Fortum von Mad-Dental-Nurse (Das dunkle Herz und das Licht) ================================================================================ Kapitel 8: Verwirrende Träume ----------------------------- Wortlos schritten sie nebeneinanderher. Durch den Garten, der selbst in der tiefschwarzen Nacht noch dunkler wirkte, als er es schon tat. Lumen versuchte dabei den Blick auf dem Boden zuhalten, denn sie wollte nicht die vertrockneten Pflanzen sehen. Nicht nachdem sie diese herrlichen, sonderbaren Rosen gesehen hatte und liebte. Auch wenn sie wusste, dass nun Fallacia schuld war, dass sie diese schrecklichen Träume hatte, konnte sie den Traum, der über diesen trostlosen Garten handelte nicht vergessen. Was hatte sie überhaupt getan, dass man ihr so sehr schaden wollte? Mehr als einmal wollte sie ihm diese Frage stellen. Fand aber nicht den Mut, weil sie fürchtete, dass sie so seinen Zorn noch mehr entfachen würde. So lief sie weiterhin neben ihn her. Schweigend, den Blick stets auf den Saum ihres Kleides gerichtet. Doch igrendwann hielt sie es nicht mehr aus und die Frage platzte aus ihr heraus. „Was hat sie denn gegen mich? Ich habe ihr doch nichts getan?“, sagte sie leise. Tenebrae sagte darauf erstmal nichts. Genu das gleiche fragte er sich auch. Er hatte immer gedacht, dass seine Diener ihm niemals in den Rücken fallen würden. Dass sie ihm treu waren. Aber anscheinend hatte er sich in Fallacias getäuscht und wieder stieg Zorn in ihm hoch. Gerne hätte er sie mehr als nur gegen die Wand geschleudert. Er hätte ihr auch, wie angedroht die Zunge rausgerissen. Hatte es aber sein lassen, weil er nicht wollte, dass es sich die Prinzessin mitansehen musste. Sonst hätte er wieder in ihren Augen als das Monstergegalten, für das sie ihn am Amnfang gehalten hatte. Warum ihn das störte, konnte er sich selber nicht erklären. Ihm schien es zu wieder zusein, dass sie ihn als das sah, was die anderen in ihm sahen. Wie seltsam das doch war. Dabei war sie nur eine Prinzessin. Noch dazu eine, mit dem Gemüt eines Kindes. Kurz blickte er sie an. Sah, wie sie schweigend und mit gesenktem Kopf neben ihn herlief, wie eine folgsame Sklavin. Bei diesem Vergleich schnürte sich sein Hals zusammen. Sklavin! Sollte sie das wirklich für ihn sein? Sollte das wirklich soweit kommen, dass er ihr Herr und Meister war? Alles in ihm sträubte sich dagegen, als er diesen Gedanken weiter verfolgte. Sie sollte keine Sklavin sein. Sondern frei und ohne irgendwelche Zwänge. „Was hat sie denn gegen mich? Ich habe ihr doch nichts getan?“ Ihre Frage holte ihn aus seinen Überlegungen und er blieb kurz stehen. Sah sie an. Dann lächelte er und ging mit ihr weiter. „Doch, das habt Ihr. Ihr habt mein Vertrauen und meinen Schutz. Das, was sie nicht hat. Und was sie gegen Euch hat. Ganz einfach: Sie ist eifersüchtig und denkt natürlich, dass ich Euch hierherkommen ließ, weil ich in Euch eine Bettgespielin zufinden hoffe!“ Schamesröte stieg in ihren Wangen hoch, als sie seine Worte hörte und für einen Augenblick glaubte, sogar hoffte, dass ihre Ohren ihr einen üblen Streich spielen würden. Bettgespielin, dachte er das wirklich. Oder waren das nur Worte, die er als Erklärung für den Hass der Dienerin abtun wollte. Lumens Entsetzen musste deutlich in ihren Augen zu sehen sein, denn der Magier unterdrückte ein Lachen. Es bereitete ihm irgendwie Freude, sie erröten zu lassen. Dann wurde er aber wieder ernst. „Nein, ich werde Euch nicht zu solch einer machen. Das sagte ich ja bereits. Ihr seid mein Gast und als diesen werde ich Euch behandeln!“, versprach er ihr und Lumen wusste nicht, ob sie ihm das glauben sollte. Aber dann sah sie in seine Augen und sah auch, dass er es ernst meinte. Sie nickte. „Danke, das…finde ich sehr ehrenvoll!“, flüsterte sie und hätte sich selber für diese dummen Worte geohrfeigt. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er zu seinem Wort stand, aber sagen, dass sie es wusste, schien ihr auch nicht passend. Der Magier sah sie einen Moment lang schweigend an und aus einem ihm nicht erfindlichen Grund, fragte er sich wirklich und wahrhaftig, wie es sein würde, mit ihr das Bett zuteilen. Ob sie sich ihm fügen oder ihm eher die Augen auskratzen würde, wenn er ihr sich nur zunahe heranwagte. Vermutlich das letzteres. Irgendwie war dieser Gedanke absurd und doch wirklich amüsant und so konnte er nicht anders, als sie mit einem verschmitzten Grinsen anzusehen. „Aber wenn Ihr es wünscht, kann ich Euch gerne zeigen, wie es ist, mit einem Mann…!“, sagte er und ließ das Ende frei in der Luft. Das Gesicht der Prinzesisn wurde nun so rot, dass es selbst in der Dunkelheit zu leuchten begann. Entrüstet über die Freizügigkeit des Magiers und sich selber schämend, solchen Worten überhaupt Gehör geschenkt zuhaben, wich sie vor ihm zurück und sah ihn an, als sei er von Sinnen. „Ihr seid ein Schuft. Wie könnt Ihr nur!“, blaffte sie ihn an und unterdrückte das Bedürfniss ihn für seine obzönen Worte zuschellen. Der Magier grinste, amüsiert über das Gesicht der Prinzessin und lachte dann. Es war ein heller, fast schon wunderbarer klang. Besonders weil Lumen ihn noch nie lachen gehört hatte. Es war das erste Mal, dass sie sein Lachen zu hören bekam und musste fast auch lachen. Einfach weil es sie überkam. Doch sie riss sich zusammen. „Was gibt es da zulachen? Findet Ihr es so komisch, mich zu beschämen!“, keuchte sie fassunglos, außer sich. Tenebrae brauchte noch einen Moment ehe er sich wieder gefasst hatte. Dennoch musste er ein wenig glucksen und sich das Grinsen verkneifen. „Nein, aber ich dachte, Ihr würdet Euch mit der Natur der Männer auskennen. Schließlich habt Ihr schon viele auf den Bällen Eures Vaters gesehen!“ „Nicht alle Männer sind solche ungehobelte, schamlose Schufte, wie Ihr!“, warf sie ihm scharf vor. „Ein Schuft? Bin ich das wirklich in Euren Augen?“, fragte er dann und klang, zu Lumens Erstaunen nun gekränkt. Nun war Lumen nicht mehr so außer sich, sondern senkte wieder den Kopf und es tat ihr leid, dass sie ihn als einen Schuft beschimpft hatte. „N-nein, dass seid Ihr nicht. Verzeiht. Aber ich wusste nicht, was ich sagte!“, entschuldigte sie sich. Blickte dann zu den Blumen und auch wenn sie wusste, das diese bei einer bloßen Berührung zu Staub zerfielen, berührtete sie sie mit den Fingerspitzen. Doch diesesmal zefiele die Blume nicht, sondern erwachte zum neuen Leben. Ihre Rosenblätter färbten sich von einem vertrockneten Braun zu einem frischen, leuchtenden Violett. Lumen sah mit großem Staunen zu der Blume. Wie war das möglich. Um sich sicher zusein, dass sie sich diese Rose nicht einbildete, legte sie die Finger an den Stiel und fuhr diesen entlang. Die Dornen kratzten etwas ihre Haut. Diese Rose war genauso echt, wie die anderen, die sschon vorher gesehen hatte. Sie blickte den Magier verwundert an. Dieser jedoch schien nun wieder ganz der alte zusein. Gefasst und kühl. „Sieht so aus, als würdet Ihr diesen Blumen Leben schenken!“, murmelte er und Lumen fühlte sich komisch, bei diesem Gedanken. „Nein, das glaube ich nicht!“, sagte sie. Wie sollte sie einer toten Pflanze neues Leben einhauchen. Sie konnte doch nicht zaubern. Nur er. „Aber Ihr könntet es!“, sagte sie und sah ihn nun an. In Tenebrae spannte sich alles zusammen. Natürlich konnte er das und er war es auch, der diese Rose auch zum erblühen brachte. Mit einer unauffälligen Handbewegung, als die Prinzessin die Rose berührte. Zuerst wusste er nicht, warum er das getan hatte. Es war einfach über ihn gekommen. Und er wollte auch nicht, dass die Prinzessin es bemerkte. Sondern behauptete, dass sie es sei, die die Rose erblühen ließ. „Nein, ganz sicher nicht. Ich bin dazu nicht im Stande!“, sagte er und als er die Rose mit den Fingerspitzen berührte, verwelkte die Rose wieder. „Seht Ihr. Ich brauche etwas Lebendes nur berühren, schon stirbt es!“, sagte er leise und unterdrückte den Schmerz, der sich sofort in seiner Brust bemerkbar machte. Es schmerzte ihn selber so sehr, dass er dieser Rose wieder den Tod brachte, wo er sie ebennoch zum Leben erweckt hatte. Aber nur konnte er ihr zeigen, dass sie sich in ihm irrte. Das er der Herr des Dunkelheit war. Lumen schluckte und sah zu der toten Rose. Ebennoch war sie überzeugt gewesen, dass er es war, der ihr zu neuem Leben verholfen hatte. Doch nun war sie sich nicht mehr so sicher. Was wenn er wirklich so war, wie sie am Anfang dachte. Und das alles, was sie bisher geglaubt hatte, nur Täuschung war? Lumen wagte nicht, weiter darüber zu denken. Sie sah den Magier auch nicht an, weil sie seinen Blick nicht ertragen konnte, mit dem er sie bedachte. So abweisend und düster. Wieso ist er nur so, fragte sie sich und begann zu frieren. Tenebrae seufzte und machte vorsichtig einen Schritt auf sie zu, um sie nicht erschrecken. „Kommt, ich werde Euch auf Euer Zimmer bringen. Ihr friert!“, sagte er dann und nahm sie bei der Hand. Lumen leistete dabei keinen Widerstand und ließ sich von ihm zu ihrem Zimmer bringen. Als er sie begleitet hatte, wartete er noch einen Moment. Dann verneigte er sich und wollte die Türe schließen. „Bis morgen, Prinzessin. Erholt Euch gut!“, sagte er und noch bevor Lumen darauf etwas erwiedern konnte, war die Türe auch schon zu. „Danke, Ihr auch!“, flüsterte sie, auch wenn sie wusste, dass er sie schon lange nicht mehr hören würde. Nun war sie allein. Allein mit den verwirrenden Gefühlen, die in ihr waren und sich gegenseitig überbieten zu wollen. Zumal fühlte sie sich zu ihm hingezogen, weil er sich so für sie einsetzte, dass er selbst vor seinen Dienern nicht halt machte, aber dann wiederum fürchtete sie sich vor ihm, gerade weil ihm nichts und niemand heilig war. Und dann wiederum weil er in ihr den Eindruck erweckte, dass er nicht der war, für den er sich ausgab. Dass er nicht so ist. Doch dann musste sie daran denken, wie die Rose, die ebenoch lebte, bloss durch seine Berührung starb. Und dass es ihn anscheinend nicht kümmerte. Was war das nur für ein Mensch, fragte sie sich wieder und begann sich zu entkleiden. Dabei fiel ihr Blick auf den Spiegel und als sie sich so halb nackt im Spiegel sah, schauderte sie, als sie sich an seine Worte erinnerte. „Aber wenn Ihr es wünscht, kann ich Euch gerne zeigen, wie es ist, mit einem Mann…!“ Lumen schauderte und drängte diese Worte aus ihrem Kopf. Er hatte sie zwar aus reinem Schabernack gesagt, dennoch war sie sich sicher, dass dahinter auch ein Körnchen Wahrheit steckte. Ob sie die erste war, die er in sein Bett geholt hatte. Bestimmt nicht. Jemand wie er hatte sicherlich einen Harem voller schöner Frauen, die ihm nur zu gerne zu Willen sind. Allein schon bei diesem Gedanken wurde es ihr heiss und kalt. Fallacia hatte ja deutlich gemacht, dass sie sie nicht mochte. Sie vermutlich sogar hasste. Nur weil sie glaubte, den Magier mehr zugefallen, als sie es tat. So ein Unsinn! Lumen legte keinen Wert darauf, dem Magier zu gefallen oder gar mit ihm etwas anzufangen. Wie käme sie dann hin? Soll diese Fallacia ihn doch ruhig haben. Es würde sie nicht kümmern. Wo er zunächst das Gefühl, welches Reue genannt wurde, nicht weiter beachtet hatte, als er die lebende Rose wieder sterben ließ, wurde dieses nun stärker und seine Schritte langsamer werden. Er blieb stehen und fasste sich in das Gesicht. