Bound to you von Lluvia ================================================================================ Kapitel 5: Probleme sind und bleiben Rudeltiere ----------------------------------------------- Ven Der Weg zum Schwimmbad war glücklicherweise nicht allzu lang, weshalb wir recht bald am Eingang von eben diesem standen und uns Eintrittskarten besorgen konnten. Es schien auch nicht sonderlich viel los zu sein, denn wir mussten nicht einmal anstehen. Aber gut, es war ja auch ein Montagnachmittag, die meisten Menschen hier schienen wohl noch zu Arbeiten oder hatten einfach keine Lust am Anfang der Woche ins Schwimmbad zu gehen. So hatten wir die Umkleidekabinen fast für uns alleine und ich machte mir sogar seit langem mal wieder die Mühe, mich ‚normal‘ umzuziehen statt einfach nur meine Kleidung zu verändern. Dann musste ich nicht so lange auf Ethan warten, der sich immerhin selbst wohl kaum schneller umziehen konnte als jeder andere normale Mensch. Als wir dann schließlich beide umgezogen waren trafen wir uns vor den Schließfächern um unsere Rucksäcke und die restlichen Sachen dort zu lassen und ich musste durchaus zugeben, dass Ethan oben ohne verdammt gut aussah... auch wenn ich ihm das nun nicht unbedingt auf die Nase binden musste, denn ich war mir nicht so sicher wie er das auffassen würde. Immerhin hatte ich keine Ahnung, was für eine Sexualität er hatte. Nicht, dass ich hätte nachfragen wollen - oder können, ohne sehr merkwürdig zu erscheinen - und ich hatte auch mit keiner ein Problem, aber dennoch... ich schwieg dazu besser. So packten wir das Zeug nun also in eines der Schließfächer und nahmen den Schlüssel mit, bevor wir uns auf den Weg zu den Duschen machten um schließlich bereits komplett nass die eigentliche Schwimmhalle zu betreten. Und ich staunte nicht schlecht, es war nicht gerade klein hier. Es gab die verschiedensten Pools, angefangen bei den ‚normalen‘ Becken, also dem Babybecken, dem Nichtschwimmerbecken und dem Schwimmerbecken, bis hin zu einem kleineren Becken in dem eine große Rutsche endete oder diversen Spielereien mit Wasserfällen, Strudeln oder Wellen. Es sah wirklich überraschend gut aus dafür, dass es nur eine Schwimmhalle in einer Kleinstadt war. Während der Wochenenden oder Ferien war hier auch bestimmt gerade im Hochsommer sehr viel los. Lächelnd sah ich zu Ethan. „Wenn ich gewusst hätte, dass euer Schwimmbad so groß ist hätte ich dich schon am Wochenende hierher gezogen... es sieht toll aus...! Wohin wollen wir zuerst?“, fragte ich dann auch sogleich enthusiastisch, auch wenn diese Größe natürlich auch einen Nachteil hatte. Denn bei kleineren Gebäuden konnten wir uns immerhin frei bewegen, so mussten wir zumindest in naheliegenden Becken bleiben, um mir keine unschöne Überraschung zu bereiten... aber gut, wir hatten ja Zeit, das würde sich schon machen lassen. Allerdings schien Ethan leicht abwesend zu sein, da er sich auf irgendeinen Punkt in meinem Gesicht konzentrierte - wie seltsam, hatte ich da irgendetwas? - und ich fragte mich gerade, ob er meine Frage überhaupt gehört hatte, als er schließlich lächelte und doch noch antwortete. „Wie du möchtest, such dir etwas aus. Ich war hier immerhin schon oft genug und kenne alles.“ „Okay! Dann lass uns zuerst... hm...“ Ich überlegte und sah mich kurz um bevor mein Blick auf die Rutsche fiel und ich grinsen musste. „da hin gehen!“ Ich zeigte auf die Rutsche und ging auch sogleich über die nassen Fliesen in deren Richtung. Tja, ich war dahingehend eben immer noch ein Kind, das war ja auch nicht verboten. Und so rutschten wir ein paar Mal- diese Rutsche war wirklich toll, mit den vielen Kurven und teilweise kam Wasser von oben durch das man hindurch fuhr... es war wirklich spaßig! - bevor ich schließlich beschloss, das wir uns auch noch andere Dinge ansehen sollten, weshalb wir schließlich noch das Wellenbecken erkundeten und nur eine kurze Pause bei den Whirlpools einlegten, bevor wir eine Runde bei den Strömungen herumspielten - okay, zumindest ich spielte herum, Ethan schwamm recht normal gegen den Strom, so, wie es eigentlich gedacht war... glaubte ich zumindest - und schließlich eine Art Pause im Schwimmerbecken einlegten. Dort ging es sehr viel ruhiger zu als bei der Rutsche und im Wellenbecken, da die meisten der ohnehin nicht vielen Besucher sich wohl lieber vergnügten als einfach nur zu schwimmen. Verständlicherweise. So konnten wir hier in Ruhe unsere Runden schwimmen, auch wenn das Wasser im Vergleich zu den Nichtschwimmerbecken so kalt war...! Warum auch immer. Aber gut, da es hier nun fast komplett leer war - soweit ich das beurteilen konnte waren außer uns nur noch zwei andere Schwimmer hier - nahmen wir uns beide je eine Bahn und schwammen diese auf und ab, jeder in seinem eigenen Tempo. Was auch auf eine ganz eigene Art und Weise Spaß machte. Zumindest anfangs. Denn plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Fußgelenk, welche es ganz plötzlich umschloss und mich in die Tiefe zog. Was zum...? Ethan konnte es nicht sein, ich hatte ihn gerade noch ein paar Meter weiter schwimmen sehen. Nur gut, dass meine Sicht Unterwasser noch etwas taugte, denn so erkannte ich einen schwarzhaarigen Mann, welcher mein Fußgelenk fest hielt um mich Unterwasser zu halten. Leicht panisch, wie man so war wenn man plötzlich keine Luft mehr bekam und nicht an die Oberfläche kam, trat ich nach ihm, was aber nur dazu führte, dass er auch meinen anderen Fuß festhielt. Verdammt...! Sein Griff war eisern, ich kam nicht weg, aber das allein war weit weniger schlimm als die Tatsache, dass ich, während ich mich vergeblich zu befreien versuchte, sah, wie es Ethan ein paar Meter weiter nicht anders erging als er mit dem anderen Schwimmer rang, den ich vorher gesehen hatte. Wer zum Henker wollte uns denn bitte auf die unfaire Art und Weise... umbringen? Jedenfalls würde ich diesem jemand dazu keine Gelegenheit geben...! Meine Luft wurde langsam knapp, was hieß, dass auch Ethan nicht mehr viel Zeit haben würde, aber ich sorgte erst einmal mit meinen Kräften dafür, dass mir an der Seite Kiemen wuchsen. Das Gefühl war wirklich grauenhaft, da man an das Atmen mit Lungen gewohnt war und diese Umwandlung nicht unbedingt komplett schmerzfrei verlief, aber das war gerade die einzige Möglichkeit die ich hatte, um nicht bald ohnmächtig zu werden. Und weil ich diesen Kerl unter mir dringend loswerden musste - wobei mir erst später auffiel, dass dieser scheinbar viel mehr Luft haben musste als ich, da er keine Probleme damit zu haben schien mich ewig Unterwasser fest zu halten - griff ich eben auf Magie zurück: Ich sorgte dafür, dass die Arme des Kerls einfroren. Das reichte, um dem überraschten Kerl meine Füße zu entziehen und ich trat noch einmal nach seinem Gesicht, was zwar nicht unbedingt die feine englische Art war, aber ich hatte gerade anderes