Ehre und Stärke IV: Thors Hammer von Tatheya (Gundam Wing goes ancient Rome) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Noch einmal ‚Vorhang auf‘ für unsere Helden im antiken Rom! Es warten eine Menge Prüfungen auf Heero und Co. Ich freue mich schon auf eure Reaktionen, Kommentare, etc... Ehre und Stärke IV: Thors Hammer Kapitel I „Und Ihr seid Euch sicher, dass wir Euch nicht begleiten sollen?“ Dem römischen Centurio, der die Delegation seit dem Rubicon, jenem legendären Fluss, begleitete war nicht wohl bei dem Gedanken den Fremden alleine losziehen zu lassen. Wer wusste schon was diese Fremden alles für Pläne hatten. Die zierliche Gestalt auf dem erlesenen Schimmel wandte sich bei diesen skeptischen Worten nur lachend zu dem Soldaten um: „Selbst wenn ich den Weg nicht mehr wüsste, Lysis riecht bereits seinen alten Stall.“ Das Latein des Fremdländers wies fast keinen Akzent auf. In der Tat tänzelte das prachtvolle Pferd, das alle anderen Tiere der Delegation in den Schatten stellte, unruhig zur Seite. Der Reiter streifte die Kapuze seiner weißen Robe ab, die für römische Augen wohl sehr befremdlich wirken musste. Dann richtete er ein paar Worte in seiner Heimatsprache an die übrigen Botschafter und Händler, die der Abordnung des Kaisers angehörten. Er würde sie in einigen Tagen in Rom aufsuchen, er selbst jedoch hatte ein anderes Ziel. „Vergesst nicht Centurio“, richtete Wufei Chang einmal mehr das Wort an den pflichtbewussten Soldaten. „Ich habe hier mehrere Jahre als Gast von Konsul Treize Khushrenada verbracht.“ Der Name zeigte sofortige Wirkung und der Offizier neigte respektvoll den Kopf. Mit einem letzten Nicken verabschiedete sich Wufei von der Gruppe und ritt nach Westen. Er brauchte Lysis nicht sonderlich antreiben, eher musste er den stolzen Hengst zügeln. Aber auch Wufei freute sich ungemein auf das Wiedersehen mit Treize. Natürlich freute er sich auch auf die anderen jungen Männer des Haushalts. Waren Duo und Heero, das ungleiche Paar, noch immer zusammen? Und was war mit Quatre und Trowa? Vor allem, weilte der Germane noch hier in Rom? Oder war Zechs mittlerweile geflüchtet. Zuzutrauen wäre es dem stolzen freiheitsliebenden Krieger aus dem kalten Norden. Falls Zechs noch immer hier war, wie hatte er sich mit seinem Leben als vermeintliche Geisel arrangiert? Hatte er nach dem römischen Reiter gesucht, der seine Gefährtin in Germanien getötet hatte? Wufei konnte sich noch genau an die letzten Worte erinnern, die er an Zechs gerichtet hatte: Rache wird dich nicht befriedigen! Wufei hatte da aus eigener Erfahrung gesprochen. Er war ebenfalls noch recht jung gewesen als seine Verlobte vor seinen Augen von einem feindlichen Stamm getötet worden war. Er hatte die feindlichen Krieger eigenhändig niedergemetzelt und sich danach doch so schmutzig und wertlos gefühlt. Wufei wünschte sich für Zechs, dass dieser seinen Frieden mit den Geistern der Vergangenheit geschlossen hatte. Zumal es jemanden hier in Rom gab, der ein Auge auf den schönen Germanen geworfen hatte. Wufei musste bei diesem Gedanken verschmitzt lächeln. Nein, er nahm es Treize nicht krumm. Es war ihm ziemlich bald klar gewesen, dass Treize den Germanen begehrte. Noch lange bevor sich Treize darüber im Klaren war. Hatte sich Treize dazu durchgerungen diesen Gefühlen nachzugeben? Für einen Mann in seiner Position war so eine Liebesaffäre durchaus nicht ungefährlich. Ein unbedeutender Stallbursche oder Sklave, das sah man einem römischen Edelmann nach. Aber eine germanische Geisel, das war eine ganz andere Größenordnung. Lysis fand den Weg auch ohne das Zutun seines Reiters, der in süßen Erinnerungen schwelte, zurück. Als ob das Pferd nicht zweimal durch die halbe bekannte Welt gereist wäre, zahllose Flüsse und Wüsten durchquert hatte. Je näher Wufei der großzügigen Villa kam, die der Konsul als seinen Landsitz nutzte, desto unruhiger wurde er. Es war jedoch nicht die Unruhe eines baldigen Wiedersehens. Die Überraschung, die er den edlen Freunden damit bereiten würde. Vielmehr war es eine dunkle Vorahnung, die sich seines Innersten bemächtigte. Sein ungutes Gefühl wuchs noch als Wufei mit seinem Hengst den Hof der Villa betrat. Doch kein Sklave hieß ihn willkommen oder nahm ihm das Pferd ab. Selbst wenn Treize in Rom weilen würde – und davon ging Wufei nicht aus, da es jetzt Sommer war und keiner der Adligen, der etwas auf sich hielt, in dieser Gluthitze in der Stadt, zu finden war – wären mindestens eine Handvoll Sklaven hier, um sich um die Pferde zu kümmern, das Haus und den Garten in Ordnung zu halten. Wufei stieg ab und betrachtete die Fassade des Hauses. Zumindest sah es noch bewohnt aus, aber noch immer kam niemand aus der Villa um ihn zu empfangen. Merkwürdig. Schlussendlich konnte Wufei Lysis nicht einfach im Hof stehen lassen, also schlang er sich notgedrungen die Zügel um das Handgelenk und führte das Pferd um die Villa herum. Dort hinten lagen die Ställe und Weiden dieser edlen Zuchtpferde. Lysis war ein Geschenk von Treize zu Wufeis Abreise gewesen. Der Hengst war Treizes bestes und liebstes Tier gewesen. Die Ställe lagen nahe genug an der Villa um es dem Hausherren zu ermöglichen schnell zu seinen Lieblingen zu gelangen, aber auch weit genug entfernt, so dass die Herrschaften nicht durch den Geruch der Pferde und deren Exkremente belästigt wurden. Im Stall fand Wufei doch tatsächlich ein vertrautes Gesicht: Den Stallknecht Trowa. Zuerst wollte ihm Wufei einen Gruß zurufen, doch dann hielt er inne. Trowa stand mit dem Rücken zur Tür und striegelte mit gebeugtem Kopf eines der Tiere. Seine Bewegungen waren ungewöhnlich langsam und schließlich lehnte Trowa die Stirn gegen den Hals des Tieres. Fast glaubte man, dass hier jemand gestorben war. Doch sobald Wufei dieser Gedanken durch den Kopf geschossen war, verdammte er sich dafür. So etwas durfte er nicht denken, das waren böse Gedanken. Aber sein ungutes Gefühl verstärkte sich noch. Lysis indes schien die gedrückte Stimmung nicht zu stören und drängte sich an Wufei vorbei, dabei schnaubte er vergnügt – mit Sicherheit war es die Aussicht auf eine reichliche Mahlzeit und die Nähe der Stuten, die den Hengst aufmunterten. Wufei wünschte sich, er wäre genau so schnell und einfach zufriedenzustellen. Trowa schreckte bei dem Geräusch des Pferdes zusammen und wandte sich um. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „Lysis! Wufei!“ Natürlich genau in dieser Reihenfolge begrüßte er die beiden Ankömmlinge. Für einen kurzen Augenblick zierte ein Lächeln die Züge des Sklaven. „Was ist hier passiert Trowa?“, erkundigte sich Wufei nach einer kurzen Umarmung, obligatorischen Begrüßung und einer knappen Erklärung, was er hier in Rom trieb. Trowa schüttelte den Kopf: „Mir fehlen die Worte es zu beschreiben. Warte einen Augenblick und sieh selbst.“ Schnell sattelte Trowa den Hengst ab und stellte ihn in eine leere Box – weit abseits der Stuten, was Lysis nicht gefiel. „Komm mit.“ Wufei wagte nicht einmal nachzufragen. So langsam ahnte er in der Tat Schlimmes. Auch in der Villa begegnete ihnen niemand. Mit Entsetzen stellte Wufei fest, dass ihn Trowa direkt in den obersten Stock, zum Schlafgemach des Konsuls führte. „Trowa?“ Mit banger Stimme suchte er irgendeinen Hinweis in Trowas Gesichtszüge, der ihm versichern würde, dass es nicht so schlimm stand, wie Wufei fürchtete. Trowa hielt den Blick gesenkt und öffnete die Tür: Gleich daneben hatten sich Quatre, Heero und Sally ein provisorisches Schlafgemach bestehend aus mehreren Pritschen und unzähligen Kissen und Polstern zurechtgemacht. Alle drei schliefen tief und fest als Wufei eintrat. Sie sahen ziemlich mitgenommen aus, als ob sie seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen hätten. Im gesamten Schlafgemach roch es nach Kräutern. Nicht nach einem bestimmten Heilkraut, sondern vielmehr nach einigen Dutzend. Wufei konnte Kampfer ausmachen und auch Weihrauch. Dann noch etwas Süßliches, etwa Honig? Obwohl die Fenster geöffnet waren, hielt sich der Geruch hartnäckig. Neben dem Bett des Konsuls saß Duo. Er war noch als einziger wach und bewegte die Lippen in einem stillen Gebet. Dabei hielt der Leibsklave ein kleines Kreuz in den Händen. Wufei stockte der Atem, er wollte den Blick nicht auf das Bett selbst richten. Er fürchtete sich vor dem Anblick, der sich ihm bieten würde. Aber es half nichts. Sein Herz pochte unerträglich laut, ein Wunder, dass es die Schlafenden nicht aufweckte. Wufei trat an das Bett heran. Mit Erleichterung registrierte er, dass sich die Bettdecke noch hob und senkte, wenn auch schwach und unmerklich. Treize lebte noch. Doch sein Leben hing buchstäblich am seidenen Faden. Die Gesichtsfarbe war fast so weiß, wie die das Bettlakens und Treizes Hand wirkte so schmal und eingefallen. Als ob er ein alter Mann wäre. Was war hier nur vorgefallen? War es ein Jagdunfall oder war Treize auf einem Feldzug gewesen? „Wufei!“ Duo erhob sich von seinem Schemel und drückte ihn kurz. Noch nie hatte Wufei den Leibdiener so ruhig und gefasst gesehen. Gerade Duo hätte er diese Haltung in solch einer Situation nicht zugetraut. „Was ist geschehen?“, fragte Wufei erneut. Er löste sich aus der Umarmung und beugte sich zu Treize hinab. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Treize hatte in seinem Herzen einen ganz besonderen Platz inne gehabt. Und es war kein Tag vergangen an dem er nicht an den Römer gedacht hatte. „Wir wissen es auch nicht genau. Duo hat ihn in der Felsengrotte gefunden. Sein Schwert noch in der Brust“, erzählte Trowa stockend. Duo nickte und bestätigte damit die Worte. „Wo ist Zechs?“ Wufei wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Duo und Trowa sahen sich betreten an. „Wir glauben, dass er es gewesen ist.“ Es konnte auch nur eine Person geben, die diese Worte so kühl und gelassen aussprechen konnte. Heero kämpfte sich in die Höhe. Er hatte auf dem blanken Boden geschlafen, mit nicht viel mehr als einem Kissen für den Kopf. „Du glaubst, dass es Zechs war!“, feuerte Duo hitzig zurück. Anscheinend war dieser heikle Punkt schon Gegenstand einiger Auseinandersetzungen gewesen. „Ich glaube es nicht. „Die Indizien sprechen dafür. Immerhin ist der Germane verschwunden.“ Heero ließ sich nicht beirren. Doch Wufei hörte nicht mehr hin. Er setzte sich auf das Bett und breitete einen Arm um Treizes Schultern. Die Haut war klamm, kaum noch warm und ihr haftete auch nicht der Duft an, an welchen er sich noch so gut zu erinnern vermochte. Buchstäblich der Tod hing in der Luft. Er murmelte ein Gebet in seiner Muttersprache. Vielleicht gab es noch Hoffnung, er wollte Treize nicht einfach so aufgeben. Doch auch Sallys Gesicht zeigte Resignation als sie zu ihnen ans Bett kam. Dabei war sie doch die fähigste Heilerin, die Wufei überhaupt kannte. „Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun könnte. Vielleicht hast du einen Vorschlag...“ Sie drückte Wufei die Schulter. Der küsste Treizes Stirn und richtete sich dann auf. Wufei hielt die ganze Zeit über Treizes Hand, den ganzen Tag lang. Er hörte sich geduldig die Berichte von Quatre und Heero an. Über die Zeit in Ägypten und Treizes Rückkehr nach Rom. Dass Treize sich endlich dazu bereiterklärt hatte dem Kaiser als neuer Caesar auf den Thron zu folgen. Bei diesen Worten musste Wufei lächeln. Er hatte immer daran geglaubt, dass Treize diese Bestimmung nicht verleugnen konnte. „... Wir kehrten aus Dalmatia heim, Treize wollte sofort hierher auf den Landsitz. Statt zuerst nach Rom zu gehen und dem Kaiser Bericht zu erstatten.“ Nun, das war schon merkwürdig. Wufei hatte es selbst erlebt. Normalerweise ging Treize nach den Feldzügen in die Stadt, kam seinen Pflichten als Offizier nach und schlug schon einmal über die Stränge, wenn er mit seinen adligen Bekannten die Rückkehr feierte. Das ging dann so lange, bis der Konsul es nicht mehr ertrug und sich dann auf das Land flüchtete. „Er hatte es ziemlich eilig“, warf Duo ein, schwieg kurz und schüttelte den Kopf. „So hatte ich ihn noch nie erlebt. Treize war wie ein kleiner Junge, der zurück kommt zu seinem liebsten Spielzeug. Er stieg vom Pferd und eilte sogleich in die Villa und in den Park. Sally hat ihn dort kurz gesehen.“ „Ich war im Kräutergarten zusammen mit Zechs. Zechs ist vorangegangen und er muss wohl Treize noch im Park gesehen haben.“ Sally zog vorsichtig das Leinen ab, das die tiefe Wunde in Treizes Brust bedeckte. Sie hatte die Stichwunde genäht und mit Honig behandelt. Es schien auch keinerlei Anzeichen einer Entzündung zu geben, so weit Wufei das beurteilen konnte. Keine verräterischen roten Flecken waren zu sehen. Doch die Haut wollte einfach nicht zusammenheilen. Also ob der Körper keinerlei Kraft mehr dazu hätte. „Und es war Treizes eigenes Schwert mit dem...“ Wufei deutete auf diese brutale Verletzung. Duo nickte und ging zu einer Truhe, öffnete sie und holte das Kurzschwert des Konsuls hervor. In der Truhe sah Wufei auch den Brustpanzer des Konsuls. Jene Rüstung mit den charakteristischen drei Löwenköpfen. Schlagartig wurde ihm heiß und kalt. Er musste sich an der Bettkante festhalten, weil er sonst drohte zu schwanken. „Wufei!“ Sally eilte alarmiert an seine Seite und hielt ihn an der Schulter. „Hatte Treize die Rüstung an als er in den Park kam?“, fragte Wufei atemlos. „Ja.“ Duo blickte unsicher zu den anderen. „Hat das etwas zu bedeuten?“ Wufei ging nicht darauf ein. „Und ihr seid euch sicher, dass Zechs ihn gesehen hat?“ „Mit ziemlicher Sicherheit, ja.“ ‚Oh ihr Götter‘, murmelte Wufei in der Sprache seines Landes. Jetzt verstand er. Zumindest glaubte er es. Gerade wollte zu einer Erklärung ansetzen als Quatre alarmiert von seinem Platz am Fenster aufsprang. „Da kommt eine Abordnung Reiter über den Hügel!“ Kapitel 2: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Eigentlich wollte ich dieses Kapitel aufteilen in zwei Teile, aber zum einen wäre es unfair wie ich finde, weil ich ziemlich lange gebraucht habe. Entschuldigung! Und zum anderen ist es so etwas „runder“. Kapitel II „Das ist Marcus!“ Trowa erkannte das Pferd des römischen Edelmanns sofort als dieser über den Hügel geritten kam. Er täuschte sich ganz gewiss nicht, dieses Schönheit, die sogar mit den erlesenen Zuchtpferden der Khushrenadas mithalten konnte, würde er unter Hunderten sofort wiedererkennen. „Was will er hier?“, Duo war von seinem Hocker neben dem Bett des Konsuls aufgesprungen. „Er darf nicht zu Treize!“ „Wie?“ Wufei indes schien nicht recht zu verstehen. Kein Wunder, dem jungen Krieger und Abgesandten aus Seres war der Schock über Treizes Zustand noch buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Trowa und die anderen hatten schon einige Tage Zeit gehabt den anfänglichen Schrecken zu verdauen und auch in Erwägung zu ziehen, dass Treize womöglich schon bald vor die Götter treten würde. Ausgerechnet Heero war es gewesen, der diese Möglichkeit laut ausgesprochen hatte und ausgerechnet Sally war es gewesen, die es vehement abstritt. Dabei müsste doch eigentlich sie es am besten wissen. „In Rom weiß niemand, was hier geschehen ist. Sie glauben, Treize hat sich auf den Landsitz zurückgezogen“, erklärte Sally dem Neuankömmling. „Was? Ihr habt nichts gesagt? Euch hätte doch klar sein müssen, dass so etwas“, Wufei deutete mit einer vagen Handbewegung zum Fenster, „früher oder später passieren wird. Treize ist sonst auch immer nach den Feldzügen in Rom geblieben.“ „Wenn wir gesagt hätten, wie es um ihn steht, dann hätte Marcus vielleicht gleich nach der Macht gegriffen.“ Quatre machte ein grimmiges Gesicht. „Wahrscheinlich hätte er den Kaiser sofort vergiftet. Die Armee steht aber hinter Treize – oder zumindest große Teile der Armee stehen zu ihm. Ein Bürgerkrieg wäre die Folge gewesen.“ „Du übertreibst, Quatre“, befand Heero. „Pah, diesem Marcus traue ich alles zu, sogar Vatermord.“ Trowa war von Quatres Eifer und Abscheu gegenüber dem kaiserlichen Sprössling geradezu überrascht. Quatres Loyalität gehört seit jeher Treize und nach Quatres unglückseliger Episode von rasendem Zorn, Verblendung und fehlgeleiteter Leidenschaft, die sowohl Quatres als auch Trowas Leben bedroht hatte, hielt Quatre erst recht zu seinem Konsul. Und doch, solche harschen, kritischen Worte aus Quatres Mund zu hören. „Was sollen wir jetzt tun?“ Die Reiter hatten sich der Villa unaufhörlich genähert, mittlerweile erkannten alle, dass Trowa mit seiner Vermutung Recht gehabt hatte. „Wir müssen Marcus empfangen. Unten im Atrium. Er darf nicht hier nach oben kommen.“ Quatre brütete über einem Plan und biss sich dabei auf die Lippen. „Er wird Treize sehen wollen, warum sollte er wohl sonst hier sein?“ „Dann biegen wir die Wahrheit etwas zurecht, dass Treize...“ „Etwa einfach nicht hier ist?“, Duos Sarkasmus war unüberhörbar. „Nein, dass... mhm... das er einen kleinen Jagdunfall hatte.“ Die Übrigen sahen Quatre zweifelnd an, das sollte die brillante Ausrede sein? Wo doch jeder wusste, dass Treize ein erfahrener und geschickter Jäger war. So eine Geschichte würde ihnen Marcus doch nie abnehmen. Auch wenn Trowa gerne gewusst hätte, was sich sein Liebster noch so ausdachte, eilte er notgedrungen die Treppe hinab. „Ich kümmere mich um die Pferde und die Reiter“, rief er noch den anderen zu. Den restlichen, getreuen Sklaven gab er die Anweisungen schnell die Möbel im Atrium zurecht zu rücken und ein paar Köstlichkeiten aus der Küche aufzutischen. Irgendetwas musste es ja in der Küche noch zu essen geben. Einen Wein, etwas Brot, Oliven und Trauben. Hilde und die anderen würde schon etwas finden. Einfach um den Anschein zu erwecken, hier im Hause Khushrenada verlief alles seinen gewohnten Gang. Natürlich wussten die Sklaven, dass etwas Schreckliches passiert war und Treize um sein Leben kämpfte. Mehr jedoch nicht. Aber diese Männer und Frauen waren ohnehin ihrem Herren treu ergeben und Trowa verließ sich uneingeschränkt auf ihre Verschwiegenheit sollten die Männer in Marcus‘ Gesellschaft versuchen die Sklaven auszufragen. Und doch war es leichter gesagt als getan, sich völlig normal zu verhalten. Es ging ihm ja selbst so. Die kleine Abordnung hatte indes die Außenmauern des Grundstücks erreicht, wie Trowa feststellte als er um die Ecke des Stalles blickte. Neben Marcus ritt zu allem Überfluss auch noch Treizes Onkel Dermail. Trowa fluchte lautstark. Auch das noch! Hatten die Götter etwa kein Erbarmen mit ihnen? Sie hätten Dermail gleich erkennen müssen. Doch zeigte dies wohl auch, dass Trowa und die anderen an die Grenzen ihrer Kräfte stießen. Seit Tagen wachten sie über Treize und taten alles um sein Leben zu retten. Trowa hatte äußerst mulmiges Gefühl als er aus dem Schatten hinaustrat und mit zwei weiteren Stallknechten sich bereit machte die Pferde entgegenzunehmen. Erwartungsgemäß würden die edlen Herren sich dann ins Innere der Villa aufmachen. Hoffentlich hatte Quatre sein Ablenkungsmanöver bereits in die Wege geleitet. Aber vielleicht konnte Trowa auch noch etwas Zeit erkaufen. Aber wie? „He, du da. Sklave!“ Marcus rief Trowa zu sich. Dabei hatte der gehofft, der Edelmann würde sich nicht mehr an ihn erinnern. Marcus hätte ihn auf dem letzten Feldzug in Dalmatia beinahe auspeitschen lassen, weil Trowa sich unerlaubterweise um die prachtvolle Stute des Römers gekümmert hatte. Zum Glück war Treize eingeschritten und der kleine verbale Schlagabtausch hatte darin gegipfelt, dass sich Marcus in seiner Ehre angegriffen gefühlt hatte. Was dann gefolgt war, daran wollte Trowa nicht zurückdenken. Marcus hatte eine Exekution durchführen sollen und hatte sich als völlig unfähig angestellt. „Du gehörst doch schon länger zum Haushalt des Konsuls, nicht wahr?“ Trowa nickte und hielt stumm die Zügel der Stute. Er wagte nicht aufzusehen und fixierte die Pflastersteine unter seinen Füßen. „Ich verstehe dich nicht!“ Eine bestiefelter Fuß, schob sich in Trowas Blickfeld. „Ja, Herr“, gab Trowa zurück. Laut genug, dass ihn Marcus verstand, aber auch leise genug, damit es ihm nicht als Respektlosigkeit ausgelegt werden konnte. Bei den Göttern, er hätte sich lieber die Zunge abgebissen als mit Marcus ein Wort zu wechseln. Einmal mehr war Trowa den Götter dankbar, dass er vor all diesen Jahren Treizes Sklave geworden war. Obwohl er nur ein Sklave war, Treize hatte ihn wie einen Menschen behandelt, nicht wie ein Stück Vieh oder einen Hund, der blind Befehle ausführte. „Dann kannst du meinem Freund Dermail...“ Bei dieser Bezeichnung glaubte Trowa nicht recht zu hören. Seit wann waren die beiden denn ‚befreundet‘? „... ja mit Sicherheit die legendäre Felsengrotte zeigen, deren Ruf weithin bekannt ist. Der Konsul soll sich ein wahrhaftiges Meisterwerk geschaffen haben.“ ‚Die wollen was tun?‘, Trowa glaubte zunächst sich verhört zu haben. Deshalb waren Marcus und Dermail den weiten Weg von Rom aufs Land gekommen? Um sich die Felsengrotte im Wald anzusehen? Zum Glück starrte Trowa noch immer auf den Boden, so dass Marcus seine überraschte Mine nicht sehen konnte. „Ich...“, begann Trowa. „Also ich weiß nicht, Herr.“ Er war doch ein Sklave, dumm und wertlos. Man konnte ja nicht von ihm erwarten, dass er auf solch unvorhergesehene Anliegen angemessen reagieren konnte. Anscheinend erwartete Marcus es in der Tat nicht anders und seufzte laut auf. Als ob er mit einem Kind reden und fast erwarten würde, dass seine Worte nicht gleich verstanden wurden. „Ich weiß nicht, ob der Konsul möchte, dass ich euch den Platz zeige“, druckste Trowa herum und hoffte so noch etwas mehr Zeit zu schinden. Zumindest so lange bis seine Mitstreiter in der Villa ihren Plan in die Tat umgesetzt hatten. Die Stute schüttelte unruhig mit dem Kopf, Trowa hatte vor aller Aufregung zu sehr an ihrem Geschirr gezogen. Schnell lockerte er den Griff um die Zügel. „Treize wollte mir die Grotte schon beim letzten Mal zeigen, doch dann kamen uns andere Verpflichtungen dazwischen.“ „Aber...“ Der Stiefel schob sich noch weiter in sein Blickfeld. „Willst du etwa andeuten, ich würde lügen?“ „Nein, Herr!“ Trowa riss in gespielter Entrüstung die Augen auf und hob den Kopf, senkte jedoch gleich die Augen wieder. „Ich führe euch hin.“ Immerhin würde es eine ganze Weile dauern bis Marcus und Dermail dann wieder zurück in der Villa waren. Trowa wählte daher den längsten Pfad und hielt sich noch länger damit auf die beiden Edelmänner durch den Wald zu führen. Als sie die kleine Lichtung erreicht hatten, musste sich Trowa alle Mühe geben nicht zu jener Stelle zu blicken an der sie Treize gefunden hatten. Das heißt, Duo hatte ihn damals gefunden. Natürlich hatten sie jegliche Spuren beseitigt, man wusste schließlich nie wer sich hier im Wald herumtrieb. Das Blut war abgewaschen worden, die Waffen und Kleider eingesammelt. Selbst die Natur hatte das ihrige dazugetan. Denn deutlich war zu sehen gewesen, dass jemand durch das dichte Unterholz geflüchtet war. Heero vermutete ja, dass es Zechs gewesen sein musste. Duo bezweifelte dies ebenso lautstark. Heute sah man davon nichts mehr. Aber Marcus und Dermail mussten doch irgendwelche Anhaltspunkte haben, sonst würden sie nicht die Grotte sehen wollen. Dass es ihnen um die ‚Kunstfertigkeit und handwerkliches Geschick‘ ging war ja wohl die fadenscheinigste Ausrede, die sie sich hatten einfallen lassen können. Aber das war ja äußerst interessant, denn offensichtlich wussten diese beiden intriganten Vögel mehr als Trowa jemand außerhalb des Haushaltes Khushrenada zugetraut hatte. Hatte jemand der anderen Sklaven doch etwas verraten? Gab es etwa noch einen Spitzel unter ihnen, so wie damals Acht, der zwar für Treize gearbeitet hatte, in Wirklichkeit jedoch für Dermail Informationen sammelte. Trowa mochte es kaum glauben. Doch immerhin waren sie schon einmal auf so einen Spion hereingefallen. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass Marcus jemanden beobachtet hatte. Marcus kam in etwa zur gleichen Zeit wie Treize mit den Offizieren der Legion durch diese Gegend auf ihrer Rückreise nach Rom. Trowa schien es vielversprechender diesen Ansatz mit Quatre zu besprechen und weiterzuverfolgen. Immerhin musste er sowohl Marcus als auch Dermail zugestehen, dass sie recht gut Interesse an der Grotte und der Mechanik dahinter heuchelten. Doch bildete es sich Trowa nur ein, oder suchten die Männer insgeheim nach Hinweisen auf die wahren Geschehnisse, die sich hier abgespielt hatten? Ein verstohlener Blick da, ein Schritt abseits des Weges dort... Trowa selbst durfte nicht allzu auffällig die Edelmänner beobachten und setzte sich daher auf einen Baumstumpf in der Nähe. Als die Herren aus der Grotte herauskamen, sprang er pflichtbewusst auf, schwieg und wartete auf ihre Wünsche. Sie fragten ihn nichts und Trowa hätte ihnen ohnehin nur Lügen erzählt. Wahrscheinlich wusste das auch Marcus. So geleitete er sie zurück zur Villa. Wieder äußerst gemächlichen Schrittes. Wufei war über die ihm zugetraute Rolle alles andere als glücklich und wenn es nicht um Treize und „das Wohl Roms“ - Quatres Worte – ginge, dann hätte er solch einem Schmierentheater niemals zugestimmt. Senator Dermail und Marcus mussten davon überzeugt werden, dass es Treize gut ging. Sie waren alle erstaunt gewesen als sie erkannt hatten, wer da Marcus begleitete. Ganz eindeutig vermuteten die beiden Adligen etwas oder vielleicht wussten sie auch mehr über die Ereignisse an der Quelle im Wald. Es war wohl nicht gänzlich auszuschließen, wie Heero zu bedenken gegeben hatte. Treize war mit seiner Legion gereist, der auch Marcus und eine Abordnung von Prätorianern, die Leibwache des Kaisers, angehört hatten. Womöglich hatten sie den Attentäter erspäht – oder Zechs. Aber das hatte Wufei nur in Gedanken angefügt. Es hatte die Zeit gefehlt den übrigen Getreuen von seinem Verdacht zu erzählen und mittlerweile glaubte er auch, dass es womöglich gar nicht an ihm war die Wahrheit zu offenbaren. Treize und Zechs hatten mit Sicherheit gute Gründe gehabt ihr Verhältnis vorerst geheimzuhalten. Denn da war sich Wufei sicher, der Konsul und Zechs waren sich näher gekommen. Natürlich hatte er dafür keinen anderen Beweis als seine Intuition, aber es würde passen. Es würde erklären, warum Zechs zu solch einer Tat fähig wäre. Wufei glaubte sogar, dass er nicht viel anders reagiert hätte, wenn er herausgefunden hätte, dass Treize für den Tod seiner Merian verantwortlich gewesen wäre und er sich genau diesem Mann freiwillig und im vollen Bewusstsein hingegeben hätte. Quatre, der neben ihm im Atrium stand, verkniff sich sichtlich das dritte Mal nachzufragen, ob Wufei alles verstanden hatte. Selbstverständlich hatte er seinen Auftrag verstanden und sie scheuchten die Sklaven umher das Essen doch etwas schneller aufzutragen. Dermail und Marcus musste jeden Moment von ihrem Spaziergang zur Grotte zurückkommen. Da hatten sich Glück im Unglück gehabt und wertvolle Zeit gewonnen, um Wufei eines der Kleidungsstücke zu bringen, die er während seines letzten Aufenthaltes hier in Rom getragen und nicht wieder mit zurück nach Seres genommen hatte. Treize hatte die edlen Shenyi, ein bodenlanges Gewand, das eng am Oberkörper getragen wurde, sorgfältig aufbewahren lassen. Jetzt war Wufei in eines der edlen Stücke geschlüpft. Als er das letzte Mal diesen Stoff auf der Haut getragen hatte... Nein, er dachte besser nicht daran. Es war der Nachmittag gewesen an welchem er sich Treize zum ersten Mal hingegeben hatte. Und da hörten sie auch schon die Stimmen der Männer an der Eingangstür, wo sie von Hilde in Empfang genommen wurden. „Eines noch“, bemerkte Quatre als sich Wufei auf einem Diwan, der in der Mitte der Halle stand, niedergelassen hatte. Er versuchte, dass seine Pose einigermaßen lasziv aussah. Auch seine Bemühungen von eher mäßigen Erfolg waren. „Ja, was denn...?“ Weiter kam Wufei nicht, denn blitzschnell hatte sich Quatre über ihn gebeugt, ihn in das Polster zurückgedrückt und küsste ihn. Aber es war kein unschuldiger Kuss der Freundschaft, sondern ein inniger, tiefer Kuss, der Wufei atemlos zurückließ. Quatre zog sich so schnell zurück wie er sich über Wufei hergemacht hatte, doch nicht, ohne seinen Shenyi noch ein gutes Stück weiter auseinanderzuziehen, so dass Wufeis Brust nun beinahe gänzlich entblößt war und der Gürtel gefährlich tief auf seine Hüfte gerutscht war. Nun brauchte er wenigstens keine laszive Pose mehr. Bevor Wufei seine Kleidung richten konnte, traten auch schon Dermail und Marcus ein. Genau in diesem Moment wurde Wufei bewusst, dass er unmöglich aufstehen konnte, um sie zu begrüßen, seine Robe würde noch weiter aufklaffen, der Gürtel wegrutschen und ihn vollständig entblößen. Diese Erkenntnis und der unerwartete Kuss ließen ihn aufs stärkste Erröten. Dafür würde Quatre bezahlen! Mit Sicherheit stand Quatre zusammen mit Duo hinter einer der Türen und spitzte um die Ecke, um ja nichts zu verpassen. Duo würde sich königlich amüsieren. Er murmelte eine Begrüßung und die beiden Adligen nahmen Platz. Mit Sicherheit dachten sie, Treize würde sie gleich selbst willkommen heißen und Wufei weilte nur rein zufällig hier. Sie musterten Wufei und der glaubte ziemlich gut zu wissen, was für ein Bild er abgab: Er musste wie eine aufgeschreckte Jungfer aussehen, die vom Bett ihres Geliebten aufgestanden war und sich bewusst wurde, was sie gerade erlebt hatte. Entweder dies, oder sie hielten ihn für einen Lustknaben. Wufei wusste nicht, welche der möglichen Erklärungen er vorziehen sollte. Nervös befingerte er seinen Weinkelch und dazu benötigte er kein großes schauspielerisches Geschick. „Verzeiht ihr edlen Herren, aber falls Ihr den Konsul sprechen wollt, dann muss ich in seinem Namen um Verzeihung bitten. Er kann Euch heute nicht empfangen.“ Wufei schlug die Augen nieder. „Wie das?“ Dermail und Marcus warfen sich bereits siegessichere Blicke zu. „Nun ja“, Wufei tat verlegen, mit seinen roten Wangen, sollte das kein großes Problem darstellen. „Der Konsul hatte einen kleinen Jagdunfall und kann zur Zeit nicht aufstehen. Aber ich kann euch versichern, es geht ihm ansonsten recht gut.“ Wufei fasste sich wie beiläufig an die Lippen, die nun ziemlich empfindlich und leicht geschwollen waren. Bei der Göttin der Schönheit, Quatre konnte aber auch küssen! Dermail ließ ein undefiniertes „Hmpf“ von sich hören, während Marcus so aussah als ob er den Teller angefüllt mit kaltem Braten, am liebsten in die nächste Ecke geschmissen hätte. Es stimmte wohl, dass dieser Marcus Treize sehr zugeneigt gewesen war. Nein, Marcus war es noch immer und das, was Wufei in dem Blick des Mannes sah, war reine, tiefste Eifersucht. Wufei machte sich bei dem kaiserlichen Sprössling mit seinem Verhalten nicht gerade beliebt, so viel war sicher. „Er versicherte mir, dass es ein Jagdunfall gewesen war, doch ich glaube...“ Wufei lehnte sich nach vorn und ihm war bewusst, dass sein Shenyi dabei weit, weit auseinanderklaffte. „Es muss ein amouröses Abenteuer gewesen sein, das ihm diese Unpässlichkeit verursacht hat.“ Er lachte leise und kehlig, blickte Marcus dabei offen an, woraufhin dieser den Teller mit einem lauten Knall auf dem Beistelltischchen abstellte. Dermail legte dem Sohn des Kaisers beschwichtigend eine Hand auf die Schulter und trank von seinem Wein. Wufei lehnte sich in die Polster zurück. „Kann ich etwas ausrichten?“ „Seine Anwesenheit in Rom wäre am gestrigen Tag dringend notwendig gewesen.“ „Nun wie bereits gesagt...“, begann Wufei doch Dermail unterbrach ihn. „Unser illustrer Kreis hat sich gestern getroffen und beschlossen, Treize wieder in unseren Reihen aufzunehmen.“ Das sagte Wufei alles nichts und vermutlich waren die Worte auch so gedacht. Hoffentlich hörte Quatre wirklich mit und konnte dieser Ankündigung mehr Sinn abgewinnen. „Ich verstehe nicht“, versuchte er dennoch eine Erklärung zu erhalten. „Das benötigt Ihr auch nicht“, gab nun Marcus zurück und erhob sich. „Treize wird es verstehen und er sollte das Angebot besser annehmen.“ „Ich werde es ausrichten, sobald er wieder aufwacht. Ich vermute, ich habe ihn sehr erschöpft.“ Wufei konnte nicht an sich halten. Dies war Marcus‘ wunder Punkt und auch wenn Wufei diese Worte peinlich waren, noch besser war es Salz in diese offene Wunde zu streuen. Marcus knurrte etwas, das sich ziemlich eindeutig nach ‚Hure‘ anhörte und stürmte hinaus. Dermail folgte, eine knappe Verabschiedung murmelnd. Wufei kochte nun fast selbst vor Wut. Er hätte dieses Bürschchen zu einem ehrlichen Kampf fordern sollen. Ihn, ein Nachkomme der edelsten Blutlinie von Seres, beschimpfte man nicht als Hure. Nur zu gerne hätte er dieses römische Aas vor die Spitze seiner Katana bekommen. „Du warst sehr überzeugend, Wufei“, trotz der ernsten Lage musste Sally lachen als sie wieder alle in Treizes Schlafgemach versammelt waren und der erste Schock verflogen war. „Die zerzausten Haare, deine locker sitzende Robe und diese roten Wangen. Du könntest beim Theater anfangen.“ Wufei winkte nur ab und ließ den Spott über sich ergehen. Quatre hatte sich sogar für den Kuss entschuldigt, der ja maßgeblich für die roten Wangen verantwortlich gewesen war. Nun saß er wieder auf Treizes Bett. Er hatte inständig gehofft, dass sich der Zustand des Konsuls geändert hätte. Doch nichts dergleichen war eingetroffen. Er trug noch den nachtschwarzen Shenyi, hatte sich nicht einmal mehr umgezogen und war gleich zurück zu Treize geeilt. „Was meinte Dermails mit ‚illustrer Kreis‘?“ Duo war der einzige, der etwas Appetit hatte und sich an den Köstlichkeiten gütlich tat, die von den Sklaven für Dermail und Marcus vorbereitet worden und nun übrig waren. „Romefeller“, meinte Sally und Quatre nickte: „Das war auch mein Gedanke.“ Davon hatte sogar Wufei gehört und er schallte sich, dass er nicht selbst darauf gekommen war. „Ja, das muss es sein. Treize war Mitglied dieser Runde. Damals noch bevor er nach Germanien gezogen ist, richtig?“ „Ja, sie hatten ihn sogar zu ihrem Anführer gewählt. Treize war ziemlich beliebt unter den jungen Mitgliedern. Dann hat Dermail mehr und mehr die Macht übernommen. Une hat mir erzählt, dass dann im letzten Jahr auch Marcus den Treffen von Romefeller beigewohnt hat und die Stimmung mehr und mehr gegen Treize gewechselt hat. Die alten Adligen haben nun das Ruder in der Hand.“ Sally war von ihrer Geliebten ziemlich gut informiert worden, wie Wufei feststellte. „Und nun wollen sie, dass Treize zurückkommt, warum?“ „Warum wohl?“, schnaubte Quatre. Für ihn war es wohl offensichtlich. „Sie fürchten um seinen Einfluss. Wenn Treize wieder Mitglied wird, heißt das, dass er sich Marcus und Dermail beugt. Das wäre ein großes Zeichen, auch an das Heer, dass Treize Marcus als den nächsten Thronfolger anerkennt.“ „Als ob Treize jetzt noch auf den Thron verzichten würde“, gab Duo zu bedenken. „Er hat doch dem Kaiser gegenüber erklärt, dass er bereit ist den Thron zu übernehmen.“ „Dann ist es doch ein gutes Zeichen, dass sie solch eine Angst vor ihm haben.“ „Oder es war als Drohung zu verstehen“, meldete sich Heero zu Wort und wie so oft gelang es ihm einen völlig neuen Blickwinkel zu eröffnen. Die übrigen sahen sich unsicher an. Was sollten sie nun tun? „Oh Treize, wach auf. Ich weiß du hörst uns. Komm zurück“, flüsterte Wufei und strich dem bewusstlosen Konsul über die Stirn. Wenn doch wenigstens Zechs hier wäre. Womöglich war dieses uralte, magische Wissen der Druiden, in deren Lehren Zechs eingeweiht war, das letzte Mittel, um Treize zu retten. Aber wo steckte Zechs? Mit einem schnellen Pferd konnte der Germane sich mittlerweile weit im Norden am Fuße der Alpen befinden und damit war er beinahe unauffindbar. Kapitel 3: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: SuNniii hatte angemerkt, dass Zechs bis jetzt noch nicht vorkam. Nun, diesem Wunsch kann ich nachkommen... :) Kapitel III Es hatte wahrlich schon so manche Situationen in seinem Leben gegeben, in denen sich Zechs gewünscht hätte, dass er doch von den Walküren zu seiner letzten Reise abgeholt werden würde. Als er Lucrezias Tod hatte mit ansehen müssen, dazu verdammt gewesen nichts zu tun, um dieses Unheil zu verhindern. Untätig auf dem Boden dieses nassen, kalten Waldes zu liegen und zu sehen wie sie und sein Kind hatten sterben müssen. Aber noch nie hatte er die Walküren so herbeigesehnt wie jetzt. Nicht nur, dass er in einem Konflikt steckte, der ihn Tag und Nacht beschäftigte, der ihm den Schlaf raubte und sogar in die Träume verfolgte, wenn er denn einmal eingeschlafen war – was jedoch äußerst selten vorkam. Dass er nämlich genau jenen Mann liebte, der nicht nur als Befehlshaber der römischen Armee indirekt für Lucrezias Tod verantwortlich war, sondern dass es genau jener Mann gewesen war, der das Schwert in ihren zierlichen Hals geschlagen hatte. Und dass er diese Tatsache erst nach all den Monaten herausgefunden hatte, die er in der unmittelbaren Umgebung von Treize verbracht hatte. Dem Römer so nahe, dass seine anfängliche Abscheu und Feindschaft sich zu Vertrauen und Freundschaft, schließlich sogar zu Liebe gewandelt hatte. Schlimmer noch, ja, es kam noch schlimmer! Sein und Treizes Körper waren durch die uralten Zauberkräfte der Druiden miteinander verbunden. Zechs hatte die Verbindung zuerst aus Unwissen initiiert, später in Ägypten hatte er es bewusst in Kauf genommen, dass dieses mysteriöse Band zwischen ihnen tiefer wurde. Nur so hatte er damals Treizes Leben retten können. Damals als Treize das Opfer der alten Kräfte des Dolches geworden war. Jener Waffe, die Zechs als Kind hatte für sein Volk bewahren sollen und in dieser Aufgabe gescheitert war. Später dann noch einmal als Zechs die drohende Gefahr instinktiv gespürt hatte, dass Treize gefangengenommen und für den hinterhältigen Plan von Lucius geopfert werden sollte. Oh, hätte er Treize doch damals sterben lassen. Dann wäre es jetzt für sie beide leichter. Das Band existierte noch, trotz Zechs‘ Tat. Es war eine mehr als schmerzliche Tatsache für Zechs. Er spürte Treizes Pein so wie er die eigenen Torturen am Körper erlitt. Er spürte auch, dass Treize noch lebte. Ein Wunder! Und dann dankte Zechs all den Göttern, die er kannte und benennen konnte dafür. Er hasste Treize für das was der Römer getan hatte und doch liebte er ihn noch immer. Es war verwirrend, es war schmerzlich, doch leider die Wahrheit. Treize hatte ihm vertraut wie keinem anderen Menschen, ihm einen Germanen. Zechs hatte dieses Vertrauen schändlich missbraucht und er spürte, dass dieser Verrat tiefe Wunden in Treizes Innersten hinterlassen hatte. In der Tat schmerzte Treize dieser Vertrauensbruch mehr als die Fleischwunde in seiner Brust. Merkwürdig, dass Zechs das so genau zu wissen vermochte. Das Gelächter hinter der Tür zu Zechs‘ Zelle wurde lauter und seine Gedanken kehrten in das Hier und Jetzt zurück. Wäre er doch in seiner innersten Welt aus Gedanken, Visionen und Erinnerungen verblieben! Denn, das was ihn nun erwarten würde.... Er war direkt Marcus in die Arme gelaufen. Dieser Bastard von einem Römer. Nachdem Zechs Treize niedergestochen hatte, war er quer durch den Wald gelaufen. Irgendwann war er auf eine Straße gestoßen und direkt auf die Nachhut von Prätorianer getroffen, die den kaiserlichen Sprössling begleitet hatten. Selbstverständlich hatte Marcus geglaubt, dass Zechs lediglich aus seiner Geiselhaft flüchten wollte. Man hatte ihn gefesselt und in einen dunklen Wagen, vor aller Augen geschützt nach Rom gebracht. Da war Zechs schon misstrauisch geworden. Es hätte doch genügt ihn wieder zu seinem ‚Herren‘, nämlich Treize zurückzubringen. Doch nein, er war in die private Fehde von Treize und Marcus geraten. Wenn er auf die gewöhnlichen Fußsoldaten getroffen wäre, sie hätten ihn mit Sicherheit zu Treize geschickt. Oder zumindest dem Konsul darüber berichtet. Doch die Prätorianer waren die Leibgarde des Kaisers. Sie waren nicht gegenüber Treize zu Treue verpflichtet. Bestimmt hatte Marcus die Männer noch zusätzlich bestochen, um ihr Schweigen zu gewährleisten. Dann in Rom angekommen hatte Zechs‘ Tortur gerade erst begonnen... Die Tür wurde aufgestoßen und man riss ihn auf die Beine. Ein Schwall Wasser traf seine Haut, um das verkrustete Blut und die Exkremente abzuwaschen. Zum Glück waren die Wunden am abheilen. Sie hatten ihn in den letzten Tagen in Ruhe gelassen. So weit Zechs das beurteilen konnte, mussten es drei Tage gewesen sein. Man gab ihm kaum etwas zu essen und dann auch nur sehr unregelmäßig. Es gab nichts, woran er sich hätte orientieren können. Seine Zelle war stockfinster. Auch wenn die Wunden verheilten, es war nur eine Frage der Zeit bis neue hinzukommen würden. Wenigstens war die Schwellung um sein rechtes Auge zurückgegangen. Entweder würde man ihm jetzt etwas zu essen geben oder sie, die namenlosen Wärter, würden ihm wieder diese Maske aus schwerem, schwarzen Samt aufsetzen... und was das bedeutete... Sein Körper wehrte sich noch immer instinktiv, so viel Kraft und Stolz war ihm noch geblieben. Doch es war ein sinnloser Widerstand, das wusste Zechs und was seinen Stolz anbetraf... Pah, er sollte keinen Stolz mehr haben, dazu hatten sie ihn schon genug erniedrigt. Es war die Maske, die nun über seinen Kopf gezogen wurde. Sie wurde äußerst gründlich in seinem Hinterkopf zusammengezurrt, so dass er keinerlei Möglichkeit hatte sie abzustreifen. Weder für ihn, noch für die Männer, zu denen man ihn gleich bringen würde. Irgendjemand, wahrscheinlich Marcus, lag sehr viel daran, dass man ihn nicht erkennen würde. Er konnte nicht einmal sagen, ob es immer die gleichen Männer waren, ob Marcus vielleicht sogar unter ihnen war. Oder ob er wahllos an irgendwelche Freier verkauft wurde. Die Maske half, so war es leichter vor den Geräuschen, den Stimmen und Gerüchen zu fliehen. Vor den heiseren, erregten Stimmen dieser Lüstlinge. Er fantasierte sich in längst vergangene, besser Zeiten. Manchmal kam sogar Treize in diesen Fantasieren darin vor. Aber wahrscheinlich hatte er diese Strafe auch verdient. Nein, er durfte jetzt nicht an Treize denken. Diese Gedanken konnte schmerzvoller sein als die bevorstehenden Stunden. Wenig rücksichtsvoll warf man ihn auf ein Lager aus Kissen. Er konnte den Fall kaum abfedern, seine Hände waren gefesselt. So landete er unglücklich auf der Schulter, welche sich ausrenkte. Zechs schrie vor Schmerz, es kümmerte die Meute nur wenig. Wie viele waren es dieses Mal? Als Zechs sich noch immer wehrte, so weit er es noch konnte, drückte jemand seine spitzen Finger unter das ausgerenkte Gelenk. Fast verlor das Bewusstsein als der Schmerz hinter seinen Augen explodierte. Er hörte die Stimmen der Männer. Ausländer, vermutlich Händler, sinnierte Zechs‘ Hirn kühl und sachlich bei dem Klang ihres Akzents. Er hielt diesen Gedanken fest, wie einen kostbaren Schatz. Er übersetzte die Legenden seiner Kindheit ins Lateinische und versuchte so seinen Geist zu beschäftigen, während sie seinen Körper benutzten. Er wusste nicht, wie lange es dauerte. Irgendwann wurde es ruhiger und er hörte nichts mehr. Oder vielleicht war es auch nur eine Reaktion seines Körpers, um die grausigen Details auszublenden. Als nächstes erinnerte er sich nur daran, dass man ihn mit kaltem Wasser übergoss und in ein weiches Bett legte. Er musste wohl träumen, denn man hatte ihm sogar diese Maske abgenommen und vorsichtig hob er den Kopf und besah sich das Zimmer, in welchem er sich nun befand. Einem ersten Impuls heraus hatte er sich gewünscht, er würde in einem von Treizes Schlafgemächern aufwachen, dass dies alles hier nur ein ziemlich schlimmer Albtraum gewesen wäre. Jemand hatte sich auch um seine Schulter gekümmert, zwar schmerzte der gesamte Arm noch höllisch, aber er konnte ihn immerhin vorsichtig bewegen. Doch spätestens als sich die Tür neben dem Bett öffnete und er den Mann sah, der nun eintrat, war jeglicher klare Gedanke aus seinem Kopf verschwunden. Hätte er noch genügend Kraft so wäre er auf den Römer vor ihm losgegangen. Selbst unbewaffnet hätte er ihn töten können, wenn er sich denn im Vollbesitz seiner Kräfte befände. Marcus sah ihm seinen Widerstand und der Wunsch aus dem Bett zu springen und ihn niederzuringen deutlich an. Er lachte, das ließ Zechs einen kalten Schauer über den Rücken rieseln. „Ich sehe, was Treize an dir gefunden hat. Du hast einen prachtvollen Körper.“ Eine klamme, kalte Hand wanderte über Zechs‘ Rücken entlang und zwischen seine Pobacken. Zechs schloss die Augen und wünschte sich an einen anderen Ort. „... oder zumindest war er einmal prachtvoll. Jetzt ist er nichts mehr weiter als der zerschundene Körper einer Hure.“ Die Worte waren reinstes Gift und fraßen sich geradezu in Zechs‘ Innerstes. Nie hätte er gedacht, dass diese Sätze solchen Schmerz hervorrufen konnten. „Wahrscheinlich wirst du den Rest deines erbärmlichen Lebens hier verbringen und Treize wird dich nie wieder sehen. Wird nie sehen, wie dreckig und wertlos du bist...“ Zechs‘ Geist klammerte sich geradezu an die Bedeutung, die hinter diesen Worten lag. Treize musst noch leben, sonst hätte Marcus dies doch nicht so formuliert, oder etwa nicht? „Wenn er dich so vorfinden würde. Diesen Gesichtsausdruck möchte ich zu gerne sehen.“ Zechs schloss abermals die Augen in stillem Leid, hätte ihn Marcus nun auch noch vergewaltigt, damit hätte er wohl besser zurechtkommen können – so weit man so etwas sagen konnte – doch diese letzte Vorstellung. Nein, er wollte nicht, dass Treize ihn so sehen sollte, lieber wollte er sterben. Kapitel 4: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Nach so vielen Niederschlägen für unsere Helden, braucht es dringend mal wieder einen Hoffnungsschimmer, oder? Ich weiß, das letzte Kapitel war hart, aber vertraut mir. :) Kapitel IV Sollte Treize jemand nach seiner Meinung fragen, aber garantiert würde das zum jetzigen Zeitpunkt niemand tun, dann würde er sagen, dass dies alles sehr, sehr verwirrend war. Wie sollte er es sonst beschreiben? Zuerst hatte er gedacht, dass er tot wäre. Aber das schien nicht zu stimmen. Weder stritt man es ab, dass er die Unterwelt betreten hatte, noch bekräftigte man ihn in dieser Annahme. Dass er lebte, das war ausgeschlossen. Zumindest dieser ‚Ort‘ an dem er sich befand entsprach nicht der Realität. Richtig, es war sein Schlafgemach in der Villa in den Albaner Bergen. Sein erklärtes Lieblingsdomizil und auch der letzte Ort den er aufgesucht hatte. Nein, dies wiederum war nicht korrekt. Der letzte Ort, den er aufgesucht hatte, war die Felsengrotte im Wald gewesen. Unwillkürlich streifte sein Blick bei dieser Erinnerung, seine Erinnerungen waren noch intakt, zu seiner Brust. Es war ein verstörender Anblick: Die Wunde, die durch sein eigenes Schwert geschlagen worden war, war deutlich sichtbar. Sie blutete zwar nicht, noch ein Indiz dafür, dass er nicht in der ‚normalen‘ Welt weilte, doch heilte sie auch nicht. Die Wundränder sahen noch so aus wie am ersten Tag seines Aufenthalts hier. Treize konnte genau die durchtrennten Muskeln ausmachen, ein bisschen sah man von dem feinen Gewebe der Lunge durchschimmern. So wie Treize das beurteilen konnte, er konnte nicht allzu lange diesem Anblick standhalten, war die Lunge selbst nicht verletzt worden. Doch jede noch so kleine Entzündung würde ihn endgültig das Leben kosten. Eigentlich müsste er sein Herz schlagen sehen, oder wenigstens die Bewegungen unter den Muskeln erkennen. Er wusste, dass sein Herz genau unter diesem zornigen, roten Fleisch ruhte. Doch es schlug nicht. War er etwa doch tot? Sein Herz schlug nicht, sein Tastsinn funktionierte nicht, er roch nichts, er hörte nichts außer der Stimme seines Gegenübers. Kein Geplapper der Sklaven oder das Zwitschern der Vögel. Einzig sehen, ja, aber was er sah, war so unwirklich. Er erkannte die Möbel wieder, doch jedes Möbelstück strahlte von innen heraus. Ebenso die Wände, der Boden. Allem wohnte ein Strahlen, ein merkwürdiges Licht inne, das jedoch nicht von der Sonne kam. Aber was vermochte sonst ein solches Licht auszusenden. Keine Kerze, kein Feuer war so kräftig. „Ach Treize! Immer am analysieren, fast bereue ich es dich so gründlich in den klassischen Disziplinen ausgebildet zu haben. Etwas mehr Gefühl hätte dir sicherlich in manchen Situationen gut getan.“ Treize warf dem Mann, sein einziger Gesellschafter an diesem Ort, einen gereizten Blick zu. Es war zwar sein Vater, aber dies konnte Treize nur schwerlich akzeptieren. Erstens weil sein Vater tot war. Zweitens weil dieser Mann wohl so aussah, wie Rutilus Khushrenada mit Anfang 20 ausgesehen haben musste. Und was drittens noch erschwerend hinzukam, anscheinend konnte dieser Mann seine Gedanken lesen. Viele Informationen hatte er von seinem Vater - er nahm einfach einmal an, dass dieses Wesen in irgendeiner Art und Weise sein Vater war – nicht erhalten. Der Ort an dem er sich befand war so eine Art Übergang und dass es an Treize war sich zu entscheiden. Wobei die Entscheidung auch schon längst feststand. Alles sehr verwirrend und ganz und gar nicht logisch. Ja, er wäre sein Vater und nein, weder seine Mutter noch seine Schwester könnten hier sein. Auf die Frage, ob die Götter ihn hier festhielten, erhielt Treize keine Antwort. „Wie lange bin ich jetzt schon hier?“ Sein Vater zog die Schultern nach oben und grinste jungenhaft. „Wir messen hier die Zeit nicht in euren Dimensionen.“ „Wir?“ Wieder dieses Grinsen als ob Rutilus sagen wollte: ‚So einfach legst du mich nicht rein.‘ „Ich nehme an, dass dies mein Zustand ist, in dem ich das Leben verlassen habe.“ Treize deutete zur Wunde. „Und folglich...“ „Fahr fort, ich bin schon gespannt welches Theorem du jetzt ausspuckst“, Rutilus genoss es sichtlich und Treize konnte zum ersten Mal Ze... ihn verstehen, dass er regelmäßig die Beherrschung verloren hatte, wenn Treize ihn aufgezogen hatte. „Aber wieso bist du dann so jung? Du warst bedeutend älter als du gestorben bist. Du existierst nicht in dem Zustand, in welchem du gestorben bist.“ „Ich hatte schon immer etwas gegen das Älterwerden“, kam die verschmitzte Antwort, die eigentlich keine war. „Treize, hier gibt es keine Hypothesen und keine Beweise. Einzig musst du dich entscheiden!“ „Ich weiß nicht, für was!“, gab Treize frustriert zurück. „Was steht zur Entscheidung?“ „Dein Leben oder dein Tod.“ Natürlich ja, aber immer wenn Treize für sich versuchte diese Frage zu erörtern, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Natürlich nicht, natürlich ist diese keine Entscheidung deines Intellekts. Diese Entscheidung muss aus deinem Herzen kommen...“ Rutilus blickte auf die Fleischwunde, in die ohne Probleme eine Faust gepasst hätte. „Nein, nicht dieses Herz. Ich meinte es eher bildhaft.“ Treize schnaubte. Sein Vater hatte es doch gerade erst selbst gesagt, Treize war zu sehr darauf geschult eben keine Entscheidung aufgrund von Gefühlen und flüchtigen Eindrücken zu fällen. „Du denkst erstaunlich wenig an ihn.“ Selbstverständlich nicht, allein Gedanken an ihn schmerzte wie ein erneuter Stich mit dem Schwert. Falls Treize solche einen Gedanken zuließ, dann schlug er schnell in Hass um. Zum einen auf ihn, zum anderen auf sich selbst. Wie hatte er so vertrauensselig sein können? Er hatte sich von einem Germanen hinters Licht führen lassen! Er! Treize Khushrenada! Dabei hätte ihm doch seine Jugend eine Lehre sein sollen. Er hatte schon einmal einem vermeintlichen Geliebten vertraut und wie war er da ausgenutzt worden? Er hatte Jahre benötigt bis er für sich sagen konnte, er hätte Lucius‘ Verrat überstanden. Eigentlich hatte es nur an einem Mann gelegen, dass Treize wieder einen anderen Mensch so nah an sich heran gelassen hatte und ausgerechnet dieser Mann, dem er so sehr vertraut hatte... Treize wusste nicht, ob er sich wünschte, dass der Germane tot war oder noch lebte. Aber warum sprach sein Vater ausgerechnet jetzt von dieser einen Person, von diesem einen Mann. Hing dies etwa mit Treizes Entscheidung zusammen? „Immer diese Analysen und dieses Hinterfragen“, kommentierte Rutilius die Gedanken seines Sohnes. „Interessant, dass du nie seinen Namen denkst.“ Ze... Es war ein Reflex, aber Treize unterband ihn sofort. Nein, er würde nicht einmal an den Namen denken. Nicht an die Gestalt des Germanen. Nicht an jene hellblauen Augen, das blonde Haar, die Spitzen mit Treizes Blut getränkt. Ein dicker roter Tropfen, der Zechs‘ Wange wie eine Träne hinabgeflossen war; das letzte Bild, dass er wahrgenommen hatte. „Wir werden bald Besuch bekommen.“ „Wer? Etwa...“ „Ja?“ „Der Germane“, zischte Treize. Er würde den Namen nicht aussprechen. „Nein, dein Germane nicht, wobei...“ Rutilus legte den Kopf leicht schräg. Als ob er hören würde, auf irgendwelche Stimmen, die für Treizes Ohren nicht bestimmt waren. „Es wäre nicht verwunderlich in Anbetracht seines Zustandes, aber das ist nicht an mir zu entscheiden. Doch ich muss zugeben, ich würde ihn gerne einmal sehen.“ Jetzt redete Rutilus einmal und gab brisante Informationen preis und sie betrafen ausgerechnet ihn, Ze... den Germanen. Treize spürte eine Unruhe in sich. Wollte Rutilus etwa damit sagen, dass auch Zech... Nein! Nicht dieser Name. Dass seine ehemalige, germanische Geisel sich ebenfalls nahe an der Schwelle zur Unterwelt befand? Aber es müsste doch eine andere Unterwelt sein, zumindest doch nicht die römische. Die Germanen verehrten andere Gottheiten. „Viele Namen für ein und dasselbe“, bemerkte Rutilus nachsichtig lächelnd wie ein Vater, der einem kleinen Kind geduldig die grundlegendsten Zusammenhänge der Welt erklärte. „Kushrenada!“ Eine fremde Stimme drang an sein Ohr und Treize wandte sich um. Dort stand plötzlich Senator Barton. Treize hätte ihn fast nicht wiedererkannt, er sah viel älter aus als in seiner Erinnerung. Seine rechte Gesichtshälfte war schlaff, der Mundwinkel und das Lid hingen herab. Die Worte waren kaum verständlich, die er sprach. Barton trug eine formelle Toga, die die Zeichen seines Amtes trug. Nein, keine Amtstracht. Es war die Kleidung, in der er bestattet werden sollte. Treize wusste nicht, woher er diese Gewissheit nahm, aber er war sich sicher: Barton, der würde hier bleiben. Barton war für die Unterwelt bestimmt. Barton sah Rutilus an und die beiden schienen sich irgendwie auszutauschen. Wieder einmal auf eine Art und Weise, die Treize verschlossen blieb. Ein anderer Gedanke schoss durch Treizes Kopf. Wenn Barton tot war, dann war Mariemaia ganz auf sich gestellt. Es gab keine anderen Erben für das Familienvermögen der Bartons und die Kleine war noch zu jung. Außerdem war sie nur ein Mädchen, selbst im entsprechenden Alter könnte sie das Erbe nicht antreten. Treize sah auf und fixierte die Stelle hinter ihm an, dort wo Barton aufgetaucht war. Jetzt schien es ihm als ob der Raum nicht so hell war. „Du hast deine Entscheidung getroffen.“ Rutilus grinste noch ein letztes Mal. Der Raum wurde mit einem Mal merklich düsterer. „Aber es war nicht alleine deine Tochter, die dein Herz bewegt hat“, waren die letzten Worte, die er an Treize richtete. Kapitel 5: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: So, wie angekündigt, geht es mit unseren Helden so langsam aber sich wieder bergauf. Viel Spaß und noch schöne Feiertage. Kapitel V „Wufei, du musst etwas essen!“ Sally drückte ihm mit Nachdruck eine Schale Eintopf in die linke Hand und dazu noch eine dicke Scheibe Brot in die rechte. Vor drei Tagen war Wufei nach Rom zurückgekehrt und fast genau so lange, wachte er an Treizes Krankenlager ohne selbst etwas Nennenswertes zu essen oder zu schlafen. Der Schock saß noch immer so tief. Es war einfach unvorstellbar was hier während seiner Abwesenheit vorgefallen war. Zum einen das, aber zum anderen machte er sich auch schwere Vorwürfe. Er hatte es doch gewusst, dass Zechs auf Rache sann und den Offizier tot sehen wollte, der seine Gefährtin getötet hatte. Zechs hatte es ihm selbst gesagt, Zechs hatte ihm damals Treizes Rüstung und den Brustpanzer beschrieben. Natürlich hatte Wufei damals gelogen und abgestritten den Panzer wiederzuerkennen. Hätte er es doch damals Treize gesagt. Doch Wufei hatte daran geglaubt, dass Zechs seine Rachegelüste mit der Zeit abgelegt hatte. Außerdem hätte der Germane Treize nie in voller Rüstung sehen dürfen. Normalerweise wäre es dazu nie gekommen. Die anderen Getreuen des Konsuls hatte er von diesem Kummer nichts berichtet. Wenn er diese Vorwürfe jemandem beichten musste, dann Treize persönlich. Nur von ihm konnte er Vergebung erhoffen. Welches Leid hätte er verhindern können, hätte er nicht geschwiegen? Er wollte den Eintopf ablehnen, doch sein Magen meldete sich bei dem köstlichen Geruch der Mahlzeit mit einem eindrucksvollen Knurren zu Wort. „Komm mit ins Atrium“, Sally zog ihn am Ellbogen in die Höhe auch ihr war Wufeis Reaktion auf das Essen nicht entgangen. „Ich weiß, du möchtest hier bei ihm bleiben, aber du darfst deine eigene Gesundheit nicht aufs Spiel setzen. Treize würde so ein unvernünftiges Verhalten nie akzeptieren. Geh zu den anderen nach unten.“ Wahrscheinlich wollte Sally auch Treizes Wunde erneut verarzten und da war es ihr am liebsten, wenn sie ungestört arbeiten konnte. Ohne Duos Zwischenrufe oder Wufeis eigener schmerzerfüllter Gesichtsausdruck, wenn er die Wunde sah. Also ging er mit seiner Schale nach unten und setzte sich auf den nächstbesten Diwan. Quatre und Trowa sahen beieinander. Der Pferdeknecht hatte einen Arm um die Schultern des Tribuns gelegt. Quatre selbst sah so aus als ob er eingeschlafen wäre. Wer konnte es ihm verdenken? Interessanterweise hatten sich Duo und Heero getrennt voneinander niedergelassen. Normalerweise würde sich doch Duo an Heero drängen, egal zu welcher Gelegenheit. Hatten die beiden Männer etwa eine Meinungsverschiedenheit? Doch Wufei war nichts aufgefallen was an einen Streit denken ließ. Einmal abgesehen davon, dass für Heero noch immer Zechs als Täter feststand, während Duo den Germanen in Schutz nahm und an einen Attentäter glaubte, der dann Zechs verschleppt hatte. Wufei musste zugeben, dass er auch nur zu gerne an diese Version glauben wollte. Eine weitere drängende Frage belastete Wufei. Wie sollten sie weiterverfahren? Einmal bereits war Marcus zu ihnen gekommen. Es würde mit Sicherheit nicht der letzte Besuch oder der letzte Gast gewesen sein, der Treize sprechen wollte. Die Ausrede des abenteuerlichen Jagdunfalls konnte sich vielleicht noch ein paar Tage aufrechterhalten. Dann mussten sie wohl oder übel mit der Wahrheit herausrücken. Oder zumindest so weit gehen und dem Kaiser bekanntgeben, dass Treize schwer verletzt war. Aber vielleicht war Treize bis dahin auch schon gestorben. Wufei hielt inne, den Löffel, den er gerade noch zum Mund hatte führen wollen, verharrte unschlüssig in der Luft. Wie konnte er nur so etwas denken? Er warf den Löffel zurück in die Schale und fuhr sich durch die Haare. Ganz zu schweigen von den Intrigen, die Marcus und Treizes Onkel Dermail spannen, ihr ‚Ratschlag‘, dass sich Treize doch wieder dem illustren Kreis adliger, einflussreicher Römer anschließen sollte. Jenem Kreis, der sich selbst Romefeller nannte. Was sollten sie also tun? Er vermochte schon gar nicht zu sagen, wie oft er sich diese Frage gestellt hatte. Und nicht nur Treize. Sie mussten doch auch etwas wegen Zechs unternehmen. Gleichgültig ob der Germane nun Treize angegriffen hatte oder nicht. Es wäre besser genau zu wissen, wo er sich aufhielt. Wufei hatte dieses Thema schon gegenüber den beiden Tribunen erwähnt, doch er wusste nicht, was Heero oder Quatre daraus gemacht hatten. Sie hätten die Autorität Soldaten auszusenden, die Zechs suchen sollten. „Wir haben Wufei noch gar nicht die Waffen gezeigt!“, meinte Duo in die bedrückende Stille des gemeinsamen Mahles hinein. Doch selbst dieser Ausspruch zeigte kaum Regung bei den anderen drei Männern. Nur müdes Nicken. Wufei fragte nur mäßig interessiert: „Welche Waffen denn?“ Dann begann Duo zu erzählen, von den fünf Waisen, die völlig isoliert in einer ägyptischen Wüste hausten und die letzten Bewahrer einer alten Priesterkaste waren. Treize und Zechs hatten den Weg zu ihrer Wohnstätte in der Wüste mittels zweier alter Amulette ausfindig gemacht. Genau wusste Duo nicht, wie die beiden den Weg gefunden hatten. Doch war Zechs dann mit ihnen dort geblieben, hatte bei den alten Männern für einige Wochen studiert, ihre Magie und ihr Wissen förmlich in sich eingesaugt. Zechs hatte behauptet die Vorfahren seiner Mutter entstammten ursprünglich dem Land am Nil. Daher seine Begabung für Magie, sein Wissen in der Heilkunst, das er eigentlich gar nicht haben dürfte. Bei diesen Worten erinnerte sich Wufei noch mit Schaudern an den Überfall auf Treizes Ländereien am Julientor. Eine Bande Banditen, bezahlt von Treizes Onkel, hatten das Dorf überfallen und versucht Treize in einen Hinterhalt zu locken. Bei dem Kampf war Wufei von einer Axt getroffen worden und Zechs hatte die Wunde so schnell und sicher genäht als ob er nie etwas anderes in seinem Leben getan hätte. Ganz zu schweigen von jener Macht, die Zechs in sich trug und mit der er Treize und auch Trowa vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Aber schließlich hatte Zechs beschlossen mit den Fünfen zu brechen. Diese Männer hatten keinerlei Skrupel empfunden ihr Wissen um Tinkturen und Heilpflanzen auf unlautere Weise anzuwenden. Berauschende Gifte, die einen Mann zu einer willenlosen Kreatur, nur noch gelenkt von seinen innersten Bedürfnissen, werden ließen, das konnte Zechs, konnte niemand gutheißen. Einer der Fünf hatte Quatre unter Drogen gesetzt und der Tribun hatte nicht einmal mehr seinen geliebten Trowa wiedererkannt. Bevor sie jedoch aufgebrochen und Treize nachgereist waren, der in der Zwischenzeit nach Theben gefahren war, hatten sie die Vorräte und Lagerräume der fünf Waisen geplündert. Ebenso hatten sie die Waffen mitgenommen, die so perfekt zu ihnen passten, als ob sie extra für sie angefertigt worden wären. Ein großes, beeindruckendes Schwert, dessen Klinge grünlich schimmerte für Heero. Eine Sense für Duo, der sie mit erstaunlicher Präzision schwingen und damit kämpfen konnte, das gab sogar Heero zu. Wurfmesser für Trowa, die nie nachgeschliffen werden musste, egal wie oft sie sich in das Fleisch eines Mannes schnitten. Zwei gebogene Schwerter für Quatre, ähnlich den Waffen, wie sie manche Völker benutzen, die östlich des römischen Reiches lebten. Und es gab wohl auch eine Waffe für Wufei. Die Duo mitgenommen hatte, weil er sofort an Wufei gedacht hatte als er das Schwert gesehen hatte. In der Tat waren diese Waffen wohl ebenso ein Mythos und eine Prophezeiung wie Zechs‘ Rückkehr nach Ägypten. Eine Prophezeiung die wohl ebenso eingetreten war, wie die Tatsache, dass Wufei erneut nach Rom gekommen war. An dieser Stelle schaltete sich zum ersten Mal Quatre in die Erzählung ein. „Bei den Göttern!