie vor. Er scheint einen Augenblick zu überlegen und sein Blick wandert kurz zu Dante, der noch immer friedlich schlummert. Dann zieht er sein Handy hervor und nur ein paar Sekunden vergehen bis Mokuba sich zu melden scheint. „Hey, Kleiner.“ Eines muss man ihm lassen. Er schafft es vollkommen normal zu klingen. „Mir ist noch was dazwischen gekommen. … Nein, ich habe nur ne alte Bekannte getroffen und trinke noch was mit ihr. Das ist doch ok für dich, oder?... Gut. Ich bin vor sieben zurück, keine Sorge. Den Horrorfilm sehen wir uns dann zusammen an.“ Es folgen noch ein paar Nettigkeiten, dann ist das Gespräch zu Ende und ich klatsche begeistert. „Respekt, Wheeler. Das war schon fast oscarreif.“ sage ich, doch er wirft mir nur einen säuerlichen Blick zu. „Welche Assistentin?“ will er dann wissen und ich strahle ihn vergnügt an. „Oh, das, mein lieber Joey, wird dir gefallen.“ entgegne ich gutgelaunt. „Sie ist sozusagen eine alte Bekannte von dir. Duke hat den Kontakt hergestellt. Ich hoffe nur, die Kleine ist so gut, wie er gesagt hat. Aber normalerweise kann man sich auf den Kater verlassen. Tja, wir werden ja sehen.“ Joey sieht mich noch immer fragend an. „Sie müsste bald hier sein.“ sage ich nur und er verzieht leicht den Mund. „Und was dann?“ fragt er ein paar Minuten später. „Ich meine, wie geht es weiter, wenn du diesen Film hast? Und was ist mit Seto? Wenn Grey ihm diese Aufnahme zukommen lässt, dann...“ Ich mache eine wegwerfende Geste. „Alles zu seiner Zeit.“ erwidere ich lässig. „Erzähl mir lieber, warum du hier bist und nicht in Ägypten. Was ist passiert?“ Der Blonde zögert. Ich zünde mir eine weitere Zigarette an. „Mein Vater hat einen Erpresserbrief bekommen. Es gibt Aufnahmen von mir und auch von dir in Siegfried´s Haus.“ sagt er schließlich und ich pfeife anerkennend. „Schlau. Wirklich sehr schlau.“ befinde ich ehrlich. „Dieser Grey scheint sein Handwerk tatsächlich zu verstehen.“ Wheeler bedenkt mich mit einem missbilligenden Blick. „Seto meinte, es wäre besser, wenn Mokuba und ich nach New York zurückkehren.“ fährt er dann fort. „Er hat einen Plan.“ Diese Offenbarung erstaunt mich nicht wirklich. Schließlich wird es ja auch Zeit, dass unser Genie die Zügel in die Hand nimmt. „Ich höre.“ Wieder zögert mein Gegenüber und ich vermute, er wägt ab ob er mir tatsächlich trauen kann. Ich schenke ihm ein spöttisches Lächeln. „Falls es dir entgangen sein sollte, wir stehen auf der gleichen Seite.“ bemerke ich und er verzieht leicht den Mund, gibt sich dann aber scheinbar einen Ruck. „Seto hielt es für eine gute Idee, Grey in die Hände zu spielen. Ihn im Glauben zu lassen, dass nach wie vor alles nach seinem Plan läuft. Deshalb bin ich hier. Und deshalb will er Grey die Information zukommen lassen, dass das Attentat auf Roland gelungen ist.“ erzählt er und ich nicke bedächtig. Gar keine üble Idee. Im Gegenteil. Solange Grey sich in Sicherheit wiegt, hat Kaiba mehr Handlungsspielraum. „Was sonst noch?“ hake ich nach. Wheeler zuckt leicht mit den Schultern. „Seto hat Ishizu zu John Armstrongs Mutter geschickt.“ meint er und ich muss zugeben, dass dieser Punkt mich nun doch ein wenig überrascht. „Über Omar, den Attentäter, will er an Greys rechte Hand ran kommen. Wie genau, kann ich dir nicht sagen.“ „Interessant.“ befinde ich und Wheeler mustert mich argwöhnisch. „Scheinbar geht sein Plan auf.“ meine ich mehr zu mir selbst als an ihn gewandt und sofort fragt er: „Wie meinst du das?“ Ich winke ab. „Grey wollte mir erst einen anderen Begleiter mitschicken.“ entgegne ich. „Dann hat er sein Vorhaben jedoch geändert und Dante begleitete mich. Ich vermute, dass hat mit Kaiba´s Plan zu tun.“ Der Blonde nickt zustimmend. Ich denke kurz nach. Kaiba will also den Eindruck erwecken, dass Greys Pläne bislang aufgegangen sind – in Bezug auf Roland und Wheeler. Das heißt, ich spiele ihm gerade mit meinem Vorhaben in die Hände. Beiläufig mustere ich Wheeler. Die Wunde hat aufgehört zu bluten. Genau wie ich es gesagt habe. Doch der Blonde sieht noch immer etwas mitgenommen aus. Kein Wunder. Sein Haar ist vollkommen zerzaust und sein Hemd mehr als nur mit Blut befleckt. Und er ist auch noch immer etwas blass um die Nase. Unwillkürlich frage ich mich wieder einmal, was Kaiba an diesem Kerl findet und könnte mich zugleich wieder dafür verfluchen, dass ich überhaupt darüber nachdenke. Was zum Teufel sehe ich in Kaiba, dass mich so fesselt? Ich weiß es noch immer nicht und ein Teil von mir will es auch nicht wissen, nicht darüber nachdenken und schon gar nicht in Wheelers Nähe sein. „Warum zum Teufel musstest du mir diesen Schnitt verpassen?“ Joey´s ungehaltene Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich lege den Kopf leicht schief und betrachte ihn amüsiert. „Mir war gerade danach.“ entgegne ich lässig und freue mich über seine Reaktion. Seine Augen weiten sich für den Bruchteil einer Sekunde vor Erstaunen, dann werden sie zu zwei kleinen Schlitzen und er funkelt mich an. „Du bist ein gottverdammter Freak.“ faucht er mich an und ich lache. „Keinen Plan, warum Kaiba dir vertraut, du bist und bleibst ein Psychopath!“ Ich halte seinem kleinen Ausbruch gelassen stand, betrachte gespielt amüsiert meine Fingernägel und genieße es Joey Wheeler aufbrausen zu sehen. Und wie er aufbraust. Mit einem Schlag bricht seine ganze Frustration und Wut aus ihm heraus. Fast rechne ich damit, dass er erneut versucht auf mich loszugehen, doch er scheint sich eines besseren zu besinnen. Das Hündchen hat dazu gelernt, stelle ich belustigt fest. Wheeler bedient sich nun verbaler Attacken. Ich lasse sie gleichmütig über mich ergehen. „... und du sagst, wir würden auf einer Seite stehen, dass ich nicht lache!“ Er hält kurz inne und ich sehe auf die Uhr. „Bist du fertig?“ frage ich ruhig und bringe ihn damit scheinbar aus dem Konzept. Er erwidert nichts. Ich seufze. „Zu deiner Information, Wheeler, diese Nummer vorhin war notwendig, auch wenn ich sie durchaus genossen habe.“ erkläre ich ihm dann trocken. „Erstens habe ich so eine überzeugende Aufnahme von dir und zweitens musste ich Dante erst einmal in Sicherheit wiegen. Der Typ mag zwar eine Spaßbremse sein, aber er ist bei weitem nicht so dämlich wie er aussieht.“ Ich lächele triumphierend als sein Mund aufklappt und er mich anstarrt. „Und jetzt reiß dich gefälligst zusammen. Es ist nur ein Kratzer.“ beende ich diesen Disput und hoffe, dass die junge Dame bald eintreffen wird. „Trotzdem bist du ein Arsch.“ meint Joey und ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Ich mag dich auch nicht sonderlich, was soll´s? Wir müssen ja nicht das Bettchen teilen.“ entgegne ich bissig und zu seinem Glück hält er nun die Klappe. In diesem Augenblick klingelt mein Handy. Ich nehme den Anruf entgegen. „Ich bin da.“ meldet sich eine weibliche Stimme. Der Tonfall gefällt mir und auch das kurze Intro. Nur keine Zeit vergeuden. Duke´s Wahl scheint jetzt schon gut zu sein. „Lagerhaus 4B. Nimm die Seitentür.“ erwidere ich und lege auf. Wheeler sieht mich fragend an. „Unsere Assistentin ist da.