Die Kommisarin von Japanische_Kirschen (Ein Mord und eine weiße Lilie) ================================================================================ Kapitel 1: Die Kommisarin ------------------------- Gelassen betrat die Kommisarin die Szene. Eben solche hatte sie nämlich im Laufe ihrer Dienstzeit oft genug erlebt: Weinende Mütter, bestürzte Kinder, verängstigte Nachbarn, die zur Unterstützung herbeigeeilt waren. Gerückte Stühle, auf die man sich zuvor im Schock niedergelassen hatte. Zerknüllte Taschentücher, nassgeweint. Beruhigungstabletten daneben. Das Telefon immer noch dort, wo man es hingelegt hatte, nachdem man die Polizei gerufen hatte. Inmitten all dem Durcheinander die Leiche, umgeben von Blutspritzern. Routiniert stellte die Kommisarin fest, dass keine Tatwaffe erkennbar war. Die hatte der Mörder respektive die Mörderin nach der Tat offensichtlich mit sich genommen. „Nun beruhigen Sie sich erst einmal“, versuchte der Inspektor die Umstehenden leiser zu bekommen. „Gehen Sie am besten erst mal hier ins Wohnzimmer. Dort können Sie sich setzen und die Kommisarin kann ungestört ihre Arbeit machen.“ Mit diesen Worten drängte er die verängstigte Familie samt Nachbarschaft ins Nebenzimmer. Stumm winkte die Kommisarin die Leute von der Spurensicherung zu sich her. „Da, sehen Sie die weiße Rose?“ Etwas orientierungslos suchten sie die Leiche mit Blicken ab. „Nein nein, dort, in der Ecke! Die ist ganz frisch, heute erst abgeschnitten. Die könnte etwas mit dem Mord zu tun haben. Zur Vorsicht mitnehmen.“ Erleichtert entdeckten die Spurensicherer, was die Kommisarin meinte. „Sie irren“, antwortete ein junger Mann, „es handelt sich um eine Lilie. Aber ansonsten haben Sie recht. Wir nehmen sie mit.“ Müde fuhr sich die Kommisarin übers Gesicht. „Auch mit Brille seh ich nicht mehr vernünftig ... Es ist ein Jammer.“ Ohne sich davon irritieren zu lassen, betrachtete sie die Leiche weiterhin aus aufrechter Haltung heraus. Ansonsten ließ sie die Spurensicherer in Ruhe ihren Job machen. Ein junges Ding. Vielleicht 25. Dezent, aber merklich geschminkt. Zartes Gesicht, ganz blass war sie, trotz ihres dunklen, kräftigen Haares und der ... Leidenschaft, die aus ihren Zügen sprach. Hübsch gekleidet, Bluse und Rock sichtlich mit Liebe ausgesucht. Ein goldener Reif am linken Arm. „Nun aber nochmal zu Ihnen“, kehrte die Kommisarin zur Familie ins Wohnzimmer zurück, dabei in den Taschen ihres Trenchcoats nach Block und Stift wühlend. „Wer war denn nun zur Tatzeit zu Hause?“ „Das war ich“, meldete sich zaghaft die Mutter. „Aha. Und Sie waren gerade in der Küche mit Abspülen beschäftigt, während im Wohnraum, Esszimmer, was auch immer das sein soll, eine Ihnen fremde junge Frau ermordet wurde? Das glauben Sie doch selbst nicht.“ Nervös rutschte die etwa 40-Jährige auf der Couch herum, der Jüngste auf ihrem Schoß. „Sie klingelte an der Tür, ich ließ sie ein. Dann wurde sie ganz plötzlich unverschämt, wir stritten ...“ Noch nervöser brach sie ab. „Aha. Eine Verabredung“, registrierte die Kommisarin nur ungerührt. Den Rest konnte sie sich denken. In diesem Moment platzte ein Mann herein, der etwa 5 Jahre älter war als die sitzende Hausfrau. „Schatz? Was ist hier los? Was ist passiert?“ „Paul ...“, setzte sie an, um ihrem Ehemann die Lage zu erklären. „Schon gut“, meinte die Kommisarin in ihre Richtung. „Über die Leiche sind Sie offensichtlich ja schon informiert, den Rest wird Ihnen der Inspektor berichten. Gehen Sie nur am besten gleich mit mit ihm, wir sind hier mit der Befragung beschäftigt. Noch etwas“, fuhr sie dann fort. „Inspektor, Hol’n Sie mir doch mal das erste Beweisstück her.“ „Mach ich, Kommisarin“, antwortete der Angesprochene und erhob sich rasch. Der Ehemann folgte ihm widerstrebend und nach einigen verunsicherten Blicken zu seiner Ehefrau. Wenig später reichte der Inspektor der Kommisarin die inzwischen in eine Tüte verpackte weiße Lilie. „Die haben Sie heute schon mal gesehen“, stellte die in Richtung der zu Befragenden fest. „Wenn Sie mich fragen, eine Vase hätte ihr besser getan.“ Die Hausfrau und Mutter wurde genauso blass wie die Leiche draußen. „Ich glaube, es ist wohl an der Zeit, dass Sie gehen“, meinte die Kommisarin dann zu den Nachbarn, eine Frau, die etwa genauso alt war wie die, deren Hand sie unterstützend hielt, und ein älterer Mann. „Die Kinder sollten Sie wohl kurzzeitig mitnehmen“, wies die Polizeibeamte dann auf den etwa 10-jährigen Jungen, seine 6-jährige Schwester und das Kleinkind in den Armen der Mutter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)