“, rief er aus und das Blut wich aus seinem Gesicht. „Erinnert ihr euch noch an diese Prophezeiung, diese Geschichte mit jenem Medaillon, das Zechs getragen hatte.“ Die anderen schweigen, anscheinend wussten sie genau, auf was Quatre sich bezog. Einzig Wufei tappte im Dunkeln. „Was denn?“ „Es kann doch nicht... aber, es muss so sein.“ Trowa schüttelte fassungslos den Kopf. „Es war die ganze Zeit vor unseren Augen.“ „Laut diesen Medaillons würden sich Treize und Zechs einmal als Gegner gegenüberstehen“, erklärte Quatre. „Treize hat natürlich immer behauptet er würde nicht daran glauben...“ „Ich habe gleich gesagt, dass es Zechs war, der Treize angegriffen hat“, verteidigte Heero seine Meinung, die Duo noch immer nicht gelten ließ. Auch jetzt schnaubte Duo nur und stand auf. Was war nur zwischen diesen Beiden los? „Ich hole dir das Schwert“, meinte Duo und durchquerte den Raum. Wufei fiel dabei auf, dass Heero nur mit äußerster Mühe an sich halten konnte den Sklaven nicht zurückzurufen, ein versöhnliches Wort oder eine Beschwichtigung zu sprechen. Heero presste die Lippen fest aufeinander und ballte eine Faust. Zugegeben er tat es hinter seinem Rücken, doch Wufei erkannte die Anspannung in seiner Schulter und im Nacken. Sollte einer aus Heero schlau werden. Duo hatte gerade den Fuß auf die erste Treppenstufe gesetzt als ein langer, spitzer Schrei von den oberen Zimmer durch das gesamte Haus schallte. Gefolgt von lautem Scheppern und Klirren. „Sally!“, riefen alle Fünf und waren auf den Beinen, das Essen und die Geschichten um alte Priester und mysteriöse Waffen schlagartig vergessen. Wufeis Herz wollte ihm schier zerspringen so schnell schlug es in seiner Brust. Er raffte den Shenyi, den er noch immer trug, und stürmte neben Heero die Treppe empor. Ist er jetzt gestorben? Ist Treize tot? Die Realität, die sie im Schlafgemach des Konsuls jedoch erwartete, war aber dann mit Sicherheit ebenso schockierend als diese schauderhafte Vorstellung. Sally stand mitten im Raum, kreidebleich, die Hand vor den Mund gepresste, ihre Augen weit aufgerissen. „Sally! Was ist...“, Wufei hatte zunächst nur sie gesehen, erst dann wanderte sein Blick zum Bett und auch er musste sich im nächsten Moment an einem Stuhl abstützen. „Also wirklich Sally...“ Diese Stimme! Sie klang rau, unbenutzt während den Tagen, denen er dem Tode näher gewesen war als dem Leben, heiser und müde. Aber es war unbestreitbar Treizes Stimme. Er saß aufrecht in seinem Bett und schob sich mit dem rechten Hand die Haare aus der Stirn. Sein Gesicht war noch immer schrecklich bleich, die Lippen fast blutleer, aber er lebte und er war wach; er schien Herr über seinen Körper und seiner Sinne zu sein. Welch ein Wunder! „Wufei!“ Ein echtes Lächeln zog sich über die blassen Lippen und Treize lachte vorsichtig. Mit Sicherheit machte ihm jeder Atemzug, jedes noch so vorsichtige Hüsteln zu schaffen. „Entschuldige alter Freund, aber bist du echt oder eine Illusion?“ Anscheinend war sich Treize selbst noch nicht völlig sicher, ob er wieder unter den Lebenden weilte. Auch mit seiner Kraft war es noch nicht um das Beste bestellt, denn er schwankte etwas. „Ja!“ Wufei eilte an die Seite des Konsuls. Er würde es später nie wieder zugeben, wenn ihn Sally oder Duo darauf ansprachen, doch ja, seine Augen füllten sich mit Tränen und schnell wischte er sie weg. „Ich bin real, aus Fleisch und Blut.“ Er nahm Treizes Hand in die seinen und drückte sie. Es war irgendwie verstörend, denn Treizes Körper fühlte sich noch so klamm und kühl an wie noch eine Stunde zuvor. Was hatte Wufei erwartet? Dass er von einem Augenblick zum nächsten wieder ganz der alte Konsul war? „Das ist eine unerwartete Überraschung, aber eine sehr erfreuliche“, Treize wollte sich näher zu ihm hinbeugen, ihm mit seiner Linken durch das offene Haar streichen, da zuckte er schmerzhaft zusammen. Die Wunde an seiner Brust war noch zu frisch als dass solche Bewegungen förderlich wären. Sofort standen die anderen vier um das Bett herum doch Treize hielt sie mit einer Handbewegung auf. „Ihr seid auch alle hier...“ „Natürlich Herr, wo sollten wir sonst sein?“, Trowa verneigte sich. Auch er wischte sich verstohlen eine Träne der Erleichterung aus den Augen. Sklaven waren nun einmal an ihre Herren gebunden. Starb ein römischer Adliger, denn wussten die Sklaven in der Regel nicht, was sie danach erwarten würde. Treize nickte nur über die Zurschaustellung solcher Treue. „Verdammt noch mal!“ Sallys Stimme überschlug sich fast so voller Emotionen war sie. Sie trat gegen einen der Tiegel, der auf dem Boden gelandet waren und der zerschellte an der Wand. „Mir so einen Schrecken einzujagen! Setzt sich auf während ich ihm den Rücken zukehre und alles was er zu sagen hat ist: Sally, deine Tunica ist dreckig. Als ob ich in den vergangenen Tagen nichts besseres zu tun gehabt hätte als auf meine Tunica zu achten...“ Noch zwei Tiegel zersprangen und sie schluchzte einmal auf. Einer der Gefäße hatte ein Puder enthalten während sich nun im ganzen Raum ausbreitete und einen süßen Geruch verströmte. Da schmunzelte sogar Treize, doch er entschuldigte sich nicht. Vielleicht weil er wusste, dass es besser war Sally jetzt nicht noch mehr aufzuregen, vielleicht weil er auch einfach noch zu schwach oder müde war. „Wie lange...?“, raunte er kaum hörbar und musste sich räuspern. Wufei reichte ihm einen Krug voll Wasser. Wenn sie unter sich gewesen wären hätte er den Becher an Treizes Lippen gehalten doch jetzt drückte er ihn nur in dessen Hand. „Neun Tage“, antwortete Quatre doch Treize unterbrach ihn. „So lange ist er schon tot?“ Treize saß ruckartig auf und verzog gleich wieder das Gesicht. „Wer?“ „Barton.“ „Barton ist tot?!“, fragte Wufei in die Runde. Er kannte den alten Senator nicht persönlich, doch der Name sagte ihm etwas. Vielleicht hatte er ihn auch einmal in Rom von der Ferne gesehen. Dann fiel es ihm wieder ein. Treizes illegitime Tochter war die Enkelin des alten Senators. Quatre hatte ihm alles erzählt was er über Mariemaia und die besonderes Umstände ihrer Zeugung wusste. Viel war es nicht gewesen, denn auch Treize hatte ihnen nur erzählt, dass es sich bei Mariemaia Barton um seine und Leia Bartons Tochter handelte. „Nein, nicht dass ich wüsste.“ Quatre beäugte Treize mit skeptischem Blick, er traute Treizes Geisteszustand offensichtlich noch nicht völlig. „Oh, nun... aber er ist tot... Oder wird zumindest bald sterben.“ Treize sah in eine Ecke des Zimmers und unwillkürlich wandte auch Wufei den Blick in diese Richtung. Aber da war niemand. Natürlich war es Heero, der die Frage stellte, die ihnen alle durch den Kopf ging. „Woher wollt Ihr das wissen?“ „Ich kann es selbst nicht erklären und glaube mir, ich kann es selbst nicht begreifen. Aber ich weiß es. Armes Mädchen.“ Damit meinte er bestimmte seine Tochter. „Quatre, reite zu ihrem Landsitz und sieh zu, was du in Erfahrung bringen kannst. Mariemaia vertraut dir, bleib bei ihr so lange es geht. Wenn Barton dann tot ist, werden sich so manche Gestalten um die Kleine scharren.“ Quatre war zunächst noch unschlüssig, ob es nicht besser wäre bei Treize zu bleiben doch als Treize ihn dann mit scharfen Blick gemustert hatte, der jeden noch so erfahrenen Legionär ins Schwitzen brachte, eilte er los. Trowa schloss sich gleich an, um dem Tribun ein Pferd zu satteln. Nur wenig später hatte Treize auch Heero fortgeschickt, er solle nach Rom reiten und sich dort um die Legion kümmern und den Gerüchten von Treizes Abwesenheit nicht noch mehr Nahrung geben. Zumindest war dies der Teil des Auftrages, den Wufei mitgehört hatte, denn Treize hatte sie aus dem Zimmer geschickt und Heero noch etwas im Vertrauen mitteilen müssen. Jetzt putzte Duo indes die Überreste von Sallys ‚Ausbruch‘ auf. Die Ärztin saß noch immer ziemlich verloren am Fußende von Treizes Liege und hatte begonnen zu weinen. Noch nie hatte Wufei die starke Frau so hilflos erlebt. Man hatte ihm immer erzählt, dass Sally selbst noch nach tagelangem Dienst in den Zelten der Heiler ihre Fassung bewahrt hatte. Nach den Schlachten der Römer hatte sie mit Sicherheit schlimmere und grausamere Verwundungen versorgen müssen als Treizes Brustwunde und doch die tage-, oft auch nächtelangen Wachen am Krankenlager des Konsuls hatten sie ausgelaugt. Wufei saß neben ihr und schlang den Arm um ihre Schultern. „Ich habe Heero gesagt, er soll nach Une schicken.“ Treize lag wieder flach auf dem Bett, die Augen geschlossen. „Du.. Schuft!“ Sally konnte nicht umhin ihm mit der Faust auf das Schienbein zu hämmern. „Eines sage ich dir: Wenn du auch nur einen Fußzeh aus diesem Bett streckst, bevor ich es nicht erlaubt habe, dann können dir selbst all deine römischen Götter nicht mehr helfen.“ Sie zog wenig damenhaft die Nase hoch. Da war Treize kaum eine Stunde wach, zwar noch ans Bett gefesselt und so schwach, dass er nicht einmal mehr aufrecht sitzen konnte und doch hatte er seinen Männern schon wieder Befehle erteilt und Pläne geschmiedet. Wufei konnte nicht umhin ihn zu bewundern. Treize lächelte nur kurz und nahm die Rüge hin. Er schlief wieder ein doch ein jeder sah, dass es dieses Mal wirklich nur der Schlaf war, der Treizes Körper und Geist gefangen hielt, heilsamer, erholender Schlaf. Kapitel 6: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel VI Quatre stieg von seinem Pferd und ging zu Fuß den hübsch angelegten Weg zur Villa des alten Senator Bartons hinauf. Doch Quatre hatte keine Muße die frisch gestutzten Hecken und wilden Rosen zu betrachten. Sein Blick richtete sich auf das Steingebäude am Ende des Weges. Es erschien ihm mit einem Mal geradezu bedrohlich. Die Villa war ähnlich wie Treizes Anwesen auf einem sanften Hügel errichtet worden. Doch im Gegensatz zu der Villa der Khushrenadas war dieses Gebäude erst vor wenigen Jahren erbaut worden. Die ursprüngliche Villa war Opfer eines Brandes gewesen, dessen Ursachen bis heute nicht geklärt war. Barton hatte dieses Unglück genutzt und seinen Landsitz im Zuge des Wiederaufbaus vergrößert. Nichts schien darauf hinzudeuten, dass sich im Hause Barton ein Todesfall ereignet hätte. Keine Sänften im Hof oder Pferden von Adligen, die dem Toten ihr Aufwartung machen würden. Alles schien normal. Er band sein Pferd an den nächstbesten Pfahl an, der etwas abseits des Eingangs errichtet war. Mit Sicherheit würde alsbald ein Sklave erscheinen und das Tier in den Schatten führen. Entweder war Treizes „Ahnung“ falsch oder aber Barton war gerade erst vor wenigen Stunden verstorben. Quatre hatte für seinen Ritt vom Anwesen des Konsuls hierher eine starke Stunde benötigt. Als er in die Kühle des Hauses trat und seine Augen sind an die Schatten gewöhnt hatten, eilte eine Sklavin auf ihn zu, die Quatre als Mariemaias Kindermädchen wiedererkannte. Lucilla, so hieß sie, kannte ihn von den gemeinsamen Übungsstunden. Es war unmöglich gewesen vor der Sklavin die wahre Absicht hinter den Treffen von Mariemaia und der ehrenwerten Une in Rom geheimzuhalten: Nämlich Mariemaia beizubringen, wie man auf vernünftige Art und Weise mit einem Dolch zu kämpfen hatte. Dabei hatte sich Quatre auch das Vertrauen der jungen Mariemaia und ihres Kindermädchens erworben. Treize hatte das Mädchen einmal dabei ertappt wie sie einen Dolch gezückt hatte. Mit der Waffe hatte sie sich sicherer gefühlt doch nicht wirklich gewusst, wie sie damit umzugehen hatte. Treize hatte ihr dann Quatre als Lehrer zugewiesen und obwohl noch nicht einmal eine richtige Frau, sondern ein Mädchen von nunmehr elf Sommern, sie hatte eindeutig das Talent zum Kämpfen von ihrem Vater geerbt. Quatre fand es immer wieder verblüffend, wenn ihm gewisse Bewegungen an ihr aufgefallen waren, die er nur von ihrem Vater kannte. Ein einfacher Dolch war ihr bald zu langweilig gewesen und sie hatte von Quatre gefordert, dass er sie im Schwerkampf unterwies. Natürlich hatte Quatre dies nicht ohne die Zustimmung von Treize getan. Treize hatte damals nur gelächelt und nickend sein Einverständnis gegeben. Doch selbstverständlich waren es nur relativ ungefährliche Holzschwerter gewesen mit denen sie dann gekämpft hatten. „Wieso seid ihr hier?“, verlangte Lucilla zu wissen, gleich nachdem sie ihn begrüßt hatte. Bildete er es sich ein, oder schien die sonst so stoische Frau über irgendetwas aufgebracht zu sein? „Auch egal, kommt mit!“, entgegen aller Etikette griff sie nach seiner Hand. Noch bevor er auch nur die Halbwahrheiten ausplaudern konnte, die er sich als Begründung für seine Anwesenheit zurecht gelegt hatte. Schließlich konnte er schlecht sagen, Konsul Treize hatte da so eine Vision und kurz nachdem er wieder aufgewacht ist, nachdem ihn vermutlich dieser germanische Verräter versucht hat zu ermorden, hat er mich zu euch geschickt. „Ist etwas geschehen?“, erkundigte sich Quatre und insgeheim hoffte er, dass sich Treizes Vorahnung nicht bewahrheiten würde. Arme Mariemaia! Für sie wäre es dann am schwersten. Treize hatte ihr versprochen, dass er sich um sie kümmern würde, sollte ihr Großvater einst sterben. Mariemaia hatte schon damals gewusst, dass sie bald alleine sein würde. Nach dem Zwischenfall, der Senator Barton ans Bett gefesselt und ihm all seiner Kräfte beraubt hatte. Doch etwas ahnen und etwas wissen war eine ganz andere Sache. Wie würde es der Kleinen jetzt wahrhaftig ergehen, sollte ihr Großvater über den Styx geschritten sein? In den vergangenen Monaten hatte sich Mariemaia wacker darin geschlagen, die zahlreichen Adligen – und vor allem ihre jungen, männlichen Sprösslinge – in ihre Schranken zu weisen. Viele hatte noch auf eine Verlobung von der kleinen Barton mit einem der einflussreicheren Söhne gehofft. Doch so weit war es erst gar nicht gekommen, nicht zuletzt, weil sich Mariemaia selbst als äußerst intelligent und ausgefuchst angestellt hatte. Sie hatte die vielen Bewerben gegeneinander ausgespielt und auch niemandem zu ihrem Großvater gelassen. „Senator Barton ist heute Morgen gestorben. Es war eine schreckliche Nacht bis ihn die Götter zu sich genommen haben. Es war kein sanfter Tod.“ „Oh.“ Es war unheimlich, Treize hatte mit allem Recht behalten! „Und Mariemaia? Wie geht es ihr?“ „Schlecht.“ Lucilla führte ihn in einen Bereich der Villa, der wohl den engeren Familienmitgliedern vorbehalten war. „Sie war dabei als der Todeskampf begonnen hat, doch dann haben wir sie weggebracht. Seitdem ist sie nicht mehr aus ihrem Zimmer gekommen.“ Lucilla horchte an einer Tür und trat dann ein. Es war Mariemaias Zimmer. Sie selbst saß auf ihrem Bett, die Augen rot umrandet von den vielen vergossenen Tränen, ihr Gesicht bleich. Obwohl es im Zimmer angenehm warm war, zitterte sie wie trockenes Laub auf den Bäumen. „Quatre!“ Ihr Gesicht zeigte echte, tiefe Dankbarkeit und sie rutschte von ihrem Platz auf dem Bett. Sie warf sie ihm regelrecht in die Arme, klammerte sich an ihn. Es musste grauenhaft für sie gewesen sein ihren Großvater in diesen letzten Stunden so zu erleben. Er sprach gar nicht viel, gab ihr einfach etwas Zeit sich zu beruhigen, dann plapperte sie schon los, und bestätigte dabei Quatre Befürchtungen. Mariemaia berichtete davon, dass ihr Großvater keine Luft mehr bekommen hätte, immer schwerer seien ihm die Atemzüge gefallen, schließlich hätte er sich mit seiner gesunden Hand den Hals zerkratzt und unverständliche Laute ausgestoßen. Sie war sich sicher, dass er ihr noch etwas sagen wollte, denn die gesamte Zeit hätten seine Augen auf ihr geruht. Selbst Quatre schauderte da innerlich, obwohl er doch schon so manchen schrecklichen Tod auf dem Schlachtfeld hatte mitansehen müssen. Es war nur allzu verständlich, dass sie jetzt ihren Großvater nicht mehr sehen wollte. Jetzt wo er tot war. Aber sie war nun einmal die letzte lebende Verwandte und der Brauch sah es vor, dass sie ihm den letzten Kuss gab und ihm die Münze, das Fährgeld, für den Fährmann des Styx auf die Zunge legte. Es wäre ihre Pflicht als Enkelin, aber solch eine bedrückende Verpflichtung würde Quatre niemals einem Mädchen, einem Kind, auferlegen wollen. Und doch... Vielleicht half es ihr Abschied zu nehmen von ihrem Großvater. Es wäre wirklich besser, wenn Treize hier wäre. Vielleicht würde der Konsul dann auch zu der Vaterschaft stehen und selbst wenn nicht, er würde Mariemaia damit sehr helfen. Es musste ein Trauerzug durch Rom organisiert werden, mitsamt den obligatorischen Reden. Solch ein Prozedere stand einem Mann wie Barton durchaus zu. Ganz zu schweigen von einem guten Grabplatz an einer der Straßen. Die Reichen und Bedeutsamen bestatteten ihre Toten mit Vorliebe an den dichtbefahrenen Straßen. So wie die Gräber von Treizes Eltern. Diese Grundstücke waren teuer und so mancher Bauer hatte sich damit schon eine goldene Nase verdient. Die Stele zum Gedenken an Quatres Mutter, obwohl nur eine germanische Sklavin, befand sich an einer Straße in Richtung Ostia. So sehr hatte sein Vater sie geliebt. Aber wer sollte dies alles organisieren? Mariemaia konnte es unmöglich alleine bewerkstelligen und Treize war auch außer Stande dazu. Außerdem musste es schnell gehen, bei diesem warmen Wetter würde der Leichnam bald anfangen zu verwesen. Aber ein Schritt nach dem anderen. „Komm, wir gehen zu deinem Großvater“, sagte er leise, aber eindringlich. Natürlich sträubte sich Mariemaia und wollte sich losreißen. „Du brauchst vor den Toten keine Angst haben!“, schärfte er ihr ein und blickte ihr ins Gesicht. „Dein Großvater wird sich sehr darüber freuen, dass du dich noch einmal von ihm verabschiedest.“ Er führte sie in das Schlafzimmer, Lucilla öffnete die Tür. Der Tod gehörte in jede Familie, egal ob reich oder arm. Er war ein Bestandteil des Lebens und besser Mariemaia lernte dies jetzt. Würde sie später einmal Kinder bekommen, würde sie noch so manchen kleinen Körper ins Grab legen müssen. Nur die Stärksten überlebten. Sie konnte sich nicht dazu bringen den Toten anzusehen. Quatre selbst war etwas mulmig zu Mute, doch dann war er regelrecht erleichtert als er Barton sah. Die Züge des alten Mannes hatten sich im Tod entspannt, nichts zeugte mehr von seinem Todeskampf oder den Leiden in den Monaten, in denen er nur noch in diesem abgedunkelten Zimmer gelegten hatte. Er sah wirklich so aus, als ob er schlafen würde. Friedlich und ruhig, würdevoll. Quatre drückte Mariemaias Hand und blieb mit ihr vor dem Bett stehen. Endlich überwand sie sich und blickte für einen kurzen Moment auf. Dann wieder weg. „Siehst du?“, begann Quatre. „Es ist nichts Grauenvolles oder Entstellendes.“ „Als ob er gleich aufwachen würde.“ Sie weinte wieder und ging einen Schritt auf das Bett zu. „Ja“, er blieb bei ihr und hielt ihre Hand. Er hoffte, dass Mariemaia ihren Großvater so in Erinnerung behalten würde, statt diesen grauenhaften Stunden der letzten Nacht. Neben dem Bett lag auf einem kleinen Tischchen die goldene Münze, das Geld für Charon, den Fährmann. Auch Mariemaia kannte die Bräuche und griff unschlüssig nach der Münze. Sie schien sich nicht überwinden zu können den Körper anzufassen. „Machen wir es gemeinsam“, Quatre beugte sich über den Toten und öffnete den Mund. Die Leichenstarre war noch nicht so weit fortgeschritten als dass dies Schwierigkeiten bereitet hätte. Mariemaia schob die Münze zwischen die Lippen, dabei war sie sorgsam darauf bedacht nicht die kalte Haut des Verstorbenen zu berühren. Schnell trat sie einen Schritt vom Bett zurück als Quatre den Mund wieder schloss und dem Toten einen Kuss kurzen Kuss gab. So war es nun einmal Brauch, die nächsten Verwandten nahmen den Geist des Verstorbenen in sich auf, bewahrten ihn und trugen ihn weiter. Quatre wandte sich zu ihr um und gab nun wiederum der überraschten Mariemaia einen kurzen Kuss auf die Lippen. Erleichtert starrte sie ihn an, sie verstand und nickte dankbar. Quatre widerstand nur mit Mühe der Versuchung sich mit der Hand über den Mund zu fahren. Einen Toten hatte auch er noch nie geküsst. „Wer wird die Trauerfeierlichkeiten organisieren? Du musst das keineswegs selbst tun“, beeilte sich Quatre zu sagen, bevor Mariemaia anhob zu sprechen. Sie waren hinab in das Atrium gegangen und Lucilla hatte ihnen ein leichtes Essen vorgesetzt, etwas Eintopf und frisches Quellwasser. Quatre wischte den letzten Rest des Eintopfes mit einem Stück Brot aus seiner Schüssel. Erfreut stellte er fest, dass auch Mariemaias Wangen wieder Farbe gewannen und sie etwas Nahrung zu sich nahm. Die Feierlichkeiten zur Beisetzung des Toten mussten so schnell als möglich durchgeführt werden. Im Sommer verwesten die Leichen nun einmal besonders schnell. „Wer kann so etwas tun?“ „Ich kenne eine Dame, die dir mit Sicherheit unter die Arme greift und die nötigen Leute kennt. Am besten unterrichtest du sie noch heute von dem Tod deines Großvaters.“ Quatre sagte es absichtlich, denn Mariemaia musste sich so schnell es ging mit der Realität auseinandersetzen. Und die Realität sah nun einmal so aus, dass ihr letztes – legitimes – Familienmitglied gestorben war. Sie war nun erst einmal auf sich allein gestellt. „Du meinst Une?“ „Ja, sie wird dir mit Sicherheit helfen.“ Außerdem konnte dann auch Treize leichter ein Auge auf die Kleine werfen. Denn was Une wusste, das wusste auch Treize. Vielleicht würde Quatre sogar selbst nach Rom reiten, das wäre vermutlich schneller und effektiver als einen Boten zu schicken. „Was wird nun mit mir geschehen? Ich weiß nicht, wo Großvater das Testament verwahrt hat. Was meinst du, hat er mir das vielleicht noch mitteilen wollen?“ Quatre ignorierte diese letzte Frage geflissentlich. „Testament oder nicht. Da Senator Barton keine männlichen Nachkommen hat... hatte, die den Besitz erben könnten, fällt das Vermögen an den Kaiser. Aber ich denke nicht, dass der Kaiser gleich dem nächstbesten Günstling das Land überschreibt oder die Villa verschenkt. Wahrscheinlich wird der Kaiser dein Vormund und dir einen passenden Ehemann suchen.“ Warum die Wahrheit verschleiern? Mariemaia wäre bald alt genug, dass sie verheiratet werden konnte. Eine Verlobung in ihrem Alter war nicht gerade üblich, aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Ihre Position war gar nicht einmal so schlecht. Als potentielles Geschenk des Kaisers an verdiente Adlige, deren Gunst er sich sichern wollte, würde sie ein privilegiertes, behütetes Leben leben. Ihre würde es an keinem Luxus mangeln. Doch Quatre war auch nicht so gutgläubig, dass er nicht die Schattenseiten sah. Vielleicht wurde sie an einen reichen Kaufmann verschachert, der gut und gern doppelt so alt wie sie war. Vielleicht wurde sie dann bald schwanger und starb im Kindbett, fast selbst noch ein Kind. Ob das Testament von Barton wohl noch auftauchen würde? Womöglich hatte er es einem guten Freund anvertraut, der sich dann nach dem Tod um die Vollstreckung kümmerte. Was wäre, wenn Treize in diesem Schreiben öffentlich als Vater der Kleinen genannt würde? Dann wäre alles so leicht, vor allem für Mariemaia. Aber der alte Barton würde wohl eher seinen Besitz dem Kaiser vermachen als dass er Treize als Schwiegersohn anerkannte. „Wie geht es meinem... dem Konsul?“ Quatre schreckte auf, so sehr war er in Gedanken versunken. Hatte er sich da gerade verhört? Was hatte sie sagen wollen, bevor sie sich korrigiert hatte? Er blickte sie vorsichtig an. Wusste oder ahnte sie etwas? Treize hatte sich ihr gegenüber immer großzügig und liebevoll gezeigt, war ihr das aufgefallen oder hatten die Sklavinnen vielleicht getrascht? Mit Sicherheit gab es Tratsch über die Identität des Vaters des Mädchens. Leia Bartons Schwangerschaft war ja damals ein mittlerer Skandal gewesen, wie ihm sein Vater unlängst erzählt hatte. „Bitte?“ „Dem Konsul, wie geht es ihm? Ich hörte, dass er einen Unfall erlitten hat. Bei der Jagd.“ „Leider. Aber es geht ihm besser.“ „Ich hoffe, dass er an dem Trauerzug teilnehmen kann. Kann Konsul Treize nicht die Trauerrede halten.“ „Ich glaube, das wäre vermessen“, formulierte Quatre vorsichtig. „Ja, Großvater hat den Konsul nicht so recht leiden können.“ Sie stellte ihre Schüssel zur Seite und hob sich eine der Katzen auf den Schoß, die maunzend auf dem Boden saß und um ein paar Streicheleinheiten bettelte. Es war ein Geschenk von Treize für Mariemaia gewesen, nachdem er aus Ägypten zurückgekommen war. Sie war so vertieft darin mit dem Tierchen zu schmusen, dass Quatre wahrhaftig glaubte, sie vorhin verhört zu haben. Wie sollte sie auch etwas ahnen? Treize hatte es noch bis vor einem Jahr sogar vor seinen engsten Vertrauten geheim gehalten. Und Barton hätte es ihr ganz gewiss nicht gebeichtet. Jetzt hoffte er, dass sich Treize in den nächsten Tagen so weit erholte, dass er in der Tat nach Rom zum Trauerzug und der Verbrennung reisen konnte. Alles andere würde zu viel Gerede verursachen, wenn er als Konsul dem verstorbenen Senator nicht die letzte Ehre erwies. Kurz darauf verabschiedete sich Quatre von Mariemaia und gab ihrer Dienerin noch letzte Instruktionen mit. Es gab viel zu tun und er trieb sein Pferd an. Er musste heute noch nach Rom. Kapitel 7: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Manche haben bereits geschrieben, sie hoffen, ich breche diese Geschichte nicht ab. Natürlich nicht! Ich habe bis jetzt noch jede Story beendet, so auch diese. :) Auch wenn die Updates leider in letztes Zeit länger auf sich warten lassen als auch mir lieb ist. :( Ein dickes Entschuldigung dafür! Kapitel VII Eine Frage wurde nicht gestellt, weder von Treize noch von Sally oder den anderen. Selbst Wufei scheute sich diese eine Frage zu stellen. Er hätte geglaubt, dass Treize sich nach dem Verbleib von Zechs erkundigen würde. Eigentlich hatte Wufei auch schon fast damit gerechnet, dass sich Treize nicht mehr an die Geschehnisse in der Felsengrotte zu erinnern vermochte und sie ihm die bittere Wahrheit offenbaren mussten. Doch nichts dergleichen war der Fall. Treize erwähnte mit keiner Silbe die Grotte oder Zechs oder sonst etwas, was ihnen helfen würde zu verstehen, was genau sich an jenem Nachmittag zugetragen hatte. Sollte sich Treize wirklich an alles erinnern und er fragte bewusst nicht nach Zechs, dann konnte dies nur bedeuten, dass es in der Tat der Germane gewesen war, der das Messer in Treizes Brust getrieben hatte. Aber warum? Fragte sich Treize nicht, nach dem Warum? Nach zwei Tagen hatte Sally ihrem Patienten erlaubt das Bett zu verlassen und sich mit Wufeis Hilfe auf der überdachten Terrasse niederzulassen. Treize musste schnell wieder zu Kräften kommen, man erwartete ihn in Rom. Außerdem würde morgen der Trauermarsch für den verstorbenen Senator Barton beginnen. Es war ihnen allen noch immer unbegreiflich wie Treize dies hatte wissen können. Quatre hatte ihnen einen Boten geschickt, der die Kunde vom Tod des Senators zu ihnen getragen hatte. „Die Wunde verheilt gut“, Wufei setzte sich neben Treize auf einen Stuhl und ließ den Blick über die Gärten des Anwesens, die weiten Flächen mit den griechischen Statuen, die Treizes Vater gesammelt hatte, streifen. Treize trug nur eine locker sitzende Tunica und keinen Verband, so dass die frische, saubere Landluft und das Sonnenlicht die Wundränder austrocknen konnte. Treize nickte und lächelte schwach. Sie verbrachten einige Zeit schweigend ein jeder in seine Gedanken versunken. Sally schaute kurz vorbei, sie war noch immer besorgt um Treize. Als ob sie befürchten würde, er würde jeden Moment tot umfallen. Aber als sie sah, dass sowohl Treize als auch Wufei noch lebten und friedlich beisammen saßen, ging sie wieder in die Villa hinein. „Eine Frage drängt sich mir auf und ich weiß noch keine Antwort“, Treize wandte den Kopf und Wufeis Inneres krampfte sich zusammen. Er ahnte, was Treize fragen würde. Wahrscheinlich würde er jetzt wissen wollen, wo Zechs war. Ob sie ihn gesucht hatten. „Wieso bist du hier?“ Nein, diese Frage hatte Wufei nicht erwartet. Auch wenn sie wirklich naheliegend war. Er lachte leise – erleichtert - und setzte sich zurück. „Du erinnerst dich, dass ich die Nachfolge über den Clan übernehmen sollte?“ Treize gab einen leisen Laut der Zustimmung von sich, dann streckte er sich zu dem Tischchen mit süßen, ägyptischen Leckereien und nahm sich einige der in Honig eingelegten und gerösteten Datteln. „Natürlich hat man eine Delegation ausgesandt, um mich zurückzuholen. Doch in Wahrheit war die Familie um meinen Cousin zweiten Grades nur allzu erpicht darauf die Macht zu übernehmen. Als wir in Seres ankamen war alles längst entschieden. Anscheinend dachten alle wir würden den Ritt nicht überleben.“ Es mochte zwar traurig klingen, doch Wufei hätte nichts Besseres passieren können. „Die Delegation war damals sehr angetan von dir.“ „Ach wirklich?“ „Oh ja und nachdem man unseren Kaiser überzeugt hatte, dass du der nächste Caesar wirst und ich dich so gut kenne...“ Wufei zog die Schultern nach oben und grinste. „Dann waren sich alle einige, dass es wohl dem Reich am besten dienlich wäre, wenn ich wieder in Rom wäre.“ „Sie haben dich einfach so ziehen lassen?“ „Ja. Machen wir uns nichts vor, es war für alle Parteien das Beste. Niemand wollte eine Auseinandersetzung um die Führerschaft des Clans. Man hat mir sogar nahegelegt, dass ich keine Ansprüche geltend machen sollte. Früher hätte mich das in meiner Ehre gekränkt, doch heute... Ich bin froh, wieder hier zu sein. Man könnte sagen ich bin jetzt ständiger Botschafter meines Reiches hier in Rom.“ Treize sah ihn überrascht, aber mit ehrlicher Freude an. „Das heißt du bleibst für immer?.“ Wufei erhob sich von seinem Platz und ging zu Treizes Diwan hinüber. Er setzte sich und ergriff Treizes Hand. „Sofern deine Gastfreundschaft noch besteht.“ Er küsste die Finger. „Natürlich.“ Sie waren sich so nahe und sie waren alleine. Es hätte leicht in einer bestimmten Situation enden können und fast war Wufei auch drauf und daran der Versuchung nachzugeben. Früher hätte es Treize mit Sicherheit getan, aber dass Treize jetzt auch zögerte sagte Wufei mehr als genug. Und seltsamerweise, er war nicht traurig darüber. Oder gar eifersüchtig. „Ich habe es damals schon gesehen: Du hast ihn geliebt.“ Er sprach die Worte so leise, Treize hätte sie überhören können, wenn er es denn gewollt hätte. Treize fragte nicht, wen Wufei mit diesen Worten denn gemeint hätte. Er richtete sich auf und seine Hand, die Wufei noch hielt, spannte sich an. „Ich...“ „Nein“ Wufei legte ihm einen Finger an die Lippen. „Ich muss jetzt sprechen und ich bitte dich, hör mich zu. Es ist meine Schuld.“ Schweigen, aber nicht weil Treize ihn sprechen lassen wollte, sondern weil Treize nicht verstand. Er musste es nicht aussprechen, Wufei sah ihm die Verwirrung auch so an. „Es ist meine Schuld, dass dies hier passiert ist“, ganz leicht berührte Wufei die Wunde, die unter dem Saum der Tunica zu erahnen war. „Wie das? Wufei! Du warst nicht einmal hier!“ Die Worte klangen seltsam bedrückend. Als ob Treize sie kaum auszusprechen vermochte. „Ich weiß, warum Ze...“ „Nicht! Sag nicht diesen Namen!“ Gerade noch bedrückend, jetzt war Treizes Stimme voller Wut und Zorn. „Ich will diesen Namen nicht mehr hören“, zischte er. Wufei war überrascht, solch eine heftige Reaktion! Nun, zumindest waren jetzt jede Zweifel beseitigt: Zechs muss der Täter gewesen sein. Wieso sollte Treize denn sonst so reagieren? „Hör mir zu“, bat er von Neuem. „Ich kann nicht auf deine Vergebung hoffe, aber hör mich an... Du hast es gewusst, dass er eine Gefährtin hatte? In Germanien?“ „Ja, du hast es mir doch selbst erzählt.“ „Sie war schwanger“, offenbarte Wufei ein weiteres Stückchen Wahrheit. Hätte er es doch schon früher getan. „Ich weiß... Er hat es mir erzählt“, der letzte Satz war nur geflüstert. „Sie starb bei der letzten Schlacht.“ Treize nickte, auch dies hatte er gewusst. Anscheinend hatte ihm Zechs so viel noch selbst erzählt, sie hatten ja in Ägypten einige Zeit miteinander verbracht. Gut, das machte es für Wufei leichter. „Er hat Rache geschworen. Er wollte den Offizier tot sehen, der ihm sein Liebstes und sein Kind genommen hat.“ Wufei blickte auf die Gärten hinaus. „Ze...“, gerade noch stoppte Wufei. Er setzte von Neuem an: „Er hat den Reiter gesehen, der ihm Lucrezia genommen hat. So lautete ihr Name. Merkwürdig nicht, eine Germanien, die Lucrezia genannt wird?“ Wufei schweifte ab. „Sprich weiter.“ Ein atemloser, heiserer Befehl. Wufei senkte den Kopf. „Du warst es, du hast Lucrezia getötet. Er hat dich nicht erkannt, nur deine Rüstung. Du weißt es wahrscheinlich nicht mehr, bei einer Schlacht... Viele sterben.“ Treize sog die Luft ein und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch jeglicher Protest verstummte. „Er hat mir die Rüstung beschrieben, ob ich sie kennen würde. Das war kurz nachdem er sich von seinen Verletzungen erholt hatte. Ich habe verneint und ihm geraten diesen Pfad nicht weiter zu verfolgen. Rache befriedigt nicht, sie reißt nur noch tiefere Wunden.“ Diese Erfahrung hatte Wufei am eigenen Leib machen müssen. Als er damals seine Verlobte Marian verloren hatte. „Ich hätte es dir damals schon sagen sollen, doch ich hatte Mitleid mit ihm und ich habe nicht gewusst, wie du reagiert hättest. Es war feige von mir.“ Wufei hatte die Händen zu Fäusten geballt und er stand auf, wandte sich ab und ging zum Rand der Terrasse. Er wusste nicht, wie lange er dort stand. Schweigend beobachtete er einen Vogel, der sich an den Rand eines Brunnen gesetzt hatte. Welche Ironie, ging es ihm durch den Kopf. Genau an jenem Brunnen hatte er und Zechs damals gesessen. Genau in diesen Sand hatte Zechs die drei Löwenköpfe gezeichnet, die auf Treizes Brustpanzer prangten. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, früher oder später hätte Zechs die Rüstung des Konsuls sehen müssen. Doch irgendwann rief ihn Treize leise zu sich. Wufei nahm auf dem Diwan Platz und umschloss Treizes Hände: „Die anderen fragen sich auch, ob er es gewesen ist... Ist er...?“ Wufei brauchte die Frage nicht einmal mehr zu Ende zu stellen, denn Treize schloss die Augen und nickte stumm. Für den Bruchteil eines Herzschlages glaubte Wufei Tränen unter den Lidern des Konsuls zu sehen. Dann umarmte er Treize und bei den Göttern, ja, er genoss diese Umarmung. Auch wenn er wusste, dass Treizes verletztes Herz noch immer an einem anderen hing. Noch immer. „Willst du ihn nicht suchen lassen? Wir haben überlegt, ob wir eine Centurie darauf ansetzen sollen?“ „Nein, er hat seinen Weg gewählt und jetzt ist er frei...“ Ein schweres Seufzen vollendete den Satz. Treizes Körper so nahe zu spüren, seine Wärme und sein Atem an Wufeis Hals, es brachte angenehme Erinnerungen zurück. Erinnerungen an eine Zeit, die ihm so viel unbeschwerter und leichter erschien. Aber sagte man dies nicht immer über die Vergangenheit, dass ‚damals alles besser gewesen war‘. Bevor Wufei überhaupt nachdachte, was er tat, stützte er sich mit einer Hand auf der Liege ab und betrachtete Treizes Gesicht, mit seiner freien Hand zog er diesen kühnen Schwung der Lippen nach, das Kinn bis hinauf zu den Wangenknochen. Dann blickte er Treize in die Augen. ‚Wenn ich dir nur etwas von deiner Trauer nehmen könnte.‘ Denn das war es, was Wufei in diesen blauen Abgründen erkannte. Langsam neigte er den Kopf und küsste den Freund, den alten Geliebten, auf die Stirn, dann auf die Wangen. Mehr hätte er nicht zu tun gewagt, doch dann war es Treize selbst, der eine Hand in Wufeis Nacken legte und seine Lippen einforderte. Vielleicht war es die Art von Trost, die Treize suchte. In ihrem Kuss steckten so viele Emotionen, dass Wufei es nicht mit Bestimmtheit zu benennen wusste. War es Freude über ihr Wiedersehen? Oder überwog der Verlust eines Menschen, von dem Treize geglaubt hatte, er könnte alles mit ihm teilen? Ihre Lippen bewegten sich so unendlich langsam, nichts Überhastetes, Eiliges, wie man es so oft bei Küssen dieser Art vorzufinden wusste. Treize löste sich von ihm. „Ha“, machte er leise und er schmunzelte sogar ein wenig. Erst jetzt wurde Wufei bewusst, dass er praktisch rittlings auf Treize saß und dass sein Körper weitaus pragmatischer mit der Situation umzugehen vermochte. Zum Glück sah man durch die weiten Falten seines Gewandes nicht, welche Reaktionen Treizes Kuss in ihm ausgelöst hatte. „Auch wenn das Angebot verlockend ist,“ Treizes Hand schlossen sich um seine Hüfte und er schob ihn sanft von sich, „ich glaube kaum, dass ich deinem heißen Geblüt standhalten könnte.“ Es klang fast wie der alte Treize, der in solchen Situationen immer eine spitzfindige, spöttische Bemerkung auf den Lippen hatte. „Ich fürchte, du musst...“ „Nein, ich.... ich wollte ohnehin nicht“, beeilte sich Wufei zu versichern. Er wollte ganz sicher nicht hier im Freien mit Treize schlafen. Vor allem da er ja wusste, dass Treize noch körperlich und auch seelisch nicht ausgeheilt war. „Ich gehe hinein und...“ Die erschreckende Erkenntnis, dass jemand dieses Zwischenspiel gesehen haben mochte war für Wufei wie eine kalte Dusche gewesen und führte wenigstens dazu, dass Wufei die Falten seines Gewandes nicht gänzlich neu anordnen musste, um seine Erregung zu verbergen. Peinlich berührt, stand er auf und konnte dann doch nicht anders als grinsen als er Treizes Lächeln sah. Auch wenn das Lächeln nicht die Augen erreichte, immerhin sah er in diesem Augenblick mehr nach dem der Treize aus, den Wufei gekannt hatte. Dann stand auch Treize auf, zwar langsam und behutsam, um die Wunde nicht zu belasten, aber er bewegte sich ohne fremde Hilfe. „Ich lege mich schlafen... Wufei?“, bat er und starrte dabei auf den Garten hinaus. „Ja?“ „Erzähl es bitte den anderen, was er getan hat. Dass er und ich für eine kurze Zeit dachten uns wäre etwas Glück vergönnt...“ Treize wandte den Kopf und lachte leise. „Sally und Duo, sie haben gerätselt mit wem ich die Nacht vor dem Feldzug nach Dalmatia verbracht hatte. Klär sie auf, würdest du das tun?“ „Sicher...“ „Und mache dir keine Vorwürfe.“ Kapitel 8: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Ich weiß, auf dieses Kapitel haben einige gewartet! *grins* Aber ich sollte eine Warnung vorausschicken, es ist doch etwas heftig. Kapitel VIII Allein der Ritt nach Rom war ein Kraftakt gewesen, doch der schlimmste Teil stand Treize erst noch bevor. Sally hielt sich auffällig nah an seiner Seite, bereit ihn aufzufangen, ebenso Wufei und Quatre. Sie alle nahmen an dem heutigen Trauerzug für den verstorbenen Senator Barton teil. Der Sonnengott brannte heute besonders unerbittlich auf die Erde herab und Treize war fast versucht sich einen Sklaven mit Sonnenschirm zu suchen. Aber natürlich ging dies nicht. Gerade er durfte jetzt keinerlei Schwäche zeigen. Die Ausrede von Quatre und den anderen, dass er in einen Jagdunfall verwickelt war und dann noch Wufeis kleine zweideutigen Anmerkungen, als Marcus und Dermail ihn besuchen wollten, hatten wohl verhindert, dass ernsthafte Gerüchte über seinen Gesundheitszustand aufgekeimt waren. Doch es war wichtig, dass niemand die wahren Hintergründe erfuhr, es würde überhaupt noch etwas knifflig werden zu erklären, warum sich die germanische Geisel nicht mehr unter seiner Aufsicht befand. „Geht es?“ „Das hast du mich schon vor einer halben Stunde gefragt“, raunte Treize als sich Sally wie beiläufig an ihm vorüberlehnte. „Hör jetzt auf damit!“ Besser niemand schnappte irgendein Wort auf. „Ich werde dir rechtzeitig Bescheid geben, falls ich mich setzen muss“, fügte er noch hinzu. Sally glaubte ihm kein Wort und schnaubte nur. Seit Wufei ihr und den anderen die ganze Wahrheit erzählt hatte, dass er und der Germane so viel geteilt hatten, wie Treize noch nie zuvor mit einem Mann geteilt hatte. Und dass es niemand anderes war als dieser geliebte Mensch, der ihn beinahe über den Styx geschickt hätte, seitdem behandelten ihn Sally und Trowa – von Duo ganz zu schweigen – wie einen jungen Welpen, den man umsorgen und hegen musste, weil er zu früh aus dem Nest der Mutter entnommen worden war. Ihre Rücksichtnahme und Fürsorglichkeit war herzerwärmend, aber auch recht anstrengend. Da vorne war Mariemaia. Treize hatte sie gesamte Zeit schon gesucht. Sie hielt ihren Rücken gerade und das Kinn trotzig nach vorne gestreckt. Väterlicher Stolz wallte in ihm auf, seine Tochter! Sie war ein so starkes Mädchen! Wie hatte er sterben wollen, wo er doch die Verantwortung für sie übernehmen musste, und wenn es nur aus dem Verborgenen heraus war. Sie musste ihn gesehen haben, denn für einen kurzen Moment blickten ihre Augen eine Spur fröhlicher drein. Aber vielleicht war es auch nur Einbildung gewesen. Immerhin stand er am anderen Ende des Platzes. Der stetige Strom von Adligen, Würdenträgern und interessierten Gaffern wand sich durch einige Straßenzüge und kam schließlich in einem der Parkanlagen nahe des kaiserlichen Palastes zum Stehen. Niemand wollte bei dieser Hitze unnötig viele Schritte tun und es wurde wohl auch Zeit, dass Barton verbrannt wurde. Wenn der Wind ungünstig von dem Holzgerüst herüberwehte auf welchem der Leichnam aufgebahrt lag, konnte man den süßlichen Verwesungsgeruch deutlich wahrnehmen. Treize versuchte nicht daran zu denken, so gestählt war seine Konstitution nun wahrlich noch nicht. Er hörte auch kaum auf die Trauerrede, sie zog wie ein farbiger Rausch an ihm vorbei. Gerade zu stehen und nicht zu schwanken waren für ihn zur Zeit anstrengend genug. Doch eine Sache fiel ihm natürlich auf, vor allem weil ihn Quatre darauf aufmerksam machte. Marcus, der Sohn des Kaisers, war ebenfalls anwesend. Gut, das war nicht weiter überraschend. Direkt neben ihm hatte sich Dermail eingefunden, Treizes Onkel. Wufei hatte ihm von der Nachricht der beiden berichtet. Oder sollte er es besser offene Drohung nennen? Dass er sich ruhig verhalten sollte und wieder in den Schoß von Romefeller zurückkehren. Dermail das Ruder dieser Runde überlassen? Ganz sicher nicht, doch im Moment vermochte Treize auch nicht zu sagen, wie er sich gegenüber Dermail verhalten sollte. Er hoffte, dass er diese Entscheidungen noch ein oder zwei Tage herauszögern konnte. Selbstverständlich konnten sie ihn nicht auf offener Straße aus dem Weg räumen, wie manch skrupellose Seele es mit weniger bedeutenden Senatoren oder Beamten taten. Er war immerhin Konsul, aber auch da gab es Mittel und Wege. Jedoch auch Treize hatte seinen Verbündeten. Ganz sicher würde er nicht kampflos das Feld räumen und Dermail und Marcus musste wohl auch Angst... vielleicht nicht unbedingt Angst. Aber mit Sicherheit Respekt. Ja, sie hatten eine ganze Menge Respekt vor seinem Ansehen in den Legionen, bei den einfachen Soldaten gleichermaßen wie bei den Offizieren. Ansehen, dass weder Marcus noch Dermail vorweisen konnten. Treize war nicht unbedingt auf die großzügigen Spenden angewiesen, die manche Adligen dem Romefeller Kreis zahlten, um sich eine eigene kleine Privatarmee zu finanzieren, ähnlich den Prätorianern. Marcus mochte anwesend sein, aber der Kaiser selbst war es nicht. Das war merkwürdig, normalerweise hätte der Kaiser dem verstorbenen Senator ebenfalls die letzte Ehre erwiesen. Wahrscheinlich ging es dem alten Mann mittlerweile selbst schlechter. Um seine Gesundheit stand es schon seit geraumer Zeit nicht zum Besten. Treize rügte sich selbst dafür, dass er seinen Trieben nachgegeben hatte und nach dem Feldzug nicht direkt nach Rom gegangen war, wie es sonst seine Art war. Ze... der Germane hätte ihn nicht in der Rüstung gesehen, Treize hätte seine Kräfte aufsparen können für den Kampf der hier in Rom vor ihm lag und er wäre sogleich informiert gewesen über all die wichtigen Vorgänge und Intrigen, die sich während seiner Abwesenheit ereignet hatten. Am besten ging er noch gleich nach der Trauerfeier zum Kaiser, man würde ihn auch ohne Vorankündigung zu ihm lassen. Vor allem galt es eine Sache zu klären, was würde mit Mariemaia geschehen? Treize wusste von den Gerüchten, dass Leia Barton noch im Kindbett ein vertrauliches Dokument abgefasst hatte, das sie dem Kaiser hatte zukommen lassen. Darin hätte sie wohl auch den Vater des Kindes genannt und den Kaiser gebeten dieses Dokument nicht vor Mariemaias Eintritt in das heiratsfähige Alter zu öffnen. So erzählte man sich. Gut, wenn dieses Dokument so geheim war, wie konnte es dann Gerüchte darüber geben? Nun, die Schwangerschaft war riskant gewesen, ebenso die Geburt. Leia war wohl kaum eine Stunde alleine gewesen, immer umsorgt von Ärzten und Hebammen, ganz zu schweigen von ihren Sklavinnen. Dass es dieses Dokument wirklich geben musste, glaubte Treize spätestens seit dem Erpressungsversuch von Marcus, dem Treize nicht stattgegeben hatte. Später dann hatte Marcus es sogar selbst zugegeben, dass er das Dokument aus den privaten Archiven des Kaisers entwendet und geöffnet hatte. Marcus wusste längst, dass Mariemaia Treizes Tochter war, deswegen hatte Treize es auch nicht gerne gesehen, dass der Sohn des Kaisers sich so offensichtlich in der Nähe der Kleinen aufgehalten hatte als Treize von Ägypten zurückgekehrt war. Es wäre jetzt höchst interessant, ob der Kaiser sich noch an das fragliche Dokument erinnerte und es nun aus den Archiven holen ließ und was er tun würde, wenn seine Schreiber nicht fündig werden würden. Ja, Treize musste unbedingt mit dem Kaiser reden. Er musste dem Kaiser beichten, dass er Mariemaias Vater war. Auch wenn er die Vaterschaft nicht öffentlich anerkennen würde, nur so war es ihm möglich das Mädchen zu schützen. Falls er jetzt schon Mariemaia als seine Tochter annehmen würde, wäre sie ein gefährliches Unterpfand für Treizes Gegner. Gerade in der aktuellen Situation wo keiner wusste, wie stark der Kaiser noch war. Eine weitere Figur war an Marcus‘ Seite aufgetaucht, ein Mann, der eine weite Tunica trug mit Kapuze als ob er etwas zu verbergen hatte. Quatre und Wufei tauschten aufgeregte Blickte, sie hatten es ebenfalls bemerkt und Treize brauchte nicht ihr bestätigendes Flüstern, um zu wissen, dass es sich dabei um Heero handelte. Auch wenn er ihre Besorgnis verstand und teilte, er wies sie scharf zurecht, dass sie dem Verstorbenen die angemessene Ehre zuteil werden lassen sollten. Natürlich musste Treize gerade in diesen Stunden an die Bestattungen seiner eigenen Eltern und seiner kleinen Schwester denken. Aurelias Tod hatte er nicht selbst miterlebt, damals hatte er in Ägypten gelebt, aber als er damals wieder frisch nach Rom zurückgekehrt war, war keine Woche vergangen an der er nicht an ihrer Grabstelle aufzufinden gewesen war. Und dann der Trauermarsch für seinen Vater. Es war ganz anders gewesen als heute. Zwar hatten sich zahlreiche Adlige und Senatoren eingefunden, doch die Stimmung war durchtrieben gewesen von Falschheit und Boshaftigkeit. Man hatte Rutilus Khushrenada seinen großen Einfluss auf den Kaiser missgönnt und etliche Familien waren froh gewesen, dass er tot aufgefunden worden war. Er war alleine an der Spitze des Trauerzuges gestanden, war dann ein letztes Mal vor der Verbrennung zu dem Leichnam seines Vaters gegangen, hatte das Leichentuch zurückgeschlagen und ihm die Augen geöffnet. Erst jetzt wurde Treize bewusst, dass von Mariemaia verlangt wurde, dass sie das Gleiche für ihren Großvater tun sollte. Es zerriss ihm das Herz, dass ihr solch eine Bürde auferlegt wurde. Treize hatte gar keine Acht mehr auf die Geschehnisse weiter vorne im Zug gehabt und nun streckte er sich, um wieder einen Blick auf seine Tochter zu erhaschen. Dann sah er, dass seine alte Freundin Une neben ihr stand. Ihr die Hand hielt und sie gerade in diesem Moment gemeinsam zum aufgebahrten Leichnam gingen. Gerne wäre er nun in diesem Augenblick an der Seite seiner Tochter, doch wenigstens konnte Une ihr Beistand geben. Wenn er ehrlich war, dann hätte er es auch kaum vermocht jetzt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Seine Kräfte schwanden und es wurde Zeit für ihn, dass er sich wieder in die Ruhe und Kühle seiner Stadtvilla zurückziehen konnte. Für heute hatte er genug getan, er hatte sich auf dem Trauerzug gezeigt. Treize würde in den nächsten Wochen in Rom bleiben. Immerhin hatte er einen Ruf zu verlieren und noch einige Tage Ruhe und er war größtenteils wieder hergestellt. Ein paar Feierlichkeiten, ein paar illustre Abendgesellschaften. Er musste hier in der Hauptstadt wieder Flagge zeigen, auch wenn ihm ein Aufenthalt auf dem Landsitz jetzt bedeutend lieber wäre. Doch seine Verbündeten, die musste er hier suchen. Und bei all diesen ersten Verpflichtungen, vielleicht konnte er auch noch ein Bordell aufsuchen und sich mit einem schönen, griechischen Jüngling vergnügen. Oder einem ansehnlichen Schauspieler. Er hatte ja immerhin einen Ruf zu verlieren. Auch wenn dies gegenüber Wufei nicht gerade fair war. Wufei liebte ihn noch immer und wäre jederzeit bereit mit ihm das Lager zu teilen. Nur, fühlte sich Treize dazu noch nicht bereit. Doch war er dankbar um die Liebe und Zuneigung des anderen Mannes. Es war Balsam für seine Seele. Treize wusste, wäre da nicht die Sorge und Zuneigung von Wufei. Wären da nicht seine treuen Diener und die Verantwortung gegenüber seinen Soldaten, seiner Legion. Ja, wäre da nicht Mariemaia, der er so gut es ging Schutz gewähren musste. Wäre da nicht der Kaiser und das römische Volk, dessen nächster Caesar er wohl werden sollte, dann hätte er vermutlich seinem Leben ein Ende gesetzt. Der Verrat der Germanen hatte ihn schwerer getroffen als selbst Wufei zu vermuten vermochte. Treize verspürte inzwischen keinen kalten Hasse mehr, wenn er an den Germanen dachte. Den Namen konnte er zwar immer noch nicht aussprechen, nicht einmal denken, doch mittlerweile war es nur noch dumpfe Trauer, die ihn erfüllte, als er an diese wenigen Stunden dachte, die sie als Liebende verbracht hatten. Wufeis Schilderungen hatten Treize über den Hass hinweg geholfen. Ja, er konnte das Verhalten von Ze... dem Germanen sogar nachvollziehen, zumindest in Ansätzen. Die meiste Zeit, wenn er sich mit anderen Senatoren traf, die Audienz beim Kaiser konnte nicht stattfinden, der Mann weilte außerhalb Roms, dachte er nicht daran. Sein Körper und die Verletzung forderten ebenso ihren Tribut und Treize schlief ein, sobald er sich in sein Bett legte. Doch wenn er dann einmal in der Nacht erwachte, dann war ihm, als ob in seiner Brust zwei Herzen schlagen würde. Als ob er die Präsenz von noch jemand anderem fühlen würde. Eine merkwürdige Verbindung, deren er sich von Tag zu Tag bewusster wurde. Treize vermochte es nicht zu erklären. In der Tat dauerte es noch gut zwei Wochen bis Treize sich dann überwinden konnte, eine Gruppe junger Adligen in eines der bekanntesten Bordelle Roms zu begleiten. Ziemlich schnell stellte er dabei fest, dass ihm nicht der Sinn danach stand, sich einen der Sklaven auf seinen Schoß zu ziehen. Treize spielte gedankenverloren mit dem Ring an seinem Finger statt auf Xenophons blumige Ausflüchte zu hören. Der Besitzer des Bordells pries gerade seine neuesten Einkäufe an, mit äußerst zotigen Reimen, was die übrigen jungen Herren, allesamt mit lautem Johlen und Applaus quittierten. Eigentlich sollte Treize in seinem Bett liegen und sich ausschlafen. Er war noch immer nicht ganz hergestellt und die letzte Woche in Rom war angefüllt gewesen mit Trinkgelagen und zahllosen Gesprächen. Er hatte sich der Loyalität seiner alten Verbündeten versichert, einflussreiche Offiziere, die ihm bisher bestenfalls neutral gegenüberstanden auf seine Seite gebracht und auch einige Bestechungsgelder waren über die Tischplatten von Adels- und Badehäusern gewandert. Treize hatte immer gehofft auf solche Methoden verzichten zu können doch der gegenwärtige Zustand des Kaisers mahnte ihn zur Eile. Um den alten Mann musste es äußerst schlecht stehen, wenn er sich bei den warmen Quellen im Umland Roms aufhielt. Überhaupt hatte Treize schon zu lange gewartet. Er musste seinen Machtanspruch geltend machen, auch gegenüber Dermail und dem Kreis von Romefeller. Er musste ihn deutlich machen, dass er auf ihre Hilfe gar nicht angewiesen war, dass er selbst genügend Unterstützung aufbringen konnte mit derer er sich den Thron sichern konnte. Nicht, dass Treize es so weit kommen lassen wollte. Mit einem Bürgerkrieg war niemandem gedient. Früher hatte er sich hier wunderbar entspannen können. Doch heute war ihm als ob er keine Ruhe zu finden vermochte. Etwas nagte an ihm und ließ ihn nicht abschalten, es hatte mit dieser sonderbaren Präsenz zu tun, die er in sich trug. Vielleicht auch weil ihn dieser Ort an Dinge erinnerte, die er eigentlich in seinem Innersten begraben wollte. Noch nicht einmal mit Wufei fühlte er sich bereit jene süßen Liebkosungen zu tauschen und die Bettlaken zu zerwühlen. Nein, noch immer waren seine Gedanken von nur einem Mann beherrscht sobald sie sich diesem Thema zuwandten. Nachdem sich seine Begleiter alle den neuen Lustknaben zugewandt hatte, richtete sich Treize auf und gähnte unverhohlen. Den jungen Musiker, der bis jetzt zu seinen Füßen gesessen und wohl gehofft hatte, dass Treize ihm als Mäzen finanziell unter die Arme greifen würde, hörte auf seine Lyra zu spielen. Überhaupt war der Mann leicht gekränkt, weil Treize ihm nicht seine volle Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Treize lud ihn zu einem Vorspiel in seiner Stadtvilla ein, legte ihm den goldenen Ring in die Hand, den Treize getragen hatte und versöhnte so das aufgebrachte Herz des Musikers. Trowa wartete unten mit seinem Pferd auf ihn, seit Trowa und Quatre das Lager teilten, ergriff Trowa nicht mehr länger die Gelegenheit sich in den Bordellen zur gleichen Zeit wie sein Herr zu vergnügen. Früher hatte ihm Treize dies immer angeboten, heute wusste er, dass er mit seinem Angebot den Diener nur kränkte, in dem er so offen an der Treue von Trowa zu seinem geliebten Quatre zweifelte. Treize trat auf den Korridor hinaus und ging die Treppe hinab, er kannte das Bordelle gut genug um den Weg auch im Halbdunkeln der Kerzen und der gelegentlichen Schwaden von Weihrauch und anderen berauschenden Substanzen zu finden. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet als er das Knarren einer Tür zu seiner Linken vernahm. Reflexartig schaute er auf, einer der Bediensteten spähte auf den Flur hinaus und als er Treize sah zog er sich sofort wieder in der Kammer hinter der Tür zurück. Treize zog nur die Augenbrauen nach oben, es gab so manche Vorgänge in diesen Vergnügungshäusern, die nicht jedem Kunden und Besucher vor Augen gehalten werden sollten. Daher verwunderte ihn dieses Verhalten auch nicht sonderlich und er ging weiter zur nächsten Treppe. Als er jedoch erneut die Tür knarren hörte und aufgeregtes Raunen, wandte er sich um. „Er ist so gut wie tot, wie oft soll ich es noch sagen“, hörte er barsch eine Stimme lamentieren. „Aber der Herr hat aufgetragen...“, mehr verstand Treize nicht. „Ich bin Arzt, kein Wunderheiler, sagt Xenophon, dass da nichts mehr zu machen ist.“ Ein Mann mittleren Alters kam aus der Tür gepoltert und schritt in Treizes Richtung. Er wurde Treize ansichtig, der mitten auf der Treppe innegehalten hatte und zeigte ihm eine handvoll Münzen. „Gutes Geschäft“, grinste er. „Xenophon muss den Verstand verlieren. Und das für die Behandlung eines Knaben!“ „Muss sich wohl lohnen“, bemerkte Treize trocken. Wenn der Junge dem Besitzer eine ordentliche Stange Geld einbrachte, dann war es womöglich eine gute Investition. Wenn auch eine ungewöhnliche. „Ach, zu alt und zu abgemagert. Wurde übel rangenommen“, meinte der Arzt und ging an Treize vorüber. „Vielleicht hat er einmal viel eingebracht, ein richtiger Blondschopf. Das sieht man nicht häufig.“ Es war nicht schwer zu erraten auf welche blonden Haare der Mann anspielte, ganz sicher nicht auf die, die man auf dem Kopf trug. Bei der süßen Venus, er hatte Zechs immer damit aufgezogen. Ob die Haare zwischen seinen Beinen ebenso so blond seien wie... Zechs. Es war das erste Mal, dass Treize diesen Namen in seine Gedanken einließ. Er hatte Wufei verboten den Namen zu sagen, er selbst hatte ihn nie in den Mund genommen, ihn noch nicht einmal gedacht. Etwas von diesem Unbehagen musste sich auf seinem Gesicht wiedergespiegelt haben, denn der Arzt hielt inne und erkundigte sich, ob mit ihm alles in Ordnung sei. Treize wimmelte ihn ab und sah zu der Tür. Der Arzt ging unterdessen murmelnd weiter, die Münzen klimperten in seiner Hand. „Wartet!“, hielt ihn Treize zurück. „Wie sah er aus?“ „Keine Ahnung, sie haben ihm eine Kapuze über das Gesicht gezogen.“ Er glaubte sich verhört zu haben: „Wie war das?“ „Ja, ich sags doch. Xenophon muss so langsam den Verstand verlieren. Man sollte wohl sein Gesicht nicht sehen.“ „In der Tat merkwürdig.“ Treize blieb noch immer auf der Treppe stehen und starrte in den Korridor zurück. Er war neugierig, aber was ging ihn es an. „Ich denke, es war ein Germane, vielleicht auch ein Gladiator. Er hatte eine ziemlich große Narbe an der linken Seite, muss von einem Kampf gewesen sein...“ Mehr hörte Treize nicht mehr, denn er musste sich mit einer Hand an der Wand abstützen. Konnte es sein, nein, aber das war unmöglich und doch in jenem letzten Rest von Treizes Verstand, der weiterhin kühl und rational arbeitete, kalkulierte er die Wahrscheinlichkeit: Ein Blondschopf, ein Germane, eine Narbe an der linken Seite. Man sollte ihn nicht erkennen, weil er womöglich als Geisel wiedererkannt werden würde. Konnte es Zechs sein? Treize schritt die Treppe hinauf und riss die Tür zu der kleinen Kammer auf. Dort stand noch der Sklave, der ihn bereits auf dem Korridor gesehen hatte und wich überrascht zurück. Er protestierte halbherzig als Treize auf das Bett zuging. Eine schlanke Gestalt ruhte dort unter den Lacken und neben dem Bett lag die erwähnte Kapuze aus schwarzem Samt. Lange, blonde Strähnen lagen wirr auf dem Kissen. Treize wusste wie es sich anfühlen würde die Hände hindurch gleiten zu lassen. Erstickt holte er Luft als er die Strähnen aus dem Gesicht strich. Ein übler Bluterguss umrandete das rechte Auge, eine aufgeplatzte Lippe, die Schulter sah ebenfalls ziemlich mitgenommen aus. Aber er lebte. Der Sklave wollte ihn wegzerren, aber Treize herrschte ihn an sich ruhig zu verhalten und die Tür zu schließen. Natürlich nutzte der Bengel sofort die Gelegenheit und machte sich aus dem Staub. Treize war es in diesem Moment egal, er konnte kaum mehr atmen. Bei den Göttern, er konnte kaum mehr etwas sehen. In seinen Augen sammelten sich lange unterdrückte Tränen. Er setzte sich auf das Bett und ließ die Hand auf Zechs‘ Stirn ruhen. Erst nach einigen Minuten sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein, dass die Stirn wärmer war als sie eigentlich sein sollte und dann wurde ihm schlagartig bewusst, was der Arzt gesagt hatte... ‚Er wurde übel rangenommen.‘ „Oh ihr Götter! Oh nein!