“ erkläre ich und wende mich Dante zu, der leise aufstöhnt. Ah, sehr gut. Er kommt langsam zu sich. Auf den Punkt genau. Bei meiner Planung war allerdings nichts anderes zu erwarten. Ich höre wie die Seitentür geöffnet wird und rufe: „Hier.“ Schritte hallen durch den Raum. High Heels. Ich lächele unwillkürlich. Eine kleine Hand schiebt die Plastikfolie beiseite und ich blicke in große violette Augen. „Dann können wir ja anfangen.“ sage ich und beobachte wie ihr Blick erst mich streift und dann zu Wheeler wandert. „Katsuja!“ entfährt es ihr sichtlich erstaunt. „Mai!“ entgegnet er nicht minder überrascht und ich lächele in mich hinein. Ja, Duke´s Wahl war alles andere als schlecht... ________________________________________ Ja, Mai Valentine! Ich hoffe ihr seid "angenehm" überrascht. Wie ihr ja wisst, bin ich bemüht, alle Yugioh-Charas irgendwie in die Geschichte einzubauen. Bei Mai war ich allerdings unschlüssig über das wie und wann. Jetzt schien mir der passende Zeitpunkt und ich vermute, dass ihr ahnt, warum. Ich hoffe, dass Kapitel hat euch gefallen. Ich muss zugeben, ich schreibe immer lieber aus Bakura´s Sicht. Irgendwie wird diese Story auch mehr und mehr eine indirekte Hommage an den Dieb. Aber keine Sorge, Seto kommt keineswegs zu kurz. Bereits im nächsten Kapitel wird er sich in altem Glanze zeigen. Viel Spaß weiterhin und Merci für das superliebe feedback! Lili Kapitel 95: Operation "Quentin" Teil 1 -------------------------------------- „Ich werde dir zu gegebener Zeit mitteilen, wo wir uns treffen werden. Halt dich also bereit. Nur du, dein Fahrer und das Mädchen. Niemand sonst. Hast du verstanden?“ sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung und Omar sieht mich fragend an. Ich nicke. „Verstanden.“ erwidert der Araber und es macht Klick in der Leitung. Quentin hat das Gespräch beendet und Omar legt das Handy zurück auf den Tisch. „Gut gemacht.“ meine ich an den Araber gewandt, der mich gleichgültig ansieht. „Odion wird dein Fahrer sein.“ erläutere ich ihm die Vorgehensweise weiter. „Du wirst ihn mit in das Gebäude nehmen, in das dieser Quentin dich befiehlt. Gleichgültig was er sagt. Notfalls behauptest du, Ishizu hätte Widerstand geleistet.“ Omar verzieht säuerlich den Mund. Für einen Araber ist es eine Beleidigung, ihm zu unterstellen, dass er nicht allein mit einer Frau würde fertig werden, doch seine Männlichkeit kümmert mich augenblicklich nicht im geringsten und er ist klug genug, um nicht offen zu protestieren. Ich nicke Odion zu und er deutet dem Ägypter an, aufzustehen. „Bring ihn nur ins Nebenzimmer.“ ordne ich an. „Er muss in der Nähe sein falls Quentin sich meldet.“ Odion nickt und verlässt mit Omar den Raum. Ich wende mich Marik und Alister zu. Dem jungen Ägypter ist anzusehen, dass ihm unsere nächsten Schritte nicht behagen und ich will es nicht noch schlimmer machen indem ich ihn daran erinnere. Marik weiß auch so, was er zu tun hat. „Was machen wir, wenn dieser Typ sich meldet?“ will Alister wissen und bezieht das „Wir“ wohl auf sich und mich. Ich überlege kurz. Roland ist noch nicht wieder ganz auf den Beinen. Er wird mich keinesfalls begleiten können, auch wenn ich ihn gerne an meiner Seite wüsste. Folglich bleibt mir keine andere Wahl als den Rothaarigen mitzunehmen. Zumal er sich um die Ortung des Handys kümmern muss. Schließlich kann ich es nicht riskieren, dass mein Vorhaben jetzt noch auffliegt, nur weil Quentin merkt, dass Omar verfolgt wird. Ich bin sicher, dass der Brite sich abgesichert hat. Wenn ich die Sachlage richtig einschätze, wird er Omar zu einem bestimmten Ort bestellen und ihm erst von dort aus weitere Instruktionen erteilen. Und ab dem Moment wird man den Araber auch beschatten lassen. So würde ich an Quentins Stelle vorgehen. Mag sein, dass Greys Handlanger nicht so weit denkt wie ich, aber es wäre töricht jetzt noch einen Fehler zu machen, indem ich ihn unterschätze. „Wir werden den Drei folgen. Stell am Besten schon mal eine direkte Verbindung zu dem Handy her. Ich bin sicher, dass Quentin sich nicht allzu lange Zeit lassen wird.“ antworte ich ihm nach kurzem Überlegen und der Rothaarige nickt. Sofort sitzt er wieder vor seinem Laptop. Marik seufzt kaum hörbar. „Dann werde ich mich jetzt wohl auch langsam fertig machen.“ meint er und verzieht leicht den Mund. Ich entgegne nichts, nicke nur leicht mit dem Kopf und der Junge setzt sich langsam in Bewegung. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Alister ihm grinsend nachschaut. Als er jedoch meinen Blick bemerkt, wird er wieder ernst und wendet sich seinem Laptop zu. Für ein paar Minuten ist nur das leise Rattern der Tastatur zu hören. Dann blickt der Rothaarige auf. „Verbindung steht.“ teilt er mir mit und ich nicke. „Hast du schon einen Plan, wie du mit diesem Quentin verfahren willst?“ fragt Alister nach einer kurzen Pause und ich vermute, dass er bei dieser Frage an Bakura denkt. Wäre der Dieb hier, nun, dann würde ich es sicher ihm überlassen, die erforderlichen Informationen aus Greys Handlanger herauszuquetschen. Aber Bakura ist nicht hier. „Das werde ich entscheiden, wenn ich mir ein Bild von diesem Quentin gemacht habe.“ erwidere ich nüchtern und für einen Augenblick habe ich das Gefühl, dass ihn diese Antwort amüsiert. Vermutlich traut er mir nicht zu, jemanden auf Bakura´s Art zu verhören. Unwillkürlich frage ich mich, wie oft er solchen Aktionen des Diebes beigewohnt hat. Und was genau ihn mit dem Dieb verbindet. Alister zuckt leicht mit den Schultern. „Heißt es nicht, ein guter Spieler denkt fünf Schritte voraus?“ fragt er dann, was mich gleichermaßen überrascht wie amüsiert. Sein Blick ruht vollkommen gleichmütig auf mir und ich nicke. „Ja.“ bestätige ich seine Aussage. „Aber ein hervorragender Spieler denkt nur einen Schritt voraus. Den Richtigen.“ Der Rothaarige entgegnet nichts, aber ich glaube so etwas wie Anerkennung in seinen Augen zu sehen. Ehe noch einer von uns etwas sagen kann, betritt Odion den Raum. Sein Blick trifft meinen und der Ägypter erklärt: „Der Wagen ist bereit. Wir können starten sobald der Anruf gekommen ist.“ Ich nicke. „Sehr gut.“ entgegne ich zufrieden. „Dann hoffen wir mal, dass uns dieser Quentin nicht allzu lange warten lässt.“ Odion nickt kaum merklich. „Hast du schon etwas von Ishizu gehört?“ will ich beiläufig wissen. Der Mann schüttelt den Kopf. Ich hatte auch noch nicht wirklich mit einer Nachricht der jungen Frau gerechnet. Mein Blick wandert kurz zur Uhr. Vermutlich ist sie auch gerade erst angekommen. Es dürfte demnach noch eine Weile dauern, bis sie sich meldet und vielleicht habe ich dann auch schon die Informationen, die ich benötige. So oder so, es ist auf jeden Fall besser, zwei Eisen im Feuer zu haben, auch wenn ich mir von ihrem Besuch bei John´s Mutter nicht allzu viel verspreche. „Gehen wir noch einmal den Plan durch.“ Odion nickt. „Omar hat seine Instruktionen und ich glaube nicht, dass er es riskieren wird, ihnen zuwider zu handeln.