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Warum hatte er das getan? Hatte er nicht gesehen, wie groß ihre Augen wurden, als sie die blühende Rose ansah und wie in diesen die leise Spur von beginnender Freude aufstieg? Es wäre doch nicht schlimm gewesen, diese Rose lebendig zulassen. Aber stattdessen hatte er sie wieder verwelken lassen und nur weil sie sagte, dass er in der Lage dazu war. Tenebrae wollte wütend auf die Prinzessin sein, weil sie bei ihm etwas für möglich hielt, was nicht sein konnte. Doch er konnte es nicht. Sondern sich nur fragen, ob es sein kann, dass sie in ihm etwas auslöste, was noch keiner, nicht mal sein treuer Diener Comitas, geschafft hatte. Etwas, was ihn dazu brachte, zu fühlen. Zu spüren. Anders zudenken als sonst. Seit sie hier war und er gesehen hatte, wie traurig der Anblick der toten Rosen sie machte, hatte er immerwieder dieses Gefühl. Schmerzlich, bohrend. Hatte ihn dazu gebracht, ihr diese wundervollen Rosen zu schenken und sich heimlich gewünscht, dass sie eines Tages zu ihm gehen und sich dafür bedanken würde. Dass sie es aber bisher nicht getan hatte, hatte ihm aber auch gezeigt, dass er, egal, was er auch tat, niemals das erhalten würde, was er sich wünschte. Ihr Vertrauen. Sie würde niemals ihm ihr Vertrauen schenken. Dafür hatte sie zu große Angst vor ihm und verabscheute ihn sicherlich immernoch, weil er sie hier eingesperrt hatte. Auch wenn sie es nicht zeigte. Doch Tenebrae braucht nur in ihre Augen zusehen, um es zuwissen. Sie würde ihn immer so ansehen, egal was er machte. Mit einem niedergeschlagenen Seufzer fuhr er sich durchs Haar. Wiedermal hatte er es geschafft, die Prinzessin davon zu überzeugen, dass er ein Ungeheuer war. Nicht in der Lage, etwas zu emfpinden. Aber…als er gelacht hatte, da hatte er sich so leicht gefühlt und befreit, dass er glaubte, ein andere zusein. Ein Mensch, der ein Herz besaß, das schlug und in dem auch Gefühle innewohnten. Dies musste wohl auch die Prinzessin gesehen haben, denn ihre Augen sprachen Bände von Verwirrung und Unglauben. Und auch er konnte es nicht glauben. Er war immer dem Glauben verfallen, dass er niemals lachen würde. Niemals mehr. Dass er das Lachen verloren hatte. Nun aber schien er es aber doch zu können und eine Welle von unterschiedlichen Gefühlen überrollte ihn. Freude, Sorge und auch Angst. Das er zuletzt gelacht hatte, lag so viele Jahre zurück, die zugleich mit Schmerz und Zorn verbunden waren, dass er sich nicht mehr daran erinnern wollte. Nun aber hatte er gelacht. Doch statt den alten Schmerz in sich hochkommen zuspüren, fühlte er Erleichterung. Offenbar war es nicht mehr so, wie er gedacht und dass er dies womöglich der Prinzessin zuverdanken hatte. Wie seltsam. Ein Mädchen schaffte es, dass er lachte und nicht mehr so fühlte, wie er eigentlich sollte. Könnte es sein, dass sie es sogar vermag, ihn zu befreien. Aus dieser Dunkelheit, in der er sich selber eingesperrt hatte. Etwas in ihm sehnte sich danach und wünschte es sich sosehr. Betete, dass es so sein würde. „Lasst mich durch sie errettet werden. Lasst mich durch sie frei sein!“, flehte eine Stimme in ihm. Noch eine Weile stand der Magier da und versank in diesen hoffnungsschwangeren Gedanken. Aber dann ging er zu seinem Gemach. Er fühlte sich schwach und müde. Ein paar Stunden Schlaf würden ihm sicher guttun. Lumen träumte wieder. Aber es war kein Alptraum. Sondern einer dieser Träume, die im Schlaf so real waren, als seien sie wirklich und beim Aufwachen einem noch lange im Gedächtniss blieben. Sie war in einem Ballsaal und um sie herum wurde getanzt. Nur sie tanzte nicht. Sondern stand da. Mitten im Geschehen und keiner der Tanzenden schenkte ihr Beachtung. Eigentlich hätten sie sie sehen sollen oder gar anrempeln müssen. Doch nicht dergleichen taten sie. Für sie schien Lumen nicht zu existieren. Sie umtanzten sie und ließen sich nicht stören. Bewegten sich elegant um einander herum, zum Takt der Musik. Die Männer und die Frauen trugen allesamt schwarze Masken und ebenso schwarze Gewänder. Sie aber trug ein weisses Kleid. In einem der Spiegel, die an den Wänden standen und das Geschehen mehrfach zurückwarfen, konnte sie sich betrachten. Und ihr verschlug es fast den Atem. Das Kleid war das schönste, was sie jemals gesehen hatte. Der Rock, eine einzige silberglänzende Pracht. Von der Taille abwärts, ging er auseinander, wie ein Wasserfall, der sich in die Tiefe ergoss. Der obere Teil lag eng, wie ein Korsett. Betonte ihren wohlgeformten Körper. War mit funkelnden Perlen bestickt und die Ärmel waren aus feinster Spitze, die ihr locker unterhalb der Schultern lagen. Ihr Haar war kunstvoll mit weissen Lilienblüten geschmückt und fiel leicht an ihren Rücken entlang. Der Schein von unzähligen Kerzen, die auf hohen Ständern aufgesteckt waren und alles in einen sanften Schein tauchten, ließen Haar und Kleid golden schimmern. Lumen wollte nicht glauben, dass sie das war, die sich im Spiegel betrachtete und diesesKkleid trug. Sie war so schön, dass es ihr wie ein Traum vorkam. Eigentlich wirkte alles so wie ein Traum. Die tanzenden Paare, die sich nun langsamer als vorhin bewegten. Die Musik, die Mal dumpf, mal wieder klarer wurde. Das Licht, welches unruhig flackerte, sobald ein Lufthauch die Kerzen streifte. Selbst das Kleid, welches sie trug. Es fühlte sich zu leicht an, als dass es wirklich an ihrem Körper lag. Und doch… Eine Stimme sagte ihr, dass sie sich das nicht einbildete. Dass das wirklich war und sie wirklich in diesem Saal voller Tanzender sei. Dass sie wirklich das Kleid anhatte. Ihr Staunen und ihre Verwirrung zeigten sich deutlich auf ihrem Gesicht und sie fragte sich, wie sie hierhergekommen war. Ebennoch war sie im Schloss des Magiers und hatte in ihrem Bett gelegen. Hatte gesclafen. Und nun war sie hier. In diesem unbekannten Raum, voller Fremder. Lumen merkte, wie sie nverös und unsicher wurde. Immer wieder schaute sie um sich. Versuchte etwas Vertrautes zuerkennen. Und irgendwie kam ihr dieser Saal auch bekannt vor. Als wäre sie schonmal hiergewesen. Lumen schaute nochmals nachoben an die Decke. Ließ dann den Blick weiter wandern und meinte sich immer mehr an diesen zu erinnern. Ja, sie hatte ihn schonmal gesehen. Und sie wusste auch jetzt wo. Diesen Saal hatte sie im Schloss des Magiers gesehen, als Comitas ihr dieses zeigte. Sie war also immernoch bei ihm. Aber warum war dieser Raum nun voller Musik, Menschen und Leben? Er war doch noch vorher verlassen und verkommen. Was also war passiert, dass es sich nun verändert hatte? Lumen fragte sich immermehr und zweifelte langsam an ihren Verstand. Doch da fiel ihr Blick auf einen Mann, der ebenso wie sie unmaskiert war und sich in der Menge aufhielt. Stumm stand er da und sah zu ihr hinüher. Er trug, anders als die anderen einen marineblauen Anzug, mit goldgestickten Verzierrungen. Seine Haltung war die eines Prinzen und sein Anblick so erhaben und herrlich, als sei er ein vom Himmel gestiegener Engel. Lumen sah ihn im Spiegel an und ihr Herz schlug schneller, als vorher. Auch er kam ihr vertraut vor. Doch das war nicht möglich! Lumen glaubte, ihre Augen würden ihr Augen einen Streich spielen. Es war der Magier. Tenebrae! Er durchschritt nun die Menge, sie sich vor ihm teilte. Beachtete die Tanzenden überhaupt nicht. Aber im Gegensatz zu Lumen schienen sie ihn anzusehen und deutlich war in ihren Augen Respekt zusehen. Fast schon Furcht. Lumen drehte sich um, um ihn nun direkt anzusehen und als er nur wenige Zentimerter vor ihr stehenblieb, schlug ihr Herz bis zum Hals. Er sah in diesem Licht so aus, als sei er nicht von dieser Welt. Als sei er wirklich ein Engel. Oder mehr ein Teufel. Die Prinzessin schauderte. Wollte sich von ihm entfernen. Stattdessen blieb sie stehen und sah den Magier an. Wie ein vor Angst gelähmtes Kaninchen, welches vor einer Schlange dasaß. Als würde sie nicht in ihrem Körper sein und das ganze als Zuschauer betrachten, sah sie, wie der Magier nach ihrer Hand griff und diese in seine nahm. Er sagte kein Wort, sondern sah sie nur an und doch konnte sie deutlich, trotz seinem Schweigen, die Worte, die aus ihm sprachen, hören. „Vertraut mir, Lumen!“ Lumen zuckte etwas zurück, als sie ihren Namen mit seiner Stimme hörte. Es war nicht das erste Mal. Schoneinmal hatte er ihren Namen gesagt, auch wenn er dabei die Lippen bewegt hatte, aber sie hatte ihn deutlich gehört. Und wieder klang seine Stimme so, als wollte er sie bitten. Ihm zuvertrauen, ihm nahe zu sein…Ihn zu lieben… Der letzte Gedanke ließ sie erschauern. Ihn lieben? Wie könnte sie das. Er war doch…er war…, wollte sie weiterdenken, doch sie konnte es nicht. Immer wenn sie versuchte ihn als einen bösen Menschen darstellen zulassen, wiedersprach eine kleine leise Stimme. Sagte, dass sie sich irrte und er nicht so war, wie sie glaubte. Fast könnte sie meinen, dass es die Stimme ihres Herzens ist, die gegen die ihres Verstandes. Doch sie wollte nicht weiter darauf achten. Sie wusste sowieso nicht, was sie darauf sagen oder denken sollte. Tenebrae sah sie weiterhin schweigend an. Wartete. Lumen senkte den Blick, weil ihr bewusst wurde, dass er sicherlich schon ungedulig wurde und nickte dann, um ihn nicht wütend zumachen. Sanfter Stimme hinoderher. Sie fürchtete sich immernoch vor ihm, weil sie nicht wusste, wie sie sich mit ihm stellen sollte. Also nickte sie nur. Langsam zog er sie mit sich. Führte sie zu der Mitte der Tanzfläche, die nun frei war. Die anderen Tänzer sie umkreisten. Schauten mit angehaltenem Atem zu ihnen. Lumen wäre es unter anderen Umständen unangenehm gewesen. Diese Blicke, mit denen man sie ansah. So durchbohrend und als würde sie nicht hierher gehören. Aber als der Magier sie in seinen Armen hielt und begann mit ihr zutanzen, war es ihr egal. Sie achtete nicht mehr auf die Umstehenden, sondern nur auf ihn. Er war der einzige, an den sie jetzt denken wollte. Nun war die Stimme ihres Herzens lauter. Hatte die des Verstandes zum schweigen gebracht. Und flüsterte ihr Dinge zu, die für sie absurd waren und ihre Wangen rötlich leuchten ließen. Verkrampft versuchte diese zu überhören und tanzte weiter. Das unsichtbare Orchester, das vorhin schnelle Musik gespielt hatte, spielte nun langsame und nur Streichinstrumente ließen diese erklingen. Geigen und eine Harfe, hörte sie und mit jedem Takt, der erklang und zu dem sie tanzten, fühlte sie sich leicht wie einer Feder. Schwebte förmlich und vergass dabei, dass sie mit dem Magier tanzte, der ihr einst soviel Angst machte. Er war nun ein ganz anderer. Ein Mann, der sie mit solch einem zärtlichen Blick ansah, dass es ihr fast die Sprache verschlug und sich fragte, ob er wirklich der war Magier war. In diesem dämmrigen Licht und mit seinem seltsamen versonnem Lächeln auf den Lippen, wirkte er wie ein ganz normaler Mann. Und gekleidet, wie ein Edelmann. Vielleicht sogar wie ein Prinz. Lumen schauderte. Obwohl sie nur wenige Zentimeter voneinander getrennt waren, spürte sie deutlich die Wärme, die von ihm ausstrahlte und sie einzuhüllen schien. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, schlug ihr bis zum Hals und ihre Knie wurden weich. Würde er sie nicht festhalten, wäre sie sicher in die Knie gegangen. Er wirbelte sie vorsichtig um her und als er zu merken schien, dass Lumen fast die Kraft über ihre Beine verlor und zufallen drohte, zog er sie nahe an sich heran und drückte sie an seine Brust. Lumen keuchte auf, als er das tat. Verwirrt schaute sie zu ihm hoch. Wollte ihn fragen, was und warum er es tat. Sie brachte aber keinen einzigen Ton über die Lippen. Sondern sah ihn nur an. Schaute in seine Augen, die statt der Farbe von einem eisblau nun von einem tiefen ozeanblau hatten. Lumen glaubte sich in diesen zuverlieren. In diesem tiefen Blau einzutauchen, dass so tief und ergründlich war, wie das Meer selber. Lumen verlor sich immer mehr darin, mit jeder Minute die verging und sich hinzog und mit jedem Schritt den sie machte. Ihr wurde mit einem Mal schwummerig und nun gaben ihre Knie nach. Sie kippte etwas zur Seite. Tenebrae fing sie auf. Blickte auf sie hinunter. Hob sie dann behutsam auf seine Arme. Statt sie auf ihr Zimmer zu bringen, hielt er sie weiterhin so und schaute auf sie. Lumen blinzelte, weil sie glaubte, dass alles um sie herum verschwamm. Auch der Magier. Seine Gestalt verschwamm für einen kurzen Moment, schien sich aufzulösen. Doch dann war er wieder klar zusehen. Hielt sie immernoch. Lumen wünschte sich, dass dieser Augenblick nicht verging. Dass er sie immerso halten würde. Ihre Furcht war verschwunden und etwas anderes erwachte in ihr. Ein Gefühl, dass ihren Magen flimmern ließ, als würden tausend Schmetterlinge in diesem umherflatten und ihn mit ihren Flügeln kitzeln. Ihr Herz, welches immernoch wildschlug, wurde nicht ruhiger, sondern behielt seinen schnellen Rhythmus bei. Ihr wurde warm und kalt zugleich und während sie immernoch in seine Augen blickte, geriet immer mehr in ihren Bann. Schien sich bald in ihnen zuverlieren. Die Geräusche, die Musik, selbst das Wummern ihres Herzens verklangen. Bis nur noch Stille herrschte. Sie spürte auch nicht mehr ihren Körper, der immernoch in den Armen des Magiers lag und zitterte, wie Espenlaub. Sondern wie sie immer leichter und leichter wurde, als würde sie zu einem Lufthuach werden, der dann in die Tiefen seiner Augen gezogen wurde. Dann wurde es dunkel um sie herum. Erst langsam, dann immer schneller. Aks würden die Kerzen um sie