zu tun. Beispielsweise Ethan vor dem anderen Typen retten, da der arme Kerl so langsam keine Luft mehr übrig haben dürfte, selbst, wenn er lange die Luft anhalten konnte. Was gerade mehr als nur kontraproduktiv war...! Allerdings hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie zum Teufel ich den Kerl von Ethan wegbekommen sollte! Was ich schließlich damit löste, den Typen ebenfalls einzufrieren, da Waffen hier wohl kaum eine Wirkung entfalten könnten, wenn man einmal davon absah, dass ich gerade mal ein Schwert benutzen konnte, und das auch nur minimal. Und ein anderes Element war mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Aber egal, ich sollte mir stattdessen lieber Sorgen um Ethan machen, welcher inzwischen das Bewusstsein verloren zu haben schien. Schnell griff ich mir seinen Arm und zog ihn wieder Überwasser, wo ich erst einmal die Kiemen wieder verschwinden ließ während ich versuchte, den Anderen mit mir an Land zu hieven. Was gar nicht so einfach war, da er zwar im Wasser nicht allzu schwer gewesen war, aber doch auch nicht gerade ein Fliegengewicht wenn man ihn an Land ziehen wollte. Schließlich hatte ich es zwar geschafft, aber er war immer noch bewusstlos und ich wurde erneut panisch. Bis mir plötzlich die Erste Hilfe Lektionen einfallen, die ich irgendwann einmal bekommen hatte... nur gut, dass das Gedächtnis von Dschinn nicht gerade schlecht war, andernfalls hätte ich mir das vermutlich nie so lange merken können. Was mich nun dazu brachte, das einzige zu tun was Ethan auf die Schnelle helfen konnte. Ich küsste ihn. Natürlich nicht einfach so zum Spaß - SO dreist war ich nun auch nicht, schon gar nicht wenn mein Gegenüber bewusstlos war! - sondern um Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen. Was am Ende glücklicherweise auch Erfolg zu haben schien, da Ethan schlussendlich Wasser spuckte und wie ein Irrer zu Husten begann bevor er die Augen aufschlug. Er wirkte irgendwie desorientiert, aber das konnte man ihm wohl kaum verübeln, immerhin war er eben noch im Wasser gewesen und sicherlich ziemlich froh, doch nicht gestorben zu sein. Nachdem er so noch eine Weile weiter gehustet hatte, sah er schließlich dann zu mir und ich konnte quasi sehen, wie er schlussfolgerte was passiert war, bevor er ein „Danke...“ keuchte und erneut hustete, bevor er weitersprach. „Was war das...?“ Allerdings konnte ich auf seine Frage nur mit den Schultern zucken. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Das heißt, ich kann dir sagen, dass es zwei Kerle waren die uns aus einem mir unverständlichen Grund Unterwasser gezogen haben, aber weshalb sie das getan haben weiß ich leider nicht. Vorerst dürften sie jedoch halb eingefroren irgendwo am Grund des Beckens liegen. Was mich dazu bringt, dass wir vielleicht verschwinden sollten. Wenn die zwei wieder hochkommen haben wir jedenfalls ein Problem.“ Und nachdem ich nun alles erzählt hatte was ich wusste schien Ethan auch aufgehört haben zu husten. Weshalb wir uns recht schnell auf den Weg aus der Schwimmhalle machen konnten und uns beeilten, zurück zu ihm nach Hause zu gelangen. Wobei ich mir nicht helfen konnte, irgendwie schwirrte mir nun ständig erneut diese Situation im Kopf herum, während ich Ethan beatmete... es war richtig gruselig und auch irgendwo peinlich, allerdings schien Ethan das Ganze nicht so wirklich mitbekommen zu haben, oder zumindest schwieg er darüber, was mir nur recht war. Wir sollten uns lieber auf den Rückweg konzentrieren... Ethan Ich konnte noch immer nicht fassen, was gerade geschehen war. Von einem Moment auf den Anderen, hatte sich ein spaßiger Nachmittag in einem Schwimmbad in den reinsten Alptraum verwandelt. Nie und nimmer hätte ich damit gerechnet, dass uns jemand an einem öffentlichen Ort angreifen würde. Warum denn auch? Wir hatten nichts getan, um dergleichen zu verdienen oder überhaupt irgendwie Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen! Was ging hier vor sich? Ich hatte wirklich gedacht, ich würde sterben, als dieser Kerl mich unter Wasser zog. Noch niemals zuvor in meinem Leben, hatte ich eine solche Panik verspürt. Mein Herz hatte so heftig gegen meinen Brustkorb gehämmert, dass man meinen konnte, es wolle sich selbst befreien und seinen Besitzer sterbend und schutzlos zurücklassen, meine Lungen hatte nach Sauerstoff geschrien und letzten Endes, hatte die Schwärze mich gefangen. In diesem Moment hatte ich nicht geglaubt, jemals wieder die Augen zu öffnen...doch das hatte ich. Dass ich noch lebte, hatte ich einzig und alleine Ven zu verdanken. Kaum, dass ich wieder zu mir gekommen war, hätte ich ihm um den Hals fallen können, aber dafür hatten wir keine Gelegenheit. Was auch immer mit diesen Typen los war, wir mussten so schnell wie möglich von dort verschwinden, also packten wir im Schwimmbad zusammen was wir hatten, so schnell das irgendwie möglich war und verschwanden so unauffällig, wie das nach einem solchen Erlebnis nun einmal ging. Mein ganzer Körper war angespannt, ich hatte das Gefühl, als würden alle Leute auf den Straßen uns seltsam anstarren. „Alles in Ordnung?“, fragte Ven mit einem Mal. Ich wandte mich um, zischte ein „Natürlich, alles in bester Ordnung, man hat ja nur versucht, uns umzubringen!“, entgegen und bereute es sofort, als ich seinen besorgten Gesichtsausdruck sah. Er konnte nichts für das, was passiert war, außerdem hatte er mich gerettet, also wie zur Hölle kam ich bitte schön dazu, ausgerechnet ihn anzubrüllen?! „Tut mir leid...meine Nerven sind gerade etwas blank liegend, wie du dir denken kannst.“, murmelte ich vor mich hin. „Was sollte das nur? Ich meine wir kennen die Kerle gar nicht und wir haben auch nichts gemacht um so etwas zu verdienen...oder? Ich meine du kennst sie auch nicht, nicht? Oder verschweigst du mir etwas?“, hakte ich nach. Ven starrte mich fassungslos an, warf mir einen empörten Blick zu. „Ethan, du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde dir etwas verschweigen, wenn wir Beide angegriffen wurden, oder?“, gab er zurück. Nein...das würde er wohl nicht. Ich kannte den Dschinn zwar noch nicht besonders lange, aber wie jemand, der solcherlei Dinge vor mir verheimlichen würde, wirkte er eigentlich nicht. "Schon gut, du hast ja recht. Viele, aber nicht du...", gestand ich schließlich. Wie kam ich überhaupt dazu, nun wilde Unterstellungen zu machen? Das war doch nicht mehr normal! Gut, das war eine Ausnahmesituation und ganz sicher für niemanden von uns einfach gewesen, aber ich musste es nicht an demjenigen auslassen, der mir das Leben gerettet hatte! Was war ich bitte schön? Das allerletzte Arschloch? Nein! So in Gedanken versunken, bemerkte ich gar nicht, wie hinter uns ein Wagen ungewöhnlich zu beschleunigen begann und so scharf in die Kurve fuhr, kurz bevor wir die Straße überqueren wollten, dass er uns ganz sicher überfahren hätte, wenn Ven und ich nicht geistesgegenwärtig zurückgesprungen wären. Mein Herzschlag raste und das Blut rauschte in meinen Ohren. Hatte dieser Kerl etwa auch... „Das gibts doch nicht! Hat die ganze Welt sich jetzt gegen uns verschworen und will uns töten oder was zur Hölle geht hier vor? Ven bitte...du musst doch irgendeine Ahnung haben, was hier vorgehen könnte, also irgendetwas bemerkt haben? Oder einen Zaubertrick beherrschen, der uns weiter hilft? Ich meine...wenn du so darüber nachdenkst, was wenn der Blumentopf auch kein Zufall war...und das nicht der letzte Versuch bleiben wird und und und...oh Gott!