“ erkläre ich und für einem Moment zucken die Mundwinkel des Ägypters. Ja, ich bin mir sicher, dass Odion dem Araber sehr nachdrücklich eingeschärft hat, welche Konsequenzen es haben würde, wenn er versuchen würde aus der Reihe zu tanzen. Omar ist lediglich ein Söldner. Ihm geht es nicht um die Sache an sich und er hegt weder Sympathie für Greys Seite, noch für meine. Augenblicklich dürfte es für ihn am Wichtigsten sein, wohlbehalten aus dieser Nummer herauszukommen. Ich bin mir daher sicher, dass er keinerlei Anstalten machen wird, Quentin zu warnen. Zudem wird Odion an seiner Seite sein. „Quentin wird sich natürlich nicht alleine mit euch treffen.“ fahre ich mit meinen Überlegungen fort. „Ich tippe auf zwei bis drei Wachen. Vermutlich wird er auch noch außerhalb einige Leute postieren, aber ich glaube nicht, dass wir es mit einem großen Trupp zu tun bekommen werden.“ Wieder nickt der Ägypter. „Mach dir darum keine Sorgen, Freund.“ meint der Älteste der Ishtar-Geschwister. „Marik und ich werden mit ihnen schon fertig werden.“ Ich nicke. „Ich weiß.“ entgegne ich ehrlich. „Und den Rest übernehmen Alister und ich.“ Einen Moment sieht mich der Rothaarige mit einer Mischung aus Skepsis und Überraschung an. Ich lächele. „Physisch wirst du nicht zum Einsatz kommen, Alister. Deine Aufgabe beschränkt sich auf die Observation.“ sage ich mit einem leichten Schmunzeln und bin nicht sicher ob ihn meine Aussage beruhigt oder beleidigt. Er entgegnet jedoch nichts. Ich fahre mit meiner Ausführung fort: „Ihr drei fahrt los sobald der Anruf gekommen ist. Während der Fahrt wird man euch weitere Instruktionen erteilen. Wir werden euch mit einigem Abstand folgen. Das heißt wir werden erst kurze Zeit nach euch den Treffpunkt erreichen. Solange spielt ihr eure Rollen weiter. Marik weiß Bescheid.“ Ich halte kurz inne. „Quentin wird seine Verkleidung sicher nicht auf Anhieb durchschauen. Trotzdem wäre es gut, wenn ihr ihn etwas hinhalten könnt, um uns Zeit zu verschaffen. Wir, das heißt, ich werde mich erst um die möglichen Außenposten kümmern. Sobald das erledigt ist, werde ich zu euch stoßen und wir übernehmen.“ Odion nickt. „Verstanden.“ meint er mit ernster Miene. „Gut.“ befinde ich abschließend. „Dann wäre damit alles gesagt.“ Als Marik in den Raum zurückkehrt, blicken wir alle auf ihn. Odions Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen und Alister starrt den jungen Ägypter erstaunt an. „Wow.“ entfährt es dem Rothaarigen und Mariks Augen schleudern ihm Blitze zu, worauf sich Alister verlegen abwendet. „Ishizus Kleid steht dir wirklich gut, kleiner Bruder.“ meint Odion und Marik verzieht gequält den Mund. „Jetzt noch den Schleier davor und auf dem Basar würden dich...“ „Sag´s nicht!“ unterbricht der Grauhaarige ihn unwirsch. „Das hier ist schon beschämend genug für mich.“ Sein Blick spricht Bände und ich bemühe mich, weiterhin eine ernste Miene aufzusetzen. Aber Odion hat Recht. Selbst ohne den Schleier würde der Junge als hübsche Frau durchgehen. Wenn auch als eine hübsche Frau mit einem Blick, der einen erdolchen könnte. Jegliche Zweifel, dass Quentin dieses Manöver doch durchschauen könnte, sind dahin. Marik wird seine Rolle überzeugend spielen und auf Odion ist Verlass. Die Operation wird ein Erfolg werden. Dessen bin ich mir sicher. „Ich werde kurz nach Roland sehen.“ erkläre ich und Odion nickt. Mit ein paar kurzen Schritten verlasse ich den Raum und begebe mich zu dem Zimmer, in dem mein Assistent untergebracht wird. Kaum habe ich den Raum betreten, versucht er auch schon sich aufzurichten, doch ich winke ab. „Bleiben sie liegen, Roland.“ sage ich entschieden und er lässt sich zurück in die Kissen sinken. „Wie geht es ihnen?“ frage ich und nehme auf dem Stuhl neben seinem Diwan Platz. Seine Miene ist genau wie immer. Nichts an ihr deutet darauf hin, dass er angeschossen wurde und mit dem gewohnt ruhigen Blick sieht mich mein Assistent auch an. „Danke Sir, es geht mir schon besser.“ entgegnet er und ich schenke ihm ein kleines Lächeln. „Odion hat mir von ihrem Vorhaben erzählt.“ bemerkt er als nächstes, was mich keineswegs überrascht. Nachdem Ishizu gegangen war, war es vornehmlich der Ägypter, der sich um Roland kümmerte und ein Blick auf den Beistelltisch verrät mir, dass die Beiden wieder einmal Karten gespielt haben. „Ich gehe davon aus, dass ich meinen Plan noch heute in die Tat umsetzen kann.“ entgegne ich sachlich und Roland nickt. „Es tut mir leid, dass ich ihnen nicht bei der Umsetzung zu helfen vermag, Sir.“ höre ich ihn dann sagen und sein Gesicht nimmt einen leicht zerknirschten Ausdruck an. Ich weiß nur zu gut, dass er diese Tatsache bedauert. Schließlich kenne ich Roland zur Genüge. „Ich würde sie auch gerne an meiner Seite wissen, Roland, aber ihre Gesundheit geht vor. Sie haben auch bereits genug getan.“ erwidere ich ernst. „Machen sie sich deshalb keine Gedanken. Wir werden die Operation auch ohne sie durchziehen können.“ Wieder nickt er, doch ich sehe ihm deutlich an, dass es ihm keineswegs behagt, untätig bleiben zu müssen. „Sie müssen erst wieder vollständig genesen, Roland.“ erkläre ich. „Außerdem sind sie offiziell tot.“ „Ich weiß.“ entgegnet er ohne mit der Wimper zu zucken und ich fahre fort: „Umso größer wird der Überraschungseffekt für unseren Gegner sein, wenn sie erst wieder ganz auf den Beinen sind. Grey sind sie definitiv ein Dorn im Auge. Was ich nur zu gut verstehen kann.“ Ich weiß, dass er die eigentliche Bedeutung hinter meinen Worten versteht, doch natürlich lässt er sich nichts davon anmerken. Stattdessen wechselt er das Thema. „Master Mokuba ist also wieder in den Staaten.“ Ich nicke und auch Roland nickt leicht. Vermutlich kann er meine Beweggründe, meinen Bruder mit Joey wegzuschicken, am Besten verstehen. „Ich hoffe, dass diese Angelegenheit bald ein Ende findet.“ meint er nach kurzem Schweigen und sein Blick spricht Bände. „Dafür werde ich schon sorgen.“ entgegne ich und für den Bruchteil einer Sekunde huscht ein Lächeln über sein sonst so stoisches Gesicht. „Dessen bin ich mir sicher, Sir.“ Aus irgendeinem Impuls ergreife ich spontan seine Hand und diese Geste scheint ihn ebenso zu überraschen wie mich selbst. Irgendwie habe ich das Gefühl noch etwas sagen zu müssen, doch seltsamerweise fehlen ausgerechnet mir gerade die Worte und ich vermag es nur, Roland anzusehen. Doch wie immer scheint mein Assistent mich auch ohne Worte zu verstehen, denn er drückt leicht meine Hand. Ich habe gerade meine Hand zurückgezogen als Marik ins Zimmer platz. „Das Handy klingelt.“ berichtet er sichtlich aufgeregt und bemerkt dabei nicht einmal Rolands leicht irritierten Blick angesichts seines ungewöhnlichen Aufzuges. Ich bin sofort auf den Beinen. „Odion ist schon bei Omar.“ meint Marik weiter und ich folge dem Jungen durch den Salon zu dem kleinen Zimmer, in dem der Araber untergebracht ist. Omar hält sich mit steinerner Miene das Handy ans Ohr. Odions Hand liegt dabei auf seiner Schulter. „Ich verstehe.“ sagt der Araber. „Ich werde umgehend aufbrechen. Länger als fünfzehn Minuten werde ich für die Fahrt nicht brauchen.“ Damit ist das Gespräch scheinbar auch schon beendet. Fragend sehe ich den Araber an. „Ich soll mit dem Mädchen zu der alten Tankstelle fahren und mich dann wieder melden.“ übermittelt er mir Quentins Anweisungen und ich nicke. „Gut, dann wird es jetzt ernst.