herum, eine nach der anderen erlöschen. Das letzte was sie noch sah, waren seine Augen. Diese blauen Augen, die trotz der herankriechenden Dunkelheit leuchteten und sie nicht mehr los ließen. Auch jetzt, wo alles in totaler Dunkelheit versank und sie schwebte. Die Augen des Magiers leuchteten, wie zwei Saphiere, in dessen Facetten sich das Licht einfangen ließ und es tausendfach zurückgeworfen wurde. Schwaches Licht durchdrang die Finsterniss und als Lumen die Augen öffnete, fand sie sich in ihrem Gemach. Ihr Körper, der im Traum leicht wie eine Feder war, wog nun so schwer, als sei er aus Beton. Schwer war auch ihr Herz. Dieser Traum verwirrte sie und machte sie zugleich auch irgendwie glücklich. Tenebrae, der Magier, vor dem sie sich so sehr gefürchtet hatte, schien in diesem Traum ein anderer gewesen sein. Jemand, der sie festhielt, wenn sie fiel und sie mit seiner Wärme einhüllte, sodass auch ihr warm wurde. Nach all diesen schrecklichen Alpträumen, die sie durch das Gift Fallacias hatte, war dieser Traum anders. Sie sollte sich eigentlich freuen, doch sie konnte es nicht. Er schien ihr das zuwiederspiegeln, was in ihrem Inneren war. Verwirrung, sehnsucht und der Wunsch nach… Nach was. Nach etwas, dass die Menschen Liebe nannten. Aber wie könnte sie ihn lieben, geschweige denn er sie. Beide waren so unterschiedlich. In ihrem Denken und fühlen, dass sie unmöglich zusammen passen konnten. Sie besaß ein Herz, dass Mitleid empfinden konnte. Freude und auch Traurigkeit. Aber er schien nichts dergleichen zubesitzen, obwohl er ein Herz hatte. Sie hatte ihn aber noch nie weinen gesehen. Nur…lachen. Lumen erinnerte sich und ihr Herz stockte kurz. Schlug dann weiter. Heftiger, als vorher, und genauso wie in ihrem Traum. Er hatte gelacht. Gestern als er sie mit seiner unverblümten Art zum erröten und dann zum schimpfen brachte. Da hatte er gelacht und es klang nicht spottend, sondern heiter und ausgelassen. So als habe sie einen Witz gemacht. Und genau das verwirrte sie umso mehr. Wenn er nichts emfpinden konnte, so konnte er auch nicht lachen. Aber er tat es. Konnte es dann auch sein, dass er etwas fühlen konnte. Und wenn ja, was? Lumens Gedanken, die nach einer Antwort für diese Frage suchten und auf weiteren, verliefen sich immer mehr in weiter Ferne. Es war wie ein endloser Weg, den sie da entlang lief. Auf der Suche nach den Antworten, die ihr weiterhalfen. Doch der Weg verirrte sich im Nirgendwo. Und Lumen musste es aufgeben. So schwer es ihr auch fiel. Lumen verstand einfach nicht, was in diesem Mann vorging. Ob er das nur tat, um ihr zuzeigen, dass es sinnlos war auf etwas zuhoffen. Zuhoffen, dass sie doch hier glücklich werden konnte. Lumen wollte daran glauben. Aber in ihrem Herzen spürte sie, dass er selber nicht verstand, was in ihm vorging. Dass er selber verwirrt war und nicht wusste, was und wer er war. Aber das konnte sie sich auch natürlich einbilden. Es kam ihr irrsinnig vor, sowas von dem Magier zudenken. Ihm sowas zuzutrauen. Nein, er würde sicherlich nicht verwirrt sein. Dafür war sein Blick zukühl und zuentschlossen gewesen. Er konnte sicherlich niemals dasselbe fühlen, wie sie. Da klopfte es an der Tür und Comitas kam herein. Brachte das Frühstück. „Ich Euch einen rechtschönen Morgen wünsche. Ihr hoffentlich gut geschlafen und süß geträumt habt?“, fragte er gewohnt höflich. „Ja, das hab ich!“, sagte sie und setzte sich an den kleinen Tisch. Eine Rose lag auf einem Teller. Diesesmal war sie Rosa. Lumen nahm sie und roch an ihr. Sie roch wunderbar süß und würzig zugleich. Eine seltsame Mischung. Aber es bereitet ihr Freude. Eine lebende Rose, statt einer toten. Zärtlich strich sie mit den Fingern über die Rosenblätter. Wie weich sie waren. Fast so weich wie…Lippen. Lumen schauderte, als ihr dieser Gedanke kam und als sie dabei an die des Magiers denken musste. Im Traum war sie ihm so nahe gewesen, dass sie ihn wirklich küssen konnte. Aber nun war sie wieder wach und ihm würde sie niemals nahe sein können. Nicht so wie sie es sich vorstellte. Sich wünschte. Sich wünschte? Wo dachte sie dahin? Was war nur in sie gefahren? Wie kam sie nur auf den Gedanken, dass sie sich einen Kuss von ihm wünschte? Hatte jemand ihr etwas ins Essen getan, dass sie auf solche Gedanken kam? Sie hoffte nicht. „Was habt Ihr. Ihr so komisch, nachdenklich dreinschaut!“, sagte Comitas, der das Essen aufdeckte. „Ich…ich musste nur kurz daran denken, wie der Herr gestern gelacht hatte!“, sagte sie und Comitas bekam große Augen. „Gelacht hat der Herr? Wie das?“ Lumen wollte ihm erzählen, dass der Magier über ihre Empörung lachte, doch sie ließ es. Es war ihr unangenehm. „Er…er lachte einfach!“, sagte sie und schaute auf die Rose. Comitas, der sie immernoch mit großen Augen ansah, brach dann in freudiges Gelächter aus und tänzelte um sie herum. Lumen begriff nicht, was in ihrem Freund gefahren war. „Gelacht hat er, gelacht hat er!“, rief er immer wieder und klatschte in die Hände. „Comitas, was solls das?“, sagte sie. „Warum tanzt du denn rum?“ Da hörte Comitas auf und schaute sie nun traurig an. „Weil es lange her ist, dass er hat gelacht!“, sagte er betroffen und Lumens Herz machte einen schmerzhaften Schlag. Es ist lange her, dass er gelacht hatte? Wieso? Was hatte man ihm getan, dass er nicht mehr lachte? „Warum?“, fragte sie und der trauige Blick Comitas wurde herzerweichend. „Man ihm sehr wehgetan hat!“, sagte er nur und Lumen fragte sich, was. Aber dass man ihm so sehr verletzt hatte, dass er nicht mehr lachte, ließ ihr Herz schwer werden. „Kommt. Was Ihr machen wollt?“, fragte er dann und versuchte seine Traurigkeit nicht mehr zuzeigen. Lumen aber sah ihm an, dass er nur so tat, als würde er wieder fröhlich sein. Sie wollte ihn weiter danach fragen, weil es sie nicht losließ. Aber sicherlich würde Comitas ihren Fragen ausweichen. Sich weigern sie zu beantworten. Also ließ sie es.Vorerst. Und überlegte, was sie machen konnte. In die Küche, nein sicherlich würde sie sich nicht konzentieren können. Zusehr hatten die Worte ihres kleinen Freundes sie verwirrt und sie würde sich sicherlich noch schneiden, so wie beim letzten Mal. Und in den Garten gehen wollte sie auch nicht, da sie wieder daran erinnert wurde, wie traurig und finster zugleich er wirkte. Blieb also nur noch die Bibliothek. Dort konnte sie sich ablenken. Sich wieder in die Welten, die von den Büchern erschaffen wurden, fliehen und träumen. So saß sie auf dem Diwan, las weiter in den Büchern und verlor sich schon bald in diesen. Die Zeit ging rum und schon bald holte Comitas sie für das Abendessen. Lumen seufzte schwer. Dennoch ging sie auf ihr Gemach, um sich umzuziehen. Sie fragte sich, wie es dem Magier wohl ging. Ob er immer noch diesen traurigen Blick hatte, oder ob er genauso war wie immer? Lumen wollte, wenn sie ehrlich war, nicht darüber nachdenken. Sie konnte nicht sagen, was schlimmer war. Ihn als bedrohlich und gefährlich zusehen oder trurig. Beides weckte in ihr ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte und das ihr eisige Schauer über den Rücken jagen ließen. Furcht, aber auch Mitleid. Neugier, weil er nicht mehr gelacht hatte und sie wissen wollte, warum. Ob sie es versuchen und den Magier danach fragen sollte? Würde er ihr antworten oder sich wieder in schweigen hüllen? Würde er überhaupt mit ihr reden? Lumen fragte sich immer wieder dasgleiche, bis eine Stimme ihr sagte, dass sie es niemals erfahren würde, wenn sie nicht zu ihm ging. Also zog sie sich das taubengraue Kleid an, welches Comitas ihr bereitgelegt hatte. Die oberen Ärmel, die weit geschnitten waren, reichten bis zum Boden. Unter diesen waren zweite, enganliegendere Ärmel, die an den Enden spitzzuliefen. Deren Enden waren mit schwarzer, feiner Stickerei versehen. Auch schien der Rock aus einem Unter-und einem Oberrock zu bestehen. Während der obere durchsichtig war, schillerte der zweite, untere Rock in einem matten Grau und das Licht, welches darauf fiel, ließ ihn silbern glänzen. Der Ausschnitt war diesesmal nicht so tief und ließ auch nicht ihre Schultern zeigen. Aber er zeigte dennoch etwas Haut und der Stoff schmiegte sich, wie bei den anderen Kleidern sanft an ihren Körper. Fühlte sich an, wie eine zweite Haut. Zu dem Kleid bekam sie auch Haarschmuck. Ein Kranz aus silbernen, geflochteten Zweigen, an denen Blätter hingen, die ebenso silbern waren. Ein feiner Schleier war an diesem zierlichen Kranz geknöpft und wehte hinterher, wie ihr Haar. Lumen betrachtete sich im Spiegel und fragte sich, warum es diesesmal so ein Kleid ein. Es schien nicht zu den anderen zupassen, die sie bisher getragen hatte. Und dennoch… Es war einfach für sie gemacht und wunderschön. Doch es konnte sie nicht von ihren Gedanken ablenken. Immer wieder musste sie sich fragen, wie sich der Magier nun ihr gegenüber benehmen würde. Sie hoffte irgendwie, dass er weder traurig noch düster sein würde. Sondern freundlich und… Lumens Gedanken gingen in eine Richtung, die sie selber nicht verstand. Wäre sie nicht der Überzeugung, dass er etwas an Grausamkeit nachlässt, hätte sie ihn weiterhin für ein gewissenloses Monster gehalten, das mit ihr spielte. Aber so… Nein, irgendwie schien es ihr schwerzufallen so zudenken. Und auch Comitas Worte ließen sie nicht los. Sie konnte dem Magier vertrauen. Aber wollte sie das auch? Diese und andere Fragen beschäftigten sie immer mehr. Vorallem aber das Gefühl, das man Mitleid nannte. Was hatte man ihm angetan, dass er nicht mehr lachte, fragte sie sich zum wiederholtenmal und musste an Comitas traurige Antwort denken. „Man ihm sehr wehgetan hat!“ Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken, als sie diese Worte wieder und wieder in ihrem Kopf hörte, die ihre Fragen, nach dem Warum noch mehr stärkten. Auch jetzt wo sie ihm gegenüber saß und immer wieder zum ihm blickte. Er trank und aß, als wäre nichts. Dachte auch anscheinend an nichts. Zumindest nicht an das, was gestern passiert war. Dafür waren seine Bewegungen zusicher und zuruhig. Und doch meinte sie in seinen Augen etwas wie Schwermut zusehen. Aber sie konnte sich auch täuschen. Wie sooft. So versuchte sie auch nicht weiter daran zudenken. Die Fragen, die in ihrem Kopf nicht weiter zuhören. Soleicht ließen sie sich aber nicht ignorieren. Immer wieder riefen sie ihr zu. Drängten sie förmlich, dass sie sie auszusprach. Lumen aber weigerte sich. Sie fürchtete sich zusehr vor dem, was passieren würde. Etwas sagte ihr, dass sie sicher keine Antwort bekommen würde. Zumindest nicht eine, die sie hören wollte. „Woher willst du das wissen, wenn du es nicht versuchst!“, zischte eine andere Stimme und sie zuckte etwas zusammen. Das stimmte. Sie würde niemals wissen, was passieren würde, wenn sie endlich ihre Angst besiegte und ihn fragte. Doch was dann… Lumen fühlte sich hinundhergerissen. Wollte die Worte aussprechen, die ihr unaufhörlich durch ihren Kopf kreisten. Aber auch schweigen und so tun, als sei nichts. Irgendwann aber schien auch dem Magier nicht entgangen zusein, dass sie etwas beschäftigte. „Bedrückt Euch etwas, Prinzessin?“, fragte er und Lumen merkte, wie sie schrumpfte. „Wie kommt Ihr darauf?“ Um nicht zuzeigen, dass er ins Schwarze getroffen hatte, senkte sie den Kopf. Ihr war es unangenehm. Er legte den Kopf etwas schief und sah sie mit einem wissenden Blick an. Dann lächelte er. Diese naive Art der Prinzessin amüsierte ihn etwas. „Das sieht man Euch an der Nasenspitze an. Sagt: Was bekümmert Euch? Vielleicht kann ich Euch ja helfen!“ Lumen öffnete den Mund, um etwas zusagen. Doch sie konnte es nicht. Mit einem Mal war alles, was sie beschäftigt hatte wie weggeweht und sie wünschte sich nun, ganz woanders zusein. „Er denkt, es geht um mich!“, dachte sie und biss sich auf die Unterlippe. Ihre Furcht vor dem, was passieren konnte, wenn sie die Frage aussprach, kam wieder und lähmte ihre Zunge. Ängstlich blickte sie zu ihm und knetete nervös die Hände. Was war nur los mit ihr. Eben noch wollte sie aussprechen, was sie beschäftigte, aber jetzt traute sie sich nicht. Zu groß war die Angst vor der Reaktion des Magiers. „Nein, das…das könnt Ihr nicht!“, sagte sie leise. Tenebrae hob eine Braue. „Woher wollt Ihr das wissen, wenn Ihr es nicht sagt?