“, ich unterbrach mich selbst, raufte mir die Haare und musste erst einige Male tief durchatmen, mir selbst einreden, ruhig zu bleiben. Wenn ich jetzt der Panik verfiel, war alles aus und diese Kerle, die anscheinend hinter uns her waren – das konnte doch nicht mehr Zufall sein oder?! – hätten leichteres Spiel. Ven sah sich leicht misstrauisch um, als rechne er von allen Seiten mit einem weiteren Angriff – nach so einigen Attacken wusste man ja nie – doch er schien nichts auffälliges zu finden und wandte sich mir wieder zu. „Ich hab keine Ahnung... Aber irgendetwas ist hier definitiv faul. Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass die Leute im Schwimmbad keine Ahnung davon hatten, was ich bin. Und wir dürfen nicht in Panik verfallen, denn das macht unvorsichtig. Trotzdem befürchte ich, dass das tatsächlich keine Zufälle sind...“, murmelte er überraschend ruhig vor sich hin. Wirklich, wie konnte er so ruhig bleiben in dieser Situation?! Wir waren beinahe umgebracht worden! Das ging nicht in meinen Kopf hinein und gerade war ich auch nicht in der Lage, großartig besonnen nach dem Grund für diese Ruhe zu suchen. „Ich glaube, wir sollten uns beeilen nach Hause zu kommen, das ist vermutlich sicherer als noch ewig hier draußen herum zu stehen oder zu wandern.“, fügte Ven schließlich noch hinzu. „Glaube mir...DAS musst du mir nun wirklich nicht zwei Mal sagen, lass uns machen, dass wir hier weg kommen!“, stimmte ich sofort zu, wenn auch mit einem leicht gereizten Unterton. So sehr ich mich auch bemühte, ruhig zu bleiben, wenn ich an all diese Angriffe dachte...ich konnte mich einfach nicht völlig zusammenreißen, es ging nicht! Schneller als jemals zuvor in meinem Leben schaffte ich mich vom Schwimmbad mit Ven nach Hause zurück, trat in die Wohnung und schloss fast schon hastig die Türe hinter mir, um anschließend durch alle Räume zu wandern und sicher zu stellen, dass alle Türen und Fenster so verschlossen waren, dass niemand in das Haus hineingelangen konnte. Okay, das war nun vielleicht etwas übertrieben, aber konnte man mir das nach einer solchen Aktion ehrlich verübeln? Ashley kam ins Wohnzimmer herein, beobachtete meine halben Verriegelungsversuche an der Fensterfront des Raumes. „Ethan was zur Hölle machst du denn da? Ich habe die Fenster gerade zum Lüften geöffnet!“, schimpfte sie, schüttelte den Kopf und sah zu Ven herüber, der bisher nichts weiter dazu gesagt hatte, aus welchen Gründen auch immer. „Was soll der Blödsinn?!“, verlangte sie zu wissen. „Ashley, das passt schon, vertrau mir einfach und lass mich machen okay? Lass die Fenster einfach zu...einfach zu, ja?“, antwortete ich ihr, langsam wirklich fertig mit den Nerven. Meine Beine wollten unter diesem ganzen Druck nur all zu gerne nachgeben. „Ethi?!“, stieß sie hervor, zwang mich förmlich, mich aufs Sofa zu setzen. „Ich habe keinen blassen Dunst, was für einen Mist du dir da zusammenreimst, aber meinetwegen, dann bleiben die Fenster zu...du brauchst jetzt erst einmal was zu trinken! Du siehst vollkommen fertig aus...“, murmelte sie, verschwand in die Küche, um einige Augenblicke später mit einem prall gefüllten Wasserglas zurückzukommen. „Was ist hier los, hm? Was wird hier bitte schön gespielt, ihr Zwei?“, wollte sie einmal mehr wissen. Was sollte ich ihr denn sagen? Die Wahrheit? Oder irgendeine Ausrede, die halbwegs glaubhaft erschien? Selbst wenn ich gewollt hätte, auf das zweite konnte ich mich gerade ohnehin nicht konzentrieren, also spülte ich das Wasser erst einmal meine Kehle herunter – auffällig langsam, damit ich nicht antworten musste – und hoffte Ven würde irgendetwas tun oder sagen, um diese Situation zu lösen...ganz egal was es auch immer war. Der Dschinn ließ erst einmal ein nicht zu überhörendes Seufzen im Raum ertönen, ehe er zu einer Antwort für Ashley ansetzte. „Hör mal, was genau los ist wissen wir auch nicht, aber es scheint, als hätte es jemand möglicherweise auf uns, oder vielleicht auch nur einen von uns, abgesehen. Dafür gibt es ein paar mögliche Gründe, die ich dir zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht nennen kann. Außerdem hab ich nicht die geringste Ahnung, ob auch nur einer von ihnen zutrifft. Sollten wir irgendwann genaueres wissen, was die Situation auch für dich und andere gefährlich macht erfährst du was wir wissen, ja?“, erklärte er in einem beruhigenden Tonfall, der seine Wirkung nicht zu verfehlen schien, obwohl er von möglichen Gefahren sprach. Ashley sah ihn einen Moment lang überrascht an, dann fiel sie ihm einfach um den Hals. „Ach Ven...Ethi! Wo seid ihr denn hier herein geraten?! Wenn ihr von so etwas redet...das kann doch nichts Gutes sein! Wenn es irgendetwas gibt, was ich für euch tun kann, dann...lasst es mich wissen, okay? Irgendwie kann man euch sicher helfen...was auch immer es ist!“, bot sie bereitwillig ihre Hilfe an. Ich kam mir vor, wie in einem falschen Film...wie einer dieser Hauptcharaktere, der seiner heimlichen Flamme dabei zusah, wie sie oder er Trost bei jemand anderem suchte und das schlimme an der Tatsache war, dass ich dabei nicht einmal sagen konnte, was mich an dieser Situation mehr frustrierte: Das Ashley lieber Ven umarmte in diesem Moment, als mich oder das Ven derjenige war, der vor meinen Augen von Ashley umarmt wurde. Egal was es war: Es fühlte sich einfach nur grauenvoll an! Gerade jetzt, wo meine Nerven ohnehin angerissen waren. Jetzt drohten die schmalen Fäden endgültig zu reißen. Ven wirkte gerade etwas unbeholfen, so als wusste er nicht recht, wie er reagieren sollte. Vielleicht lag es an diesem Gesichtsausdruck des Dschinns, das ich letzten Endes doch nicht explodierte, vielleicht lag es aber auch an seinen Worten, die er kurz darauf an Ashley richtete. Ich wusste es nicht und in diesem Moment hatte ich keinen Kopf darüber nachzudenken. „Danke für das Angebot, wir kommen darauf zurück, ja?“, bedankte er sich freundlich lächelnd für ihre Erklärung, löste dann so unauffällig wie möglich die Umarmung. „Gut!