“ Mein Blick wandert kurz zu Odion und dann zu Marik und beide nicken zustimmend. „Komm mit.“ meint der ältere Ägypter an den Araber gewandt und zieht ihn mehr oder weniger auf die Beine. „Bis zu der Tankstelle ist es nicht weit. Sie liegt am Stadtrand.“ erklärt mir Marik knapp. „In direkter Nähe ist weit und breit nichts als Wüste. Aber die Straße dort führt direkt in den Nachbarort. Dort befinden sich mehrere Lagerhäuser abseits der eigentlichen Wohnsiedlung.“ „Verstehe.“ Scheinbar ist dieser Treffpunkt perfekt für eine Überwachung geeignet. Quentin ist also vorbereitet. Gut. Wir sind es auch. „Wir gehen vor wie besprochen.“ sage ich nur und überlasse alles weitere den beiden Ägyptern. Ich selbst begebe mich zu Alister, der noch immer nebenan sitzt. „Mach dich startklar.“ weise ich den Rothaarigen an, worauf er seinen Laptop zuklappt und sich erhebt. Während er seine Utensilien verstaut, stecke ich mir mein Handy und eine der Waffen ein, die Odion mir besorgt hat. Dabei entgeht mir nicht Alisters leicht argwöhnischer Blick. Doch der Rothaarige sagt nichts. Ich blicke auf die Uhr. „Steigen wir schon mal in den Wagen.“ entscheide ich und ohne ein weiteres Wort begebe ich mich zum Hinterausgang, wo der Geländewagen bereits auf uns wartet. Alister nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und klappt erneut seinen Laptop auf. Auf dem Bildschirm erscheint eine Karte und ich vermute, dass die rote Linie darauf, Odions Fahrspur kennzeichnet. Omar meinte, die Fahrt bis zur der Tankstelle würde nicht länger als zehn Minuten dauern. Dort werden sie also erst einmal halten müssen, um Quentin erneut zu kontaktieren. Folglich wäre es keine gute Idee gleich zu starten. Da sich in der Nähe des Treffpunktes laut Marik keine Möglichkeit befindet, die Tankstelle unauffällig zu observieren, wäre es töricht, zu früh dort hin zu begeben. Quentins Männer würden uns direkt bemerken. Wieder sehe ich auf die Uhr. „Sag mir, wenn sie anhalten.“ sage ich an Alister gewandt, dessen Blick auf der Karte ruht. Wenn ich erst losfahre, nachdem der Ägypter wieder gestartet ist, dürften wir seinen Verfolgern entgehen. „Wie weit ist es zu diesem Nachbardorf?“ will ich wissen und der Rothaarige lässt den Mauszeiger über die Karte wandern. „Ungefähr 15 Kilometer.“ antwortet er und ich nicke. Die Fahrt von der Tankstelle zu Quentins Unterkunft dürfte demnach nicht lange dauern, vorausgesetzt dass er sich tatsächlich in diesem Dorf aufhält. „Was ist sonst noch in der Nähe? Wie weit ist es bis zu der nächsten Stadt oder Ortschaft?“ frage ich weiter und Alister antwortet unverzüglich: „Da ist noch ein kleinerer Ort westlich, 20 Kilometer entfernt und eine Stadt in etwa 30 Kilometer Entfernung.“ Ich bezweifle, dass Quentin sich für die Stadt entschieden hat. Ein abgelegenes Dorf passt besser zu seinem Vorhaben, auch wenn ein Ausländer dort wohl eher auffallen dürfte. Doch die Ägypter kümmern sich in der Regel nicht weiter um Fremde und ich vermute auch, dass der Brite ohnehin für einen solchen Fall Vorkehrungen getroffen hat. Nun, in Kürze werde ich mehr wissen. Ich ziehe eine Packung Zigaretten aus meiner Jackentasche und halte sie Alister hin. Der Rothaarige winkt ab, aber ich zünde mir eine an. Ich habe sie erst halb geraucht als Alister sagt, dass Odion nun angehalten hätte. Ich rauche auf und starte den Motor. „Welche Richtung?“ frage ich worauf Alister mich zu dirigieren beginnt. Ich fahre bewusst langsam, halte mich an die örtlichen Verkehrszeichen und werfe hin und wieder einen Blick in den Rückspiegel. Niemand scheint uns zu folgen. Ein gutes Zeichen. Wir haben etwa die Hälfte des Weges zum Treffpunkt zurückgelegt als mein Beifahrer meint: „Jetzt starten sie wieder. In südwestlicher Richtung.“ Ich nicke nur und beschleunige das Tempo ein wenig. Als wir die Tankstelle passieren, ist weit und breit nichts auffälliges zu sehen. Hier und da parkt ein älteres Auto, doch nichts davon weist darauf hin, dass es sich um einen Observationsposten handelt und als wir das freie Feld erreichen, bin ich sicher, dass uns niemand folgt. Erleichtert atme ich kurz tief durch. Teil eins meines Planes hat demnach funktioniert. Bleibt nur zu hoffen, dass sich auch die zweite Phase ohne weitere Probleme umsetzen lässt. „Sie fahren zu dem nächstgelegenen Dorf.“ höre ich Alister sagen. „Sicher?“ hake ich nach. Der Rothaarige nickt. „In der Nähe ist sonst nur Wüste.“ entgegnet er schlicht. Wortlos fahre ich weiter, wobei ich nach wie vor mein Umfeld im Auge behalte. „Sie halten an.“ bemerkt Alister schließlich. Es dauert nicht lange und ich sehe wie sich die ersten kleineren Häuser am Horizont abzeichnen. Im ersten Augenblick sieht es so aus, als würde das Dorf nur aus ein paar Häusern und Hütten bestehen, doch als wir den Ortseingang passieren, entdecke ich in der Ferne ein paar größere Gebäude und erkenne, dass das Dorf größer ist, als es auf Anhieb wirkt. Auf der Straße befinden sich kaum Menschen, was wohl an der Uhrzeit liegen mag. Kaum einer ist in der direkten Mittagshitze in Ägypten unterwegs, was der Brite wohl einkalkuliert hat. „Wie weit sind sie entfernt?“ will ich wissen und steuere den Wagen in eine kleine Gasse. „Etwa zweihundert Meter.“ ist die Antwort. Hinter einem größeren Gebäude bringe ich den Wagen zum stehen und schalte den Motor ab. „Hier dürfte uns niemand entdecken.“ sage ich mehr zu mir selbst als an Alister gewandt, der mich dennoch fragend ansieht. „Du bleibst hier.“ erkläre ich und greife mir von dem Rücksitz die Galabija, die ich von Odion bekommen habe und die mir schon einmal als Verkleidung diente. Zwar tragen die meisten Einheimischen inzwischen nur noch selten diese traditionelle Kleidung, aber für einem Ausländer falle ich damit sicherlich weitaus weniger auf als in zivil. Alister beobachtet mich schweigend während ich mir das Gewand überstreife. Dann reicht er mir einen Kommunikator, den ich an meinem Ohr befestige. „Du kannst mich hören, ich dich aber nicht.“ erklärt er und ich nicke. „Ich werde dich zum Zielpunkt dirigieren.“ Sein Blick wandert wieder zu dem Bildschirm. „Ich kann nicht genau ausmachen, wie viele Personen in der Nähe sind. Dafür habe ich nicht die richtige Ausrüstung am Start.“ meint er dann und ich winke ab. „Sag mir einfach wo ich lang muss.“ entgegne ich und steige ohne ein weiteres Wort aus dem Wagen. Ungefähr kenne ich die Richtung, in welche ich mich bewegen muss. Zum Glück ist weit und breit kein Mensch zu sehen. So fällt es nicht weiter auf, dass ich an den nächsten Häuserwänden vorbei haste. „Halte dich nordöstlich.“ höre ich Alister sagen und blicke nach rechts. Noch zwei Häuser und ich werde einen offenen Platz überqueren müssen. Schnell begebe ich mich zur Ecke des letzten Hauses und sehe mich um. Auf der anderen Straßenseite sitzen ein paar Ägypter vor einer Hütte. Einer davon ist mit einem größeren Topf beschäftigt, die anderen schlafen wie es scheint. Ohne sie weiter zu beachten folge ich der Abzweigung in nordöstlicher Richtung und werfe nur einmal einen Blick über die Schulter. Die Männer scheinen mich nicht zu bemerken. Sie stören sich zumindest nicht weiter an mir. Und auch ein Wagen, der langsam an mir vorbeifährt, schenkt mir keine größere Aufmerksamkeit. „Das äußerste Gebäude.