“ , fragte er und Lumen schluckte. Ja, woher sollte sie das wissen, zischte wieder die Stimme und fast wäre es ihr rausgerutscht. Was hat man Euch getan, dass Ihr nicht mehr lacht? Was hat man Euch getan, dass Ihr nicht mehr lacht? Immer wieder drängte diese Frage sie, ausgesprochen zuwerden. Doch Lumen sagte stattdessen, ohne das sie es wirklich wollte:„ Weil es dabei um Euch geht!“ „Um mich?“, fragte Tenebrae und klang ehrlich überrascht. Dass die Prinzesin nur wegen ihm so nachdenklich und schüchtern war, verwirrte ihn. Warum, er hatte gestern doch gesehen, dass seine kalte und unnahebare Art ihr nicht behagen. Sie vielleicht sogar ängstigten. Wieso also dachte sie über ihn nach? Lumen nickte. „Ja, ich…ich habe über Euch nachgedacht. Und es gibt Dinge an Euch, die ich nicht recht begreife!“, sprach sie unbeholfen weiter und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum schwieg sie nicht. Es wäre doch das Beste, was sie machen konnte, um nicht doch die Frage zustellen, die sie so krampfhaft zurückhielt. Warum also redete sie weiter? „Und was für Dinge wären das?“ Tenebraes Neugier war geweckt. So wie sie das sagte, klang es so, als würde sie wirklich wissen wollen, wer er war. Eine leise Hoffnung, dass sie wahrhaftig hinter seiner Maske, aus Finsterniss und Beherrschung blicken wollte, um zu sehen, wer er wirklich war, stieg in ihm auf. Sein Herz begann schneller zuschlagen als zvor und in seinem Bauch begann es seltsam zu kribbeln. Geduldig, auch wenn es ihm schwerfiel, schaute sie an und sah, dass sie mit sich kämpfte. Die Hoffnung schwand auf ein minimum. Offensichtlich war die Angst vor ihm immernoch größer, als die Neugier, die sie hatte und mit der sie nun rang. Lumen biss sich auf die Unterlippe, weil sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Es gab sovieles an ihm, das sie verwirrte. Und jedes würde ihn sicher verstimmen. Also fing schwieg sie nur und schaute auf ihre Hände, die das schöne Kleid schon fast zerknittert hatten. „Ihr braucht Euch nicht zufürchten, Prinzessin. Sagt, was Euch an mir stört!“ Die Stimme des Magiers ließ sie zusammenfahren und sie hob den Kopf. Sah ihn an. Stören? Es störte ihr an ihm nichts. Es verwirrte sie nur. Um das zu bekräftigen schüttelte sie den Kopf. Wie kam er nur auf so einen absurden Gedanken. „Das stimmt nicht. Es stört mich nichts an Euch. Aber ich weiss nicht, was ich von Euch halten soll!“, sagte sie und trotz das die Worte ihr schwer über die Lippen kamen, war sie erleichtert, sie endlich ausgesprochen zuhaben. Sie fühlte sich erleichtert. Doch als sie den Magier ansah, fühlte sich ihr Magen eiskalt an und ihr Herz zog sich zusammen. Der Blick, den der Magier ihr zuwarf, war befremdlich und auch irgendwie verletzt. „Was Ihr von mir halten sollt?“, fragte er und in seiner Stimme schwang bittere Enttäuschung mit. Lumen drückte sich gegen die Lehne des Stuhls, als würde sie so einem Blick entfliehen können. Die Worte und deren Klang waren wie ein Knurren und Lumens Furcht wurde größer dennje. „Ich dachte, das hätten wir schon geklärt?“, sagte er dann und Lumen horchte auf. Wir? Das war das erste Mal, dass er so sprach. Sie nicht mit der höflichen Anrede ansprach, sondern sich und sie einbezog. Fast so als wären sie eng miteinander vertraut. Lumen Herz machte einen Aussetzer, als sie das dachte. Aber dann spürte sie, wie sie wieder rot im Gesicht wurde und sie senkte den Kopf. Unsinn, sie würden niemals so eng vertraut sein. „Nein, haben wir…habt Ihr nicht mit mir. Ihr sagtet nur, dass ich Euch vertrauen kann!“ Tenebrae hob erneut die Brauen. „Habe ich das?“ „Ja, in dem Traum, in dem Ihr mit mir…!“, sie stockte, weil sie erkannte, dass sie sich in was verrannte. Tenebrae sah sie an, als wartete er darauf, dass sie weitersprach. Doch als sie es nicht tat, sprach er weiter. „In dem Traum? Habt Ihr etwa von mir geträumt?“ Tenebrae vermochte es nicht zusagen, ob es ihn freute, dass sie ihn in ihrem Traum gesehen hatte, oder er sich Sorgen machen musste. Was garantierte ihm, dass der Traum, in dem sie ihn sah, schön war. Vermutlich war es auch wieder ein Alptraum gewesen, in dem sie vor ihm versuchte zu fliehen. Der Gedanken schon allein reichte aus, dass sein Herz schwer wurde. Wäre er er selbst, würde ihn das nicht kümmern. Er würde dies nicht weiter beachten und sich gegenüber dessen gelichgültig verhalten. Aber seit letzter Nacht, war dem nicht so. Es kümmerte ihn und er fragte sich, wie das wohl weitergehen würde. „Ja, ich…ich weiss, dass das zeimlich absurd klingt. Aber ich habe von Euch geträumt und…!“ Lumens Herz schlug mit jedem Wort schneller und härter in ihrer Brust. Beinahe hätte sie gesagt, dass er mit ihr im Traum getanzt hatte. Doch sie hielt sich zurück. Mehr musste er nicht wissen. „Und was…?“, fragte er weiter und Lumen wünschte sich, er würde nicht weiter nachbohren. Das ganze ging in eine Richtung, die sie nicht wollte. „Ihr habt gelacht!“, sagte sie ganz schnell, auch wenn sie sagen wollte, dass er mit ihr getanzt hatte und dass sie sich dabei ao ganz anders gefühlt hatte. Aber das wollte sie für sich behalten. „Gelacht?“, fragte er, als könnte er es nicht glauben und Lumen nickte. „Ja!“, kam es kleinlaut von ihr. „So wie im Garten gestern!“ „Ein seltsamer Traum, findet Ihr nicht?“, fragte er nun weiter. „Ja, da ich Euch lachen gesehen habe. Mit Ausnahme von gestern!“, fügte sie verlegen hinzu und senkte augenblicklich den Kopf. Ihr war es mehr als ungenehm solche Persönlichkeiten, wie ihre Träume ihm anzuvertrauen. Und sie hoffte, er würde es dabei darauf beruhen lassen. Doch Tenebrae schien sich damit nicht zufrieden zu geben. „Sieh einer an. Ihr gebt selber zu, dass es seltsam ist!“ Es klang mehr wie eine Feststellung, als wie eine Frage und Lumen hätte eigentlich widersprochen, aber wenn sie ehrlich sein sollte, wollte sie das nicht. Er hatte ja Recht. Es war seltsam. Fast schon gruselig. Aber Lumen wollte nicht weiter darüber nachdenken. Sondern versuchte dieses Gespräch nicht weiterzuführen. Doch das war leichter gesagt, als getan. Der wartende Blick des Magiers ließ sie nicht los und innerlich vereisen. Was machte sie bloss, um weiter darüber sprechen zu müssen. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg. Und fand auch gleich einen. Wollte sie den Magier nicht fragen, warum er nicht mehr lachte? Das wäre doch das, was sie davon bewahren würde, dieses Gespräch weiter zuführen. „Wie kommt es eigentlich, dass Ihr nicht mehr lacht?“ „Habe ich doch. Das habt Ihr selber gesagt!“ „Ich meine, davor. Ihr habt vorher nicht gelacht!“ „Woher wisst Ihr das?“, Nun nahm die Stimme des Magiers, die vorher gelassen geklungen hatte, einen lauernden Klang an und seine Blicke wurden bohrend. Lumen bereute nun ihre Worte und sie mekrte, wie sie ganz klein wurde. „Ich…es ist mir nur aufgefallen. Nach der ganzen Zeit, die ich nun hier war, habe ich Euch nicht lachen sehen!“, erklärte sie und musste dabei an Comitas denken. Daran, wie er ihr anvertraut hatte, dass er nach langer Zeit das Lachen vergessen hatte. Sie musste sich bemühen, es nicht laus auszusprechen, da sie wusste, dass Tenebrae wütend sein würde, wenn er erfuhr, dass sein Diener ihr etwas erzählt hatte, was sie nicht wissen durfte. Und Lumen wollte nicht, dass ihr einziger Freund betraft wurde, nur weil sie zu neugierig war. Sie hoffte, dass diese Notlüge reichen würde. Denn sonst wüsste sie nicht, was sie tun sollte. „Ist das so absonderlich?“, fragte er, immernoch mit dieser lauernden Stimme. „Nunja, ich…etwas…!“, murmelte sie und wagte es nicht, ihn anzusehen. Sie merkte, wie sie sich mit jedem Wort, das sie sagte, immer mehr einen Strick drehte und sich darin verfing, wie in einem Netz. Noch ein falsches Wort und es würde ihr das Genick brechen. Lumen biss sich auf die Unterlippe und traute sich nicht weiterzusprechen. Egal was sie auch sagte. Es würde alles nur noch schlimmer machen. Tenebrae sah sie nur mit einem froschenden Blick an. Sein Groll, dass sie ihm solch eine dumme Frage stellte, war erstaunlicherweise schnell verflogen und er fragte sich, warum es sie so erstaunte. Geschweige denn beschäftigte. Sollte es ihr eigentlich nicht egal sein? Sie hatte ihn bisher immer so angesehen, als sei er ein Monster. Aber eigentlich lag das schnon lange zurück. Sie hatten sich auch irgendwie angenähert. Hatten miteinander gesprochen. Dabei hatte er das Gefühl gehabt, dass sie ihn als Menschen sehen würde und nich als der dunkle, böse Magier, der er zuanfang in ihren Augen war. Aber jetzt, wo sie ihn so ansah, schwand das Gefühl. Etwas in ihm zog sich schmerzhaft zusammen, als er sich dessen klar wurde und er seufzte schwer. „Wieso fällt es Euch so schwer, mich als Mensch zu sehen?“, fragte er, mehr sich selbst als sie. Lumen hörte es dennoch und wollte darauf eine Antwort geben. Weil Ihr niemals zeigt, was in Euch vorgeht! Weil ich nicht schlau aus Euch werde! Die Worte wollten aus ihr sprudeln, wie eine Quelle, die sich ihren Weg durch massive Steine bahnte, doch sie presste hart die Lippen aufeinander. Wollte immerhin diese Worte zurückhalten. „Wie dem auch sei. Ihr solltet wissen, dass ich…legt endlich Eure Verbohrtheit und Intoleranz ab. Dann werdet Ihr es schon aushalten!“, waren seine letzten Worte und Lumen schnappte empört nach Luft. Verbohrtheit und Intoleranz? Hatten ihre Ohren ihr einen Streich gespielt oder hatte sie ihn richtig verstanden? Die alte bekannte Wut stieg in ihr hoch. Nährte die Empörung, die sie bei den Worten des Magiers ergriffen hatte und ließ sie ihre Furcht vor ihm vergessen. Was erlaubte sich dieser Magier eigentlich. Er war doch selber schuld, dass sie so von ihm dachte und ihn so sah. Was bildete er sich also ein, dass sie diejenige ist, die es schwer macht? „Intoleranz…? Verbohrtheit?“, brach es aus ihr heraus, weil sie sich nicht beherrschen konnte. „Wer verhält sich so, dass es einem schwerfällt, es hier auszuhalten?“, platzte es aus ihr heraus. „Seit ich hier bin, behandelt Ihr mich wie eine Gefangene. Zwar speise ich gut und habe wunderbare Kleider. Aber ich kann nicht einen Schritt alleine machen, ohne dass diese schrecklichen Schatten sich auf mich stürzen!“ „Doch könnt Ihr, wenn ihr in meiner oder in der Nähe von Comitas seid!“, erklärte er und schien sich von ihrem Ausbruch nicht beeindrucken zulassen. Das ärgerte Lumen umso mehr. Lange war es her, dass sie solch eine Wut im Bauch hatte. Zuletzt hatte sie diese, beim ersten Essen mit ihm und schauderte, als sie daran denken musste, was danach passiert war. Fast wäre sie von den Schatten, die draußen auf sie lauerten, verschlungen worden. Wäre der Magier nicht gewesen. „Und was wenn ich das nicht will? Wenn ich allein sein will und alleine durch Euer Schloss gehen will?“, erwiderte sie und war verblüfft, dass sie solche Worte sprach. Aber sie hatte genug davon, von ihm abhängig sein zumüssen. Sie wollte nicht länger unter seinem Schutz stehen. Sondern allein entscheiden, was sie wollte. Und dennoch genoss sie es irgendwie, von ihm beschützt zuwerden. Er war so stark und mächtig, dass es ihr den Atem raubte und ihr Herz schneller schlagen ließ. Es war seltsam, verrückt und hätte ihr Angst einjagen müssen, als sie darüber nachdachte. Aber das tat es nicht. Im Gegenteil: Ihr Herz schlug immer heftiger, als sie sich vorstellte, wie er vor sie gestanden hatte und die Schatten zurückgedrängt hatte. Auch wenn sie ohnmächtig gewesen war, hatte deutlich gespürt, dass er dagewesen war. Hatte seine Worte gehört. Jetzt wo sie so darüber nachdachte, erinnerte sie sich. Am Anfang hatte sie nur die Erinnerungen an die schrecklichen Schatten gehabt. Nun aber erinnerte sie sich immer mehr daran. Seine Stimme, die den Schatten befehlte. Dann die Hände von Comitas und deren seiner Brüder, die sie trugen und auf ihr Zimmer brachten. Ein Schauer rann ihr über den Rücken, als sie sich immer mehr ausmalte, wie er dagestanden hatte und sie beschützte. Den Schatten Einhalt gebot und sie zurückscheuchte. Zugerne hätte Lumen das gesehen. Es war kindisch soetwas zudenken, aber ihr Verstand hatte seinen eigenen Kopf. Sponn immer mehr verwirrte und verrückte Dinge und Lumen drängte sie in den hintersten Teil ihres Kopfes. Es war keine Zeit, an sowas zudenken. „Warum wollt Ihr das?“, fragte er dann und Lumen fragte sich das selber. Warum wollte sie allein durch dieses Schloss umhergehen, vor dessen Inneren sie sich fürchtete? Mit einem Male erschien es ihr selber absurd und sie winkte ab. „Vergesst was ich sagte. Ich…ich habe dummes Zeug geredet!