“, stimmte Ashley ihm zu, gab ihn – wenn auch sichtlich widerwillig – frei. Irgendwie schafften wir es anschließend sie vorerst los zu werden, was vermutlich in erster Linie daran lag, dass eine ihrer Freundinnen anrief und sie am Telefon beschäftigte. Ven und ich zogen uns lieber auf mein Zimmer zurück, versuchten uns gemeinsam zu beruhigen und etwas zusammen zu raufen. So viel wir auch nachdachten, wir kamen mit Grübeln und Denken nicht weiter, es gab keine Antworten, die wir mal so eben hätten finden können und erst spät abends – als meine Mutter uns fragte, ob wir nichts mehr essen wollten – fiel mir auf, wie die Zeit tatsächlich dabei vergangen war. Und meine Hausaufgaben hatten sich nicht von selbst gemacht. Es war irgendwie peinlich, dass ich Ven darum bitten musste, einmal mehr die Stifte von selbst Aufgaben für uns Beide lösen zu lassen, aber nach diesem Tag und um diese Uhrzeit, hatte ich nun keinen Kopf mehr für die Mathematik oder überhaupt Schule übrig gehabt. Ein Glück, dass Ven das verstand...wenn er auch nicht annähernd so beunruhigt war, wie ich selbst. Nachdem wir etwas gegessen hatten, hatten wir es uns schließlich mehr oder minder auf Bett und Sofa bequem gemacht und versuchten zu schlafen. Doch so sehr ich auch versuchte, nach diesem Tag Ruhe zu finden, es brauchte eine halbe Ewigkeit, bis ich tatsächlich hatte einschlafen können und ehrlich gesagt, wollte ich gar nicht mehr aufstehen, wenn ich daran dachte, was wir an diesem Tag alles hinter uns hatten! Ven So vergingen mehrere Tage und sie alle waren mehr oder minder damit gefüllt, dass Ethan und ich uns Sorgen darüber machten, wer es auf uns abgesehen haben könnte. Allerdings passierten solche seltsame ‚Zufälle‘ nicht noch einmal, was uns durchaus verwirrte. Trotzdem traute ich mich nicht zu glauben, dass es möglicherweise ein Versehen oder so gewesen sein sollte, immerhin klang es doch nach einer guten Taktik nach so etwas Offensichtlichem eine Weile zu warten, bis sich die ‚Opfer‘ wieder sicher fühlten um dann erneut zuzuschlagen, oder? Aber zumindest schien sich Ethan insofern genug beruhigt zu haben, als dass er keine ganz so extreme Paranoia mehr hatte wie an dem Abend, als wir vom Schwimmbad gekommen waren. Vermutlich fragte er sich auch, weshalb es mir nicht genauso ging, aber da er nichts davon ansprach schwieg auch ich dazu. Ich musste ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass Dschinn über weit bessere regenerative Fähigkeiten verfügten als Menschen, weshalb es schwer war uns wirklich tödlich zu verletzen. Naja, es sei denn, man wusste über Dschinn Bescheid, dann war es gar nicht so schwer... was einer der Gründe war, warum ich Ethan nichts davon erzählen wollte. Nicht, dass ich ihm nicht genug vertraute oder so, im Gegenteil, und wenn er danach gefragt hätte, hätte ich ihm wohl auch geantwortet, aber so... vielleicht war es zumindest vorerst besser, er würde nichts davon erfahren. Aber eine Sache gab es außerdem noch, die mir zusehends Sorgen bereitete. Daniel, der Junge, der möglicherweise der ‚Besitzer‘ eines anderen Dschinn war, kam die ganze Woche über nicht zur Schule. Er schien etwas wirklich ernstes zu haben, aber auch die Lehrer wussten wohl nicht so recht, was mit ihm los war, da sie wiederholt die Schüler der Klasse fragten, ob einer von uns wisse, was mit ihm sei. Aber keiner wusste irgendwas, alle vermuteten sie nur, dass er irgendeine ernste Krankheit zu haben schien. Was nicht sonderlich ermutigend klang. Das darauffolgende Wochenende war dann auch weit weniger spektakulär als das davor, da wir nicht großartig etwas unternahmen. Alan und Yannik hatten zwar versucht, uns dazu zu bringen mit ihnen ‚eine Runde um die Häuser zu ziehen‘, aber uns war beiden die Sicherheit von Ethans Haus im Moment noch lieber, weshalb wir höflich abgelehnt hatten. Nur gut, dass einem, wenn man einen Dschinn zu Gast hatte, auch zu Hause nicht unbedingt langweilig wurde. Und so kam schließlich der nächste Montag und wir gingen, wie es inzwischen für mich fast schon zur Routine geworden war, mit Ashley zur Schule, bevor wir uns schließlich von ihr trennten und zum Matheunterricht gingen. Welcher auch nicht besser wurde, egal wie oft man ihn besuchte... Aber dank meiner Kräfte war auch das eigentlich kein Problem und wir warteten beinahe gespannt darauf, dass der Unterricht endlich vorbei war, denn erst danach würden wir feststellen können, ob Daniel inzwischen wieder aufgetaucht war. Allerdings schienen wir kein Glück zu haben, denn er saß wieder nicht auf seinem Platz und als wir nach der Biostunde Angela abpassten schüttelte sie auch nur den Kopf. Naja, eigentlich schüttelte sie während einem Redeschwall den Kopf, wie wir sie eben kannten, aber mehr wissenswertes, als dass Daniel wieder nicht in Latein gewesen war kam dabei auch nicht heraus. So machten wir uns nun also wieder auf den Weg in den Aufenthaltsraum um dort unsere Freistunde verbringen zu können, allerdings wurden wir noch bevor wir ihn auch nur erreichen konnten auf einem Gang von ein paar Mädchen angesprochen. Naja, ich wurde angesprochen. „Ven, warte doch mal kurz!“ Wie aus Reflex blieb ich stehen und drehte mich verwirrt um, um zu sehen wer mich gerade gerufen hatte. Und erst einmal sah ich eine Gruppe Mädchen, welche sich auf uns zubewegte. Na super. Ich meine, ich hatte nichts gegen Mädchen - oder sollte ich Frauen sagen? Ich bin mir nicht sicher ab welchem Alter man da unterscheiden sollte - aber in der Gruppe waren sie meist furchtbar. Laut, viel selbstbewusster und gerne auch einfach ein großer, kichernder Haufen, zu dem man einfach nicht gehörte. Oder gehören wollte. Auch wenn das mit Jungs vermutlich ähnlich war aus der Sicht eines Mädchens. Aber egal, jedenfalls war diese Gruppe von Mädchen, wovon mir gerade mal ein oder zwei Gesichter bekannt vorkamen - sie mussten teilweise die gleichen Klassen wie Ethan besuchen - nun bei uns angelangt und lächelten mich an. Leider hatte ich bereits ein dumpfes Gefühl, worauf die Mädchen hinaus wollten. Denn das Lächeln was sie aufgesetzt hatten sah keineswegs nach dem typischen ‚Gute Laune-Lächeln‘ aus... mehr nach einer Art ‚Schau wie gut ich aussehe-Lächeln‘... wenn das irgendeinen Sinn machte. So ungefähr äußerten sich die Mädchen dann auch. „Hey Ven, weißt du, ich hab in letzter Zeit so oft an dich denken müssen... sag mal, was hältst du davon, wenn wir uns nach dem Unterricht mal hinter der Schule treffen, hm...? Nur wir zwei?“, murmelte eines der Mädchen mit blonden, gelockten Haaren in einem vermutlich verführerisch gemeinten Tonfall. Es war das gleiche, was mich vorher bereits gerufen hatte und sie schien für mich wie die Anführerin dieser Clique. Dennoch, ich hatte als Dschinn bereits so meine Erfahrungen mit solchen Annäherungsversuchen, anders vermutlich, als ein durchschnittlicher siebzehnjähriger Junge, wobei es bestimmt auch dort Ausnahmen gab. Zumindest hatte ich genug Erfahrung um zu ahnen, worauf sie hinaus wollte. Und selbst, wenn ich es nicht gehabt hätte, ich konnte mich nun einmal außer mit Ethan wohl nie mit irgendjemandem zu zweit treffen im Moment, dank dieser tollen Barriere... So lächelte ich also nur entschuldigend, immerhin wollte ich das Mädchen dennoch nicht verletzen - es war nie gut, das bei einem Mädchen zu tun, seine Rache konnte furchtbar sein! - bevor ich antwortete. „Tut mir sehr leid, aber ich kann nicht.