“ vernehme ich Alisters Stimme und verstehe auch sofort was er damit meint. In kurzer Distanz sehe ich drei größere Lagerhäuser. Von Odions Wagen ist nichts zu sehen. Vermutlich hat man ihn hinter dem Haus geparkt. Ich bleibe kurz stehen, um im Kopf meine Vorgehensweise durchzugehen und mir die Umgebung genauer anzusehen. Bislang sind keine Wachen zu erkennen. Dennoch zögere ich. Gleichgültig welchen Weg ich jetzt in die Richtung der Häuser einschlage, man wird mich direkt sehen. Nirgendwo ist eine Möglichkeit mich unauffällig zu näheren. Fall jemand die Straße von einem der Häuser aus im Auge behält, falle ich ihm direkt ins Auge. Der Weg an sich ist nicht weit. Ein kurzer Sprint und ich könnte hinter einem der Häuser wieder Deckung beziehen. Aber dadurch würde ich mehr als nur auffallen. Folglich bleibt mir nur die Möglichkeit, mich langsam zu nähern. Gerade als ich mich endlich dazu entschließe, meinen Weg fortzusetzen, bemerke ich eine Frau, die mir langsam entgegenkommt. Sie passiert die Lagerhäuser in gemächlichem Gang. Mein Blick wandert zu den Fenstern des letzten Gebäudes, doch nichts ist zu erkennen. Als die Frau fast an den Häusern vorbei ist, setze ich mich in Bewegung und gehe direkt auf sie zu. Ich muss mich bemühen, langsam zu gehen, zu schlendern und senke im letzten Moment ehe wir uns begegnen den Blick. Wie ich aus dem Augenwinkel wahr nehme, tut sie es mir gleich. Eine tiefe, warme Stimme, die mich ein wenig an Ishizu erinnert, murmelt einen beiläufigen Gruß und auch ich wiederhole die hier gebräuchliche Grußformel, dann habe ich ihr den Rücken zu gewandt und setze meinen Weg der Straße folgend fort, um für einen möglichen Beobachter den Eindruck zu erwecken, ich würde mich anschicken das Dorf zu verlassen. Als ich das vorletzte Gebäude erreicht habe, dränge ich mich an die Hauswand und spähe vorsichtig um die Ecke. In etwa fünfzehn Metern Entfernung steht Odions Wagen. Daneben parkt ein neuerer Jeep und ein unauffälliges Mittelklassemodell. Von den Autos sind es wiederum ungefähr fünf Meter bis zum Eingang des letzten Lagerhauses. Keins der Autos ist besetzt. Vor dem Jeep steht lediglich ein ägyptisch aussehender, hochgewachsener Mann mit einer AK101 bewaffnet, die er augenblicklich aber recht lässig über der Schulter trägt. Er raucht und lässt seinen Blick gelangweilt durch die Gegend schweifen ohne dabei einen besonders wachsamen Eindruck zu machen. Scheinbar rechnet dieser Quentin nicht mit ungebetenen Gästen. Einen Augenblick beobachte ich den Mann intensiv. Dann sehe ich mir die Wagen näher an. Der Escort war allem Anschein nach als erstes hier. Vermutlich ist Quentin damit gekommen. Dann traf Odion ein und schließlich der Jeep, der ihm scheinbar gefolgt ist, kombiniere ich angesichts der Parksituation. Der Brite kam sicher nicht alleine und im Jeep dürften sich auch mehrere Leute befunden haben. Stellt sich nun also die Frage wo die anderen sind und Quentin tatsächlich nur diesen einen Mann vor dem Haus postiert hat. So oder so, es besteht keine Möglichkeit, mich dem Mann ungesehen zu nähern. Sobald ich mich um die Ecke gehe, müsste er mich sehen oder zumindest hören, selbst wenn er nicht von der wachsamsten Sorte zu sein scheint. Wieder überlege ich kurz. Dann greife ich mir eine Handvoll Kies vom Boden und werfe einen etwas größeren Stein in Richtung des Escorts. Er prallt an der Seitentür ab und fällt zu Boden. Ich ziehe meinen Kopf zurück und lausche. Der Ägypter scheint sich aufzurichten. Ich höre wie der Boden unter seinen Füßen knirscht und er ein paar Schritte macht. Erneut nehme ich mir einen Stein und werfe ihn ohne genau zu wissen wohin um die Ecke. Er trifft nur auf den Boden, macht aber dabei ein kleines Geräusch und wieder scheint die Wache ein paar Schritte zu gehen. Als ich das dritte Mal geworfen habe, setzt er sich zügiger in Bewegung und ich höre deutlich, dass er in meine Richtung steuert. Ich weiche ein zwei Schritte von der Ecke zurück und werfe die restlichen Steine gegen die Hauswand vor mir. Vage höre ich den Mann irgendetwas murmeln und glaube zu vernehmen, dass er sein Gewehr in die Hand nimmt. Vorsichtig nähere ich mich wieder der Hauswand und presse meinen Körper gegen den kühlen Stein. Die Schritte bewegen sich nun eindeutig in meine Richtung, halten jedoch kurz inne und ich verdrehe unwillkürlich die Augen. Scheinbar habe ich den Mann noch nicht genug aufgescheucht. Kurz überlege ich, erneut Steine zu werfen, entscheide mich dann allerdings dafür einfach ein wenig mit den Füßen auf dem Boden zu scharren. Wie erwartet reagiert er nun. Ich vernehme ein kleines Klicken, dann wieder Schritte und die Mündung der Waffe erscheint in meinem Blickfeld. Mag der Mann auch sonst nicht von der schnellen Truppe sein, er nähert sich zumindest langsam und vorsichtig der Ecke des Hauses. Ich halte die Luft unwillkürlich die Luft an und hoffe, dass er sich noch ein Stück weiter hervorwagt. Kaum ist dies geschehen, schlage ich zu. Ich greife mit einer Hand nach der Mündung des Gewehres und reiße sie nach oben. Mit der anderen Hand packe ich ihm am Hals und drücke zu. Sofort schnellt seine freie Hand nach oben und um schließt mein Handgelenk. Schnell versetze ich ihm einen gezielten Tritt gegen das Knie und er gibt ein leises Röcheln von sich. Mein rechter Fuß wandert zwischen seine Beine und ich bringe ihn endlich zum Fall. Das Gewehr gleitet ihm aus der Hand, ich packe ihn an der Schulter und ziehe ihn, wohl bedacht darauf nicht zu viel Druck auf seine Kehle auszuüben um die Ecke. Im nächsten Augenblick bin ich auch schon über ihm. Mein Knie drückt hart gegen seinen Brustkorb und ich lockere den Griff um seinen Hals. „Ein Ton und ich zerquetsche deinen Kehlkopf.“ raune ich in das zornige Gesicht. Der Mann scheint mich zumindest zu verstehen. Er blinzelt kurz. Ich taste mit meiner freien Hand nach dem Gewehr ohne den Blick von ihm zu wenden. „Wie viele Leute sind in dem Gebäude?“ will ich wissen und lasse gerade soweit von seinem Hals ab, dass er mir zu antworten vermag. Er scheint kurz zu überlegen. „Sieben.“ keucht er schließlich. „Insgesamt?“ frage ich nach, da ich vermute, dass er damit nicht nur Quentins Handlanger meint. Er nickt leicht. „Gibt es noch weitere Wachen?“ Der Ägypter schüttelt den Kopf. Ohne den Briten gibt es folglich nur noch drei weitere Gegner. Das heißt wir stehen zu dritt gegen vier. Omar wird sich an einem Kampf sicherlich nicht beteiligen, aber Odion alleine dürfte schon mit zwei von Quentins Helfern fertig werden. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, den Mann einfach bewusstlos zuschlagen und ihn liegen zu lassen. Doch dann kommt mir eine bessere Idee. „Du wirst jetzt tun, was ich dir sage.“ erkläre ich ihm und fixiere die dunklen Augen, die mich nach wie vor wütend ansehen. Widerwillig nickt der Mann und ich löse meine Hand von seinem Hals. „Ein Mucks und du bist tot, verstanden?“ frage ich und deute auf das Gewehr, das an mich genommen habe. „Verstanden.“ entgegnet er und ich stehe von ihm auf. „Richte dich ganz langsam auf, keine falsche Bewegung.