“ Treize erhob sich und zog die Decke nach unten. Zechs‘ Rücken war voller halbverheilter Striemen und Treize drehte es den Magen um. Trocken würgte er und nur mit äußerster Willensstärke zwang er sich die Verletzungen zu mustern. Er selbst hatte schon Männern solche Verletzungen zugefügt, aber nicht aus Lust oder in einem Bordell. Nein, auf Exerzierplätzen und als Bestrafung für Verfehlungen. Ihm selbst hatte man ein einziges Mal diese Art von Bestrafung auferlegt. Es waren Male einer Auspeitschung. Erst jetzt fielen ihm die ganzen Details auf: Die ungewaschenen blonden Haare, abgeschürfte Knöchel und abgebrochene Fingernägel, Zeugen von ausweglosen, chancenlosen Versuchen sich gegen die Peiniger zu wehren. Zechs‘ flacher Atem als ob er unter Schock stünde und dieser eindeutige Geruch. Nicht nur Blut allein, aber fast wünschte sich Treize, dass es nur Blut wäre. Er zog die Decke ganz hinab und sah bestätigt, was er geahnt hatte. Er sah das Blut, das sich auf dem Bettlaken gesammelt hatte und die anderen verräterischen Flecken von Samen daneben. Und es war noch nicht einmal völlig eingetrocknet. Man musste ihn noch heute Abend vergewaltigt haben. Hier in diesem gleichen Haus, nur wenige Wände von Treize entfernt! Treize wusste nicht mehr weiter. Selten, dass er so kopflos und orientierungslos gewesen war. Er musste etwas tun. Er hatte Zechs wiedergefunden, aber wie und auf welche Weise! Wie hatte das geschehen können? Er versuchte ihn anzusprechen doch Zechs reagierte nicht, er war wohl wirklich nahe an der Schwelle des Todes. Treize zweifelte nicht an dem Urteil des Arztes. Konnte dies der perfide Plan der Götter sein? Dass er Zechs wiedergefunden hatte, doch dieser nun wieder seinem Griff entglitt? Kapitel 9: ----------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: @jogole: Ja, das Drama geht weiter. ;) Die Story verfolgt mich ja auch schon mehrere Jahre. Das kann man wohl mit gutem Gewissen behaupten. Kapitel IX Treize konnte sich später nicht mehr erinnern, wie lange er an Zechs‘ Seite ausgeharrt war. Doch allzu lange konnte es dann auch nicht gewesen sein. Mit Sicherheit war der Sklave gleich zu einem der Aufseher oder sogar dem Herr des Bordells selbst gelaufen und hatte diesen verständigt. Treize konnte es sich nicht leisten noch länger in diesem Zimmer zu sitzen und vor sich hinzustarren. Es war auch zum Teil Treizes Erfahrung als Offizier und Soldat, die ihm halfen seine Emotionen zu unterdrücken und logisch zu denken. So deckte er Zechs‘ Körper wieder zu und wickelte ihn zusätzlich noch in eine Decke, die am Fußende des Bettes lag. Natürlich zitterten seine Hände dabei und das Atmen fiel ihm noch immer schwer, etwas schnürte ihm die Kehle zu als ob er gleich anfangen müsste zu weinen. Bevor er Zechs‘ leblosen – und viel zu leichten – Körper hochhob, wischte er sich über die Augen. Er weinte in der Tat. Jetzt verstand er nämlich auch, was es mit dieser merkwürdigen Präsenz auf sich gehabt hatte, die er in den letzten Tagen immer und immer wieder in sich gespürt hatte. Es war Zechs‘ Geist gewesen. Oder seine Seele, ein Abbild seiner Gedanken... Treize war es gleichgültig, wie man es bezeichnete. Es war ebenso unerklärlich wie seine Prophezeiung, dass Senator Barton gestorben war. Es war unerklärlich, aber unbestreitbar sie, diese Präsenz, war da gewesen. Bevor er die Decke über Zechs‘ Gesicht breitete, berührte er die einstmals so edlen Gesichtszüge. Hätte er Zechs schon früher finden können, wenn er auf diese innere Unruhe gehört hätte? Treize war sich da nicht so sicher und jetzt war auch der falsche Zeitpunkt, um sich mit Vorwürfen zu martern. Es war nur merkwürdig, wie er befand, dass all der Hass und die bitteren Gefühle, die er gegenüber dem Germanen gehegt hatte, mit einem mal wie trockenes Laub im Wind weggefegt wurden. Vor der Tür der Kammer war es ruhig, keine Sklaven, keine Wachen und Treize beeilte sich in den Hof und die Stallungen hinabzugehen. Glücklicherweise begegnete ihm niemand, der ernsthaft Notiz von ihm oder seiner merkwürdigen Fracht genommen hätte. Trowa saß neben den beiden Pferden auf einem Strohballen und polierte ein Stück Zaumzeug. Er sah auf als er Treizes Schritte auf dem mit Stroh ausgelegten Boden vernahm und sprang auf. Es war nun einmal nicht üblich, dass jemand wie Treize höchstpersönlich in den Stall kam um die Pferde zu holen. Mit gefurchter Stirn blickte Trowa auf das Bündel, das Treize in den Armen trug. „Herr...?“ Treize legte Zechs über den Sattel seines eigenen Pferdes. Es war nicht die beste und bequemste Position, aber der Weg zu Unes Villa war ohnehin nicht lang. „Herr, was soll...?“ Trowa verstummte als Treize die äußerste Decke zurückschlug und darunter Zechs‘ blonder Haarschopf und das zerschundene Gesicht zum Vorschein kam. Erschrocken sog Trowa die Luft ein und er kniete neben dem Pferd nieder, um Zechs in das Gesicht zu spähen. „Er ist nicht bei Bewusstsein,“, erklärte Treize. „Bring ihn zu Une. Sally ist heute Abend dort. Sie soll sich um ihn kümmern.“ Trowa schwieg zunächst, er musste diesen Schrecken auch erst einmal verdauen. Der Pferdeknecht war bewandert genug, um sich denken zu können, was Zechs hier im Bordell widerfahren war, trotzdem fragte er: „Habt Ihr ihn hier gefunden?“ „Ja“, antwortete Treize knapp. „Geh jetzt.“ „Aber was ist mit Euch?“ Trowa saß bereits auf seinem Pferde, die Zügel von Treizes Hengst in der linken Hand. „Gib mir dein Messer Trowa“, forderte Treize und wandte sich wieder um, wollte sehen, ob ihm jemand in den Stall gefolgt war. Er hielt die Hand ausgestreckt, doch als Trowa den geforderten Gegenstand nicht in seine Hand legte, wiederholte er seinen Befehl, dieses Mal etwas schärfer. Zögerlich löste Trowa die Lederriemen, die sein Jagdmesser am Sattel festbanden. „Was habt Ihr vor, Herr?“ „Ich komme bald nach!“ Damit schritt Treize schon aus dem Stall. „Herr!“ Selten, dass Treize Trowas Stimme so schrill vernommen hatte. Doch der Tonfall ließ sogar ihn innehalten. „Sagt mir zumindest, was Ihr vorhabt, oder ich bleibe!“ „Ich werde Xenophon zur Rede stellen und du reite jetzt los! Oder missachtest du etwa meine Befehle?“ Kein Sklave, dem sein Leben und seine Anstellung lieb und teuer war, würde solch einen Befehl ignorieren und so ritt Trowa los. Doch nicht ohne sich noch einmal im Sattel umzuwenden und Treize nachzuspähen, der wieder zurück in das Hauptgebäude des Bordells ging. Treize verbarg das äußerst gefährliche Messer in den Falten seines Ärmels als er durch die Tür trat. Er hoffte, dass sich Xenophon in seinem Büro im Erdgeschoss aufhalten würde. Doch er musste diese Vermutung nicht einmal nachprüfen, denn im Atrium, inmitten von Lustknaben und ihren Kunden, die nicht für die Zurückgezogenheit eines Zimmers zahlen wollten, begegnete ihm der Grieche. Anscheinend hatte man ihn unterrichtet, denn er war sichtlich aufgebracht. Wären sie alleine gewesen, dann Treize ihn sofort zu Boden gerungen, ihm das Messer an ein Auge gesetzt und die Wahrheit gefordert. Doch er besaß – Fortuna sei Dank – noch einen letzten Rest Verstand und bedeutete Xenophon, ihn in das Arbeitszimmer zu begleiten. Sobald sich die schwere Tür hinter ihnen geschlossen und Xenophon noch nicht einmal ein Wort gesagt hatte, hatte ihn Treize schon gegen die Schreibtisch aus massivem Holz gestoßen. Er packte den Griechen an seiner Tunica und hievte ihn grob auf die Platte, dann drückte er ihm sein Knie in den Bauch, direkt in den Magen, und zog das Jagdmesser aus seinem Ärmel. „Ich... ich weiß nichts!“, quiekte der Grieche los. Treize glaubte ihm kein Wort und drückte den Kopf des Mannes mit seiner freien Hand auf den Tisch zurück. Er konnte genau beobachten, wie sich die Muskeln an Xenophons Hals anspannten und er versuchte seinen Kopf freizubekommen. Da hielt Treize das Messer an die Seite seiner Kehle, genau über der Stelle, wo die Blutgefäße entlangliefen. „Du weißt, wer er war!“ Treizes Stimme klang völlig teilnahmslos, ohne jegliches Gefühl. Vielleicht war es dieser Gegensatz zu seinen impulsiven Handlungen, die Xenophon dazu veranlassten die Augen aufzureißen und sich noch stärken gegen Treizes zu wehren. Doch selbst ein ausgebildeter und kräftiger Legionär hätte wohl kaum gegen Treize eine Chance gehabt, vor allem nicht in dem Zustand von kaum beherrschter Wut und blutigen Rachegedanken, die Treizes Verstand umtrieben. Später würde er sich darüber wundern, dass es in der Tat der Wunsch nach Rache war, der ihn all diese Dinge hatte tun lassen. „Ich wusste es nicht, mir wurde nichts gesagt!“ „Wer hat ihn verkauft?“ „Niemand!“ Die Klinge des Messer säbelte leicht über den Hals des Mannes und hinterließ eine Blutspur. „Bei Zeus und Hera! Ihr seid verrückt!“ „Sagt mir die Wahrheit und ich lasse euch vielleicht leben“, drohte Treize dem Mann. „Im Gegensatz zu vielen deiner Kunden, weiß ich wie es ist einem Mann ein Messer in den Leib zu treiben. Ich kann es langsam tun oder schnell. So schnell, dass du es nicht einmal bemerken würdest! Oder es dir in den Bauch stoßen, so dass du tagelang an Fieber leidest und elendig in deiner eigenen Scheiße verreckst!“ „Es war Marcus, der Sohn des Kaisers!“ Alles hatte Treize erwartet, aber doch nicht diese Antwort. „Was redest du da?“ Tischte ihm Xenophon das nur auf, weil er um die Rivalität zwischen den jungen Adligen wusste. Wollte ihn der Grieche da etwa gegen Marcus ausspielen? Nein, Xenophon sprach die Wahrheit, das sah Treize. Langsam richtete er sich auf und nahm das Messer weg. „Der Sohn des Kaisers hat ihn hergebracht, er gab mir sogar Geld dafür. Er trug mir auf, mit niemandem zu reden und den Germanen nicht zu töten. Er sollte so lange leben wie möglich.“ „Wann war das?“ Treizes Stimme hatte noch nie so ruhig und abgeklärt geklungen. Er legte den Daumen gegen die Schneide des Messers. Der Schmerz an seinem Finger half ihm sich zu beherrschen und das Messer nicht doch in Xenophons Leib zu stoßen oder wenigstens in die Tischplatte vor ihm zu treiben. „Nachdem eure Legion nach Rom zurückgekehrt war.“ Treize schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen. Was wollte er jetzt noch hier? „Konsul!“ Xenophon hielt ihn fest. Fasziniert beobachtete Treize wie ein paar Tropfen Blut von Xenophons Hals den Kragen seiner Tunica einfärbten. Merkwürdig, immer in solchen Situationen zogen ihn solche Details an. Vielleicht war es einfach die Art und Weise wie sein Bewusstsein sich versuchte vor den weitaus grausameren Dingen zu schützen. „Konsul!“ Wie oft ihn Xenophon wohl gerufen haben mochte, bis er den Blick hob und dem Griechen in die Augen blickte? „Konsul, Ihr wart immer ein angenehmer Kunde. Die Jungen haben sich nie beschwert, Ihr wart immer diskret und ich habe Euch in all den Jahren, die ich Euch jetzt schon kenne, noch nie so reagieren gesehen. Der Germane muss Euch viel bedeutet haben. Verzeiht mir meine vermessene Frage, aber war er Euer Eromenos?“ Eromenos. Zechs war für ihn so viel mehr, und auch so viel weniger gewesen als das, was die Griechen unter diesem Begriff verstanden. Doch Treize nickte nur langsam. Er traute seiner Stimme nicht und Xenophon die genauen Umstände zu erklären, hätte zu lange gedauert. „Es tut mir Leid, natürlich wusste ich dies nicht. Aber ich fürchte, selbst wenn ich es gewusst hätte... Er hat mir viel Geld geboten und als Grieche hier in Rom, der ein Geschäft zu führen hat... Ihr versteht?“ Eine so schonungslose, ehrliche Beichte hätte Treize nicht erwartet. „Er hat es mit Sicherheit geahnt, früher oder später würdet Ihr hier auftauchen und dann vielleicht auf den Germanen treffen. Marcus hat es wahrscheinlich sogar darauf angelegt.“ „Schweig!“, befahl Treize dem anderen Mann. Ja, er war zu den gleichen Schlüssen gekommen, aber aus Xenophons Mund wollte er das nicht hören. „Du Schlitzohr von einem Grieche! Was muss ich dir bezahlen, damit du deinen Mund hältst?“ „Aber Konsul!“ Xenophon bereitete in einer gönnerhaften Geste die Arme aus. „Ihr schuldet mir nichts, gedenkt meiner, wenn Ihr den Thron besteigt. Lasst Euch gesagt sein: Marcus ist ein Tier und ein solches wäre Roms Untergang.“ Nach diesen salbungsvollen Schlussworten verließ Treize das Bordell. Geistesabwesend leckte er an der Wunde an seinem Daumen, die er sich selbst zugefügt hatte. Jupiter sei Dank, seine Gedanken kehrten wieder in normale, kühl kalkulierende Bahnen zurück. Doch er machte sich nichts vor, heute Nacht würde er höchstwahrscheinlich sich noch stundenlang in seinem Bett herumwälzen und keinen Schlaf finden. Um Xenophon würde er sich später noch kümmern. Natürlich würde er ihm noch Geld schicken, Treize stand nicht gern in der Schuld von Männern wie Xenophon. Außerdem war der Besitzer des Bordells ein wertvoller Verbündete. Männer redeten gerne und viel, wenn Wein, Weihrauch und körperliche Liebe ihre Zunge gelockert hatten. Lustsklaven waren oft überraschend gut über die römische Politik informiert. Xenophon hatte auch keinen Hehl daraus gemacht, dass er Marcus' Verhalten für schändlich befunden hatte. Also ein möglicher Verbündeter für Treize? Marcus! Hätte Treize es verhindern können, dass der junge Mann sich so entwickelt hatte? Immerhin hatte Marcus immer um die Gunst seines kaiserlichen Vaters gebuhlt. Doch alles was Marcus von seinem Vater, dem Kaiser, gehört hatte, waren Ratschläge gewesen sich doch ein Beispiel an Treize Khushrenada zu nehmen. Sie waren Geliebte gewesen, Treize hatte diese Liebschaft zu seinen Gunsten genutzt. Es waren keine ehrlichen Gefühle gewesen, zumindest nicht auf seiner Seite. Marcus hingegen... Es war die pure Eifersucht, eine gefährliche Leidenschaft, wie man sehen konnte. Marcus wollte Treize verletzen und gönnte Zechs nicht die innige Verbindung, die er mit Treize teilte. Treizes Schritte trugen ihn zum kaiserlichen Palast. Kühl kalkulierend oder nicht, Marcus musste dafür büßen. Treize musste Zechs rächen! Aber was das klug? Er starrte die Pforte an, die zu den Eingängen der Bediensteten führte. Natürlich war auch diese Pforte bewacht, doch niemand würde ihn behelligen. Würde Marcus nicht genau erwarten, dass Treize kopflos reagierte und sich zu einer Dummheit hinreißen ließ? Eine Dummheit, deren Taten Folgen haben würde, die Treize verletzlich und angreifbar machen würden. Oh, aber was wäre es für ein Genuss Marcus in dessen Gemächer zu überraschen und ihm mit genau diesem Messer, das er noch immer in der Hand hielt das Gemächt abzuschneiden! Es war, so befand Treize, eine durchaus angemessene Rache. Sollte er Marcus' Spiel mitspielen? Treize Gefühle wären befriedigt, aber es war barbarisch und unbestreitbar unklug. Selbst der Kaiser konnte ihn nicht vor den Konsequenzen einer solchen Tat bewahren. Treize umfasst das Messer und atmete tief durch, genoss den Schmerz, das scharfe Brennen als sich das Metall in seine Haut schnitt. Die Klarheit, die sich daraufhin wieder in seinen Gedanken breit machte. Er warf einen letzten Blick auf den Palast, schleuderte das Messer von sich in den nächstbesten Brunnen und ging. Schon stürzten sich die Straßenkinder auf den Schatz, den solch ein erstklassiges Jagdmesser für sie ohne Zweifel darstellte. Treize bemerkte es nicht mehr. Seine Stadtvilla lag unweit des Palastes und bevor er zu Unes Villa ging, wollte er die Medikamente holen lassen, die Sally stets in seinem Haus aufzubewahren pflegte. Sie würde all das benötigen, wenn sie sich um Zechs' Verletzungen kümmern sollte. Gerade als er den Torbogen durchschreiten wollte, der in sein Haus führte, stürzte Wufei mit Duo heraus. Sein Leibsklave trug bereits Sallys Arzneikorb unter dem Arm. Anscheinend hatte Trowa seine Pflicht getan und Zechs zu Une gebracht. Dann war er zumindest jetzt in Sicherheit. „Treize!“, Wufei schien erleichtert zu sein. „Wir dachten schon, du...“ Er bemerkte Treizes Blick, der eine gewissen Spur von Beschämen zeigte und noch dazu die blutige Hand. Wufei nickte nur, er verstand und schickte Duo los, er möge Sally die Kräuter und Tinkturen bringen. Treize zog er in das Gebäude hinein. Und dort in seinem Zimmer, weinte er und er ließ es zu, unterdrückte die Tränen nicht mehr. Zum ersten Mal seit er nach dem Anschlag Zechs' wieder erwacht war. Wufei kümmerte sich um seine Hand und dann um seine Seele. Saß neben ihm und wartete bis die Tränen versiegt waren. Kapitel 10: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Wieder einmal ein herzliches Dankeschön an all die treuen LeserInnen, die sich auch immer mal wieder zu Wort melden. :) Kapitel X „Mhm, also der große Treize Khushrenada, Konsul des römischen Reiches, Vertrauter des Kaisers und der Germane!“ Une hob ihren Becher und schüttelte ungläubig den Kopf. „Darauf müssen wir wahrlich trinken!“ Sally erwiderte den Trinkspruch in dem sie ebenfalls ihren Becher hob. „Keiner, ich meine wirklich niemand, hat mit Zechs gerechnet“, lamentierte sie. Ausgerechnet ihm schenkte Treize sein vollstes Vertrauen und seine Liebe. Jetzt wo sie zurückdachte, konnte sie zwar schon ein paar Situationen benennen, die darauf hingedeutet hatten, dass Treize und Zechs mehr als nur Freunde oder Kameraden waren. Doch selbst eine Freundschaft zwischen dem adligen Römer und Zechs wäre schon verwunderlich gewesen. Jetzt allerdings kam noch eine Liebschaft obendrauf. Es war auf jeden Fall besser, dass es niemand, abgesehen von dem inneren Kreis um Treize, davon wusste. Das Gerede wäre ungeheuerlich und würde Treizes Position im Senat und unter den Adligen nur schwächen. Und gerade jetzt wäre dies verhängnisvoll, zwar hatte man Treize die Jagdverletzung abgekauft, die ihn angeblich daran gehindert hatte, der Rückkehr seiner Legion nach Rom gebührend zu feiern, doch nun durfte er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. „Aber allzu lange ging es ja ohnehin nicht“, bemerkte Une. „Du meintest erst vor dem letzten Feldzug nach Dalmatia hätten sie das Lager geteilt?“ „Ja, so muss es gewesen sein. Ihr Götter!“ Sally lehnte sich auf dem Diwan zurück. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Zechs‘ Einfluss auf Treize war unleugbar, er war um einiges umgänglicher und humorvoller als er es je war. Und jetzt nachdem Zechs verschwunden ist“, sie zögerte, „nach dem Tod seiner Eltern war Treize ähnlich verletzt. Emotional, meine ich.“ „Kein Wunder“, warf Une ein, „wenn es in der Tat Zechs gewesen sein sollte, der Treize niedergestochen hat. Ich wäre auch nicht mehr die Alte, wenn du plötzlich mit dem Messer auf mich losgehen würdest.“ „Er muss es gewesen sein. Immerhin hat es Treize selbst gesagt.“ Zumindest gegenüber Wufei, jener hatten dann ihr, Trowa und Duo darüber berichtet. Es war auch nur der Tatsache zu verdanken, dass sie sich in Unes Stadtvilla in deren Schlafgemach aufhielten, dass sie beide so offen und ungezwungen reden konnte. Ohne Angst vor fremden, allzu neugierigen Ohren. „Beängstigend.“ Sally dachte noch über das nach, was Une gesagt hatte. Ja, sie konnte einen kleinen Teil des Schmerzen und der Enttäuschung durchaus nachvollziehen, die jetzt in Treizes Innerstes vorherrschen musste. Würde Une sie jemals so hintergehen und belügen, dann konnte sich Sally beim besten Willen nicht vorstellen, was mit ihr geschehen sollte. „Fortuna sein Dank, geht es Treize körperlich besser und dass Wufei wieder hier ist, das ist eine große Erleichterung“, ließ Une von sich hören. „Vielleicht lässt sich Treize von ihm trösten. Es wurde auch Zeit, dass Treize wieder hierher nach Rom kam. Dieses Nest von Nattern!“ Une spuckte beinahe auf den Boden, hielt sich gerade noch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hoffen wir und beten wir, dass der alte Kaiser noch etwas länger durchhält. Bis Treize seine Ansprüche geltend gemacht hat und es auch wirklich jeder dieser speichelleckenden Adligen versteht, dass Treize der nächste Caesar sein wird!“ Sie rieb sich die Stirn. „Ich würde gerne Mariemaia hier bei mir aufnehmen. Es ist nicht gut, wenn sie alleine lebt, aber wäre das zu offensichtlich?“, wechselte Une das Thema. „Ich denke, Treize wäre dir darüber sehr dankbar. Die arme Kleine. Er sollte es ihr sagen, wenn sie es nicht schon ohnehin vermutet...“ Beide sahen sie in Richtung Flur. Dort am Ende des Ganges war in einem Gästezimmer die kleine Barton untergebracht. Sally und Une hatten mit ihr nach der Einäscherung von Senator Barton gespeist und sie unterhalten. Alles getan, um das Mädchen abzulenken. Aus dieser ersten Nacht waren nun Wochen geworden und so langsam galt die Ausrede, sie wollten der letzten Nachfahrin der Bartons die Trauer um ihren Großvater erleichtern, nicht mehr. Sally fragte sich, wer eigentlich vermutete, dass Mariemaia Treizes Tochter war? Vielleicht war die Vorstellung auch zu absurd für die meisten Leute. Dem Gerede von Sklaven schenkte man im Allgemeinen keine Beachtung, doch wer wusste schon, was Bartons Sklaven geahnt hatten. „Müssen wir uns darüber heute Nacht Gedanken machen?“ Sally erhob sich und nahm auch Une den Weinkelch aus der Hand. Sie befand ohnehin, dass sie sich viel zu viele Gedanken um die Probleme von anderen Leuten machten. Une lachte, leise und kehlig. Eine Art von Lachen, das sie nur hier in diesem Räumen zeigte. Sally begann die komplizierte hochgesteckte Frisur ihrer Geliebten zu lösen, bis die braunen Strähnen lose herabhingen. Sie angelte sich einen Kamm aus dem Sammelsurium von Tiegeln, Spiegeln und Schmuck von dem nahestehenden Schminktischchen und entwirrte einige Knoten. Dann nahm sie Une den ganzen Tand ab, den die adlige Witwe zu tragen pflegte: Ohrringe mit grünen Steinen, die einen sonderbaren Kontrast zu ihren Haaren bildeten. Den Haarreif mit ebensolchen grünen Steinen geschmückt. Ein kleines, dünnes Ketten, das Une um den Knöchel trug. Natürlich ging dies nicht ohne ausgiebige Küsse auf die entsprechenden Stellen von statten. Bei der Halskette zögerte Sally, dann knotete sie stattdessen die Bänder von Unes Kleid auf, die auf geschickte Weise am Rücken der Römerin angebracht waren. Der leichte Stoff klaffte nun vorne weit auseinander und gab einen skandalösen Blick auf Unes Dekolleté und Bauch frei. Die nackte Haut und die schwere Halskette wirkten unglaublich erotisch. Une ließ den Stoff über ihre Schultern gleiten und drehte sich zu Sally um. Ihre Brüste, sie waren perfekt wie selten bei römischen Frauen in ihrem Alter, denn Une hatte noch nie ein Kind gestillt, war auch noch nie schwanger gewesen, was ihren immer noch flachen, straffen Bauch erklärte. Sally legte ihre beiden Hände um diese sinnlichen Kurven und genoss das Gefühl der warmen Schwere. Gerade als sich ihre Lippen zu einem ersten kurzen Kuss berührt hatten, klopfte es an der Tür des Gemaches. Sally wollte es zunächst ignorieren, doch Une blickte besorgt drein. Natürlich würde sie sofort das Klopfen ihrer Leibsklavin erkennen. „Wer soll es dann sein?“, fragte Sally. „Sally, hier ist Trowa“, meldete sich die Stimme hinter der Tür. Weder Une noch Sally konnten sich erklären, was Treizes Pferdeknecht hier zu suchen hatte. Une schnürte schnell ihr Kleid wieder zusammen und Sally öffnete die Tür. „Ist etwas geschehen?“ Diese Frage hätte sie sich sparen können, denn Trowa war eine gewisse Bleiche um die Nase nicht abzusprechen. „Solltest du nicht mit Treize im Bordell sein?“ „Er hat Zechs gefunden.“ Zu Trowas Ehre muss gesagt werden, dass er nur einen kurzen Blick auf ihre sich deutlich unter der dünnen Tunica abzeichneten Nippel warf. Andere Männer hätten wohl nur noch gestarrt. „Was?“ Nun eilte auch Une an die Tür. „In Xenophons Bordell?“ „Ja, seht selbst.“ Trowa hatte Zechs bereits in eines der Gästeschlafzimmer gebracht. Die engsten Vertrauten unter Unes Sklaven brachten bereits zahllose Öllampen, um das Zimmer zu erhellen. Ebenso Wasser und Tücher. Hatte Sally noch Augenblicke zuvor nur daran gedacht, wie gerne sie Unes zarte Haut zwischen den Brüsten liebkosen sollte, so waren all jene Gedanken nun aus ihrem Kopf verschwunden. „Meine Arzneien?“ „Ich habe bereits nach einem Boten geschickt, der deinen Korb aus Treizes Villa bringen soll.“ „Wo ist Treize? Ist er nicht hier?“ Une sah Sally mit besorgtem Blick an, selbst ein Mann wie Treize, der immer Herr über seine Gefühle und Taten war, konnte in so einem Moment, in so einem schrecklichen Moment, alle Vorsicht vergessen und etwas außerordentliches Dummes tun. „Er wollte Xenophon zur Rede stellen“, antwortete Trowa, doch es war offensichtlich, dass da noch mehr war. „Er hat sich mein Messer genommen“, rückte er dann noch mit der ganzen Wahrheit heraus. „Sein Blick war wie der eines Soldaten auf dem Schlachtfeld, blutrünstig und...“ Trowa wischte sich über das Gesicht. „Aber was hätte ich tun sollen, er hat es mir befohlen und Zechs braucht dringend Sallys Hilfe.“ Une legte dem Pferdeknecht eine Hand auf die Schulter. „Du hast richtig gehandelt.“ Dann ging sie nach draußen und rief nach einem Sklaven, der sofort zum Bordell eilen und Treize auffinden sollte. Sally indes versuchte sich einen ersten Eindruck von Zechs‘ Verletzungen zu verschaffen. Oberflächlich gesehen waren es keine ernsten Wunden: Zahlreiche Blutergüsse und Quetschungen, in den verschiedensten Stadien von rot, blau, grün und gelb. Sie tastete den Oberkörper des Germanen ab, womöglich zwei gebrochene Rippen. Die Schulter schien ihr vor geraumer Zeit ausgerenkt gewesen zu sein, jemand hatte sie versucht wieder zu richten, doch das Gelenk saß noch nicht richtig in seiner Pfanne. Es würde ein Kraftakt sein, die Schulter wieder zu richten. Die Muskeln von Zechs‘ Nacken und Schulter waren völlig verhärtet, das würde das Einrenken erschweren, aber hier war es ein Glück, dass Zechs‘ bewusstlos war, so würde er den Schmerz nicht einmal spüren. Das Blut, das an Zechs‘ Beinen herabgeronnen war, machte ihr zunächst Sorgen, doch dann sah sie, dass auch diese Verletzung, die von den letzten Vergewaltigungen zeugte, nicht sonderlich schwer war – zumindest rein körperlich gesehen. Mit etwas Zeit würden auch diese Spuren verheilen, so hoffte sie. Doch viele Kleinigkeiten ergaben bekanntlich auch ein großes Ganzes und Zechs‘ Körper war schwach, sehr schwach. Er hatte bereits Fieber bekommen, so dass sie als erstes einen Umschlag anordnete um seine Körpertemperatur zu senken. Trowa half ihr bei den notwendigen Arbeiten und Sally konnte nicht umhin sich in dieser Nacht immer einmal wieder daran zu erinnern als sie Zechs das erste Mal behandelt hatte. Damals in Treizes Zelt in Germanien. Auch damals hatten sie gegen das Fieber angekämpft. Als alle Wunden ausgewaschen, die Schulter versorgt und das Fieber etwas abgeklungen war, schickte sie Trowa weg. Sie selbst würde hier direkt neben dem Krankenlager versuchen etwas Schlaf zu finden. Die Strahlen der aufgehenden Sonne weckten sie nach nur zwei Stunden, länger hatte Sally nicht geschlafen. Sofort eilte sie an das Bett, wobei ihre nackten Füße über den Steinboden huschten. Treize war im Laufe der Nacht nicht zu ihnen gekommen, wobei Sally und auch Une sogar fest damit gerechnet hatte. Duo, der Sallys Arzneien gebracht hatte, hatte ihnen berichtet, dass Treize sich in seiner eigenen Villa aufhielt. Wufei kümmerte sich um den Konsul. Wollte Treize seinen Geliebten etwa nicht sehen? Oder fühlte sich der Konsul jetzt etwa abgestoßen von Zechs? Nein, das glaubte Sally nicht. Aber wahrscheinlich war das Vertrauen, das Treize einst in den Germanen gesetzt hatte, durch dessen Tat unwiederbringlich zerstört. Zechs schlief noch immer, sein Körper war zwar noch recht warm, doch ihr schien es, dass das Fieber nun dauerhaft abgenommen hatte. Jetzt schien es ihm den Umständen entsprechend gut zu gehen, doch nur die Götter wussten, was für innere Schäden das Fieber angerichtet hatte. Vielleicht würde Zechs auch gar nicht mehr erwachen. Sally machte sich daran im Zimmer etwas aufzuräumen, legte blutige Tücher zusammen, räumte ihre Krüge wieder in den Arzneikorb. Sie war zu müde gewesen, um dies noch in der Nacht zu tun. Außerdem beschäftigte es ihre Gedanken. Ihre Vorräte an Schachtelhalm waren nun fast aufgebraucht. Ebenso die Salbe, die ihr alter Lehrer Thutmosis entwickelt hatte. Aber sie hatte in ihrer Hütte außerhalb Roms noch einen ganzen Tiegel davon. Selbstverständlich war durch diesen ganzen Tumult auch Mariemaia aufgeschreckt und hatte nicht mehr einschlafen können. Man hatte sie natürlich nicht zu Zechs gelassen, aber neugieriges Wesen, das sie nun einmal war, hatte sie auch kaum mehr Schlaf gefunden und Une mit Fragen bedrängt. Dadurch war ihre Geliebte fast genau so lange aufgeblieben wie Sally. „Wie geht es ihm?“ Sally fuhr erschrocken zusammen, wirbelte herum und fasste sich ans Herz. „Gut... so weit ich das sagen kann.“ Treize sah auch nicht aus als ob er diese Nacht viel Schlaf gefunden hätte. „Was ist mit deiner Hand geschehen?“ Natürlich fiel ihr als Ärztin sofort der Verband an der Hand des Konsuls auf. Da half es auch nichts, dass er sie schnell in seinem Ärmel verbergen wollte. Treize zog nur die Schulter nach oben und ließ es widerstrebend zu, dass sie die Leinenbinden abwickelte und mit einem missbilligenden Schnalzen der Zunge den Schnitt am Finger und auf der Handfläche betastete. Sie trug eine ihrer Salben auf und verband die Hand erneut. Erst dann ließ sie Treize näher an das Bett herantreten. Der Konsul mochte zwar tiefe Augenringe haben, noch dazu machte er diesen erschöpften Eindruck, den Sally schon oft bei Menschen beobachtet hatte, die die ganze Nacht in Trauer um einen lieben Menschen verbracht haben: Weinend und klagend, voller Zweifel und auch Vorwürfe. Und doch wirkte Treize irgendwie ‚klarer‘, fokussierter. „Es war Marcus“, begann Treize mit ruhiger Stimme zu berichten als er sich über das Bett beugte und eine Hand an Zechs‘ Wange legte. „Er hat Zechs an das Bordell verkauft, wahrscheinlich ist ihm Zechs auf der Straße in der Nähe meiner Villa in die Arme gelaufen nachdem er...“ Treize sprach nicht weiter. Sally konnte sich denken, was er sagen wollte. „Warum?“ Treize sah auf. „Warum sollte Marcus das tun?“, präzisierte Sally ihre Frage. „Marcus wollte schon immer gefallen, vor allem seinem Vater. Jedoch ist er nicht geboren dazu ein Offizier zu sein, oder ein Senator.“ Treize setzte sich auf das Bett und ergriff Zechs Hand, küsste die Knöchel. Sally fühlte sich auf einmal wie ein Eindringling als sie diese kleine, aber nicht weniger intime, Geste beobachtete. Noch vor wenigen Wochen hätte sie gerade von ihrem Konsul keine solche Geste erwartet. Treizes Liebhaber, das waren immerzu namenlose Männer gewesen, mal Schauspieler, mal Philosophen oder stürmische Adlige, sie kamen und gingen für eine Nacht. Selten länger und wenn doch, dann waren sie keine Mitglieder des Haushalts gewesen. Niemand den man näher kennengelernt hätte. „Er ist mittlerweile zerfressen von Eifersucht und falschem Ehrgeiz. Noch dazu, dass er sich in den falschen Kreisen aufhält. Ich möchte nicht wissen, was mein Onkel ihm alles ins Ohr flüstert.“ Treize legte Zechs‘ Hand auf dessen Brust. „Ich hätte Marcus schon viel früher Einhalt gebieten sollen. Gestern stand ich kurz davor in den Palast zu gehen und ihn zu töten. Aber...“ Sally hielt inne, sie ließ das Tuch sinken, das sie zusammenfalten wollte. Dann waren ihre und Unes Befürchtungen Treize würde womöglich etwas sehr, sehr Dummes anstellen nach der Entdeckung von Zechs, gar nicht einmal unberechtigt gewesen. „Jetzt ist es dafür zu spät und wieder einmal musste jemand dafür zahlen, weil ich nicht stark genug war, das Richtige zu tun.“ Es mochte ungewöhnlich erscheinen, dass Treize so offen sprach. Doch bei Sally hatte er dies schon immer getan. Genau so wie sie in seiner Gegenwart kein Blatt vor den Mund nahm. Jetzt konnte sie allerdings nur vermuten, was Treize mit seiner letzten Bemerkung gemeint hatte. „Du bist nicht für Marcus verantwortlich“, stellte sie mit Bestimmtheit in der Stimme fest. Treize sah auf und lächelte sie dankbar ein, es war zwar nur ein kleines Lächeln, aber immerhin. „Ebenso wie du nicht verhindern konntest, dass Zechs so reagiert hat, wie... wie er eben reagiert hat“, schloss sie lahm. „Ich würde es gerne aus seinem Mund hören, warum er es getan hat.“ Geistesabwesend rieb sich Treize über die eigene Brust, dort wo die gerade erst vernarbte Wunde seine Haut für immer zeichnen würde. „Wufei hat mir erzählt, dass Zechs den Offizier gesucht hat, der seine Gefährtin getötet hat und sie rächen wollte.“ Treize schnaubte. „Nach dem gestrigen Abend kann ich es besser nachvollziehen, glaube ich. Rache ist ein mächtiges Gefühl.“ „Wird er es überleben?“ Dies war wohl die alles entscheidende Frage und Treize zögerte bis er sie stellte. „Normalerweise, ja.“ „Gut.“ Treize erhob sich, doch sein Blick ruhte noch sehnsuchtsvoll auf Zechs‘ Gesicht. Er tat sich äußerst schwer damit den Germanen nicht mehr zu berühren, ganz zu schweigen davon ihn zu verlassen. „Sobald er stark genug ist, bringst du ihn auf den Landsitz und raus aus Rom. Wenn er zurück nach Germanien gehen möchte, so lass ihn ziehen.“ Dies war ein äußerst großzügiges Angebot. „Und du?“ „Ich bleibe hier, es gibt genügend Arbeit für mich.“ „Das habe ich nicht gemeint.“ „Ich weiß...“ Treize wollte sich abwenden doch dann hielt er noch einmal inne. „Ich bete zu den Göttern, dass er nicht im Groll an mich denkt. Doch viel Hoffnung habe ich nicht. Wahrscheinlich hätte ich genau so gehandelt wie er, hätte ich herausgefunden, was er erfahren musste.“ Bevor Sally etwas sagen konnte, sprang eine Katze direkt an ihren Füßen vorbei und schmiegte sich um Treizes Knöchel. Überrascht sah der Konsul auf und auch Sally blickte zu der noch offen stehenden Tür, wo eine völlig versteinerte Mariemaia stand. Anscheinend hatte sie die ganze Zeit die Katze gehalten und sie daran hindern wollen in das Zimmer zu springen. Ein paar Kratzer auf ihren Armen zeugten von diesem Bemühungen. Treize hob die Katze hoch. Die edlen Tiere waren ursprünglich ein Geschenk von Merenptah gewesen, einem guten, alten ägyptischen Freund von Treize. Doch jener hatte sie nach seiner Rückkehr aus Ägypten seiner Tochter vermacht. Vorsichtig setzte Treize die Katze auf das Bett, dort tapste die Samtpfote einige Mal umher, schließlich ließ sie sich auf Zechs‘ Brustkorb nieder und rollte sich dort ein. Sally betrachtete dieses Arrangement. Nichts konnte die Wärme und Zuneigung eines Lebewesens, und mochte es noch so klein sein, ersetzen. Gerade solche Dinge waren es, die den Menschen verhalfen sich schneller und besser zu erholen. „Nicht nur, dass es als äußerst unhöflich gilt zu lauschen, kleine Mariemaia. Manchmal ist es gefährlich Dinge zu wissen, die man eigentlich nicht wissen sollte“, tadelte Treize das Mädchen, doch seine Stimme war äußerst sanft und warmherzig. Jetzt wo Sally die Beiden direkt vor sich sah, konnte sie nicht umhin die enorme Ähnlichkeit zu bemerken. Unwillkürlich fragte sie sich, wie sich Mariemaias Gesicht wohl noch entwickeln würde, wenn sie älter würde. Würden sich die Gesichtszüge noch markanter herausschälen? Es war wirklich besser man sah Mariemaia und Treize nicht zusammen in der Öffentlichkeit. „Verzeiht mir... Konsul.“ Sally runzelte die Stirn, wie Mariemaia dieses letzte Wort, den Titel, ausgesprochen hatte. Fast schon spöttisch? Abwägend? Wusste sie es? Treize und das Mädchen musterten einander und schließlich kräuselte ein sanftes Lächeln Treizes Lippen, Mariemaia erwiderte es. Es war wie in einem Spiegel, wie sie zuerst den linken Mundwinkel anhob, dann den rechten. Ganz wie ihr Vater. Da hatte Sally den Eindruck, dass Mariemaia ziemlich genau wusste, wer ihr Vater war. Mariemaia war klug, sie würde nicht sagen, was auf die Vaterschaft hinweisen würde. Sie verstand, wie gefährlich dies für sie wäre. Sally entschuldige sich und verließ den Raum. Vielleicht war dies die einzige Möglichkeit, dass Treize und Mariemaia sich in Ruhe unterhalten konnte. Besser sie gab ihnen diesen Freiraum. Kapitel 11: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Viel Vergnügen mit dem neuen Kapitel. Kapitel XI „Du weißt es“, stellte Treize fest und nickte bedächtig. Merkwürdig, es auszusprechen. Es tat gut. Dann setzte er sich auf einen der Stühle, die in der Ecke von Zechs‘ Krankenzimmer um einen Tisch gruppiert waren. Sally war gegangen und hatte die Tür hinter sich geschlossen, er und Mariemaia waren endlich einmal alleine. Er klopfte auf den freien Stuhl neben sich. Treize wusste zunächst nicht, ob er schockiert oder stolz sein sollte, dass sie es herausgefunden hatte. Aber vielleicht waren es auch nur die Klatschgeschichten ihrer Sklavinnen gewesen, die sie auf diesen Schluss gebracht hatten? Oder vielleicht sogar Marcus‘ Geschwätz? Immerhin wusste Marcus um die Vaterschaft, schließlich hatte er es selbst zugegeben den Brief von Leia, in welchem sie den Vater ihrer Tochter genannt hatte, geöffnet zu haben. Ein breites Lächeln bildete sich auf dem Gesicht Mariemaia aus und mit einem Mal wirkte sie wirklich wie das kleine Mädchen, das sie eigentlich noch war. „Dann stimmt es in der Tat!“ Sie gab sich Mühe ihre Stimme zu dämpfen, doch so ganz gelang es ihr nicht. Die Katze, die noch immer auf Zechs‘ Brust lag, hob missbilligend den Kopf und miaute. Einem ersten Impuls folgend wollte sie sich Treize in die Arme werfen, doch dann hielt sie inne. Immerhin war er immer nur ein Adliger gewesen, der ihr Geschenke gemacht und der ihr Ratschläge gegeben hatte. Jetzt auf einmal war er auch ihr Vater. Sie stand nur einen Schritt vor seinem Stuhl und er kniete sich vor sie. So konnten sie einander in die Augen blicken und er strich ihr über das Haar. „Das hast du von deiner Mutter“, bemerkte er und sowohl ihm als auch Mariemaia stiegen die Tränen in die Augen. Jede weitere Zurückhaltung war hinweggefegt und sie klammerte sich an ihn. „Wer hat es dir gesagt?“, fragte er wenig später als sie wieder Platz genommen hatten. Doch dieses Mal saß sie dicht an ihn gekauert auf dem Diwan. Mariemaia schüttelte den Kopf. „Niemand... Ich habe es mir immer erhofft, dass du mein Vater wärst.“ Sie strahlte für einen kurzen Moment, dann wurde sie wieder ernst. „Natürlich gab es Gerede im Haushalt meines Großvaters, doch er hat jedes Geschwätz verboten vor allem in meiner Gegenwart. Jedoch ist dies hier in Rom nicht so einfach, ich habe schon einige Damen bemerken gehört, dass es doch eine Ähnlichkeit zwischen dir und mir gebe. Noch dazu wie du dich verhalten hast, du hattest ein viel zu starkes Interesse an meinem Wohlbefinden. Es war... logisch.“ „Ach.“ Es amüsierte ihn ungemein und mit väterlichem Stolz betrachtete er seine Tochter. Es war das erste Mal, dass er dies ungehindert und ohne Furcht jemand würde seine Zuneigung bemerken, tun konnte. „Zechs hat es gleich bemerkt, an jenem Tag als der Kaiser, dein Großvater und die anderen Senatoren ihn befragt haben.“ „Ich erinnere mich. Er und Marcus haben sich beinahe in deinem Park geprügelt.“ Treizes Blick ruhte auf dem Körper des Germanen. „Liebst du ihn so wie du meine Mutter geliebt hast?“ Zuerst vernahm er die Frage gar nicht, er musste sich zusammenreißen und wandte sich wieder seiner Tochter zu. Hatte er Leia überhaupt geliebt? ‚Liebe‘ war so ein starkes Wort. Er hatte Leia ja kaum gekannt. Treize war fasziniert und hingerissen gewesen von ihrer Art, ihrer Schönheit und Sanftheit. Ihrer aufopferungsvollen Pflege als sie sich um sein gebrochenes Bein gekümmert hatte. Es hatte einfach eines zum anderen geführt. Auch die Tatsache, dass Leia von ihrem Vater, dem verstorbenen Barton, wie ein kostbarer Schatz gehütet worden war und ihre Tage abgeschieden in der Idylle der Villa in den Albaner Bergen verbracht hatte. Treize war ihr erster Mann gewesen und mittlerweile vermutete er auch, dass es für Leia ein Akt des Widerstands und Ungehorsam gegenüber ihrem Vater gewesen war, dass sie sich mit ihm eingelassen und mit ihm das Lager geteilt hatten. Treize erinnerte sich noch zu gut an seine Überraschung als er entdeckt hatte, dass sie noch unberührt gewesen war. Er hatte wie versteinert auf sie herabgeblickt und sich nicht mehr gewagt zu bewegen. Es war Leia gewesen, die ihn mit einigen zotigen Bemerkungen dazu angetrieben hatte jetzt doch seine Pflicht zu tun. Doch das konnte er Mariemaia alles unmöglich sagen. Wie konnte man überhaupt einem jungen Mädchen von elf Jahren erklären, dass es unterschiedliche Arten von ‚Liebe‘ gab? Er entschied sich bei der Wahrheit zu bleiben, so weit sie das verstand: „Mit Zechs ist es anders.“ „Denke ich mir, er ist ja auch ein Mann“, bemerkte Mariemaia ganz weltmännisch. Treize lachte. Als ob es so einfach wäre. „Hättest du es mir überhaupt gesagt, dass ich deine Tochter bin?“ „Nein“, es musste bitter klingen, aber es war die reine Wahrheit. „Es ist noch zu gefährlich. Marcus weiß es übrigens, deshalb sehe ich es auch mit Argwohn, dass er so deine Nähe sucht.“ „Ich verstehe, wenn der Kaiser an seiner Auffassung festhält, dass du den Thron erben sollst und ich bin wiederum dein einziges Kind, dann macht mich das zu einem nicht unerheblichen Machtfaktor.“ Beinahe machte es ihm Angst, wie sie die Situation so scharfsinnig analysierte. Das sagte er auch. Doch Mariemaia tat es mit einem Schulterzucken ab: „Ich habe früher unter dem Schreibtisch meines Großvater gesessen und mit Puppen gespielt während er seine Intrigen geplant und mit seinen Verbündeten besprochen hat.“ „Dann verstehst du den Ernst der Lage?“ „Ja, ich darf mit niemandem darüber reden.“ Sie blickte ihn traurig an. „Nicht einmal mit Sally oder Une oder Quatre?“ Treize schüttelte den Kopf: „Sie wissen es zwar, aber nein, nicht einmal mit ihnen. Du darfst kein Risiko eingehen, den größten Schutz genießt du, wenn weiterhin niemand weiß, dass du meine Tochter bist. Dem Geschwätz von Sklaven und adligen, fetten Damen, die gelangweilt auf ihren Diwan liegen, schenkt niemand großartige Beachtung. So sollte es bleiben.“ „Wirst du mich je offiziell anerkennen?“ „Sobald ich den Thron bestiegen habe.“ Sie nickte langsam und grinste wieder. „Dann solltest du dich damit beeilen, Vater!“ Mariemaia hatte nicht gelogen als sie gegenüber dem Konsul - nein, gegenüber ihrem Vater, wie sie sich in Gedanken berichtigte – behauptet hatte, sie würde ihn verstehen, dass er sie als seine Tochter noch nicht anerkannt hatte. Außerdem hatte er ihr ja versichert, dass sie nach der Thronbesteigung ganz offiziell als seine Tochter bestätigt werden würde. Nicht, dass sie damit irgendwelche Ansprüche auf den Thron der Cesaren geltend machen konnte, sie war ja nur eine Frau. Und in Rom hielten nun einmal die Männer die Macht in ihren Händen. Zumindest glaubten sie das, Frauen wie Une, bei der Mariemaia nun lebte, konnten über mindestens genau so viel Geld und Sklaven und Spione verfügen wie jeder noch so hoch angesehene Senator. Niemand, der es in Rom zu etwas bringen wollte, verscherzte sich sein Ansehen bei Une. In diesem Sinne war sie Mariemaia so etwas wie ein Vorbild. Ihr Großvater hatte in keinem der Fächer unterrichten lassen, die für junge Männer aus dem Adel obligatorisch waren. Allen voran Griechisch und Rhetorik. Sie konnte immerhin lesen und schreiben, aber diese Fähigkeiten verlangte man auch von einer römischen Ehefrau, die den Haushalt zu führen und die Sklaven zu beaufsichtigen hatte. Daher war Mariemaia auch erstaunt gewesen als ihr Treize eröffnet hatte, sie würde von nun an einen griechischen Lehrer bekommen. Noch erstaunter war sie gewesen als sie erfahren hatte, dass Treizes kleine Schwester, die leider sehr früh verstorben war, ein äußerst gebildetes und begabtes Mädchen gewesen war. Sie hatte schon mit zehn fließend Griechisch und Babylonisch gesprochen. Selbstverständlich hatten Mariemaias neue Studien geheim zu bleiben. Es würde nur für hochgezogene Augenbrauen und schräge Blicke sorgen, wenn es bekannt werden würde, dass sie sich mit ihrem Tutor gerade durch Cesars großes Werk ‚de bello gallico‘ durcharbeitete. In den letzten Wochen förderte sie Treize so gut er nur konnte. Ständig kamen neue Papyrusrollen und Schriftstücke in Unes Villa an, die für Mariemaia gedacht waren. Auch Quatre erschien noch regelmäßig dort und unterwies Mariemaia im Schwertkampf. Eine willkommene Abwechslung zu ihren Studien am Schreibtisch und in der Bibliothek. Natürlich beobachtete Mariemaia sehr genau die aktuelle politische Lage. Une war ihr eine verlässliche und gute Informationsquelle. Die Sorge um die Gesundheit des Kaisers war immer noch das Gesprächsthema schlechthin, jeden Tag entstanden neue Gerüchte. Da half es auch nicht, dass der Kaiser nach Rom zurückgekehrt war. Bei den Sitzungen im Senat vertrat ihn Treize. Mariemaia hatte einmal dabei zugesehen. Die Türen der curia iulia waren offengestanden und sie hatte sich durch die Menschenmenge nach vorne gedrängelt um einen Blick in das Innere werfen zu können. Ganz vorne auf einem erhöhten Podest hatte ihr Vater gesessen, so würdevoll und kerzengerade, dass man ihn ohne große Vorstellungskraft als den nächsten Ceasar vor sich sah. Einzig der leere Stuhl neben dem Konsul erinnerte daran, dass der Kaiser im Palast geblieben war. Mariemaia war stolz auf ihren Vater. Einzig, sie hatte sich seit ihrem Gespräch in Unes Villa nicht mehr mit ihm unter vier Augen unterhalten können. Das fehlte ihr. Gerne hätte sie mehr über ihn erfahren, hinter die Fassade des Staatsmannes geblickt. Sie fragte sich auch, wie es dem Germanen ergangen war. Er war nicht lange bei Une geblieben, man hatte ihn auf Treizes Landsitz gebracht und seitdem hatte Mariemaia nichts mehr von ihm gehört. Selbst sie hatte erkannt, wie wichtig Treize dieser Mann war. Deshalb spitzte sie auch besonders die Ohren als sie in jenen Tagen genau in dem Park spazieren ging, in welchem der Künstler Howard die Statuen von Achilles und Patroklos hatte aufstellen lassen. Die Helden aus der griechischen Ilias, deren Gesichtszüge überraschende Ähnlichkeit mit Treize und dem Germanen aufwiesen, was selbstverständlich niemandem entgangen war und für heftige Spekulationen geführt hatte. Dabei war es unter den jungen Adligen so etwas wie ein Statussymbol, wenn man einem geachteten Bildhauer Modell stehen durfte. Oder so hatte ihr das Une zumindest erklärt. Natürlich war Mariemaia nicht alleine in Rom unterwegs, stets an ihrer Seite war ihre Sklavin Lucilla und zwei Männer von Unes Leibwächtern. Sie waren es auch, die Mariemaia drängten doch endlich weiterzugehen doch sie hatte es sich unter einer Zypresse gemütlich gemacht und studierte im Schatten die perfekten Proportionen der Statuen. Vielleicht konnte sie einmal den Bildhauer in seiner Werkstatt besuchen? Es würde sich wahnsinnig interessieren wie dieser aus einem leblosen Stück Felsen solche ein Meisterwerk schaffen konnte. Vielleicht konnte sie sogar Une zu solch einem Ausflug überreden? Die Glücksgöttin Fortuna trieb heute einmal wieder ein merkwürdiges Spiel, denn als Mariemaia so dasaß und Pläne schmiedete, wie sie Une den Besuch bei Howard schmackhaft machen sollte, trafen auch Treize und Marcus ein. Natürlich nicht zusammen, eher war es so, dass sie sich zufällig direkt vor den Statuen über den Weg liefen. Treize war in Begleitung von Quatre und noch zwei weiteren Senatoren. Marcus folgten einige Adlige, sie sahen so aus als ob sie gerade von einigen vergnüglichen Stunden in einem der Thermen kommen würde. Die beiden Gruppen blieben stehen, man grüßte sich. Doch selbst von ihrem Platz aus konnte Mariemaia förmlich die Spannung zwischen ihrem Vater und Marcus beobachten. Fiel nur ihr das auf, oder sahen es die übrigen Passanten auch? Natürlich blieb so ein Zusammentreffen nicht unbeachtet. Aber Treize schien sich nicht lange aufhalten lassen zu wollen und wandte sich schon wieder ab, in Richtung Ausgang. Da meinte Marcus: „Wie geht es deiner germanischen Geisel?“ Er sprach es so laut. Wahrscheinlich wollte er, dass es möglichst viele Leute hörten. Treize stutzte und runzelte die Stirn als ob er mit dieser Frage zunächst nichts anzufangen wusste. „Gut, so weit ich weiß. Das warme Klima ist nicht ganz nach seinem Geschmack.“ „Da hörte ich aber ganz andere Sachen.“ „Oh... Dann bitte, Marcus. Klär mich auch.“ „Dass er in Xenophons Bordell die Beine breit macht wie eine billige Hure.“ Mariemaia verstand bereits die Bedeutung dieser Worte und sah sich zu Lucilla um, die oftmals vergebens versuchte ihren Zögling vor solchen Obszönitäten zu schützen. Nun, saß Lucilla mit versteinerter Mine neben im Gras. Etliche Bürger Roms waren nun stehengeblieben und lauschten dem Wortwechsel. „Aber doch nicht Zechs“, Treize lachte. Wie schwer ihm das fallen musste. Mariemaia hatte seinen schmerzerfüllten Blick gesehen als er Zechs besucht hatte. „Er ist auf meinem Landsitz außerhalb Roms und studiert. Du musst dich täuschen.“ „Ich habe ihn dort gesehen“, brauste Marcus auf und Treizes leichtfertige Art schien ihn zur Weißglut zu treiben. „Aber bitte, mein Lieber. Du musst dich täuschen. Bei Xenophon gibt es mit Sicherheit ein paar germanische Knaben, erst kürzlich...“ „Ich habe ihn selbst dorthin gebracht!“, schrie Marcus mit schriller Stimme. „Diesen Bastard von einem Germanen!“ Stille. Treize ging auf Marcus zu und dieser blickte auf einmal triumphierend drein. Anscheinend hatte er Treize genau zu so einer Reaktion provozieren wollen und Treizes Gesichtsausdruck in diesem kurzen Augenblick. Für einen Moment sah man die schwärzesten Rachegedanken, die sich wohl gerade in seinem Kopf bildeten und auf sich geradewegs auf seinem Gesicht abzeichneten. Doch dann lächelte Treize, umarmte Marcus und küsste ihn sogar kurz auf die Wange. „Du hast einen absonderlichen Humor“, lachte er. „Wir sehen uns, ich muss leider weiter. Ich werde Zechs deine Grüße ausrichten, wenn er einmal wieder nach Rom kommt.“ Kapitel 12: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Ja, Schande über mich. Ich habe lange für die neuen Kapitel gebraucht. Aber ich hatte ein anderes Projekt im Kopf. Meine erste eigene Slashstory „Holz und Elfenbein“ gibt es jetzt nämlich auf amazon als eBook zu kaufen. :) Da habe ich noch einmal mächtig Hand angelegt und auch eine extra Bonusstory geschrieben. Aber jetzt ist der Kopf wieder frei für unsere Gundam Jungs. Daher auch gleich mal zwei neue Kapitel :) Viel Spaß. Kapitel XII Quatre hatte mit banger Mine den Austausch zwischen Treize und Marcus im Park beobachtet. Diese boshafte Provokation von Seiten Marcus‘ hatte für Getuschel und verstohlene Blicke unter den übrigen Passanten gesorgt. Mit Sicherheit würde man sich jetzt bereits in den Thermen das Maul darüber zerreißen. Spätestens auf den heutigen Abendgesellschaften würden Marcus‘ Bemerkungen in aller Munde sein - und Treizes Reaktion darauf. Quatre hätte wohl nicht so ruhig und wohlüberlegt wie Treize reagiert, hätte Marcus seinem Trowa so etwas Abscheuliches angetan und noch damit in aller Öffentlichkeit damit herumgeprahlt. Er wäre auf Marcus losgegangen, hätte ihn niedergeschlagen oder noch Schlimmeres. Es war wirklich beängstigend, dass Treize darüber noch lachen konnte und Marcus sogar wie einen Freund auf die Wange geküsst hatte. Dabei war es doch gerade Treize gewesen, der Zechs in diesem erbärmlichen Zustand im Bordell gefunden hatte. Treize war an jenem Abend nahe daran gewesen in den kaiserlichen Palast zu stürmen und Marcus etwas anzutun. Jede andere Reaktion von Treize als dieses Schauspiel wäre Quatre verständlich gewesen. Treize machte ihm sogar regelrecht Angst mit dieser unbeteiligten Mine und dem Versuch Marcus‘ Anschuldigungen ins Lächerliche zu ziehen. Treizes Stimme verriet rein gar nichts von seinen Emotionen als er sich von den anderen Senatoren verabschiedete und dann mit Quatre zurück zu seiner Villa schlenderte. „Hast du noch etwas Zeit, Quatre?“ Treize blickte starr nach vorn, jetzt konnte Quatre erkennen, dass der Konsul die Kiefer aufeinander presste und überhaupt seine Haltung so merkwürdig starr war. „Ahm... Ja...“, entgegnete Quatre vorsichtig. „Habt ihr noch einen Auftrag für mich?“ „So ähnlich“, meinte Treize trocken und als sie endlich die Villa erreicht hatten, rief Treize gleich nach seinem Leibsklaven. „Duo! Treib für Quatre einen Lederpanzer und eines meiner Übungsschwerter auf... und einen Schild! Und beeil dich, verdammt noch mal!“ Treize selbst streifte sich bereits die Toga ab, die er im Senat getragen hatte. Der edle, teure Stoff mit dem purpurnen Streifen am Saum landete achtlos auf dem Boden des Atriums, während Treize hinaus in den Park ging. „Was ist geschehen?“ Duo brachte bereits die geforderte Rüstung und streifte sie Quatre über. „Wir haben Marcus getroffen“, begann Quatre mit leiser Stimme zu erklären. „Aber ich weiß nicht, was Treize jetzt vorhat...“ „Und wie lange dauert das noch?“ Treize kam in das Atrium zurück. Ein hölzernes Gladius in der Hand. Dann dämmerte Quatre was Treize mit ihm vorhatte. „Wollt ihr keine Rüstung, Herr?“, fragte Duo vorsichtig nach. Treize blickte ihn an, als ob er den Sklaven gleich zerfleischen wollte. Überhaupt erinnerte sein Gehabe sehr an das einer erbosten, verärgerten Raubkatze. Ja, das war der passende Vergleich. „Nun, dann... dann werde ich schon einmal Sally verständigen“, ließ Duo mit trockener Stimme von sich hören. Er rechnete wohl fest damit, dass entweder Quatre oder Treize sich in den folgenden Minuten einige Verletzungen einhandeln würden. Nur, dass Sally gar nicht in Rom weilte. Sie kümmerte sich um Zechs, der in der Villa in den Albaner Berger langsam von seinen Wunden genas. Auf diese Worte hin, knurrte Treize nur etwas Unverständliches und als Quatre seinen linken Arm durch den Riemen des Schildes geschlungen hatte, ließ ihm der Konsul kaum noch Zeit sein Holzschwert zur Abwehr des ersten Schlages zu heben. Der Schlag traf Quatres Schild und die Wucht dahinter spürte er förmlich bis in seine Schulter hinein. Noch ein Schlag und noch einer. Ein jeder noch zorniger und kraftvoller. Dies war die Reaktion, die Treize im Park unterdrückt hatte. Quatre hatte zwar alle Hände voll zu tun den Schlägen standzuhalten doch insgeheim war er regelrecht erleichtert. Das war eine Reaktion, die nur zu menschlich und verständlich war. Treize hatte den Germanen geliebt, liebte ihn vielleicht noch immer. Marcus‘ Worte musste für den Konsul die reinste Qual gewesen sein. „Verteidige dich!“, stieß Treize hervor. Er wollte nicht nur auf Quatre einschlagen und dieser bot keine Gegenwehr. „Ihr tragt keine...“, weiter kam Quatre nicht, denn Treize griff ihn wieder an. Längst waren sie im Freien gelandet und hatten mehr Platz für ihre Manöver. Nun gut, wenn Treize unbedingt Schläge einstecken wollte. Quatres Kampfgeist war geweckt. Quatre hob seinen Schild, ließ Treizes Hieb davon abprallen und ging nun selbst in die Offensive. Sie kämpften zwar nur mit Holzwaffen doch auch diese konnten üble Blutergüsse hervorrufen oder zu Platzwunden führen. Quatre trug ja noch eine Lederrüstung, Treize nur seine Tunica aus Leinen. Aber Treize war ein erwachsener Mann und wenn dieser unbedingt vermöbelt werden wollte.... Bitte, das konnte er haben. Jedoch so einfach war es nicht. Nicht umsonst galt Treize als einer der besten Schwertkämpfer in der Armee. Sogar Heero hätte Mühe gehabt sich mit ihm zu messen, vor allem in der Rage, in der sich Treize befand. „Verdammter Bastard.“ Zuerst dachte Quatre, dass die Beleidigung ihm gegolten hatte, dass Treize ihn damit anstacheln wollte. Doch dann begriff er, dass die Worte jemand ganz anderem gegolten hatten. Die Beschimpfungen gingen noch weiter und Treize benutzte nicht nur seine Muttersprache. Es schien als ob ihm sämtliche Flüche über die Lippen kamen, die er je gehört hatte. Es folgte ein Streifzug durch Griechische, Assyrische und schließlich sogar Ägyptische. Quatre vernahm sogar einige germanische Ausdrücke. Die musste ihm wohl Sally – oder vielleicht sogar Zechs – beigebracht haben. Quatre wusste nicht wie lange sie kämpften. Aber schließlich war es Treize, der ihre Duell beendete und sich sichtlich erschöpft auf dem Rasen niederließ. Er warf sein Übungsschwert von sich und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, die durch den Schweiß, der ihnen aus jeder Pore drang, nun fast dunkelbraun waren. Kein Moment zu früh, auch Quatre war inzwischen am Ende seiner Kräfte. Jeder Muskeln in seinem Körper war bis aufs Äußerste beansprucht und er zitterte regelrecht als er sich den Lederpanzer aufknotete. Duo und Trowa hatten im Schatten gewartet bis dieses zweifelhafte Spektakel beendet war und nun eilten sie an Treizes Seite. Doch der wiegelte seine Sklaven gleich ab und ging stattdessen ins Innere der Villa. Er wollte wohl alleine sein. Aber so konnte sich Trowa immerhin ganz um Quatre kümmern. Er half ihm aus der Rüstung und zog ihn dann mit ins Badehaus. Nicht, dass Quatre dagegen etwas einzuwenden hatte. Nur zu gerne ließ er sich aus seiner dreckigen Tunica helfen und machte es sich auf einer der steineren Bänke bequem, die durch ein ausgeklügeltes System von Rohren stets angenehm beheizt waren. „Steh auf“, forderte Trowa und gab ihm einen herzhaften Klaps auf den nackten Hintern. „Oh, Trowa!“, maulte Quatre gehorchte aber und drehte dann Trowa den Rücken zu damit ihn dieser mit Öl einreiben konnte. Dabei wäre es doch viel bequemer gewesen faul liegenzubleiben. Wie es Sitte war, wurde das Öl dann anschließend mit einem Schaber wieder abgenommen und nachdem Quatre noch in eines der warmen Wannenbäder gestiegen war, fühlte er sich in der Tat wieder erfrischt und sauber. Trowa wartete in einem der Nebenräume auf ihn und als Quatre eintrat, ließ er schnell etwas hinter seinem Rücken verschwinden. „Was hast du da?“ „Ach, eine nette kleine Überraschung“, tat Trowa unschuldig und grinste ihn an während er Quatres Rücken abrubbelte. „Ich habe es auf einem Markt gefunden.“ Trowas sogenannte Überraschungen, die er von Zeit zu Zeit ausgrub und dann einsetzte, wenn sie das Lager teilten, waren für Quatre so etwas wie ein Mysterium. Woher nahm Trowa nur immer diese Ideen und vor allem was für Märkte waren es, wo man nachgebildete Penisse aus Holz oder Metall erstehen konnte? Mehr als einmal hatte er Trowa gedrängt ihn doch einmal mitzunehmen, doch Trowa hatte stets darauf gepocht, dass es für Quatre zu gefährlich wäre. Man würde es ihm einfach zu schnell ansehen, dass er ein Adliger wäre und damit ein gefundenes Fressen für Pöbeleien und Taschendiebe. Wieder begann Trowa seinen Rücken mit Öl zu massieren. Doch dieses Mal war es ein teures Öl mit Duftessenzen und schon bald schwebte der süßlich, schwere Duft von Rosenblüten durch den Raum. „Wenn Treize das erfährt“, kicherte Quatre und kam sich durch und durch verrucht vor, dass sie hier das wertvolle Öl des Konsuls für ihre Spiele benutzen. „Er muss es nicht erfahren“, gab Trowa zurück und zog Quatre hinab auf den Boden. „Außerdem hat es mir Duo gegeben. Wahrscheinlich ist es nur von minderer Qualität und Treize würde es ohnehin nicht benutzen.“ Nun, Quatre war es herzlich egal, so lange Trowa nicht aufhören würde ihn so herrlich zu verwöhnen. Natürlich blieb es Quatre nicht lange verborgen, dass Trowas Hände stetig tiefer wanderten. Bis sie schließlich über die festen Muskeln an Quatres Schenkeln und Po angelangt waren. Quatre stützte sich auf seine Hände auf und streckte Trowa einladend sein Hinterteil entgegen. Trowa ließ sich nicht lange bitten und doch war es nicht ganz das, was Quatre erwartet hatte. Denn nun wurde die ‚nette kleine Überraschung‘ eingesetzt. Natürlich konnte Quatre nicht erkennen, was es genau war, doch es fühlte sich ganz wie Holzperlen an, die gleich einer Kette zusammengeknotet waren. Tiefer und Tiefer drangen die Perlen in Quatres Körper. Nein, keine Perlen mehr, kleine Kugeln. Der Umfang der Dinger nahm stetig zu. Bei der letzten Kugel konnte Quatre sein Seufzen nicht mehr unterdrücken. Trowas Hand lag an seiner Hüfte und als nächstes spürte er die nasse Spitze von Trowas Speer an seinem Portal. „Trowa, was...?“ Trowa würde doch nicht in ihn eindringen, wenn noch diese Kugeln in ihm waren? „Schon gut. Vertrau mir.“ Trowa ging äußerst behutsam vor und – Quatre wusste nicht, ob es Zufall oder Absicht war - eine der größeren Kugel ruhte nun an jenem magischen Punkt in Quatres Inneren, der ihn bei jeder noch so kleinen Erschütterung erzittern und stöhnen ließ. Trowa bewegte sich, seine Stöße noch kontrolliert und langsam. Die Kugel bewegten sich mit. Beinahe war es zu viel, zu viele Reize. Quatre wurde es beinahe unerträglich heiß: Die ohnehin schon stickige, warme Luft des Badehauses, dann noch die Leidenschaft ihrer beiden jungen Körper. Ihm brach der Schweiß aus und Trowa erging es da mit Sicherheit nicht anders. Quatre ließ sich auf die Unterarme sinken, seine Muskeln, die ohnehin schon von seinem Zweikampf mit Treize erschöpft waren, trugen ihn nicht mehr weiter. „Trowa!“, seufzte Quatre ergeben und schloss die Augen. Wie schön es war, sich so gehen zu lassen und sämtliche Verantwortung an den Liebsten abgeben zu können. Aber ausgerechnet einem einfachen Sklaven gab er sich so hin, bei all der Liebe der Göttin Venus, aber das durfte wirklich niemand der feinen römischen Gesellschaft erfahren. Quatres Ruf wäre ruiniert. „Halte noch etwas durch. Es wird noch besser“, strich ihm Trowas Atem über die Haut. Ein Kuss wurde auf seine Schulterblätter gedrückt und Trowas Bewegungen wurden schneller. Dann zog er an der Kette und Kugel um Kugel rutschte wieder aus Quatres Körper. Kurz darauf und viel zu rasch war es vorbei. Erschöpft sanken Quatre und Trowa auf den Boden. Trowas Arme schlossen sich um Quatres Körper, er rieb seine Nase an Quatres Nacken und seufzte glückselig. „Warum kann es nicht immer so sein?“, murmelte Trowa und sie beide wussten, dass dies reinstes Wunschdenken war. Nur in solchen Momenten der Zweisamkeit waren sie wirklich gleichberechtigt und frei. Sie beide wussten, so bald sie wieder ins Freie treten würden, hatte sie wieder der Alltag in seinen Klauen gefangen. Kapitel 13: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XIII „Heero, warte!“ Duo eilte durch das Atrium bevor Heero wieder zur Tür hinausschlüpfen konnte. Wieso kam es ihm in den letzten Wochen nur immer wieder so vor, dass Heero ihm aus dem Weg ging? Natürlich hatte Heero seine Verpflichtungen als Soldat und Offizier von Treize. Aber früher, da hatte der Römer nie genug von seinem Geliebten bekommen können. Oft hatten sie die Mittagsstunden für eine kleine Liebelei genutzt und die Bettlaken zerwühlt. In manchen Nächten hatten sie beim besten Willen keinen Schlaf zu finden vermocht, aber kürzlich, da reichte es nicht einmal mehr für einen Kuss. Mit einem breiten Grinsen zog Duo seinen Lieblingssoldaten in einen kleinen Raum neben der Eingangspforte, der gerade ungenutzt war. Der Pförtner machte wohl Pause. Er drängte Heero an die Wand und küsste ihn fordernd. Doch Heeros Erwiderung war nicht sehr freudig, eher kurz und geschäftsmäßig. „Ich muss los“, sagte der Tribun und schob Duo von sich. „Was ist los, Heero? Hast du Sorgen?“ So kannte Duo seinen Geliebten nicht und er würde sich bedeutend besser fühlen, wenn Heero ehrlich mit ihm reden würde. Aber Heero war Heero und er sprach nur in Ausnahmefällen über seine Gefühle. Selbst nach all den Jahren, die sie nun schon zusammen waren. Manchmal beneidete er da Quatre und Trowa. Die beiden hatte seit der missglückten Verlobung von Quatre ein noch offeneres, vertrauensvolleres Verhältnis zueinander. „Sorgen? Nein.