“ Sofort verzog sich das Gesicht des Mädchens zu einem riesigen Schmollmund. „Wirklich nicht?“, murmelte sie, bevor sie plötzlich ihre Arme um meinen Hals schlang. Der Ausdruck von vorher war zurück. „Vielleicht ein Andermal? Ich will dich unbedingt näher kennen lernen...“ Ich bemühte mich, nicht so auszusehen, als wenn ich gerade so ziemlich alles lieber tun wollte als sie ‚näher kennen zu lernen‘ und wollte sie gerade höflich auf genau das hinweisen, wenn auch sicherlich mit anderen Worten, als sie plötzlich der Meinung war, unbedingt unterstreichen zu müssen, wie genau sie mich denn näher kennen lernen wollte. Also küsste sie mich. Auf den Mund. Vor einem Haufen anderer Schüler. Und insbesondere vor Ethan. Keine Ahnung, warum ich gerade ausgerechnet an ihn gesondert dachte, aber ich hatte gerade ganz andere Probleme. Denn ich hatte sicherlich keine Lust überhaupt irgendetwas mit diesem 0815-Menschenmädchen zu unternehmen, schon gar nicht das, worauf sie hinaus zu wollen schien. So schob ich sie also von mir weg, was nicht allzu schwer war, da sie nicht sonderlich stark war, auch wenn ich dennoch vorsichtig war. Man konnte bei Frauen im Allgemeinen ja nie vorsichtig genug sein, nicht wahr? „Hör mal, das geht nicht. Ich... ich bin schon vergeben!“, entgegnete ich ihr daher das erstbeste was mir einfiel. Auch, wenn es eine komplette Lüge war, aber es war einfach. Auch, wenn sich jetzt wohl einige Fragen mochten, weshalb ich nicht komplett ausgetickt war oder so, oder schlimmer noch, trotzdem mitgemacht hatte, aber das hatte einen simplen Grund: Ich wusste, dass es verdammt hart sein konnte zurückgewiesen zu werden, gerade wenn man es ernst meinte. Und wenn nicht war es sogar noch schlimmer, wenn man den Gegenüber anpflaumte, denn diese Leute konnten einem das Leben danach oft genug zur puren Hölle machen. Und ich befürchtete, dass die Blonde - deren Namen ich nicht einmal kannte wie mir nebenbei auffiel - zur zweiten Kategorie gehörte. Denn ihre Antwort bestand aus einer stirnrunzelnd gestellten Frage. „Wo ist das Problem?“ Ich schüttelte nur den Kopf und sie verengte kurz die Augen, bevor sie wieder lächelte. „Macht ja nichts... ich werde dir einfach beweisen, dass ich besser bin, als alle Freundinnen die du bisher hattest. Inklusive deiner jetzigen. Wir sehen uns!“, flötete sie und bedeutete ihren Freundinnen ihr zu folgen, weshalb Ethan und ich schließlich allein in diesem Gang herum standen, wobei ich um uns herum doch einige leise tuschelnde Schüler entdecken konnte. Dieser Tratsch unter Teenagern, furchtbar. Nicht viel besser war dann allerdings der Blick, den mir Ethan zuwarf. Er sah ziemlich sauer aus, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte weshalb. Ich konnte nur hoffen, dass dieses Mädchen nicht seine heimliche Flamme oder so gewesen war. Aber noch bevor ich nachfragen konnte, was genau er denn hatte setzte er sich in Bewegung und ich war gezwungen, ihm zu folgen um nicht das nächste Gerücht in die Welt zu setzen sollte mich irgendjemand dabei beobachten wie ich gegen eine unsichtbare Barriere lief. Allerdings ging Ethan nicht, wie ich vermutete hatte, weiter zum Aufenthaltsraum sondern steuerte stattdessen einen leeren Klassenraum an. Keine Ahnung warum ausgerechnet solch ein Ort, aber als er zu sprechen begann wusste ich zumindest, weshalb er sich wohl extra einen leeren Raum ausgesucht hatte. „Soso, du bist also vergeben? An wen denn wenn man fragen darf?“, begann er und verschränkte die Arme. Verwirrt sah ich ihn an. Was war plötzlich sein Problem? „An niemanden, ich hab das nur als Ausrede benutzt... ich konnte ihr doch nicht ins Gesicht sagen, dass ich Leute mit ihrer Art unausstehlich finde...!“ „Ach, findest du? Wieso hast du dich denn dann bitteschön von ihr küssen lassen?“ „Hab ich doch gar nicht! Das kam nur überraschend, woher sollte ich denn wissen, dass sie mir ihre Zunge in den Hals schieben wollte...?“ So langsam begann es mich nun doch aufzuregen, weshalb veranstaltete Ethan hier so ein Theater? Mir fiel auf die Schnelle nur eine halbwegs plausible Erklärung dafür ein. „Stehst du etwa auf sie?“ „Wa- Nein!“ „Was regst du dich dann so auf? Wolltest du etwa, dass was mit so einer anfange?“ „Nein, aber-“ „Nichts aber. Wenn du nichts von ihr willst und ich nichts mit ihr anfangen soll, was ich ja auch gar nicht will, dann brauchst du dich doch auch nicht so aufzuregen...!“ „Ach sei doch still!“ Mein letzter Satz war wohl nicht so sonderlich gut angekommen - auch wenn er der Wahrheit entsprach! - da Ethan ziemlich unwirsch reagiert hatte. Aber er schien bereits in irgendeiner Art Rage zu sein, da er ein sehr eigene Auffassung davon zu haben schien, was mich zum Schweigen brachte. Wie beispielsweise seine Lippen auf den meinen. Was allerdings zugegeben verdammt gut funktionierte, da ich im ersten Moment viel zu geschockt war, um überhaupt reagieren zu können. Ich meine hey, ich wurde gerade innerhalb von nicht einmal zehn Minuten zweimal gegen meinen Willen geküsst. Hallo? Wobei ich Ethan eine Sache lassen musste: Er war auf jeden Fall ein besserer Küsser als das Mädchen von vorher. Naja, vielleicht kam es mir auch nur so vor. Und falls sich jemand wundern sollte, weshalb ich gerade nicht komplett ausflippte, dass Ethan ein Kerl war: Ich war relativ offen was meine Sexualität betraf, sicher, ich hatte bisher nur Frauen gehabt, aber ich konnte nicht abstreiten, dass es durchaus attraktive Männer gab und hey, Zeit genug hatte ich. Wobei es vermutlich nicht unbedingt die beste Wahl war an Dinge wie meine Sexualität zu denken, wenn ich vielleicht erst einmal dafür sorgen sollte, mich von Ethan zu lösen, trotz des gewissen Schockzustandes in dem ich mich im Moment mehr oder weniger befand. Aber im Endeffekt schien Ethan selbst festgestellt zu haben, was genau er da tat, denn im nächsten Moment hatte er den Kuss bereits wieder gelöst. Und die darauf folgende Stille gehörte wohl zu einer der schlimmsten, die ich bislang erlebt hatte. Denn wir beide wussten, dass wir das sofort zu klären hatten, da wir uns einfach nicht aus dem Weg gehen KONNTEN, ob wir wollten oder nicht. Nur... was sollte man denn in so einer Situation bitte sagen...? Ethan Ich wusste nicht, was in mich gefahren war. Mit einem Mal hatte mein Körper, mein Geist eine Art Eigenleben entwickelt, das ich nicht mehr so beeinflussen konnte, wie ich das gewollt hätte. Nicht, dass ich direkt etwas dagegen gehabt hätte, Vens Lippen mit den meinen zu kosten – wie ich zu meiner eigenen Verwunderung feststellen musste – aber