“, verteidigte sie sich schwach und schaute weg. Tenebrae sah sie lange schweigend an. Er fand nicht, dass sie dummes Zeug geredet hatte. Dass sie darauf beharrt hatte, von ihm oder Comitas nicht mehr abhängig zusein, zeigte ihm, dass sie erwachsen wurde. Dass sie wohl nicht mehr das ängstliche Mädchen war, das er zu Anfang in ihr gesehen hatte. Er lächelte etwas. „Das finde ich nicht. Ihr zeigt, dass Ihr kein kleines Kind seid. Auch wenn Ihr Euch manchmal so benehmt!“, erklärte er und Lumen fühlte, wie die Röte in ihr Gesicht hochstieg. Den letzten Satz hatte sie überhaupt. War das ein Kompliment? Und vorallem, war es ernst gemeint? Es war das erste Mal, dass er das sagte und Lumen spürte, wie ihr Herz schneller und schneller schlug. Trieb mehr Blut in ihre Wangen, die sie erröten ließ und sie wirkte nun verlegen. „Findet Ihr?“, fragte sie und knetete wieder ihre Hände. „Ja, Ihr habt Euch gewandelt!“, bemerkte er. „D-danke!“, stammelte sie. Ihr aber auch, wollte sie schon beinahe sagen, doch sie biss sich wie üblich auf die Zunge. Es war ihr unangenehm, sowas auszusprechen. Er hatte sich verändert, genauso wie sie. Er war nicht mehr so bedrohlich, wie am Anfang. Dennoch hatte er immernoch etwas an sich, was ihr Respekt einflösste. Ihre Furcht vor ihm nicht gänzlich vergessen ließ. Es blieb eine Spur davon. Nicht stark, aber dennoch präsent. Eine Weile saßen sie noch beisammen und speisten miteinander. Dann aber verabschiedete sich die Prinzessin vom Magier und verließ mit Comitas an ihrer Seite den Speisesaal. Noch immer musste sie daran denken, wie sehr er sich verändern zu haben schien. Ob das was mit ihr zutun hatte? Lumen wünschte es sich irgendwie, aber dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Warum sollte sie der Grund sein? Er lebte schon solange hier allein. Nur mit seinen Dienern, da konnte es doch sein, dass er…was? Ihr Nähe als selbstverständlich hielt und sich nichts daraus machte. Aber warum dann behandelte er sie so? Lumen war verwirrt über ihre eigenen Gedanken und wäre Comitas nicht gewesen, der sie sogleich aus diesen geholt hätte, wäre sie in eine Richtung gegangen, die sie noch mehr verwirrt hätte. „Es Euch hier eigentlich gefallen?“, fragte er und blickte sie mit großen Augen an. Lumen blieb erstmal stehen, um richtig seine Worte zuverstehen und nach einer Antwort zusuchen. Was sollte sie sagen? Dass sie es nur aushielt, weil er ihr so ein guter Freund war? Dass sie immernoch am liebsten zurück möchte? Oder sich wirklich hier wohlfühlte, weil sie glaubte in dem Magier etwas zusehen, was ihr bisher verborgen geblieben war. Lumen schien die letzte Antwort selbst nicht zubehagen, da entschied sie sich einfach nur zunicken. „Ja, ich…ich denke schon!“, sagte sie dennoch und hätte sich im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber Comitas schien ihre nächsten Worte nicht gehört zuhaben und wenn doch, ließ er es sich nicht anmerken. Lumen fragte sich, was in ihrem kleinen Freund vorging. Was er dachte. Lumen hätte es zugerne gewusst. Er wünschte ihr noch eine gute Nacht, dann ging er und ließ sie allein. Lumen blieb eine Weile dastehen, sah ihm nach und wünschte sich die Fragen auszusprechen, die ihr im Kopf herumschwirrten. Doch nun hatte sie die Gelegenheit versäumt und so zog sie sich immer wieder über das Verhalten des Magiers grübelnt für die Nacht an und schlüpfte ins Bett. „Und mehr hat sie nicht gesagt?“, fragte Tenebrae nach und musste sich bemühen, den aufsteigenden Kummer in seiner Stimme nicht mitklingen zulassen. Als ihm sein treuer Diener sagte, was die Prinzessin geantwortet hatte, war sein Herz fast stehengeblieben. Er hatte sich wirklich erhofft, dass sie ja sagen würde. Dass sie sagen würde, sie würde sich hier wohl fühlen. Wenn auch nur ein kleines bisschen. Aber wunderte es ihn eigentlich, dass sie dies stattdessen geantwortet hatte. Eigentlich nicht. Und dennoch hatte er sich erhofft, dass sie sich hier eingelebt hatte. Es fehlte ihr schließlich an nichts und er machte ihr Geschenke. Sogar ein Kompliment hatte er ihr gemacht. Doch das schien alle snichts zunützen und mit dem ohnmächtigen Gefühl der Ratlosigkeit, kam auch die Wut auf ihre Undankbarkeit hoch. Was glaubte sie eigentlich wer sie war und was sie sich zuerlauben hatte. Sie war schließlich hier zu Gast und müsste dankbar für das sein, was er ihr gab. Aber sie weiss es doch nicht, wie sollte sie da dankbar sein, sagte die Vernunft in ihm und brachte die Wut etwas zur Ruhe. Comitas musste gesehen haben, was in seinem Herrn vorging, denn er trat etwas näher und sprach ihn an:„ Wenn Ihr erlauben, Herr. Ihr doch sagen, dass die Geschenke von Euch kommen. Ich sicher bin, dass sie sich freuen werden!“ Tenebrae sah seinen Diener mit gehobenen Brauen an und irgendwie gab er ihm dabei Recht. Schöpfte dabei neue Hoffnung. Wenn er ihr sagen würde, dass diese Geschenke von ihm kamen, um ihr eine Freude zumachen, dann würde sie sicherlich… Was…? Dich als einen Freund sehen? Deine Nähe erdulden? Vielleicht sogar erlauben, sie zu berühren? Sei kein Narr, zischte wieder diese Stimme, die alles zunischte machte, was sein Herz und vor Freude schneller schlagen ließ. In ihren Augen bist und bleibst du ein grausamer Mensch, der ihr zwar alles gibt, was ihr Freude macht, sie aber dennoch gefangen hält, weil er sie als Preis gefordert hatte. Tenebrae grub das Gesicht in beiden Händen. Konnte es nicht ertragen, diese beiden Stimmen streiten zuhören und versuchte sie zum Schweigen zu bringen. Ihm dröhnte der Kopf, als würde ein heftiges Sommergewitter darin toben. Nur langsam konnte sich dieses wieder beruhigen und es herrschte eine Leere in seinem Kopf, die beinahe schon erdrückend war. Comitas konnte es sich nicht mit ansehen, wie sich sein Herr quälte. „Herr…Ihr es sagen. Ich sicher bin, sie Euch dann etwas mehr mögen wird!“, machte er ihm weiter Mut. Doch Tenebrae schüttelte den Kopf. Trotz aber der Worte seines Dieners, der ihm wirklich treu war und seine tröstenden Worte immer geschätzt hatte, konnte er dadurch keine neue Hoffnung ergreifen. Dafür war er viel zu schwach und niedergeschlagen. „Nein. Dafür ist es zuspät. Sie sieht in mir keinen anderen, als den auch ihr Vater und andere in mir sahen!“, murmelte er. „Eine Bedrohung!“ Seine Stimme klang matt und auch etwas müde. Nie hätte er gedacht, dass ihm dies solche Kraft kosten würde, um sich zur Vernunft zuermahnen und all die Hoffnungen fahren zulassen, die bisher in ihm gewohnt hatten. Comitas sah ihn eine Weile mit tieftraurigen Augen an. So hatte er seinen Herrn noch nie erlebt und gerne hätte er weitergeredet, doch er ließ es. Es würde nichts bringen. Wieder war sie in diesem Ballsaal, der vor tanzenden Menschen erfüllt war. Aber etwas war anders. Wo sie sie im ersten Taum nicht beachtet hatten, sie gar behandelt hatten, als sie Luft, so taten sie es nun nicht mehr. Lumen wurde einem Tänzer zum anderen weitergereicht, als würde man von ihr verlangen mit jedem hier, egal ob Mann oder Frau zutanzen, bis ihre Füsse bluteten. Doch es war kein höfliches Abklatschen, das den Wechsel des Tanzpartners ankündigte, so wie sie es im Schloss ihres Vaters und dessen Bällen kannte. Sondern ein wildes und rücksichtsloses Schubsen. Sie wurde herumgewirbelt, bis sie glaubte von dem grässlichen Schwindelgefühl ohnmächtig zuwerden. Die Musik, die vorher harmonisch und langsam war, war nun genauso wie der Tanz, in dem sie gefangen war. Schnell und wild, ohne eine Möglichkeit, zur Ruhe zukommen. Lumen keuchte und stöhnte gequält. Ihre Arme und Beine fühlten sich schwer wie Blei an und sie fürchtete, dass man ihr noch die Arme auskugeln würde, wenn man weoter so mit ihr tanzte. Sie versuchte mehr als einmal sich aus dem Griff ihrer jeweiligen Tanzpartner zubefreien, doch diese lachten nur. Ununterbrochen. Nicht fröhlich, sondern voller Schadenfreude. Weil es ihnen wohl Spass machte, sie so herumzuwirbeln, wie ein Blatt im Wind. Verzweifelt schaute Lumen sich um. Versuchte eine Lücke in den Tanzreihen ausfindig zumachen, in die sie schlüpfen und entkommen konnte. Doch die Leiber der anderen tanzten so eng aneinander, dass sie glaubte in einem wahren Meer ausschwarzem Stoff und lachenden Menschen zu sein. Teilten sie sich nur für einen kurzen Moment, so schoben sich andere davor und versperrten ihr den Weg, sobald sie auch nur einen und sei er noch so klein, entdecken konnte. Mit schwindendem Mut und Hoffnung, hier jemals rauszukommen und wachsender Verzweiflung, wurde ihr Körper ganz schwer und sie hing schlussendlich in den Armen ihres jetzigen Partners kraftlos wie eine Strohuppe. Ihr Gewicht, das dadurch immer schwerer wurde, schien diesem allerdings kaum etwas auszumachen. Denn er lachte und Lumen lief es kalt den Rücken runter. Das konnten niemals Menschen sein. Nie konnten Mensche so grauenvoll lachen. Es klang wie zerbrechendes Eis oder Glas, deren scharfe Scherben über etwas weichem kratzten und es zerfetzten. Lumen war zum Weinen zumute. Wieso träumte sie nur sowas schreckliches? Es schienen Ewigkeiten zu vergehen, in denen sie in den Armen dieses Mannes tanzte, dessen Lachen ihre Ohren erfüllte und ihr den Verstand zurauben drohte. Sie hatte schon lange aufgegeben, sich dagegen zuwehren. Hing einfach nur da und tanzte. Ihre Füsse schwebten und tanzten über den Boden, als hätten sie ihren eigenen Willen und eigentlich hätte sie spüren müssen, wie sehr sie schon schmerzten. Doch sie fühlte nichts. Sie fühlte sich zu schwach, als dass sie irgendwas spüren konnte. Doch plötzlich wurde sie aus diesen Armen gerissen und landete in denen eines anderen. Lumen wimmerte. Zu mehr war sie nicht in der Lage. „Nein…bitte nicht…Ich kann nicht mehr!“ Ihre Beine wollten schon nachgeben. Sie in die Knie sinken lassen. Aber die Arme hielten sie fest. Lumen zitterte und nun kamen ihr doch die Tränen. Erneut würde sie tanzen müssen. Und sicherlich würde das immer so weitergehen, bis sie tot umfiel. Aber da holte eine vertraute und auch nicht erwartete Stimme aus ihrer Furcht. „Lumen!“ Dieses eine Wort sorgte dafür, dass sie hochschaute in das Gesicht des Magiers sah. Ihr Atem setzte für einen kurzen Moment aus und ihr Herz machte einen Satz. Erneut stand sie ihm gegenüber und wieder war er nicht der, der er sein sollte. Er war nicht der dunkle Magier, vor dem sie sich fürchtete. Sondern ein Mann, der es vermochte, ihr Herz mal schneller mal langsamer schlagen zulassen. Sie alles vergessen ließ, was sie bekümmerte oder ihr Angst machte. Sie vergessen ließ, das sie vorhin gefangen war, in diesem Meer aus Leibern, die zu Wesen gehörten, die keine Menschen sondern Dämonen waren und sich einen Spass daraus machten, sie zu quälen. „Tenebrae!“, flüsterte sie und sah mit wildschlagendem Herzen, wie er ihre Hand nahm und zärtlich einen Kuss auf ihren Handrücken hauchte. Lumen erschauderte. Es war ein angenehmer Schauer und dieser Handkuss ließ ihr Herz höher schlagen. Bis zum Hals. Sie senkte den Blick, weil sie nicht wollte, dass er ihre geröteten Wangen sah. „Bitte, schenk mir diesen Tanz, Lumen!“, bat er und dies ließ ihre Knie nur noch weicher werden. In diesem Moment war seine Stimme so sanft und auch flehend, dass es ihr fast den Atem raubte und sie sich fragte, ob das wirklich nur ein Traum war. Es fühlte sich wie beim letzten Mal so echt an. So richtig. Lumen brachte nur ein schüchternes Nicken zustande und einige Minuten später tanzte sie mit ihm. Diesesmal war die Musik langsam, so wie bei ihrem ersten Tanz mit ihm undsie wiegte sich nur zugern in dem Takt der sanften Harfen-und Geigenklänge hinundher. Nun schienen sie genug platz zuhaben, um zu tanzen und sich zudrehen. Die anderen Tänzer, die in schwarzen Tüchern gehüllt waren, sahen ihnen zu und Lumen meinte ihre bohrenden Blicke in ihrem Rücken zu fühlen. Lumen versuchte, sie nicht zubeachten. Und sah Tenebrae es, so zischte er etwas und das Gefühl ließ nach. Dankbar dafür lehnte sie sich an seine Brust und atmete dabei tief seinen Duft ein. Er roch nach frischem Wind und Meer. Wie die Rose. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln. In diesem Moment kam ihr alles mehr und mehr real vor und sie vergass ganz und gar, dass dies nur ein zuschöner Traum war. Aus dem sie niemals erwachen wollte. Irgendwann blieb er stehen und sie wurde sich bewusst, dass sie die Augen geschlossen hatte, als sie sie öffnete und etwas verwirrt war. Warum blieb er stehen? Hatte sie etwas falsch gemacht? Krampfhaft versuchte sich daran zuerinnern, ob sie ihm vielleicht auf den Fuss getreten war, aber sie konnte es nicht und vermutlich hatte sie es auch nicht. Aber warum dann hörte er auf mit ihr zu tanzen? Es war doch so schön gewesen. Lumen wollte schon etwas sagen, doch da drückte Tenebrae sie eng an sich, sodass sie nun auch seinen Herzschlag unter ihren Händen, die sie auf die Brust gelegt hatte, spüren konnte. Es schlug im selben Takt, wie das ihrige. Die Röte in ihrem Gesicht wurde wärmer und sie wollte wieder nach untenschauen. Doch da legte Tenebrae die Finger unter ihr Kinn und hob es mit sanftem Druck nachoben. Brachte sie so dazu, ihn anzusehen. „Was…!“, kam es von ihr und sie fühlte, wie es in ihrem Magen kitzelte. „Was auch immer du von mir gehört hast, es ist nicht wahr!“, flüsterte er. Dann beugte er sich vor, legte sein Gesicht neben ihres, sodass ihre Wangen sich berührten und sie seinen Atem an ihrem Ohr fühlen konnte. „Vertrau mir, Lumen!“ Lumen zuckte zusammen, als seine Lippen über ihre Ohren strichen und wäre dahingeschmolzen. So nahe war sie ihm noch nie gewesen. Ihr war warm. So warm… „Lumen!“, flüsterte er nocheinmal und das ließ nun ihre Knie einknicken. Es war zuviel, als dass sie sich noch aufrecht halten konnte. Sie sank in den Armen des Magiers in sich zusammen und hielt sie fest. Sie spürte noch seine Umarmung, als sie die Augen öffnete und einen Seufzer der Trauer ausstiess. Es war doch nur ein Traum gewesen. Diese Tatsache machte ihr Herz schwer und sie sank zurück in die Kissen. Könnte sie doch immer und jeder Zeit träumen. Wieder seufzte sie und rollte sich auf die Seite. In dem Moment kam Comitas rein und er lächelte sie irgendwie glücklich an. „Ich Euch einen guten Morgen wünsche!“, sagte er und Lumen richtete sich auf. „Guten Morgen!“, sagte sie und robbte aus dem Bett. „Ihr auch gut geschlafen habt?“, fragte er wieder und sie nickte. „Ja…, ich…ich hatte geträumt!“, sagte sie und sah verwundert, wie sich Comitas Miene erhellte. „Oh und was ihr geträumt haben?“ Lumen überlegte, ob sie wieder etwas flunkern sollte. Aber irgendwie wollte sie das nicht. Sie wollte stattdessen mit ihm teilen, was sie erlebt hatte und nicht vergessen konnte. „Ich habe getanzt. Mit deinem Herren. Es…es war einfach wunderbar…!“, sagte sie. „Ihr habt mit ihm getanzt?“, fragte er freudig und Lumen musste dabei lächeln. „Ja, ich…ich weiss, dass das verrückt klingt, aber es ist so!“ „Ich es nicht verrückt finde. Im Gegenteil. Ich begeistert bin!“, grinste Comitas, der sich offensichtlich mehr als nur freute, dass sie von seinem Herren träumte. Ihr war es fast schon peinlich. „Wirklich? Ist das so außergewöhnlich? Warum?“, fragte sie dann und für einen kurzen Moment wurde das Gesicht ihres kleinen Freundes bekümmert. „Es solange her ist, dass man im Baalsaal gefeiert hat. Ich die herrliche Musik vermisse und die freudigen Geräusche. Das Lachen und die Heiterkeit darin!“, murmelte er und Lumen konnte sich sehr gut vorstellen, wie er sich danach sehnte. Auch sie tat es. Sie vermisste die sanften und fröhlichen Klänge, die sie zum Träumen brachte und sie mit Freude erfüllten. Da kam ihr eine Idee. Sie war verrückt und würde ihr sicherlich Ärger einbrocken, aber fragen konnte sie. „Sind die Instrumente denn noch hier im Schloss?“, fragte sie und Comitas schien erst nicht zu begreifen, was sie damit meinte. Doch dann hellte sich wieder sein Gesicht auf und wusste nun, was sie mit ihrer Frage beabsichtigte. „Ja. Oh ja. Sie hier seien. Auf dem Dachboden. Wartet, ich es Euch zeigen!“, sagte er eifrig, nahm sie bei der Hand und zerrte sie sogleich mit sich, wobei Lumen die Befürchtung hatte, dass er ihr den Arm abreissen würde. Schnell liefen sie eingie Gänge entlang, folgten ihnen, bis diese vor einer Treppe führte, die sich schon sehr bald in der Dunkelheit verlor. Lumen schluckte, als sie sah, wie undurchdringlich diese Dunkelheit dort oben war und sie wollte schon zurückgehen. Doch Comitas hielt sie an der Hand und sah sie zuversichtlich an. „Ihr keine Angst haben müsst, Prinzessin. Euch nichts passieren würd!“, versprach er ihr, schnippte, um seinen Worten genügend Gesicht zugeben, mit den Fingern und eine kleine Flamme tanzte auf seinen Fingerspitzen. Mit dieser schritten sie die Stufen hinauf, die sich immer höher und höher windeten, wie eine Schlange und zu Anfang hatte Lumen versucht sie zuzählen, doch bei hundert blieb sie stehen und keuchte auf, als sie sehen musste, dass diese kein Ende zu nehmen schienen. Der Turm, den sie hinauf schritten, kam ihr immer enger vor, je weiter sie hinaufstiegen und Lumen bekam langsam Angst. Ihre Hände und Knie begannen zuzittern und auch wenn Comitas ihr aufmunternt diese drückte und ihr versichterte dass es nicht weit wein würde, fühlte sie, wie sie immer nervöser wurde. Doch dann endete die Treppe vor einer Tür, die mit massiven Eisenschlägen beschlagen war und einen ziemlich alten Eindruck machte. Das Holz war morsch und brüchtig. Ein Wunder, dass sie noch solange durchgehalten hatte, dachte Lumen, als sie sich diese ansah. Comitas trat vor und schob sie auf. Sie quietschte entsetzlich und so laut, dass Lumen fürchtete, dass sie das ganze Schloss damit auf sich aufmerksam machen würden. Es war verrückt, aber sie kam sich vor, wie ein Eindringling. Wie jemand, der kein Recht dazuhatte, hier zusein. Lumen schaute sich um. Wurde das Gefühl nicht los beobachtet zuwerden. Sie fürchtete schon, etwas in den Schatten zusehen, was sie belauerte und dann im nächsten Moment sie anzuspringen. Comitas, der schon in den Raum hinter der Tür eingetreten war, drehte sich um und winkte sie zu sich. „Nun kommen, Prinzessin. Ihr keine Angst haben müsst!“, versprach er ihr und Lumen trat ein. Nicht jedoch nocheinmal zur Treppe zuschauen. Täuschte sie sich, oder hatte sie wirklich eine Bewegung im Schatten gesehen? Lumen wollte nicht weiter darüber nachdenken und ging in den Raum. Dahinter war der Dachboden. Doch anders als die, die sie vorher gesehen hatte, ähnelte dieser einem ehemaligen Wohnzimmer. An den Fenstern hingen Überreste von kostbaren Vorhängen, da erb nun durch die Zeit zerrissen und vermodert hinutner hingen und sich hinundwieder bewegten, wenn ein Lufthauch sie streifte. Der Raum war auch nicht so groß, wie sie angenommen hatte. Vermutlich war er das mal, aber nun schien er umgebaut gewesen zu sein. Und zwar so, das sman hier ruhige Stunden verbringen konnte. Die Decke wurde von Balken gestützt, die ebenso einen alten Eindruck machten, aber dennoch das Gewicht zuhalten vermochten. Die Wände verkleidet mit verblassten Seidentapeten, mit einstigen herrlichen Verzierungen. Der reichverzierrte Teppich, der den Boden bedeckte, hatte Löcher, die wie Wunden darin pramgten und den nackten Bretterboden darunter enthüllte. Zentimeterdicker Staub hatte sich darauf gelegt. Sie ging weiter und ihre Füsse hinterließen Abdrücke. Trotz dass der Teppich nach all der langen Zeit und des Abtretens dünner geworden war, verursachte sie keine Geräusche. Vermutlich lag das an dem Staub, dachte sie und war froh nicht noch mehr Geräusche zumachen. Die Luft war stickig und muffig. Lumen schien fast keine Luft zu bekommen. Am liebsten hätte Lumen sich umgedreht und wäre aus dieser Kammer geflohen. Doch ihr graute auch davor, allein durch die Dunkelheit, die Treppe hinunterzugehen. Comitas musste dies bemerkt haben, denn er öffnete einige Fenster und ließ Luft hineinströmen. Schon sehr bald war die Luft etwas erträglicher und Lumen atmete erleichtert auf. Dann machte sie sich auf die Suche. Trotz dass der Dachboden groß war und eigentlich alles hineingepasst hätte, sogar ein Schlafzimmer, standen nur zwei Dinge dort. Unter einem Tuch konnte sie die Umrisse eines Tisches erkennen, auf dem etwas lag, was schon ziemlich eingestaubt war. Aus diesem war der Dachboden praktisch leer und Lumen fragte sich, warum. Doch diese Frage beschäftigte sie nur kurz, da sie beim weitersuchen, etwas gefunden hatte, was die Umrisse einer Harfe hatte. Schnellen Schrittes ging sie zu dieser und zog mit einem etwas zuhastigen Ruck das Tuch weg. Dabei stieg eien wahre Wolke aus Stab auf und sie wedelte diese weg. Als sich diese dann legte, konnte Lumen sehen, was sich unter dem Tuch verborgen hatte und sie stiess einen Freundenruf aus. Tatsächlich eine Harfe Und sie war in einem hervorragenden Zustand. Der goldene Lack schimmerte in dem dämmrigen Licht und hatte keine Risse. Die Saiten gespannt und glitzerten, wie Gold. Sie war wunderschön. Selbst im Musikzimmer ihres Vaters hatte sie nie solch eine Harfe gesehen. Sie war so groß, dass man sich setzen musste, um bequem spielen zu können. Wunderschöne verschlungene Ornamente, die Blumen und andere Pflanzen darstellten, zierten das goldene Holz. Neben der Harfe stand ein kleiner Hocker. Nachdem sie die Harfe bewundert hatte, setzte sie sich nun auf den Hocker und ließ vorsichtig die Finger über die Saiten gleiten. Ein lieblicher, leiser Ton erklang und Lumen verspürte aufeinmal den Wunsch, auf dieser zu spielen. Langsam zupfte sie mit den Fingern die Saiten und war selbst erstaunt, dass sie in der Lage war, es zuspielen. Aber vermutlich lag es an der Musik, die sie in ihrem Traum gehört hatte und ihr nun wieder in den Sinn kam. Praktisch ihre Finger steuerten. Es war seltsam und zugleich einfach magisch. Verträumt schloss sie die Augen und spielte weiter. Comitas stand neben sie und sah sie mit gerührtem Blick zu ihr hinauf. In diesem Moment war er glücklich. Glücklich endlich wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht zusehen, dass sich von kurzer Dauer war und auch glücklich endlich wieder dem Klang eines Instruments zulauschen. Es war solanger her. Solange… Kleine Tränen kullerten ihm über die Wange und er wischte sie sich, laut schneifend weg. Da hörte Lumen auf und blickte besorgt zu ihrem Freund. „Comitas…was hast du?“, fragte sie. Comitas schüttelte den Kopf, winkte ab. Immernoch lächelnd. „Nichts. Es nichts sein. Es nur solange hersein, dass ich dem Gesang der Harfe lauschen wurden!“, gestand er und Lumen bemerkte nun, dass diese Harfe ziemlich lanmge schon hier stehen musste. Wenn solch dicker Staub auf den Tüchern lag, musste das eine Ewigkeit sein. Sie stand auf und sah mit einem bekümmerten Blick zu den anderen abgedeckten Gegenständen. „Wielange steht hier das schon alles?“ „Zulange!“, erwiederte Comitas. Dabei strich er über den abgedeckten Tisch und fegte eine Staubschicht hinunter, die wie Schneeflocken auf den Boden reiselten. Lumen unterdrückte ein Niesen. Nocheinmal ließ sie ihren Blick über die Harfe und den Tisch schweifen. Es war eigentlich ein Jammer, dass hier alles oben stand und vor sich hin staubte. Sie drehte sich herum und blickte hoch zu den Fenstern in dem Dach, durch das schwaches Licht drang. Doch sie stand an einer ungünstigen Stelle um überhaupt etwas von dem Himmel zusehen und ging etwas weiter zurück und stiess dabei mit dem Gesäß an die Tischkante. Diese geriet etwas ins trudeln und das, was darauf lag rutschte gefährlich nahe an den Rand. Bevor dieses Etwas jedoch auf den Boden fallen und womöglich dabei zerbrechen konnte, fing Comitas es auf. Um zu sehen, ob es wirklich keinen Schaden genommen hatte, drehte er es vorsichtig von einer Seite auf die andere und legte es dann mit einem erleichterten Seufzer wieder auf den Tisch. „Das beinahe schiefgegangen wäre!“, sagte er und schaute die Prinzessin an, die schuldbewusst den Kopf zwischen die Schultern zog. „Was ist da drin?“, fragte sie und blickte zum Kästchen. Comitas sah es auch an, dann nahm er es vorsichtig in die Hände und reichte es ihr. „Es dem Herren gehören. Ihr gut darauf aufpassen müsst!“, meinte er noch und Lumen schluckte. So wie er es sagte, musste es ein Schatz von großer Kostbarkeit sein. Langsam und vorsichtig öffnete sie den Kasten und linste hinein. Poliertes Holz schimmerte ihr entgegen und als sie den Kasten ganz öffnete, verschlug es ihr den Atem. Eine Violine! Eine völlig in takte Violine. Gebetet im dunkelrotem Samt. Der Bogen sorgfältig daneben gelegt. Lumen legte den Kasten wieder auf den Tisch, stirch mit den Fingern, wie zuvor bei der Harfe, über die Saiten, die sofort einen feinen Ton anschlugen und sie schauern ließen. Dass der Magier einst mal solch ein herrliches Instrument besessen und benutzt hatte, wollte ihr nicht in den Kopf gehen. Es passte nicht zusammen. Sie konnte sich ihn nur sehr schwer darauf spielen vorstellen. Aber vermutlich war sie schon wieder zu voreingenommen. Das musste es sein. Sie schloss den Violinenkasten wieder. Lange sagten sie nichts. Weder Comitas noch Lumen. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach. Während Lumen sich fragte, warum der Magier dieses Instrument mit der Harfe zusammen hier oben verbannt hatte und sich erneut fragte, was man ihm getan hatte, dass er plötzlich ein anderer Mensch geworden war, erinnerte sich Comitas an eine Zeit, in der sein Herr mit Freude auf dieser Violine gespielt hatte. Sanfte und auch fröhliche Musik daraus lockte. Im Takt mit der Harfe, die einst der vorherigen Herrin gehört hatte. Schon allein diese Erinnerung ließ wieder die Tränen in seine Augen treten. Schnell wischte er sie sich weg. „Wenn Ihr wollen, Ihr sie mitnehmen könnt. Doch gut sie verstecken Ihr müsst. Der Herr davon nichts wissen darf!“, sagte er dann und reichte ihr wieder die Kiste. Lumen zögerte. Sollte sie sie wirklich nehmen? Schließlich gehörte sie dem Magier und so wie Comitas diese Worte aussprach, konnte es sie den Kopf kosten, wenn sie sich erdreistete, diese zu nehmen. „Warum…was würde…?“, weiter kam sie nicht, da die Angst größer wurde und ihr die Kehle zuschnürte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie wütend der Magier sein würde, wenn sie sein Besitz an sich nahm. Wieder kam sie sich wie ein Eindringling vor und blickte zu der Tür, die offen stand und dahinter Dunkelheit lag. „Meinst du, ich darf sie wirklich nehmen? Was wenn er es doch rausfindet?“ „Sie bei Euch viel besser aufgehoben ist, als hier. Sie zuschade ist, hier zuverstauben. Und ich mehr sicher bin, dass Ihr auch gut darauf aufpassen werdet!“, meinte er nund klang nun zuversichtlich. Doch Lumen war sich da nicht so sicher, wie er. Dennoch nahm sie die Kiste mit der Violine darin. Er hatte ja auch Recht. Diese schöne Violine war wirklich zuschade, um hier oben vor sich hinzustauben. „Nagut, wenn du meinst!“, sagte sie kleinlaut. Dann stiegen sie gemeinsam den Turm hinab und Comitas brachte sie in ihr Zimmer, da Lumen peinlich berührt feststellen musste, dass sie sich nur ihren Morgenmantel angezogen hatte. Schnell schlüpfte sie in ein neues Kleid, welches die Farbe frischem Holz hatte und diesesmal schmucklos war. Dennoch war es wunderschön. Schlicht und doch elegant. Lumen betrachtete sich kurz im Spiegel prüfte nach, ob auch ihre Haare in Ordnung waren. Den Violinenkasten versteckte sie sorgsam unter ihrem Bett und vergewisserte sich, dass sie auch wirklich gut darunter versteckt war. Dann ging sie in die Bibliothek um weiterhin in den Büchern zulesen. Dort verging die Zeit natürlich wieder wie im Fluge. Und schon bald musste sie zum Abendessen mit dem Magier. Aber ausnahmsweise fürchtete sie sich nicht vor ihm. Vermutlich war sie vielzusehr damit beschäftigt, über ihn und über das was ihn so verändert hatte, nachzudenken, als dass sie sich fürchten konnte. Es ließ sie einfach nicht los und jetzt wo sie vor der großen Tür zum Speisesaal stand, wurde sie sich bewusst, dass sie noch weniger wusste, als das es schon vorher tat. Was wusste sie überhaupt von ihm? Nichts wenn sie ehrlich sein sollte! Sie wusste nur, dass er ein Magier war und über dunkle Künste verfügte. Wie er aufgewachsen und wie er hierhergekommen war, blieb ihr bislang verborgen. Sie wusste nichts über seine Eltern. Oder ob er Geschwister hatte. Warum er hier lebte und…und… Lumen schluckte als ihr bewusst wurde, was sie da dachte und sich fragte und brachte schnell diese neugierige Stimme, die immer mehr absurde und unmögliche Dinge flüsterte, zum schweigen. Was ging es eigentlich an, wie er vorher gelebt hatte und wie er aufgezogen wurde. Nichts! Sie sollte sich lieber Gedanken über ihre Zukunft, anstatt über seine Vergangenheit machen. Mit diesem Entschluss und tief Luft holend, öffnete sie die Tür. Ausnahmsweise hatte Comitas sie nicht bis zur Tür begleitet, da er schnell in die Küche musste, um etwas zu erledigen. So stand sie allein und spürte nun einen unwohlen Schauer über den Rücken laufend da und schaute um sich. Sah wieder die Schatten, denen sie bisher keine Beachtung geschenkt hatte, nun wieder deutlich vor und um sich und trat schnell ein. Erleichtert ihnen nicht mehr gegenüber zustehen, schloss sie die Tür und blickte zum Tisch. Doch statt an dem diesem zusitzen, stand der Magier vor dem Kamin, in dem wie immer das dunkle Feuer loderte. Die Kerze an ihrem Ende ebenso und warf ein schwaches warmes Licht auf seinen Rücken, während das dunkle Feuer seine vordere Seite beschien. Sie in einem unwirklichen Licht erscheinen ließ. Es war als würde sie einen Blick auf zwei unterschiedliche Seiten in ihm werfen. Die eine Licht und die andere in Dunkelheit gehüllt. Wobei er dem Licht natürlich im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken zugekehrt hatte. Lumen schauderte und spürte, wie ihre Knie zuzittern begannen. So unheimlich dieses Bild war, es war ebenso eindrucksvoll. Es ließ ihn mächtig und erhaben erscheinen. So wie ein dunkler Engel, dachte sie. Da drehte er den Kopf und schaute zu ihr hinüber. Sein Gesicht war wie gewohnt eine Maske. Steinern und undurchdringlich und das Zittern ihrer Knie wurde schlimmer. Wie gern würde sie einmal einen Blick hinter der Maske werfen. Da drehte er sich herum und sah sie an. Lumen wich instinktiv einen Schritt zurück, als seine Augen sie erfassten. Er schien sie förmlich mit diesen zudurchforschen und tief in ihr Innerstes dabei zu sehen. Lumen senkte den Kopf, weil sie nicht länger diesem Blick standhalten konnte. „Guten Abend!“, kam es leise über ihre Lippen. „Guten Abend!“, erwiederte er. Dann schaute er wieder in die Flammen und schien aufeinmal etwas unruhig zuwerden. Seine Hände spielten mit etwas, das leise klimperte. Es machte Lumen selber etwas nervös. Das war das erste Mal, dass sie ihn so sah und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. „S-stimmt etwas nicht? Wenn ich Euch gestern gekränkt haben sollte, dann…“, sprach sie weiter und die Stimme ihres Verstandes fauchte sie an, sie solle den Mund halten. Dass sie nur Unsinn vorsich hinredete. Aber irgendwie ließ sie dieser Gedanke nicht los. Und außerdem weil sie es nicht mehr aushalten konnte, ihn so zusehen und das Schweigen, welches zwischen ihnen herrschte ebenso wenig. Erneut drehte sich der Magier zu ihr herum und nun glaubte Lumen, dass etwas von der ausdruckslosen Maske, die sich über sein Gesicht gelegt hatte, zerbrach. Was es war, konnte die Prinzessin jedoch nicht sagen. „Nein. Das habt Ihr nicht!“, sagte er sehr leise und langsam, als würde es ihn Kraft kosten zu sprechen. Er wandte sich von dem Feuer im Kamin ab, ging auf sie zu. Blieb aber eine Armlänge vor ihr stehen. Nun konnte sie ihn kaum noch sehen. Der Schein des Feuers ließ schwach seine Konturen erkennen. Alles andere versank in der Dunkelheit. Lumen schluckte und versuchte ruhig zubleiben. „Was…was ist es dann?“, fragte sie wieder. „Nichts, woran Ihr schuld wärt, Prinzessin!“, sagte er und Lumens Herz machte einen Sprung. Es hörte sich ehrlich und beruhigend an. Etwas, was Lumen bei ihm nicht für möglich hielt. Dennoch hob sie nicht den Blick. Trotz dieser ungewohnten Worte, spürte sie, dass sie sich immernoch vor ihm fürchtete. Dabei war das wirklich lächerlich, solange sie schon hier war. „Ich habe über Eure Worte gestern Abend nachgedacht. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, Euren Wunsch nachzukommen!“, erklärte er und nun hob Lumen doch den Kopf. „Meine Worte…was für Worte?“, fragte sie, wie sie nicht verstand. Aber irgendwie hatte sie so eine Ahnung und dies ließ ihr Herz schneller schlagen. Mein Gott, dachte sie. Er hat wirklich über das, was ich gestern gesagt habe, nachgedacht. „U-Und wie?“ Statt etwas zusagen, streckte der Magier seine rechte Hand aus und ließ etwas herausbaumeln. Lumens Augen wurden groß, als sie es erkannte. Es war eine Kette. Feingliedrig und schimmerte in einem matten, milchigem Licht. Der Anhänger hatte die Form eines Regentropfes. Dieser leuchtete ebenso. Nur etwas heller und war mit einem silbrigen Netz, dass hauchzart war wie ein Spinnennetz, umschlossen. Obwohl es so schlicht und klein war, übte dieses Schmuckstück eine besondere Anziehung auf sie aus und sie streckte die Hand aus, um es zu berühren. Es war wunderschön. „Was ist das?“, flüsterte sie ehrfürchtig und als ihre Fingerspitzen den Anhänger berührten, durchlief sie ein warmer, angenehmer Schauer. „Eine Stella-Lacrima. Sie wird Euch vor den Schatten schützen, solange Ihr sie tragt!“, sagte er und Lumen hielt die Hand hin, als er sie geben wollte. Das Metall der Kette fühlte sich nicht kalt, sondern warm an und es wirkte beruhigend und sicher auf sie. Lumen blickte lange auf diese unscheinbare Kette, die sie vor den Schatten beschützen sollte. Und fühlte zugleich, dass sie wirklich stark war. Sie schloss beide Hände darum, um die Wärme, die sie ausstrahlte, gefangenzuhalten. Dann lächelte sie. Dass der Magier ihr so ein schönes Geschenk gemacht hatte und dass er wirklich ihren Wunsch unabhängig zu sein, erfüllte, freute sie. Lumen konnte sich selber nicht erklären warum. Dass bedeutet, dass er mir vertraut. Warum sollte ich ihm nicht auch vertrauen, dachte sie und ihr Herz flatterte, wie die Flügel eines Schmetterlings. Es war einfach nicht zu erklären, dass sie aufeinmal so dachte und auch so froh war. Aber vielleicht lag es auch daran, dass er ihr zeigte, dass er anders war. So wie ein ganz normaler Mensch. Das war irgendwie wie ein Lichtblick, in dieser Dunkelheit, in der sie gefangen war. Dankbar lächelte sie ihn. „Danke. Ich danke Euch!“, sagte sie dann und öffnete die Hände um das Licht der Kette wieder freizulassen. Es schien noch heller geworden zusein und beleuchtete das Gesicht des Magiers. Ließ seine Augen dunkelblau schimmern, wie das Meer. Lumen blickte lange in diese, dann aber zwang sie sich wegzusehen. Der Gedanke, der ihr dabei kam war absurd und sie wollte diesen nicht weiterdenken. „Nicht der Rede wert!“, sagte er und klang dabei wieder etwas kühl. Lumen betrachtete die Kette und wollte sie sich dann umhängen. Doch da kam der Magier ihr zuvor. Nahm ihr die Kette aus der Hand und ehe sie etwas sagen konnte, stand er hinter ihr und legte die Kette um ihren Hals. Als er sie verschlossen hatte, hob er vorsichtig ihre Haare hoch und dabei streiften seine Hände kurz ihren Nacken und sie zuckte etwas zusammen. Sie fühlten sich kalt wie Eis an, aber dennoch waren sie weich, wie Samt. Ihr lief es den Rücken hinunter. Diese zufällige Berührung fühlte sich sanft an, wie ein warmer Windhauch. Und obwohl es verrückt war, fühlte es sich gut an. Sie blickte nun auf sie hinunter und sah den Anhänger, der sich an ihre Haut schmiegte und schimmerte. An sich ein wunderschöner Schmuck. „Nochmals danke!“, sagte sie und drehte sich zum Magier herum. Dieser stand nur da, sah sie mit einem nicht zudeutenen Blick an. Dann drehte er sich herum und ging zu ihrem Stuhl. Rückte ihn so, dass sie sich darauf setzten konnte und als sie sich setzte, ging er zu seinem. Während sie speisten, herrschte Stille. Doch es war eine ganz andere Art von Schweigen. Keine eisige, bedrückende Stille. Sondern eine, in der sie nachdenken konnte. Über die üblichen Dinge. Nun auch über die Kette. Ihr kam es immernoch wie eine Geste seines Vertrauens, was ihr schenkte, vor. Immer wieder spielten ihre Finger mit dem Anhänger. Das Licht und die Wärme, die von ihm ausgingen, waren tröstend und stärkend zugleich. Und sie fragte sich, warum sie ihm nicht vertrauen sollte. Er war doch gut zu ihr. Also warum nicht. Aber da war immer noch diese Barriere, die sie sich selber errichtet hatte, in dem sie ihn für einen schlechten Menschen hielt und sie sah sich nicht in der Lage, diese zu überwinden. Nachdem sie gegessen hatten, begleitete sie Comitas zu ihrem Gemach, wobei er große Augen bekam, als er die Kette um ihren schlanken Hals bemerkte. „Oh, der Herr sie Euch gegeben hat?“, fragte er mit einer feinen Spur Erstaunen darin und Lumen nickte. „Ja, damit ich mich auch alleine durch das Schloss bewegen kann!“, kam es zaghaft von ihr und wieder berührten ihre Finger das filigrane Geflecht der Kette. „Ohhhhh!