“ Als ob Duo ihm das abkaufen würde! Er versperrte Heero die Tür zurück ins Atrium. Abschätzig sah er den Tribun an. „Dann vielleicht das?“ Duo begann seine Tunica aufzuschnüren. Wenn Heero dieses Angebot jetzt auch noch ablehnen würde... „Duo! Nein!“ In Ordnung, das war beängstigend. Duo hielt inne. Es war wohl schlimmer als befürchtet. „Du bist merkwürdig geworden.“ „Nur weil ich jetzt nicht mit dir vögeln will?“ „Überhaupt und in Allem“, platzte es aus Duo heraus. Er dachte wieder an den Trauerzug zu Ehren des verstorbenen Senator Bartons. Wie überrascht sie alle gewesen waren, dass Heero bei Marcus gestanden hatte, statt an Treizes Seite zu stehen. Und davor; der Feldzug nach Dalmatia. Wie oft hatte er da Heero und Marcus zusammen im Zelt des kaiserlichen Sprösslings gesehen. Sie hatten über Karten gebrütet und Strategien ausgetauscht. Was sollte all das? Duo und Quatre machten sich in der Tat Sorgen. Sie nahmen dieses merkwürdige Verhalten ernst. Doch Treize schien in dieser Richtung nichts hören zu wollen. Er ließ nichts auf Heero kommen und glaubte fest an dessen Treue. „Warum bist du nur noch so selten hier? Wir sehen uns überhaupt nicht mehr? Hast...“ Er stockte. „Hast du jemand anderen?“ Bis zu diesem Moment war ihm nie in den Kopf gekommen, dass dies womöglich eine Erklärung für Heeros Verhalten sein könnte. Jetzt traf ihn diese Erkenntnis wie einen Faustschlag in den Magen. Heero schwieg. Das war wohl auch eine Antwort. „Außerdem hört man, dass du nun häufiger zu Gast bei Marcus bist.“ „So, hört man das?“ Heero verschränkte die Arme vor der Brust. Duo nickte. „Ich kenne eine Sklavin, die im Palast arbeitet. Du warst in den letzten Wochen fast jeden Tag bei ihm. Soll ich das etwa Treize erzählen?“ Es war schlichter Ungehorsam gegenüber seinem Herren, dass Duo dem Konsul über Heeros Besuche im Kaiserpalast nichts berichtet hatte. Bevor er Heero in solche eine prekäre Lage brachte, hatte er selbst das Gespräch mit ihm suchen wollen. Bevor Duo noch lange überlegen konnte, was er sagen sollte. War Heero näher an ihn heran getreten. Für einen endlos langen Moment starrte er in Duos Augen, dann griff er unter Duos Tunica und hielt Duos Hoden in einem schmerzhaften Griff fest. Duo sah buchstäblich schwarz und wäre er nicht ohnehin an der Tür gelehnt, wäre er wohl zu Boden gestürzt. „Du wirst Treize nichts darüber berichten!“, befahl ihm Heero mit seiner kältesten Stimme. Eine Stimme, die eher auf den Exerzierplatz als in das stille Kämmerlein zweier Liebende gehörte. „Das geht ihn nichts an.“ „Was...?“ „Das sind persönliche Gespräche und sie beeinflussen in keinster Weise meinen Dienst oder meine Verpflichtungen gegenüber Treize.“ Das mochte Heero vielleicht so sagen, doch Duo glaubte ihm nicht. Inzwischen wusste es doch einfach jeder, dass Marcus und Treize Rivalen um den Kaiserthron geworden waren. Es war ein offenes Geheimnis, sozusagen. Jede Freundschaft, jeder Besuch und jede Gefälligkeit waren zu einem Politikum geworden. Daher waren Heeros Besuche im Palast auch so merkwürdig. Wie würde dies von den Adligen ausgelegt werden, egal ob es private Besuche waren oder nicht. „Wie kannst du dich nur mit so einem Monster abgeben! Du hast doch gehört was Quatre berichtet hat: Marcus hat es vor aller Öffentlichkeit zugegeben Zechs ins Bordell verschleppt zu haben! Ist das etwa ein ehrenhaftes Verhalten?“ „Treize ist ein ganz beträchtliches Risiko eingegangen als er Zechs aus dem Bordell geholt hat. Sein ganzes Verhältnis zu diesem Germanen...“ Heeros Stimme troff regelrecht vor Verachtung auf Duos Einwände ging er gar nicht ein. Er sah nur Treizes angebliche Verfehlungen. „Er ist nicht mehr der Soldat und Offizier, der er einmal war! Das ist meine Meinung und die darf ich ja wohl noch vertreten.“ „Warum bist du dann im Palast?“, raunte Duo und Heero ließ wieder etwas lockerer. Nichtsdestotrotz musste sich Duo an der Wand abstützten und sich schlussendlich zu Boden setzen. Es war unangenehm. Jetzt musste er zu Heero aufblicken, der wie ein bedrohlicher Gott über ihm stand. „Du hast es doch schon gesagt“, Heero grinste ein kaltes, berechnendes Grinsen. „Es gibt da einen anderen.“ Diese Worten waren so schlimm, er hätte Duo auch gleich noch einen Tritt in den Bauch mitgeben können. Duo sah nur hilflos zu seinem Geliebten - nein, war er es überhaupt noch? - hinauf und schüttelte den Kopf. War das nicht alles ein schlimmer Traum? Wenn sein Gott Erbarmen mit ihm haben würde, dann würde er gleich aufwachen. Heero würde neben ihm auf seinem Lager liegen und ihn in die Arme schließen. ‚Nur ein böser Traum‘, würde Heero beschwichtigend flüstern, aber stattdessen beugte sich Heero noch einmal zu ihm herab: „Kein Wort, sonst sorge ich dafür, dass du wieder dort landest, wo ich dich aufgelesen habe!“ Auch wenn Duo Angst vor Heeros Zorn und Vergeltung hatte. So lange Duo unter dem Schutz von Treize stand, konnte Heero ihm nichts antun. Das musste doch auch Heero wissen! Heero musste es doch auch bewusst sein, dass Duo seinem Herren so viel verdankte, er würde Treize nie verraten können. Leicht war es dennoch nicht, denn sobald er gegenüber Treize von Heeros Äußerungen berichten würde, dann hieße es, dass er sich gegen Heero stellte, dann waren sie wahrhaftig nicht mehr länger Geliebte. Aber wie konnte er auch noch mit Heero das Lager teilen, wenn ihn dieser ja scheinbar nur als billigen Lustknaben sah. Oder wie sollte er sonst Heeros Worte verstehen, dass er ihn wieder in ein Bordell zurückbringen würde. Aber wer war es, mit dem sich Heero da im Palast traf? Es musste wohl jemand aus dem Kreis der Vertrauten um Marcus sein. Vielleicht sogar der Kaisersohn selbst? Darüber musste Treize doch Bescheid wissen. Treizes Laune indes war nach dem Zusammentreffen mit Marcus im Park vor drei Tagen immer düsterer geworden. Der Kampf gegen Quatre hatte ihm geholfen etwas von seiner Wut nach Außen zu lassen und sich abzureagieren. Aber es war ganz offensichtlich, dass Treize Wufei fehlte. Mit Wufei hätte er über Marcus‘ Geständnis reden können. Doch Wufei weilte ebenso wie Sally auf dem Landsitz außerhalb Roms wo sie sich um Zechs kümmerten. Fast täglich schickte Sally einen Boten nach Rom, der über Zechs‘ Zustand berichtete. Duo, der seinen Herren stets genau beobachtete, glaubte, dass Treize diese kostbaren Augenblicke jeden Tag aufs Neue entgegenfieberte. Jetzt war es bereits Abend, die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen und es war noch kein Bote eingetroffen. Entsprechend missmutig war Treizes Laune als er mit Quatre in seinem Zimmer zusammensaß und eine Amphore Wein leerte. Treize trank auch wieder mehr. Das war vor dem Feldzug in Germanien normal gewesen, da hatte Treize das Leben als junger Adliger mit all seinen Ausschweifungen genossen und regen Anteil daran genommen. Nachdem er Zechs kennengelernt hatte, waren diese ungesunden Gewohnheiten mehr und mehr verschwunden. Einmal mehr dachte sich Duo, dass sie alle mit Blindheit geschlagen gewesen sein mussten. Die Veränderungen, die der Germane in Treize bewirkt hatte, waren doch wirklich nicht zu übersehen gewesen. Was hatten sie sich denn dabei gedacht? „Herr?“, „Ja, Duo? Ist der Bote eingetroffen?“ Duo hasste es seinen Herren enttäuschen zu müssen. „Nein, Herr. Aber eine andere Angelegenheit, die eure Aufmerksamkeit erfordert.“ „So förmlich Duo?“ Treize zog die Augenbrauen nach oben. „Dann setz dich und trink mit uns.“ Das war nicht gut. Wenn Treize schon so sehr dem Wein zugesprochen hatte, dass er seinen Leibsklaven dazu einlud sich mit ihm zu betrinken. In solch einem Zustand war jeder Mensch schwer berechenbar. Wie würde Treize da die Nachricht von Heeros verdächtigem Verhalten aufnehmen? „Es geht um Heero.“ Duo blieb dennoch stehen und nahm den angebotenen Weinkelch nicht an. „Ach, Heero.“ Treize winkte ab. „Mach dir um den keine Sorgen, ihm fehlt nur ein schöner, blutiger Krieg, das hebt seine Laune schon wieder.“ „Nein, Herr. Seid doch bitte etwas ernster.“ „Aber das meine ich ernst“, gluckste Treize. Quatres und Duos Blicke kreuzten sich. Quatre zog nur die Schultern nach oben. „Es war ein langer Tag im Senat“, entschuldigte er Treizes Verhalten. „Aber immerhin konnten wir uns die Unterstützung von zwei weiteren Senatoren sichern.“ „Mhm ja. Es hat mich nur meine Ländereien auf Sizilien gekostet“, warf Treize mit trockenem Tonfall ein. „Wenn es so weiter geht, gehört mir bald überhaupt kein Grundbesitz mehr. Meine Weinberge sind auf jeden Fall an Senator Sixtus verloren!“ „Das tut mir Leid, Herr.“ „Mir auch. Was ist jetzt mit Heero?“ „Ihr dürft ihm nicht mehr trauen, Herr.“ „Was?“ Treize fiel beinahe der Weinkelch aus der Hand bei dieser ungewöhnlichen Bitte. „Was soll das jetzt?“ „Heero trifft sich regelmäßig mit Marcus im Palast und ich vermute, dass er und Marcus...“ Duo konnte es nicht aussprechen, er blickte zu Boden und ballte die Hände zu Fäusten. „Heero und Marcus zerwühlen die Bettlaken?“ Das kam von Quatre. „Nein, das glaube ich nicht.“ „Er meinte, dass es jemand anderen gebe und da er so oft im kaiserlichen Palast verkehrt...“ Duo holte tief Luft. „Noch dazu, dass er mir gedroht hat, ich dürfte es euch nicht sagen. Ihr dürft ihm nicht mehr trauen!“ „Ach!“ Treize winkte wieder ab. „Lass Heero seinen Spaß, wenn er unbedingt möchte.“ Hektisches Klopfen an der Tür unterbrach jede weiteren Ausführungen. Es war Trowa, der einen atemlosen Boten im Schlepptau hatte. Augenblick schien Treize nüchtern zu sein, er setzte sich auf. „Und, was gibt es Neues auf dem Land?“ „Zechs ist wieder aufgewacht!“ Kapitel 14: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XIV Langsam aber sicher hatte Zechs kein Vertrauen mehr in die Götter. Nicht, dass je ein Sterblicher den Plan der Götter verstehen würde, aber was war ihm alles schon angetan worden? Welche Entbehrungen hatte er nicht alles schon über sich ergehen lassen müssen? Jetzt lebte er noch immer, weilte noch immer in diesen unsäglichen, irdischen Gefilden. Irritiert blinzelte Zechs und starrte auf eine weißgetünchte Decke. Er lag auf einem wunderbar weichen, gepolsterten Bett und für die Zeitdauer einiger Herzschläge glaubte er sich wieder im Bordell und nur mit Mühe gelang es ihm seine Panik niederzukämpfen, die wie bittere Galle in ihm hochstieg. Nein, das war keines der Zimmer, die er kannte... Oder, doch... Zechs hatte auf einmal das merkwürdige Gefühl diese Situation schon einmal durchlebt zu haben und als er sich das Bett näher betrachtete. Die kunstvoll geschnitzten Vögel wiedererkannte, die die Bettpfosten zierten. Die Malereien in den Ecken des Zimmers und der Mosaikboden, da wusste Zechs, er hatte in der Tat schon einmal einen ganz ähnlichen Moment erlebt. Damals war er nach seinem Fieberdelirium, lange nach der Schlacht in Germanien in genau jenem Zimmer aufgewacht. Und auch damals hatte er mit den Göttern gehadert, dass sie ihn am Leben gelassen hatten. Jetzt war er wieder hier und wieder wusste er nicht, wie es für ihn weitergehen sollte. Zechs schloss die Augen, selbst die Augen offenzuhalten strengte ihn unheimlich an. An was konnte er sich noch erinnern? Zuerst sah er Treizes Gesicht vor sich, die Fassungslosigkeit und unendliche Enttäuschung, die in die Züge des Konsuls gemeißelt waren. Zechs war nicht klar bei Sinnen gewesen, er war nur noch vom Gedanken der Rache beseelt gewesen. Und ja, immerhin hatte er jetzt seine Lucrezia und das Kind gerächt. Doch er hatte es bitter bezahlen müssen. Marcus, dieser Bastard, hatte ihn in ein Bordell verschleppt und von da an... Zechs schnürte es buchstäblich die Kehle zu und seine Hände verkrallten sich in das Bettlaken. Es war eine körperliche Reaktion auf all die Misshandlungen, die noch immer in seinem Gedächtnis verhaftet waren, wenn er auch nicht genau wusste... Langsam setzte sich Zechs auf und rieb sich die Schläfen, als ob ihm das helfen würde den Nebel, der seine Erinnerungen überschattete, zu lichten. Zechs konnte sich – leider – ziemlich genau vorstellen, was mit ihm wohl alles in diesem Bordell geschehen war. Er konnte sich auch an einen Besuch von Marcus erinnern. Höhnisch hatte ihm dieser davon erzählt, dass er doch zu gerne Treizes Gesichtsausdruck sehen würde, sollte der Konsul Zechs so beschmutzt und dreckig vorfinden. Aber wie war er nun aus dem Bordell entkommen? Zechs glaubte kaum, dass er selbst die nötige Kraft hätte aufbringen können, zumal er ja stets in einer finsteren Zelle eingesperrt gewesen war. Wer hatte ihn also gefunden? Hoffentlich nicht Treize! Ein weiterer schrecklicher Gedanken. Lebte Treize überhaupt noch? Zechs‘ Angriff auf Treize hätte allzu leicht zum Tod des Konsuls führen können. Aber während seiner Gefangenschaft im Bordell hatte Zechs geglaubt den Konsul zu spüren. Diese uralten, unerklärlichen Kräfte der Druiden, die sie beide verbanden. Er hatte Treizes Schmerz in sich gespürt, den Kummer und die Enttäuschung. Bewusst atmete Zechs tief ein und aus, versuchte jegliche störenden Gedanken und Ängste aus seinem Kopf zu bannen. Ja, er lebte noch! Treize lebte und nichts spürte Zechs mehr von jenem Schmerz. Es war geradezu pervers, dass er sich über diese Erkenntnis freute. Echte Freude! Dabei stand nun so viel zwischen ihnen. Ein unüberwindlicher Graben. Treize hatte seine Gefährtin getötet, Treize wusste mit Sicherheit was mit Zechs in jenen Tagen in Rom geschehen war. Es konnte für sie keine Zukunft mehr geben und doch war er hier auf dem Landsitz der Khushrenadas. Schlief in jenem Zimmer, das ihm zu seiner zweiten Heimat hier in Rom geworden war. Nur zwei Räume weiter befand sich Treizes Gemach und in diesem Zimmer hatten sie ihre erste und einzige Nacht zusammen verbracht. Wie bitter-süß doch diese Erinnerung nun war. War Treize etwa hier? Zechs war sich da nicht so sicher, glaubte jedoch, dass er Treizes Präsenz nicht in unmittelbarer Umgebung wahrnahm. Wollte er den Konsul überhaupt sehen? Eine schwierige und schmerzvolle Frage. Wollte Treize ihn überhaupt sehen? Treize hatte selbst gesagt, dass er nichts so sehr verabscheute und nicht verzeihen konnte wie Verrat und missbrauchtes Vertrauen. Zechs hatte sich all das zu schulden kommen lassen. Dabei wusste Treize noch nicht einmal, warum Zechs an diesem Tag zum Schwert gegriffen hatte. Er... „Du bist erwacht!“ Zechs zuckte erschrocken zusammen, so vertieft war er in seine Gedanken gewesen, dass er die öffnende Tür überhört hatte. „Sally!“ Wie damals. Sally und Quatre hatten ihn wieder unter den Lebenden begrüßt und ihm erzählt, wie er nach Rom gelangt war. Es tat seltsam gut die Heilerin zu sehen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr ihm Rom, oder besser gesagt die Menschen um Treize, zu Freunden geworden waren. Ein weiterer schmerzvoller Gedanke, er konnte hier in der Fremde, im Feindesland mehr Menschen seine Freunde nennen als in Germanien. Dort kannte ihn wohl niemand mehr. Seine Männer waren alle bei der letzten Schlacht gefallen. „Wie geht es dir?“ Sie musterte ihn skeptisch und setzte sich dann an das Bett, doch nicht ohne seinen Kopf und Schulter zu betasten. „War sie ausgerenkt?“, fragte Zechs als sie ihn bat die Schulter zu bewegen. Er kannte diesen Schmerz, denn als Kind hatte er sich einmal die Schulter beim Klettern ausgekugelt. Sally biss sich auf die Lippen. „Ja... ich wusste nicht, ob ich sie wieder richten kann. Irgendein Quacksalber hat sie dir nicht richtig eingerenkt. Hast du Schwierigkeiten beim Atmen?“ Zechs probierte einige weitere tiefe Atemzüge. „Nein, wieso?“ „Gebrochene Rippen“, war ihre knappe Antwort. „Ah.“ Zechs runzelte die Stirn. Daran konnte er sich nicht mehr erinnern. „Weißt du, was mit dir geschehen ist?“, erkundigte sich Sally vorsichtig und beugte sich nach vorn als ob sie Zechs in die Augen blicken wollte. Vielleicht glaubte sie, er hätte irgendwelche Schäden davongetragen. „Wie bin ich hierher gekommen?“, fragte stattdessen Zechs nach. „Ich war in Rom.“ Sally antwortete nicht, vielleicht wollte sie nicht antworten, wollte feststellen, an wie viel er sich noch selbst aktiv erinnern konnte. „Ich war in diesem Bordell...“, begann Zechs und seine Stimme hatte sich zu einem leisen Raunen gesenkt. „Treize hat dich gefunden.“ In Sallys Stimme schwang eine gewisse Traurigkeit mit. ‚Oh nein, oh ihr Götter!‘, flehte Zechs und blickte schnell zur Seite. Weder wollte er, dass Sally ihn jetzt so sah, noch wollte er das Mitleid in Sallys Augen sehen. „Du warst... ziemlich übel zugerichtet...“ Auch ihre Stimme war belegt, es fiel ihr ebenso schwer es über die Lippen zu bringen. „Wir wussten nicht, ob du es überlebst... Du hattest Fieber.“ Doch bevor sie beide diesen schmerzhaften Prozess fortführen konnten, wurde abermals die Tür geöffnet und Zechs glaubte seinen Augen kaum zu trauen. „Wufei!“, rief er. Das konnte doch nicht sein. War er etwa doch gestorben? Wufei war doch in sein Heimatland zurückgekehrt und niemand, nicht einmal Wufei selbst, hatte je damit gerechnet, dass er einmal wieder nach Rom reisen würde. Wufei grinste und umarmte Zechs vorsichtig. „Es ist schön dich endlich wohlauf zu sehen.“ Wie von selbst schloss Zechs die Arme um die Schultern des jungen Mannes. Wufei war ihm der erste Freund in Rom gewesen, hatte ihm geholfen sich mit den fremden Gebräuchen und der Sprache zu arrangieren. Wufei hatte ihm sogar das Lesen und Schreiben beigebracht! „Wieso...?“, stotterte Zechs und konnte nicht umhin zu bemerkten, dass Wufeis Gesichtszüge härter und strenger geworden waren. Er war zu einem Mann geworden. „Der Kaiser hat mich wieder nach Rom gesandt. In Seres hätte ich wohl nur Unruhe gestiftet und schlimmstenfalls wäre es zu einem Krieg innerhalb meines alten Clans gekommen. So haben jetzt alle ihr Gesicht wahren können. Meine Cousin ist Anführer des Clans; ich bin der Botschafter von Seres in Rom.“ „Aha“, machte Zechs. „Aber in Rom bist du jetzt nicht.“ „Nun, so zeitraubend ist mein Amt ja nicht“, grinste Wufei und wurde dann sofort wieder ernst. „Treize bat mich hier auf dem Land zu bleiben damit du etwas Gesellschaft hast.“ „Also lebt er?“, fragte Zechs zur Sicherheit noch einmal nach. „Ja.“ „Hat er...“ Zechs seufzte, wie sollte er das formulieren. „Ich habe doch...“ „Die Wunde war schwerwiegend und er war neun Tage lang dem Tode näher als dem Leben. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte“, erklärte Sally. „Dann ist er plötzlich aufgewacht und hat uns alle damit einen gehörigen Schrecken eingejagt.“ Wufei lachte. „Sally hat er zu Tode erschreckt, sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und Treize hat nur gemeint ‚Sally, deine Tunica ist dreckig‘.“ „Das ist wohl typisch Treize“, murmelte Zechs. „Mittlerweile ist die Wunde gut verheilt.“ „Das freut mich zu hören.“ Wieder unternahm Zechs einen Anlauf etwas mehr über seine Zeit im Bordell zu erfahren, oder besser gesagt, über seine Rettung durch Treize. „Wie hat er mich gefunden?“ Dieses Mal war es an Wufei zu antworten. „Wir wissen es auch nicht genau. Es war wohl Zufall, dass er dich gefunden hat.“ „Marcus hat es darauf angelegt“, rutschte es aus Zechs heraus. Sally und Wufei tauschten einen bedeutungsvollen Blick, sie waren wohl überrascht darüber, dass Zechs so heftig reagierte. „Wir glaubten, dass Treize die Beherrschung verlieren und an jenem Abend in Marcus‘ Palast stürmen würde. Trowa berichtete uns, dass Treize wohl nur mit Mühe an sich halten konnte. Später hat mir Treize erzählt, dass er nur zu gerne Marcus noch in der gleichen Nacht getötet hätte.“ Empfand Treize etwa noch so viel für ihn, dass er Marcus‘ frevelhafte Taten rächen wollte? Zechs blickte auf die Bettdecke und dann gähnte er. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie müde er geworden war. Sally und Wufei erhoben sich. „Ich lasse dir noch etwas Brühe bringen, versuch noch eine Kleinigkeit zu dir zu nehmen bevor du wieder schläfst“, wies ihn Sally an. Dabei hatte er noch so viele Fragen, man es ihm wohl an und Sally beeilte sich ihn zu beschwichtigen. „Morgen ist auch noch ein Tag, dann reden wir weiter. Du bist hier in Sicherheit.“ Warum sie nun diesen letzten Satz noch gesagt hatte, erschloss sich Zechs nicht, aber als dann wenig später Wufei mit einer Schale heißer Suppe zu ihm kam und Zechs gehorsamst davon trank, hatte er es schon wieder vergessen danach zu fragen. Sobald sich Sally davon überzeugt gehabt hatte, dass Zechs außer Gefahr war, hatte sie einen Boten nach Rom geschickt. Seine körperlichen Blessuren waren beinahe allesamt verheilt, jedoch über die Schäden, die sein Geist und seine Seele genommen hatten, konnte sich Sally noch kein abschließendes Urteil erlauben. Anscheinend hatte Zechs so manches vergessen, was ihm in jenem Bordell widerfahren war und Sally glaubte, dass dies wohl auch am besten so für den Germanen wäre. Es war keine Seltenheit, dass Kranke nach heftigen Fieberschüben wieder erwachten und dann keinerlei Erinnerung mehr an ihr vorheriges Leben besaßen oder sich zumindest nicht mehr an ihre jüngste Vergangenheit erinnern konnten. Um Zechs‘ Willen hoffte Sally, dass er diese schrecklichen Erinnerungen schlicht und einfach verloren hatte. Wufei indes nahm sich in den folgenden Tagen Zechs an. Er saß mehrere Stunden am Bett des Germanen redete mit ihm und beschäftigte Zechs. Körperlich ging es Zechs mit jedem Tag besser. Doch auch Wufeis Fürsorge konnte es nicht verhindern, dass seine Laune von Tag zu Tag sank. „Ich will jetzt nichts essen“, Zechs drehte sich auf seinem Bett auf die andere Seite und kehrte Hilde damit den Rücken zu. Die Sklavin seufzte nur und ließ das Tablett auf dem Tisch neben dem Bett stehen. Zechs schloss die Augen und zog sich die Leinendecke über den Kopf. Er wollte nichts sehen, nichts hören. Er wollte einfach seine Ruhe! Konzentriert hörte er in sein Innerstes und spürte der Präsenz von Treize nach. Es war ein merkwürdiges Gefühl und Zechs war sich nicht sicher, wie er es je umschreiben sollte. Er spürte Treize gerade am Rande seiner Wahrnehmung. Genug, dass er sich sicher sein konnte: Der Konsul lebte. Aber seine Sinne waren nicht mehr geschärft genug, als dass er Treizes Gemütszustand oder starke Empfindungen vernehmen konnte. Vielleicht war es nur das Fieber und sein noch etwas geschwächter körperlicher Zustand, dass er aus diesen Gründen seine Gabe nicht völlig ausschöpfen konnte. Aber vielleicht verlor er auch seine Gabe? Er wusste nicht, ob dies gut oder schlecht wäre. Immerhin würde es eine große Bürde von seinen Schultern nehmen, aber auf der anderen Seite, war es ihm bis jetzt immer tröstlich gewesen zu wissen, dass Treize wohlauf war. Sollte er diese Verbindung auch noch verlieren, dann wusste Zechs nicht mehr, was er tun sollte. Treize war nicht zu ihm auf das Anwesen gekommen. Insgeheim hatte Zechs damit gerechnet, dass Treize gleich nachdem er die Nachricht von Zechs‘ Erwachen erhalten hatte sich auf sein bestes Pferd schwingen und in die Albaner Berge reiten würde. Aber nein. Zechs tröstete sich mit dem Gedanken, dass es vielleicht dringende Dienstgeschäfte waren, die Treize davon abhielten auf die Landvilla zu kommen. Doch auch Zechs musste der Wahrheit ins Auge sehen, dass ihn Treize wohl nicht mehr wiedersehen wollte. Mit verkrampften Fingern umklammerte Zechs das Amulett, dass ihm einst seine Mutter übergeben hatte und den Raben Odins gezeigt hatte, bevor dieser Mantel aus Lehm in Ägypten zerschellt war. Bei den fünf Waisen hatte er erfahren, dass es ein magisches Stück von ungleich mystischerem Ursprung war. Treize besaß das Gegenstück dazu und die uralten, ägyptischen Medaillons hatten die Geschichte von Horus und Seth erzählt. Wie sie sich im Kampf gegenüberstanden. Treize hatte dem nie großen Wert beigemessen, auch nicht, nachdem er an die Macht des Medaillons fast sein Leben verloren hätte. Doch jetzt war es wohl so gekommen wie es die Prophezeiung vorsah: Treize und Zechs waren sich als Feinde gegenübergestanden. Zechs war es beinahe gelungen Treize zu töten. Natürlich musste Treize davon ausgehen, dass Zechs ihm noch immer feindselig gegenüberstand. Wufei hatte dem Konsul davon erzählt, dass er es gewesen war, der in der Schlacht Lucrezia getötet hatte. Aber Treize war es gewesen, der in aufs Land hatte schaffen lassen. Zum einen, damit Zechs geschützt war vor weiteren Übergriffen Marcus‘, zum anderen, dass Zechs nachdem er wieder bei Kräften war Rom in Richtung Germanien verlassen konnte. Heute Nachmittag hatte ihm Wufei dieses großzügige Angebot unterbreitet und wäre es ihm vielleicht vor zwei Jahren unterbreitet worden hätte er sofort zugeschlagen. Nichts hätte ihn hier in Rom, in diesem Vipernnest, gehalten. Mittlerweile lagen die Dinge anders und Zechs hatte sich bitterlichst eingestehen müssen, dass er nicht nach Germanien gehen konnte, wenn er nicht wenigstens ein letztes Mal Treize gegenüber stand. Aber dies war ein Wunsch, der sich wohl nicht in die Tat umsetzen ließ. Treize war nicht gewillt ihm noch einmal in die Augen zu blicken und Zechs konnte es sehr gut verstehen. Aber das hieß nicht, dass es weniger schmerzte. Es waren solche widersprüchlichen Signale. Auf der einen Seite war Treize außer sich und hätte Marcus gerne auf der Stelle persönlich hingerichtet nachdem er davon erfahren hatte, dass er Zechs in das Bordell Xenophons verschleppt hatte. Aber dann wieder, verhielt er sich so kühl und abweisend und würde Zechs am liebsten eher früher als später nach Germanien abschieben. Zechs wusste, dass ihm diese gesamte Grübeleien nicht weiterbringen würden und so stand er dann in der Nacht auf und ging in Treizes Zimmer. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und zog eine der Wachstafeln hervor, die von den Römern für schnelle Notizen und weniger wichtige Botschaften benutzt wurden. Mit einem Griffel ritzte er nur ein Wort in das Wachs: ‚Komm‘. Er besah sich das Wort und setzte dann noch ein ‚bitte‘ hinzu. Noch in der gleichen Nacht übergab er die Tafel einem der Männer von der Leibwache. Danach legte er sich mit klopfendem Herzen wieder nieder. Endlich konnte er schlafen. Es war ein merkwürdiger Traum, der ihn danach ereilte. Zechs befand sich in einem Wald, jedoch war es kein römischer Wald, sondern der Wald seiner Kindheit und Jugend. Germanien. Es roch so köstlich und frisch wie er es noch in Erinnerung hatte. Gierig sog er die Luft ein und hielt inne. Wie ein seltsamer Nachgeschmack lag noch etwas anderes in der Luft und dann erkannte Zechs den charakteristischen Geruch von Blut, Tod und Verderben. Mit einem Schlag erkannte auch den Wald wieder. Es war der Wald der letzten Schlacht gegen die Römer und hier lagen die Leiber seiner germanischen Brüder. Hier lag Lucrezias Körper. Es schnürte ihm die Kehle zu und blind vor Tränen stolperte er durch das Unterholz. Dabei wusste er ganz nicht, wohin er sich überhaupt wenden sollte. Er fiel der Länge nach hin und zunächst dachte er, es wäre eine Wurzel, die ihn behinderte, doch dann sah er, dass es die Beine eines Mannes waren. Die Stiefel dick verkrustet von Erde und Blut. Das Leder seiner Rüstung fast schwarz vom vielen Blut, das aus einer Wunde unter dem Arm stammte. Es war er selbst, der da lag. Zechs setzte sich auf seine Fersen zurück und mit seltsamer Faszination beobachtete er seinen leblosen Körper. Leblos, ja, das beschrieb es ganz gut, sein Gesicht war so fahl, eingefallen und blass, dass man ihn für tot halten könnte. Eine Stimme rief ihn und Zechs sah auf. Wann war es denn dunkel geworden? Es war stockfinster um ihn herum, doch noch immer befanden sie sich in jenem Wald. Das Licht einer Fackel kämpfte sich stetig, aber schwankend näher und Zechs konnte bald zwei Gestalten ausmachen. Doch erst als die kleinere der Beiden Gestalten neben Zechs Körper niederkniete und weinte, erkannte Zechs sie wieder. „Lucrezia!“, rief er und wollte sie berühren. Doch als es ihn gar nicht geben würde, strichen seine Finger nur durch Luft. Lucrezia sagte irgendetwas zu ihrem Begleiter und der schüttelte nur den Kopf und zog sie wieder in die Höhe. Lucrezia selbst konnte sich kaum auf den Beinen halten, doch wie stets kämpfte sie wie eine Wölfin. Wollte ihren Geliebten nicht verlassen, auch wenn es ihren sicheren Tod bedeuten würde.. Auch sie war besudelt von Blut. Ihr Hals, ihre Schulter... Ihr Hals! Zechs hatte doch gesehen, wie sich Treizes Schwert in ihren Hals gebohrt hatte. Jetzt sah es Zechs genau, das Schwert war an ihrem Lederkragen steckengeblieben und hatte sich stattdessen in die Schulter gegraben. Auch diese Wunde war lebensbedrohlich, das wusste Zechs. Ihm wurde bewusst, dass es vielleicht gar kein Traum war, den er hier durchlebte, sondern eine Vision, die ihm die Götter geschenkt hatte. Als er das nächste Mal die Augen öffnete, saß er aufrecht und in kaltem Schweiß gebadet in seinem Bett. Eine Vision, keine Frage, solch eine heftige körperliche Reaktion hatte er bei keinem noch so schlimmen Albtraum. Also hatte Lucrezia die Schlacht überlebt? Anscheinend zumindest die unmittelbare Zeit nach der Schlacht. Vielleicht war sie dann an den Folgen der Verletzung gestorben? Vielleicht lebte sie noch. Von großer Unruhe angetrieben, stand Zechs auf und riss den Vorhang zur Seite, der das Fenster bedeckte. Er sah hinauf zu den Sternen und atmete tief ein. Nein, nein, sie lebte nicht mehr. Er hatte sich damit abgefunden, dass sie gestorben war. Denn wäre ja alles sinnlos gewesen, sein wilder Durst nach Rache. Diese gesamten Verletzungen, das missbrauchte Vertrauen, alles umsonst? Er musste die Wahrheit herausfinden, jetzt. Taumelnd ging er abermals in Treizes Gemächer. Dort setzte er sich auf den Boden und stellte eine Kerze vor sich hin, nachdem er sie entzündet hatte, holte er sich ein Messer und schnitt sie in den Finger. Er benötigte etwas Blut. Mit der entsprechenden Beschwörung ließ er das Blut in die Flamme tröpfeln. Nicht lange und seine Augen schlossen sich und wieder erfuhr er jenes ekelhafte, und doch so charakteristische Gefühl: Eine zugeschnürte Brust, Panik, Herzklopfen, seine Muskeln verkrampften sich... Dort war sie! Dort stand Lucrezia, er sah sie ganz deutlich vor sich. Sie stand im Licht der gleißenden Sonne und Zechs konnte deutlich ihren gerundeten, schwangeren Bauch ausmachen. Also hatte sie ihr Kind noch austragen können? War es das, was ihm diese Vision sagen wollte? Lucrezia wandte den Kopf zu ihm und lächelte. Und in diesem Lächeln lag so vieles: Vergebung, Verständnis, Stolz und Liebe. ‚Kümmere dich um sie!‘, sagte sie. Er hörte ihre Stimme ganz deutlich in seinem Kopf. Dann sah er noch mehr: Seine Schwester als kleines Kind, als junge Frau wie sie sich in seine Arme warf. Aber Relena war doch wie seine Eltern gestorben? Dann sah er Treize! Treize, warum er?, dachte sich Zechs. Warum wieder das? Diese Vision hatte er doch schon einmal gemacht. Treize mit rot beschmierten Gesicht. Dann sah er zwei Kinder, sie hielten einander an den Händen und rannten über eine grüne Wiese. Es hätten er und seine Schwester sein können, aber etwas in ihm gab ihm die Gewissheit, dass es so nicht war. Dass ihn seine Augen täuschten, dass er... Zechs riss die Hand über der Kerzenflamme zurück und krümmte sich. Beinahe hätte er die Kontrolle über die Vision verloren und sein Geist wäre in ihren Tiefen verblieben. Zusammengekauert saß er vor der Kerze und versuchte Ordnung in dieses Chaos von Bildern zu bringen. Er war zutiefst verwirrt. Doch eines wusste er: Lucrezia hatte die Schlacht überlebt und sie war dann bei der Geburt ihres Kindes gestorben. Er war Vater geworden, er hatte ein Kind! Kapitel 15: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Endlich! Auf dieses Kapitel haben wir wohl alle gewartet. :) Aber lasst euch nicht täuschen, damit ist die Story noch lange nicht beendet. Kapitel XV Zechs hatte es nicht im Geringsten überrascht, dass er in jener Nacht keinerlei Schlaf mehr gefunden hatte. Diese Visionen waren viel zu mächtig gewesen als dass er sie einfach so vergessen konnte. Er war Vater geworden! Doch wo war dieses Kind nun? Und war es ein Junge oder ein Mädchen? Würde es seine blonden Haare haben, doch eher Lucrezia gleichen? Würde er es je herausfinden? Nein! Das stand außer Frage, er würde das Kind ausfindig machen. Doch dazu musste er erst einmal nach Germanien reisen. Treize hatte es ihm freigestellt. Offiziell war Zechs zwar noch immer Treizes Geisel doch mittlerweile war die römische Politik und die Frage des Thronfolger in diesen Tagen so verworren, da würde Zechs‘ Abwesenheit nicht großartig ins Gewicht fallen. Doch so viel stand auch fest: Zechs konnte und wollte Rom nicht verlassen, ohne ein letztes Mal mit Treize geredet zu haben. Daher bereute er es auch nicht im Geringsten dem Konsul die Nachricht gesandt zu haben, er möge doch bitte auf das Anwesen kommen. Ob Treize jedoch diese Bitte erhören würde, war eine ganz andere Frage. Als der Morgen graute fand Zechs endlich etwas Ruhe und fiel in einen unruhigen Schlummer. Er zwang sich etwas zu frühstücken und ebenso zwang er sich mit Wufei und Sally ein wenig Konversation zu betreiben. Immerhin konnten die beiden ja nichts für sein Dilemma. Doch sie bemerkten recht bald, dass Zechs seine Ruhe benötigte und so ging Sally in ihren Kräutergarten. Es war Herbst und so manche Frucht musste eingebracht werden, wollte Sally ihren Vorrat für den Winter aufstocken. Wufei leistete ihr Gesellschaft und Zechs ging in die Bibliothek von Treize. Dieser Ort erschien ihm wie ein Heiligtum und obwohl ihm nicht der Sinn nach Lektüre stand, war es tröstlich den Geruch des Papyrus, der Tinte und den leichten Geruch nach Honig, den die Wachstafeln verströmten, einzuatmen. Zechs wusste nicht, wie lange er an einem der Schreibtische saß und die Wand anstarrte. Immer und immer wieder sah er die Bilder der Vision vor sich. Aber es waren zwei Kinder gewesen, die er da gesehen hatte. Wer waren sie? Bei diesem Gedanken kam ihm Mariemaia in den Sinn. Wie es wohl der Kleinen nun erging? Immerhin war ihr Großvater verstorben und auch wenn die Beziehung nicht eng gewesen war, der alte Barton war ihre einzige Familie gewesen. Wufei hatte ihm von der Einäscherung erzählt, wie tapfer und stark die kleine Mariemaia sich aufrecht gehalten hatte. Treize musste sehr stolz auf sein Mädchen sein. Zu recht, wie Zechs fand. Wusste Mariemaia inzwischen, dass Treize ihr leiblicher Vater war? Eine äußerst interessante Frage. Als die Schatten der Regale länger und länger wurden, erhob sich Zechs gezwungenermaßen. Er verließ sein selbstgewähltes Exil und trat durch das Atrium ins Freie hinaus. Dort empfing ihn eine geradezu stürmische Böe, es schien heute Nacht noch Regen zu geben. Unwillkürlich fröstelte ihn. Wer hätte das auch gedacht, dass er einmal dieses warme Wetter so lieben würde. Die Aussicht auf trübe Regentage und tiefen Schnee, den der Winter in Germanien nun einmal zwangsläufig mitsichbrachte, ließ ihn doch glatt seinen Entschluss überdenken, in das Land seiner Eltern zurückzukehren. Gedankenverloren stand er an der Brüstung und blickte hinab in den Garten, die zahlreichen Statuen, die dort untergebracht waren. Allesamt wertvolle Kunstgegenstände, gesammelt von Treizes Vater. Es waren schöne Stücke darunter. Bei Odin, er hörte sich schon an wie ein Römer! „Nein, ich bleibe nicht über Nacht. Ich benötige nur eine Abschrift aus der Bibliothek.“ Zechs schreckte aus seinen Gedanken hoch als er diese Stimme hörte. Hatte ihm seine Einbildung einen Streich gespielt oder war dies wirklich und wahrhaftig Treizes Stimme? Sein Herzschlag beschleunigte sich und Zechs‘ Hände verkrampften sich zu Fäusten. Er wollte wegrennen, aber konnte nicht. Konnte einfach nur wie versteinert dastehen und auf den Weg starren, der um die Villa herum- und direkt auf die Terrasse zuführte, auf welcher Zechs stand. Wenn es Treize wäre, dann würde er gleich um die Ecke biegen und dann... Gequält holte Zechs Luft als er Treize erblickte. Der Konsul schien überhaupt nicht mit ihm gerechnet zu haben und wurde merklich bleich im Gesicht als er Zechs dort stehen sah. Beide verharrten sie unschlüssig. Zechs schürte es den Brustkorb zu und er bekam kaum noch Luft als er sah, dass Treize keine Tunica oder eine Toga trug, sondern seine Metallrüstung. Jene Rüstung mit seinen Wappentieren. Den drei Löwenköpfen. Als Zechs das letzte Mal... Nein, er durfte nicht daran denken, sonst würde er sich doch glatt erbrechen. Er schmeckte schon die bittere Galle in seinem Mund und wandte den Blick schnell ab. Sein Blut rauschte in den Ohren und nur mit Mühe verstand er die Worte, die Treize an den Sklaven richtete, dass man sie allein lassen sollte, die anderen Offiziere sollten schon ohne ihn aufbrechen. Zechs zwang sich seine Hände flach auf die Brüstung zu legen. Treize war gekommen. Treize hatte seine Bitte erhört, aber nun – ganz ehrlich – sehnte sich Zechs danach ein Schwert in den Händen halten zu können und Treize so gegenübertreten zu können. Es waren nun einmal die Instinkte des Kriegers in ihm. Treize stand ihm in voller Rüstung und gladius gegenüber. Zugegeben, das Kurzschwert stecke noch in der Scheide, sicher an Treizes Bein, und doch fühlte sich Zechs ihm schutzlos ausgeliefert. „Du hast meine Nachricht erhalten“, eröffnete Zechs nach endlos langen Augenblicken des Schweigens und Abwartens das Gespräch. „Nein, ich habe keine Nachricht erhalten. Ich war die letzten drei Tage nicht in Rom. Quatre und ich waren bei der Legion.“ Ah, das erklärte die Rüstung. Anscheinend führte Treize die Rückreise in die Hauptstadt ohnehin an seiner Villa vorbei und er hatte die Gelegenheit nutzen wollen, um etwas aus seiner Bibliothek holen zu können. ‚Aber dafür hätte er auch einen Boten schicken können‘, dachte Zechs bei sich und riskierte einen Blick in Treizes Gesicht. Der Konsul sah müde und abgespannt aus. Er schien keine leichte Zeit zu durchleben. Zechs vermied es tunlichst den Brustpanzer einer näheren Musterung zu unterziehen. Nicht nur wegen der Löwenköpfe, die für ihn wohl immer eine negative Assoziation haben würden. Sondern auch, weil er sich insgeheim fragte, wie wohl die Narbe aussah, die Treize auf seiner Brust trug. Die Narbe, die Zechs verursacht hatte. „Was stand in der Nachricht?“ „Ich wollte dich sehen.“ „Ah.“ Mehr war von Treize nicht zu hören. Und wieder Stille, der Wind frischte auf und Zechs strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er starrte auf den Boden und rieb sich die Stirn. Dann hob er den Blick wieder. Treize stand noch immer reglos da. Fast wie eine der Marmorstatuen dort unten im Garten. Doch Zechs‘ Gesichtsausdruck oder seine Haltung musste wohl Treize mehr gesagt haben als jedes Wort. Denn im nächsten Augenblick war er an Zechs‘ Seite und schloss ihn in seine Arme. Zunächst, für den winzigen Bruchteil eines Herzschlags, war Zechs abermals wie versteinert, doch dann schlang er wie von selbst die Arme um die breiten, in Metall gekleideten Schultern vor ihm. Der Brustpanzer fühlte sich merkwürdig kalt unter Zechs‘ Tunica an, die Kanten des Panzers gruben sich unangenehm in seine Haut, aber trotzdem hielt er sich an Treize fest. Er wusste nicht, wann er zu weinen angefangen hatte. Doch es ließ sich nicht leugnen, dass ihm die Tränen über die Wangen flossen. Treize rückte ein Stückchen von ihm ab, gerade so viel, dass er die Hände heben und Zechs‘ Tränen wegwischen konnte. „Ich“, begann Zechs. Er wollte so vieles sagen, dass es ihm leid tat. Dass es ein Fehler gewesen war. Dass er aus dem purem Affekt heraus gehandelt hatte, das Gefühl der Rache mächtig und stark gewesen war. „Ich weiß“, unterbrach Treize und Zechs glaubte, dass er es wirklich wusste. „Zechs, ich vergebe dir.“ Sprachlos starrte er Treize an. Treize hob die Hände wieder und strich Zechs‘ die Haare aus der Stirn. Immer und immer wieder. „Wäre ich an deiner Stelle gewesen, ich glaube, ich hätte genau so gehandelt. Wufei hat es mir erzählt; er hat mir alles erzählt. Ich erinnere mich kaum noch an die Schlacht und es beschämt dies zu sagen, wenn ich bedenke, was du in dieser Schlacht verloren hast. Ich bin mir sicher, sie war eine außergewöhnliche Frau. Ich schließe sie in meine Gebete ein.“ Zechs konnte nicht sprechen. Er nickte nur. Bei den Göttern, womit hatte er das verdient? Treize vergab ihm und vertraute ihm erneut? Konnte es für sie etwa doch noch eine Zukunft geben? „Wenn ich es mir vorstelle“, Treizes Kopf ruhte auf Zechs‘ Schulter, sein Atem strich sanft durch die langen blonden Haarsträhnen des Germanen. „Wenn ich hätte mit ansehen müssen, wie jemand meine kleine Schwester tötet – oder auch Mariemaia – ich hätte denjenigen wohl ebenso kaltblütig niedergestreckt. Es spricht nur für deine Liebe zu deiner Gefährtin, aber ich hoffe...“ „Was hoffst du?“ Treize seufzte und legte die Hände an Zechs‘ Schultern, rückte etwas von ihm ab, so dass sie sich in die Augen sehen konnten. „Ich hoffe, dass noch etwas Liebe übrig ist... für mich.“ Es war keine direkte Frage und mit einem geradezu schüchternen Tonfall vorgebracht, so dass Zechs unwillkürlich lächeln musste. „Warum wolltest du mich nach Germanien schicken?“, erkundigte er sich statt eine Antwort zu geben. Treize zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Ich dachte, das wäre in deinem Willen. Ich hatte nicht gehofft, dass du mich je sehen möchtest.“ Wieder lächelte Zechs und dann schüttelte er den Kopf. „Nein, ich musste dich noch einmal sehen, noch einmal mit dir reden.“ „Nur einmal?“ „Nein“, verlegen blickte Zechs zu Boden und er spürte wie ihm das Blut direkt in die Wangen schoss. Bei den Göttern, er war verlegen. Genau so wie damals vor seinem ersten Kuss, da hatte er auch nicht gewusst wohin mit seinen Händen, wohin er blicken sollte... Als ob Treize seine Gedanken gehört hätte, griff er sanft nach Zechs‘ Kinn und wollte ihn in der Tat küssen. Doch im letzten Moment zuckte Zechs zurück und befreite sich aus der Umarmung. Mit einem Mal konnte er den Körperkontakt nicht mehr ertragen, Sallys Worte schoss ihm durch den Kopf: Dass ihn Treize im Bordell gefunden hatte und welche Art von Verletzungen er in diesen Wochen davongetragen hatte. Treize hatte ihn gefunden, das hieß, dass Treize ganz genau wusste, was sie Zechs alles angetan hatten. Treize musterte ihn schweigend und griff dann nach seiner Tunica. Peinlichst darum bemüht Zechs nicht direkt anzufassen. Er zog ihn zu einer Bank, die etwas abseits stand und sie nahmen Platz. „Wie kannst du mich noch küssen wollen?“, rutschte es frei aus Zechs heraus als Treize neben ihm saß. Treize hatte die Ellbogen auf seinen Knien aufgestützt und starrte in den Park hinaus, den die untergehende Sonne in immer länger werdende Schatten tauchte. „Du weißt, was sie mir angetan haben“, fügte Zechs dann leiser hinzu. Treize schwieg zwar, doch Zechs fühlte genau die Emotionen, die den Konsul in diesem Augenblick bewegten. Vor allem war es Mitleid, aber auch unbändige Wut und Rage, die Treize nur mit Mühe kontrollierte. Das Mitleid verletzte Zechs am meisten. Er wollte kein Mitleid, hieß es doch nur, dass ihm die Freier im Bordell in der Tat die abscheulichsten, unausprechlichsten Dinge angetan hatten. „Du erinnerst dich an nichts?“ „Wenig“, Zechs betrachtete Treizes Profil. „Ich weiß nicht, was genau...“ Bevor er weitersprach, legte ihm Treize eine Hand auf den Oberschenkel. „Lass die Vergangenheit ruhen.“ Zechs begann zu protestieren: „Aber.“ „Wenn dir die Götter diesen Geschenk des Gedächtnisverlusts bereitet haben, dann nimm es an und versuche erst gar nicht diese Stunden – nein, Tage – zu ergründen.“ „So schlimm also“, murmelte Zechs und holte Luft, es fiel ihm schwer. Sein Brustkorb war wie mit unsichtbaren Tauen eingeschnürt. „Hast du keinen Ekel mich zu berühren, wo du ganz genau weißt, dass...“ „Dass was?“ „Zwing mich nicht es auszusprechen.“ „Nein, es ist für mich nicht von Bedeutung“, kam Treize auf die erste Frage zurück. Zechs musste nicht seine magischen Fähigkeiten bemühen, um zu ergründen, ob diese Worte der Wahrheit entsprachen. Denn nachdem er diese Worte gesprochen hatte, wandte sich Treize ihm zu und küsste ihn. Zunächst wich Zechs zurück, doch dann erinnerte er sich wieder an die Küsse in jener Nacht bevor Treize nach Dalmatia aufgebrochen war. Er erinnerte sich wieder an die wilde Leidenschaft, die sich beide verspürt hatten, als sie die letzte Stunde vor der Abreise an der Quelle im Wald verbracht hatten. Wie glücklich sie gewesen waren. Sie konnten diese Glück wieder haben. Diese Erkenntnis brachte ihn zum Weinen und wieder fragte er sich, womit er dies alles verdient hatte. Treize wischte ihm die Tränen von der Wangen und zog ihn in die Höhe. „Gehen wir in meine Gemächer. Natürlich nur, wenn du möchtest.“ Zechs ergriff die ihm dargebotene Hand. Als sie durch das Atrium gingen und die Treppe in den oberen Stock emporstiegen, konnte sich Zechs des Gefühls nicht erwehren, dass er hier wie eine jungfräuliche Braut in der Nacht der Hochzeit in die Gemächer ihres Bräutigams geführt wurde. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke. Zum ersten Mal konnten er und Treize ungestört zusammen sein. Nichts stand mehr zwischen ihnen. Es war ihr erstes Mal. „Ich hole etwas Wein und etwas zu essen. Ich habe seit dem Mittag nichts mehr gegessen“, meinte Treize nachdem er Zechs auf den Diwan neben dem Fenster gedrückt hatte. „Außerdem lasse ich die anderen nach Rom reiten. Ich werde einige Tage hier bleiben.“ Zechs nickte und wartete ungeduldig bis Treize wieder zurückkam. Der Konsul trug selbst das Tablett mit den Weinbechern, Karaffe und einigen Tellern mit Oliven, Trauben und etwas Brot. ‚Wo war eigentlich Wufei abgeblieben?‘, fragte sich Zechs. Hatte Wufei sie gesehen und was fühlte Wufei dabei? Immerhin hatten er und Treize auch eine innige Beziehung geführt. „Du wirst mir helfen müssen“, meinte Treize leise und riss Zechs aus seinen Gedanken. Treize hatte gerade seinen Umhang abgelegt und nun benötigte er Hilfe damit die Lederschnüre zu lösen, die seinen Brustpanzer hielten. Zechs‘ Finger zitterten so sehr, dass er für den ersten Knoten mehr als drei Anläufe benötigte. Treizes Hände umfassten seine. Sie waren wunderbar warm, doch auch die Finger des Konsuls zitterten. „Ich kann das.“ Als ob er sich selbst Mut zusprechen wollte. Aber vor allem wollte er nicht, dass Treize nach einem der Sklaven rief. „Natürlich.“ Endlich war der Panzer abgelegt und Treize streifte die Tunica über seinen Kopf. Zechs hielt den Atem an und dann stiegen ihm erneut die Tränen in die Augen. Die Wunde war bei weitem größer und schwerwiegender als Zechs angenommen hatte. Er legte die Hand auf die noch wulstige Narbe auf Treizes Brust. „Tut es weh?“ „Nein.“ Treize sah an sich herab. „Eine hübsche Narbe, findest du nicht?“ Zechs schüttelte den Kopf. Er konnte dem nichts Hübsches abgewinnen. Es war eine Narbe, die vermeidbar gewesen wäre. Wenn sie miteinander geredet hätten, offen und ehrlich von Anfang an. Aber das sagte sich jetzt so leicht. Noch zu gut erinnerte sich Zechs an die ersten Tage, die er hier in Rom erlebt hatte, wie er und Treize stets aneinander geraten waren, sich regelmäßig auch gestritten hatten. Zechs hatte Treize für das verachtet, was er war: Konsul und römischer Adliger, Befehlshaber von tausenden römischen Legionären, die gegen die Germanen gekämpft hatten. Und Treize war es da im Gegenzug sicher nicht anders ergangen. So gesehen war es nun überhaupt ein Wunder, dass sie nun hier im Schlafzimmer des Konsuls standen und sich wie ein frisch verliebtes Paar aufführten, das fast zu schüchtern war sich zu berühren. Mit einem Mal war der Wein und das Essen vergessen. Treize zog nun an Zechs‘ Tunica, schnell folgte auch noch der Leibschurz und landete auf dem Mosiakboden. Zechs‘ Kniekehlen stießen gegen das Bett und er legte sich nieder. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals als sich Treize, nun ebenso so nackt wie er selbst, über ihn beugte. „Darf ich dich küssen, Zechs?“, raunte er die Lippen nahe an Zechs‘ Ohr während eine Hand seine Flanke liebkoste. „Alles was du willst“, presste Zechs hervor und zog Treizes Kopf nach oben. Nein, es war kein Kuss von frisch Verliebten. Es war hungrige Kuss eines Paares, das sich viel zu lange hatte nicht sehen dürften, nicht berühren dürften. Ungefragt schlüpfte Treizes Zunge zwischen seine Lippen und glucksend bereitete Zechs diesem Eindringling einen würdigen Empfang. Es war herrlich. Einfach an nichts mehr denken zu müssen. Nur noch fühlen, nur noch seinem Körper und dessen Bedürfnissen folgen. Es war doch ein Geschenk der Götter, dass er so einen Partner gefunden hatte, mit dem er dies konnte. Irgendwann lag Treize unter ihm, ein Bein hatte er um Zechs‘ Hüfte geschlungen, so dass seine eigene inzwischen steil aufgerichtete Erektion der von Zechs möglichst nahe kam. Zechs hielt inne und starrte auf seinen Geliebten hinab. Eine Erinnerung war gerade in seinem Innersten aufgestiegen. Wie hatte er das vergessen können? „Weißt du noch“, begann er, „als wir das letzte Mal in diesem Bett gelegen haben?“ Treize setzte sich auf, die Arme um Zechs‘ Oberkörper geschlungen. Er lachte leise. „Oh ja. Ich weiß es noch. Ich konnte es kaum fassen, dass du zu mir ins Zimmer gekommen bist.“ „Wir haben so manches ausprobiert.“ „Mhm, ja aber eine Sache, haben wir uns aufgespart.“ „Ich hatte es tun wollen!“, ereiferte sich Zechs und gab Treize einen spielerischen Schlag auf den Hintern. „Du wolltest damals warten, vielleicht hätten wir doch...“ Er verstummte, hätten ihn Treize damals genommen, dann wäre er Zechs‘ erster Mann gewesen, so jedoch... Bevor er weiter in diese düsteren Gedanken abgleiten konnte, hatte Treizes sein Gesicht umfasst. „Weißt du noch, was ich dir ebenfalls gesagt habe? Dass ich will, dass du jeden Mal an mich denkst, wenn du es dir selbst besorgst.“ Zechs wandte verlegen den Blick ab. „Was glaubst du, über was ich den gesamten Sommer fantasiert habe!“ Treize grinste verschlagen und leckte sich die Lippen. „Mir erging es nicht anders.“ „Du hast auch gesagt, dass wir uns Zeit nehmen, wenn wir es das nächste Mal tun und dass du...“ Treize küsste ihn. „Dass ich dich vor Lust zum Schreien bringen werde“, vollendete er dann den Satz nachdem er Zechs das letzte bisschen Luft zum Atmen gestohlen hatte. Wortlos nickte Zechs, dann legte er sich auf das Bett zurück und zog Treize mit sich. Wie von selbst öffneten sich seine Beine und es fühlte sich als das Natürlichste der Welt an, als ob es schon immer so gewesen war, wie Treizes Körper dazwischen Platz fand. „Dann bring mich zum Schreien Treize. Nimm mich und lass mich nie wieder gehen.“ Kapitel 16: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XVI Die Stimmung auf dem Landsitz von Treize Khushrenada war wohl schon seit etlichen Jahren nicht mehr so ausgelassen und unbeschwert gewesen. Treizes heitere Gelassenheit übertrug sich regelrecht auf die Sklaven und sogar Duos Laune, der sich noch immer über Heeros merkwürdiges Verhalten den Kopf zerbrach, besserte sich ein wenig. Und für Zechs waren es wohl die glücklichsten Tage, die er je in seinem römischen Exil erlebt hatte. Zunächst hatte er sich große Sorgen gemacht, wie wohl Wufei die Liaison zwischen Zechs und Treize aufnehmen würde. Immerhin hatten Wufei und Treize auch einmal das Lager geteilt. Als Zechs den Konsul darauf angesprochen hatte, wurde dieser verlegen – was nun mal nicht oft vorkam – und gestand, dass Wufei schon damals vermutet hatte, dass Treize etwas für Zechs übrig hatte und ihn gerne in seinem Bett sehen würde. Diese Aussage hatte wiederum bei Zechs für rote Wangen gesorgt. Wufei leistete ihnen oft Gesellschaft, wenn sie zusammen auf die Jagd gingen oder ausritten. Treize hatte einen besondere Vorliebe für Zechs‘ zahmen Falken entwickelt und hatte innerhalb kürzester Zeit diese hohe Kunst der Jagd gemeistert. Wufei war da noch etwas skeptischer, wenn er auch berichtet hatte, dass ihm auf seiner Reise nach Osten Volksstämme begegnet waren, die auf genau jene Art und Weise gejagt hatten. „Wann wirst du wieder nach Rom zurückkehren?“ Zechs hatte seit mindestens zwei Tagen und Nächten damit gerungen diese Frage zu stellen. Auch wenn es ihm in der Regel leichter fiel direkt nachdem er und Treize ihre Leidenschaft gestillt hatten über seine Gefühle zu reden, diese Frage hatte er nicht über die Lippen gebracht. Die Antwort fiel als gedämpftes Knurren aus, was Zechs zumindest so viel sagte, dass auch Treize dieser Gedanke nicht behagte. Sie lagen unter einer der mächtigen Platane im hinteren Teil des Parks, wo sie zum einen ungestört, zum anderen nicht so leicht zu entdecken waren. Denn unter der Dienerschaft war es zur beliebten Freizeitbeschäftigung geworden sich mit Treizes und Zechs‘ Liebesleben zu befassen. Die Blicke allein, wenn sie morgens zum Frühstück zusammensaßen. Als ob Duo und die anderen jedes freigelegte Stückchen Haut nach verräterischen Flecken untersuchen würden. Aber es war nun einmal auch für die Sklaven etwas völlig Neues, dass sich ihr Herr so offen mit einem Geliebten zeigte. Treize setzte sich auf und stützte sein Kinn auf die angezogenen Knie. „Ich hätte schon längst wieder in Rom sein sollen.“ Zechs drehte sich auf den Bauch und schielte zu Treize hoch: „Was hält dich noch auf?“ Er tat überrascht und erntete prompt einen Schlag auf den Allerwertesten. „Wir könnten doch auch in Rom in deiner Stadtvilla wohnen... Oh“, Zechs erkannte das Dilemma. Bei den Griechen hatte es beinahe schon zum guten Ton gehört, dass sich einflussreiche Männer junge Geliebte genommen hatten. Die Römer sahen es nicht so offen. Es wurde in der Regel toleriert, wenn sich ein Römer in einem Bordell mit einem Lustknaben vergnügte oder seine eigenen Haussklaven für solche Absichten herhalten mussten. Aber einen männlichen Geliebten, ganz so wie eine Kurtisane, das war undenkbar. Wollte Treize sein Gesicht nicht verlieren, dann müsste er Zechs zu seinem Sklaven machen und selbst dann, würde es zu Naserümpfen und übler Nachrede kommen. Doch bevor sie sich weiter diesem heiklen Thema widmen konnten, sahen sie Trowa, der durch den Park rannte und sie augenscheinlich hektisch suchte. Sowohl Treize als auch Zechs sprangen auf, dass Trowa sich so gebärdete konnte nur bedeuten, dass etwas geschehen war. Treize rief den Pferdeknecht zu sich und der musste erst einmal wieder zu Atem kommen bevor er berichtete: „Eine Brieftaube aus Rom von Quatre und Une...“ Trowa richtete sich auf. „Der Kaiser ist tot.“ Zechs glaubte sich verhört zu haben, das konnte doch nicht sein. Sicher war der Kaiser schon ein alter Mann und gerade über den Sommer hatte er kaum an den Regierungsgeschäften teilgenommen, aber dass er nun tot sein sollte. Er wollte gerade nachfragen, aber da kam ihm bereits Treize zuvor. „Wer weiß davon? Wissen die Bürger darüber Bescheid?“ Treize setzte sich in Richtung Villa in Bewegung und notgedrungen folgte Zechs. Als Trowa nicht antwortete, formulierte Treize seine Frage anders: „Was stand genau in der Nachricht?“ Trowa reichte ihm einen kleinen Zettel. „Ich verstehe“, Treize steckte den Zettel weg. „Ich reite sofort los. Trowa, du kommst mit. Zechs kannst du eine Taube zurückschicken, dass ich unterwegs bin?“ „Ja. Das heißt, nein! Ich komme selbstverständlich mit.“ „Nein, es könnte sehr gefährlich werden. Noch weiß es das Volk nicht, aber sobald die Kunde den Palast verlässt, wird es wahrscheinlich Ausschreitungen geben. Verdammt, dass meine Legion zu weit weg lagert. So können nur die Prätorianer für Ordnung sorgen.“ „Die Prätorianer stehen unter dem Befehl des Kaisers, aber wenn er tot ist...“ „Ich fürchte, die Prätorianer stehen unter Marcus‘ Einfluss.“ „Verdammt“, stimmte nun Zechs aus vollstem Herzen zu und gemeinsam betraten sie das Atrium. Duo rannte bereits die Stufen zum Schlafgemach empor, um dort eilig die nötigsten Dinge zusammenzupacken. Die heitere Stimmung im Haushalt war mit einem Mal verflogen. „Une und Quatre werden bereits meine Verbündeten informieren, aber ich fürchte, dass Marcus und mein Onkel Dermail schneller sind.“ „Ein Grund mehr, dass ich mitkomme!“ „Nein“, Treize packte ihn bei den Armen und sah ihm ins Gesicht. „Bitte, bleib hier. Hier bist du sicher und kannst schnell flüchten, falls...“ Hier schluckte Treize. „Falls es zum Äußersten kommen sollte.“ „Das Äußerste?“ „Ein Bürgerkrieg zwischen meinen und Marcus‘ Leuten.“ „Aber wir sind...“ Bevor Zechs weiter protestieren konnte, legte ihm Treize einen Finger auf die Lippen. „Ich kann leichter denken, wenn ich dich nicht in diesem Vipernnest weiß. Bitte bleib hier. Ich lasse dich holen, wenn die Gefahr vorüber ist.“ Zechs kam sich so machtlos vor als er Treize dabei beobachtete wie dieser in eine schlichte Tunica schlüpfte und eine Lederrüstung darüber anzog. Duo half dem Konsul beim Ankleiden, holte die Reitstiefel, reichte ihm die Armschienen und schlussendlich sein Schwert. Es wirkte beinahe wie in Tanz so wie Duo um den Konsul herumschwirrte. Sie waren aber auch schon jahrelang aufeinander eingespielt. Danach widmete sich Duo wieder dem Packen doch bald nickte er Treize zu und trug das Bündel nach unten. Ihr letzter ungestörter Moment, wenn sie voneinander richtig Abschied nehmen wollten, dann jetzt. Treize und Zechs sahen sich in die Augen. Keiner wollte etwas sagen, doch irgendetwas musste gesagt werden. Schnell murmelte Zechs einen alten Segen, dessen Worte nicht einmal er verstand. Seine Mutter hatte ihn so stets gesegnet, das wusste er noch. Treize erahnte wohl, was hinter der geflüsterten Beschwörung steckte und dankte ihm förmlich. „Ich weiß nicht, was nun alles in der Hauptstadt passieren wird, aber falls mir etwas zustößt...“ Zechs schüttelte den Kopf. Nein, er wollte nicht, dass Treize von solch schrecklichen Szenarien sprach. „... dann geh nach Germanien!“ Er musste zustimmen, Treize würde sich mit nichts Geringerem zufrieden geben. Also nickte er. Doch Zechs schwor sich, er würde seinen Geliebten nicht alleine lassen. Er hatte einmal seine Gefährtin verloren, es würde ihm mit Treize nicht genau so ergehen. Notfalls kämpfte er um Treize und wenn es zum Äußersten kam, dann war er auch bereit mit ihm ins Jenseits und vor die Götter zu treten. Am Abend hielt es Zechs nicht mehr länger aus. Es war unerträglich ruhig in der Villa. Selbst die Sklaven huschten nur so durch die Gänge und vermieden jedes Wort. Zechs durchschritt nun das Atrium zum wiederholten Male. Warum kam keine Brieftaube aus Rom? Hätte ihn Treize nicht informieren können, dass er gut in Rom angekommen war. Aber auf der anderen Seite, es war nicht gerade vernünftig eine der wertvollen Tauben für solch eine Nachricht zu opfern. Die Tiere waren die einzige schnelle Möglichkeit Neuigkeiten oder Befehle zu verbreiten. Und selbst wenn Zechs jetzt sofort losreiten würde, es dämmerte bereits und vielleicht hätte er noch eine Stunde Licht. Zechs war sich zwar sicher, dass er den Weg nach Rom finden würde. Zu diesem Zweck gab es ja auch Fackeln, aber ratsam war es auf keinen Fall alleine zu reiten. Niemand hier auf dem Land wusste, wie sich die Lage in der Stadt entwickelt hatte. Womöglich war es bereits zu den gefürchteten Ausschreitungen gekommen? Zechs widerstand nur mit Mühe dem Drang mit seiner Faust die Wand zu malträtieren. Aber etwas musste er doch tun! Er hätte Treize nicht alleine losziehen lassen sollen. Auch so ein unlogischer Gedanke. Treize war nicht allein. Quatre und Trowa waren in Rom an seiner Seite. Ebenso Une. Und dann gab es noch Heero. Der ja auch immer noch einer von Treizes Offizieren und ihm treu war, wenn er sich auch in den letzten Wochen kaum bei Treize gezeigt hatte. Sollte Zechs meditieren? Versuchen sich in Trance zu versetzen und zu sehen, ob Treize in Gefahr schwebte. Aber Zechs wusste auch, dass solch erzwungenen Visionen selten der Wirklichkeit entsprachen. Außerdem war die Zukunft immer in Bewegung und es war sehr schwer zu bestimmen, was in der Tat eintreffen würde und was nur Spinnerei gewesen war. Hinter seinem Rücken hörte er Sallys Schritte. Die Heilerin trug ihren Korb unter dem Arm, den sie stets mit auf Schlachtfelder zu nehmen pflegte. Außerdem trug sie eine Herrentunica und Stiefel. Ihre Haare hatte sie unter einer Lederkappe verborgen. „Ich gehe nach Rom“, stellte sie mit einer Bestimmtheit in der Stimme fest, dass Zechs reflexartig nickte. „Ich auch!“, meldete sich Duo. Ganz in schwarzes Tuch gekleidet. Die Waffe, die man ihm in Ägypten anvertraut hatte und an eine Sense erinnerte, trug er auf dem Rücken. „Kommst du mit?“ Selten war sich Zechs einer Entscheidung so sicher gewesen. So schnell es ging hatte auch er seine Kleidung gewechselt und sich auf eines der Pferde geschwungen, die man im Hof schon für sie bereit hielt. Sie erreichten Rom mitten in der Nacht. Keine Räuberbande oder sonstige Zwischenfälle hatten ihren Gewaltritt verlangsamt. Sie hatten Glück, dass Vollmond war und die Straße einigermaßen gut zu erkennen gewesen war. Natürlich waren die Stadttore bereits verschlossen. Doch Sally und Duo wussten von einer Pforte, die stets von Soldaten besetzt war, die zu Treizes Truppen gehörten. So verschafften sie sich ohne eine größere Summe an Bestechungsgeld auszugeben Zutritt. Auf den Straßen war nicht mehr viel los und doch meinte Zechs zu spüren, dass eine merkwürdige Stimmung vorherrschte. Als ob die Menschen ahnten, dass es bald zu gravierenden Änderungen kommen würde. Doch anscheinend hatte man den Tod des Kaisers noch nicht offiziell verlautbaren lassen. Aber Treize war wohl auch nicht der einzige Adlige am heutigen Tag gewesen sein, der völlig überstürzt nach Rom zurückgekehrt war. So etwas fiel zwangsläufig auf und mit Sicherheit gab es schon die ersten Gerüchte, warum sich die Adligen hier einfanden. In den besseren Vierteln, dort wo die besagten Adligen residierten, fiel Zechs auf, dass manche Eingangspforten bereits verrammelt oder zumindest verstärkt worden waren. Also wussten sie schon Bescheid und fürchteten die Randale, die der Tod des Kaisers mit sich führen würde. Treizes Stadtvilla lag gänzlich im Dunkeln. Die Eingangstür war fest verschlossen, doch ein Sklave öffnete ihnen sofort, nachdem er die Neuankömmlinge einer kritischen Musterung unterzogen hatte. Quatre, Trowa und Une saßen schweigend in einem der Gästezimmer. Auch Wufei war anwesend. Er hatte sich seit drei Tagen in Rom aufgehalten, um seine Landsleute bei ihren Geschäftsverhandlungen zu unterstützen. Was für eine glückliche Fügung, dass er nun hier war. „Wo ist Treize?