“ fordere ich ihn auf, wobei ich das Gewehr auf ihn richte. Er tut wie befohlen und rappelt sich wieder auf die Beine. „Wir gehen jetzt zum Eingang.“ Ich deute ihm mit der Waffe an, vorauszugehen. Einen Moment zögert der Ägypter. Dann setzt er sich träge in Bewegung und ich folge ihm. An der Tür angekommen, hält er inne und wartet auf weitere Anweisungen. „Klopf an.“ befehle ich und er hebt die Hand. Beim dritten Klopfen vernehme ich Schritte. Die Tür wird einen Spalt geöffnet und über die Schulter des Ägypters sehe ich einen weiteren Mann. Europäer. Er sieht die Wache fragend an. „Was ist?“ zischt er ungehalten, doch ehe meine Geisel etwas erwidern kann, gebe ich ihr einen Schubs und schleudere sie gegen die Tür, die knarrend nachgibt. Der Ägypter fällt ins Innere des Raumes und zufrieden stelle ich fest, dass auch der andere ins taumeln geraten ist. „Was zum- .“ höre ich ihn überrascht ausrufen, dann versetze ich ihm einen harten Schlag mit dem Kolben und er geht zu Boden. Mein Blick wandert kurz durch den Raum und in knapper Entfernung entdecke ich Odion und Marik. „Jetzt!“ rufe ich den Beiden zu und versetze der Wache ebenfalls einen Schlag. Der Mann fällt wie ein nasser Sack zu Boden, dann eile ich zu meinen Freunden. Omar ist zur Seite gewichen und sichtlich bemüht, sich nicht in das weitere Geschehen verwickeln zu lassen. Marik hat sich auf einen der Männer gestürzt und auch Odion hat bereits einen am Kragen. Meine Zielperson erkenne ich sofort. Ein hochgewachsener Mann in dunklem Anzug. Auf seiner Miene zeichnet sich deutlich Überraschung ab, dennoch reagiert er schnell. Er greift in seine Jackentasche und hat die Pistole schon fast auf Odion gerichtet als ich einen Warnschuss abgebe. Schlagartig halten alle in ihren Bewegungen inne. „Lassen sie die Waffe fallen, Quentin.“ sage ich an den Briten gewandt, dessen Blick mich nun trifft. Er zögert und ich bin sicher, dass er im Kopf seine Möglichkeiten durchgeht. Odion ist es gelungen, einen der Männer zu Boden zu ringen und Marik hat seinen Gegner entwaffnet. „Nimm ihm die Waffe ab, Marik!“ fordere ich den jungen Ägypter auf, der sich den Schleier vom Gesicht gerissen hat. Für einen Moment rechne ich damit, dass Quentin seine Pistole auf ihn richtet. Doch er rührt sich nicht. Selbst als Marik zu ihm tritt, um ihm die Waffe aus der Hand zu nehmen, sieht er mich nur regungslos an. Dann scheint er sich einen Ruck zu geben und reicht Marik, ohne ihn eines Blickes zu würdigen die Waffe. Odion hat seinen Gegner inzwischen wieder auf die Beine gezogen und sieht mich nun fragend an. „Fesselt alle bis auf Quentin.“ erkläre ich und mein Blick wandert kurz zu den zwei Bewusstlosen am Boden, dann zu Omar. „Verschwinde, ehe ich es mir anders überlege.“ sage ich an den Araber gewandt. Er zögert keine Sekunde. Er wirft Quentin noch einen kurzen Seitenblick zu, dann eilt er auch schon zum Ausgang. „Willst du ihn wirklich gehen lassen?“ fragt Odion skeptisch und ich nicke. „Er wird uns nicht weiter behelligen.“ versichere ich dem Ägypter. Ein paar Minuten später haben Odion und Marik Quentins Helfer gefesselt. Der Brite steht noch immer regungslos da und sieht mich an. „Ich nehme an, sie wissen wer ich bin.“ „Seto Kaiba.“ presst Quentin hervor und ich lächele ihn kalt an. Kapitel 96: Zwangslage ---------------------- Sorry, ihr Lieben, dass es mal wieder länger gedauert hat, aber momentan habe ich wirklich einiges um die Ohren und muss mich auch in erster Linie um mein Buch kümmern. Scheiß-Deadline, seufz. Vielleicht ist es ein kleiner Trost, dass die nächsten zwei Kapitel schon fast fertig sind. Und wem Kaiba´s Auftritt im letzten Kapitel etwas zu... trocken war, nun, der darf sich auf das Nächste freuen. Jetzt geht es erst einmal weiter mit Joey und Bakura. Viel Spaß! „Mai.“ wiederhole ich immer noch etwas ungläubig ob sie mir tatsächlich gegenübersteht. Die Blondine lächelt mich an. „Ich habe ja mit vielem gerechnet als Duke anrief, aber dass ich dich hier treffen würde...“ Sie schüttelt leicht den Kopf. „Dito.“ entgegne ich und einen Moment sehen wir uns einfach nur an. Dann wandert mein Blick zu Bakura. Der Dieb lächelt wie eine Katze, die gerade in einen Topf Sahne gefallen ist. „Suprise, Suprise.“ meint der Weißhaarige lässig. „Die Wiedersehensfreude solltet ihr euch allerdings für später aufheben. Jetzt steht erst einmal etwas anderes auf dem Programm.“ Schlagartig werde ich mir wieder der Situation, in welcher ich mich befinde, bewusst. „Mai ist die Assistentin, von der du geredet hast?“ will ich irritiert wissen. Bakura nickt. „Auf besondere Empfehlung von Duke.“ entgegnet er lässig und mein Blick richtet sich wieder auf Mai Valentime. „Sorry, ich verstehe nicht ganz...“ Verlegen kratz ich mir am Kopf. Es ist Mai, die mir antwortet. „Duke hat mich angerufen. Er wollte wissen ob ich jemanden kenne, der sich mit Filmen auskennt, einen Cutter oder so.“ erzählt sie und wirkt dabei ebenso lässig wie Bakura. Und so cool wie ich sie in Erinnerung habe. „Tja, was soll ich sagen... der gute Duke hatte Glück.“ Sie zuckt leicht mit den Schultern und ich befürchte, dass ich den Zusammenhang immer noch nicht so ganz verstehe. Vermutlich blicke ich augenblicklich auch recht belämmert aus der Wäsche, was Bakura sichtlich zu amüsieren scheint. „Ich war eine Zeitlang mit einem Regisseur zusammen.“ klärt sie mich schließlich auf. „Interessante Branche. Ich konnte so einiges aufschnappen und naja, inzwischen experimentiere ich selbst ein wenig.“ Ich nicke langsam. „Das heißt, du schneidest den Film für uns zusammen?“ Sie schenkt mir ein zuckersüßes Lächeln. „Zweifelst du etwa an meinen Fähigkeiten, Katsuya?“ Tadelnd hebt sie den Zeigefinger und unwillkürlich muss ich wieder an früher denken. An meine erste Begegnung mit ihr. Die Zeit im Königreich der Duellanten. Und ich vermute, dass ich rot werde. Mai lacht. „Ich bin weiß Gott kein Profi, aber für den Hausgebrauch wird’s wohl reichen.“ meint sie dann ernster. „Ein Freund hat mir seine Ausrüstung geliehen. Sofern ihr keinen Hochglanzfilm erwartet, dürften meine Fähigkeiten ausreichen. Falls nicht kenne ich genug Leute, die euch weiterhelfen können. Aber Duke meinte, es würde sich um ein recht spezielles Projekt handeln.“ Bei ihren letzten Worten wandert ihr Blick zu Bakura und ich begreife, dass sie überhaupt nicht weiß, worauf sie gerade im Begriff ist, sich einzulassen. Der Dieb macht eine wegwerfende Geste. „Ich will nicht unbedingt einen Oscar gewinnen.“ entgegnet er schlicht. „Dafür ist die Thematik wohl auch zu... speziell.“ Er lacht und ich verziehe angewidert den Mund. „Was ist hier eigentlich los?“ höre ich Mai fragen, die sich wohl jetzt erst richtig umgesehen hat. Ihre Augen weiten sich als ihr Blick, den immer noch bewusstlosen Dante streift. Ich entgegne nichts. Soll doch Bakura ihr seine kleine Idee erläutern. „Ich schätze, Duke hat dich nicht über die gegenwärtige Situation aufgeklärt.“ stellt er fest. Mai sieht ihn fragend an. Der ehemalige Grabräuber seufzt. „Willst du die Einführung übernehmen oder soll ich das machen, Wheeler?