nie und nimmer wäre ich einfach so darauf gekommen, ihn zu küssen! Diese Rage jedoch, diese Wut und Frustration, die in mir hoch keimte, diese Flut an Gefühlen, die sich ihren Weg nach außen gebahnt und jede Hemmschwelle ertränkt hatte, ließ mich Dinge tun, die ich ansonsten wohl niemals zu denken gewagt hätte. War es Eifersucht? Ich kannte dieses Gefühl, ich wusste, dass es sich so anfühlte und dennoch weigerte sich mein Verstand zu akzeptieren, dass ein Junge es war, der ein solches Gefühl in mir ausgelöst haben mochte. So sehr mein Herz auch versuchte, mir etwas mitzuteilen, mein Kopf schaltete auf Durchzug, in dem Moment, in dem unsere Lippen sich berührten. Stattdessen hielt er es nun für unglaublich notwendig, mir immer wieder vor Augen zu führen, wen ich da gerade küsste und nach einer Weile war es einfach nicht mehr möglich, diese mahnende Stimme, die immer lauter und penetranter wurde, zu ignorieren. Das war der Augenblick, in dem ich zurückwich, mich von Ven löste. Eine ganze Weile sah ich ihn einfach nur an, hoffte, dass er irgendetwas sagen, mich anbrüllen, ausschimpfen, ja meinetwegen auch schlagen würde – auch wenn ich bezweifelte, dass das sein Stil war – aber nichts dergleichen geschah. Einzig und allein diese unerträgliche Stille, die von allen Seiten auf uns eindrückte und wirkte, wie der Lärm eines Jets in meinen eigenen Ohren, war zu vernehmen. Warum sagte er nichts? Warum konnte er seinen Mund nicht öffnen und irgendeine Reaktion auf das zeigen, was gerade passiert war? Das hier war keine Situation, vor der wir weglaufen konnten, nichts, dass wir mal so eben verdrängen und abhaken konnten. Keiner dieser Fehler im Leben, nach denen man einfach seiner Wege ging und einander nie mehr wieder sah, es gab keinen Fluchtweg aus dieser Situation heraus. Wir mussten uns ihr stellen. Beide wussten wir es, doch niemand von uns schien in der Lage zu sein, der ersten Schritt zu tun, wirklich zu begreifen, was gerade geschehen war. Meine Gedanken rasten schneller, als jede Achterbahn, die ich in meinem Leben gesehen hatte und wirrer, als jeder Looping einen fühlen lassen konnte. Ein Teil von mir schimpfte mich aus, weil ich tatsächlich einen Jungen geküsst hatte. Einen Jungen, den meine Schwester zur Zeit mehr wollte, als jeden anderen, einen Jungen, dem ich weniger aus dem Weg gehen konnte, als irgendjemanden sonst. Eine Person, an die ich auf unbestimmte Zeit gebunden war, der ich nicht entfliehen konnte. Wie hatte ich das nur tun können? Dennoch, da war dieser andere Teil, der mir etwas sagen, der mir etwas zeigen wollte, aber aus irgendeinem Grund hatte ich Angst vor der Botschaft, die er mir mitteilen wollte. Es war, als stünde ich vor einer großen Tür. Ich weiß, alle Antworten, die ich suche, liegen hinter diesem Holz und dennoch zittert meine Hand, wenn ich sie nachdem Griff ausstrecke, um sie zu öffnen, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Eine seltsame Angst, vor etwas, dass man nicht definieren kann, die Angst davor zu erfahren, was es wirklich bedeutet, Dinge zu begreifen, die besser unausgesprochen, ungedacht blieben. Es war jene kalte Umklammerung, die meine Gefühle zu jenem Zeitpunkt umarmte, die es mir unmöglich machte, in Ruhe darüber nachzudenken, was dahinter steckte. So sehr sich ein weiterer Teil von mir vor jenem Wissen fürchtete, so heftig er dagegen rebellierte und die Antwort zurückhalten wollte, ein Teil von jener Wahrheit, der ich zur Zeit nicht ins Gesicht schauen wollte, drang dennoch bis zu meinen Gedanken durch und ließ meine Stimme für viele Minuten versagen. Es hatte mir gefallen. Der Kuss, diese Berührung, die Nähe...Vens Geschmack, der süßliche Atmen, der sich mit meinem vermischt hatte, sein Geruch, der mir nie zuvor stärker aufgefallen war. Die blauen Augen, vor Überraschung aufgerissen und auf mich allein gerichtet, als gäbe es nichts, was sie jemals zuvor intensiver gesehen hätten, als wäre da niemand, der mich vorher stärker angesehen hatte...ich konnte mir nicht erklären warum oder besser gesagt, ich wollte es nicht, aber ich wusste, dass es mir gefallen hatte. Es war ein Teil der Wahrheit, die ich leugnen wollte und nicht konnte. Der Teil, vor dem ich gerade nicht weglaufen konnte...und dennoch so gerne davon gelaufen wäre. Was sollte ich tun? Wie sollte ich reagieren? War es angebracht mich zu entschuldigen? Sollte ich Ven in das einweihen, was ich festgestellt hatte, hatte er ein Recht zu erfahren, was dabei in mir vorgegangen war? So viele Fragen, die in meinem Geiste schrien und nach Antworten verlangten, die ich nicht liefern konnte. Es machte mich wahnsinnig...diese lauten Gedanken, die Stille, die um mich herum schrie...die Zeit, jene grässliche Stille zu brechen, war endlich gekommen. „Ven, ich...“, setzte ich an, brach jedoch gleich wieder ab. Was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Was war die Wahrheit überhaupt? Eine Lüge? Was sollte ich ihm erzählen? Es umgehen? Das war nicht etwas, das man in eine Schublade sperren konnte, um es als erledigt anzusehen, es würde uns nicht loslassen, bis wir es nicht geklärt hatten und wie sollten wir das, wenn ich mit mir selbst nicht einmal im Reinen war? Was sollte ich wenn sagen, wenn ich selbst nicht wusste, wie die Antworten aussahen, wenn ich nicht bereit war, in mich zu gehen, um diese Antworten zu erfahren? „Es tut mir leid, ich hätte dich nicht überfallen dürfen...das war unfair. Erst recht, nachdem du gerade vorhin ebenso überfallen worden bist...ich weiß auch nicht, was das sollte.“, fügte ich hinzu, raufte mir leicht die Haare. Ein Seufzen verließ meine Lippen. Wie sollte ich damit nur umgehen? Wie sollten wir damit umgehen? Einen Moment lang sah Ven mich nachdenklich an, ehe er mir so trocken eine gewisse Frage stellte, dass ich im ersten Moment das Gefühl hatte, aus allen Wolken zu fallen. „Bist du schwul?“, verließ seine Lippen. Im ersten Augenblick konnte ich ihn nur anstarren, bevor ich etwas zu laut „Nein!“, rief. „Das heißt...nicht das ich wüsste, ach ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist zur Zeit, alles geht drunter und drüber...