“, hielt sich Zechs gar nicht erst mit Begrüßungen auf und sein schwungvolles Eintreten schreckte die übrigen regelrecht in die Höhe. Da Heero nicht hier war, hoffte Zechs, dass der Offizier sich bei Treize aufhielt. „Er ist noch im Palast“, Une erhob sich und schloss Sally in ihre Arme. „Wir wissen nicht, was los ist. Es gibt keinerlei Neuigkeiten aus dem Palast.“ „Wo ist Heero? Ist er bei Treize?“ „Nein, wir wissen nicht wo sich Heero aufhält. Er ist hier nicht aufgetaucht.“ Bei diesen Worte sah Zechs wie Duo die Lippen aufeinanderpresste und die Augen schloss. Interessant! Wusste Duo etwa mehr als Zechs? Aber das war jetzt erst einmal egal. „Wie lange ist er schon fort?“ „Er ist gleich nach seiner Ankunft in den Palast gegangen; hat sich nicht einmal mehr umgezogen. Das war noch weit vor dem Abendessen.“ Zechs schritt schon wieder das Zimmer auf und ab. „Wir müssen in den Palast.“ Une lachte nervös auf: „Und wie stellst du dir das vor? Wir können da nicht einfach so hereinspazieren und Treize suchen.“ „Es muss doch eine Möglichkeit geben. Ein Weg über die Gärten oder...“ „Zechs, das ist nicht irgendein Herrenhaus in der Provinz. Wir reden hier vom Palast des Kaisers! Glaubst du, da kann man irgendwie durch den Garten schleichen und schon steht man im Gemach des mächtigsten Mannes Roms?“ Sally legte ihrer Freundin beschwichtigend eine Hand auf das Knie. „Er macht sich nur Sorgen.“ „Das tun wir alle“, gab Une zurück. „Aber diese kopflosen Vorschläge nützen uns rein gar nichts.“ Bevor Zechs hierauf etwas erwidern konnte, meldete sich jemand gänzlich anderes zu Wort: „Ich kann in den Palast.“ Zechs wirbelte herum, aber nein, seine Sinne hatten ihn nicht getäuscht. Dort stand Mariemaia, Treizes illegitime Tochter, leibhaftig unter der Tür. Hatte sie etwa ihr Gespräch belauscht? Treize hatte ihm noch gerade gestern erzählt, wie stolz er auf seine Tochter war. Sie hatte es schon längst geahnt, dass er ihr leiblicher Vater wäre und sie hatten sich nach Bartons Tod ausgesprochen. Mariemaia lebte zurzeit bei Une. Wahrscheinlich hatte sie Une einfach mitgenommen als sie hierher gekommen war. Es war auch unverantwortlich gewesen die Kleine unbeaufsichtigt in Unes Villa zu lassen. „Mariemaia, du sollst doch nicht lauschen. Das gehört sich nicht.“ „Mein Vater würde sagen, dass man solche Regeln der Etikette durchaus brechen muss, wenn es einem höheren Ziele gereicht.“ Ihre Intonation, ihre Mimik. Es war als ob Treize diese Worte gesprochen hätte. Dabei imitierte sie ihn sicherlich nicht bewusst. Doch es war so absurd, dass sie alle auflachten und Mariemaia verwirrt stehen blieb. Genau wie Treize runzelte die Stirn und legte den Kopf schräg. Es war verblüffend. Dabei kannte sie ihren Vater kaum und doch war ihr Gebaren ihm so ähnlich, dass es einem Angst einjagte. „Wie willst du uns in den Palast bringen?“, fragte Quatre als sie sich alle wieder etwas beruhigt hatten. Es war die pure Nervosität und auch ein bisschen Panik, die sie alle so überspannt und reizbar machten. Mariemaia zog eine Rolle Pergament hervor und las ihnen vor: Es war ein Passierschein der sie in die innersten Gemächer der Kaiserfamilie bringen konnte. Zechs war verblüfft und da war er sicher nicht der Einzige: „Woher hast du das?“ Sie zog eine Grimasse: „Marcus hat es mir gegeben. Er schätzt meine Gesellschaft.“ Bei diesen Worten drehte es Zechs regelrecht den Magen um. Was hatte Marcus mit diesem Mädchen zu schaffen? Doch das war ihm jetzt in diesem Augenblick alles gleichgültig. Er streckte die Hand aus und ohne zu zögern übergab ihm Mariemaia das Pergament. Es war für keine bestimmte Person ausgestellt, doch das Siegel des Kaisersohns war unübersehbar. Es könnte funktionieren. „Aber ich gehe auch mit!“, verlangte Mariemaia und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, das ist viel zu gefährlich“, wehrte Quatre ab. „Ohne mich könntet ihr nicht in den Palast, also verlange ich, dass ich mitkomme!“ „Junge Dame, das steht hier nicht zur Debatte“, wies sie Zechs scharf zurecht. „Du bleibst hier!“ Da streckte sie ihm doch tatsächlich die Zunge heraus: „Du Germane, wirst mir keine Befehle erteilen!“ Treizes Tochter durch und durch. Wer wollte jetzt noch daran zweifeln? Kapitel 17: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XVII Treize gelangte unbehelligt in die inneren Gemächer des kaiserlichen Palastes. An seiner Seite nur einer seiner Botenjungen. Gerne hätte er seinen getreuen Diener Trowa mitgenommen, oder auch Quatre. Doch Treize wollte sie nicht dieser unsicheren Lage aussetzen, denn sollte mit ihm etwas zustoßen, dann musste sich jemand um Mariemaia kümmern. Allein die Götter wussten, was Marcus mit ihr anstellen würde. Die Wachen zwangen ihn nicht einmal seine Waffen niederzulegen, eine Tatsache, die nicht unbedingt für die Prätorianer oder ihre Offiziere sprach. Wären es Treize eigene Leute, sie hätten etwas mehr Verstand bewiesen. Ebenso fiel ihm auf, dass die Sklaven allesamt versuchten so wenig als möglich Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie huschten durch die Korridore und sahen ihm kaum in die Augen. Schon weit vor dem Gemach des Kaisers roch Treize diesen typischen Odor von Krankheit, Angstschweiß, Verfall und Tod. Er hatte ihn auf den Schlachtfeldern schon zu oft wahrgenommen als dass er es verwechseln würde. War der Kaiser alleine gewesen als er starb? Niemand sollte diese letzte große Reise ohne Beistand antreten müssen. Selbst seinem größten Feind wünschte Treize nicht diese Erfahrung. Darum hielt er sich auch noch nach den Schlachten in den Zelten der Heiler auf, hielt seinen Männern die Hand und gab ihnen so die einzige Hilfe, die er als Feldherr in solchen Situationen geben konnte. Der Botenjunge trat nervös einen Schritt vor und wieder zurück. Er wäre jetzt sicher gerne an einem anderen Ort. Und wer wäre das nicht. „Vor den Toten brauchst du keine Angst zu haben“, raunte ihm Treize zu. Unwillkürlich hatte er seine Stimme gedämpft, als ob er die Ruhe des Verstorbenen nicht stören wollte. „Vor den Lebenden müssen wir uns in Acht nehmen.“ „Ja, Herr.“ „Du weißt noch, was ich dir aufgetragen habe?“ „Die Nachrichten so schnell und unauffällig als möglich zustellen.“ „Gut.“ Treize ließ ihn nochmal die Liste durchgehen: Einige treuen Senatoren, Une, Howard. Treize hatte zwei Nachrichten verfasst und mehrfach abgeschrieben, bevor er in den Palast aufgebrochen war. Er vermutete schon, dass der Kaiser nicht eines natürlichen Todes gestorben war. Dies war die eine Nachricht. Die andere berichtete von seiner Festnahme von Marcus‘ Truppen. Natürlich hoffte er nicht, dass es dazu kam, aber er war lieber vorbereitet. Dann trat Treize ein. Er hatte schon viele Tote gesehen und der Anblick war auch nicht sonderlich erschreckend. Man hatten den Kaiser gewaschen und in seine offiziellen Roben gekleidet. Zwar hatte Treize nun einige Stunden Zeit gehabt über die Situation nachzudenken und das hatte er auch getan. Und doch realisierte er erst jetzt, was es alles für ihn und das gesamte Reich bedeutete, dass der Kaiser nun bei den Göttern war. Neben ihm räusperte sich ein Diener und wollte ihn davon abhalten näher an das Bett heranzutreten. Der Sklave musste wohl in den Schatten der Vorhänge gewartet haben, die die die Kühle der Nacht aussperrten sollten. Jedoch genügte auch schon ein scharfer Blick von Treize und der Sklave trat wieder zurück. Aber wo waren die Priester? Die anderen Senatoren? Und die Vertrauten und Freunde des alten Mannes? Irgendetwas stimmte hier nicht, das fühlte er. Treize trat neben den Leichnam, küsste den Siegelring und hielt inne. Es mochte wie eine einfache Geste der Ehrerbietung aussehen, in Wirklichkeit sog er den Geruch des Toten tief ein. Aber er nahm keinerlei Spur eines Giftes oder sonst etwas Verdächtiges wahr. Und er würde es bemerken, er hatte von Sally in dieser Hinsicht viel gelernt. Jedoch bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus etwas anderes. Am Hals des Kaisers gab es dunkelblaue, violette Male. Fast als ob er erwürgt worden wäre – und man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht es zu verdecken oder sonst wie zu kaschieren. Für Treize war es klar, der Kaiser war ermordet worden. „Wo ist der Leibarzt?“, verlangte Treize von dem letzten anwesenden Sklaven zu wissen. „Wer hat den Tod des Kaisers festgestellt?“ „Ein junger Arzt. Der Leibarzt von Marcus.“ Treize lachte beinahe los bei diesen Worten. Wie dumm von Marcus, wie durchschaubar. Allein das war schon Beweis genug, dass Marcus wohl ganz offensichtlich die Hand im Spiel hatte. „Julius, der Arzt, er befindet sich nicht hier.“ „Das sehe ich. Dann hol ihn her!“ Treize folgte dem Sklaven, der davoneilte und hielt an der Tür Wache. Er wollte gewarnt sein, denn ganz sicher würde nicht nur der Arzt, sondern auch Marcus auftauchen. „Hinter diesem Schrank befindet sich ein Geheimgang. Er führt direkt in die Gärten. Wende dich nach rechts und folge dem Pfad. Dann wirst du bereits meine Villa sehen“, wies er seinen Boten an, der mit weit aufgerissenen Augen den Schrank musterte. Als ob er es nicht glauben konnte, dass es so etwas gab. Treize ließ ihn den Schrank zur Seite rücken. „Sobald ich es dir sage, gehst du los. Sieh zu, dass dich niemand sieht, auch in den Gärten nicht.“ „Welche Botschaften soll ich nun liefern?“ Wie aufs Stichwort vernahm Treize Schritte, zahlreiche Schritte auf dem Flur. Es war nicht nur Marcus, der hierher kam, sondern auch Soldaten. Marcus würde ihn tatsächlich verhaften lassen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er musste seine gesamte Beherrschung aufbieten jetzt nicht in Panik zu geraten. Vielleicht sollte er selbst den Geheimgang bemühen? Treize schämt sich zuzugeben, dass er für einen winzigen Augenblick genau diesen Gedanken gehegt hatte. „Beide Botschaften. Geh, schnell!“ Es waren in der Tat zehn Prätorianer, Marcus, sein Onkel Dermail und noch ein verschüchterter junger Mann. Das war dann wohl der Leibarzt. Marcus trug die durch und durch purpur gefärbte und mit Gold bestickte Toga. Die Kleidung eines Kaisers. Treize tat so als ob er die anderen Männer gar nicht gesehen hätte, vor allem nicht Marcus, sondern richtete gleich das Wort an den Arzt: „Wie ist der Kaiser gestorben?“ Julius sah sich nervös um, als ob zuerst von Marcus die Erlaubnis zum Sprechen einholen müssten. „Er starb im Schlaf, seine Atmung hat ihm in den letzten Tagen ohnehin große Probleme gemacht.“ „Ist das so?“ „Konsul, ich...“ Doch dann hatte Marcus genug und schnitt dem Arzt das Wort ab. „Konsul, warum seid ihr hier?“ „Ich erweise dem Kaiser die letzte Ehre.“ Treize hielt inne und entschuldigte sich in Gedanken bei dem Geist des Verstorbenen. Die folgenden Worte sollte man nicht vor einem Toten aussprechen. „Sagt mir, Arzt, seit wann äußern sich Atemprobleme mit Würgemalen am Hals?“ Sagte es und behielt dabei Marcus unablässig im Blick. Marcus erbleichte sichtlich und seine Augen zuckten vom Hals des Toten zu Treize und wieder zurück. „Ich dachte es mir bereits.“ „Was, was dachtet Ihr euch? Überlegt gut, was Ihr sagt, wenn ihr Eurem neuen Kaiser treu dienen wollt.“ Wenn er es jetzt laut aussprach und sollte Marcus der nächste Kaiser werden, sprach er damit sein eigenes Todesurteil aus. Treize beließ es bei einem wissenden Lächeln und drehte sich dem Toten zu. ‚Ob er jetzt wohl mit meinem Vater im Elysium um die Wette reitet, ob sie zusammen jagen gehen?‘ „Die einflussreichsten Senatoren warten bereits auf mich. Wirst du meinen Anspruch auf den Thron unterstützen, oder dich mir entgegenstellen?“ Marcus stand nun neben ihm und sie starrten auf den Leichnam des Mannes, der für sie beide so etwas wie ein Vater gewesen war. Hat er es selbst getan? „Es wundert mich, dass du den Mut dazu aufgebracht hast“, raunte Treize. Niemand außer Marcus selbst hörte ihn. „Du wirst dich noch über vieles wundern“, gab Marcus ebenso leise zurück. „Welche Senatoren? Etwa jene Männer, die von die bestochen und deren Loyalität erkauft wurde?“, fragte Treize, die Stimme nun wieder erhoben. Er durfte sich jetzt keine Schwäche leisten. Sie nicht dem schockierten Gefühl in seinem Innersten hingeben. Marcus hatte seinen eigenen Vater erwürgt. Wie abscheulich. Marcus lachte höhnisch: „Als ob du nicht deine Getreuen mit Aufmerksamkeiten gefügig gemacht hättest. Du hast so gar deine Weinberge vermacht, wie ich gehört habe.“ Treize hoffte jedoch, dass er etwas subtiler vorgegangen war. „Gehen wir“, knurrte er und ging brüsk an Marcus und Dermail vorbei in Richtung des Thronsaals. Bereits jetzt wusste er, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Marcus war ihm hier eindeutig überlegen, das musste ihm Treize lassen. Sein Onkel und Marcus hatten ihre Spielfiguren gut in Stellung gebracht. Sie hatten schneller und aggressiver agiert als Treize und dies würde er jetzt bezahlen. Vielleicht sogar mit seinem Leben. Aber lieber starb er hier im Palast unter den Augen von Zeugen als in der täglichen Angst zu leben, dass Marcus ihm irgendwann einen Meuchelmörder auf den Hals hetzen würde. Er trug zwar sein Schwert, aber gegen zehn Prätorianer war selbst er machtlos. Der Thronsaal war bereits von Prätorianern umstellt und an deren Spitze sah er niemand anderen als Heero Yuy stehen. Yuy, sein Tribun, in der Rüstung der kaiserlichen Garde. ‚Also bist du doch deinen Weg gegangen‘, dachte Treize bei sich und ging erhobenen Kopfes an dem Offizier vorbei. Yuy blickte ihm direkt in die Augen, aber seine Mine verzog sich nicht einmal ein kleines Bisschen. Marcus lachte als er diesen Austausch beobachtete. „Ja, Heero ist klug, er weiß auf welche Seite er sich stellen muss.“ Treize warf Marcus nur einen kalten Blick zu und stieß die Tür zum Saal auf. Es mochten vielleicht nur zwanzig Senatoren sein, die dort warteten. Sie verstummten kurz als Treize und Marcus den Raum betraten, aber dann wurde ihr Gerede nur umso lauter. Anscheinend wussten sie nicht, welchen der Männer sie nun huldigen sollten. Demjenigen mit den offensichtlichen Insignien des Amtes, oder Treize, der selbst in einer einfachen Lederrüstung die Autorität eines Herrschers zeigte. Jeder wusste, dass der Kaiser Treize von Vorzug gegeben hatte, wenn auch Treize die Adoption abgelehnt hatte. Marcus war hingegen der leibliche Sohn des Kaisers und würde die Dynastie in direkter Linie fortsetzen können. Für die Traditionalisten unter den Senatoren war er der Nachfolger. Marcus setzte zu einer zuvor einstudierten Rede an, die ganz eindeutig die Handschrift von Dermail trug. Treize konnte nicht umhin seinen Onkel zu bewundern. Dieser verschlagene Hund hatte also letzten Endes doch sein Ziel erreicht. Die Türen am anderen Ende des Thronsaals wurden mit einem lauten Knall aufgeworfen, selbst die Prätorianer wichen erschrocken zurück und Marcus verstummte mit einem wenig mannhaften Quieken. Treizes Herz setzte einen Schlag aus als er dort Zechs stehen sah. Zechs zusammen mit Duo, Trowa, Quatre und Wufei. ‚Meine stolzen Krieger.‘ Jeder angetan mit seiner prächtigsten Rüstung und ihren Waffen. Es war zweifelsohne ein beeindruckender Anblick und Zechs passte Treizes Panzer ausnehmend gut. Doch es war nicht der Panzer mit den Löwenköpfen wie Treize feststelle, als ob dieses Details jetzt noch eine Rolle spielte. Er war gerührt über ihre Loyalität, er war nicht alleine. Auch wenn er hier sein eigenes Todesurteil sprach, er war nicht alleine. Das gab ihm Trost. Zechs sah ihn über den Kopf der Senatoren hinweg an und in diesem Blick lag so vieles. Man mochte ihn für verrückt erklären, für übertrieben sentimental oder hoffnungslos verliebt, aber dieser Blick gab Treize Kraft. Die Kraft, die er benötigte offen zu widersprechen als Marcus sich vor den Senatoren als nächsten Ceasar bezeichnete. „Ich bin der legitime und gewünschte Nachfolger des Kaisers. Und vor den Augen dieser versammelten Zeugen klage ich dich“, Treize deutete auf Marcus, „als Mörder an deinem eigenen Vater an!“ Treizes Stimme war geschult in großen Räumen zu sprechen und er wusste wie er sie für einen besonders dramatischen Effekt einzusetzen hatte. Sie verfehlte auch jetzt nicht ihre Wirkung. Doch Marcus beachtete seinen Widerspruch nicht einmal: „Ich gestehe sogar, dass du es bist. Ja, ihr Senatoren es stimmt. Treize Khushrenada ist der legitime Nachfolger.“ An dieser Stelle zuckte Dermail nervös zusammen, anscheinend war dies so nicht geplant gewesen. „Jedoch“, sprach Marcus weiter und winkte einen der Prätorianer zu sich, „wirst du von diesem Anspruch zurücktreten.“ „Warum sollte ich...?“ Doch jedes weitere Wort blieb ihm im Halse stecken als Heero aus den Schatten hervortrat und eine sich heftig wehrende Mariemaia hinter sich herzerrte. „Marie!“, entfuhr es Treize leise. „Heero!“, brüllte es durch den Saal. Es war Duo, der nahe daran war die Senatoren vor ihm um- und die Stufen emporzurennen, an deren Ende nun Heero und das Mädchen standen. Quatre und Trowa hielten ihn zurück und selbst Treize konnte die Tränen auf dem Gesicht seines Leibsklaven erkennen. Zechs‘ Gesichtsausdruck zeugte von unbändiger Wut und einem nach innen gerichteten Zorn. Er verfluchte sich wohl, dass er nicht an das Mädchen gedacht hatte. Doch was hätte Zechs tun sollen, wenn die Prätorianer direkt in Treizes Stadtvilla marschiert waren und sie dort gefangengenommen hatten. Wie gerne hätte er Zechs dies gesagt. ‚Nein, es ist nicht deine Schuld.‘ Marcus grinste: „Wie rührend“ Er zog ein Pergament aus seiner Toga. „Dies hier ist das eigenhändig verfasste und von einem Magistraten bezeugte Zeugnis von Leia Barton, die Tochter des kürzlich verstorbenen großen Senators Barton. Mariemaia ist die leibliche Tochter von Konsul Treize Khushrenada.“ Ein Raunen ging durch die Senatoren und Mariemaia warf Marcus einen zornigen Blick zu. Sie weinte nicht, sie wurde nicht hysterisch. Nein, stattdessen spuckte sie dem zukünftigen Kaiser direkt vor die Füße. „Schämt euch!“, zischte sie. „Ihr seid nicht einmal halb der Mann, der mein Vater ist!“ Marcus fiel es sichtlich schwer diese Worte zu überhören und nicht darauf zu reagieren. Er wandte sich an Treize: „Also, Konsul? Wie wichtig ist euch das Wohlergehen eurer Tochter?“ „Nein!“, das war Zechs‘ Stimme und man hörte die Angst, die darin mitschwang. Es war Balsam für Marcus‘ Seele. Man sah es regelrecht, wie er diese Minuten genoss. „Vater!“, schrie Mariemaia. Heero hatte wahrhaftig alle Hände voll zu tun sich gegen die zappelnde und um sich tretende Mariemaia zu wehren. Quatre war ihr ein guter Lehrmeister gewesen. Treize schüttelte langsam den Kopf. „Ich verzichte.“ „Führt ihn ab.“ Kapitel 18: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XVIII Wie hatten sie dies zulassen können? Wie hatten die Götter solch eine Ungerechtigkeit überhaupt zulassen können? Zechs wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Die Tränen drohten ihm die Sicht zu nehmen. Duo, der neben ihm durch den kaiserlichen Park sprintete, schien es ähnlich zu ergehen. Mariemaia war von Heero in die Gemächer der Frauen gebracht worden und die Prätorianer hatten sie gehen lassen nachdem man Treize abgeführt hatte. Natürlich hatte sich Treize fügen müssen. Er hätte nie das Leben seiner Tochter aufs Spiel gesetzt und das hatte auch Marcus gewusst. Treize hatte es immer schon geahnt, Mariemaia war seine Schwachstelle. Deshalb hatte er die Vaterschaft auch immer noch geheim gehalten. Es hatte nichts genutzt, Marcus hatte schon längst davon gewusst. Verdammter Bastard! Er musste es wohl laut gesagt haben, denn Duo murmelte seine Zustimmung. Sie kamen an die Mauer, die die Gärten von den übrigen Villen abgrenzte. Zechs hielt Duo seine zusammengefalteten Hände hin und stemmte ihn auf die Mauer. Danach sprang er selbst nach oben und ließ sich von Duo helfen die Steinmauer zu überwinden. Wufei und die anderen hatten sich von ihnen getrennt. Es war ihnen sicherer erschienen und die Wahrscheinlichkeit unliebsame Verfolger abzuschütteln war größer. Zu Treizes Villa in der Stadt konnten sie nicht mehr zurückkehren. Dort würden sie wohl der nächsten Abordnung von Prätorianern in die Hände laufen. Stattdessen hatten sie sich darauf verständigt sich in der Werkstatt von Howard zu sammeln. Quatre, taktisches Genie, das er nun einmal war, hatte so etwas bereits vorhergesehen und diesen Plan vorgeschlagen. Sally würde dort bereits auf sie warten. Es war nun mitten in der Nacht und wie die Schatten huschten sie durch die Gassen und Straßen Roms. Es waren nur wenige Leute unterwegs. Zechs hoffte, dass bald der Tod des Kaisers bekanntgegeben wurde. Dies würde für Unruhe sorgen, vielleicht würde es sogar zu Aufständen führen. In ihrer gegenwärtigen Lage hoffte Zechs, dass es genau so kommen würde. Es würde die Sache für sie vereinfachen, denn nun stand es außer Frage, sie alle mussten Rom verlassen. Zechs stand dabei mit Sicherheit ziemlich weit oben auf Marcus‘ Liste von unerwünschten Personen. Immerhin war er Treizes Liebhaber gewesen. Quatres Loyalität war auch allgemein bekannt. Trowa und Duo waren treu ergebene Sklaven, sie töten zu lassen war für Marcus ein Kinderspiel. Niemand der Adligen würde sich um den Tod von Sklaven kümmern. Sie mussten fliehen, wenn auch Zechs noch nicht wusste wohin. Aber einer Sache war er sich gewiss, er würde Rom nicht den Rücken kehren, wenn Treize nicht bei ihm war. Er musste Treize ausfindig machen und befreien. Leider hatte er keinerlei Ahnung, wie er es anstellen sollte. Gerade als er um die nächste Ecke biegen wollte, kam er doch ins Straucheln und musste sich zusammenkrümmen. Eine unsäglich Welle des Schmerzes kam über ihn und er wusste sofort, was die Ursache dieses Schmerzes war. „Treize“, flüsterte er. Irgendetwas war mit Treize geschehen. Sie würden ihn doch nicht foltern, oder? Immerhin war er der Konsul. Allerdings befand sich Treize nun in der Hand der Prätorianer und die waren nur einem ergeben: Dem Kaiser. Wenn sie doch wenigstens einen Teil von Treizes Legion hier in Rom hätten! Womöglich konnten sie dann etwas ausrichten. Aber so... „Zechs?“ Duo, der zunächst ein paar Schritte weiter geeilt war, kam zurück und stützte ihn. „Wir haben es gleich geschafft. Halte durch.“ Auf das vereinbarte Klopfzeichen an Howards Tür öffnete sofort Sally. Zum Glück bedrängte sie die beiden nicht gleich mit Fragen, sondern warf einen Blick auf die Straße und verrammelte dann mit einem Sklaven die Tür. „Wufei?“, keuchte Zechs. Er war außer Atem. „Er ist noch nicht da.“ „Quatre und Trowa?“ „Auch nicht.“ Duo und er fluchten und Sally konnte sich wohl schon denken, dass irgendetwas gründlich schiefgegangen sein musste. Zechs überließ es Duo die Heilerin und Howard über die Geschehnisse zu unterrichten, währenddessen versuchte er – mit mäßigem Erfolg – nicht daran zu denken, was Marcus nun in diesen Stunden mit Treize anstellen würde. Wenn jemand wusste, zu was Marcus fähig war, dann Zechs. Immerhin hatte ihn dieser Bastard mit vollster Absicht und schwärzesten Hintergedanken an ein Bordell verkauft. Treize hatte Angst. Es war beschämend und er würde es nie zugeben, doch Treize hatte Angst seit dem Moment in dem Marcus durch die Tür seiner Zelle gekommen war. Bis jetzt waren immer noch irgendwelche Prätorianer bei ihm gewesen und vor den Augen von Zeugen konnte sich Marcus es nicht erlauben gegen Treize Hand anzulegen. Doch jetzt war er alleine gekommen und Treize sah in den Augen des anderen Mannes, dass dieser zu allem würde fähig sein. Oh, er würde Treize nicht etwa töten. Das nicht, aber er würde ihm die nächsten Stunden zur Qual werden lassen, dessen war er sich sicher. Treize drückte den Rücken durch und richtete sich auf. Er saß auf seiner primitiven Pritsche, er würde Marcus keinesfalls dieses Zeichen von Respekt zollen und aufstehen. „Treize“, Marcus lachte und verschränkte die Arme vor der Brust. Erst jetzt sah Treize, was der Adlige bis jetzt hinter seinem Rücken verborgen hatte: Einen Korb, in dem sich eine Handvoll Nägel und ein Hammer befanden. „Man sagt, du wärst immer so vernünftig und klug...“ „Ach, sagt man das?“ Treize musterte die Nägel mit einer gewissen Beunruhigung. Genau solche Nägel benutzt man um Schwerverbrecher zu kreuzigen. „Ja und du würdest nichts tun, um deine kleine Tochter in Gefahr zu bringen, oder?“ Damit hatte Marcus ihn doch schon erpresst! Treize blickte ihn an und er hoffte, dass sein Blick nichts von dem plötzlichen Zorn und der Wut zeigte, die in ihm bei diesen Worten aufgelodert war. „Du wirst ihr nichts antun“, stellte er mit ruhiger Stimme fest. Jetzt stand er doch auf, Treize ertrug es nicht länger zu Marcus emporzusehen. Er war etwas größer als der andere Römer und genoss es diesen Vorteil auszuspielen. „Warum denn nicht, sie ist in meiner Hand, genau wie du. Niemand wird ihr helfen, auch nicht deine kleine Bande von Getreuen. Sobald du beseitigt bist, wird sich niemand mehr um Mariemaia kümmern.“ Dann wollte ihn Marcus in der Tat zu den Göttern schicken. Merkwürdig, dass es Treize nicht mehr schockierte oder überraschte. Seine Sorge um Mariemaia übertünchte die Ängste um seine eigene Person: „Du wirst ihr nichts tun, weil sie deinen Machtanspruch legitimiert. Du willst sie doch heiraten, so bald es an der Zeit ist.“ „Mhm...“ Marcus nickte und stellte den Korb auf der Pritsche ab. „Das stimmt wohl.“ Dann nahm er den Hammer heraus und schlug mit dem Stiel Treize eins über. Es war als ob Treizes Kopf bersten würde, natürlich konnte er sich nicht mehr auf den Beinen halten und stürzte zu Boden. Mit Schrecken wurde ihm bewusst wie leicht dieser Schlag hätte tödlich enden können, nur wenige Zentimeter weiter unten und Marcus hätte seinen Schädel an der Schläfe schlichtweg zertrümmert. Das machte Marcus so gefährlich, rief er sich ins Gedächtnis, er war unerfahren in diesen Dingen, wusste nicht wie man einen Mann foltern konnte und diesen möglichst lange am Leben erhielt. Wobei Treize auch nicht sagen konnte, ob dies wirklich so von Vorteil für ihn war. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, spürte er Marcus‘ Fuß in seinem Nacken, der ihn unerbittlich gen Boden drückte. „Das wollte ich schon lange einmal tun.“ „Mich wie einen Hund behandeln?“, zischte Treize, wobei er es hätte besser wissen müssen. Man gab keine spöttischen Kommentare von sich, wenn man sich dermaßen im Nachteil befand. Marcus trat ihm in die Seite und Treize krümmte sich vor Schmerz, dann drehte ihn Marcus so, dass er auf dem Rücken lag und hilflos zu dem anderen Mann hinaufsehen musste. Treize hörte das metallene Klirren der Nägel als sich Marcus an dem Korb bediente. Dann setzte er sich direkt auf Treizes Brust und kratzte mit dem Nagel an der Haut unter Treizes Auge. „Du hast immer auf mich herabgesehen, oder? Die ganze Zeit. Du warst immer der Liebling meines Vaters. Ich musste immer zu dir aufsehen, immer musste ich deinem Beispiel nachfolgen. Aber es war egal, ich war immer nur der Zweiter hinter drin. Bei Jupiter! Mein eigener Vater hat dich mir vorgezogen!“ Marcus beugte sich so nahe über ihn, dass Treize riechen konnte, dass er wohl Zwiebeln zum Abendessen gehabt hatte. „Aber jetzt nicht mehr. Jetzt bin ich der nächste Kaiser. Und was dieses Biest von Mariemaia angeht. Ich kann deine hübsche Tochter nicht töten. Diese ganzen alten Senatoren würden es mir übel nehmen, aber ich werde sie einmal zur Frau nehmen und dann wird sie unter mir stöhnen und kreischen.“ „Sofern du einen hochkriegst!“, höhnte Treize. Es war ihm egal, ob dies wiederum vernünftig war oder nicht. Was hatte er denn sonst noch für eine Wahl? Marcus spuckte ihm ins Gesicht und Treize grinste nur wieder, schwieg jedoch dieses Mal. „In Dalmatia habt ihr mich alle für einen verweichlichten Burschen gehalten, weil ich diesen Verräter nicht richtig töten konnte. Alle habt ihr hinter meinem Rücken über mich gelacht.“ Treize konnte sich noch gut an dieses Begebenheit erinnern. „Jetzt werde ich dir zeigen, dass ich sehr wohl weiß, wie man mit einem Schwerverbrecher umzugehen hat.“ Er den Nagel und setzte ihn auf Treizes Handfläche an. Der Boden unter ihnen war aus Holzbalken gefertigt, wie Treize nun nicht umhin konnte zu bemerkten. Marcus würde ihn direkt an den Boden nageln. Bevor sich sein Hirn überhaupt mit dieser Erkenntnis auseinandersetzen konnte und er vor Angst und Furcht zurückzucken konnte, hatte Marcus den Nagel bereits durch seine Hand getrieben. Natürlich schrie er, jeder würde bei so etwas schreien und Marcus genoss es sichtlich. Er wartete ab bis Treizes wieder einigermaßen bei sich war und den ersten Schmerz erarbeitet hatte. Treize wandte den Kopf zur Seite. Die Finger seiner rechten Hand waren wie versteift und zusammengekrümmt. Mitten aus der Handfläche ragte der Nagel. „Du hast rein gar nichts gelernt“, meinte Treize. Die Stimme brüchig, er musste sich konzentrieren sich nicht zu übergeben und er schluckte mehrmals. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Aber sich jetzt zu erbrechen, auf dem Rücken liegend, das könnte leicht sein Tod sein. Er wäre nicht der erste Gefangene, der an seinem eigenen Erbrochenem erstickt wäre. „Man schlägt den Nagel am Handrücken ein.“ Marcus blickte etwas irritiert auf sein Werk. Wie ein Schuljunge, der von seinem Lehrer gerügt wurde, weil er einen Rechenfehler begannen hatte. „Weißt du warum?“ Treize richtete sich auf, so gut es ging. Dann biss er die Zähne zusammen und zog seinen rechten Arm nach oben. Er spürte es wie der Nagel durch sein Fleisch glitt. „Man kann sich zu leicht davon befreien.“ Nun sah Marcus als ob er sich gleich erleichtern musste. Ein weiterer kräftiger Ruck und mit einem weiteren Schmerzensschrei war Treizes Hand wieder frei. Doch was hatte er dabei gewonnen? Marcus schlug ihm wieder ins Gesicht, dieses Mal traf er Treizes Nase und drückte ihn zu Boden. Treizes schluckte und schmeckte das Blut, das ihm nun den Rachen hinablief. Er musste den Mund öffnen um zu atmen. Seine Nase schwoll bereits zu und er hatte Mühe sich nicht an seinem eigenen Blut zu verschlucken. Dieser Bastard hatte ihm auch die Nase gebrochen. Auch wenn es vermessen klang, aber dies nagte an Treizes Eitelkeit. Als ob er in diesem Augenblick nicht wichtigere Sorgen als die Symmetrie seiner Gesichtszüge hatte. „Dann wollen wir es dieses Mal richtig machen.“ Marcus zog ihn zum Bett, hob seinen Arm und drückte ihn an den Holzbalken, der den Bettrahmen bildete. Es war wieder die rechte Hand. Treize spürte noch die Spitze des Nagels an seinem Handrücken. Dann nur noch Schmerz und Schwärze. Zechs musste sich an Howards Werkbank abstützten und ohne sein Zutun ballte sich seine rechte Hand zu einer Faust. „Ich muss Treize da rausholen!“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Sie durften nicht länger abwarten, jede verstrichene Stunde konnte Treizes Tod bedeuten. Da war sich Zechs sicher. „Das willst nicht nur du“, bekräftigte Quatre. Inzwischen waren sie alle bei Howard versammelte und hielten Kriegsrat. „Aber wir wissen weder, wo er gefangengehalten wird noch sind wir genügend Leute, um gegen die Prätorianer zu bestehen.“ Zechs wollte diese Argumente gar nicht wahrhaben. Die anderen wussten nicht, wie schlecht es um Treize stand. „Und Heero? War ist mit ihm?“ Selbstverständlich kam diese Frage von niemand anderem als Duo. Für den Leibsklaven war es der größte Schock gewesen den Offizier an der Spitze der kaiserlichen Wachen, Marcus‘ Wachen, zu sehen. Auch wenn Heeros Verhalten seit dem Feldzug in Dalamatia fast schon so etwas angedeutet hatte. „Was stellst du dir vor? Willst du ihn etwa entführen?“ „Wenn es sein muss!“, gab sich Duo so trotzig wie sich auch Zechs in Anbetracht der Situation fühlte. Aber Duo musste einsehen, dass Heero seinen Weg, zwar den falschen Weg, gewählt hatte. Momentan vermochten sie an dieser Front nichts auszurichten. Jemand klopfte an der Werkstatttür und nicht nur Zechs zuckte zusammen und griff nach seinen Waffen. Waren es etwa die Prätorianer? Waren sie ihnen doch gefolgt? Schnell nahmen sie Aufstellung, so dass sie einander die beste Deckung boten. Sally wich in die hinteren Bereiche der Werkstatt zurück. An Zechs‘ Seite stand Wufei, sein Katana hoch über den Kopf erhoben, bereit es auf die Feinde niedersausen zu lassen. Doch alle Aufregung war glücklicherweise umsonst, denn es war niemand anderes als Une, die jetzt von Howard herein begleitet wurde. „Une! Bei der süßen Isis! Es ist viel zu gefährlich, dass du dich noch auf den Straßen herumtreibst!“ Nichtsdestotrotz schloss Sally die Geliebte fest in die Arme. „Es ist wichtig und jede Gefahr wert. Außerdem habe ich meine Pferdeknechte mitgenommen.“ Kurz küsste sie Sally. Zechs hatte den Eindruck, dass es sich um einen Abschiedskuss handelte. „Hört mir jetzt gut zu. Wir haben nicht viel Zeit“, begann Une und ihr kommandierender Tonfall hätte Treize zur Ehre gereicht. „Die meisten der Legionen stehen noch immer hinter Treize, nicht nur die einfachen Soldaten, auch die Offiziere. Ich habe Boten ausgesandt, die von den Geschehnissen des heutigen Abends und dem Tod des Kaisers berichten. Zu diesem Augenblick wird der Tod in den Tavernen bekanntgemacht. Bald bricht in der Stadt das Chaos aus und diesen Tumult müssen wir nutzen. Aber die Offiziere und die Adligen, die hinter Treize stehen, werden jetzt keinen offenen Widerstand gegen Marcus leisten.“ „Was? Aber...“ „Hör zu, Zechs“, unterbrach ihn Une. „Wir würden auf verlorenem Posten kämpfen, es gebe zu viele unschuldige Opfer, wenn es hier in Rom zum offenen Kampf, zu einem Bürgerkrieg käme. Und so etwas wäre das Letzte, das Treize wünschen würde. Aber wir wissen, so sie Treize hingebracht haben und wir haben zumindest ausreichend viele Männer, die mit euch gehen und ihn dort rausholen. Danach müsst ihr alle fliehen. Ich weiß nicht wohin und besser ihr sagt es mir erst gar nicht. Wenn ich nichts weiß, kann ich nichts gestehen. Marcus wird wissen, dass ich Treize immer treu ergeben sein werde. Ich habe bereits ein paar Leute zur Villa in den Albaner Bergen geschickt. Ihr braucht gute Pferde. Sie werden euch morgen bei Sonnenaufgang bei dem alten Amphitheater erwarten. Quatre weiß, wo das ist. Sie werden ebenso Proviant und etwas Geld, Edelsteine und gefälschte Papiere dabei haben. Alles, was euch irgendwie nützlich sein könnte. Und nun verschwindet. Beeilt euch.“ Später wandte sich Une noch einmal an Zechs, ohne dass es die anderen hörten. „Sag ihm, dass er in Rom immer Freunde hat. Er soll zurückkehren und den Thron ergreifen, wenn es an der Zeit ist. Und er soll sich keine Sorgen um Marie machen. Ich kümmere mich um sie, ich werde nicht vor Marcus fliehen.“ Zechs nickte stumm. Er ahnte in Ansätzen, dass es für Une eine schwere Zeit werden würde. Eine Flucht wäre für die Adlige der weitaus einfachere Weg. Er würde Treize jedes Wort ausrichten. „Pass auf ihn auf.“ Dann umarmte sie ihn. Zechs war überrascht. Es war das erste Mal, dass Une ihm gegenüber so freundschaftlich reagierte. Howard stattete sie indes noch mit ein paar Wurfmessern und Schwertern aus, man konnte nie genügend davon haben. Auch er versprach Augen und Ohren offenzuhalten und mit Une in Kontakt zu bleiben. Gleichgültig wohin es Treize und seine Getreuen auch verschlagen mochte, über kurz oder lang würden sie Nachrichten über Spione und Boten austauschen können. Ein junger Offizier, der kurz nach Une eingetroffen war, führte sie dann zu einem unscheinbaren Palast am Rande der nobleren Stadtviertel. Zechs wusste nicht, wem dieses Gebäude gehörte und selbst wenn er es gewusst hätte, dann hätte ihm der Name wohl wenig gesagt. Dort im Atrium hatten sich wohl an die fünfzig Soldaten versammelt. Alle ohne Insignien und Rangabzeichen, sondern in den einfachsten Lederrüstungen. Manche hatten sogar Stofffetzen vor den Mund gebunden, falls sie von Marcus‘ Prätorianern gesehen wurden, sollten diese sie nicht erkennen. Zechs vermutete, dass sich einige hochrangige Offiziere darunter befanden und diese dann um ihr Leben fürchten mussten. Was würde eigentlich mit Treizes eigener Legion geschehen?, fragte sich Zechs bei diesem Anblick. Höchstwahrscheinlich würde die Legion aufgelöst werden. „Für die einfachen Soldaten wird es zu verschmerzen sein“, meinte Quatre als ihn Zechs danach fragte. „Treizes Legionäre gehören zu den besten und sind gut ausgebildet. Jede anderen Legion wird sie gerne aufnehmen. Aber die Offiziere werden wohl ins Exil gehen müssen oder Marcus macht ihnen das Leben hier in Rom zur Hölle.“ „Wird Une etwas passieren?“ „Une hat einen großen Namen, sie hat Macht und sie hat Geld. Marcus wird sich hüten sie anzutasten.“ „Ich hoffe es zumindest“, fügte Quatre nach kurzer Stille hinzu. Dann musste sie ihre Gespräch auch wieder einstellen. Sie folgten einem Legionär, der sie über ein Gewirr von Hinterhöfen und ausgetretenen Pfaden immer näher an den Palast führte. Treize wurde wohl im Kellergewölbe unter dem Palast gefangengehalten. Ein Glück für sie, denn solch eine Ansammlung von Gängen, Türen, Vorratsräumen und Sklavenquartieren ließ sich nur schwerlich komplett überwachen. Mit Fortunas Hilfe würden sie einfach an den Wachen vorbeischlüpfen können, wenn Marcus überhaupt daran gedacht hatte welche aufzustellen. Da jetzt Heero das Kommando über die Prätorianer innehielt, sollten sie sich besser keine Hoffnung machen, dass es leicht für sie werden würde. Die anderen drei Gruppen würde die Ausgänge sichern und nach der erfolgreichen Flucht für Ablenkung und Verwirrung sorgen. Zechs und die anderen, auch Sally war bei ihnen, würden in den Keller eindringen, Treize suchen und so schnell als möglich verschwinden. Zechs hoffte, dass er, sobald sie sich erst einmal im Inneren befanden, spüren würde, welcher Weg der richtige war. Damals in Ägypten hatte es immerhin auch schon einmal funktioniert. Keinen Moment zu spät waren sie zu Treizes Rettung im Tal der Könige aufgetaucht. Doch eines bereitete Zechs große Sorgen. Wie ein Widerhall in einer großen Höhle hatte er in seinem Innersten die Schmerzen gespürt, die Treize quälten. Mit einem Mal waren sie jedoch verstummt. Was mochte das bedeuten? Es konnte sein, dass Treize einfach ohnmächtig geworden war, aber vielleicht war er auch gestorben. Auch wenn sich Zechs einredete, dass er dieses schreckliche Ereignisse sicherlich gespürt hätte. Nein, diese Gedanken musste er sofort unterbinden. Die gesamte Befreiungsaktion, der irrwitzige Plan, den sie ausgesponnen hatten, fußte auf der Tatsache, dass Zechs Treize in diesem Gewölbe würde ausfindig machen können. Er durfte nicht an sich zweifeln und er musste alle Gefühle beiseite lassen. Er schuldete es den treuen Legionären, die hier ihr Leben aufs Spiel setzten. Und nicht zuletzt schuldete er es auch Mariemaia. Die Götter waren ihnen gewogen und sie mussten lediglich die Wache niederschlagen, die direkt vor Treizes Zelle gestanden hatte. Wufei hatte sich an den Prätorianer herangeschlichen und ihn mit einem Schlag in den Nacken außer Gefecht gesetzt. Zechs kümmerte sich nicht darum, ob der Mann noch lebte oder nicht. Mit zitternden Händen suchte er den Mann nach dem Schlüssel zu der Zelle ab. Hinter der anderen Seite der Tür herrschte Stille und diese Tatsache ließ Zechs regelrecht das Blut gefrieren. Treize musste doch hören, dass etwas vor seiner Tür geschah, warum gab er kein Zeichen? Quatre kniete neben ihm und drängte ihn zur Seite. Er traute wohl Zechs‘ Händen nicht, doch auch Quatre fand keinen Schlüssel. „Was jetzt?“, flüsterte Sally und kaute auf ihrer Unterlippe. Sie zog die selben Schlüsse wie Zechs und fürchtete ihre Kräfte als Heilerin würden dringendst benötigt werden. Duo schob sich zwischen sie und kniete vor dem Türschloss nieder. Er zog einen dünnen Metallstift aus seinem Stiefel hervor und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Bevor Zechs auch nur ein kurzes Gebet zu den Göttern senden konnte, hatte Duo das Schloss geknackt und stieß die Tür auf. Zechs sprang fast über den noch knienden Sklaven hinüber und stürzte in die Zelle. „Treize?“, raunte er und musste sich in den Halbdunkel erst einmal orientieren. Schließlich brachte irgendjemand eine Fackel in den Raum. „Oh nein.“ Zechs wusste nicht, wer es gesagt hatte. Vielleicht sogar er selbst. Da lag Treize, zusammengekauert wie ein verletztes Tier, auf der Seite. Er hatte den Rücken zu der Tür gewandt und regte sich nicht. Unter seinem Körper hatte sich eine Blutlache ausgebreitet, die seine Tunica am Rücken rot gefärbt hatte. Oder war er etwa erstochen worden? „Licht, ich brauche Licht!“, befahl Sally und sie beugte sich zu Treize hinab. Zechs nahm all seinen Mut zusammen und tat es ihr gleich. Trat um den Körper herum und wandte schnell den Blick wieder ab. Er schmeckte bittere Galle in seinem Mut und nur mit Mühe beherrschte er seinen Magen. Treizes Gesicht war übel zugerichtet und voller Blut. Es sah so aus als ob die Nase gebrochen wäre und eine Wunde über dem Auge hatte die Haut aufplatzen lassen. Sicherlich waren es keine lebensbedrohlichen Wunden, aber sie waren drastisch. Am schlimmsten war die rechte Hand in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie war direkt an den Boden genagelt worden. „Er lebt, er atmete noch“, meinte Sally mit bebender Stimme. „Schaffen wir ihn raus. Ich werde mich draußen um ihn kümmern.“ „Kann ich den Nagel herausziehen?“, fragte Trowa während Quatre bereits eine Decke ausbreitete. „Er sollte in der Hand bleiben.“ Zechs starrte Sally nur sprachlos an, aber sie gehorchten und versuchten den Nagel zu lockern ohne ihn aus der Wunde zu entfernen. Die Bewegungen und die damit verbundenen Schmerzen ließen Treize aus seiner Ohnmacht erwachen. Er konnte nur ein Auge öffnen, das andere war zugeschwollen. Die blaue Pupille zuckte hektisch Hin und Her. Bis sich Zechs vorbeugte und Treizes Lippen vorsichtig mit den Fingern berührte. Er konnte sich später nicht mehr erinnern, was er in diesem Moment zu Treize sagte doch es half und Treize sah ihn an, erkannte ihn. „Oh“, er lächelte, musste husten und spuckte etwas Blut. Aber er schien keinerlei Verletzungen am Mund zu haben, denn seine Stimme klang ganz normal. Ein erschreckender Kontrast zu seinem zugerichteten Gesicht. „Danke.“ Zechs‘ Blickfeld verschwamm vor seinen Augen und endlich war der Nagel so weit gelöst, dass sie Treizes hochheben und in die Decke wickeln konnten. Zechs selbst trug den Ohnmächtigen aus der Zelle. Sie verschlossen die Tür wieder, die anderen hatten die Wache weggeschafft und gemeinsam huschten sie wieder durch die Korridore. Zechs und Sally hielten sich ganz hinten auf als ihr Trupp plötzlich zum Stehen kam. „Scheiße“, meinte einer der Legionäre. Zechs hob den Kopf und konnte niemand anderen als Heero am Ende des Flures stehen sehen. „Heero!“, Duo trat nach vorne. „Komm mit uns. Noch kannst du mit uns kommen.“ Trowa hielt den jungen Sklaven am Arm zurück und zerrte ihn in den Korridor zu ihrer Rechten. „Heero!“, versuchte es Duo noch einmal und befreite sich aus Trowas Griff. Verdammt, sie waren fast am Ausgang und dort hatten sie zwei Pferde, so dass sie mit Treize schnell aus der Stadt reiten und verschwinden konnten. Aber dazu mussten sie erst einmal nach draußen gelangen. „Mach dich bereit zu rennen“, raunte er Sally an seiner Seite zu. Sie würden Treize erst einmal in die Außenbezirke bringen und dort seine Wunden behandeln. Die anderen konnten später zu ihnen stoßen. Zumindest stand Heero einfach nur abwartend da und er war alleine. Vielleicht hatte er Treize einen Besuch in der Zelle abstatten wollen oder er war auf einem Routinegang gewesen. Auf jeden Fall hatte Heero nicht mit ihnen gerechnet. Heeros Mund bewegte sich und leise, ganz leise, wurden die Worte zu ihnen herübergetragen. „Es tut mir leid, Duo.“ „Was?“, machte Duo und schüttelte den Kopf. „Prätorianer!“, brüllte Heero dann aus vollster Kehle und zog sein Schwert. Zechs hielt Treizes Körper dicht an sich gepresst und begann zu rennen. Kapitel 19: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Ich hoffe, ihr hattet alle einen schönen Feiertag! :) Kapitel XIX Schlussendlich war genau das eingetreten, was sie bereits den gesamten Abend befürchtet hatten. Tumulte, Raubzüge durch die Handwerker- und Kaufmannsviertel. Mittlerweile wusste jeder Bürger und Sklave in Rom, dass der Kaiser tot war. Dass Marcus die Nachfolge an sich gerissen hatte, schien hingegen niemanden zu kümmern. Zechs konnte das Treiben aus der relativen Sicherheit einer mittelmäßigen Taverne beobachten. Ein Gutes hatten die Unruhen: Die Prätorianer konnten nicht ungehindert nach ihnen suchen. Besser wäre es natürlich sie hätten Rom gleich ganz verlassen, doch Sally hatte sich gewehrt und darauf gepocht sich Treizes Wunden in der Ruhe und Abgeschiedenheit eines Zimmers ansehen zu können, statt mitten auf der Straße, wo er umringt war von seinen letzten treuen Legionären. Man hatte die Männer fortgeschickt und nur der engste Kern war hier in der Taverne: Quatre und Trowa hielten sich im Schankraum auf, darauf bedacht jeden Verdächtigen im Auge zu behalten und zur Not auch zu beseitigen. Duo und Wufei streiften durch die Nachbarschaft, um etwaige Verfolger ausfindig zu machen. Sally hatte Zechs mit sanfter Gewalt aus dem Zimmer geschoben und ihm gedroht, sie würde ihn mit einem Fluch belegen, der die Bildung von Hämorriden förderte, sollte er nicht gehen. Zechs bezweifelte, dass es so einen Fluch gab, doch er hatte sich gebeugt. Treize hätte es womöglich auch nicht gewollt. Zechs musste nur an daran denken, wie schamvoll es für ihn gewesen war genau zu wissen, dass ihn Treize in diesem verdammten Bordell gefunden hatte. Treize hatte anhand der Wunden genau gewusst, was ihm angetan worden war. Zechs hatte sich so sehr dafür geschämt. Hatte Marcus Treize ähnliche Dinge angetan? Natürlich hatte Zechs die Hand gesehen, die Blutergüssen im Gesicht. Aber hatte Marcus den Konsul auch vergewaltigt? Zechs presste die Zähne aufeinander, dass es bereits weh tat und schloss die Augen. Sollte er Treize so beschmutzt haben, dann würde Marcus durch Zechs‘ eigenes Schwert sterben, das schwor er Hier und Heute bei all seinen Göttern und Ahnen. Zechs blickte zur Tür, die den Flur vom Zimmer abtrennte. Von unten hörte man das Gelächter der Gäste. Der Inhaber der Herberge machte wohl das Geschäft seines Lebens. Einige Gäste trauten sich nicht mehr auf die Straßen und hatten wohl beschlossen die Nacht lieber in der Taverne zu verbringen, was nun wirklich nicht die schlechteste Wahl war. Jemand kam die Treppe hinauf und rein instinktiv griff Zechs nach dem Schwert, das er unter seinem Umhang trug. Doch bald sah er an dem Schatten, den der Neuankömmling an die Wand warf, dass es nur Wufei sein konnte. „Noch immer nichts?“, erkundigte sich Wufei und blickte zur Tür. Als ob er mit reiner Willensanstrengung das Holz irgendwie verschwinden lassen könnte. Zechs schüttelte nur stumm den Kopf. Nichts. Nicht einmal ein Schmerzenslaut und den würde Treize doch mit Sicherheit von sich geben, sobald Sally den Nagel aus der Hand entfernen würde. Er war auch viel zu aufgewühlt als dass er in sich hineinhören konnte, um nach ihrer Verbindungen zu fühlen. Zechs traute sich selbst nicht. Wufei trat näher an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Es war eine tröstende, brüderliche Geste und sie sagte mehr als es Worte zu tun vermochten. Zechs ließ die Schultern fallen und seufzte. „Was sollen wir tun?“ Er fühlte regelrecht wie die Verantwortung nun auf ihm ruhte. Dabei wusste er nicht einmal warum. Quatre war weitaus ranghöher, immerhin ein Tribun der römischen Armee, Wufei war schon länger Treizes Vertrauter gewesen. Selbst Trowa, ein Pferdeknecht, wusste besser über Rom, das Umland und möglich Fluchtplätze Bescheid als Zechs. Doch Zechs war nun einmal Treizes Geliebter. Jeder aus ihrer Gruppe wusste dies und respektierte dies. Wenn jemand Treizes Willen kannte, dann Zechs. Zumindest dachten dies alle, Zechs war sich da nicht so sicher. „Wenn er reiten kann, wo sollen wir dann hingehen?“, fragte Zechs weiter. „In die Provinzen? Nach Ägypten womöglich?“ Zechs erschien diese letzte Option noch als beste. In Ägypten hatte Treize starke Verbündete. Nicht zuletzt Merenptah, die ganzen Adligen und auch die Priesterschaft. Doch wie sollten sie einen schwer verwundeten Treize über das Meer bringen? Treize verkraftete die Schifffahrt schon unter normalen Umständen kaum. „Wo hat Treize noch Verbündete? In welchen Provinzen wäre er sicher?“ „Ich weiß es nicht. Besser du redest mit Quatre darüber.“ „Ja.“ Am besten wäre natürlich er würde mit Treize darüber reden. Nein, am besten wäre, wenn Treize so weit bei Bewusstsein wäre, dass er befehlen konnte, wohin man ihn bringen sollte. Aber Zechs wagte nicht daran zu denken und befasste sich lieber schon einmal mit dem Schlimmsten. Dann verabschiedete sich Wufei wieder, um Duo auf seinem Posten zu unterstützen. So war Zechs wieder alleine. Wenn er doch auch etwas zu tun hätte. Sally hätte ihn helfen lassen sollen, immerhin wusste er genau so gut wie die Ärztin, wie man Wunden zu behandeln hatte. Er konnte eine Schnittwunde ebenso gut vernähen wie Sally. Zechs war schon nahe daran durch diese verfluchte Holztür zu gehen, die ihn von seinem Geliebten trennte. Doch endlich, endlich kam Sally aus dem Zimmer. Sie wischte sich die Hände an einem Tuch trocken und sah ziemlich erschöpft aus. Bevor Zechs auch nur fragen konnte, schloss sie wieder die Tür und bedeutete ihm sich ein paar Schritte zu entfernen. Vermutlich wollte sie kein Risiko eingehen, dass Treize mithören konnte, was sie nun zu sagen hatte. Und dies war kein gutes Zeichen. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Die Wunden im Gesicht sind nicht schlimm, eine gebrochene Nase und etwas aufgeplatzte Haut. Nichts, was nicht heilt, wenn man ihm nur die Zeit dazu gibt. Die Hand macht mir jedoch Sorgen.“ Sie wagte kaum Zechs in die Augen zu blicken. „Ich weiß nicht, ob er sie behalten kann.“ „Was?“ Wie meinte sie das, er könnte die Hand nicht behalten? Doch im nächsten Augenblick wurde es ihm klar. Der Nagel hatte eine offene Wunde hinterlassen, die selbst nach einer sorgfältigen Reinigung noch mit Dreck und Rückständen vom Metall beschmutzt war. Sehr wahrscheinlich war mit einer Entzündung zu rechnen und keiner von ihnen konnte sagen, was durch eine Entzündung alles in Mitleidenschaft gezogen werden konnte. Schlimmstenfalls würde die Hand amputiert werden müssen. Sally nickte, als ob sie seine Gedankengänge gehört hätte. „Zudem ist der Ringfinger mehrmals gebrochen, ich habe ihn gerichtet, aber ich glaube nicht, dass er ihn je wieder normal gebrauchen kann.“ Das hieß, selbst wenn Treize Glück hatte, würde er für sein Leben gezeichnet sein. Noch dazu war es seine rechte Hand. Wie sollte Treize dann je wieder etwas schreiben? Oder Bogenschießen? Oder mit Schild und Schwert kämpfen, sollte er die Hand verlieren? Ganz zu schweigen vom Reiten. „Wir müssen abwarten wie es sich entwickelt. Aber sollte es zu einer Entzündung kommen und noch dazu ein Fieber...“ Sie musste nicht weiterreden. Ein Fieber war lebensbedrohlich, immerhin hatte Zechs das bereits am eigenen Leib erfahren müssen. „Es ist bereits einige Stunden her und ich glaube, dass er bereits fiebert. Sein Körper kommt mir zu warm vor.“ Das war nicht gut, das war gar nicht gut. „Weiß er es, das mit seiner Hand?“ „Ich habe es ihm nicht gesagt, aber Treize war schon Zeuge von zu vielen Verletzungen auf den Schlachtfeldern.“ Und das hieß, dass der Konsul wahrscheinlich ziemlich genau wusste, was mit ihm geschehen könnte. „Hast du gesehen, ob er weitere Verletzungen davongetragen hat?“ Zechs wagte es nicht, direkt auszusprechen, welche Verletzungen im Speziellen er meinte. „Nein, nichts. Wir kamen wohl gerade noch rechtzeitig bevor Marcus noch Schlimmeres mit ihm anstellen konnte.“ Zechs atmete befreit aus und dankte in einem kurzen Gebet den Göttern. „Kann ich zu ihm?“ „Ja, er hat bereits nach dir gefragt.“ Treize hatte sich aufgesetzt, die Beine über die Bettkante geschwungen und schien sich zu überlegen, ob er aufstehen sollte oder nicht als Zechs durch die Tür kam. Zechs schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Kaum ist Sally nicht mehr hier und du machst Dummheiten!“, fuhr er den Konsul an. Er drückte Treize an den Schultern auf das Bett zurück. Doch es beruhigte ihn ungemein zu sehen, dass Treize sich nicht an das Reglement hielt. Hieß es doch, dass sein Kampfeswille nicht gebrochen war. „Gibt es bereits Ausschreitungen? Auf den Straßen ist es so laut.“ Treize machte es sich sitzend auf dem Bett bequem und sah zu Zechs empor. Sein Blick war klar und so scharf wie eh und je, auch mit einem Auge, das andere war ja noch zugeschwollen und hatte mittlerweile eine dunkelblaue Färbung, die sich fast bis zum Haaransatz hinzog. Und natürlich, Treize fragte zunächst nach dem römischen Volk, nach der taktischen Lage. Kein Gedanke wurde an sich selbst verschwendet. „Ja, das Volk ist in Unruhe. Quatre und die anderen sind unten im Schankraum. Heero...“ Treize hob die Hand. „Ich weiß, was mit Heero ist“, wies er brüsk ab. „Natürlich.“ Zechs ging ans Fenster und spähte hinaus. Wie schwer wohl Treize dieser Verrat treffen musste. Immerhin war Heero jahrelang in seinem Dienst gestanden. Heero war der Inbegriff von Treue gewesen und jetzt stand er auf der Seite von Treizes größtem Feind. Die Götter verlangten den Sterblichen schon merkwürdige Entscheidungen ab. „Hat dir Sally etwas gegen die Schmerzen gegeben?“ „Ja, Mohnsaft, aber ich habe ihn noch nicht genommen. Nicht so lange wir nicht aus Rom heraus sind.“ Richtig, neben dem Bett stand eine Schale mit der milchigen Flüssigkeit. Dafür war Zechs zum einen dankbar, er konnte auf Treizes Rat und seine Einschätzung der Lage nicht verzichten. Doch was für Schmerzen musste Treize dafür im Gegenzug erleiden. Er wollte bereits protestieren, doch Treize unterbrach ihn. „Sie hat mir etwas Schwächeres gegeben. Ich kann noch klar denken.“ Offen studierte Zechs seinen Gegenüber. Die leicht geröteten Wangen und der Schweißfilm auf der Stirn. War es bedingt durch die Schmerzen, oder war es wirklich schon das Fieber, wie Sally angekündigt hatte? „Wir müssen aus Rom verschwinden.“ „Das versteht sich von selbst“, nickte Treize. „Wohin?“ Treize schürzte die Lippen. „Ich dachte an Ägypten“, bot Zechs an. „Nein, damit rechnet Heero und er wird Marcus genau dieses Ziel als erstes nennen.“ „Aber was bleibt dann noch? In Ägypten wärst du sicher, die Adligen, die Priester, sie stehen hinter dir.“ „Und genau deshalb, wird Marcus dort zuerst nach mir suchen“, hielt Treize dagegen. „Nein, nicht nach Ägypten.“ „Wohin dann? Was bleibt dir denn noch?“, wiederholte Zechs seine Frage. „Oh, eine Provinz bleibt mir noch und ich werde dort noch sicherer sein als in Ägypten.“ Eine Spur der wohl bekannten Gerissenheit stahl sich in Treizes Stimme. Fast konnte man meinen, er genoss es Zechs im Dunkeln tappen zu lassen. Zechs gab sich zweifelhaft: „Sicherer als Ägypten?“ „Ja, weil ich dort unter deinem Schutz stehen werde.“ Stille. Treizes Mundwinkel hob sich zu einem freudlosen Grinsen als er beobachtete wie die Erkenntnis langsam in Zechs‘ Geist sickerte. „Nein!“, rief er immer und immer wieder. „Nein, bist du denn irre?“ „In Germanien wird mich niemand vermuten.“ „Du... du spinnst!“ „Sieh es realistisch“, mahnte Treize. „Du wirst den Weg über die Alpen nicht schaffen. Der Winter naht; die Überquerung...“ „Ich sage auch nicht, dass es leicht werden wird.“ „Und ich weiß, was für ein Opfer ich da von dir verlange“, sprach Treize nach einer kurzen Stille weiter. Er streckte die Hand nach Zechs aus und als dieser sie ihm gab, beugte sich Treize darüber um sie zu küssen. „Ich stehe nun in deiner Schuld. Ich bitte dich um deinen Schutz.“ Ein letzter Einwand blieb Zechs noch: „Ich bin in Germanien nicht willkommen.“ „Dein Volk sieht das anders. Sie sehnen sich nach dem Friedensfürst.“ Zechs musste sich setzen, das war zu viel. Er erinnerte sich noch genau an jenes Gespräch, das er mit Treize auf dem Nil geführt hatte. Über die Legenden, die sich um Zechs‘ Familie rankte. Vornehmlich um seinen Vater. „Sie wünschen sich, dass der Sohn zurückkehrt und das Werk seines Vater fortführt“, begann Treize die Legenden zu rezitieren, die ihm einige Exilgermanien damals erzählt hatten. „Sei still, ich bitte dich.“ Doch Treize sprach unbeirrt weiter: „Und man sagt, er sei seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Das Haar so hell wie das Licht des Mondes in der Nacht. Die Augen so klar und eisig wie ein Gebirgsbach und er allein könnte den Tallgeese herbeirufen. Willst du diese Legenden nicht erfüllen? Mit neuem Leben erwecken?“ Zechs stand erbost wieder auf. „Hättest du auch so viel Interesse daran dem germanischen Volk zu helfen, wenn nicht dein eigenes Wohlergehen davon abhängen würden?“ Treize zuckte mit der Schulter. „Nenne es eine interessante Wendung Fortunas.“ „Oh ihr Götter, du bist ein verdammtes Schlitzohr Treize.“ „Mhm.“ Mehr erwiderte Treize nicht darauf. „Also gut, Germanien. Ich werde es den anderen sagen“, entschied Zechs. Auch wenn er sich überhaupt nicht wohl dabei fühlte. Natürlich sprachen Treizes Argumente für sich, doch bauten auf der Prämisse, dass sich Zechs dem germanischen Volk zu erkennen gab. Genau dies hatte er in all den Jahren vermieden. Es hatte seinen Grund gehabt, warum er seinen richtigen Namen abgelegt hatte. Die Frage war, ob er für Treize bereit war dieses immense Opfer zu bringen. Davon einmal abgesehen. Es war ein weiter Weg in den Norden, bei dem sie alle ihre Kräfte benötigen müssten. „Ich bin selbst schuld.“ Zechs glaubte sich verhört zu haben und wandte sich vom Fenster ab. Was meinte Treize denn jetzt damit? Der Themenwechsel kam so abrupt. Treize saß noch immer auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt. Der Verband an seiner verletzten Hand hatte sich schon wieder rot verfärbt. Es machte Zechs so langsam aber sicher große Sorgen, dass sich die Blutung nicht stillen ließ. Vielleicht sollte er besser wieder Sally zu ihnen holen. Treize starrte versonnen auf die Bettdecke und so war sich Zechs nicht einmal sicher, ob der Konsul wusste, was er da laut ausgesprochen hatte. „Was meinst du?“ „Dass Marcus mir das angetan hat, daran bin ich selbst schuld“, Treize brachte sogar ein freudloses Lachen zustande. „Marcus und ich...“ „Treize“, unterbrach Zechs. Er wollte es nicht einmal hören, was sich Treize da im beginnenden Fieberwahn zusammenspinnte. „Du bist nicht klar im Kopf, du redest Unsinn.“ „Nein“, dabei war Treizes Stimme so fest und sein Blick so klar, wie er nur sein konnte. So klar und fest, wie er seinen Plan dargelegt hatte nach Germanien zu flüchten. „Nein, ich rede nicht im Fieberwahn. Die Geschichte wiederholt sich. Lucius hat mich damals genau so ausgenutzt, wie ich es mit Marcus getan habe. Ich war Lucius‘ Werkzeug und das hat einen anderen Menschen aus mir gemacht. Ich frage mich, was für ein Mensch aus Marcus hätte werden können, wenn ich ihn wirklich geliebt hätte.“ Zechs taten diese Worte im tiefsten Herzen weh. Da saß Treize in einer mittelklassigen Herberge am Rande Roms, war auf der Flucht vor der kaiserlichen Wache. Zwar schwebte er nicht in Lebensgefahr, aber die Verletzungen seiner Gefangenschaft würden ihn dennoch bis an sein Lebensende zeichnen und er gab sich selbst die Schuld daran? Das war nicht richtig. Nein, ganz und gar nicht. Gut, es war ganz natürlich, dass Treize über die Stunden in Marcus‘ Gefangenschaft nachdachte, das war wohl noch bedingt durch den Schock und doch... Zechs wollte es am liebsten gar nicht hören. Doch er musste sich wohl damit auseinandersetzen. Treize hatte ihm damals in Ägypten diese unglückliche Geschichte um seine Beziehung mit Lucius und dem vereitelten Attentat auf den Kaiser erzählt. Und Zechs sah da keine Parallelen zu Marcus‘ und Treizes Beziehung. Oder vielleicht wollte er sie auch nicht sehen. „Lucius hat dich benutzt, um an den Kaiser heranzukommen, um einen Mord zu begehen. Das hast du doch mit Marcus nicht gemacht, oder?“ „Nein, aber ich habe ihm vorgespielt, ich würde ihn lieben und mir läge etwas an ihm. In Wirklichkeit war ich nur daran interessiert zu erfahren, mit wem er sich herumgetrieben hatte und welchen Umgang er mit den anderen Senatoren pflegt.“ „Der Kaiser selbst hat dich doch vorgeschlagen. Du solltest der nächste Caesar werden. Warum hat er wohl seinen eigenen Sohn nicht zum Nachfolger ernannt? Der eigene Sohn!“, wiederholte Zechs um diese Tatsache zu wiederholen. „Trotzdem...