“ will er dann an mich gewandt wissen. Mai´s Blick wandert von dem Dieb zu mir. „Die Sache ist etwas kompliziert.“ beginne ich vorsichtig. Bakura lacht. „Was eine geringfügige Untertreibung ist.“ fügt er hinzu und ich funkele ihn wütend an. Er quittiert meinen Blick mit einem süffisanten Grinsen, schweigt jedoch und ich überlege, wie ich Mai am Besten aufkläre. „Du hast doch bestimmt davon gehört, was Kaiba passiert ist?“ frage ich und Mai nickt. „Sicher. Wer hat das nicht? Die Geschichte ging doch wochenlang durch die Presse. Krasse Sache, muss ich schon sagen. Der gute Kaiba hat sich dieses Mal wohl mit den falschen Leuten angelegt.“ Ich nicke. „So sieht´s aus.“ stimme ich zu und sie runzelt die Stirn. Ich seufze. „Jemand hat Kaiba gelinkt.“ fahre ich fort. „Ein ziemlich gefährlicher Bursche, um genau zu sein, der vor nichts zurückschreckt.“ „Und?“ will Mai gleichmütig wissen. „Es war doch nur eine Frage der Zeit bis er an so jemanden gerät bei seiner Art mit Leuten umzugehen. Mir tut es nur für Mokuba leid. Der Kleine war ganz in Ordnung. Ich habe gehört, dass irgendein Millionär ihn adoptiert hat.“ Mein Blick trifft den von Bakura, der noch immer grinst. „Mein Vater.“ sage ich und sie starrt mich verständnislos an. Ich lächele entschuldigend. „Ich sagte ja, dass die Sache etwas kompliziert ist.“ Bakura verdreht ungehalten die Augen. „Bei Ra, wenn ihr in dem Tempo weitermacht, stehen wir morgen noch hier.“ meint der Dieb unwirsch und wendet sich an Mai. „Kaiba wurde gelinkt, wir wollen ihm helfen. Was sich inzwischen allerdings als eine echte Herausforderung darstellt.“ erklärt er der jungen Frau ruhig. „Und deshalb brauchen wir jetzt ein hübsches, kleines Folterfilmchen, das wir im übrigen so langsam einmal drehen sollten.“ Mai starrt den Dieb mit offenem Mund an. „Grandios zusammengefasst.“ befinde ich mit einem giftigen Seitenblick auf den Dieb. „Danke.“ entgegnet er schlicht und wendet mir dann den Rücken zu, um sich der Kamera zu widmen. Mai sieht mich fragend an. „Seid ihr auf Drogen?“ will sie ernsthaft wissen. Ich lache trocken auf. „Schön wär´s.“ erwidere ich zynisch, dann schildere ich ihr in kurzen Zügen die jüngsten Entwicklungen. Ich erzähle ihr von Grey, Mokuba´s Entführung, dem Angriff auf Roland und schließlich, dass sich Ryou augenblicklich in den Händen des Irren befindet. Dann atme ich tief durch und erläutere ihr die wahnwitzige Angelegenheit mit dem Video, dass Grey von Bakura erwartet. Mai hört mir schweigend zu. Hin und wieder werden ihre Augen größer, doch sie unterbricht mich kein einziges Mal. Als ich endlich zum Ende komme, starrt sie mich fassungslos an. „Tja, und hier kommst du ins Spiel.“ meldet sich nun Bakura wieder zu Wort. „Da es einige Leute für besser halten, wenn ich das Hündchen nicht zerlege, muss eine Alternative her. Und voilà...“ Er deutet auf Dante. Mai schluckt und ich glaube sie begreift die Situation nun endlich. Für einen Moment fürchte ich, dass es sie aus den Latschen haut. Ihr Teint ist mit einem Mal ganz fahl und ich will schon die Hand nach ihr ausstrecken als sie sich endlich wieder regt. „Oh Mann.“ Wieder schluckt sie. Dann schüttelt sie leicht den Kopf. „Ihr hattet wirklich schon immer ein Talent dafür euch in verrückte Situationen zu bringen oder euch mit irgendwelchen Irren anzulegen, aber DAS... DAS übertrifft alles. Sogar Dartz.“ meint sie und ich lächele sie gequält an. „Nur, dass es dieses Mal nicht um irgendwelche Duelle geht und auch nicht um die totale Vernichtung der Erde.“ entgegne ich und Mai stößt ein spitzes Lachen aus. Ein kehliges, unechtes Lachen. „Hör zu, wenn dir das eine Nummer zu heftig ist, dann...“ hebe ich an, doch Bakura fällt mir ins Wort. „Es erwartet keiner von ihr, dass sie Dante zerlegt. Und nebenbei bemerkt, Wheeler, wir haben keine weiteren Alternativen.“ So gerne ich ihm augenblicklich auch eine verpassen würde, in gewisser Hinsicht hat der Dieb leider Recht. Was allerdings nicht heißt, dass mir die Sache behagen würde. Im Gegenteil. Wir reden hier schließlich davon einen Menschen.... vorsätzlich... Es ist eine Sache jemanden zu foltern, um an Informationen zu gelangen, aber jemanden, einen Menschen, zu... Ich ziehe scharf die Luft ein. „Ihr habt echt vor diesen Typen -“ Sie deutet auf Dante, der wieder leise aufstöhnt. „... zu töten?“ Ich erwidere nichts, doch mein Blick wandert automatisch zu Bakura. Ich kenne diesen Dante nicht. Er hat mir im Grunde auch nicht wirklich etwas getan, aber Bakura´s Einschätzung ist richtig. Greys Handlanger hätte mich ohne zu zögern von dem Dieb töten lassen und... Ich schlucke hart. Bakura zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Naja, vielleicht müssen wir ihn nicht unbedingt kalt machen.“ meint er gleichgültig. „Das wird sich im Laufe der Prozedur zeigen.“ Prozedur... Wieder muss ich an Siegfried denken. „Und hängt davon ab wie gut das Filmchen wird.“ reißt die Stimme des Grabräubers mich aus meinen Gedanken. „Wer weiß, vielleicht ist unser guter Dante hier ein begnadeter Schauspieler.“ Er schenkt mir ein spöttisches Grinsen und ich verziehe angewidert den Mund. Mai sieht mich ernst an. „Und durch diese Sache rettet ihr Ryou?“ will sie wissen. Ich nicke etwas unsicher. „Wie es aussieht ja. Davon abgesehen könnte der Kerl durchaus über ein paar brauchbare Informationen verfügen.“ antworte ich ihr aufrichtig und auch ein klein wenig hoffnungsvoll. Wenn Dante tatsächlich etwas weiß, vielleicht sogar weiß wo man Ryou festhält... Doch wie groß ist die Wahrscheinlichkeit? Ich bin nicht sicher. Mai scheint nachzudenken. „Auf jeden Fall verschafft diese Aktion uns einen Vorteil gegenüber von Grey.“ meldet sich erneut Bakura zu Wort und dieses Mal liegt weder Belustigung noch Spott in seiner Stimme. Sein Tonfall wie auch sein Blick sind ernst und für einen Moment blickt er zu Dante. Ich glaube zu sehen, dass in seinen Augen kurz etwas aufleuchtet, doch dieses Mal schaudere ich nicht. „Grey wird ernst machen, was Ryou betrifft, sofern er nicht bekommt was er will.“ fährt der Dieb fort und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass sich etwas in seinem Blick, seiner ganzen Haltung verändert. Eine seltsame Anspannung scheint ihn zu packen und seine Züge wirken plötzlich... Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe fast das Gefühl, einen anderen Bakura vor mir zu sehen. Zu meiner Überraschung sieht der Weißhaarige mir plötzlich in die Augen. Ich schrecke leicht zurück angesichts dieser unerwarteten Reaktion. „Die Nummer hier dient nicht meinem Vergnügen. Ich kann mir weitaus vergnüglichere Dinge vorstellen.“ sagt Bakura ernst und verzieht dann leicht spöttisch den Mund. „Weitaus vergnüglichere Dinge.“ fügt er mit einem anzüglichen Tonfall hinzu und mit einem Schlag scheint er wieder ganz der Alte zu sein. Sein Blick wandert zu Mai und er sieht sie erwartungsvoll an. „Also was ist jetzt?“ will er ungeduldig wissen. „Bist du dabei?“ Die Blondine überlegt noch immer. Und ich mustere nach wie vor den Dieb. „Ich mach´s.“ höre ich Mai schließlich sagen und sehe sie etwas erstaunt an. Sie hat ihre Lippen zu einer festen Linie zusammengepresst. „Bist du dir sicher?