“, murmelte ich, fuhr mir mit der Hand über die Stirn, als wollte ich mir damit ein Schimpfwort vom Gesicht wischen. Ven sah nicht wirklich überzeugt von meiner Antwort aus, aber immerhin hatte er das nötige Taktgefühl, um zur Zeit nicht weiter nach zu bohren, was vielleicht auch daran lag, dass die Schulglocke unser Gespräch störte. Wir hatten doch tatsächlich geschafft, eine Freistunde zu vergeuden...nun ja, vergeuden war es vielleicht nicht ganz gewesen, aber dennoch war die Zeit einmal mehr schneller verstrichen, als einem lieb war. So blieb uns nun nichts anderes übrig, als die letzten Schulstunden mehr oder minder schweigend über uns ergehen zu lassen. Keinem von uns war so richtig nach reden zu mute, nachdem was geschehen war und so wirklich geklärt hatten wir letzten Endes auch nichts. Das war in erster Linie wohl meine Schuld, weil ich nicht klar sagen konnte – oder sagen wollte – was mit mir los war, immerhin hatte ich bisher nicht einmal versucht, mir selbst darüber klar zu werden. Nicht so sehr zumindest, dass ich eine eindeutige Antwort hätte finden können und ich wurde das Gefühl nicht los, dass die Gelegenheit, diese Erkenntnis zu erlangen, ein anderes Mal kommen würde. Es war, als wollte die Lösung einem zurufen, man dürfe sie nicht zu früh erfahren, wie ein Weihnachtsgeschenk, dass per Post früher ankommt, als es soll. Die ganze Zeit bis zum eigentlichem Datum liegt es einem direkt vor der Nase und dennoch darf man es nicht öffnen, bevor jener Tag gekommen ist. So greifbar nah und doch so fern...wenn es etwas gab, mit dem sich meine Gefühlssituation in jenen Stunden am Besten beschreiben ließ, so waren es diese Worte. Irgendwann würde ich die Antwort schon finden...irgendwann würde ich Ven sagen können, was das zu bedeuten hatte, doch nicht an diesem Tag. Der Unterricht ging zu Ende und noch immer wechselten wir kein Wort mehr, als unbedingt nötig war. „Was hältst du davon, wenn wir Angela noch einmal aufsuchen und uns Daniels Adresse geben lassen? Ich meine er hat schon solange gefehlt, da kann es uns egal sein, ob es komisch kommt oder nicht, nach einer solchen Zeit könnten wir auch einfach nur etwas besorgte Mitschüler sein und wenn wir wissen wollen, was wirklich los ist, müssen wir einfach selbst nach ihm sehen!“, schlug ich mit einem Mal vor, während wir die Schulgänge in Richtung Ausgang durchstreiften. „Das wäre keine schlechte Idee...jeder Tag, den wir noch länger warten, ist irgendwo verlorene Zeit.“, erwiderte Ven. Ich war mir sicher, dass er das nicht so gemeint hatte, wie es mich in diesem Moment erwischte, aber für einen kurzen Augenblick hatte es sich so angehört, als wollte er mir zwischen den Zeilen sagen, dass er so wenig Zeit wie möglich damit vergeuden wollte, länger bei mir zu bleiben. Wieso ich mir einmal mehr um solche Dinge Gedanken machte, blieb mir ein Rätsel, das ich jetzt nicht lösen konnte und wollte...weil eine gewisse Blondine, die einen bestimmten Dschinn in dieser Freistunde geküsst hatte, mit einem Mal an uns vorbeilief. Beinahe schon hasserfüllt starrte ich ihr hinterher. Sie schien noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass Ven und ich gerade hier entlang gingen, so beschäftigt war sie damit, mit ihren Freundinnen über unmögliche Kleidungsstile anderer Leute zu lästern. Diese verdammte Göre, die Ven einfach geküsst hatte...dabei meinte sie es doch nicht einmal ernst und würde nur mit seinen Gefühlen spielen, wenn sie ihn abbekäme! Damit sie sich nachher mit den Federn schmücken konnte, den hübschen Austauschschüler bekommen zu haben! Ich war mir nie so sicher über die Absichten einer Person gewesen und gerade deshalb wollte ich mich selbst darin bestätigen. Ich erinnerte mich an die Fähigkeit, die ich mir von Ven gewünscht hatte und wenn nicht jetzt der perfekte Zeitpunkt gekommen war um sie zu testen wusste ich nicht, wann er sonst kommen sollte! Mir fiel nur leider auf, dass ich nicht im Geringsten eine Ahnung hatte, wie ich das alles eigentlich machen sollte – vielleicht wäre es klüger gewesen, Ven um eine Bedienungsanleitung zu bitten, die wenigsten das Theoretische erklärte? - aber ich wusste, was ich wollte und ich war mir sicher, dass es mir irgendwie gelingen würde. Wo auch immer diese Gewissheit kam, war mir ein Rätsel...es war einfach dieses seltsame Gefühl in meinem Inneren, das ich mit einem Mal greifen, richtig erfühlen konnte. Das Gefühl, das ich wenige Sekunden später auf die Blondine zu lenken versuchte. Anfangs war es viel schwerer, als ich gedacht hatte, immerhin war es ein Gefühl in meinem Inneren, das ich versuchte aus mir heraus zu pressen, als wollte ich damit auf andere Personen schießen, doch irgendwie gelang es mir zumindest für einen kurzen Augenblick es nach außen zu zwängen und sie mit diesem Gefühl zu ertasten. Ein leichtes Prickeln fuhr durch meinen Körper, als hätte man mir einen elektrischen Schlag verpasst, der mich zurückschrecken ließ. Es war eine Warnung. Eine, die ich zu deuten wusste: Dieses Mädchen meinte es nicht ernst, selbst wenn ich ihre genauen Absichten nicht erkennen konnte, so viel hatte ich begreifen können. "Wieso stehst du hier rum wie angewurzelt und starrst Löcher in die Luft?", holte mich Vens Frage wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich wandte mich ihm zu, lächelte ein entschuldigendes Lächeln. „Es tut mir leid, entschuldige! Ich habe nur gerade etwas ausprobieren müssen, ich erzähle es dir später, okay?“, flüsterte ich etwas leiser. „Jetzt müssen wir uns erst einmal eine gewisse Adresse besorgen!“, fügte ich ein wenig lauter hinzu, ehe ich mit Ven einen Schritt zulegte, um sicher zu sein, Angela noch zu erwischen, bevor sie sich auf den Weg nach Hause machte! Ven Irgendwie benahm Ethan sich eigenartig als wir uns auf den Weg zu Angela machten, aber... gut, was sollte man anderes erwarten, nach dieser bestimmten Situation konnte er sich wohl kaum so benehmen wie immer. Auch wenn ich ihm seine Antwort, er wäre nicht schwul, irgendwie nicht mehr abkaufen konnte. Egal, das war etwas, womit wir uns lieber später beschäftigen sollten, erst einmal sollten wir dafür sorgen, dass wir endlich diese Adresse in die Finger bekamen. Glücklicherweise war Angela auch noch nicht weit gekommen, bevor Ethan sie aufhalten konnte. „Hey, Angela, warte mal kurz!“ Überrascht drehte sich die Angesprochene zu uns um und blieb stehen. „Oh, Ethan. Was gibt es denn?“ „Sag mal, kennst du zufällig Daniels Adresse?“ Sie sah uns auf die Frage hin erst etwas überrascht an, bevor sie lächelte. „Sicher. Und lass mich raten, ihr wollt sie jetzt von mir haben? Darf ich fragen wofür ihr sie braucht? Wollt ihr einen Krankenbesuch machen? Dabei kennt ihr ihn doch kaum, oder sehe ich das falsch? Oder habt ihr etwas anderes vor?“ Ethan seufzte entnervt und ich konnte glatt verstehen weshalb. So nett Angela auch war, wenn sie immer so viel redete... naja, kein Wunder das ihre Beziehung nicht gehalten hatte. „Wir machen uns wirklich nur Sorgen um ihn, weil er schon so lange fehlt, weißt du? Vielleicht können wir ja erfahren, was er hat?“, meinte ich daher freundlich und sie schien zumindest darüber nachzudenken. „Na meinetwegen. Vielleicht findet ihr ja wirklich heraus was er hat. Aber dann bin ich die erste die es erfährt, ja? Und seid vorsichtig, ich hab gehört, seine Eltern sollen sehr streng sein. Letzten Monat beispielsweise -“ „Schon gut, wir passen auf. Kannst du uns nur bitte die Adresse geben?“ Das war wieder Ethan gewesen. Natürlich, ich hätte sie ja aussprechen lassen, aber wer weiß, wie lange wir dann wohl noch hier herum gestanden hätten. „Schon gut, schon gut...