“ „Nein“, Zechs setzte sich auf das Bett und nahm Treizes Gesicht in die Hände. Natürlich tat er dies nur mit äußerster Vorsicht um dem anderen keine zusätzlichen Schmerzen zu bereiten. „Nein, so bist du nicht, Treize. Dich trifft keine Schuld daran, was für ein Mensch Marcus geworden ist. Jeder ist vor den Göttern für sich selbst verantwortlich.“ Treize seufzte und schloss die Augen. „Und das von einem Germanen“, murmelte er und schwieg dann. Zechs wusste genau, dass er Treizes Bedenken und Selbstzweifel nicht zerstreut hatte, aber für heute beließen sie es dabei. Er schloss Treize in die Arme. Der Kopf des Konsuls ruhte an seiner Brust, er konnte sogar den warmen Atem auf seiner Haut spüren. Zechs stützte sein Kinn auf Treizes Haupt und und wiegte ihn sanft bis er eingeschlafen war. Ja, er würde ihn beschützen, auch wenn es hieße, dass er sich in Germanien seinen größten Ängsten und Alpträumen stellten musste. „Du verdammtes Schlitzohr!“, entfuhr es ihm dann als er sich eines neuen Aspekts von Treizes Fluchtplan bewusst machte. „Du willst nach Rom zurückkehren, irgendwann zumindest!“ Treize regte sich und ein blaues Auge, ungetrübt und mit scharfen Blick, fixierte Zechs. „Ja... und wenn ich dazu die Germanen brauche, ich werde Caesar und ich werde Marcus vernichten.“ Kapitel 20: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Wow, auch schon wieder 20 Kapitel in dieser Geschichte und dabei sind unsere Helden noch nicht einmal in Germanien. Kapitel XX Der Konsul warf Trowa einen mehr als skeptischen Blick zu und Trowa musste all seine Willenskraft aufbringen wegzusehen und seine Aufmerksamkeit wieder auf den Pfad vor ihnen zu richten. Sie hatten sich abgesprochen, dass einer von ihnen sich stets an Treizes Seite hielt. Zwar machte Treize einen guten Eindruck, die Blutergüsse in seinem Gesicht waren merklich zurückgegangen – auch Dank einer Behandlung mit Blutegeln – und das Fieber hielt sich in Grenzen, doch sie alle trauten dem Frieden nicht und vor allem Sally war es, die befürchtete, Treize könnte irgendwann vor Erschöpfung oder Schmerzen von seinem Pferd fallen. Selbstredend hatten sie Treize diese Befürchtungen nicht mitgeteilt, doch der Konsul ahnte es wohl, sagte jedoch nichts. Zumindest noch nicht, so lange sie ihm nicht zu sehr auf die Pelle rückten. Allerdings ließ es sich auch nicht verleugnen, dass Treize seine verletzte rechte Hand große Probleme machte. So war er auch gezwungen die Zügel mit nur einer Hand zu halten. Das Angebot bei Zechs mitzureiten war brüsk abgelehnt worden, ebenso die Idee einen Karren von einem Bauern abzukaufen. Natürlich waren sie schneller, wenn sie alle auf einem Pferd ritten, aber vielleicht wäre ein Holzkarren auch eine gute Tarnung gewesen. Immerhin befanden sie sich auf der Flucht vor ihren eigenen Leuten. Bis jetzt hatten sie allen Konfrontationen mit römischen Truppen aus dem Weg gehen können doch die Frage war, wie lange ihnen Fortuna noch hold war. Jeder halbwegs aufmerksame Offizier würde misstrauisch werden, wenn er ihr Trüppchen sah: Ein Germane, ein verletzter Römer, zwei Sklaven, ein blonder Adliger und dann noch eine Frau in den Hosen eines Legionärs. Und sie alle auf reinrassigen Rössern. Da täuschten auch ihre einfachen Kleidungsstücke über nichts hinweg. Trowa hatte einen Plan und er hatte mit Quatre während ihrer gestrigen Rast darüber gesprochen. Er würde die Idee heute Nachmittag an Zechs herantragen. Der Germane war so etwas wie ihr inoffizieller Anführer. Natürlich machte Treize diese Position niemand streitig, doch waren sie sich alle seiner gegenwärtigen Lage bewusst und wollten ihm nicht unnötig Kraft abverlangen. Gegen Mittag machten sie Rast an einem kleinen See mitten im Wald. Sie waren nun mehr fünf Tage unterwegs, stets in Richtung Norden. Genua war nicht mehr weit. Quatre hatte den Dienst als Späher versehen und auch unterwegs etwas Brot und Fleisch gekauft und sie stärkten sich an diesen Rationen. Wenigstens hatten sie noch keine Geldprobleme. Une hatte ihnen genügend Münzen mitgegeben, in unauffälligen kleinen Stückelungen. Ebenso trug jeder eine handvoll Edelsteine mit sich herum. Natürlich versteckt: Eingenäht in den Säumen, verborgen in den Gürteln. In jeder halbwegs großen Siedlung sollte man sie eintauschen können. Trowa machte es sich unter einem Baum bequem und schloss die Augen. Einfach etwas ausruhen, das würde ihm gut tun. Er hatte die halbe Nacht Wache schieben müssen und Treizes Aufpasser zu mimen war auch anstrengend. Treize redete kein Wort, das war merkwürdig. Der Konsul war nie eine Plaudertasche gewesen doch ihn so schweigsam zu erleben, das gab es selten. Vor einer wichtigen Schlacht oder einer bedeutenden Rede im Senat, da war er natürlich immer in sich gegangen. Womöglich waren die Schmerzen in der Hand schlimmer als sie alle dachten. Trowa musste wohl gerade in einen leichten Schlummer gefallen sein als er von Sallys Ausruf ziemlich unsanft geweckt wurde. „Was soll das, Treize?“, hörte er die Ärztin, die Stimme fast schon panisch und jemand rannte direkt an Trowa vorüber. Es fehlte nicht viel und derjenige wäre über Trowas ausgestreckte Beine gestolpert. Alarmiert schlug er die Augen auf und sprang in die Höhe. Er sah sich um. Einen Steinwurf weit entfernt konnte er Treize am Rande des Sees erkennen. Der Konsul beugte sich über die Wasseroberfläche und betrachtete wohl sein Gesicht. Er tastete auch auf seiner Nase herum. Sie war gebrochen gewesen wie sich Trowa noch erinnern konnte. Nun rannte auch Zechs an ihm vorbei und Trowa sah sich gezwungen es dem Germanen gleichzutun. Glaubten sie etwa Treize würde sich etwas antun und in den See stürzen? „Treize?“, verlangte Sally atemlos zu wissen als sie am Ufer angekommen war. „Die Nase wird nicht sauber verheilen. Du hast sie mir nicht gerichtet“, bemerkte Treize und fuhr sich mit dem Zeigefinger der linken Hand über den Nasenrücken, tastete dabei nach der Erhebung, die durch den Bruch entstanden war. „Ich hatte mich um andere Dinge zu kümmern. Zum Beispiel darum, dass du deine Hand nicht verlierst“, gab Sally entnervt zurück. Es war ein täglicher Kampf für sie. Treize weigerte sich stets die Verbände abnehmen zu lassen um die Heilung zu kontrollieren. Doch gegen Sallys und Zechs‘ vereinte Überredungskünste und Kräfte konnte er nichts ausrichten. Vielleicht sträubte sich Treize deswegen immer dagegen, weil er sich die Wunde immer noch nicht geschlossen hatte und man inzwischen deutlich die Anzeichen einer Entzündung erkennen konnte, wenn auch das Fieber noch nicht eingesetzt hatte. Trowa hatte auch einmal einen Blick auf die Wunde geworfen und es sofort bereut als ihm bewusst wurde, was die weißen Fragmente waren, die er da erkennen konnte: Knochensplitter. „Dann richte sie jetzt“, Treize setzte sich auf seine Fersen zurück und musterte Sally. „Was? Bei allen Göttern bist du verrückt? Ich... Nein! Ganz sicher nicht!“, protestierte Sally lautstark. Zum Glück waren sie weitab von sämtlichen Wegen und Straßen. Niemand würde sie hören. „Ich will keine krumme Nase.“ Treize blieb stur. Dabei war es gar nicht so schlimm. Seine Nase würde vielleicht einen kleinen Höcker haben, mehr nicht. Trowa hatte schon Schlimmeres gesehen. Als Treize bemerkte, dass man seinen Wünschen nicht Folge leistete, kniff er nur kurz die Augen zusammen. Dann atmete er heftig ein und wandte sich wieder dem See zu. Bevor Trowa auch nur zusammenzucken konnte, hatte er mit den Fingern der linken Hand schon seine Nasenspitze ergriffen und mit einem kräftigen Ruck daran gezogen. Trowa konnte nicht sagen, wer den Schrei ausgestoßen hatte. Treize, was ja nur verständlich gewesen wäre, oder Sally. Oder vielleicht sogar er selbst. Wufei tauchte an seiner Seite auf und starrte ungläubig auf die Szene. Ein neuer Schwall Blut floss über Treizes Finger und direkt in den See, vermischte sich dort mit dem kalten Wasser. Trowa warf einen Blick auf Treizes Gesicht, nicht alles Blut fiel direkt ins Wasser, ein Teil rann ihm über die Lippen und das Kinn hinab. Und dadurch, dass sich der Konsul mit dem Handrücken darüberwischte, verteilte er das rote Nass noch auf seinen Wangen. Es sah grauenhaft aus. Zechs würgte trocken und musste sich gegen den nächstbesten Baum lehnen. Doch er konnte den Blick nicht von Treizes rot gefärbten Gesicht lassen. Zechs sah aus als ob er gerade eine Geistererscheinung gesehen hätte. Sally hingegen stürzte auf den Konsul zu und griff sofort nach seinem Kopf, hielt ihn ruhig, damit er nicht noch größere Dummheiten machen konnte. „Glückwunsch“, knurrte sie und legte ihre Daumen zu beiden Seiten von Treizes Nase, um sie zu richten. „Ich bekomme immer meinen Willen“, meinte Treize und bewegte schwach die Lippen - fast sah es so aus als ob er grinsen würde - bevor Sally ans Werk ging. Zechs verkraftete es gar nicht gut und nachdem Sally mit Treize fertig war, musste sie dem Germanen wieder auf die Beine helfen, der tatsächlich umgeklappt war. Sie blieben wohl am Besten den Rest des Tages und die Nacht über hier. Es hatte keinen Sinn mehr weiterzureiten, entschied nun Quatre und jeder stimmte ihm zu. Sally musste Treize wohl irgendein Mittelchen in seinen verdünnten Wein getan haben, denn er schlief bereits den gesamten Abend. Sein Gesicht war kaum noch erkennen unter dem dicken Verband, den ihm die Ärztin verpasst hatte. Zechs lehnte mit dem Kopf gegen den Sattel seines Pferdes und starrte trübsinnig in den dunkler werdenden Himmel. Die Tage waren schon beträchtlich kürzer geworden. Sie mussten sich beeilen, wenn sie die Alpen noch vor dem ersten Schnee überqueren wollten. Quatre und Trowa fassten den Entschluss, dass es wohl keinen besseren oder schlechteren Zeitpunkt geben würde, um mit Zechs über den Plan zu reden. Sie setzten sich zu dem Germanen. „Ich glaube, das war es, was ich damals in Ägypten gesehen habe“, meinte Zechs an niemandem im Speziellen gerichtet. Trowa und Quatre sahen sich zweifelnd an. Verlor jetzt auch noch Zechs den Verstand? Doch der Germane geruhte sich genauer zu erklären. „Damals als wir von den fünf Waisen nach Theben geritten sind... Damals hatte ich eine Vision von Treize. Sein Gesicht war blutüberströmt gewesen, ebenso die Hände.“ Jetzt erinnerte sich Trowa wieder. Ja, Zechs hatte ihnen davon erzählt. Er hatte sie zur Eile angetrieben, weil er fürchtete, dass mit Treize etwas Schreckliches geschehen würde. Nun, sie waren gerade rechtzeitig eingetroffen, um Treize im Tal der Könige zu retten. Doch war der Konsul nicht blutüberströmt gewesen. Trowa hatte diese Episode schon wieder vergessen gehabt und wohl nicht nur er hatte dieser ‚Vision‘ keinerlei Bedeutung mehr beigemessen. „Als ich es Treize erzählt habe, hat er gemeint, ich hätte seine Krönung gesehen. Und das Blut sei die rote Farbe gewesen, die der Kaiser auf dem Gesicht und den Händen trägt. Ich habe es nie geglaubt.“ Ah und jetzt meinte Zechs, das Bild seiner Prophezeiung sei heute am See wahr geworden? Nun, Treizes Gesicht und seine Händen waren auf jeden Fall voller Blut gewesen. Das ließ sich nicht bestreiten. Und nun? Zechs konnte ja darüber noch nachgrübeln, aber das half ihnen jetzt auch nicht weiter. „Wir sollten uns eine gute Tarnung zulegen“, begann Trowa zu reden. „Wir kommen nicht schnell genug voran, wenn wir uns immer im Wald verbergen und auf offener Straße fallen wir zu sehr auf.“ Zechs nickte nur unwillig. Natürlich hatte er das auch schon gewusst. „Ich wüsste jemanden, dem wir uns anschließen könnten. Die Truppe von Gauklern, die mich aufgenommen haben nach meinem Sturz und dem Verlust meiner Erinnerungen.“ Trowa konnte sich zwar an kaum noch an die Einzelheiten dieser Wochen erinnern. Jedoch einige Dinge waren ihm im Kopf geblieben: Die wichtigen Dinge. „Sie schlagen ihr Winterlager immer in der Nähe von Genua auf. Sie müssten schon in der Region sein. Wenn wir sie finden, dann könnten wir mit ihnen noch weiter nach Norden reisen. Gegen eine gewisse Bezahlung ließen sie sich bestimmt darauf ein.“ „Und wie sollen wir sie ausfindig machen?“ Den Göttern sei Dank, Zechs hatte seinen Verstand noch nicht völlig eingebüßt. Jetzt setzte er sich sogar auf und kämmte sich mit den Fingern durch die Haare. Wie stets hatte er sie offen getragen und ein paar Blätter hatten sich darin verfangen. „Ihr reitet weiter nach Norden und ich werde die Umgebung absuchen. Nach fünf Tagen treffen wir uns. Ich kann alleine ein viel größeres Gebiet durchkämmen und solch eine große Truppe Gaukler und Schauspieler fällt auf. Ich sollte sie schnell aufgestöbert haben.“ „Und du bist dir sicher, dass sie uns helfen? Es wäre in der Tat eine gute Tarnung und Treize könnte in einem Wagen schlafen.“ Zechs drehte den Kopf und schielte zu dem Konsul, der noch immer die Augen geschlossen hielt. Sally hatte ihn wohl ziemlich gut betäubt. „Ja“ Da war sich Trowa ganz sicher. Catherine, die sich schon damals so rührend um ihn gekümmert hatte, würde ihn wieder unterstützen, wenn er sie um Hilfe bat. Und nicht nur ihn, sondern auch seine Freunde. Natürlich wäre die Truppe froh, wenn sie als Gegenleistung etwas Geld bekäme, für das Futter über den langen Winter. Aber Geld war ja nicht ihr Problem, dafür sollte es allemal ausreichen. Von einem Edelstein konnten sie sich trennen, ohne dass es ihnen wehtun würde. „Eine Truppe von Gauklern als Unterschlupf zu wählen ist fast schon zu offensichtlich“, bemerkte Quatre an. „Doch in Rom wird es sich niemand vorstellen können, dass Treize sich mit solchen Leuten abgibt. Das könnte unsere Chance sein, um bis an an die Alpen zu gelangen.“ Man sah Zechs bei diesen Worte deutlich seinen Unwillen an. Treize hatte ihn dazu gedrängt, dass sie nach Germanien gingen. Auch wenn einige sehr gute Argumente dafür sprachen, Zechs fühlte sich ganz und gar nicht wohl dabei. Was erwartete Zechs in Germanien?, fragte sich Trowa nicht zum ersten Mal und während der Abendstunden packten er und Quatre etwas Proviant für ihn zusammen. Die Stimmung in ihrer kleinen Gruppe war schlechter denn je. Treizes Verhalten heute hatte sie alle Kraft gekostet und Zechs hatte sich in diesem Hirngespinst verrannt, was seine angebliche Vision anging. So legten sie sich alle recht früh schlafen, sobald die ersten Sterne am Firmament zu erkennen waren. Trowa lag mit dem Rücken zu dem erloschenen Feuer, das Sally benutzt hatte um etwas Wasser abzukochen. Jetzt in der Nacht war ein Feuer zu auffällig, doch noch strahlten die verbrannten Äste und Gehölz einen letzten Rest Wärme aus, den er dankbar annahm. Wufei schob Wache. Duo hatte sich in die Nähe der Pferde verdrückt. Zechs und Treize teilten sich eine Decke und Sally hatte sich einen warmen Stein aus der Glut in ihr provisorisches Nachtlager mitgenommen. Von den Männern wollte natürlich niemand auf solch ein Hilfsmittel zurückgreifen. Da ließ Trowa lieber Quatre zu sich unter die Decke schlüpfen. Gerade weil Trowa aufbrechen musste und er sich nur zu genau bewusst war, dass sie sich für einige Tage trennten, hieß er den warmen Körper sogar mehr als willkommen. Quatre bemerkte es mit einem unterdrückten Lachen. Doch selbst dies erschien Trowa noch als viel zu laut und er legte dem Römer warnend eine Hand auf den Mund. Sofort räkelte sich Quatre und begann sein Gesäß an Trowas harter Lanze zu reiben. Dabei bebten seine Schultern vor unterdrücktem Gelächter. Trowa atmete hörbar aus und hielt Quatres Hüfte fest. Noch mehr solcher Anreize und er würde für nichts mehr garantieren wollen. Und so ausgelaugt und müde sie alle sein mochten. Wenn er und Quatre sich hier gehen ließen, dann war ihnen die Aufmerksamkeit ihrer Mitreisenden auf alle Fälle sicher. Quatre drehte sich in Trowas Armen um. Es war mittlerweile so dunkel, dass er kaum die Augen oder den Mund des anderen ausmachen konnte. Erst vor zwei Tagen war Neumond gewesen. So erhellte kaum etwas Licht ihr Lager. Doch auch so fand er ohne Probleme Quatres Mund, erspürte Trowa die harten Linien der Wangenknochen. Waren sie schon immer so dicht unter der Haut gelegen oder waren sie alle schon so aufgezehrt vor Sorge und düsteren Gedanken? Quatre seufzte, wie als Antwort auf diese Frage und legte ein Bein um Trowas Mitte, schob sich näher an den Geliebten heran. Kein Feuer konnte ihm so heiß über die Wangen streichen wie es Quatres Atem in diesem Moment tat. Von der anderen Seite des Lagers hörten sie Gemurmel und sie hielten inne. Doch vermutlich war es bloßTreize, der aus seinem Schlummer gewacht war und nun wiederum Zechs aus dem Schlaf gerissen hatte. Noch vor wenigen Tagen wäre so etwas eine Steilvorlage für Duo gewesen irgendeinen zotigen Kommentar von sich zu geben. Egal, wen es traf, ob anderen Sklaven oder ihren Herren, oder ob es der Wahrheit entsprach. Doch sogar Duo hatte sein sonniges Gemüt in Rom zurückgelassen, so schien es. Als wieder Ruhe herrschte, waren es Quatres Hände, die für leises Geraschel sorgten. Unbeirrt suchten sie sich einen Weg zwischen Tunicen, Umhängen und Leibschurz. Schließlich umschlossen sie Trowas Gemächt, was dieser nicht ganz stoisch hinnahm. Aber es war ihm jetzt auch egal, ob es jemand hörte oder nicht. Sein Becken fing an sich im Gleichklang zu Quatres Hand zu bewegen. Ein – noch – sanftes Wiegen. Allerdings war es viel zu schnell vorbei und sein Schurz und die Decke feucht von den Ergebnissen ihrer hastigen Befriedigung. Wann würden sie es einmal wieder in Ruhe und im Schutz eines Zimmers tun können? Ungestört und ohne Hast? Trowa hatte die böse Vorahnung, dass es lange dauern würde, bis es dazu wieder kam. Jedoch einen Trost hatte er: Er war nicht alleine, gleichgültig ob er jetzt für fünf Tage Quatre verlassen musste. Wenn er morgen Nacht alleine daliegen und zu den Sternen aufblicken würde, dann war sich gewiss, dass es Quatre genau so erging und er ihn genau so schmerzlich vermisste. Sie hatten einander. Anders als Duo, der seinen Geliebten in Rom hatte zurücklassen müssen und glaubte die Welt nicht mehr zu verstehen, ob des Wandels, den Heero durchgemacht hatte. Ebenso Sally, deren Freundin und Partnerin in Rom geblieben war. Schnell schloss Trowa Une und auch Mariemaia in ein Gebet mit ein. Und Wufei, der Arme... Zwar wer er der Letzte, der Treize sein Glück mit Zechs nicht gönnen würde, aber mit Sicherheit dachte er oft daran, dass er und der Konsul vielleicht auch hätten miteinander glücklich werden können. Ganz zu schweigen davon, wie mies es Zechs gehen musste. Den Geliebten so leiden zu sehen. Trowa wusste nicht, wie er es durchstehen würde, wenn etwas Vergleichbares seinem Quatre zugestoßen wäre. Bereits am zweiten Tag von seiner Suche hatte er Catherine und ihre Truppe gefunden. Es war bereits Abend als er die charakteristischen Zeltdächer und die bunt bemalten Karren in einem kleinen Tal entdeckt hatte. Die Bauern auf den Dörfern hatten ihm bereitwillig von den Schaustellern erzählt, mehr noch die Kinder. Ein merkwürdiges Gefühl von Verbundenheit und des Heimkommens stellte sich in seiner Brust ein. Als ob dieser Ort für ihn bestimmt wäre. Er zügelte sein Pferd bevor er in den inneren Ring aus Unterkünften und Zelten ritt. Man hatte ihn bereits bemerkt und musterte seine Kleidung, die zwar schlicht war, doch von Qualität zeugte. Aber mehr noch würde wahrscheinlich sein Pferd auffallen. Darum würden sie sich unbedingt kümmern müssen. Die Tiere waren einfach zu edel und zogen die Blicke auf sich. Doch Treize würde es nicht gefallen sich von ihnen zu trennen. Doch es war wohl am besten wenn man die Pferde dann hier ließe. Hier wären sie zumindest gut versorgt, das wusste Trowa. Er stieg ab und führte seinen Hengst am Zügel durch die Zelte. Getuschel folgte ihm und auch der ein oder andere Mann, der wohl fürchtete, Trowa hätte etwas Böses im Sinn. Doch niemand sprach ihn an. Dann entdeckte er den blau angemalten Wagen, an jeder Ecken hingen Kräuterbüschel, die getrocknet wurden und die Grundlage für die medizinische Versorgung der Schausteller darstellte. Unbestreitbar, das hier war Catherines Zuhause. Sie würde sich mit Sally bestimmt gut verstehen. Und daneben das große Zelt, dessen Plane mit unzähligen Flicken ausgebessert war. Gerade als er an die Wand des Wagens klopfen wollte, bog Catherine um die Ecke und ihr fiel glatt die Amphore mit Wasser aus den Händen, die sie vor sich hergetragen hatte. Ehe er sich versah, hatte sie ihn an sich gezogen und klammerte sich an seinem Umhang fest. „Trinton!“, rief sie immer wieder. „Trinton! Du bist wieder hier!“ Sie ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen, sondern studierte forschend sein Gesicht. Er war verlegen und wusste nicht, was er erwidern sollte. „Weißt du, wo du bist?“ Anscheinend glaubte sie, er hätte erneut sein Gedächtnis verloren. Trowa lächelte und fing sich endlich wieder: „Ja, ich weiß wo ich bin. Und auch, wer ich bin. Ich bin Trowa, nicht Trinton.“ Das versetzte ihr einen unsichtbaren Hieb, denn ihre Mine versteinerte sich. Trowa wusste, dass Catherine ihn für ihren verschollenen Bruder hielt. Sie hatte es Heero damals erzählt als dieser Trowa nach dessen Unfall hier im Lager der Gaukler ausfindig gemacht und wieder zu Quatre gebracht hatte. Heero hatte ihr das Versprechen gegeben, dass Trowa wenigstens einmal in das Lager zurückkehren würde, wenn er all seine Erinnerungen wieder erlangt hatte. Mit Sicherheit glaubte sie, dass er dieses Versprechen nun einlösen würde. Trowa wünschte sich fast es wäre so. Doch ernstere Dinge hatten ihn bewogen sie aufzusuchen. Bevor Trowa noch ein Wort sagen konnte, wandelte sich Catherines Gesichtsausdruck in tiefe Besorgnis. „Bist du deinem Herren davongerannt? Dieses prächtige Pferd und deine Kleidung...“ „Nein, sei unbesorgt.“ Trowa wandte sich um. Die übrigen Mitglieder der Gruppe gaben sich die größte Mühe so unbeteiligt wie möglich dreinzuschauen und ihn zu ignorieren. Aber man spürte förmlich, wie sie jedes gesprochene Wort in sich aufnahmen und mit gespitzten Ohren lauschten. Nein, so würde das nicht gehen. Er musste mit Catherine zunächst alleine reden. Wenn er erst mal ihre Unterstützung hatte, dann würden sie hier einen Unterschlupf und vielleicht auch etwas Ruhe finden können. Und vielleicht konnte er dann auch etwas mehr über sich und seine Vergangenheit in Erfahrung bringen. Oder besser gesagt, Catherines Version davon. Kapitel 21: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Es war der Wunsch von Einigen zu erfahren, wie Trowa und Quatre sich kennengelernt haben. Ich fand, dies ist der beste Zeitpunkt dafür. Aber jetzt erst mal die Erklärung, wie Trowa in Treizes Dienste geraten ist. Kapitel XXI „Was ist Zechs? Kommst du mit nach draußen?“ Trowa hatte die Zeltplane zurückgeschlagen und trat neben Zechs, der wie stets an Treizes Lager wachte. Auch jetzt hielt er Treizes linke Hand umklammert, von Zeit zu Zeit küsste er sie. Trowa hatte nur die besten Absichten, jeden Abend versuchten sie Zechs dazu zu bewegen sich doch mit ihnen allen ans Lagerfeuer zu setzen. Allerdings blieb Zechs lieber bei Treize. Sally hatte ihm nach dem Zwischenfall am See stets ein wenig Mohnsaft eingeflößt, sobald Treizes Schlaf wieder leichter wurde. Zechs war sich bewusst, wie gefährlich es war. Was, wenn Treizes Körper sich längst daran gewöhnt hatte und mit einem Mal nicht mehr darauf verzichten konnte? Was, wenn er längst abhängig davon geworden war? Außerdem konnten sie nicht den ganzen Winter bei der Gauklertruppe bleiben. Es war viel zu gefährlich für die guten Männer und Frauen. Catherine und die anderen begingen schon ohnehin ein großes Risiko, weil sie auf Trowas Bitte eingegangen waren. Einen Vorteil hatten die ständigen Schmerzmittel. Sally konnte die Wunde an Treizes Hand regelmäßig reinigen und hatte auch die Knochensplitter entfernen können. Wäre Treize bei Bewusstsein gewesen, die Schmerzen wären wohl unerträglich gewesen. Doch so... Und die Wunde hatte auch begonnen sich endlich zu schließen. Zwar fieberte Treize immer noch ein wenig, was seinen Körper zusätzlich auszehrte, aber er befand sich auf dem Weg der Besserung. Zumindest glaubten sie dies. Wie gut es Treize wirklich ging und ob er seine Hand noch gebrauchen konnte, würden sie erst erfahren, wenn der Konsul wieder etwas klarer im Kopf war. „Selbst wenn er jetzt aufwachen würde, wir sind doch ganz in der Nähe“, meinte Trowa als er auf Treize hinabblickte. Zechs seufzte. Er ließ Treize nur ungern alleine, aber vielleicht sollte er wirklich nach draußen gehen. Etwas Gesellschaft und ein Schluck Wein würde ihm guttun. Treize würde sie sofort hören, wenn er aufwachte. Also legte er Treizes Linke wieder zurück unter die Decke und hüllte sich selbst in seinen Umhang. Es war bereits Herbst und sie befanden sich mittlerweile nahe den Alpen. Das Wetter war hier merklich kühler und die Winde beißender. Duo grinste Zechs an und rückte zur Seite. Er reichte ihm sofort einen Tonkrug. Zechs schnupperte daran. „Gewürzter Wein? Wo habt ihr den denn aufgetrieben?“ „Quatre war mit Catherine einkaufen. Ich kann mir schon Treizes Gesichtsausdruck vorstellen, wenn er ihn kosten würde. Er ist für seinen Geschmack wohl zu herb, aber...“, Duo hielt inne. Es schien ihnen als ob dieser Luxus nun weit weg und unerreichbar war. Jetzt saßen sie an einem Feuer, auf dem blanken Erdboden, ihre Kleider nur notdürftig in einem Fluss gewaschen, keine Therme war in Sicht. Natürlich benötigte man die ganzen Annehmlichkeiten einer luxuriösen Stadtvilla oder des Anwesens auf dem Land nicht, jedoch gewöhnte man sich nur allzu schnell daran.... Oder vielleicht war es auch nur das Gefühl von Sicherheit, das ihnen nun fehlte. Die Zukunft war schrecklich ungewiss geworden und wie schnell es gegangen war. „Hey!“ Duo stieß ihn in die Seite. „Du musst im Jetzt leben.“ Als ob er Zechs‘ Gedanken erahnt hätte. „Wer hat dir denn das erzählt?“ Zechs nippte an dem Wein. Duo zog die Schulter nach oben. „Es nützt doch nichts der Vergangenheit nachzutrauern, ändert doch nichts.“ „Oh Duo!“ Zechs legte den Arm um die schmalen Schultern des Jungen. Es war klar, dass sich Duo nicht auf ihre veränderten Wohnverhältnisse bezog, sondern auf Heero. Zechs trank noch einen Schluck Wein. Ja, Treize hatte immer gerne gewürzten Wein getrunken. Wie sollte es überhaupt weitergehen, wenn sie wieder im Reich der germanischen Stämme waren? Bis jetzt hatte Zechs es vorgezogen nicht ausführlich über diesen Umstand nachzudenken, wobei ihn die fallenden Temperaturen jeden Tag aufs Neue dazu ermahnten. Er musste sich in Germanien als Zechs Merquise zu erkennen geben. Sein Name war dort noch geachtet, zumindest bei den nördlichen Stämmen. Die Germanen war kein so organisiertes Reich wie die Römer. Es gab keinen Kaiser, nur Stammesoberhäupter. Deshalb waren sie den Römern auch so gnadenlos unterlegen, sie konnten keine geeinte Streitmacht ins Feld führen und die einzelnen Fürsten zerrieben sich in ihren Rivalitäten. Aber Zechs fürchtete, dass dies nicht ausreichen würde. Treize hatte ja bereits in dieser Gaststätte in Rom kurz nachdem sie ihn aus Marcus‘ Klauen befreit hatten Andeutungen gemacht, dass er seinen rechtmäßigen Platz auf dem römischen Thron einnehmen würde. ‚...und wenn ich dazu die Germanen brauche‘ Was für ein aberwitziger Plan. Doch dies wäre die einzige Möglichkeit gegen die Römer aufzubegehren. Im Grunde hatte auch sein Vater dies bereits gewusst, er hatte die Germanen einen wollen, nur nicht mit Waffengewalt. Deshalb auch der Beinamen ‚Friedensfürst‘. Und dann gab es noch diese verdammten Legenden, die sich um seine Familie und auch um ihn rankten. Er konnte diese Erzählungen für sich und ihre Sache nutzen, aber womöglich brachten sie ihn auch in Gefahr. Nicht alle Fürsten würden begeistert sein ihre Macht an ihn abzugeben. Sie würden ihn der Lüge bezichtigen und dies wäre noch die geringste Anschuldigung. Zechs würde um sein Leben fürchten müssen, immer vorsichtig sein, immer auf der Hut sein. Vielleicht hätten sie doch nach Ägypten flüchten sollen... Trowa und Catherine alberten einmal mehr auf der anderen Seite des Feuers herum. Er balancierte eine Messerspitze auf seiner Fingerkuppe und Catherine zog sofort nach. Catherine war eine Autorität unter den Gauklern, die anderen Männer und Frauen achteten ihre Meinung und Befehle. Nur so war es auch möglich gewesen, dass sie hier Unterschlupf fanden. Wer hätte sonst die Gefahr auf sich genommen einen ehemaligen römischen Konsul zu beherbergen, der auch noch von den Prätorianer gesucht wurde? Ob die beiden wirklich Geschwister waren? Catherine war fest davon überzeugt, dass es sich bei Trowa um ihren verschollenen Bruder Trinton handelte. Trowa schien dieser Idee zumindest nicht abgeneigt zu sein, er hatte keinerlei Erinnerung an seine früheste Kindheit und Catherine war es auch die eine Erklärung für die unförmige Narbe hatte, die Trowa am unteren Rücken trug. Dort sei er als Kind dem Kochtopf ihrer Mutter zu nahe gekommen. Wenn man ein kritischer Geist war – und durch Treizes Einfluss war Zechs dies mehr denn je – dann konnte man anmerken, dass dies eine sehr dürftige Erklärung war, die sich jeder ausmalen konnte. Aber gut, es war nicht an Zechs dies zu beurteilen. Aber das Thema schien sowohl Catherine als auch Trowa auf den Nägeln zu brennen: „Siehst du Trowa, das kannst du nur von uns gelernt haben.“ „Du willst doch nicht ernsthaft behaupten, mein Vater hätte mir schon als Kleinkind solche Tricks beigebracht!“ „Aber natürlich, wird sind Schausteller und Gaukler. Zum einen nehmen wir so etwas mit der Muttermilch auf, und zum anderen sind wir eine große Familie. Die Kleinen lernen früh das Handwerk.“ Trowa erwiderte nichts darauf. „Wie bist du eigentlich in Treizes Dienst geraten?“, erkundigte sich nun Zechs. Er wusste, dass Duo ein ehemaliger Sklave eines Bordells gewesen war und von Heero aus dieser unglücklichen Lage befreit worden war. Treize hatte ihn dann als seinen Leibsklaven übernommen. Heero und Quatre waren als Offiziere in Treizes Dunstkreis geraten. Heero war dem Konsul durch seine Leistungen aufgefallen, Quatres Familie war schon seit jeher eng mit Treize verbunden. Trowa fing das Messer geschickt zwischen zwei Fingern auf und wirbelte die Klinge herum. „Ich bin bei Söldnern aufgewachsen und habe von ihnen das Kämpfen gelernt. Wir sind durch das römische Reich gewandert. Haben uns manchen Legionen angeschlossen oder für irgendwelche Befehlshaber gekämpft, es war uns gleichgültig für wen. Hauptsache der Lohn füllte unsere Mägen. Dann wurde ich an einen Römer verkauft, um für ihn in seiner Leibwache zu arbeiten. Ich war noch sehr jung, aber bereits einer der besten Kämpfer in unserer Truppe. Es stellte sich heraus, dass dieser Römer nicht nur ein angesehener Senator war, sondern auch Teilhaber mehrerer Bordelle. Bald arbeitete ich in diesen Bordellen, um die Huren und Knaben vor den Freiern zu schützen. Es waren überwiegend Männer der übelsten Sorte, die dort ihre Befriedigung suchten. Allesamt reich und gut betucht, aber mit einem kranken Geschmack.“ „Und lass mich raten“, warf Zechs dazwischen. „Treize ist ebenfalls ein Gast dort gewesen und hat in dir mehr gesehen als nur den Leibwächter von Huren?“ „So ähnlich...“, gab Trowa zu und grinste freudlos. … Capua, 7 Jahre zuvor... Das würde mächtig Ärger geben. Trowa schloss kurz die Augen und seufzte. Das war die zweite Hure in dieser Woche, die im Bordell umgekommen war. Er hörte die Worte seines Herren bereits, konnte sich vorstellen, wie dessen Reaktion ausfallen würde. Dabei taten ihm seine Schenkel noch von der letzten Bestrafung weh. Fünf Schläge mit dem Rohrstock hatte es ihm eingebracht, weil er nicht achtsam genug gewesen war den Tod der ersten Hure zu verhindern. Der Herr mochte ihm Vorwürfe machen, Trowa tat es nicht. Er war nicht schuld am Tod der Hure. Er hatte so viel zu tun, musste die Freier so subtil als möglich beobachten und einschätzen, ob sie Ärger machen würden. Und nicht nur das, er musste auch dafür sorgen, dass die edlen Herren nicht starben, wenn sie ihren perversen Vorlieben frönten. Das war auch schon vorgekommen. Heute Nachmittag war er in einen der Kammern im Obergeschoss gewesen und hatte unbeteiligt dabei zugesehen, wie ein Offizier der Prätorianer sich von einem Sklaven hatte an die Holzbalken fesseln und auspeitschen lassen. Nein, Trowa würde die Menschen und ihre Perversitäten nie verstehen. Bei den zahlreichen exotischen Praktiken, die er jeden Tag vor Augen geführt bekam, hatte er kaum noch Lust überhaupt eine sexuelle Beziehung mit jemandem einzugehen. Wobei es ihm nicht am Angebot mangelte und er auch schon ein paar Mal darauf eingegangen war. Trowa musterte die tote Frau, die hier auf ihrem Lager gefesselt lag. Der Freier war getürmt und selbst wenn man ihn hätte fassen können, sein Herr hätte ihn nicht vor die Magistrate gezerrt. Die Hure war nur ein Mädchen vom Lande gewesen, noch relativ unerfahren und wertlos. Wenn es eine angesehene Prostituierte gewesen wäre, hatte sein Herr womöglich eine Kompensation in Form von Sesterzen gefordert, aber so, war es eben ein Opfer mehr. Manchmal fragte sich Trowa wie lange er diesen Abgrund noch ertragen konnte, bevor er selbst durchdrehte. Man sah es seinem Körper zwar nicht an, weil er hoch gewachsen und athletisch war, doch er zählte erst 16 Sommer. Es klopfte dreimal an der Tür zur Kammer und Trowa vergewisserte sich, dass es niemand anders als Titus war. Titus, der Experte wenn es darum ging die Kundschaft zu dominieren und zu demütigen. Er war der Beste auf diesem Gebiet und er hatte ein großes Interesse an Trowa, das dieser von Zeit zu Zeit gerne erwiderte. Wenn sie das Lager teilten, dann war es gemessen an den Dingen, die sie hier jeden Tag im Bordell sahen, schon geradezu langweilig und gewöhnlich. Doch da Titus Trowas erster Mann war, wollte er auch nicht, dass ihn dieser gleich an die Holzbalken des Obergeschoss knüpfte und... Unwillkürlich musste sich Trowa zwischen die Beine fassen. Der Gedanke erregte ihn, wie er mit Beschämen feststellte. Titus ließ den Blick über die tote Hure schweifen und schnalzte nur mit der Zunge. Er hatte schon schlimmer zugerichtete Tote gesehen. Es war wohl ein Unfall gewesen, der sich hier ereignet hatte. Der Freier hatte sie an den Bettrahmen gebunden und war nicht sorgsam genug gewesen. Die Fesseln hatten sich in den Hals der Frau geschnitten und sie war letztendlich daran erstickt. Wahrscheinlich hatte der Freier Panik bekommen und die Frau nicht mehr retten können. „Wo sollen wir sie hinbringen?“ Er wandte sich an Trowa und natürlich fiel ihm sofort auf, wo Trowas Hände waren. Trowa ignorierte den amüsierten Blick und versuchte sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Wobei ihm diese Vorstellung nicht mehr aus dem Kopf ging. Wie sich wohl die rauen Balken in seinem Rücken anfühlen würden, die Seile, die seine Hand- und Fußgelenke fesselten und dann Titus‘ Zunge zwischen seinen Beinen, der er völlig ausgeliefert war? „Du solltest mir öfters bei der Arbeit zusehen“, meinte Titus leichthin. Ja, das sollte er wohl und zumindest einmal wollte er es selbst ausprobieren wie es war so gefesselt zu werden. „Das ist bereits die Zweite.“ Trowa presste die Lippen aufeinander. „Zufall, ja und?“ „Ich glaube, das war kein Zufall.“ Titus musterte ihn skeptisch. „Die Erste war nicht ans Bett gefesselt.“ Der andere Sklave hatte ihm auch beim Wegschaffen der ersten Toten geholfen. Da musste ihm Trowa recht geben und doch... „Außerdem weißt du nicht, wer ihr Freier war.“ „Also bitte, das sollte nicht schwierig werden herauszufinden.“ „Mach dir nicht zu viele Gedanken, Trowa. Mach deine Arbeit und grüble nicht zu viel.“ Damit mochte ja Titus zufrieden sein, vielleicht war dies Titus‘ Rezept ihr Leben zu überstehen und zu meistern. Aber Trowa konnte sich damit nicht zufriedengeben. Er begann die Fesseln mit seinem Dolch durchzuschneiden. Die Leiche gab nach, rollte beinahe von der Pritsche. Titus griff beherzt zu und gemeinsam schlugen sie die Bettlaken um den Körper der toten Frau. Doch nicht ohne, dass sich Trowa die Verletzungen der Haut genauer ansah. Jeden Bluterguss prägte er sich ein und er drehte sie sogar auf den Bauch, um sich den Rücken genauer zu besehen. Titus ließ ihn gewähren, allerdings war es ihm ziemlich deutlich anzusehen, was er davon hielt. „Bringen wir sie zu Antonius?“ Trowa nickte nur. Antonius und seine Männer verscharrten die zahlreichen Armen, Bettler und sonstigen Toten, die auf den Straßen Capuas aufgesammelt wurden. Irgendjemand musste sich ja auch darum kümmern. Also luden sie den Körper auf einen Karren schafften ihn aus der Stadt. Einer von Antonius‘ Handlangern nahm die Leiche entgegen und Trowa wusste, dass ihm Titus deswegen Vorhaltungen machen würde, doch er musste es wissen. „Habt ihr die andere schon vergraben?“ Mit einem Schulterzucken wurde ihm geantwortet. Nachdem einige Münzen ihren Besitzer gewechselt hatten, durfte Trowa sich im hinteren Bereich der Baracken umsehen. Er schlug sich den Zipfel seines Umhangs vor die Nase, doch es nützte nicht viel. Der Gestank war bestialisch. Titus fluchte und zog es vor draußen zu bleiben. „Aber beeil dich!“, herrschte er Trowa an. Er hoffte, dass ihn dieser Anblick nicht noch in seinen Träumen verfolgen würde. Die Leichen von Männern, Frauen und Kindern nebeneinander aufgereiht, teilweise aufgedunsen. Sie hätten schon längst begraben oder verbrannt sein sollen. Er musste Titus recht geben, er würde leichter leben, wenn er nicht so viel nachdenken würde. Aber, was wenn diese Todesfälle kein Zufall waren und nächste Woche wieder eine Hure sterben würde? Während er noch so durch die Reihen ging, die nachlässig mit großen Laken abgetrennt waren, vernahm er Stimmen. „Ich sage dir Treize, das ist er nicht.“ „Dann suchen wir weiter.“ Oh, das war nicht gut. Was suchten Adlige hier in einem Leichenhaus? Trowa war sich ziemlich sicher, dass es sich hier um Angehörige des Adels handelten. Er kannte diese Ausdrucksweise und die Art, wie sie sprachen. Vorsichtig spitzte er um das nächstbeste Laken. Irgendetwas tief in seinem Innersten warnte ihn, besser sie sahen ihn nicht. Dann sah er die beiden Männer. Sie waren zwar in schlichten Tunicen gekleidet, aber es konnte keinen Zweifel geben. „Was soll das überhaupt? Ich glaube kaum, dass Brutus‘ Leiche hier zu finden ist, wenn er in der Tat in der Kneipenschlägerei gestorben ist. Ich meine, er war schon immer ein Hitzkopf, aber... Oh! Bei den Göttern.“ Der Römer, der diese Worte gesprochen hatte, verstummte und machte würgende Geräusche. Anscheinend hatte sie Brutus gefunden. „Ja, ich würde sagen, das ist unser teurer Freund Brutus.“ Die Stimme des anderen Mannes, Treize, klang ganz und gar nicht überrascht. Eher schon gelangweilt. Trowa wusste, dass diese Männer die gefährlichsten waren. Jene, die ihre Gefühle so perfekt unter Kontrolle hatten und sie dann mit einem Mal freiließen. Wie eine Meute Jagdhunde, kaum gezähmt, aber einmal von der Leine gelassen und sie zerfleischten alles, was ihnen den Weg kreuzte. Trowa wusste das nur zu gut, der Anführer der Söldner hatte gerne mit wilden Hunden gejagt. „Wer hat ihm das angetan?“, hörte man den zweiten Mann stottern. Trowa war nun endgültig neugierig, zwar wusste er es besser, doch er huschte um zwei weitere Laken, um besser zu erkennen, was da in diesem hintersten, düsteren Winkel der Baracke vor sich ging. Den Gestank hatte er längst vergessen, oder hatte sich seine Nase daran gewöhnt. Das wäre auch eine Möglichkeit. Auf dem Boden vor den beiden Adligen lag eine nackte Männerleiche. Nackt bis auf einen breiten Streifen aus purpurnem Stoff, der um den Hals der Leiche geknüpft war. Der Körper wies etliche Stichverletzungen auf. Irgendjemand hatte sich wild ausgetobt. Lediglich das Gesicht war unversehrt. Was für einen grauenhaften Anblick mussten diese Augen erduldet haben, so kurz vor ihrem Tod. „Wer ihm das angetan hat?“ Dieser Treize lachte. Trowa lief es bei diesem Laut eiskalt den Rücken hinab. Da war er wohl nicht der Einzige. Der andere Römer drehte sich zu Treize um. „Ich habe ihn getötet.“ Ein Dolch war in der Hand des Mannes aufgetaucht. Oh, er wusste, wie er mit einer derartigen Waffe umzugehen hatte. Das sah Trowa sofort, so wie er den Griff locker umfasst hielt und leicht in die Knie ging. Trowa ahnte bereits, was folgen würde. „Genau wie ich es mit dir tun werde.“ Bevor der erste Stich erfolgte, wandte Trowa den Blick ab. Doch trotzdem hörte er den überrascht, empörten Aufschrei des Römers. Es folgte kein nennenswerter Kampf und schon hörte das Poltern eines toten Körpers. Das Zerreißen von Kleidung und das ekelhafte Geräusch von Fleisch, das mit einem Messer geteilt wurde. Es hörte sie an, wie bei einem Fleischer auf dem Markt, der die schmackhaftesten Stück vom Rumpf eines Schweines abtrennte. Trowa glaubte nun selbst würgen zu müssen. Doch er presste die Augen zusammen, die Hand auf den Mund und zwang sich keinen auch noch so kleinen Laut von sich zu geben. Er war Zeuge eines Mordes geworden! Mit einem Mal ertrug er die Hitze nicht mehr, die stickige, krankmachende Schwüle des Leichenhauses. Alles, was er noch hörte, bevor er ohnmächtig wurde, war das Geräusch eines Mannes, der ausspuckte. „Und das war für meinen Vater und meine Mutter!“ Als nächstes erwachte er auf einer Wiese. Titus‘ Stimme nahe an seinem Ohr. „Er heißt Trowa und arbeitet...“ Den Rest hörte Trowa nicht mehr, er beugte sich auf die Seite und musste sich übergeben. Jemand hielt ihm den Kopf und er wusste sofort, dass es nicht Titus war. Titus‘ Hände waren gröber, rauer. „Herr, Ihr werdet euch beschmutzen!“ „Teile deinem Herren mit, dass ich gedenke diesen Sklaven zu kaufen.“ Trowa hörte auf zu würgen und schlug die Augen auf. Natürlich hatte er die Stimme sofort erkannt. Es war dieser Treize, der neben ihm kniete. Und so sanft diese Hände seinen Kopf hielten, ihm den Schweiß von der Stirn wischten, so unbarmherzig und kühl musterten ihn die blauen Augen des Römers. Er überlegte wohl gerade, ob er Trowa nicht auch zu den Göttern schicken sollte. ... „Ich habe nie herausgefunden, ob die Huren in unserem Bordell tatsächlich ermordet worden waren. Treize hatte Titus zurück geschickt und mich dann noch am gleichen Tag gekauft. Seit diesem Tag stand ich in seinem Dienst. Er hat nie darüber geredet, was er in diesem Leichenhaus getan hat. Es war auch nicht nötig. Ich wusste, ein Wort aus meinem Mund und ich würde in genau so einem Leichenhaus enden. Und dafür war das Leben bei Treize mit viel zu vielen Annehmlichkeiten verbunden, gemessen an dem, was ich bis jetzt gewöhnt war.“ Als Trowa mit diesen Worten geendet hatte, zog er Quatre in eine enge Umarmung. „Aber ich denke, jetzt ist es gut. Es hat keinen Sinn mehr damit darüber zu schweigen. Entschuldige, dass ich es dir nicht früher erzählen konnte.“ Quatre nickte verständnisvoll und die beiden entfernten sich wenig später in Richtung ihres Schlafplatzes. Auch Zechs erhob sich von dem Platz am Feuer. Doch anders als die beiden Liebenden konnte er nicht darauf hoffen etwas Beistand in körperlicher Leidenschaft zu finden. Auf ihn wartete nur Treize, noch immer schlafend. Also setzte er sich auf den Rand der Liege und strich dem ehemaligen Konsul durch das rötlich blonde Haar. „Was hast du schon alles ertragen müssen?“, murmelte er. Von nun an sollte es besser werden und wenn er dafür kämpfen musste. Treize sollte nicht noch einen geliebten Menschen verlieren und Rache nehmen müssen. Das schwor Zechs bei seinen Göttern. Kapitel 22: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Oh, zwei Monate seit dem letzten Kapitel. *erröt* Tut mir leid! Ich hoffe, dass es jetzt wieder etwas regelmäßiger wird. Aber dafür ist es ein recht langes Kapitel und behandelt Quatres erstes Mal mit Trowa! Kapitel XXII „Treize hat es mir nie explizit verboten darüber zu reden, aber...“ Quatre legte seinem Geliebten einen Finger an die Lippen. Sie hatten sich von den anderen zurückgezogen und etwas Ruhe und Abgeschiedenheit gesucht. „Es ist alles gut, Trowa. Jetzt weiß ich es.“ Er konnte ein Grinsen nicht ganz unterdrücken. „Ich dachte mir schon so etwas Ähnliches, dass du eine gewisse Zeit in einem Bordell warst, bei deinem Einfallsreichtum...“ „Oh, Quatre“, schnurrte Trowa und zog ihn fester an sich, küsste seinen Nacken. „Du willst dich noch nicht beklagen?“ „Nie!“, beteuerte Quatre und schloss die Augen. „Wir sollten nun schlafen.“ Vielleicht war es der Regen, der dann in der Nacht einsetzte, der Quatre an diese Zeit zurückdenken ließ, als er ein frischgebackener Offizier in der Armee gewesen war. Der Regen in Verbindung mit Trowas Erzählungen von der Vergangenheit... ... Das Wetter war nicht vergleichbar mit Rom. Überhaupt nicht, es war kalt, es war nass und es trug nicht gerade dazu bei Quatres Laune zu verbessern. Er schniefte und zog sich seinen dicken Umhang, den er sich eigentlich für die Winterszeit hatte schneidern lassen, noch enger um die Schultern. Das kleine Feuer in dem Kupferkessel, das man ihm in das Zelt gestellt hatte, vermochte kaum die feuchte Luft zu vertreiben und nur allzu gerne hätte sich Quatre einen aufgewärmten Stein mit ins Bett genommen. Obwohl die Bezeichnung Bett auch nicht treffend war, es war nicht mehr als eine schmale Pritsche nicht viel besser als die der einfachen Offiziere. Aber da er seinen Dienst als Tribun erst kürzlich angetreten hatte und er überhaupt keinerlei Erfahrung mit dem Militär und der Armee hatte, war ihm auch nicht klar gewesen, dass er sich persönlich um eine bessere Schlafstätte hätte kümmern müssen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen und er hätte auf seinen Vater hören sollen. Aber jetzt gab es für Quatre kein Zurück mehr, er hatte sich gegen seinen Vater gestellt. Er hatte einen anderen Weg gehen wollen als ihm das Familienoberhaupt zugestanden hatte. Also musste er nun auch die Konsequenzen ertragen, denn er würde nicht wie ein feiger Hund den Schwanz einziehen und zurück zu seinem Herrchen rennen. Nichtsdestotrotz fand er das Wetter hier im Norden schrecklich und der Dienst raubte ihm die letzte Kraft. Vor allem, weil er genau spürte, dass ihn die anderen Tribune nicht ernst nahmen. Obwohl sie auch alle Adlige waren, die anderen hatten schon mehr Erfahrung. Und für die hartgesottenen Soldaten war er nur ein verwöhntes Balg, das sie nicht ernst nehmen konnten. Was gefährlich war, wenn sie seinen Befehlen nicht Folge leisten würden, wenn sie sich in der Schlacht befanden, ja was dann? Die anderen Truppenteile und ihre Offiziere verließen sich darauf, dass Quatre seine Männer im Griff hatte, dass sie jedem seiner Befehle – wenn diese die Legionäre auch in den Tod schickten – Folge leisteten. Jedoch war er davon noch weit entfernt. Da bewunderte er regelrecht einen der anderen Tribune: Heero. Die Soldaten sprachen seinen Namen nur geflüstert aus, sie hatten mehr als Respekt vor ihm. Sie waren schon regelrecht ehrfürchtig. Nur noch bei Treize hatte Quatre dieses Verhalten bei den Legionären beobachtet. Wie schaffte er es, dass sie ihn ebenso respektierten? Aber nicht nur dies belastete sein Herz, auch die Trennung von seinen Schwestern setzte ihm zu. Er fühlte sich einsam. Hier im Lager hatte er niemandem mit dem er reden konnte. Treize hatte zwar dafür gesorgt, dass er diese Stellung hier antreten konnte. Treize war auch sein unmittelbarer Vorgesetzter doch die letzten Wochen waren so turbulent für den Legaten gewesen, da hatte er sich nicht noch um Quatres Belange sorgen können. Quatre konnte solch einen Gefallen auch schlecht einfordern. Er war ja nicht blutsverwandt mit Treize und auch wenn ihn dieser unter seine Fittiche genommen hatte, Quatre musste schon mehr als dankbar dafür sein. Da erschien es ihm als regelrecht unverschämt auf weitere Nettigkeiten zu hoffen. Eine kräftige Böe erfasste sein Zelt und ein starker Luftzug wehte an Quatre vorbei, was ihn unwillkürlich frösteln ließ und die Plane am Eingang des Zeltes zurückschlug. Notgedrungen musste sich Quatre aufraffen um die Plane wieder in ihren angestammten Platz zu bringen. Er hatte leider keinerlei Sklaven bei sich über die er verfügen könnte. Sein Vater hatte ihm keinerlei finanzielle Mittel überlassen, so dass ein Leibsklave in Quatres jetziger Situation purer Luxus war. Treize hatte ihm die nötigen Sesterzen geliehen damit sich Quatre eine Lederrüstung für den Alltag und auch einen Brustpanzer, Schienen für die Unterarme und Beine, Reitstiefel und sonstige unabdingbare Utensilien hatte kaufen können. Nein, er konnte Treize nicht noch weiter behelligen. Als Quatre in den Regen hinausspitzte, konnte er eine einsame Gestalt ausmachen, die von Zelt zu Zelt rannte, um so den Wassermassen zu entgehen. Quatre war sich ziemlich sicher, dass es niemand anderes als Treize war. Wenn auch diese Art der Fortbewegung wenig elegant war, so wie Treize um die Pfützen herumhüpfte. Es passte nicht so recht zu ihrem jungen Legaten. Die untere Handbreit des Umhangs war zudem mit Dreck und Schlamm verkrustet. Doch Quatre hatte den Eindruck, dass es den Legaten nicht im Geringsten störte. Zwar konnte er das Gesicht unter der Kapuze nicht erkennen, doch in der ganzen Haltung, glaubte er sich sicher, dass Treize grinste oder zumindest in guter Stimmung war. Der Regenschauer verstärkte sich noch und notgedrungen musste sich Treize einen Unterstand suchen, wenn er nicht vollständig durchnässt in seinem eigenen Zelt ankommen wollte. Treize bemerkte wohl Quatres offenen Eingang und wie dieser darunter stand. Schlitternd kam Treize in der Pfütze, die sich inzwischen unter Quatres Vordach gebildet hatte zum Stehen. „Sei gegrüßt!“, Treize streifte die Kapuze ab und ja, er war eindeutig guter Stimmung. Quatre glaubte sogar er hätte einen Hauch eines ihm unbekannten süßlichen Geruchs wahrgenommen als Treize die Kapuze fallen gelassen hatte. Womöglich irgendein ein Kraut, das er geraucht hatte? Quatre hatte bereits von solchen Dingen gehört, dass es Kräuter und Früchte gab, die, wenn sie auf die richtige Weise zubereitet waren, einen noch stärker als Alkohol den Verstand vernebeln konnten. Außerdem glaubte er an Treizes Hals einen dunklen, bläulichen Fleck zu erkennen. Darauf konnte sich Quatre nun keinen Reim machen. Er bot dem Legat seine bescheidene Gastfreundschaft an und dankte den Göttern, dass er sogar eine kleine Amphore Wein in seiner Truhe aufbewahrt hatte – der einzige Luxus, über den er hier verfügen konnte. Treize schloss die Plane hinter ihnen und seinen nassen Umhang warf er über einen der Pfosten, die das Gerüst des Zeltes bildeten. „Wie ich sehe, hast du dich hier eingelebt.“ Treize beugte sich über Quatres Schreibtisch wo auch einige seiner Bücher lagerten, die er von zuhause mitgenommen hatte. „Ist es nicht zu gefährlich für euch, dass ihr euch alleine herumtreibt?“ Quatre fand das wirklich unverantwortlich. „Ts, Quatre. Früher warst du nicht so förmlich. Unsere Familien sind immer noch eng miteinander verbunden. Also sprich freiheraus.“ „Mhm, ihr wart sicherlich in einem Bordell, wenn ich mich nicht irre, oder?“ Treize grinste jungenhaft und in diesem Augenblick wirkte er viel jünger und unbeschwerter. Gar nicht so wie der ernste Legat. Treize hatte es sich mittlerweile auf der Pritsche niedergelassen und beugte sich nun nach vorn. Er stieß Quatre in die Seite. „Ja, ich war in einem Bordell. Aber sag Quatre, bist du schon einmal bei einer Frau gelegen?“ „Bitte was?“ Quatre riss die Augen auf, wusste nicht, was er weiter sagen sollte. Wieso nun diese Frage, aus welchem Grund und was hatte es mit seinem Dienst zu tun? Eben, rein gar nichts. Es war allgemein bekannt, dass der Legat den Trägerinnen der figurbetonten Tunicen nicht abgeneigt war. Mehr noch, sprach er aber wohl den jungen Schauspielern und Künstlern zu, die sein Geld und wohlmeinende Worten suchten und dafür liebend gerne mit ihren Körpern zahlen. Treize hatte da einen gewissen Ruf. Quatre glaubte nicht, dass er diese Verhaltensweise nachahmen müsste. Es erschien ihm nicht gerade als erstrebenswert. Besser Quatre konzentrierte sich auf seinen Dienst in der Armee statt ins Bordell zu gehen. Diese Gedanken musste ihm wohl ziemlich deutlich ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn Treize kniff die Augen zusammen. „Mhm, wirklich? Noch keine Frau? Gab es kein nettes Bauernmädchen auf dem Land, mit dem du dich während der Erntezeit vergnügt hast?“ „Ihr habt eindeutig zu viel getrunken, Legat“, brachte Quatre nur mit Mühe und rotglühenden Wangen hervor. Er wollte Treize von der Pritsche zerren und in Richtung Ausgang schieben. Die Richtung, welche das Gespräch eingenommen hatte, behagte ihm nun ganz und gar nicht. „Oh nein. So leicht kommst du mir nicht davon. Ich verlange eine Antwort!“ Quatre vermochte dem älteren Mann nicht in die Augen zu blicken als er murmelte: „Nein, keine Frau.“ „Ah, womöglich ein Knabe? Das wäre auch überhaupt nicht schlimm.“ Sofern es überhaupt im Bereich des Möglichen war, verstärkte sich noch Quatre Gesichtsfarbe. Da hatte Treize jetzt einen wunden Punkt getroffen. Um vor den Göttern ehrlich und aufrichtig zu sein, musste es sich Quatre eingestehen, dass er in der Tat schon oft darüber fantasiert hatte, wie es wohl sein könnte mit einem anderen Mann das Lager zu teilen. Allein die Vorstellung übte einen unsagbar großen Reiz auf ihn aus. „Also dies auch nicht... Aber du würdest es gerne tun?“ Eigentlich war es keine Frage, denn Treize wusste auch so die Antwort. Er ließ sich auf die Pritsche hinab, die Quatre als Bett diente. „Erinnere mich daran, dass ich dir eine bessere Schlafgelegenheit bringen lasse. Du bist immerhin der Sohn eines einflussreichen Mannes und nicht irgendein dahergelaufenes Bürschchen. Komm her!“, winkte ihn Treize gebieterisch zu sich. ‚Was bezweckt er damit?‘, fragte sich Quatre heute nicht zum ersten Mal. Doch es war der Gehorsam, der ihn nach vorne treten ließ. Ehe er sich versah, oder sich dagegen wehren konnte, hatte Treize sein Handgelenk gepackt und ihn zu sich ran gezogen. Schon lagen die Lippen des Legaten auf den seinen. Quatre schmeckte den Würzwein und nahm diesen merkwürdigen süßlichen Geruch noch stärker wahr, der Treizes Haut, Haaren und Kleidung anhaftete. Warum wehrte er sich eigentlich nicht? Er hatte nicht einmal das Bedürfnis hierzu. Oh nein, stattdessen ertappte er sich dabei wie er Treizes Verhalten imitierte. Die Lippen spitzte und näher an den Legaten heranrückte. Er hörte Treizes selbstgefälliges „Hm“ kaum und schon wurde er nach unten gezogen. Treize lag auf der Pritsche und Quatre fand sich eng an den Körper des Legaten gepresst. Seine Hände stützten sich auf Treize Schultern ab. Er spürte die harte, unnachgiebige Kraft der Muskeln unter sich. Oh, bei der Venus, das... Das erregte ihn über alle Maßen. „Nun, ich denke diese Frage ist geklärt“, stellte Treize fest. Der Tonfall nun wieder ganz sachlich und neutral. Quatre kam der Gedanke, dass Treize den Kuss und dies hier – noch immer lag er förmlich auf Treizes Körper – absichtlich getan hatte. „Die Frage, ob dich Männer erregen, wäre geklärt“, meinte Treize noch einmal, weil ihm Quatres verwirrt, beschämter Gesichtsausdruck keineswegs entgangen war. „Nicht worüber du dich schämen müsstest.“ Treize deutete mit dem Kinn nach unten. „Um ehrlich zu sein fühle ich mich geschmeichelt.“ „Was? Oh!“ Quatres Erektion presste sich aufdringlich an Treizes Oberschenkel. Er beeilte sich sich aufzurichten und seinen Mantel so um sich zu drapieren, dass die Falten seine so ausgeprägte körperliche Reaktion verbargen. Treize setzte sich ebenfalls auf, rieb sich das Kinn, wo die hellen Stoppeln seines Barts so langsam zu sehen waren. „Geh das nächste Mal mit in die Stadt. Ich kenne eines der Bordelle, dort würde man sich freuen dir zu Diensten zu sein.“ Daran hatte Quatre keinerlei Zweifel, dass Treize genau das richtige Haus für solche Zwecke kennen würde. „Ich habe momentan andere Probleme“, wich Quatre diesem Angebot aus. In Wahrheit machte es ihm sogar Angst. Quatre hatte ihnen allen imponieren wollen, zeigen wollen, dass er mindestens ein ebenso harter Knochen wie Heero war. Nur deshalb hatte er das Kommando über diesen Flügel übernommen. Nicht, dass er es bereute, doch ein wenig unsicher war er schon. Sie befanden sich im dichtesten Kampfgetümmel. Ihre Feinde allesamt wilde Barbaren schienen von überall auf sie einzuströmen. Nein, hier war auch ganz bestimmt der falsche Platz, um sich darüber Gedanken zu machen, ob ihn kranker Ehrgeiz in diese lebensbedrohliche Lage gebracht hatte. Außerdem war jede Position in einer Schlacht lebensbedrohlich, den Pferdeknecht hinter den Reihen der Soldaten konnte ebensogut ein verwirrter Pfeil treffen. Aber Mars sei sein Zeuge, Quatre sah kaum mehr die anderen Truppenteile oder die Standarte der Legion. Sie waren wohl zu weit auseinander getrieben worden. Das war sein Versäumnis! Mit dem Handrücken wischte er sich über das Kinn. Er schwitzte und das obwohl es heute ausgesprochen kühl und nass war. Ein Nachteil für die Soldaten aus den südlicheren Gefilden. Das Gebrüll wurde wieder lauter, hatten sie nicht schon genügend Barbaren in die Unterwelt gesandt? Woher kamen diese Menschenmassen? Sicherlich musste doch bald keine Feinde mehr übrig sein, die dem Römischen Reich Schwierigkeiten bereiten konnten? Quatre blickte sich nach seinen Centurios um. Sie mussten sich dringend wieder sammeln, so auseinander getrieben wie sie im Moment waren, war sie zum einen viel zu anfällig für die erneuten Angriffe und zum anderen waren sie auch ihren Kameraden im Zentrum des Schlachtfeldes keine große Hilfe. Mit Sicherheit hatte auch schon Treize darüber Kenntnis erlangt, dass Quatres Truppenteil versprengt war. Er würde seine Strategie wohl entsprechend anpassen. Doch Quatre war nicht bereits so einfach aufzugeben. Auch wenn es schwierig war und man im Getümmel nur allzu leicht die Orientierung verlor, er wusste genau, wo das Hauptteil der Legion verortet war. Und genau dorthin musste er seine Männer treiben. Er war sozusagen wie der Schäfer einer Herde. Quatre rannte zum nächstbesten Centurio. Auf dem Weg dorthin musste er sich drei dieser fellbehangenen Barbaren gegenüberstellen. Allesamt größer als er selbst. Einmal stolperte er über eine Wurzel, oder war es der Bau eines Tieres? Egal. Auf jeden Fall schmerzte davon sein rechter Knöchel bei jedem Schritt. Doch Quatre biss die Zähne zusammen, ignorierte diese Störung. Er brüllte seinen Untergebenen die Befehle über den toten Körper eines Legionärs hinweg zu. Der Soldat war noch so jung gewesen, wie Quatre bei einem flüchtigen Blick auf das Gesicht feststellte. Womöglich sogar noch jünger als er selbst. Hatte er schon bei einer Frau gelegen? Nein, dies war der falsche Platz um darüber nachzudenken. Mit einem grimmigen Lächeln verstärkte Quatre den Griff um sein Kurzschwert. Seine Stimme wurde so langsam heiser und rau als er eine Gruppe Legionäre unter der Androhung, dass er sie persönlich auspeitschen würde, wieder zurück ins Getümmel sandte. Jetzt kam wieder Ordnung in ihre Reihen und der nächste Angriff wurde so effizient und routiniert abgewehrt, wie man es sich auch von der besten und größten Armee der bekannten Welt vorstellte. Doch Quatre durfte jetzt nicht nachlassen. Er stellte sich zu seinem dienstältesten Centurio und achtete genau auf die Befehle dieses Veteranen. Diese unzähligen Jahre an Erfahrung waren viel zu kostbar als dass er es ignorieren konnte. Sie hatten diese Schlacht dann letzten Endes für sich entscheiden können. Nach einem ganzen Tag angefüllt mit Kämpfen und Tod. Quatre stolperte mehr zu seinem Zelt als dass er noch richtig gehen konnte. Seinen rechten Knöchel durfte er überhaupt nicht mehr belasten. Er zweifelte sogar, ob er noch seinen Stiefel auszuziehen vermochte, oder ob das Gelenk nicht zu angeschwollen war und er das Leder irgendwie aufschneiden musste. In seinem Zelt setzte er sich zunächst auf seine Liege und beschloss so schnell nicht mehr aufzustehen. Egal, ob er nach Schweiß stank. Egal, ob seine Rüstung beschmiert war mit Dreck und... und Blut. Aber darüber wollte er jetzt auch nicht nachdenken. Irgendwann musste er eingeschlafen und auf sein Lager gesunken sein. Erst eine kalte Hand an seiner Wange ließ ihn wieder erwachen. Quatre schreckte nicht einmal zusammen, so erschöpft war er, als er den dunklen Schatten wahrnahm, der sich über ihn beugte. War es inzwischen so dunkel geworden? Hatte er hier so lange geschlafen? „Der Legat wünscht dich zu sprechen“, sagte er Schatten und trat einen Schritt zurück. Quatre kämpfte sich nur mit Mühe in die Höhe und als er endlich aufstand, knickte sein Fuß sofort ein. Der Schatten kam zu ihm gesprungen und stützte ihn. „Seid Ihr etwa verletzt? Warum ist dann kein Heiler bei Euch?“ Das konnte Quatre selbst nicht beantworten und so beließ er es zu schweigen. Er wollte nicht an der Seite dieses Boten durch das Lager zu Treizes Zelt gehen. Nein, er wollte doch Stärke zeigen! So stark sein wie Heero. Als sie nach draußen traten, vermochte Quatre im Schein der zahlreichen Lagerfeier einen ersten Blick auf den jungen Mann werfen, der ihn da geholt hatte. Es musste wohl einer von Treizes Sklaven sein, doch Quatre hatte ihn noch nicht zuvor gesehen. Gut, das Lager war ja auch groß und Treize hatte mit Sicherheit mehr als einen Sklaven hier bei sich. Er war in der Tat noch jung. Groß und schlank. Aber man sah, dass er täglich körperliche Arbeit verrichten musste. Außerdem roch er ganz leicht nach den Stallungen. Also ein Pferdeknecht? „Bist du ein Sklave des Legaten?“ „Ja.