“ frage ich zaghaft nach. Sie nickt, wobei sie mir fest in die Augen sieht. „Kaiba ist zwar nicht unbedingt ein Freund von mir, aber Ryou ist ein netter Kerl und Duke und du...“ Sie hält inne und für einen Augenblick habe ich den Eindruck, dass ihre Wangen sich leicht röten. Sie senkt den Blick genau wie ich. „Und wenn der Typ da ein Killer ist...“ Sie beendet den Satz nicht, aber meine Gedanken sind auch wo anders. Unwillkürlich muss ich daran denken, dass ich ihr bei meiner Schilderung der Geschehnisse nichts von Kaiba und mir erzählt habe. Diesen Punkt habe ich vollkommen außen vor gelassen und auch Bakura hat keinerlei Andeutungen in diese Richtung gemacht. „Ich störe euch Turteltäubchen ja ungern, aber unser Co-Star kommt langsam zu sich.“ vernehme ich Bakura´s Stimme. Mai´s Blick wandert zu Dante, der sich langsam zu regen beginnt. „Und was jetzt?“ will sie wissen. Unsicherheit und auch eine Spur Furcht schwingt in ihrer Stimme mit. Bakura zuckt mit den Schultern. „Du kannst es dir irgendwo bequem machen. Den Film bekommen Wheeler und ich schon alleine in den Kasten.“ meint er lässig. „Du bist erst im Anschluss gefragt.“ Mai scheint erleichtert aufzuatmen. Mir dagegen zieht sich der Magen zusammen. Fragend blicke ich zu Bakura. Der Dieb verdreht die Augen. „Na, irgendwer muss sich ja wohl um die Kamera kümmern oder soll ich alles alleine machen?“ sagt der Weißhaarige bissig. „Du hast mir doch schon einmal assistiert und dein Magen hat es überstanden. Wo ist also das Problem?“ Ich erwidere nichts, aber mir entgeht keineswegs Mai´s leicht entsetzter Blick. „Lange Geschichte.“ sage ich an sie gewandt. „Arrgh...“ Ich zucke leicht zusammen als ich mehr als ein leises Stöhnen von der Liege vernehme. Mein Blick wandert sofort zu Dante, der die Augen wieder geöffnet hat und sich sichtlich irritiert umsieht. Ich beobachte, wie er seine Lage erkennt, beginnt an den Fesseln zu zerren und sein Blick schließlich Bakuras trifft. Der Dieb lächelt Greys Handlanger fröhlich an. „Guten Morgen, Sonnenschein.“ höre ich den Grabräuber mit zuckersüßer Stimme sagen, worauf der Gefesselte einen wütenden Schrei ausstößt. „DU!“ faucht er Bakura an und reißt an den Stricken. „Du verdammter Irrer... Kranke Missgeburt...“ Seine Stimme hallt durch die Lagerhalle. Bakura legt lässig den Kopf zur Seite. „Für Komplimente ist es jetzt zu spät.“ meint der Weißhaarige bedauernd und seine Worte lassen den Mann auf der Liege einen Moment innehalten. Fassungslos starrt er den Dieb an, dann beginnt er erneut an den Fesseln zu reißen und Bakura verdreht die Augen. „Herrje, muss ich wirklich alles noch einmal erklären? Hast du vorhin bei Wheeler denn nicht aufgepasst?“ fragt er Dante tadelnd. „Du weißt doch wie die Sache läuft: Du kannst dich nicht befreien, schreien hilft auch nichts und ich werde auch nicht aufhören. Bei Ra, ich habe dich wohl doch etwas zu hart auf den Kopf geschlagen.“ Wieder schreit der Gefesselte auf. Es ist ein wütender, aber auch verzweifelter Schrei und ich zucke unwillkürlich etwas zusammen. Bakura dagegen beäugt seinen ehemaligen Komplizen ungerührt. „Was zum Teufel soll das?“ will dieser wissen und für einen Moment streift sein Blick Mai und mich. Bakura lächelt. „Schön, dass du fragst.“ entgegnet er vergnügt. „Ich habe mir erlaubt, eine kleine Planänderung vorzunehmen.“ Als könne er nicht glauben, was gerade passiert, starrt der Gefesselte den Dieb an und ich vermute, dass Bakuras Gesichtsausdruck und die Art wie er redet, ihn noch zusätzlich irritiert. Ja, die Art des Diebes schickt Dante sicherlich in den falschen Film. Vermutlich kommt ihm das Ganze wie ein ganz übler Trip vor. Ich kann es ihm nicht verdenken. Mir ging es vorhin ebenso und ich kenne Bakura. Dante dagegen realisiert erst jetzt, dass er sich mit einem Psychopathen eingelassen hat. Zu meiner Überraschung verfinstert sich die Miene des Mannes schlagartig. Die dunklen Augen werden zu zwei engen Schlitzen und er funkelt sein Gegenüber an. „Grey wird dich dafür fertig machen. Er wird deinen kleinen Freund dafür bezahlen lassen.“ meint der Mann und lacht höhnisch. „Oh ja, dein kleiner Freund wird bluten und wie.“ Mein Blick wandert schlagartig zu Bakura. Die Miene des Diebes ist nun ausdruckslos und gleicht einer kalten Gipsmaske. Ich schaudere unwillkürlich und auch Mai scheint instinktiv ein Stück zurückzuweichen. Ja, der Dieb sieht aus wie damals als er zum ersten Mal auf der Bildfläche erschien und sein Wahnsinn geradezu greifbar war. Was auch immer Dante mit seiner Provokation bezwecken mag, ich bezweifele, dass es eine gute Idee ist Bakura zu reizen. Und Ryou zu drohen, dürfte wohl eines der wenigen Dinge sein, die den ehemaligen Grabräuber aus der Fassung bringen. Doch zu meiner Überraschung hellen sich seine Züge auch blitzartig wieder auf, doch das Lächeln, dass nun um seine Mundwinkel zuckt, macht mir noch mehr Angst als die starre Maske. „Das bezweifle ich, mein phantasieloser Freund.“ höre ich den Dieb dann sagen. „Und wenn schon? Für dich spielt das dann keine Rolle mehr. Du wirst jetzt und hier bluten.“ Nun glaube ich auch so etwas wie Schrecken in Dantes Augen zu sehen. Einen paar Sekunden scheint er wie paralysiert. Dann zerrt er von Neuem an den Fesseln und versucht sich aufzubäumen. „Wie wär´s, wenn du dich um die Kamera kümmern würdest, Wheeler.“ meint Bakura an mich gewandt. Ich rühre mich nicht. „Und es wäre wohl besser, wenn du uns nun für ein Weilchen verlässt, Mai.“ fügt der Dieb hinzu und greift nach einer Art Heckenschere. Dantes Augen weiten sich nun panisch. Ich schlucke, denn ich ahne was nun folgen wird. Ich blicke rüber zu Mai, die sich nach Bakura´s Aufforderung genauso wenig gerührt hat wie ich. Ich sehe wie sie schluckt und deute mit dem Kopf in Richtung Ausgang. „Wäre vielleicht besser, wenn du draußen wartest.“ sage ich, doch sie zögert. Ein letztes Mal wandert ihr Blick zu Bakura, dann wieder zu mir und dann wendet sie sich ohne ein weiteres Wort um. „Fein, dann wären wir ja wieder unter uns.“ meint Bakura zufrieden und macht einen Schritt auf die Liege zu. „Wheeler, die Kamera.“ Wie ferngesteuert setze ich mich in Bewegung und trete hinter das Gerät. „Das ist doch Wahnsinn.“ sagt Dante und seine Stimme kling genauso panisch meine vorhin. Er blickt zwischen Bakura und mir hin und her. „Was soll euch das nützen? Mein Tod ändert gar nichts für deinen Freund. Ich bin...“ Fast zärtlich legt ihm Bakura den Zeigefinger auf die Lippen und bringt ihn mit dieser Geste zum schweigen. „Stimmt, dein Tod ändert nichts.“ sagt der Weißhaarige freundlich. „Aber du nützt uns trotzdem. Du darfst nämlich Wheelers Stuntdouble sein.“ Nun scheint auch der Gefesselte Bakuras Vorhaben zu begreifen. Seine Augäpfel quillen fast aus den Höhlen und der Dieb grinst zufrieden. ___________________________ Edit: Ich hoffe, es ist mir einigermaßen plausibel gelungen Mai in die Story einzubauen. Ihren Charakter treffe ich zwar nicht so ganz, aber ich wollte sie einfach mit an Bord haben und als toughe Frau erschien mir so ein Auftakt für die Gute auch recht passend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)