“, murmelte sie daher schließlich etwas beleidigt, gab uns aber dennoch die Adresse und mit einem letzten Dank und einem kurzen Abschiedsgruß waren wir dann auch schon verschwunden, nicht, dass sie noch einmal anfing loszureden. Es dauerte auch nicht lange, dann waren wir in der Straße angekommen, in der Daniel laut Angela lebte. Die Adresse war ebenso schnell gefunden und ich ließ Ethan gerne den Vortritt beim Klingeln und dem anschließenden Reden. Ich kannte diesen Daniel immerhin überhaupt nicht, er hingegen hatte zumindest mit ihm zusammen Biologie. Schließlich öffnete uns auch ein recht streng aussehender Herr die Tür. „Ja bitte?“ „Entschuldigen Sie, aber sind Sie Mr. Smith?“ „Der bin ich. Und was wollt ihr?“ „Oh, ähm... wir wollten uns erkundigen, wie es ihrem Sohn geht... ist er sehr krank?“ Das klang jetzt äußert mitfühlend, Ethan... Und ja, das war Ironie. Aber wenn ich dachte, dass das dem Mann aufgefallen war lag ich falsch, denn der schien ein ganz anderes Problem mit uns zu haben. „Wovon redest du, Junge? Daniel ist doch bereits seit Monaten in den USA! Und bei seinem letzten Anruf fühlte er sich noch pudelwohl, also bitte. Wer seid ihr überhaupt?“ „Wir sind Klassenkameraden von ihm und-“ „Ach, dann seid ihr Amerikaner? Guter Witz.“ „Nein, wir-“ „Schon gut, mir ist eh egal wer ihr seid, Daniel ist jedenfalls ganz sicher nicht hier sondern in New York. Und da ihr das nicht mitbekommen zu haben scheint, könnt ihr auch wohl kaum sonderlich gute Freunde von ihm sein, also macht, dass ihr verschwindet!“ Damit schlug er uns die Tür vor der Nase zu. Na schönen Dank auch, was für ein sympathischer Kerl das doch war... „Und nun...?“, fragte ich Ethan daher verwirrt. „Bist du dir sicher, dass das der richtige Mann war?“ Immerhin dachten Eltern von Kindern, die eine Woche lang krank waren für gewöhnlich nicht, dass diese im Ausland waren. Und Angela hatte auch nichts von Amerika erzählt, also schien es nicht an Ethans Erinnerungsvermögen zu liegen. Andererseits war es auch nicht allzu wahrscheinlich, dass wir uns im Haus geirrt hatten, da es zwar viele Leute namens Smith gab, aber wohl kaum viele Daniels die dann auch noch mit Nachnamen Smith hießen und hier in der Gegend wohnten... „Das letzte Mal, als ich es versucht hatte, konnte ich Straßennamen noch lesen, also denke ich, wir haben den richtigen Mann erwischt...“, kam schließlich Ethans genervte Antwort. „Schon gut, ich hab ja nur gefragt...“ Was er gleich so hart reagieren musste... andererseits, es war bestimmt nervenaufreibend den ganzen Tag über einen Dschinn an der Backe kleben zu haben und dann auch noch die einzige Spur, die in Richtung Freiheit führte gleich wieder zu verlieren... Ich unterdrückte ein Seufzen und dachte stattdessen etwas über die Situation nach. Irgendwas konnte nicht stimmen, aber was nur...? Ethan schien ebenfalls nachgedacht zu haben, denn kurz darauf kam dann ein etwas konstruktiverer Vorschlag von ihm als die genervte Antwort von vorher. „Sag mal, glaubst du er könnte sich von einem Dschinn ein Auslandstudium gewünscht haben oder so etwas in der Art?“ Ich dachte darüber nach. So schlecht klang die Idee gar nicht, aber... „Ich glaub nicht. Das würde zwar erklären weshalb seine Eltern glauben, er sei in Amerika, aber dann würdest du und alle deine Klassenkameraden das gleiche denken. Glaub mir, wenn ein Dschinn seinen Job macht, dann richtig.“ Aber die Idee mit den falschen Erinnerungen war gar nicht so schlecht... entweder waren die Erinnerungen der Schüler oder die der Eltern gefälscht worden. Nur war nun die große Preisfrage, welche und weshalb. Und außerdem wäre es wohl gut zu wissen, wo Daniel denn war, wenn nicht zu Hause und nicht in der Schule... ob er tatsächlich in Amerika steckte? Denn wenn ja, hatten wir ein Problem. Also, noch ein weiteres, was wir zu der immer länger werdenden Liste unserer Probleme hinzufügen konnten. „Was hältst du davon, wenn wir noch mal bei Jana und Jason vorbei schauen? Vielleicht haben die ja noch eine Idee was mit Daniel passiert sein könnte.“, schlug ich schließlich vor, als mir keine bessere Idee mehr kam. Und da Ethan mir zustimmte schien auch ihm kein grandioser Einfall gekommen zu sein. Schade eigentlich, aber gut, die Situation war für ihn ja vermutlich sogar noch ungewöhnlicher als für mich. Außerdem schien er immer noch nicht unbedingt gut gelaunt zu sein. „Ach ja, schick den Beiden doch eine SMS das wir kommen, nicht, dass wir sie wieder versehentlich bei irgendetwas stören, ja?“, fügte ich schließlich noch halb belustigt, halb vorsichtig hinzu und nur wenig später war die Nachricht versendet und wir machten uns auf den Weg. Da Daniels Haus von der Schule aus gesehen genau in der entgegengesetzten Richtung vom Antiquitätenladen lag, brauchten wir zwar eine Weile, aber schließlich waren wir in der Straße angekommen, in der der Laden stand. Doch noch bevor wir den Laden betreten konnten hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Es war, als würde sich eine Art sechster Sinn zu Wort melden. Und das nicht unbedingt im Positiven. „Alles in Ordnung?“, fragte mich Ethan plötzlich irritiert und ich realisierte, dass ich stehen geblieben war. Stirnrunzelnd sah ich zum Laden. „Ich bin mir nicht sicher. Irgendwas ist hier faul, aber ich kann dir nicht sagen, was.“ „Sicher, dass du dir das nicht nur einbildest? Was soll schon groß passiert sein, Jason ist doch auch ein Dschinn.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, aber trotzdem...“ Meine Zweifel schienen ihm allerdings nicht genug zu sein - ob das wohl noch daran lag, dass er im Allgemeinen nach den letzten Ereignissen zur Zeit eher genervt war? - und so ging er schließlich trotzdem weiter. Ich zog die Stirn erneut in Falten, folgte ihm aber dennoch. Vielleicht bildete ich mir ja tatsächlich etwas ein, immerhin mochte man es mir zwar nicht anmerken, aber auch mich schafften die Ereignisse irgendwo. Vielleicht spielte mir mein sechster Sinn ja einfach einen Streich? Doch ich sollte schnell eines Besseren belehrt werden. Bereits als Ethan und ich den Laden betraten schien etwas grundlegend nicht in Ordnung zu sein. Erstens war er leer, keine Spur von Jana oder Jason. Und zweitens sah es nicht so aus, als wäre heute überhaupt schon einmal jemand dort gewesen, die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen und über einigen der Antiquitäten lagen Abdeckungen. Und noch während Ethan und ich verwirrt in der Tür standen - wieso war der Laden denn geöffnet wenn niemand hier zu sein schien? - hörte ich plötzlich hinter uns seltsame Geräusche, aber bevor ich mich umdrehen konnte um nachzusehen spürte ich einen heftigen Schlag an meinem Hinterkopf, woraufhin mir der Erdboden entgegenkam und ich das Bewusstsein verlor... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)