“ Nicht sehr gesprächig das Kerlchen. Aber Quatre wollte unbedingt den Namen erfahren. „Und dein Name?“ Da wurde er erstaunt angeblickt. Der Sklave hatte grüne Augen, eines davon war hinter einer dicken Strähne braunen Haares verborgen, das ihm über die Stirn fiel. Oh, aber er hatte feine Gesichtszüge. Etwas in Quatre regte sich, wärmte sein Blut, obwohl er noch Augenblicke zuvor geschlafen hatte und erschöpft sein sollte. „Trowa. Ich heiße Trowa.“ „Trowa“, Quatre testete den Klang dieses ungewöhnlichen Namens auf seiner Zunge. ‚Trowa.‘ Da hatten sie auch schon Treizes Unterkunft erreicht, bevor Quatre weitere Fragen stellen konnte. In seinem Zelt stand Treize über ein paar Karten gebeugt. Er hatte bereits seine Rüstung abgelegt, doch die Tunica war noch so dreckig und fleckig als ob er gerade vom Schlachtfeld gekommen wäre. Heero war an seiner Seite und studierte die Karten. Der Tribun trug einen Verband um seinen Kopf. Treize hingegen schien größtenteils unverletzt zu sein. Wenn man auch deutlich sah, dass seine Hände aufgeschürft waren, die Haut an den Knöcheln aufgeplatzt. Wie bei ihnen allen. Treize hatte selbst gekämpft und es nicht dabei belassen seinen Truppen von sicherer Entfernung aus zuzusehen. Deshalb liebten ihn die Soldaten auch so. „Oh Quatre, gut dass du... da bist.“ Treize stutzte. „Entschuldige, ich war nicht mehr in der Lage meine Kleidung zu wechseln“, erwiderte Quatre, weil er meinte, dass dies der Stein des Anstoßes wäre. „Trowa, ruf mir Sally. Sofort!“, befahl Treize. Schon setzte sich Heero in Bewegung und eilte an Quatres Seite. „Was soll das?“, entrüstete sich Quatre und wollte Heeros Hände abwehren, die sich an seiner Rüstung zu schaffen machten. „Hast du es denn nicht bemerkt? Du blutest!“ Heero drückte ihn auf den nächstbesten Sessel. Bildete es sich Quatre nur ein, oder war die Stimme des Tribuns voller Sorge? Erst hier auf dem trockenen, frisch mit Stroh ausgelegten Boden fiel es ihm auf: Blut tropfte von seinen Beinen hinab. Stimmt, es fühlte sich auch feucht unter seinem Brustpanzer an. Endlich hatte Heero die Verschnürungen des Panzers gelöst und befreite Quatre vorsichtig davon. Treize pfiff durch die Zähne: „Da hast du dir aber eine wahre Schönheit eingehandelt!“ Quatre sah an sich herab. Irgendwie hatte es einer der Barbaren geschafft mit einem Messer oder einem Schwert unter seinen Panzer zu gelangen. Die Klinge hatte seine Haut abgeschabt. Schön fein säuberlich. Schnell blickte er zur anderen Seite, wo Treize stand. Heero indes versuchte Quatres Tunica mit dem Messer zu zerschneiden, dass die Wunde offen dalag. „Alle Achtung Winner. Du bist zäher als ich gedacht hatte“, knurrte der Tribun und Quatre musste grinsen. Merkwürdig dass er keinen Schmerz spürte, nur eine unbändige Freude ob dieser Worte. Ausgerechnet aus Heeros Mund. Hätte sie Treize ausgesprochen, dann hätten sie ihm nur halb so viel gegolten. Als jedoch die Treizes Heilerin eintraf, war er doch bereits in Ohnmacht gefallen. Quatre kam erst wieder zu sich als sie schon wieder ihre Utensilien zusammenpackte und niemand anderem als Trowa Instruktionen gab: „Bleib an seiner Seite und achte darauf, dass er nicht aufsteht. Er braucht mindestens einen Tag Ruhe. Sein Körper war völlig ausgelaugt. Hoffentlich ist er nicht zu geschwächt und entwickelt kein Fieber.“ Wie war das? Trowa sollte an seiner Seite bleiben. Und das mindestens einen Tag lang. Quatre wusste nicht genau, warum ihn diese Aussicht so sehr freute. Eigentlich sollte er doch eher darüber besorgt sein, dass sie glaubte, er könnte ein Fieber, immerhin ein lebensbedrohlicher Zustand, entwickeln! Treizes Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Ob Quatre es denn nicht einmal mit einem Jungen probieren wollte. Trowa half ihm am nächsten Abend zurück in sein eigenes Zelt. Der Pferdeknecht war äußerst wortkarg, obwohl Quatre immer wieder versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln. „Bleibst du noch?“, wollte Quatre wissen und er vermisste bereits jetzt den starken Arm des Sklaven, der dieser um seine Hüfte geschlungen hatte, um ihn zu stützen. Denn neben der Wunde auf seiner Brust hatte Quatre sich auch einen Schnitt knapp über seinem linken Knie eingehandelt. „Das waren die Befehle des Legaten“, erwiderte Trowa steif und sah sich genauer in Quatres Unterkunft um. Quatre blieb direkt vor ihm stehen und legte den Kopf schräg. Er wusste, dass ihm die Heilerin irgendetwas gegen die Schmerzen gegeben hatte. Es fühlte sich ein bisschen so an, als ob er zu viel Wein getrunken hätte. Übermütig und alles erschien ihm so unkompliziert. Er lachte unwillkürlich. Trowa wollte ihn einfach nicht ansehen. Es war ihm sichtlich unangenehm. „Trowa“, gurrte Quatre und streckte einen Arm aus. „Bitte, lasst das sein!“ Trowa sah ganz und gar unglücklich aus. „Warum nicht?“ „Du bist ein Adliger, ich bin ein Sklave. Das schickt sich nicht.“ Das war wohl die absurdeste Begründung, die Quatre je gehört hatte und er lachte heiser: „Und Treize ist sogar Legat, also...“ Trowa packte ihn am Handgelenk. „Nicht! Was immer du gehört hast. Nein, Treize lässt sich mit keinem seiner Sklaven oder Sklavinnen ein. Nie!“ „Gut, entschuldige.“ Quatre nahm auf seiner Liege Platz. Treize hatte Wort gehalten und ihm eine bessere Schlafgelegenheit bringen lassen. Diese war sogar etwas breiter als Quatres alte Pritsche. „Schmerzt dein Bein?“ Quatre zog eine Schulter nach oben. Wenn er so darüber nachdachte, sein gesamter Körper schmerzte, auf die ein oder andere Weise. Trowa seufzte und kniete sich neben ihn auf den Boden, schob den Saum seiner Tunica nach oben, um sich die Wunde genauer zu besehen. Oh, es war ziemlich gefährlich, diese Position und dies bemerkte auch Trowa. Er versuchte Quatres eigenmächtigen Schwanz zunächst zu ignorieren, doch dann konnte er sich ein dünnen Lächeln nicht verkneifen. Nun wurde Quatre so langsam übermütig und er ließ seinen Fuß zwischen Trowas Beine wandern. Uh, da spürte er doch auch etwas Hartes! „Nicht.“ Trowa kniff die Augen zusammen, als ob er sich jetzt sehr konzentrieren müsste, als ob es ihn unmenschliche Kraft kosten würde, sich um alles in der Welt nicht von der Stelle zu rühren. „Wenn du jetzt nicht aufhörst, dann...“ Das war eine Drohung nach Quatres Geschmack und strich mit seinem Span an der Innenseite von Trowas Schenkeln entlang. Das entfachte regelrecht einen Dämon, denn ehe sich Quatre versah, lag er auf seiner Pritsche. Seine Handgelenke waren über seinem Kopf gegen das Bett gepresst und der Sklave saß rittlings auf ihm. Die Position ließ zwar den Schnitt auf seiner Brust pochen, aber das war Quatre nun wirklich gleichgültig. „Lass deine Arme wo sie sind“, befahl Trowa. Mit großen Augen beobachtete Quatre wie sich der Pferdeknecht seiner Tunica entledigte. Und bei dem scharfen Tonfall ging es ihm durch und durch. Noch nie hatte jemand so mit ihm gesprochen. Noch nicht einmal sein Vater hatte so einen Tonfall angeschlagen. Quatre gehorchte selbstredend. „Also, wie magst du es?“, erkundigte sich Trowa, während seine Finger den Saum von Quatres Bekleidung Stück für Stück nach oben schoben. Die warmen Hände fühlten sich wundervoll auf seiner Haut an. Wie mochte es erst sein, wenn sich diese Finger um seinen Schwanz schlossen... Aber, was sollte er auf diese Frage antworten? „Nun?“, hakte Trowa nach. „Ähm...“ Quatre blickte zur Zeltplane empor und überlegte, was er sagen sollte. Er betete zu den Göttern um irgendeine Eingebung. Er hatte doch so viel gelesen, aber jetzt verließen ihn sämtlich Worte. „Ah... Ich verstehe.“ Trowas Blick wurde zärtlich und er strich mit einer Hand über Quatres Wangen. „Das meinte Treize damit.“ „Was hat Treize gesagt?“ „Er hatte ein paar Andeutungen gemacht. Hmpf, der Kuppler.“ Trowa berührte seine Hände und dies war wohl die Erlaubnis, dass sich Quatre wieder bewegen durfte. „Das ist selten, ein römischer Adlige wie du. Blond, blauäugig. Die Damen müssten sich doch nach dir verzehren.“ „Hör auf!“, Quatre errötete zunehmend. Trowa hatte in der Tat Erbarmen mit ihm. Er verlagerte sein Gewicht und küsste Quatre. Oh, es war so sanft, so zärtlich. Es rührte Quatre schier zu Tränen und wäre er nicht flach dagelegen, hätten seine Knie wohl ihren Dienst versagt. „Du riechst so gut“, raunte Quatre als Trowa so neben ihm lag. Der lachte nur. „Heute Morgen habe ich die Ställe ausgemistet und danach musste ich Sally helfen irgendwelche Kräuter zusammenzuschneiden und Tränke zu brauen.“ „Mhm...“ Quatre vergrub die Nase in dem dichten braunen Haar des anderen und er schlang ein Bein um die Hüfte Trowas. Wie von selbst wanderte Trowas Hand die Rundung von seinem Hintern entlang. Bevor Quatre darüber nachdachte, streckte er sich der Berührung entgegen. Trowa sollte weitermachen, genau in diese Richtung weitermachen. Dann streckte sich der Sklave und Quatre fragte sich bereits, was für ein neues Spiel dies jetzt wäre. Doch Trowa griff nur nach dem kleinen Tonkrug, der die Salbe für Quatres Wunden enthielt. „Wozu?“ „Kannst du dich auf den Bauch drehen? Ich will dir nicht wehtun... Es sei denn, du möchtest doch nicht...“ Quatre benötigte ein wenig Zeit, bis ihm bewusst wurde, was Trowa im Begriff war zu tun. Dann aber grinste er bereit und tat wie ihm geheißen. Er stützte sich auf den Ellbogen auf und zog ein wenig die Knie an. Neugierig beobachtete er Trowa, wie dieser die Salbe dick auf seinen Fingern verteilte. Und nein, es tat überhaupt nicht weh. Trowa war so sorgsam und vorsichtig. Er drang zunächst mit einem Finger in Quatre ein, dann folgte ein nächster. Quatre konnte gar nicht genug davon bekommen, er versuchte den Eindringlingen irgendwie entgegenzukommen. Außerdem beherrschte ihn der unendlich große Drang mit seiner Hüfte gegen etwas zu stoßen und zu reiben. Doch Trowas Hand auf seinem Hintern ließ ihn innehalten. Trowas Hand und die Stimme ganz dicht an seinem Ohr. „Geduld, Quatre. Nur langsam.“ „Dreh dich um, ich will dein Gesicht sehen.“ Trowas Hände stützen sich neben Quatres Kopf auf dem Bett ab und er hob seinen Körper an, damit Quatre sich unter ihm umdrehen konnte. Dann griff er nach seinem Fuß, drückte einen Kuss darauf und legte ihn sich über die Schulter. Er musste nicht mehr nach einem Zeichen der Zustimmung fragen, Quatres gieriger Blick sprach für sich. Am nächsten Morgen kam Sally zu ihnen, um nach Quatre zu sehen. Trowa war bereits angezogen und hatte etwas zu Essen besorgt. Er bat Sally auch um noch ein wenig Salbe. Sally musterte den leeren Krug. „Das hätte für drei Tage ausreichen sollen.“ „Nun, ich habe mich eben gut um unseren Tribun gekümmert“, erwiderte Trowa mit einem Schulterzucken. Sally blickte von Trowa auf Quatre hinab, der noch auf seiner Pritsche lag und die Decke bis zum Kinn hinaufgezogen hatte. Quatre wollte kaum den Blick der Heilerin erwidern. „Oh ja! Das hast du wohl!“, meinte sie und pfiff leise, aber durch und durch anzüglich, durch die Zähne. „Also wirklich, Frau!“, wies sie Quatre scharf zurecht. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen“, gab Trowa zurück. Kapitel 23: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Nach einem kurzen Ausflug zu James Bond und Q, geht es jetzt hier wieder weiter. Viel Spaß. Kapitel XXIII Sie behandelten ihn allesamt wie ein rohes Ei, oder wie ein frisch geborenes Fohlen, das noch nicht auf den eigenen Beinen stehen konnte und immer wieder zärtlich von der Mutter angestoßen wurde es doch wieder und wieder zu probieren die ersten eigenen Schritte zu tun. Selbst die Pferde schienen seine Hilfslosigkeit zu spüren, aber ihnen konnte er es noch verzeihen. Er würde sie hier alle zurücklassen müssen, diese edlen Tiere, die er selbst aufgezogen und ausgebildet hatte, deren Väter schon von seinem Vater auf die Welt gebracht worden waren. Treize streichelte ein letztes Mal über den muskulösen Hals des Hengstes. Lysis hatte schon die Steppen Seres gesehen. Er hatte ihn Wufei geschenkt, als dieser in das Land seiner Familie zurückgekehrt war, doch jetzt musste er auch hier bei den Gauklern bleiben. Natürlich zweifelte Treize nicht daran, dass sich diese Menschen gut um die Tiere kümmern würden. Sie hatten ja auch ihnen Unterschlupf gewährt, ihre Vorräte und Kleidung geteilt. Catherine und die anderen waren auch gut dafür entlohnt worden. Die Edelsteine, die nun in den Wägen der Schaustellertruppe sicher verstaut waren, würde mehr als zwei Jahre für das Futter der Tiere ausreichen. Und es war ja nicht so, dass Treize in Germanien viel Verwendung für Edelsteine haben würde. Germanien, ja das war nun das nächste Ziel ihrer Flucht, denn als solche bezeichnete es Treize mittlerweile. Lysis schnupperte an Treizes rechter Hand und reflexartig zog er das Körperteil zurück. Jede noch so kleine Berührung war äußerst schmerzhaft. Die Wunde hatte sich noch immer nicht geschlossen. Sally verzweifelte so langsam daran und sie hätte ihn wohl auch noch länger unter Drogen gehalten. Doch die Überquerung der Alpen auf den Trampelpfaden, die nur die Einheimischen kannten, war nicht mit einem Mann zu bewältigen, der auf einer Bahre festgeschnallt sein musste. Natürlich befanden sich auch noch die unmittelbaren Gebiete hinter den Alpen in römischer Hand, doch der Einfluss dort war schwindend gering und es sollte leichter werde unterzutauchen. Treize wandte den Kopf. Oh, da standen sie alle und beobachteten ihn. Jede seiner Bewegungen wurde begutachtet. Jedes Schwanken, jedes Stolpern versetzte seine Getreuen in Alarmbereitschaft. Allen voran Zechs, der sich gerade ein Herz fasste und zu ihm hinübergestampft kam. Es wurde Zeit. Das Wetter verhieß nichts Gutes und ihr Führer drängte darauf, dass sie den Aufstieg heute begannen. Treize wusste nicht, ob er es schaffte, ob sein Körper diese Strapazen aushalten würde. Das Wetter würde nur noch schlechter werden. Die Überquerung damit noch anstrengender. Aber wenigstens wurde es so auch für ihre Verfolger schwieriger. Ein paar Mal war es knapp geworden auf ihrem Weg nach Norden und mehr als einmal war eine Patrouille der Römer neben ihnen hergeritten. Oder zumindest hatte man es Treize so erzählt, ihn hatten sie ja ruhiggestellt. Wenigstens seine Nase war gut zusammengewachsen und mit Freude wies er Sally von Zeit zu Zeit auf diesen Umstand hin. Wenn sie ihn schon tagtäglich damit quälte seine Hand zu versorgen. Nicht, dass er es sie machen ließe. Die Gaukler würden jetzt wieder nach Süden ziehen und sich in einer der größeren Städte für den Winter einquartieren. „Hast du dich verabschiedet?“ Zechs hatte ihn erreicht und nun klopfte auch er Lysis auf den Hals. Der Hengst schnaubte und schüttelte den Kopf. „Sie werden sich gut um die Pferde kümmern und wenn wir wiederkommen, gehören sie wieder uns.“ „Ich weiß.“ ‚Wenn wir wiederkommen.‘ Schön, dass Zechs daran glaubte, Treize war sich da nicht mehr so sicher. Überhaupt wusste er nicht mehr, was er zu erreichen glaubte. Er hätte auf Marcus‘ Angebot eingehen sollen. Er hätte seine Villa behalten können, hätte sein Leben auf dem Land verbracht. Er und Zechs hätten zusammenleben können, ohne die Augen der Gesellschaft auf sich wissen zu müssen. Er hätte Mariemaia aufwachsen sehen können. Sie war jetzt in den Fängen von Marcus, sie wäre es auch gewesen, wenn er keinen Widerstand geleistet hätte. Und er hätte jetzt keine rechte Hand, die ihm nur Schmerzen bereitete und mit der er nicht einmal Zügel halten konnte. „Was ist los, Treize?“ ‚Ich bin müde.‘ Er wusste nicht, wann er sich je so erschöpft und ausgelaugt gefühlt hatte. Es hatte immer etwas gegeben, dass ihn angetrieben hatte, aber jetzt... Ja, er hatte gegenüber Zechs vollmundig verkündet, er würde nach Rom zurückkehren und dies mit Hilfe der Germanen bewerkstelligen. Aber dieses Vorhaben war doch zu groß für einen gewöhnlichen Mann. Der Wind frischte auf und ließ den Umhang aufbauschen, den er um seine Schultern trug. Fröstelnd zog er den Stoff enger um seinen Körper. „Gehen wir.“ Treize schenkte den Pferden einen letzten Blick und drehte sich mit einer Entschlossenheit um, die er so gar nicht fühlte. „Treize.“ Zechs griff nach seinem linken Handgelenk. „Lass Sally deine Hand untersuchen.“ Treize kam es so vor, als ob dies seit den drei Tagen, die er nun wieder wach war, das einzige Gesprächsthema zwischen ihnen war. „Wir haben jetzt keine Zeit dafür.“ „Dann heute Abend?“ „Wir werden sehen.“ „Treize...“ Treize zog ihn zu sich heran und küsste ihn kurz. Hoffentlich beruhigte dies Zechs. Seine Hand machte ihm selbst die größten Sorgen und Ängste. Natürlich hatte er sich die Wunde in den letzten Tage selbst angesehen und er war schon oft genug in den Zelten der Heiler gewesen, dass er genau wusste, wann ein Körperteil noch zu retten war und wann nicht. Sally würde die Hand amputieren müssen und dies war seine größte Angst. Er war nicht nur Befehlshaber, er hatte immer selbst ein Schwert in den Händen gehalten oder einen Bogen. Wenn sie ihm die Hand nahm, würde er kein vollwertiger Mann mehr sein. Zechs beteuerte zwar, er würde sich um ihn kümmern, aber wollte der Germane das? Einen Krüppel. Wenigstens für eines war der lange und beschwerliche Aufstieg gut, niemand zwang ihn zum reden. Sie mussten alle aufpassen, wo sie ihre Füße hinsetzten. Die Wege waren teilweise rutschig und ein Sturz in den Bergen konnte wirklich den Tod bedeuten. Ohne die Führung des einheimischen Hirten hätten sie es wohl nicht überstanden, vor allem als der Schneesturm einsetzte. Sogar ihr Führer war überrascht davon gewesen. Es wäre wohl sehr gewöhnlich, dass der Schnee so früh im Jahr einsetzte. Ein schlechtes Omes vielleicht? Ein Wink der Götter, dass ihr Vorhaben ohnehin zum Scheitern verurteilt war? Also kauerten sie am fünften Tag in einer kleinen, stickigen Höhle und knabberten an den verschrumpelten Äpfeln, die sie als Proviant mitgenommen hatten. Noch zwei Tage, dann wäre das Schlimmste überstanden. Leise Gespräch wurden um das Lagerfeuer herum geführt. Wufei erzählte eine Geschichte und Treize ließ sich von der Stimme des alten Freunden nur zu gerne in einen unruhigen Schlummer versetzen. Er schlief nicht mehr gut, eine Folge des Fiebers. Noch hatte es Sally nicht bemerkt und Zechs hielt er auf Abstand. Wenn es auch wehtat den Germanen abzuweisen. Es wäre in den vergangenen Nächten schön gewesen einen warmen Körper hinter sich zu wissen, aber er hatte die Einsamkeit zu gerne ertragen mit dem Wissen, dass er Zechs so weitere Sorgen ersparte. Das Zittern begann wieder. Den ganzen Tag bereits kämpfte er dagegen an, wenn er in Bewegung war, war es leichter es zu verbergen, aber hier... Deshalb hatte er sich auch unter drei Decken vergraben. Wenn die anderen es herausfanden, würde ihn Sally untersuchen, sie würde seine Hand sehen und dann... Nein, er wollte seine Hand nicht verlieren, eher wollte er sterben. Treize war eingeschlafen. Sein Körper ein unförmiges Etwas unter den Decken, die er um sich gewickelt hatte. Zechs gähnte und debattierte mit sich, ob er wider besseren Wissens mit unter die Decken schlüpfen sollte. Dabei hatte ihn Treize die letzten Tage immer abgewiesen. Natürlich erwartete Zechs nicht, dass sie diese exquisiten, aufregenden Dinge tun würden, die sie damals während den wenigen glücklichen Tagen in der Landvilla getan hatten, aber allein Treize in den Armen halten zu können, wäre ihm Befriedigung genug. Er beneidete Quatre und Trowa schon ein wenig darum, dass sie einander hatten. Ihm war, als ob sich Treize immer weiter von ihm entfernte. Natürlich hatte der Konsul viel durchmachen müssen und er war nicht erfreut gewesen, dass sie ihn unter Drogen gesetzt hatten. Vielleicht war es dies, Treize war nachtragend und ließ sie so seinen Zorn spüren. Manchmal hatte er ja diese naive Ader. Eigentlich war Zechs so stolz auf den Römer. Er ertrug das stürmische Wetter, den Schnee und die Entbehrung des Fußmarsches wie ein echter Germane, nicht wie ein verzogener, verweichlichter Römer für den ihn Zechs vor nicht allzu langer Zeit gehalten hatte. Sally, die heute Abend neben ihm saß, war eingenickt und ihr Kopf lehnte gegen seine Schulter. Jetzt schreckte sie aus ihrem Schlummer auf und rieb sich den Nacken. Zechs lehnte sich gegen den nächsten Felsen und zog sie näher an sich. Sie war zwar eine zähe Persönlichkeit und er würde sich hüten es ihr gegenüber zu erwähnen, doch für sie als Frau mussten diese Strapazen noch viel schlimmer sein. Zumal sie ihre monatlichen Blutungen hatte. Sie gab sich zwar alle Mühe es zu verbergen, doch es gab nicht viel Möglichkeiten dazu. Nicht bei einem Schneesturm, nicht, wenn man sich in einer Höhle befand und nicht nach draußen gehen konnte. Sie hatte sich einen größeren Stein, der in der Nähe der Glut ihres Feuers gelegen hatte, in eine wollene Tunica gewickelt und presste dieses Bündel jetzt gegen ihren Bauch. „Hast du keine Scharfgarbe mitgenommen?“ „Schlaues Bürschchen. Kennst ein paar Kräuter mit Namen und hältst dich für einen Heiler.“ Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an, aber nichtsdestotrotz machte sie es sich an seiner Schulter bequem. „Darf ich? Lucrezia hat es immer gut getan.“ Er hatte die Hand auf ihren Rücken gelegt und als Sally nickte, tastete er sich durch die vielen Lagen Stoff und rieb mit etwas Druck über die Haut. Erst später fiel ihm auf, dass es das erste Mal gewesen war, dass er Lucrezias Namen gesagt hatte und nicht mit den Tränen zu kämpfen hatte. „Was macht seine Hand?“ Er blickte wieder zu Treize hinüber, während er ihr den Rücken massierte. „Was? Woher soll ich das wissen, du hast sie doch versorgt.“ „Nein, er sagte, du hättest die Wunde gesäubert.“ „Und Treize sagte zu mir, dass du...“ Das war wieder so dermaßen typisch für Treize, dass er die Behandlung verweigerte. Sally und Zechs sahen sich an. Sie seufzten beide laut auf und Sally stemmte sich in die Höhe. „Wenn du ihn festhältst, wird er sich wohl kaum noch wehren können.“ Duo blickte bei diesen Worten irritiert auf: „Was habt ihr vor? Es klingt irgendwie pervers.“ „Du und deine schmutzigen Gedanken“, bescheinigte Sally dem Sklaven. „Versuch zu schlafen.“ „Treize, lass mich nach der Hand sehen“, Zechs kauerte sich neben dem Schlafenden nieder und rüttelte ihn an der Schulter. Sie war heiß, die ganze Schulter war heiß. Er ließ die Finger in den Nacken des Konsuls wandern. Auch dort. Zechs sah auf, pure Hilfslosigkeit zeigte sich auf seinem Gesicht und Sally befürchtete wohl bereits das Schlimmste. Sie stürzte zu Zechs und nun war Duo endgültig auf den Beinen. Die anderen regten sich ebenfalls unter ihren Decken. „Du verdammter Hund, das tust du mir nicht an. Du stirbst mir nicht auf diesem Stück Felsen unter den Fingern weg, dafür habe ich dich schon viel zu oft wieder zusammengenäht!“ „Er lebt noch“, beruhigte Zechs die anderen, die nun direkt hinter ihnen standen. Aber seine Stimme zitterte, klang nicht sehr zuversichtlich. „Ich gehe nach draußen und hole Schnee“, meldete sich Trowa. Er wusste wohl ziemlich gut Bescheid, was zu tun war. „Wir werden seinen Körper kühlen müssen.“ Sally nickte. „Aber zuerst müssen wir wissen, was es hervorruft.“ „Vermutlich seine Hand.“ „Vermutlich“, bestätigte Sally und zog Treizes Arm unter den Decken hervor. Warum war es ihnen nicht früher aufgefallen? Vielleicht, weil sie sich sonst im Freien aufgehalten hatte, doch hier im begrenzten Raum der Höhle war der Geruch sofort wahrnehmbar, nachdem die Decke weggezogen war: Der Geruch von Verwesung und Eiter. Sally fluchte und bemühte sich so vorsichtig wie möglich den Verband abzulösen. Es war die feinste, ägyptische Baumwolle, die sie dafür verwendet hatte. Doch nun war sie gelblich verfärbt. Die Schmerzen mussten stark genug gewesen sein, dass er Treize aus seinem Schlummer weckte. Er entzog Sally die Hand. „Treize, bitte!“, flehte Zechs und umrahmte das Gesicht des Konsuls mit seinen Händen. Sogar die Wangen brannten. Treizes Körper war fest im Griff des Fiebers. „Wir wollen dir nur helfen. Also, dann lass dir auch helfen. Wir machen das hier alles nur für dich!“ Treize lachte kurz auf. „Die Hand ist nicht mehr zu retten und das weißt du.“ Zechs warf einen Blick darauf. Es war viel weniger die Hand, als der Finger, der von Marcus‘ Misshandlungen am meisten geschädigt worden war. Zwar hatte sich die Wunde auf dem Handrücken noch nicht völlig geschlossen, aber sie sah eigentlich ganz gut aus. Der Finger jedoch war stark geschwollen und das Fleisch verfärbt. Mit Sicherheit schon abgestorben und dieses Gift war es wohl, das Treizes Körper nun lähmte und ihm das Leben kosten würde, wenn sie sich nicht beeilten. „Du wirst nicht mehr zu retten sein, wenn wir dir nicht helfen“, knurrte Sally und bellte Quatre Befehle zu. Er solle ihre Messer, die sauberen Tücher, verschiedenste Kräuter holen. Wie gut, dass die Ärztin darauf bestanden hatte ihr gesamte Ausrüstung mitzunehmen. „Lass es sein! Ich will nicht als Krüppel leben.“ „Was willst du damit sagen? Dass du lieber sterben willst, hier? Nachdem was wir alles für dich getan und geopfert haben?“ Der Zorn in Zechs‘ Stimme war nicht gespielt, zu aufgebracht war er. „Wir haben für dich alles aufs Spiel gesetzt, so leicht kommst du mir nicht davon, hörst du?“ „Und du...“ Treize war dabei sich aufzurichten und Sally stemmte sich ihm mit aller Macht entgegen. „Wenn ihr beide euch jetzt die Köpfe einschlagt, hilft uns das erst recht nicht weiter.“ Sie blickte Treize mit ernstem Blick an. „Treize lass mir dir helfen, ich kann die Hand retten.“ „Das sagst du jetzt nur...“ „Nein! Ich... Jetzt bleib sitzen!“ Zechs nickte Trowa zu, der gerade eine Decke, in deren Mitte er Schnee getürmt hatte, in eine Ecke weit weg vom Feuer deponiert hatte. Wenigstens verstand der Knecht sofort und kauerte neben Treize, hielt dessen Arme fest und schränkte seine Bewegungsfreiheit damit ein. „Trowa, hör sofort auf damit.“ „Trowa, bleib da wo du bist“, hielt Zechs dagegen. „Sally, was musst du tun?“ Sie untersuchte noch einmal Treizes Hand. „Wenn ich deine Hand retten soll, dann muss der Finger jetzt abgenommen werden. Dann hast du noch eine Chance, verstehst du das Treize?“ Treize schwieg nur, sofern es möglich war, sein Gesicht wurde noch bleicher, abgesehen von den vom Fieber rotfleckigen Wangen. „Treize, bitte.“ Das war nun Zechs und als er sah, dass seine Bitte kein Gehör fanden, entschied er sich die Taktik zu ändern, auch wenn es ihn schmerzte dies zu sagen: „Bist du so feige? Das ist nicht der große Konsul, der Rom in eine bessere Zeit führen wollte.“ Für einen Moment war nur noch das Knistern des Feuers zu vernehmen, dann sackte Treize in sich zusammen und nickte nur. „Dann tu es“, murmelte er. „Gut“, nicht nur Sally atmete auf. Sie kramte nach ihren Arzneien und hielt Treize eine Phiole hin. „Schluck das und dann...“ „Nein.“ ‚Oh nein‘, Zechs wusste bereits, worauf Treize hinauswollte. ‚Oh ihr Götter, nicht auch noch das.‘ Ihm wurde bereits jetzt flau im Magen. „Wenn du mich jetzt unter Drogen setzt, werde ich die nächsten zwei Tage nicht zu gebrauchen sein. Erstens könnt ihr mich in diesem Gelände nicht tragen. Zweitens haben wir nicht genügend Vorräte, wir müssen es schnellstens über die Berge schaffen. Du musste es so machen, wenn Fortuna es erlaubt, werde ich schnell ohnmächtig.“ „Treize, bitte.“ Doch er schüttelte vehement den Kopf. „Ihr wisst alle, dass es die einzige Möglichkeit ist. Gib mir deinen Gürtel Trowa. Ich möchte wenigstens noch alle Zähne haben, wenn das hier vorbei ist.“ Sally traf ihre Vorbereitungen erstaunlich schnell, vielleicht weil sie fürchtete, Treize würde es sich doch anders überlegen. Sie brachte ihn näher an das Feuer heran, um besser sehen zu können. Sie wusch sich mehrmals die Hände und wies Quatre an das gleiche zu tun. Trowa sollte Treizes Arme und Oberkörper festhalten. Duo die Beine. „Zechs, geh nach draußen.“ Sie schaut zu ihm auf und Zechs wusste nicht, ob er für diesen Befehl dankbar sein sollte oder nicht. Treize öffnete die Augen und nickte ihm zu. Ja, Treize wollte nicht, dass er ihn so sah. Beobachten musste, wie er sich gegen die Schmerzen wehrte, die Sally ihm gleich würde zufügen müssen. Und Zechs wollte es auch nicht sehen, er würde es nicht ertragen. Wufei leistete ihm Gesellschaft, auch er war merklich blass im Gesicht. Gemeinsam kauerten sie im Eingang der Höhle, so weit sie sich herauswagen konnten. Ein jeder starrte auf seine Fußspitzen und versuchte verzweifelt die vielsagenden Geräusche auszublenden. Das feine Klirren der Messer, Treizes harsches Atmen, die unterdrückten Schreie, gedämpft durch den Lederriemen auf den er biss. Zechs hatte nicht bemerkt, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Er wischte sie mit dem Handrücken ab. Wufei kam zu ihm und drückte ihn an sich. Dankbar klammerte sich Zechs an den Freund. Dann verstummten die Schreie. „Er ist nur ohnmächtig geworden“, meldete sich Quatre, auch seine Stimme war voller Anspannung. Wer konnte es ihm verdenken. Leider erwachte Treize wieder aus seiner Ohnmacht als Sally gerade mit dem Knochen beschäftigt war. Sie musste ihre Arbeit unterbrechen, damit er sich übergeben konnte und so ging es noch zweimal. Danach waren sie alle in Schweiß gebadet und nicht minder ausgelaugt als Treize, der schwach blinzelnd auf dem Boden zwischen Felswand und Feuer lag. Die rechte Hand nun wieder in einen unförmigen Verband gewickelt. Wenigstens sah man so nicht, dass er einen Finger verloren hatte. Duo kam mit einem kleinen, blutigen Päckchen vor die Höhe und verscharrte es im Schnee. Es war wohl Treizes Finger. Nun war es an Zechs sich zu übergeben. Er wusch sich danach den Mund mit einer Handvoll Schnee aus und ging dann in die Höhe. Er musste sich zusammenreißen, das war er Treize schuldig. Er hätte diesen Eingriff nie durchgestanden, zu groß wäre seine Angst gewesen und er hätte liebend gerne die Droge geschluckt. Doch noch war Treize nicht außer Lebensgefahr. Der nächste Tag würde zeigen, ob Sally sauber und gut genug gearbeitet hatte. Ob sie genügend von dem kranken, vergifteten Fleisch entfernt hatte. Oder ob... Oh nein, Zechs würde nicht einmal daran denken. Er betete zu den Göttern, dass es Treize bald besser ging. Die Höhle roch unangenehm nach Erbochenem, Schweiß und viel zu viel Blut. Sally warf irgendwelche Kräuter in das Feuer, was es dann etwas erträglicher machte. Treize war noch immer wach. War das ein gutes Zeichen? Zechs kniete neben ihm nieder und befühlte die Stirn. Nein, er hatte nicht erwartet, dass das Fieber bereits sank und doch... Treize schlug die Augen auf und für einen kurzen Moment lächelte er ihn an. Doch dann schien selbst diese Anstrengung zu groß sein. „Leg dich zu mir“, raunte der Konsul leise. Keiner außer Zechs hatte es gehört und der kam der Bitte gerne nach, schlüpfte unter die Decke und hielt Treize dicht an sich gepresst. Kapitel 24: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XIV Sie wurden verfolgt. Zechs wurde diesen Gedanken oder besser gesagt diese Wahnvorstellung einfach nicht los. Seit drei Tagen spürte er es, fühlte sich beobachtet. Und nein, es lag nicht allein an der Tatsache, dass sie sich nun mittlerweile tief im Gebiet der Germanen befanden und dass die hohen Bäume, die ihren Weg flankierten, wie stumme Wächter über ihnen thronten. Nein, das war es nicht. Zechs hatte seine Befürchtungen gleich seinen Weggefährten mitgeteilt, doch jene fühlten es nicht. Was schon merkwürdig war. Zumindest Quatre und Treize waren geübte Kämpfer mit einem gewissen Instinkt für solche Dinge. Ihnen behagte zwar ihre aktuelle Umgebung nicht, die Gefahr von Hinterhalten war einfach sehr groß, doch ansonsten. Nein, sie fühlten sich weder verfolgt noch beobachtet. Keiner von ihnen hatte auch irgendwelche verräterischen Spuren gefunden und Zechs glaubte kaum, dass jemand so gut war, dass er überhaupt keine Spuren hinterließ. Kein geknickter Ast oder Blattwerk, kein Fußabdruck. Das war unmöglich. Also wurden sie nicht verfolgt. Zechs musste sich dieser Logik unterwerfen... und doch fand er keine Ruhe. Mit dem Platz ihres Nachtlagers hatte sie heute Glück gehabt. Eine kleine Mulde, umrahmt von mehreren großen Felsblöcken und einem Überhang, so dass sie von Wind und eventuell auch Regen geschützt waren. Sofern der Regen nicht bald in Schnee überging, es war empfindlich kalt geworden und Zechs war einmal mehr froh darum, dass sie wenigstens genügend Geld hatten und handeln konnten. So hatten sie einen Karren nebst Pony erworben, neue, dicke Kleidung und Stiefel für jeden von ihnen. Der Wagen diente nicht nur der Tarnung, auch etliche ihrer Habseligkeiten wurden dort gelagert. Aber natürlich war ihre Geschichte von einem Trupp Kaufleute, die es in den Norden verschlagen hatte, so viel glaubhafter darstellbar. Nachdem sie die Berge überquert und den größeren, römischen Siedlungen aus dem Weg gegangen waren, hatte es keine Zusammenstöße mit Römern gegeben. Hier schien man sie auch nicht zu suchen. Zechs setzte sich neben das Feuer und kaute voller Nervosität auf seinem Daumennagel herum. Er hatte wieder ihre unmittelbare Umgebung abgesucht. Aber nichts gefunden, was auf einen Verfolger deuten könnte. Treize seufzte nur und schüttelte den Kopf. Er weidete gerade ein Kaninchen aus, während er Zechs anblickte. Zechs zog die Schultern nach oben und wollte bereits sein Jagdmesser zücken, um dem Tier das Fell abzuziehen. „Ich mache es schon selbst“, hielten ihn jedoch Treizes Worte zurück. Das waren im Übrigen die Worte, die er beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit von sich gab. Jeder, der ihm irgendwie helfen wollte, bekam sie zu hören. Treize wollte sich nicht helfen lassen, sondern mit seiner verstümmelten rechten Hand genauso gut umgehen lernen, wie mit einer gesunden Hand. Also mühte er sich jeden Tag ab seine Finger ganz normal zu benützen. Die Tatsache, dass die Narben und Brüche erst einmal heilen mussten und dadurch die Beweglichkeit zusätzlich eingeschränkt war, machte es nicht leichter für ihn. Aber auch nicht für Zechs, der sich diese Bemühungen stets ansehen musste. Einmal hatte er es tatsächlich getan und Treize das Messer aus der Hand genommen. Treize hatte ihn geradezu angefaucht und ihn scharf zurechtgewiesen. Seit daher versuchten er und die anderen einfach darüber hinwegzusehen. Gestern hatte Treize auch wieder begonnen mit Pfeil und Bogen zu schießen. Die Kaninchen heute hatte zwar Zechs erlegt, Treize Pfeile gingen zu weit daneben, doch der Ehrgeiz war da. Treize musste seine Technik etwas abändern, hatte er jetzt doch nur noch drei Finger an der rechten Hand, die die Sehne spannen konnten. Allerdings war sich Zechs sicher, dass Treize es schaffen würde, wenn er nur etwas geduldiger wäre und nicht bei seinen ganzen Versuchen eines normalen Lebens sich nicht noch etwas Schlimmeres antat. Zechs hatte heute berechtigte Angst gehabt, Treize würde sich selbst ins Bein schießen, bei dem Versuch die Bogensehne zu spannen. Jedoch würde er sich hüten überhaupt etwas zu sagen. Sollte es doch Sally versuchen, oder Quatre. So verging der Rest des Tages und der Nacht sehr unspektakulär. Natürlich war es unnötig zu erwähnen, dass sich zwischen ihm und Treize rein gar nichts, absolut nichts regte. Sie lagen zwar nebeneinander in der Nacht, doch jeder unter seinen eigenen Decken und mehr als eine flüchtige Berührung war nach der Episode in der Höhle nicht geschehen. Am Morgen packten sie zusammen und wandten sich einmal mehr nach Norden. Immer weiter nach Norden verschlug es sie. Einfach, weil so auch der Einfluss des Römischen Reiches stetig schwand. Außerdem gab Zechs die Richtung vor, die anderen folgten ungefragt. Sie glaubten wohl, er vermutete dort seinen Clan wiederzutreffen. Zechs wusste, dass es genau nicht so war. Er wusste es einfach so, dass er diese Richtung einzuschlagen hatte. Ob es an seinem alten Clan lag, der im Übrigen gar nicht sein richtiger Clan gewesen war, sondern nur die Männer und Frauen, die ihn als Zechs Merquise akzeptiert hatten, oder dass ihn die alten Götter leiteten... Wer vermochte es schon zu sagen? Dass es Treize so langsam besser ging, bemerkte man auch daran, dass er Zechs mindestens fünfmal am Tag fragte, wo es denn hinging und wen sie dort zu treffen gedachten. Als ob Zechs dies wüsste. Er war sich ja selbst so unsicher und Treizes Nachbohren machte es nicht gerade leichter. Auch so ein Grund, warum sich ihr Verhältnis zurzeit so abgekühlt hatte. „Also, dann gibt es keinen Kaiser bei den Germanen?“, erkundigte sich Duo am Nachmittag. Sie hatten zwar schon einige Male darüber gesprochen, über die Unterscheide von Germanen und Römern, doch Duo wollte es wohl ganz genau wissen. Zechs unterdrückte ein Seufzen und antwortete: „Nein. Wir sind in Clans organisiert und von Zeit zu Zeit schließen sich Clans zusammen, um gegen eine äußere Bedrohung zu kämpfen, so wie gegen die Römer, aber ein gemeinsames Oberhaupt gibt es nicht.“ Er stieg zu Duo auf den Wagen. Ihr Pony gab ein protestierendes Wiehern von sich, aber trottete gutmütig weiter. Viele Reisende waren ihnen bis jetzt nicht begegnet, was ja gut war. Doch leider hieß dies auch, dass sie nicht wussten, wie die Situation bei den Germanen aktuell stand. Fochten sie gerade eine Fehde untereinander aus? Wer kontrollierte das Gebiet, in welchem sie sich befanden? Und wo waren die Römer stationiert? Hatte es kürzlich Patrouillen in der Gegend gegeben? Alles Dinge, die man mit anderen Reisenden hätte besprochen können. „Wenn ihr euch besser organisiert hättet, dann hättet ihr den Römern in diesen Wäldern mehr Widerstand entgegensetzen können.“ Es war ja nicht schwer zu erraten, wer diese Weisheit von sich gegeben hatte und Zechs funkelte Treize nur finster an, der auf der anderen Seite des Wagens lief. „Du brauchst mich gar nicht so anzublicken, du weißt, dass es wahr ist“, meinte der ehemalige Konsul mit einem Schulterzucken in Zechs‘ Richtung. Zechs verbot sich eine Erwiderung. Hoffentlich hielt das Wetter sich einmal ein paar Tage. Der Regen schlug ihm aufs Gemüt, abgesehen von seinen Befürchtungen, dass sie jemand oder etwas verfolgte. Ganz zu schweigen davon, dass es kein Vergnügen war selbst ihren kleinen Wagen aus dem Matsch zu ziehen, wenn einmal wieder ein Rad steckengeblieben war. „Zechs‘ Vater wollte die Germanen einen. Und interessanterweise ohne den Gebrauch von Gewalt. Kein Wunder, dass ihn die anderen Stammesfürsten haben umbringen lassen und...“ Weiter kam Treize gar nicht mehr, denn schon fand er sich in dem zuvor erwähnten nachgiebigen Waldboden wieder. Zechs hatte sich auf ihn gestürzt und schon waren sie in eine mittlere Rauferei verstrickt. Am Rande hörte Zechs, dass Sally die anderen anwies sie in Ruhe zu lassen und einfach ein Stückchen weiterzugehen. Kluge Frau! Zechs hatte bereits seinen Unterarm auf Treizes Hals gepresst und hinderte ihn so am Atmen. Doch Treize wusste sich zu wehren und schon lagen seine Hände wiederum um Zechs‘ Kehle. Ob zehn oder neun Finger. Treize war stark genug, um ihm damit auch beträchtliche Schwierigkeiten zu bereiten. Doch ohnehin ging es hier in erster Linie um Frustabbau. Sie wollten einander nicht ernsthafte Schmerzen zufügen, doch diese Bemerkung von Treize hatte ausgereicht, dass sich nun Zechs‘ ganzer Zorn und Enttäuschung entlud... und Treize schien es keinen Deut anders zu ergehen. Und wer konnte es ihm verdenken, dass sich bei ihm auch so manches angestaut hatte. Dafür, dass er die Folter Marcus‘ und ihre Flucht hatte auf sich nehmen müssen und sein Körper so schmal und ausgemergelt war, wie ihn Zechs noch nie erlebt hatte, kämpfte er ausgesprochen gut und Zechs hatte alle Mühe gegen ihn zu bestehen und nicht mit dem Gesicht nach unten im Dreck zu landen. Als sie beide trotz der kühlen Luft mit hochroten Gesichtern und schweißnasser Stirn auf dem Boden kauerten, bemerkte Zechs bereits die Beule, die sich auf der rechten Seite seines Gesichts zu bilden begann. Er würde da wohl ein stattliches blaues Auge davontragen. Treize rieb sich den Kiefer und leckte sich kurz über die Fingerknöchel, die ebenfalls blutig waren. „Geht es dir jetzt besser?“ Allein dieser Satz hätte Zechs beinahe dazu verleitet, sich erneut auf den Römer zu stürzen. Doch dieses Mal blieb er besonnener und spuckte nur auf den Boden. „Geht es dir besser?“ „Wundervoll!“, kam die bissige Antwort und Treize schüttelte seine Hand aus. „Verdammter Dickschädel!“ Aber das würde Zechs hoffentlich eine Lehre sein und ihn nicht mehr weiter wie einen Invaliden behandeln. Treize scheute sich, es zuzugeben, doch die Prügeleim so primitiv es auch gewesen sein mochte, hatte einen geradezu reinigenden Effekt auf ihn gehabt. Und wenn es nur guttat zu zeigen, dass er noch Manns genug war diesem Germanen ein blaues Auge zu verpassen. Trotz ihrer erhitzten Gemüter waren ihre Instinkte so trainiert, dass sie beide fast zeitgleich die Muskeln anspannten und sich unauffällig umsahen. Dass Zechs genauso reagierte, zeigte Treize, dass er auch diese merkwürdige Anspannung verspürte, die einem erfahrenem Soldaten in der Schlacht das Leben retten konnte. Auch Treize war bereit sich auf den Boden zu werfen, um einem hinterhältigen Pfeil auszuweichen oder einem geworfenem Messer. Doch vorerst versuchten sie beide herauszufinden, was in ihnen dieses innerliche Gefühl der Warnung hervorgerufen hatte. Ihre Auseinandersetzung war vergessen und subtil rückte Zechs näher an ihn heran. Schon wanderte Treizes Hand zu seinem Dolch. Sein Schwert lagerte auf ihrem kleinen Karren. Zechs Gesichtszüge verspannten sich, er biss die Zähne aufeinander, ballte die Faust. Was spürte er? Treize lag die geflüsterte Frage bereits auf der Zunge, mehr noch, als er erkannte, dass Zechs bleich wurde. In diesem Moment erschien ein Mädchen auf dem Pfad, sie keuchte atemlos, als ob sie die letzte Strecke gerannt sei. Vornübergebeugt stützte sie sich auf ihre Knie und grinste, als sie Treize und Zechs entdeckte. Sie wandte sich um und winkte jemandem zu. Mit Sicherheit war sie nicht alleine. Dann waren Sally und die anderen bestimmt schon auf diese Reisenden getroffen, denn sie waren ja vorausgegangen. Ihr erster Kontakt also mit Germanen, nun gut, wenn... Doch weiter kamen seine Gedanken nicht, denn es geschahen zwei Dinge. Zechs setzte sich mit einem wenig eleganten Stolpern auf den Boden und zum anderen stürzte dieses Mädchen - Sie war fast noch ein Kind! - auf Zechs zu und warf sich ihm in die Arme. „Milli!“, rief sie und grinste über beide Backen. „Milli?“, wiederholte Treize leise. Oh nein! Wie, nein, das konnte doch nicht sein! Zechs hatte doch immer davon gesprochen, dass seine Familie umgebracht worden war. Treize wusste zwar, dass es da eine Schwester gegeben hatte, aber Zechs hatte auch sie für tot geglaubt. Nun, das würde erklären, warum Zechs wirklich so aussah, als ob er einen seiner längst verstorbenen Ahnen gesehen hatte. „Relena!“ Der Name kam Zechs kaum über die Lippen. „Bruder!“ „Bruder?“, war es erneut an Treize nachzuplappern. Etwas anderes blieb ihm ja auch nicht übrig. Bruder? Hatte er da richtig gehört? Also war sie wahrhaftig die Schwester von ihm? Nun, Zechs‘ Gesichtszüge verrieten, dass es die volle Wahrhaft war. Aber auch, dass er es selbst nicht so ganz begreifen konnte. Er umarmte das Mädchen ungeschickt. Ganz so wie man einen Fremden umarmte, der einem nicht ganz geheuer war. Offensichtlich hatte er selbst mit so einer Begrüßung am wenigstens gerechnet. Er drückte den Körper des Mädchens leicht von sich und spähte in ihr Gesicht. Doch die Ähnlichkeit war da, unleugbar. Jetzt, wo sich Treize die beiden einmal näher betrachtete. Noch mehr Personen trafen ein, unter ihnen auch seine Getreuen. Sie waren von einer Abordnung Germanen eskortiert worden. Zwar richtete man nicht die diversen Äxte und Schwerter auf sie, die die Germanen mit sich führten, doch sie standen unter Beobachtung, so viel war zu erkennen. Auch Quatre und Trowa glotzten das Mädchen an, als ob es eine göttliche Vision wäre. Duo fand das alles wohl sehr spannend, er saß auf dem Karren und sah aus, als ob er vortrefflich unterhalten wurde von dieser Familienzusammenführung. Sofern es wirklich wahr war. Aber warum sollte es das nicht sein? Ja, es war schon ein großer Zufall, dass sie jetzt ausgerechnet hier im Wald des Grenzgebietes auf Zechs‘ Schwester trafen, doch auch nicht unwahrscheinlich. „Milliardo!“ Die Kleine schien ehrlich gerührt zu sein, denn sie vergoss nun einige Tränen und trocknete sie nur nachlässig mit ihrem Hemdsärmel. „Ich wusste, dass du kommen wirst. Aber sie haben mir zuerst nicht geglaubt. Doch ich wusste es. Ich wusste es. Hast du es nicht auch gespürt?“ ‚Oh, ha!‘ Zechs hätte es etwas spüren sollen? Reue traf Treize wie einen kleinen, feinen Nadelstich ins Herz. Mit Sicherheit war Zechs nur abgelenkt gewesen. Die ganzen letzten Wochen waren ja doch mehr als aufregend für ihn gewesen. Angefangen mit seiner eigenen Entführung, der aufkeimenden Liebesbeziehung zu Treize und dann die Machtübernahme von Marcus. Wer dachte da schon irgendwelche Visionen, die in seinem Kopf herumspukten? Und wie ging es jetzt weiter? Treize stemmte sich in die Höhe und gesellte sich zu Sally und den anderen. Sally warf nur einen Blick auf sein Gesicht und seine Hand, unterließ es aber dann gleich zu ihren Kräutern oder den Blutegeln zu greifen. Ein wenig ungläubig beobachtete er, wie die Germanen Zechs umarmten und willkommen hießen. Er schien geachtet zu sein. Relena hatte sie wohl gut auf Zechs‘ Ankunft vorbereitet. „Oh.“ Das kam völlig unvermittelt von Quatre. „Was ist?“ „Diese Germanen da.“ Unauffällig deutete er auf zwei Männer, die am Rand der Gruppe standen und selbstzufrieden grinsten. „Sie haben gerade davon gesprochen, dass es den Römern jetzt an den Kragen geht und sie sie nun zurücktreiben. Zechs solle jetzt die Macht übernehmen.“ Oh, allerdings. Relena hatte die Germanen wohl sehr gut vorbereitet. Kapitel 25: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Treize steht seinen Mann und findet wieder zu sich. Wurde auch Zeit, oder? ;) Kapitel XXV Was würde Treize nicht alles für ein richtiges Bett geben. Oh, ja. Ein Bett und ein warmes Bad in einer zivilisierten Therme. Oder noch besser in seiner kleinen, privaten Therme in der Villa vor den Toren Roms. Nein, noch besser, seine private Grotte, die er sich von feinstem importierten Marmor und den besten Handwerkermeistern hatte errichten lassen. Er fragte sich, ob er jemals wieder unter den Wassern dieser Grotte stehen würde? Und wenn ja, dann zusammen mit Zechs? Ja, die Grotte war ein für sie ein negativ behafteter Ort. Zechs hatte ihn dort in seinem Wahn niedergestochen und doch wäre es eine Art Zeichen. Seit drei Monaten lebten sie nun unter den Germanen, die sie, angeführt von Relena, damals im Wald aufgesammelt hatten. Es waren hauptsächlich Männer, die Zechs von den Kämpfen gegen die Römer kannten. Und wie Treize das verstanden hatte, zogen sie jetzt zu dem Clan, dem Zechs damals angehört hatte, nachdem er seinen wahren Namen abgelegt hatte. Dort würde er weitere Unterstützer treffen. Es schien sich wohl bei den Germanen ein recht starker Wille zum Widerstand gebildet zu haben, gepaart mit einem zornigen Hass gegen alles Römische. Und so ganz konnte es Treize ihnen auch nicht verdenken: Das Vorgehen der Römer war deutlich aggressiver geworden. Früher hätten die Römer im Winter ihre Kastelle entlang der Grenze nicht verlassen. Doch Marcus in seiner Funktion als neuer Caesar hatte wohl Expansionspläne und forderte von seinen Legionen, dass sie ihre Stellungen behaupteten und gegen jeden Germanen vorgingen, der in ihre Reichweite kam. Allerdings machte das ihr Zusammenleben mit den Germanen etwas problematisch, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Sally, Duo und Trowa wurden noch am besten behandelt. Die Germanen wussten, dass sie Sklaven gewesen waren und brachten ihnen eine gewissen Sympathie entgegen. Trowa konnte gut mit Pferden umgehen und hatte bereits zwei Tiere vor dem Lahmen bewahrt, in dem er die ersten Anzeichen einer Hufrehe früher als alle anderen gesehen hatte. Das hatte ihm schon den Ruf eines fähigen, kundigen Mannes eingebracht, der für ihren Trupp von großem Wert war. Sally war ohnehin Germanin und als Kind verschleppt worden. Ihr Wissen um Heilkräuter und der Behandlung von allerlei Verletzungen machte sie hier zu einer hochgeschätzten und respektierten Frau. Mehr noch als unter den Römern, auch eine interessante Entwicklung. Quatre fiel wenigstens nicht sonderlich auf mit seinem blonden Haarschopf und er konnte ja auch ein Germanisch reden. Wufei hingegen war so fremdartig für die Leute hier, dass sie nicht so recht wussten, was sie mit ihm anfangen sollten. Aber da er bereits in einigen Schaukämpfen gezeigt hatte, wie elegant und sicher er sein Katana beherrschte, legte sich niemand mit ihm an. Mit Treize jedoch taten sich die Germanen schwer. Sie wussten zwar nicht genau, welche Position er im Reich innegehalten hatte. Doch es war wohl nur eine Frage der Zeit bis ihn einer der Krieger als den Offizier identifizierte, der damals gegen sie ins Feld gezogen war. Und dann war da noch die Tatsache, dass er und Zechs stets ein Zelt miteinander teilten. Treize hatte bis jetzt noch keine Germanen gesehen, bei denen er darauf schließen würde, dass sie miteinander besonders vertraut waren und das Lager teilten. Er vermutete, dass die Germanen nicht so tolerant wie die Griechen waren. Nein, natürlich nicht. Er musste sich ja nur daran zurückerinnern, wie schockiert Zechs vor nicht allzu langer Zeit auf ihn und Wufei reagiert hatte. Wie absurd ihm das Konzept gewesen war, dass sich zwei Männer als gleichrangige Partner lieben konnten. Daher war es ja schon als Fortschritt zu werten, dass er so offen seine Zugehörigkeit zu Treize zeigte. Mehr war es jedoch nicht. Zechs zeigte sich noch immer ihm gegenüber als Glucke und versuchte sogar ihn vom Kontakt zu anderen Germanen abzuschirmen. Und das konnte Treize nun einmal gar nicht leiden, er musste selbst seinen Mann stehen und sich hier beweisen. Auch unter diesen... Barbaren! Er ballte die rechte Hand unter seiner Decke zur Faust. Es schmerzte noch immer ein wenig an der Stelle, wo Sally ihm den Finger abgenommen hatte. Doch die Narbe machte sich gut, war nicht entzündet. Auch die anderen Wunden hatten sich inzwischen geschlossen. Wenn er auch seine rechte Hand am liebsten in den Falten und langen Ärmeln vor Blicken verbarg. Wie aufs Stichwort seufzte Zechs in seinem Schlummer und drehte sich zu ihm um. Treize tat sich noch schwer die Tageszeiten hier oben im Norden abzuschätzen, doch wenn er sich konzentrierte, glaubte er Geräusche der anderen Krieger um sich herum wahrzunehmen. Der Trupp, der täglich auszog, um sich um ihr Essen zu kümmern. Wenn sie heute Glück hatten, würde es einmal wieder Fleisch geben. Sein eigener Bogen und Köcher lag griffbereit neben seinem Lager, nebst Kurzschwert und Dolch. Mittlerweile konnte wieder ganz passabel schießen. Wenn er es auch noch nicht auf der Jagd bewiesen hätte, sondern nur Baumstämme seine Pfeile ertragen mussten. Zechs würde ihn davon abhalten, wenn er mit auf die Jagd ginge, so viel stand fest. Aber sich aus dem Zelt schleichen, hielt er auch für ein nutzloses Unterfangen. Zechs würde zwangsläufig aufwachen, wenn er aufstand. Und einen weiteren Streit mit ihm. Nein, so langsam war er der Auseinandersetzungen auch müde, zumal es auch immer und immer wieder um das gleiche Thema ging. Aber seine Blase musste er zwangsläufig entleeren und dazu musste er nach draußen gehen. Also tastete er sich an den Eingang des Zeltes und richtete sich auf. Prompt erreichten zwei, drei Kommentare erreichten sein Ohr und auch wenn er die Bedeutung nicht nachvollziehen konnte, weil sein Wortschatz der Sprache noch nicht ausreichend groß genug war, er konnte es sich denken, was sie ihm an den Kopf warfen. Er ignorierte die beiden jungen Germanen, die ihn unverhohlen dabei beobachteten, wie er gegen den nächstbesten Baumstamm pinkelte. Er widerstand der Versuchung die beiden Kerle nicht anzüglich über die Schulter hinweg anzugrinsen. Obwohl, sie würden es vermutlich nicht einmal erkennen, so finster wie es noch war. Sie hielten ihn für einen verzogenen Römer, der zu nichts zu gebrauchen war. Nein, er hatte lange genug hinterm Berg gehalten. Das musste aufhören! Er richtete seine Tunica und schritt zurück zum Zelt, kleidete sich komplett an. Er kam bis zum Bogen und Köcher. Als er sich die beiden um die Schulter schlang, setzte sich Zechs auf. Treize konnte den Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber er konnte es sich auch so denken. „Treize“, begann Zechs leise. Vielleicht dachte er auch, er würde noch schlafen und träumen. „Ich gehe mit den anderen jagen.“ „Du gehst was?“, zischte Zechs und machte Anstalten sich vom Boden aufzustemmen. Treize beugte sich über ihn und drückte ihn mit seinem gesamten Körpergewicht nieder. Einer plötzlichen Eingebung folgend presste er seine Hüften hart gegen Zechs‘ Körpermitte. Zechs konnte ein überraschtes Japsen nicht verhindern. „Ich bin noch immer der Mann, der ich war. Und ich kann besser jagen, als diese halbstarken Bürschchen“, knurrte er. Zechs‘ weiterer Protest wurde mit einem groben Kuss unterbunden. Ja, das fühlte sich bedeutend besser an! Ungehindert schritt er so nach draußen und gesellte sich zu den anderen fünf Jägern, die ihn mit weit aufgerissenen Augen musterten. Doch ihre Überraschung wich bald Hohn und Spott. Einer von ihnen konnte ein paar Brocken Latein und fragte ihn, ob Zechs ihn hatte aus dem Bett schlüpfen lassen. „Ich entscheide, wann ich aufstehe und wann nicht“, entgegnete er. „Ich gehe mit euch auf die Jagd.“ Sie grinsten hinterhältig. Treize machte sich auf einiges gefasst. Doch innerhalb der ersten Stunde hatte sich auch ihr Schatz an Bemerkungen und Spott erschöpft und sie schritten mehr oder weniger schweigend durch den Wald. Was für ihr Vorhaben auch bedeutend besser war, sie wollten ja kein Wild verscheuchen. Treize gab sich alle Mühe so lautlos aufzutreten wie die Germanen. Er war in den letzten Wochen besser darin geworden, doch jahrelange Übung konnte man nicht so einfach wettmachen. Spurenlesen, das konnte er jedoch so gut wie diese fünf Bürschchen hier und so hielt er einfach an und ging in die Hocke, als er Hufabdrücke eines Hirschen im nachgiebigen Waldboden ausgemacht hatte. Ja, das war eindeutig ein Hirsch und sofort bereute er es, dass sie nicht mit Pferden hier waren. Einen flüchtenden Hirsch zu Fuß zu verfolgen war bedeutend schwieriger. Natürlich, wenn ihre Gruppe hier zusammenarbeiten würde und sie sich aufeinander verlassen könnten, aber er würde dies erst gar nicht vorschlagen. Ah, hier hatte das Tier sich wohl erleichtert: Die Rinde einer Buche etwas weiter rechts war feucht und es war nicht die Feuchtigkeit, die hier in der Luft lag. Treize beschloss sich einen Dreck um die Germanen zu scheren und verfolgte die Spuren des Tieres. Jetzt wo er sich einmal darauf eingestellt hatte darauf zu achten, konnte er die Hinterlassenschaften des Hirsches überall ausmachen. Jemand packte ihn grob an der Schulter und er musste sich beherrschen dem Kerl seinen Dolch nicht an den Hals zu legen, obwohl er das Messer bereits gezogen und in der Hand hielt. „Äh“, das fiel auch diesem halbstarken Bürschchen auf und langsam, bedächtig wurde die Hand wieder zurückgezogen. „Wohin gehst du?“ „Hier ist vor kurzem ein Hirsch durchgelaufen und jetzt sei ruhig“, befahl er. Immerhin dachte er noch daran seine Stimme nicht ganz so befehlsmäßig klingen zu lassen. Er deutete auf die Spuren im Boden, die Stelle an der Buche und ließ die Germanen sich beraten. Einmal warf er einen Blick über die Schulter und sah sie die Spuren mustern. Hatten sie es etwa nicht gesehen? Ein kleines Triumphgefühl machte sich in seinem Innersten breit, doch er verbarg sorgsam sein Lächeln und ging tiefer hinein in das Unterholz. Seine Instinkten sagten ihm, dass das Tier nicht weit weg war. Es war nahezu windstill, das konnte ein Problem werden, sobald der Hirsch seine Witterung aufnahm, doch da war jetzt auch nichts zu machen. Erst einmal musste er ihn ausfindig machen. Hörte er da das Plätschern eines Baches ganz in der Nähe? Ah, vielleicht war das Tier dort zum Trinken hingegangen und hielt sich auch noch beim Wasser auf? Konzentriert bewegte er sich auf das Geräusch zu, behielt jedoch auch stets die Spuren im Blick. Doch so langsam verloren sie sich. Der Boden war hier fester. Er wusste nicht, wo die Germanen abgeblieben waren. Er hatte überhaupt kein Zeitgefühl mehr, konnte nicht sagen, ob er dem Hirschen bereits eine Stunde lang nachpirschte oder bereits einen halben Tag. Vorsichtig arbeitete er sich durch ein Dickicht Büsche und fand sich danach auf einem kleinen Felsvorsprung wieder. Und da vorn stand er tatsächlich! Ein junger Hirsch, der gerade den Kopf gesenkt hatte, um vom Wasser zu trinken. Sollte er gleich schießen? Instinktiv hatte er bereits seinen Bogen abgenommen und hielt ihn in der Hand. Seine Rechte griff bereits nach einem Pfeil. Vielleicht war es wirklich besser den Instinkten und seiner Erfahrung zu vertrauen und nicht erst zu beobachten, was das Tier als nächstes machte. Er wollte gerade anlegen, als eine Hirschkuh aus dem Unterholz kam und sich ebenfalls an den Bachlauf gesellte. „Oh, Diana, ich danke dir“, murmelte er lautlos und legte sich einen zweiten Pfeil bereit. Sorgfältig zielte er auf das Herz des Hirschen, spannte die Sehne. Es bereitete ihm keinerlei Schmerzen, wie er dumpf registrierte. Doch dann brach erneut etwas durch das Unterholz und schreckte die Tiere auf. „Mist!“, fluchte Treize immer noch lautlos und schoss auf die Hirschkuh. Er hörte ihr Röcheln und hoffte, dass er das Herz getroffen hatte. Es ging rasend schnell, der Hirsch wandte sich in seine Richtung – glücklicherweise - und hetzte davon. Doch nun war es auch nicht mehr notwendig auf Deckung zu achten. Treize richtete sich auf und verfolgte mit seiner Pfeilspitze das Tier. Vielleicht gelang ihm noch ein guter Schuss. Bevor er weiter darüber nachdachte, hatte er die Sehne noch ein Stückchen weiter Richtung Ohr gespannt und den Pfeil auf seine Reise gesandt. Es war kein sauberer Treffer, doch er verwirrte den Hirschen so sehr, dass er langsamer wurde und nach dem Fremdkörper griff. Schon schlossen sich Treizes Finger um sein Jagdmesser und er sprang einfach den Vorsprung hinunter ins Wasser, kam platschend auf und sprang wieder aufs Land. Normalerweise würde ein Tier flüchten, doch dieses Exemplar hier, war wohl schon zu verwirrt oder zählte ohnehin zu den aggressiveren Artgenossen. Es senkte den Kopf und wollte Treize wohl auf sein Geweih aufspießen. Anscheinend hielt es ihn für einen Rivalen. Nun, für alle weiteren Erwägungen war es nun ebenfalls zu spät. Treize spürte nicht einmal das kalte Wasser, das seine Beine umspült hatte und nun seine Kleidung klamm werden ließ. Er registrierte auch kaum seinen Herzschlag und die schnelle Atmung. Sein Körper war so gespannt wie vor einem Kampf und nichts anderes war dies hier. Der Hirsch machte einen Satz nach vorn und Treize wich nicht zurück. Er glaubte sogar den Geruch des Tieres wahrzunehmen, so nahe war er ihm. Ah, sein Pfeil hatte ihn in den Hals getroffen. Hoffentlich hatte er eines der Blutgefäße, die Schlagader, erwischt, denn dann würde dem Hirsch langsam die Kraft ausgehen. Und wo waren die anderen Germanen eigentlich geblieben? Hatte sie etwa die Tiere aufgescheucht? Egal, das war jetzt alles egal. Jetzt griff der Hirsch wirklich an und Treize wich zur Seite aus, doch er konnte wenigstens sein Messer in den Hals rammen. Allerdings verlor er danach den Griff aus den Händen. Doch anscheinend hatte es ausgereicht, denn das Tier sackte zusammen, die Vorderbeine knickten ein. Dies war eine gefährliche Situation und wenn er auf Nummer sicher gehen wollte, dann musste er ihn jetzt erledigen, bevor er selbst in einem letzten verzweifelten Angriff verletzte wurde. Treize machte einen Satz nach vorn, sprang dem Tier auf den Rücken und drückte es mit seinem Gewicht zu Boden. Der Hirsch war so schwach, dass dies funktionierte. In einer hektischen Suche, die erschwert wurde durch das Blut, das über das Fell rann, bekam er seinen Dolch zu fassen und zog ihn quer über den Hals. Ein weiterer Schwall Blutes ließ seine Finger schlüpfrig werden, doch er konnte auch genau spüren, wie das Leben aus dem Tier floss, wie es seine Gegenwehr einstellte und die Muskeln lockerer wurden, bis schließlich der edle Kopf mit dem Geweih auf den Boden sank. Erst jetzt zog Treize sein Messer hervor und wälzte den Kadaver herum. Ja, das Tier war erledigt. Er wandte sich um. Wo war eigentlich die Hirschkuh? Ah, die anderen fünf Helden standen um sie versammelt und ihre Köpfte waren ihm zugewandt. Sie blickten recht beeindruckt drein, wenn er sich nicht irrte. Recht so! Treize rutschte zum Bauch des Hirschen und trieb das Messer hinein. Schnell hatte er den Sack freigelegt, der die ganzen inneren Organe enthielt, und griff mit den Händen hinein. Wie wunderbar warm es doch noch war. Fast schon wohlig, wenn er sich nicht ins Gedächtnis rief, dass er in den Eingeweiden eines Tieres herumstocherte. Schon bald brach ihm der Schweiß aus und er froh zu sehen, dass die anderen sich dem zweiten Tier angenommen hatten. Ein Tier dieser Grlöße auszuweiden war eine anstrengende Angelegenheit. Dann ließ er es sich nicht nehmen, den Kadaver auf seine Schultern zu hieven und damit in Richtung Lager davonzustampfen. Die übrigen hatten kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Sie gingen voran, trugen zu zweit die andere Beute und wiesen ihm den Weg. Treize wusste nicht so recht, ob dies jetzt gut oder schlecht für ihn war. Einerlei, er fühlte sich fantastisch. So gut, wie er sich seit Wochen nicht gefühlt hatte. Seit Rom nicht mehr! Er fühlte sich erstmals gesund, heil, ganz! Er grinste breit. Er grinste noch immer, als sie zurück ins Lager kamen und er den Hirsch einfach neben der Feuerstelle auf den Boden gleiten ließ. Überraschte, erfreute Ausrufe waren zu hören. Doch Treize beachtete sie kaum. Dort hinten kam Zechs zwischen den Zelten hervor und selbst er riss ungläubig die Augen auf, als er sah, was Treize da mitgebracht hatte. Treizes Grinsen wurde noch breiter, sofern es überhaupt noch möglich war. Er wusste, er sah verwegen aus. Seine Kleidung war besudelt vom Blut, Matsch und Dreck des Waldes. Sein Gesicht hatte mit Sicherheit auch so manchen Spritzer Blut abbekommen, ebenso seine Haare, als er es sich mit beschmutzten Fingern aus der Stirn gewischt hatte. Dennoch war es ihm in diesem Moment völlig gleichgültig. Selbst, wenn er die Wahl gehabt hätte in eine Therme zu gehen, oder jetzt bei Zechs zu sein. Er hätte die Therme links liegen gelassen. „Treize, was...?“, begann Zechs und deutete auf den Hirsch, um den sich bereits ihr gesamter Trupp versammelt hatte. Die anderen Männer der Jagdgesellschaft zeigten auf Treize, machten Gesten, um ihren Bericht zu untermalen. Anscheinend waren sie zutiefst beeindruckt und auch so manche der anderen Männer warfen ihm bewundernde Blicke zu. Treize hingegen hatte nur Augen für Zechs, er griff nach dessen Handgelenk und zog ihn weg von dem allgemeinen Tumult. „Ich will dich und ich will dich jetzt!“, raunte er auf Latein. Zechs wurde puterrot doch auch ihn machten diese Worte an, das konnte Treize ganz deutlich erkennen. „Endlich!“, war dann das letzte Wort für eine ziemlich lange Zeit, das Zechs über die Lippen kam. Kapitel 26: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Die Zwillinge sind übrigens nicht meiner Fantasie entsprungen, sondern Teil der offiziellen Fortsetzung von Gundam Wing namens Frozen Teardrop. Kapitel XXVI Treize musste nicht erst nachdenken, was er zu tun hatte. Er ließ die anderen stehen und eilte Zechs nach, der die Szene schon beinahe fluchtartig verlassen hatte. Wer hätte aber auch gedacht...? Treize selbst konnte es nicht begreifen, wie erst musste es für Zechs sein? ‚Oh ihr Götter, vor was für Proben stellt ihr ihn?‘, fragte sich Treize. Mittlerweile war er ziemlich gut darin geworden sich in diesen dichten Wäldern hier im Norden zurechtzufinden und sich schnell darin zu bewegen. Zugegeben, wenn es Zechs darauf angelegt hätte, dass man ihm nicht folgen solle, dann hätte er wohl keine Möglichkeit gehabt dem Germanen nachzugehen. Er hielt sich nicht damit auf Zechs nachzurufen, er solle auf ihn warten, oder langsamer machen. Nein, er ging ihm einfach nach, so leise und schnell es ihm möglich war. Dann endlich ließ sich Zechs auf einem umgestürzten Baum nieder und barg den Kopf in den Händen. Treize glaubte nicht, dass er weinte. Obwohl er es ihm auch nicht verübeln würden, wenn dem so wäre. Welcher Mann wäre nicht durch den Wind, wenn er gerade erfahren hatte, dass er Vater war... von Zwillingen... Nicht zu vergessen, die Konsequenzen, die diese Tatsache noch mit sich führte, nämlich dass seine geliebte Lucrezia diese letzte Schlacht damals überlebt hatte. Dass sie in der Tat so lange überlebt hatte, dass sie zwei Kindern das Leben schenken konnte. Die Geburt war dann aber wohl zu viel der Strapazen für ihren Körper gewesen. Sie war bei der Geburt des ersten Kindes schon so schwach gewesen, dass die Heiler der Germanen bereits um sie und das Leben des zweiten Kindes gebangt hatten und wenige Augenblicke, nachdem sie das zweite kleine Wesen zur Welt gebracht hatte, war sie auch zu den Göttern gegangen. Zechs hatte dies alles mit stoischer Mine angehört, als es ihm der Vorsteher des Dorfes und Clanältester namens Quinze erzählt hatte. Treize war nicht weniger fassungslos gewesen, doch im Gegensatz zu Zechs war er noch in der Lage gewesen die übrigen Anwesenden zu beobachten und er glaubte, dass Relena, Zechs Schwester, nicht überrascht darüber war, dass sie nun Tante war. Entweder sie hatte die Geburt der beiden Kinder vorhergesehen, oder sie hatte es schon zuvor gewusst, aber entschieden die Wahrheit ihrem Bruder vorzuenthalten. Aber warum sollte sie dies tun? Egal, was auch ihre Beweggründe gewesen waren, Treize nahm sich vor in Zukunft ihr gegenüber mit besonderer Vorsicht aufzutreten. Auch dieser Quinze weckte in ihm ein Gefühl, das ihn zur Vorsicht mahnte. Zechs blickte kurz auf, als Treize zu ihm kam und sich auf dem Baumstamm niederließ. Er sagte nichts, Zechs musste zunächst einmal seine Gedanken ordnen und dann würde er schon mit ihm reden. So gestattete es sich Treize selbst, dass seine Gedanken in die Vergangenheit reisten, an jenen Tag, als er von seinen Dienstboten erfahren hatte, der alte Barton wäre nach Rom zurückgekehrt und hätte ein kleinen Mädchen dabei, dass er als seine Enkelin ausgeben würde. Man würde an allen Straßenecken Mutmaßungen darüber anstellen, wer denn der Vater der kleinen Barton wäre. Leia war doch so behütet auf dem Land aufgewachsen. Man hätte die hübsche Erbin des Bartonvermögens nie in der Stadt gesehen. Treize war es sofort klar gewesen, dass niemand anderes als er selbst der Vater war. Leia war noch Jungfrau gewesen, als er mit ihr das Lager geteilt hatte und nachdem er sich aus dem Staub gemacht hatte, war sie in der Obhut und Abgeschiedenheit des Landsitzes verblieben. Spätestens als er Mariemaia zum ersten Mal gesehen hatte, war jedes Leugnen zwecklos gewesen. Auch wenn sie Leias Haarfarbe hatte, sie hatte Treizes verstorbener Schwester Aurelia als Kleinkind sehr ähnlich gesehen. Er konnte sich demnach ziemlich gut in Zechs hineinversetzen und wusste, wie dieser sich wohl fühlen musste. „Ich bin Vater?“, kam es dann nach einer Weile stockend über Zechs‘ Lippen. „Vater?“ Treize lächelte nur und rieb ihm mit einer Hand über die Schulter, den Nacken und wieder die Schulter. „Und Lucrezia hat deinen Angriff überlebt“, raunte er weiter. Dies hatte Treize nun nicht bedacht, dann war er gar nicht Schuld an dem Tod der Germanin? „Du hast sie nicht umgebracht“, es war, als ob Zechs Treizes Gedanken geahnt hätte. „Ich habe sie umgebracht, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre, dann...“ „So etwas darfst du nicht einmal denken!“, fiel ihm Treize ins Wort. „Du bist nicht für ihren Tod verantwortlich.“ „Wenn sie nicht schwanger gewesen wäre“, beharrte Zechs, „dann wäre sie von den anderen Germanen mitgenommen worden, ihre Wunden wäre verheilt und sie hätte hier ein neues Leben anfangen können. Oder sie wäre vielleicht nach Rom gereist, mir nachgereist. Aber sie war zu schwach und so konnte sie nicht richtig genesen.“ Treize wusste jetzt nicht, was er hierzu sagen sollte. Eigentlich hätte er es nun gar nicht gern gesehen, wenn nun Zechs‘ Gefährtin auf einmal auf seiner Schwelle aufgetaucht wäre. Zwangsläufig musste er sich fragen, wie Zechs wohl darauf reagiert hätte. Wären sie dann erst gar keine Geliebte geworden? Hätte Zechs ihn verlassen und wäre mit Lucrezia zurück in den Norden gegangen? Wäre es dann gar nicht zu seiner Verzweiflungstat gekommen, als der Germane erfahren hatte, dass Treize seine Gefährtin damals niedergestreckt hatte. Fragen über Fragen und doch alles nur Spekulationen. Was Fakt war, sie hatte überlebt, sie hatte Zechs‘ Kinder ausgetragen. Dann war sie verschieden. Sie hatten den beiden Neugeborenen noch Namen gegeben, das Mädchen hieß Naina, der Junge Milou. „Aber ich hatte unlängst merkwürdige Visionen“, meinte Zechs. „Von zwei Kindern, die auf einer Wiese herumtollen. Ich hatte Lucrezia gesehen, ich habe in diesem Moment gewusst, dass sie noch lebt. Ich hatte es jedoch wieder verdrängt, ich konnte diesen Visionen nicht glauben, ihnen nicht trauen.“ Das hörte Treize nun zum ersten Mal: „Wann hattest du diese Visionen?“ „Nachdem du mich auf den Landsitz gebracht hattest und ich dort auf deine Rückkehr gewartet habe.“ „Verstehe.“ Treize tat es in der Tat. Er hätte solchen Visionen wohl auch keinen Glauben geschenkt oder versucht sie auf eine andere Art und Weise zu interpretieren. Zu unglaublich wäre es auch ihm erschienen. „Was wirst du jetzt mit ihnen tun?“ Naina und Milou waren schon fast zwei Jahre alt und jedes Kind sollte das Recht haben seinen Vater kennenzulernen. Er hatte Mariemaia dieses Recht viel zu lange verweigert, zu lange, bis es zu spät gewesen war. Er würde Zechs nicht im Weg stehen, wenn dieser seine beiden Kinder bei sich haben wollte. Auch wenn es hieß, dass er Zechs teilen musste. Und falls sie je wieder nach Rom zurückkehren würden, dann wollte er sich erst gar nicht ausmalen... Aber nein, diesen Gedankengang würgte Treize sofort ab. Noch war in dieser Hinsicht nichts entschieden, demnach war es völlig sinnlos darüber zu fantasieren, was sein könnte. „Was für eine Frage Treize. Ich weiß es nicht.“ „Hm.“ Treize überlegte. „Wir werden sicherlich einige Zeit bei diesem Clan bleiben, oder?“ „Vermutlich.“ „Dann kannst du ein wenig Zeit mit ihnen verbringen, bevor wir weiterziehen.“ Denn weiterziehen mussten sie, sie konnten mit ihrem Tross, das mittlerweile schon an die zweihundert Männer und Frauen umfasste die Lebensmittelvorräte des Clans nicht lange strapazieren. Zwar gingen sie selbst auf die Jagd, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen und der Clan würde sie nicht abweisen, das verbot die Gastfreundschaft der Germanen, dennoch wäre es unhöflich und leichtsinnig. Dass sich ihr kleines Grüppchen so gemausert hatte, war für Treize zunächst äußerst interessant gewesen. Hätte er schon vor drei Jahren gewusst, welche Magie und Anziehungskraft Zechs‘ Name hatte, dann hätte er den Germanen womöglich nicht gesundgepflegt und mit nach Rom genommen. Mittlerweile fand er es allerdings nicht mehr so faszinierend. Diese Anhängerschaft erreichte so langsam eine kritische Masse. Diese Menschen erwarteten von Zechs etwas. Was genau wusste er nicht, das wusste Zechs nicht und vermutlich wussten es auch die Germanen nicht, doch sie steuerten auf eine Entscheidung zu, das fühlte Treize... und es bereitete ihm Bauchschmerzen. Und jetzt noch diese Sache mit den Zwillingen. Was hatten die Götter da nur mit ihnen vor? Zechs klang nicht sehr überzeugt. Oder zumindest deutete Treize seinen halbherzigen Brummlaut so. Just in diesem Moment ertönte der Schrei eines Falken über ihnen. „Horus?“ „Vermutlich“ Und schon flatterte der Vogel in einem irren Sturzflug Richtung Boden, um dort zu einer eleganten Landung anzusetzen. Das Tier schien sie zu musterten und krächzte noch einmal. Bevor Treize auch nur ein ‚Oh nein‘, ausstoßen konnte, hatte der Falke auf seiner Schulter Platz genommen und krallte sich in die weichen Falten seines Umhangs. Dies brachte Zechs sogar an einem Tag wie heute zum Lachen und er streckte die Hand aus, um dem Vogel über die weichen Bauchfedern zu streichen. „Ich bin froh, dass Duo darauf bestanden hat ihn mitzunehmen.“ Treize versuchte zu ignorieren, dass ein Raubvogel nicht weit entfernt von seinem Ohr und seinem Auge saß. Horus hatte ja auch noch nie jemanden verletzt und ließ sich gerne von einem Menschen umhertragen. Hier in Germanien versetzte es die Menschen lediglich in Erstaunen. Es war nicht ganz unüblich mit Vögeln zu jagen, auch wenn es ein Kuriosum darstellte. In Ägypten hatten die Reaktionen ganz anders ausgesehen. Auch eine interessante Beobachtung, wie unterschiedlichen Völker auf gewisse Tiere reagierten, oder auch nicht. Ein Gedanke, den es lohnt weiterzudenken, aber nicht heute. Heute war ihm nicht nach Philosophie. „Ich habe über so manche Dinge nachgedacht, die wir mit nach Germanien gebracht haben“, begann Treize leise. Oh ja, und aus gutem Grund hatte er darüber nachgedacht. Es wurde Zeit, dass er Zechs darüber berichtete. Zechs hielt inne und setzte sich aufrechter hin. „Was meinst du genau?“ „Nun ja...“ Treize hatte seine Dienerschaft stets instruiert, welche Gegenstände bei einem unerwarteten Ereignis ihm zuzusenden seien, sollte er es verlangen. Es waren nicht nur Edelsteine gewesen, die einen universelleren Wert als römische Sesterzen hatten, sondern auch … „Die beiden Medaillons und der Wegweiser-Dolch.“ Bei dieser Offenbarung schien Zechs glatt vom Baumstamm hintenüberzukippen. „Das hast du mir nicht früher sagen können?“ Seine Stimme wurde lauter und verscheuchte Horus mit einem erbosten Krächzen von seinem Platz auf Treizes Schulter. Stattdessen machte es sich der Falke auf dem nächstbesten Baum bequem. „Du musst zugeben Zechs, wir haben nicht viel Zeit, die wir ungestört verbringen können und noch weniger Möglichkeit uns über ‚solche‘ Dinge zu unterhalten.“ „Du und dein Misstrauen.“ „Ich bin nur vorsichtig.“ Zechs wedelte mit der Hand und schüttelte den Kopf. „Das... das war ein Fehler.“ „Warum?“ „So ein Gefühl.“ „Wenn es wirklich gefährlich wäre, dann hättest du ihre Gegenwart wohl schon längst gespürt, überhaupt dachte ich, dass du...“ „Ist das jetzt ein Vorwurf?“, ereiferte sich Zechs und sprang auf. Er stapfte ein paar Schritte davon und verschränkte die Arme. Demonstrativ drehte er Treize den Rücken zu. „Es ist ja nicht so, dass es nicht zahllose Dinge gebe, die meine Aufmerksamkeit bedürfen: Zuerst dein Gesundheitszustand, unsere Flucht... Was glaubst du denn, wie ich mich fühle hier in Germanien? Glaubst du, das ist für mich leicht? Die ganzen Erinnerungen... Und jetzt auch noch die Tatsache, dass Lucrezia überlebt hat, die ganze Zeit gelebt hat... Die Kinder...“ Treize eilte zu ihm und schlang die Arme um Zechs‘ Schultern. „Ganz ruhig, atme ganz ruhig.“ Immerhin wehrte ihn Zechs nicht ab, sondern ließ es geschehen. Befriedigt stellte Treize fest, dass er sich sogar an ihn lehnte, den Körperkontakt suchte und es geschehen ließ, dass ihm Treize durch die Haare strich. „Du gehst sehr gut mit der Situation um“, beschied ihm Treize und schloss die Augen. Er genoss diesen kurzen, wertvollen Moment der Ruhe und Zweisamkeit. Aber sie hatten noch etwas zu bereden, jetzt wo er das Thema schon einmal angeschnitten hatte. „Du weißt doch, was damals mit dir in Ägypten geschehen ist, als du dich an dem Dolch geschnitten hast.“ „Ja und ich dachte, du hast ihn durch... nun ja, wie auch immer man es nennen möchte... deine Handlungen“, formulierte Treize es möglichst neutral, „unschädlich gemacht.“ „Da bin ich mir nicht wirklich sicher, daher nimm eher an, dass er noch immer gefährlich ist.“ „Ah.“ Dann war es wohl besser wenn er den Dolch von nun an Trowa zum Verwahren gab. Duo hatte den Dolch zwar bis jetzt gut gehütet, doch war ihm eine gewisse Schusseligkeit nicht abzusprechen. „Und was willst du damit tun?“ Zechs hatte ganz recht, denn grundlos hätte Treize diese Gegenstände ganz bestimmt nicht mit nach Germanien genommen. „Nun, den Wegweiser dafür benutzen, wozu er da ist. Außerdem glaube ich, dass die Medaillons auf etwas reagieren, wenn man es so nennen möchte.“ „So wie damals ins Ägypten?“ „Ja.“ „Merkwürdig.“ Treize griff in seine Tasche und zog die beiden Scheiben hervor. Zechs nahm eine davon entgegen und drehte sie unschlüssig in der Hand. „Du willst den Tallgeese finden“, meinte er leise und Treize zog eine Schulter nach oben. „Überleg dir, was für eine Macht du dann unter den Germanen hättest.“ „Wir wissen noch nicht einmal genau, was der Tallgeese ist. Die Legenden widersprechen sich.“ „Ob Schwert oder unbezwingbare Rüstung, es ist völlig gleichgültig, sobald er sich erst einmal in unserem Besitz befindet. Außerdem war sich Howard doch sicher, er hat ihn schon gesehen.“ „Und dann, wie soll es damit weitergehen?“ Darüber mochte Treize noch keine Prognose abgeben. Wer wusste auch schon, wie sich die römischen Legionen verhielten, sobald der Winter vorbei war. „Und wenn du glaubst, dass du alleine losziehen kannst, um dieser Legende nachzujagen, dann täuschst du dich.“ In diesem Punkt sprach Zechs wohl die Wahrheit. Treizes Fertigkeiten in der Sprache der Germanen wuchsen zwar stetig, doch nie und nimmer würde er als Germane durchkommen. „Das ist sicherlich richtig“, begann er und verstaute sein Medaillon wieder in seiner Tunica. Zechs musste mitkommen. „Du kannst ja öffentlich verlautbaren, dass du den Tallgeese suchen wirst. Ob die Germanen es jetzt erfahren, oder später, sobald wir ihn haben, ist doch unerheblich.“ Zechs gefiel die Idee überhaupt nicht, doch schließlich verkündete er das Vorhaben am nächsten Tag während des Abendessens. Verblüfftes Schweigen kündete von der Überraschung der hochrangigen Clanmitglieder, die um den Tisch herum versammelt dasaßen. Auch Quinze und Relena waren unter ihnen. Das Mädchen sah ihren Bruder mit großen Augen an. Doch sie wirkte ehrlich überrascht, oder sie war eine gute Schauspielerin. Treize beobachtete sie unter dem Saum seiner Kapuze, die er sich tief über den Kopf gezogen hatte. Vermutlich hielten ihn die anderen für irgendeinen Diener oder Leibwächter, er hatte sich nicht zu erkennen gegeben. Seine Sympathiewerte waren immer noch nicht die besten. Aber das konnte er den Germanen nun auch wirklich nicht zur Last legen. Nach der Stille folgte aufgeregtes Gemurmel, keiner der Anwesenden schien Zechs davon abhalten zu wollen. Nicht einmal Quinze. Irgendwie hatte Treize damit gerechnet, dass dieser Mann dagegen sein würde. Eine lebhafte Diskussion entspann sich, zahlreiche Legenden wurden ausgetauscht, die die Germanen bestimmt schon alle zu Genüge kannten. Dann war es jedoch ausgerechnet Relena, die als der Abend schon weit fortgeschritten und das Met zur Neige ging meinte: „Aber Bruder, es ist dir nicht bestimmt den Tallgeese zu wecken.“ Nun war es sogar an Treize zu stutzen. Relena hatte ihrem Bruder noch nie Wiederworte gegeben und nun das. Was sollte das überhaupt heißen. Und...? „Er wird ihn wecken!“ Relena deutete auf Treize und es war gut, dass die Kapuze sein Gesicht verbarg, denn ihm blieb der Mund offen stehen. Bei den Göttern, was hatte sie da gesagt? Die Ältesten der Germanen drehten sich überrascht zu ihm um und als er notgedrungen seine Kapuze zurückschlug, fegte ein Sturm der Entrüstung durch das Zelt. Das sollte wohl noch ein langer Abend werden. Kapitel 27: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Ich wünsche euch schöne Festtage und alles Gute und Liebe für das neue Jahr! Nachdem ich mein viertes Buch nun veröffentlicht habe, soll es nun endlich hier weitergehen! Diese Helden warten doch auch noch auf die Fortführung ihrer Geschichte. Kapitel XXVII Man sollte meinen, so langsam wären sie alle auf Überraschungen eingestellt, dass Fortuna mit nichts mehr aufwarten könnte. Doch einmal mehr war es der Göttin gelungen, dass sie nur mit dem Kopf schütteln und mit stiller Verwunderung reagieren konnten. Quatre stand mit seinem Liebsten in einem der Ställe für die Pferde. Wobei man es nicht wirklich ‚Stall‘ nennen konnte, es war eher ein grob zusammengezimmerter Verschlag. Aber immerhin schützte er die Tiere vor dem Schnee, der seit zwei Tagen ihr Lager heimsuchte. Es war ja nicht so, dass Quatre dieses Wetterphänomen unbekannt war und dennoch war es ihm nicht geheuer: Wie sich diese weiße Decke auf die Wälder und Wiesen legte, wie alles darunter verschwand. Selbst der Wald hörte sich anders an, als ob die Geräusche, die sonst so alltäglich waren, auf eigentümliche Weise gedämpft wären. Unheimlich! Bei dem Gedanken schauderte ihm sogleich. Trowa bemerkte es und schlag einen Arm um seine Schulter, drückte ihn beschützend an sich und küsste ihn auf die Stirn. Reflexartig sah sich Quatre nach Beobachtern um. Er wollte nicht, dass die Germanen allzu viel von ihren Zärtlichkeiten sahen. Es war nicht gern gesehen und Quatre fand es auch ziemlich leichtsinnig von Zechs, dass er mit Treize in einem Zelt schlief, gerade wenn sie unterwegs waren. Oft ertappte sich Quatre dabei, dass er in genau solchen Nächten wach dalag und anstrengend in die Nacht hineinlauschte. Hörte man etwas aus dem Nachbarzelt? Verräterisches Stöhnen oder Geraschel? Seiner Meinung nach sollte man die Germanen nicht mit derartigen Handlungen konfrontieren. „Über was denkst du nach?“, raunte Trowa in sein Ohr. „Was wohl Fortuna noch so alles auf Lager hat“, äußerte Quatre seine Gedanken. Nicht nur allein die Tatsache, dass sie sich nun in Germanien befanden und nicht mehr in Rom... Treize, ein römischer Konsul, der rechtmäßige Thronfolger befand sich auf der Flucht und hatte nun in Germanien Unterschlupf gefunden! Das hatte nun niemand vorhersehen können. Dann tauchte Zechs‘ Schwester auf, Zechs‘ Kinder! Das war wohl die größte Überraschung gewesen... Jetzt wurde auch noch Treize eine wichtige Rolle in einer Legende der Germanen zuerkannt. Treize und Zechs hatten wohl beratschlagt, dass sie endlich den Legenden des Tallgeese auf die Spur gehen wollten. Er musste Trowa nicht erklären, was genau er meinte. Sie hatten in den letzten Tagen schon oft darüber geredet. Er wollte weder in Zechs‘ noch in Treizes Haut stecken. Manchmal war es eben besser, wenn man keine Entscheidungen fällen musste, sondern eher ein Beobachter war. Denn er und Trowa vermochten nichts auszurichten in der gegenwärtigen Situation, sie konnten nur dafür sorgen, dass niemand ihren Freunden ein Messer in den Rücken jagte. Oder ihnen ein mysteriöser Unfall zustieß. Ja, sie waren noch immer wachsam und trauten den Germanen nicht. Sie schliefen mit ihren Schwertern neben sich, mit ihren Waffen in Reichweite. Sie übten sich jeden Tag im Übungskampf mit ihnen und das Metall, die Griffe, kein Detail an ihren Waffen wurde vernachlässigt. Mittlerweile war jeder bis in die kleinste Kerbe vertraut mit jenen Waffen, die sie von den Waisen in Ägypten erhalten hatten. Und auch, wenn die Germanen es nie im Leben zugeben würden, die Waffen und ihre offenkundigen Fähigkeiten damit, flößten ihnen Respekt ein. Recht so! „Wie geht es jetzt weiter? Suchen wir diesen Tallgeese?“ „Ja, das ist wohl der Plan.“ „Der gesamte Tross?“ „Ich denke nicht.“ Mittlerweile war es kaum noch ein Unterschied, ob eine römische Legion durch die Lande zog, oder dieser Haufen Germanen, der sich von Zechs wer weiß was versprach. Nein, sie konnten wohl schlecht mit allen Männern und den Frauen, die ihnen folgten, nach diesem Artefakt, Waffe, Rüstung, was auch immer es nun war, suchen. Das wäre viel zu aufwändig. Eine solche Truppe zu versorgen, sei es mit Lebensmitteln und sonstigen Dingen, die einfach den Alltag erträglich machten, war eine logistische Meisterleistung. Und die trauten sie den Germanen nicht zu. Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Stimmung kippte und es zu Streit und Auseinandersetzungen kam. Daher war es verständlich, dass Zechs und Treize nach dem Tallgeese suchen wollten, das gab den Kriegern ein gewisses Ziel und Hoffnung. Aber was war danach? Irgendwie zweifelte Quatre daran, dass sich jemand einen Plan für dieses ‚danach‘ zurechtgelegt hatte. Nicht einmal Treize, ihr Meisterstratege, konnte etwas planen, wenn er nicht einmal wusste, was das Ergebnis ihrer kleinen Suchexpedition war. Natürlich hatte Howard in Rom behauptet, der Tallgeese wäre nichts weiter als eine besonders kunstfertige, widerstandsfähige Rüstung, geschmiedet aus einem besonderen Metall. Aber, ob dies so der Wahrheit entsprach? Niemand hatte die Worte des vermeintlichen Bildhauers überprüfen können. Es gab Indizien, die darauf hindeuteten. So zum Beispiel die Waffen der fünf Waisen. Vielleicht war der Tallgeese wirklich etwas Ähnliches. Doch wissen würden sie es erst, wenn sie dieses Ding gefunden hatten. Und wie wollten sie dies überhaupt anstellen? Quatre gab ein überraschtes Quieken von sich, als Trowa ihm erneut einen Kuss aufgedrückt hatte. Doch dieses Mal war ein besonders feuchter Schmatzer. „Ich kann deine Gedanken förmlich sehen!“, neckte ihn sein Liebster und seufzte schwer. „Und es gibt nur eine Möglichkeit dich davon abzulenken!“ Flinke Hände wanderten unter Quatres grobe Tunica und begannen ihn zu kitzeln. „Halt nicht! Nein! Hör auf!“, versuchte sich Quatre zu wehren. So viel zu seinen Befürchtungen man könnte sie beobachten. Jetzt waren sie bestimmt einen ganzen Steinwurf entfernt noch zu hören! Und richtig, es hörte sie in der Tat jemand. Doch glücklicherweise war es nur Duo, der mit einem großen Korb unter dem Arm bei den Pferden vorbeikam. Vermutlich hatte er noch ein paar Lebensmittel und andere nötigen Dinge für ihre kleine ‚Expedition‘ zusammengesammelt. Der Junge war wahrer Experte darin geworden, die unmöglichsten Dinge in einem Lager aufzufinden und einzutauschen. Es gab wohl kaum einen härteren Verhandler und Feilscher unter ihnen. Doch es vermochte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Duo im Grunde seines Herzens todunglücklich war. Auch jetzt, als er zu ihnen in den Verschlag kam, zeigte sich der Schmerz auf seinem Gesicht. Schnell richteten Quatre und Trowa ihre Tunicen, ließen die Umhänge strategisch geschickt über ihre verräterischen Lenden fallen. „Gut, dass ich euch treffe. Wir brechen morgen auf“, raunte Duo und kraulte der vorwitzigen Stute, die ihre Nase in den Korb steckte, den Hals. „Treize möchte die Begleitung der Germanen so gering wie möglich halten, daher versucht euch unauffällig zu verhalten.“ Ah, das erklärte auch, warum Duo eine dreckig, fleckige Tunica über seinen Korb gebreitet hatte. Es sollte aussehen, als ob er Wäsche waschen gehen würde. „Das wird ein Vergnügen werden, sollte es weiter schneien.“ „Ja, aber das Wetter wird nicht besser werden“, urteilte Duo. „Zechs meinte, wenn wir jetzt nicht losgehen, dann können wir gut und gerne bis ins Frühjahr und bis zur Schmelze warten.“ „Und das will Treize nicht riskieren, weil uns dann womöglich die Römer auf die Pelle rücken“, ergänzte Quatre nickend. Ja, er verstand. „Richtig“, und wieder dieser schmerzhafte Zucken auf Duos Gesichtszügen. Rom, römische Legionen... Heero. Duos Geliebter, sein Retter aus der Sklaverei... der Verräter. Unwillkürlich ballte Quatre die Faust, er hatte sich gründlich in Heero getäuscht. So viel stand fest. Ausgerechnet Heero, der treueste der Soldaten, verriet seinen Herren. Beinahe hätte er ihre Flucht vereitelt und Treize wäre in Marcus‘ Hände gefallen. Und das nach allem, was Treize für Heero getan hatte! Wie würde Duo reagieren, wenn Heero mit einer Legion in Germanien einfallen würde? Würde er ihn auf dem Schlachtfeld herausfordern? Quatre zweifelte nicht daran, dass Duo es inzwischen mit Heero aufnehmen konnte. Aber würde Duo dazu auch den nötigen Mut aufweisen? Aber noch waren die Römer nicht hier, sofern sie überhaupt ihre Krallen erneut in Richtung Germanien ausstrecken würden. Wer wusste schon, was in Marcus‘ Kopf vorging. Ihr unmittelbares Problem war der Schnee und das gesunde Misstrauen gegenüber den Germanen. „Wir bereiten alles vor“, beschied Trowa Treizes Leibdiener. „Sag Treize, dass die Pferde morgen früh bereit stehen.“ Quatre streckte sich ein letztes Mal. „Du kümmerst dich um die Pferde, ich rede mit Sally.“ Keine Frage würde ihre Leibärztin mitkommen! Kapitel 28: ------------ Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kapitel XXVIII ‚Na das konnte ja heiter werden‘, dachte Treize bei sich als er in die grimmigen Gesichter der Germanen blickte, die sie auf ihrer kleinen Expedition auf der Suche nach dem Tallgeese begleiteten. Glücklicherweise hatte auch er seine Getreuen bei sich und er erinnerte sich selbst daran, dass er Trowa und den anderen unbedingt die Order geben sollte, dass sie ihre Zelte nahe an dem von ihm und Zechs errichten sollten. Sicher war sicher. Diesen Germanen traute er noch immer alles zu, auch wenn sie sich mit einem Meuchelmord den Zorn Zechs‘ zuziehen würden. Sie waren heute früh beim ersten vorsichtigen Tageslicht, dass es gewagt hatte, das Schneegestöber zu erhellen, aufgebrochen. Es sprach für die stetige Einsatzbereitschaft der Germanen, dass ihnen dennoch so viele gefolgt waren. Eigentlich hatten sie dies durch den plötzlichen und frühen Abmarsch verhinder wollen. Um also seine eigene Position und Ansehen bei den Germanen zu verbessern, war es unerlässlich, dass er den Tallgeese fand. Dummerweise hatte Relena verkündet, dass er es sei, der dieses mysteriöse Etwas auffinden würde. Treize hoffte für sie, dass es sich bei ihrem Geplapper wirklich um eine Vision gehandelt hatte. Sonst würde er den reizenden Hals der jungen Germanin - und Zechs‘ Schwester - nur allzu gerne eigenhändig umdrehen. Zum Glück ahnte Zechs nichts von seinen düsteren Gedanken. Der ritt indes weit, weit hinter Treize im Tross und machte sich mit Duo einen Spaß ihren Falken in die Luft steigen zu lassen. Relena war es auch gewesen, die ihnen die ungefähre Richtung vorgegeben hatte, wo sie nach dem Tallgeese zu suchen hatten. Jetzt musste sich Treize bereits auf die angeblichen Visionen einer jugendlichen Göre verlassen. Herrlich! Er war der alleinige Herr über sein Schicksal. Er traf die Entscheidungen, nicht etwa Relena! Doch einen Trumpf hatte auch er im Ärmel und er konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob Relena dies wusste: Die beiden Medaillons und der Wegweiser-Dolch. Treize war sich ziemlich sicher, dass seine Verbindung zu den Medaillons sich gefestigt hatte. Er hoffte, dass sein Vater und seinen alten Lehrer. Die schon längst bei den Ahnen weilten, nicht diese Mutmaßungen mitanhörten. Er konnte es sich ja selbst nicht erklären, wie er zu zwei Metallscheiben eine ‚Verbindung‘ aufbauen sollten. Jedoch war es unbestreitbar, dass in ihnen merkwürdige Kräfte ruhten. Er selbst hatte dies am eigenen Leib erfahren. Und so war es für ihn auch eine Beruhigung, als er die eine Hand von den Zügeln seines Pferdes nahm und stattdessen in seine Tasche steckte. Ja, das Metall war angenehm warm, was es nicht sein durfte bei diesen Außentemperaturen und dem ganzen Schnee, durch den die Pferde stapften. Die Scheiben waren sogar wärmer als noch heute Morgen, befand er. Sie waren ganz sicher auf dem richtigen Weg. Ja, das war gut. Diese Zuversicht musste er sich erhalten. Womöglich ruhten in Zechs‘ Kopf auch noch Erinnerungen an diesen versteckten Ort. Erinnerungen, die der Germane unbewusst verdrängt hatte, als damals seine Eltern ermordet worden waren. Je mehr sie über den Ort des Tallgeeses wussten, desto besser, das war unbestreitbar. Doch bis jetzt hatte Zechs sich hierzu noch nicht geäußert. Schon gar nicht, wenn ein Dutzend germanische Augen auf sie gerichtet, aber auch nicht, wenn sie unter sich waren. Sie waren bereits den halben Tag unterwegs, als Treize es nicht mehr auf seinem Pferd hielt. Er fühlte, sie waren dem Bestimmungsort ganz nahe. Doch vorsichtig wie er war, ließ er ihren Trupp weiter reiten. Er würde später mit Zechs alleine zurückkehren, denn er hatte etwas entdeckt. Unauffällig ließ Treize seinen Blick über die Bäume und Felsen streifen. Die Felsen waren das einzige auffällige Landschaftsmerkmal hier. Es war fast ein Kreis, den die Steinblöcke bildeten. Natürlich nicht sofort sichtbar, doch wenn man genau darauf achtete, konnte man es zwischen den Bäumen und Gebüschen ausmachen. Aber das war doch zu leicht, sollte dies wirklich der Ort sein, an dem der Tallgeese aufbewahrt wurde? So eine Felsformation würde doch jeden halbwegs interessierten Menschen zu Untersuchungen verleiten. Treize hatte bereits von ähnlichen Steinkreisen in Britannia gehört. Befreundete Offiziere hatten davon berichtet. In Germanien waren sie ihm noch nie untergekommen. Die Germanen selbst schenken den Steinen scheinbar keine Beachtung. Bei der Mittagsrast folgte Treize seinem Partner, als dieser sich etwas abseits vom Lager erleichtern wollte. Zechs deutete den Annäherungsversuch allerdings völlig falsch und lachte verhalten, als er Treize plötzlich in einem schneebedeckten Busch entdeckte. „Oh, in dieser Kälte wartest du auf mich? Ich muss dir wohl das Näschen wärmen!“, flötete Zechs. Treize war in der Tat bereits kalt geworden. Der Boden entzog einem förmlich jedes letzte bisschen Körperwärme. Zum Glück hatte er wenigstens nicht lange ausharren müssen. „Oder willst du mich wärmen?“, begann Zechs nun zu schnurren. Nun war es an Treize zurückzudenken, wann sie beide denn das letzte Mal ihr Lager geteilt hatten. Hatte es Zechs dermaßen nötig, dass ihm derartige Sätze über die Lippen kamen. Normalerweise war der Germane doch eher reserviert, gerade was seine Ausdrucksweise gegenüber der körperlichen Liebe anging. „Nein, da muss ich dich enttäuschen“, Treize kämpfte sich in die Höhe und wandte sich um. Nein, ihm war niemand gefolgt. Mittlerweile hatte er sich auch genügend Wissen und auch Erfahrung angeeignet, wie man sich Wald möglichst still und leise verhielt und insbesondere, wie man Störenfriede ausmachen konnte. Und ein gelehriger und guter Schüler war er schon immer gewesen. Als er sicher war, dass sie unbeobachtet und nicht belauscht werden konnten. Zog er eines der Medaillons aus seiner Tasche. Zechs zeigte sich interessiert, doch widmete den goldenen Scheiben kaum einen zweiten Blick. Obwohl ihm Treize doch noch vor wenigen Tagen davon berichtet hatte. Doch etwas schien Zechs‘ Aufmerksamkeit abgelenkt zu haben. Auch Zechs dachte fieberhaft nach, doch nicht an den Tallgeese oder die Konsequenz, die der Fund für das germanische Volk haben könnte. Also musste er Zechs‘ Aufmerksamkeit dezent auf die hier vorliegende Aufgabe lenken. Er drückte Zechs die Scheibe in die Hand und der sprang einen gehörigen Satz nach hinten weg: „Aua! Diese Dinger sind ja siedend heiß.“ „Sehr genau beobachtet“, feixte Treize und ließ das Medaillon an der ledernen Kordel kreisen. Eine Schneeflocke landete auf dem Metall, nur um sich gleich in Wasser zu verwandeln. Man könnte damit glatt Wasser zum Kochen bringen. „Und weißt du, was ich daraus schließe?“ Zechs starrte ihn verdrießlich an. „Dass der Tallgeese hier irgendwo in der Nähe vergraben sein muss.“ „Richtig. Je eher wir ihn finden, desto früher kann ich wieder zurück ins Lager. Ich traue manchen Leuten hier nicht.“ „Mhm“, brummte sein Gegenüber nun. Zechs schien auf einmal gar nicht mehr so enthusiastisch zu sein, den legendären Tallgeese zu finden. Treize hatte auch einen Verdacht, woran das liegen konnte. Hier draußen wog die Last der Verantwortung bei weitem nicht so groß. Hier wurde nicht jede seiner Aktionen mit Argusaugen beobachtet. Hier gab es auch keine Familien, die ihn sehnsuchtsvoll im Vorübergehen anblickten und sich erhofften, dass er ihnen zu einer besseren Zukunft verhalf, die Römer eigenhändig aus Germanien vertrieb und die Stämme der Germanen vereinte. Treize hatte ähnliches in Bezug auf seine Person in Rom öfters erlebt und wusste, dass diese Erwartungen einen regelrecht lähmen konnten. Nichtsdestotrotz mussten sie Ergebnisse vorweisen, sonst konnte diese erwartungsfrohe Stimmung auch ganz schnell zu ihren Ungunsten kippen. „Kannst du dich an irgendetwas erinnern? Kommt dir hier etwas bekannt vor?“ „Selbst wenn es dies würde, es ist alles verschneit“, Zechs drehte sich einmal im Kreis und ließ den Blick über die Landschaft schweifen. „Gutes Argument“, stimmte ihm Treize. „Mir ist ein Steinkreis aufgefallen. In dieser Richtung“, er deutete nach Osten. Zechs runzelte die Stirn: „Wirklich?“ „Ja. Vielleicht warst du abgelenkt, du hast mit Duo und Horus gespielt.“ Darauf erwiderte Zechs nichts. „Eine halbe Stunde Fußmarsch, mehr ist es nicht. Komm, sehen wir es uns an. Die Germanen werden uns nicht sobald vermissen und sich auch nicht trauen zu fragen, wo wir abgeblieben sind“, versuchte Treize ein wenig Leichtmut zu verbreiten und zwinkerte. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und ergriff schwungvoll Zechs‘ Hand. „Auf, auf, frohen Mutes voran, mein Freund!“ „Du bist wirklich gut gelaunt“, bemerkte Zechs als sie wohl die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. Die Spur, die die zahlreichen Pferde ihres Trupps hinterlassen hatten, war gut sichtbar und würde es zumindest noch bis zum Abend sein. Treize hatte sogar eine kleine Fackel unter seinem Mantel verborgen mitgebracht für den Fall, dass sie in die Dunkelheit geraten würden... und ein Seil, für alle Fälle. „Ich bin nicht gut gelaunt. Ich bin nur froh, dass wir einen Schritt weiterkommen. Allerdings weiß ich auch nicht genau, wie es dann weitergeht. Vor allem, wie es im Frühjahr weitergehen soll.“ „Quinze will die römischen Garnisonen überfallen und sie zurücktreiben.“ „Das halte ich noch für zu früh. Bei allem Respekt für dein Volk, aber die Germanen sind noch nicht dafür bereit. Es gehört mehr dazu als eine schiere Masse von leidenschaftlichen Kriegern, um gegen die Römer zu bestehen. Das weißt du“, schärfte Treize ihm ein, wenn es auch nicht fein von ihm war, Zechs damit an die Niederlage der Germanen zu erinnern, die ihn ja schließlich auch in die Hände der Römer gespielt hatte. „Man könnte dir da eine gewisse Neutralität absprechen“, brummelte Zechs. Treize seufzte. Wenn er heute ‚gute Laune‘ hatte, was hatte dann bitteschön Zechs? Zogen da Gewitterwolken über sein Gemüt. „Zumal ich glaube, dass wir diese Frage wirklich nicht debattieren müssen. Oder besser gesagt, es wird uns abgenommen werden, solch eine Entscheidung zu treffen.“ „Wie meinst du das?“ „Ich glaube, Marcus wird im Frühjahr Legionen nach Germanien entsenden.“ „Was?“, Zechs stolperte glatt über einen Stein am Wegesrand bei dieser Offenbarung. „Augenblick, du glaubst das? Oder weißt du etwa mehr als ich?“ Nun blieb auch Treize stehen und presste die Lippen aufeinander. Eigentlich hatte er ja vollstes Vertrauen zu Zechs. Er sollte es ihm sagen. Allerdings gefiel ihm nicht, wie manche Kreise versuchten Zechs für sich einzunehmen. Er wusste nicht, welche Absichten Relena verfolgte. Oder auch besagter Quinze, der Treize nun einmal gar nicht geheuer war. „Es gibt immer Händler, die zwischen den Fronten verkehren“, erklärte Treize ausweichend und ging mit bedacht weiter. Irgendwo hier war doch der Steinkreis gewesen. Erkannte er schon etwas wieder, ein Baum oder ein Felsen? „Du hast Spione in Rom?“, wollte Zechs ungläubig wissen. „Nun ja, ‚Spione‘ wäre zu viel gesagt. Ich habe eine verschlüsselte Nachricht erhalten.“ „Die Quelle?“ „Nun, wer ist denn noch in Rom und uns getreu?“ Mehr wollte er nicht sagen, sollte Zechs seine eigenen Schlüsse ziehen. „Die ehrenwerte Une, aber natürlich...“ „Aber natürlich“, wiederholte Treize und stampfte weiter durch den Schnee. Bei den Göttern, es tat ihm im tiefsten Innersten weh, dass er nicht offen und ehrlich zu Zechs sein konnte. Allerdings war Treize seit Jahren geübt in Intrigen und geheimen Absprachen, wenn ihn sein Bauchgefühl warnte, dann hatte er diese Intuition auch ernst zu nehmen. Sein Leben und das seiner Gefährten mochte davon abhängen. „Müssten wir nicht bald einmal da sein?“, fragte Zechs äußerst kritisch nach, zu genau jenem Zeitpunkt, an welchem auch Treize an sich zu zweifeln begann, ob er sich die Steinformation nicht doch nur eingebildet hatte. Aber nein, noch bevor er dies vor Zechs eingestand, streckte er den Arm und deutet – zugegebenermaßen mit ein wenig Stolz – auf die Felsen, die urplötzlich keinen Steinwurf von ihnen entfernt aus dem Waldboden ragten. „Ah“, machte Zechs und blieb stehen, besah sich den Steinkreis aus der Ferne und pfiff dann leise durch die Zähne. Es klang nach einer Überraschung im besten Sinne. „Was ist?“ „Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache.“ Und wenn Treize seinem eigenen Bauchgefühl stets traute, dann maß er Zechs‘ eine mindestens ebenso große Bedeutung bei. Bedächtig näherten sie sich dem Steinkreis, doch auf diese Vorsichtsmaßnahme hätten sie getrost auch verzichten können. Es war hier so ruhig und friedlich wie es in einem verschneiten Wald nur sein konnte. Sogar zwei Eichhörnchen haschten sich, sprangen die Bäume hinauf und wieder hinab. Die Spuren eines Fuchses waren am Wegesrand zu sehen. Nirgends etwas verdächtiges zu sehen. „Die Medaillons?“, fragte Zechs nach. Treize wagte gar nicht erst in seine Tasche zu greifen. Die Hitze der Metallplatten war deutlich auf der Haut zu spüren, obwohl mindestens drei Lagen Stoff dazwischen waren. Er nickte: „Wir sind auf der richtigen Spur... es muss so sein.“ Womöglich war da auf Treizes Seite ein wenig zu viel Wunschdenken vorhanden, doch eigentlich war er sich schon ziemlich sicher. Sie standen am Rande des äußeren Felsen. Die Medaillons würden ihnen wohl nicht weiterhelfen, unmöglich herauszufinden, ob sie noch heißer wurden, oder sich abkühlten. Trotzdem beharrte Zechs darauf, Treize möge sie doch hervorholen. Vorsichtig stülpte Treize seine Tasche nach außen, er war darauf bedacht auch nur die Ränder des Stoffes anzufassen. Und selbst dies ließ seine Fingerspitzen vor Hitze schmerzen. Eines der Medaillons fiel zu Boden und ohne ihr Zutun, oder zumindest kam es Treize so vor, rutschte es zwei Ellen nach links. Er runzelte die Stirn. Hatte er es sich eingebildet? Doch Zechs blickte ebenfalls zweifelnd auf den Boden. „Achtung“, warnte ihn Treize, doch Zechs hatte schon begriffen, dass das Metall äußerst heiß war, sogar der Schnee schmolz in dessen unmittelbaren Umgebung. Daher griff Zechs auch nur nach dem Lederband, auf welchem die Plakette aufgefädelt war. Er hielt es vor sich in die Luft und Treize traute kaum seinen Augen: Wie von einem Magneten angezogen, zog es die Metallplatte links. Nun holte Treize doch das Gegenstück aus seiner Tasche hervor. Er bekam das Band zu fassen und auch hier... Nein! Es deutete nach rechts! Also genau in die Gegenrichtung zu Zechs Medaillon. Zechs murmelte daraufhin einen äußerst derben Fluch auf Germanisch und Treize schloss sich ihm allzu gerne an. Er würde es nicht offen zugeben, doch es hatte sich auf seinen Unterarmen eine Gänsehaut gebildet. Selbst er, der doch stets an logische Erklärungen glaubte, ließ sich hier von dieser ‚Magie‘ verzaubern und Angst einjagen. Doch Zechs folgte der Richtung, die ihm scheinbar vorgegeben wurde. Er bedeutete Treize, es ihm gleichzutun. Zögerlich setzte er sich in Bewegung und als er glaubte, dass das Medaillons nun nicht mehr weiter in eine Richtung drängte, sah er sich hinter einem der kleineren, nahezu unscheinbaren Felsen stehen. Zechs stand ihm genau gegenüber, an einem der größten Felsen. Es schienen die genauen Gegensätze zu sein... Aber ja, das machte sogar Sinn. Die Medaillons zeigten ja auch niemand anderes als die ägyptischen Götter Seth und Horus. Schon diese Götter standen sich in ihren Motiven und Handlungen in der Mythologie gegenüber. Sie mussten auf der richtigen Spur sein, dies war doch kein Zufall! Diese Anlage war von Menschenhand geplant und ersonnen. Er hoffte bloß, dass mit ihren jeweiligen Positionen keinerlei Nachteile verbunden waren. Nicht, dass eine Stelle in eine Falle führte, die andere zum Tallgeese. Bei diesem Gedanken wurde es Treize regelrecht flau in der Magengegend. Relena hatte doch behauptet, dass er den Tallgeese erwecken würde. Wenn er dieser Prophezeiung nun glauben schenkte, dann war er wohl in Sicherheit, aber was war mit Zechs. Einem plötzlichen Impuls heraus, wollte er Zechs eine Warnung zurufen, dass er doch vorsichtig sein solle und... Doch dann zog es ihm den Boden unter den Füßen weg... buchstäblich. Er glaubte, Zechs überraschten Schrei zu hören, doch er konnte sich auch nur getäuscht haben. Es ging abwärts, aber nicht lange, es mochte nur für die Dauer eines halben Herzschlag gewesen sein. Doch der Aufprall raubte ihm den Atem und ließ ihn vor Schmerzen brüllen. Denn noch ein Geräusch glaubte er gehört zu haben: Nämlich das von knirschenden Knochen! Sofort versuchte er sich aufzurappeln, immerhin konnte er sich aufrichten. Mit seinem Oberkörper schien alles in Ordnung zu sein. Seine Aufmerksamkeit wurde von seinem Körper und den unmittelbaren Schmerzen abgelenkt, als er die Augen aufschlug und den Dreck und Staub weggeblinzelt hatte. Sie befanden sich in einer Höhle. Oder besser, er befand sich in einer Höhle. Er wusste nicht, wo Zechs war, wäre der andere auch hinabgestürzt, dann müsste er doch da drüber irgendwo zu sehen sein. Doch kein Lichtstrahl der Außenwelt fiel in der angegebenen Richtung zu Boden. Nur sein unmittelbarer Platz wurde vom fahlen Oberflächenlicht beleuchtet. Und ja, da hörte er Zechs nach ihm schreien. Was ihn mittelbar an seine Schmerzen erinnerte. Er sah an sich hinab und ja, er hatte es bereits gefürchtet. Er war auf seinem rechten Bein gelandet und hatte es sich wohl gebrochen. Eine zögerliche Bewegung förderte nur noch weitere Schmerzen zu Tage und ließ ihn keuchen, stöhnen und fluchen wie eine Frau, die sich in den Wehen befand. Das Bein blutete auch, doch Treize hoffte, dass es von einer oberflächlichen Verletzung herrührte und es kein offener Bruch war. Solche Brüche heilten nur schwer, waren äußerst schmerzhaft und ohne fähigen Arzt oft auch ein Todesurteil, weil die Verletzungen sich nicht schlossen, eiterten und Fieber die Folge war. Solche Fälle hatte er leider schon zu oft auf den Schlachtfeldern gesehen. Er brachte es momentan jedoch nicht über sich, die Tunica und sein Gewand zu raffen, um sich den genauen Zustand seines Beinen anzusehen. Die Schmerzen reichten ihm vollkommen aus. „Treize! Treize?“ ‚Zechs!‘ Also befand er sich doch noch oben. „Vorsicht! Pass auf!“, brüllte er so gut es ging zurück. Bei der süßen Venus, sogar das Brüllen sandte glühende Schmerzen in sein Bein. „Ich bin eingestürzt!“ „Bist du verletzt?“ Den bangen Tonfall zu vernehmen, setzte Treize fast noch einmal genauso stark zu, wie die Schmerzen in seinem Bein. „Ja, mein Bein ist gebrochen.“ Einmal mehr hörte er Zechs fluchen. Als Treize realisierte, dass er noch immer die Fackel und das Seil bei sich trug, stimmte er in den Fluch mit ein. Was nützten ihnen Seil und Fackel hier unten? „Hast du immer noch ein gutes Gefühl bei der Sache?“ Er sollte Zechs‘ Bauchgefühl vielleicht in Zukunft nicht mehr so blind trauen. Treize stellte fest, dass er gar nicht so laut brüllen musste. Die Höhle verstärkte seine Stimme, ein ähnlicher Effekt wie in den alten Amphitheatern der Griechen. Zechs verbot sich jegliche Antwort auf diese Frage. „Was siehst du da unten?“ Zunächst wollte ihm Treize entgegnen, dass ihm dies gerade ziemlich einerlei wäre. Doch dann besann er sich und sah sich vorsichtig um, so sehr er dies eben konnte. „Ich sehe nicht viel. Ich glaube, diese Höhle führt in einen Gang, der von mir aus nach links abzweigt. Die Luft ist überraschend frisch. Es muss eine Zufuhr geben.“ Wäre dieses Höhlensystem nämlich von der Außenwelt gänzlich abgeschnitten, dann müsste es ziemlich modrig riechen. Treize konzentrierte sich, versuchte für einige wenige Augenblicke seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Ja, er glaubte sogar einen Luftzug zu spüren. Ähnlich einem Kamin zog die Luft nun nach oben durch das Loch, das er mit seinem Absturz geschaffen hatte. „Aber es gibt keine Tiere da unten? Wölfe oder Bären?“ Dies hoffte Treize nun inständig nicht! Zechs hatte sich an den Rand der Einsturzstelle hervorgetastet und streckte den Kopf zu ihm hinunter. Sofort wurde es in der Höhle dunkler. „Nein, ich denke nicht“, stöhnte Treize. Die Schmerzen nahmen wieder zu. Vermutlich, weil die erste Welle der Aufregung so langsam abebbte und ihn ausgelaugt zurückließ. „Hältst du eine Stunde durch?“ „Ich muss wohl, oder?“ Natürlich musste Zechs zurück zum Lager. Er musste Männer und Ausrüstung holen, damit sie Treize bergen konnten... und diese Höhle näher erforschen. Bei diesem Gedanken tastete er unter sich nach dem Medaillon. Hatte er es während des Falls losgelassen? Er glaubte nicht. Ah, da war... „Autsch!“ „Was?“, kam es alarmiert von oben. „Das Medaillons ist noch immer siedend heiß.“ „Ah... Also?“ „Ja, geh zurück ins Lager. Verlauf dich bitte nicht.“ Würde Zechs den Weg nicht zurückfinden, dann wäre Treize hier unten wohl verschollen und würde nie wieder Tageslicht erblicken. „Gut... Versuch wach zu bleiben, hörst du?“ „Ich habe mir nur ein Bein gebrochen. Die Schmerzen halten mich wach.“ Sie waren zwar stark, aber nicht so stark, dass sie ihn in eine Ohnmacht befördern würden. Zumindest hoffte das Treize.. „Treize...“ „Geh schon, Zechs. Ich will hier nicht über Nacht bleiben.“ „Ich liebe dich!“ Treize schloss die Augen. Rollte ihm da eine Träne über die Wangen? Auch wenn es niemand sah, er wischte sie schnell weg und legte so viel Ruhe und Zuversicht in seine Stimme, wie er nur aufbringen konnte. „Ich liebe dich, Zechs. Hol mich hier wieder raus.“ Kapitel 29: ------------ Disclaimer: Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte. Kommentar: Für das neue, noch junge Jahr 2015 wünsche ich euch alles Gute! Kapitel XXIX Zu sagen Treize würde sich ‚außen vor‘ fühlen, wäre die reinste Untertreibung. „Du kannst noch nicht reiten!“ Und diesen Satz hatte er in den letzten Wochen wahrlich auch viel zu oft vernehmen müssen. Doch Sally – und Duo – wurden nicht müde, ihm diese bittere Wahrheit unter die Nase zu reiben. Zweimal hatte er es dennoch versucht und sich dann ziemlich schnell dafür verflucht. Er sah es ja ein, dass sein Bein, seine Knochen, Ruhe brauchten, damit sie wieder heilten und zusammenwuchsen. Er wusste auch, dass so etwas bei einem erwachsenen Mann bedeutend länger dauerte, als bei einem Kind. Er wusste auch, dass sein Körper ohnehin im letzten Jahr viel mitgemacht hatte und seine sich Kraftreserven so langsam erschöpften. Zechs war so charmant, es ihn jedes Mal subtil spüren zu lassen, wie mager Treize einmal mehr geworden war. Jede intime Berührung, jedes Streicheln über die Rippen oder den Rücken ließ es ihm bewusst werden. Und dabei sah er Zechs zurzeit tagelang überhaupt nicht mehr. Hätte ihn eine derartige Verletzung ereilt, während er sich auf einem Feldzug mit seinen Legionen befunden hätte, dann hätte er zwar auch die Zeit in seinem Zelt und im Bett liegend verbringen müssen, allerdings hätte er dann wenigstens noch eine stattliche Sammlung von Manuskripten zum Zeitvertreib bei sich gehabt. Irgendwelche jungen Schauspieler und Theaterschreiber hatten ihm stets ihre neuesten Werke geschickt, verbunden mit der Hoffnung, dass er sich bei seiner Rückkehr nach Rom als ihr neuer, großzügiger Gönner erweisen würden. Jetzt schickte ihm überhaupt niemand etwas aus Rom... Und gab es unter den Germanen überhaupt so etwas wie geschriebene Theaterstücke? Bevor er nun endgültig all jene negativen Aspekte seiner Situation im Stillen aufzählte, was gab es denn alles Positives zu berichten? Da waren natürlich die Zwillinge, Zechs‘ Kinder. Das hörte sich für Treize noch immer sonderbar an, doch er hatte die beiden Kleinen sehr lieb gewonnen. Jeden Tag hatte er mit dem Mädchen und dem Jungen Zeit verbracht, mit ihnen gespielt und beobachtet, wie sie in seinem Zelt die Welt entdeckten. Naina und Milou waren noch keine zwei Jahre alt und Treize fand es sehr faszinierend. Aber er musste sie ja auch nicht füttern oder sie wickeln, dafür gab es eine sehr warmherzige ältere Germanin. Doch die Frau verbrachte indes auch oft die Zeit bei Treize und den Zwillingen. Dabei hatte er das Gefühl, dass sie ihm mittlerweile auch vertraute und ihn nicht mehr als bösen Römer, der nichts Gutes im Schilde führte, betrachtete. Das Mädchen begann bereits eifrig Wörter nachzusprechen, die man ihm sagte. Und in Treize hätte sie da keinen besseren Lehrer finden können, der ihre Neugier und Wissensdurst befriedigte. Es war auch für ihn eine gute Übung sich noch mehr germanische Ausdrücke anzueignen. Milou hingegen war da etwas ruhiger. Doch die Amme erklärte Treize, dass dies ganz normal wäre. Die Mädchen würde früher anfangen zu brabbeln und zu sprechen. Treize vertraute da auf ihre Erfahrung. Da er selbst wohl keine Kinder mehr haben würde, empfand er die Zeit mit den Zwillingen als besonders wertvoll. Was gab es noch Positives zu berichten? Nun, zum einen, dass er Winter wohl doch nicht so streng war, wie er zunächst befürchtet hatte. Sie hatten bereits die längste Nacht des Jahres überstanden und Treize bildete es sich ein, dass die Tage bereits wieder merklich länger wurden. Sie hatten den Tallgeese gefunden. Ja, diese künstlich angelegte Höhle, in die Treize gefallen war, hatte sich in der Tat als Versteck für diese wundersame Rüstung herausgestellt. Und er hatte eine eher unrühmliche Rolle bei der Entdeckung gespielt, immerhin hatte er nichts ‚entdeckt‘ oder ‚erweckt‘, er war einfach nur in das Erdreich eingebrochen. Das hätte jedem passieren können, doch er würde sich hüten derlei blasphemische Gedanken laut zu äußern. Seine ‚Entdeckung‘ des Tallgeese hatte seine Stellung bei den Germanen immerhin verbessert. Seine Bergung aus der Höhle war von ihm mit derben Flüchen begleitet worden, jeder Zug des Seils hatte ihm Schmerzen bereitet und sein Bein hatte er nicht mehr belasten können. Danach waren Zechs, Wufei und Trowa hinabgestiegen und hatten sich dort unten umgesehen. Wenig später waren die einzelnen Rüstungsteile nach oben befördert worden, angefangen von einem Helm, Brustharnisch, Armschienen und Schienbeinschienen. Alles in einem wundersamen Metall, welches dem Mondlicht gleich hell glitzerte. Allerdings waren die einzelnen Teile ungewöhnlich schwer. Keiner der übrigen Krieger konnte die Rüstung anlegen und sich darin noch ausreichend schnell für den Kampf bewegen. Bloß Zechs war dazu in der Lage. Er schien damit keine Schwierigkeiten zu haben. Und es war nicht nur die Rüstung, in der Höhle hatte sich auch noch ein mächtiges Breitschwert gefunden. Aus demselben Metall gefertigt, schwer zu handhaben, doch unglaublich durchschlagskräftig. Treize hatte noch nie ein derartiges Metall gesehen. Ein Jammer, dass die Kenntnis zum Schmieden dieses Wunders verloren war. Der Einzige, der damit womöglich noch arbeiten konnte, war Howard. Doch der Künstler und Bildhauer befand sich in Rom. Wenn Treize auch dessen Rat sehr schätzen würde, es wäre zu gefährlich ihn nach Germanien zu bitten. Sollte die Rüstung allerdings einmal beschädigt werden, dann bräuchten sie einen fähigen Schmied. Die germanischen Handwerker wären wohl heillos überfordert. Dies war ein Dilemma, das Treize noch nicht zu lösen vermochte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Rüstung beschädigt wurde, war gar nicht einmal so gering, jetzt wo Zechs damit gegen die Römer in den Kampf zog. Zwar strebten die Germanen keine offene Schlacht an, doch wurden nun einzelne Karawanen, Boten und Kaufmänner überfallen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Rom vermehrt kleine Kampfverbände zur deren Überwachung abkommandieren würde. Und damit würde es über kurz oder lang nicht bleiben. Es würde sich bei den Römer herumsprechen, dass ein sonderbarer Krieger an der Spitze der Germanen stand, groß gewachsenen mit langen, hellblonden Haaren, zurückgekehrt aus dem Gefangenschaft bei den Römern... Und sogar Marcus war nicht so blöd, dass er nicht die richtigen Schlüsse daraus ziehen würde und dann würden sie erst recht die Aufmerksamkeit der Römer auf sich ziehen. Treize hielt das Vorgehen für überhastet und verfrüht. Doch leider hörte Zechs in dieser Hinsicht nicht auf ihn. Noch dazu, dass nun Treize nicht an seiner Seite war, um ihm solche Gedanken auszureden, bevor sich die Germanen zu tief in derartige Scharmützel verstrickten. Zechs war alleine unterwegs, manchmal begleitet von Trowa, manchmal Wufei, doch stets war dieses alte Schlitzohr Quinze an seiner Seite. Und Treize würde seine Villa in den Albaner Bergen darauf verwetten, dass diese Ideen allesamt von Quinze stammten. Wie es dieser Wurm jedoch schaffte, so einen Einfluss auf Zechs auszuüben, das war Treize schleierhaft. Er beschloss, dass er von nun an, stets jemanden seiner Getreuen Zechs mitschickte. Vielleicht konnte er so den Einfluss‘ Quinze so gering wie möglich zu halten, wenn er schon nicht selbst bei Zechs sein konnte. Ach, diese verdammte Verletzung! Treize hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihm die Situation aus der Hand glitt. „Da schmollt aber jemand ganz gewaltig“, meinte Sally zu Begrüßung, als sie ihn zur Mittagsstunde besuchte. „Zu recht“, knurrte Treize. „Lass das Zelt offen, ich kann ein wenig Frischluft ganz gut vertragen.“ „Treize, ich weiß, es ist schwierig. Du möchtest reiten, kämpfen und Zechs begleiten.“ „Ganz genau!“ „Aber, damit du dies auch wieder tun kannst, muss dein Bein vollständig heilen. Und das wird es nicht, wenn du es zu schnell wieder belastest!“ „Sally, das sagst du mir jeden Tag“, seufzte Treize und richtete sich auf die Ellbogen auf. „Ist Zechs wieder zurück?“ „Du glaubst doch nicht, dass er nicht sofort bei dir vorbeischauen würde, wenn er wieder da wäre...“, feixte Sally, setzte sich neben ihn und begann den Verband von seinem Bein zu wickeln. Da war sich Treize gar nicht mehr so sicher. Irgendwie fühlte er sich seit sie den Tallgeese geborgen hatten von Zechs entfremdet. So als hätte er keinerlei Anspruch mehr auf den Krieger, als wäre dieser nun eine andere Person, die Treize nicht kannte. Das mochte zum einen an der großen Rolle liegen, die die Germanen seinem Geliebten zumaßen. Derartiger Erwartungsdruck konnte einen Menschen verändern. Allerdings hatte Treize das unbestimmte Gefühl, dass mehr dahintersteckte. Aber vielleicht war dies auch nur seiner miesen Laune und dem gebrochenen Bein geschuldet. „Was sagst du?“, erkundigte sich Sally. „Ich habe nichts gesagt.“ „Ah, ich dachte, ich hätte deine Gedanken gehört. Treize, ich glaube, du grübelst zu viel nach.“ „Das glaube ich auch“, murmelte Treize und legte sich auf die Liege zurück. Er hatte genug von seinem Bein und der Wunde gesehen: Die zusammengenähten Ränder waren nicht mehr rot, sondern wiesen eine gesunde, blasse Farbe auf. Es würde eine Narbe bleiben, doch davon hatte er schließlich auch schon genug auf seinem Körper. Das war nichts, was ihn störte. Wenn er jetzt nur noch aus seinem Zelt herauskönnte... Als ob sie seine Wünsche kennen würde, meinte seine Ärztin: „Nun, ich denke, so langsam solltest du dich wieder bewegen. Aber zuerst nur mit einem Stock und nur, wenn jemand bei dir ist. Du wirst noch recht unsicher auf den Beinen sein und die Gefahr zu stürzten ist noch recht hoch.“ „Sehr gut!“ „Aber erwarte nicht, dass du gleich mit Zechs auf dessen Streifzüge mitgehen kannst.“ „Nein, nein!“, beschwichtigte Treize. Die kleine Runde durch das Lager war anstrengend und mehr als einmal wurde ihm schwindelig, hörte er das Blut in den Ohren rauschen. Trotzdem war er dankbar dafür, den Wind auf seinem Gesicht zu spüren... und bildete er es sich ein, oder war eben jener Wind bei weitem nicht mehr so schneidend und unangenehm auf der Haut? Wurde es etwa wirklich Frühjahr? Ein kleiner Tumult brandete am anderen Ende ihres Lagers auf. Er hörte die Germanen klatschen und jubeln. Sally und Treize sahen sich an und dachten wohl dasselbe: Zechs war wohl zurückgekommen. Langsam humpelte Treize in Richtung des Lärms. Ja, Zechs war schon ein stattlicher Anblick in seiner weißen Rüstung, das Schwert an der Seite. Das Weiß der Rüstung ein krasser Kontrast zum schwarzen Fells seines Pferdes. Man glaubte fast eine Gottheit zu sehen, die auf die Erde hinabgestiegen war. Die Erkenntnis, dass nur er, Treize, diese Gottheit wahrhaft besitzen und einnehmen konnte, ließ ihn so dümmlich, lustvoll grinsen wie einen Schuljungen, der zum ersten Mal die nackten Brüste einer Frau sah. Und doch trübte etwas dieses Bild. Wieder einmal ritt Quinze an Zechs‘ Seite und das Gesicht des alten Mannes zeigte eine Selbstzufriedenheit, die Treize dazu veranlasste die Faust zu ballen. Wie konnte er es nur anstellen, dass dieser Kauz verschwand? Die Germanen hatten wohl einmal mehr einen römischen Händler mit einer Lieferung an ein Kastell aufgerieben. Nachschub für die Germanen und vielleicht fanden sich darunter auch solche Annehmlichkeiten wie eine Amphore mit Wein. Man durfte ja hoffen. Jedoch hielt die Lieferung eine ganz andere Überraschung bereit. Treize traute seinen Augen nicht und auch Sally holte tief Luft, als sie den kleingewachsenen, grauhaarigen Mann erkannte, der von einem der Karren herunterkletterte und seine Umgebung mit einem zufriedenen Lächeln musterte. „Howard!“, rief Treize und winkte dem Mann zu, was dieser mit sichtlichem Genuss erwiderte und sogleich auf ihn zukam. „Wurde es euch in Rom zu langweilig?“, konnte sich Sally diese freche Frage nicht verkneifen. „In der Tat, in diesem Rattennest schätzt man einen Künstler einfach nicht mehr.“ „Ich hoffe, die Reise war nicht zu beschwerlich“, als ob sie hier von einer ganz gewöhnlichen Reise sprachen und nicht über die Querung der Alpen, ganz zu schweigen von Feindesland, dass es zu durchqueren galt. „Nein!“ Howard jedoch schien bester Laune zu sein. „Ihr habt den Tallgeese gefunden, vortrefflich!“ Es war wohl die pure Neugier, die Howard immer wieder zu Zechs hinübersehen ließ. Nun, Howard würde in nächster Zeit noch Gelegenheit genug haben, die Rüstung genauer in Augenschein zu nehmen. Die wichtigere Frage war, hatte Howard auch Neuigkeiten aus Rom? Vielleicht eine Depesche von Une? Natürlich würde Treize nicht hier draußen danach fragen, sondern in der Abgeschiedenheit seines Zeltes. Immerhin hatte er nun eine Sorge weniger, sollte Zechs‘ Rüstung beschädigt werden, dann hatten sie nun einen Mann zur Verfügung, der sie reparieren konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)