“, machte Comitas und grinste dann. Lumen fragte sich, warum ihn das so erstaunte. Natürlich war es bie ihr nicht anders gewesen. Aber er müsste seinen Herrn doch besser kennen, als sie. „Was denn? Was ist daran so besonders?“, fragte sie und hob die Schultern. Comitas lächelte noch einmal kurz, dann zwinkerte er. „Er Euch wirklich sehr vertrauen!“, sagte er und Lumen biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe. Das stimmte. Er vertraute ihr… Und was tat sie. Sie hinterging ihn. Dabei musste an die Violine denken. Seine Violine, die sie genommen hatte, ohne zu fragen, praktisch gestohlen und nun bei sich versteckt hatte. Was wenn er es herausfand? Würde er wütend werden? Mit Sicherheit. So etwas persönliches, und mochte es eine gewöhnliche Violine sein, in der Obhut bei jemanden, den man kaum kennt, zu sehen, machte jeden wütend. Lumen mochte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er es herausbekam. „Ähja…das…das tut er…!“, gab sie zurück und wünschte ihm eine gute Nacht. Lumen blieb nochlange wach, ehe sie einschlafen konnte. Tenebrae saß in seinem Sessel und blickte ins Feuer. Dass er ihr diesesmal keine Rose geschenkt hatte, sorgte in ihm für ein schlechtes Gewissen und er fragte sich zuerst warum. Er sagte sich immer wieder, dass er zu weich geworden war und dass es nicht schadete. Aber irgendwie ließ es ihn nicht los. Dabei musste er an ihre Worte denken. Dass sie auch im Schloss umhergehen wollte, ohne die Begleitung Comitas. Dass sie unanbhängig sein wollte und das sorgte für mehr Gewissenbisse. Ihm wurde bewusst, dass er sie wirklich irgendwie einsperrte und das machte es noch schlimmer. Er hatte gehofft, dass, wenn er ihr die Kette gab und damit die Freiheit, sich in seinem schloss, ohne Angst von den Schatten verschlungen zuwerden, gab, würde das, was in ihm erwacht war und ihm keine Ruhe gab, endlich schweigen. Doch als er ihr die Kette gab, wurde es schlimmer. Und Tenebrae wusste nun, was es war, was ihn nicht ruhen ließ. Die stille Hoffnung, dass sie sich darüber freuen würde. Nun, sie hatte sich gefreut. Zumindest sah es für ihn so aus und eigentlich wäre es gut damit gewesen. Doch als er sie so ansah, spürte er, dass er sich mehr wünscht, als nur ihren Dank. Eine Berührung. Eine Umarmung. Egal, was auch immer. Hauptsache es stillte diese Sehnsucht, die in ihm hochkam. Die Sehnsucht ihr nahe zusein. Als sie sich die Kette umhängen wollte, hatte er nicht gezögert und sie ihr aus der Hand genommen, nur um sie ihr selber umzulegen. Dabei hatte er sie mit den Fingern gestreift. Hatte ihre Haut berührt, die sich seidenweich anfühlte. Und die Sehnsucht nach mehr stärkte. Fast hätte er sich vorgebeugt und ihren Nacken mit seinen Lippen berührt. Aber er konnte sich geradenoch rechtzeitig zurückhalten. Was war nur in ihn gefahren? Glaubte er wirklich, dass dies alles ändern würde. Dass er damit die Zuneigung der Prinzessin gewinnen würde. Vielleicht sogar ihre…Liebe. Bei diesem Gedanken schüttelte Tenebrae den Kopf. Das ging zuweit. Gleich auf ihre Liebe zuhoffen. Es war absurd, an sowas zu denken oder gar zuhoffen. Bitterkeit breitete sich wie ein tödliches, lähmendes Gift in ihm aus. Ließ sein Herz verkrampfen. Er konnte versuchen was er wollte, um das zu ändern. Sie würde niemals das empfinden, was er sich heimlich wünschte. Mit dieser Erkenntniss sank er noch tiefer in den Sessel und vergrub das Gesicht in beiden Händen. In dieser Nacht fand Lumen keinen Schlaf. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um dasgleiche. Tenebraes Geschenk und das damit verbundene Vertrauen. Und das sie dabei war, dieses schamlos auszunutzen. Ihr Magen fühlte sich an, als sei er zu einem Eisblock geworden und immer wieder versuchte sie, die Stimme zum Schweigen zu bringen, die sie ausschimpfte. Dass sie sich schämen sollte. Anderseits sagte eine andere Stimme, dass sie sich nicht zu schämen brauchte. Sie konnte es ihm ruhig heimzahlen, in dem sie seinen Besitz bei sich hatte und so ihm zeigte, dass sie anders konnte. Da wiederum aber meldetete sich die andere Stimme. Sagte, dass das nicht richtig und undankbar sei, was sie da tat und es ihm beichten sollte, um es nicht schlimmer zumachen, als es jetzt schon war. Aber warum sollte es dadurch schlimmer werden. Es war doch bloss eine Violine. Nichts Besonderes. Doch ist sie. Sie scheint ihm sehr wichtig zusein, auch wenn sie weggestellt war. Denn sonst wäre sie nicht so gepflegt gewesen. Das ging die ganze Nacht so weiter und so war es auch kein Wunder, dass sie, als der nächste Tag anbrach, totmüde war und kaum aus dem Bett kam. Dennoch schaffte sie es und nahm erstmal ein Bad. Das würde vermutlich helfen, sie einigermassen wach zu bekommen. Zumindest hoffte sie das und als sie aus der Wanne stieg, war sie wirklich etwas wacher. Comitas hatte ihr bereits das Frühstück gebracht und schaute sie mit gehobenen Brauen an. „Ihr so müde aussehen!“, sagte er und goss etwas Tee ein. Lumen lächelte etwas. „Ja, ich habe kein Auge zugemacht!“, erklärte sie und setzte sich. Wie immer lag eine Rose auf dem Tablett. Nur hatte diese gleich zwei Farben. Weiss mit roten Tupfen an den Enden der Rosenblätter. Sie roch daran und der herrlich würzige Duft von Zimt stieg ihr in die Nase. Fast wäre sie darüber froh gewesen, doch irgendwie konnte sie sich nicht darüber freuen. Sie musste wieder an Tenebrae denken und seufzte dann schwer. Sie fühlte sich so schlecht, als sie diese Rose sich anschaute. Drehte sie gedankenverloren in ihren Fingern. Comitas sah sie eine Weile an, dann holte er sie aus seinen Gedanken. „Ihr Euch nicht wohlfühlen, Prinzessin?“ „Nein, nicht wirklich!“, sagte sie und legte die Rose wieder auf den Tisch. „Ihr traurig aussehen!“ „Ich frage mich, ob es wirklich eine gute Idee ist, die Violine hier zuhaben. Sie gehört mir ja nicht!“, rechfertigte sie sich und setzte sich auf den Stuhl um zufrühstücken. Comitas leuchtete das ein. Er nickte. „Aber ich finde, es ein Jammer seien, wenn sie da oben vor sich hinstaubt!“ Das stimmte. Ein solch schönes Stück durfte daoben nicht liegen und einstauben. Dennoch fürchtete sie sich vor dem nahekommenden Zorn des Magiers. Sie wollte nicht länger darüber nachdenken. „Und?“, fragte er dann und grinste breit. „Was wollen Ihr machen?“ Lumen wusste darauf erstmal keine Antwort. Sie hatte natürlich viele Möglichkeiten. Sie konnte in die Küche hinuntergehen und Comitas beim Zubereiten der Mahlzeiten helfen, oder hoch in den Turm gehen, um wieder auf der Harfe zuspielen. Aber dann würde sie sicherlich dabei auf dem kleinen Stuhl einschlafen. So müde wie sie war. Oder sich den ganzen Finger abschneiden. Daher entschied sie sich für die Bibliothek. Selbst wenn sie einschlafen würde, würde sie nicht auf den Boden sinken oder sich schneiden. „Ich wollte wieder in die Bibliothek gehen!“, sagte sie. „Ich Euch hinbringen soll?“, fragte er dann und Lumen wurde sich bewusst, dass sie noch immer die Kette um ihren Hals trug. Um ehrlich zusein, brauchte er das nicht. Immerhin war sie jetzt geschützt. Doch es war die Gewohnheit, die siegte und sie dazu bewegte, mit Ja zuantworten und sich von ihm dorthinbringen zulassen. Sie genoss sie schließlich. Seine Gesellschaft und dass er nicht von ihrer Seite wich. Er war ihr einziger Freund, an diesem feindseligen Ort. „Nein, ist er nicht. Du hast noch einen. Und dies ist dein Gastgeber!“, sagte eine Stimme in ihrem Kopf und sie blieb abrupt stehen. Das Gesicht des Magiers tauchte vor ihrem geistigen Auge auf und fragte sich, ob sie das wirklich gedacht hatte. Es kam ihr absurd vor und sie schüttelte den Kopf, um nicht weiter darüber nachzudenken. Er und ein Freund, lächerlich! „So da wären wir. Ich Euch schöne Stunden wünsche!“, sagte er und als er die Türen öffnete und Lumen eintrete, schloss er diese mit einem sanften Einklicken der Schlösser. Lumen sah noch eine Weile auf die Tür und irgendwie fühlte sie sich verloren. Als wäre sie ganz allein. Dabei brauchte sie nur nach ihm zu rufen und er würde kommen. Aber sie wollte das nicht. Sondern das tun warum sie hier war. Zielstrebig ging sie zu dem kleinen Tisch und nahm sich die Bücher. Trotz dass sie sooft in diesen und in den anderen gelesen hatte und sie eigentlich auswendig könne musste, las sie sie dennoch. Sie brachten sie immerhin auf andere Gedanken. Doch egal wieoft sie versuchte sich in die Geschichte hineinzuversetzen, es gelang ihr nicht. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Tenebrae zurück, der ihr die Kette erreichte und wie sich kurz ihre Hände berührten. Wie seine blauen Augen sich von einem eisigen zu einem tiefen, dunklen Blau wandelten, dass sie zuverschlingen drohte. In denen sich sich zu verlieren glaubte. Und dieser seltsame Ausdruck in seinem Gesicht. Als würde er… Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Nein, das ist nicht möglich, sagte sie sich und versuchte weiterzulesen. Aber dabei musste sie immer mehr daran denken. Die Buchstaben vor ihren Augen verschwammen, verformten sich. Verloren an Konturen und lösten sich prakisch auf. Wurden zu einem dunklen unddurchdringlichen Nebel, der Lumen einhüllte. Ihr Körper fühlte sich mit einemmal so schwer an, sodass sie nicht in der Lage war gegen diesem standzuhalten und die Augen öffen zuhalten. So glitt sie in eine tiefen Schlaf, der ihr willkommen war. Es dämmerte bereits und als der Abend anbrach, erwartete der Magier sie zum gewohnten Abendessen. Aber die Prinzessin kam nicht. Er fragte sich, wo sie blieb. Sie wusste doch, dass er sie erwartete. Er rief nach Comitas. „Was ich für Euch tun kann, Herr?“, fragte er, als er eintrat und sah, dass sein langsam ungeduldig wurde. „Weißt du, wo die Prinzessin ist?“ „Sie vermutlich noch in der Bibliothek seien!“, meinte sein Diener und Tenebrae hob die Brauen. „In der Bibliothek? Solange?“ „Ich nach ihr sehen soll?“ „Nein, ich gehe allein!“, waren seine letzten Worte, ehe er aufstand und den Speisesaal verließ. Comitas sah seinem Herrn für einige Minuten ratlos nach. Begriff nicht, warum er es ablehnte, dass er gehen sollte. Doch dann lächelte er. Na endlich, dachte er. Er hatte sie gefunden. Schlafend auf dem Diwan, das Buch, in dem sie gelesen hatte, achtlos zu Boden fallengelassen. Das Haar ausgebreitet und umrahmte ihr Gesicht, wie einen Fluss aus goldenem Wasser. Der Anhänger leuchtete in einem pulsierenden Licht, dass dieses schimmern ließ. Tenebrae blickte lange auf sie nieder. Er hatte sie eigentlich wecken wollen, doch als er sie so sah, konnte er nichts anderes tun, als sie anzuschauen. Es kam ihm falsch und verboten vor, sie in ihrem Schlaf zu stören. So ging er langsam und vorsichtig, um sie nichtzuwecken, ging in die Knie und sein Gesicht blieb dicht über dem der Prinzessin. Er schaute auf sie nieder. Blickte lange auf ihr Gesicht, das ruhig und entspannt war. Ließ dann seinen Blick von ihrem Gesicht über ihren Hals und über ihre Brust schweifen, die sich gleichmässig hob uns senkte. Leise hörte er ihren Atem. Ihre Hände hatte sie auf den Bauch gelegt. Ihre Hände, so zierlich und zart. Er konnte nicht anders. Er hob seine Hand, um die ihre zu berühren. Doch bevor er das konnte, schrack er zurück. Nein, schrie es in seinem Inneren. Das ging zu weit! Schnell drehte er den Kopf weg, um sie nicht anzusehen. Um ihre hohe Stirn, die geschlossenen Augen und der sinnlich geformte Mund, der verlockend und doch unschuldig war nicht zusehen. Demn sonst wüsste er nicht, was er tun würde. Und dennoch konnte er nicht lange dagegen ankämpfen. Mit festzusammen gerepssten Lippen, sah er wieder zu ihr und wurde sich erneut bewusst, wie wunderschön sie eigentlich war. Warum hatte er ihre Schönheit nicht vorher schon beachtet. Warum jetzt? Darum hatte er sie doch eigentlich zusich geholt. Weil sie die Schönste war und dem König am meisten am Herzen lag. Aber jetzt, wo er sie so betrachtete und daran denken musste, was er alles getan hatte damit sie sich wohlfühlte. Einigermasen zumindest, war er sich nicht mehr so sicher. All sein vorheriges Handeln und Denken schienen ihm mit einemmal bedeutungslos. Und wieder spürte er diesen schmerzlichen Stich in seiner Brust, wo sein Herz schlug. Auf den einen Stich folgten nun hunderte und er spürte, wie es immer schlimmer wurde. Zum ersten Mal kamen ihm Zweifel. War es falsch gewesen, sie als Gegenleistung zu fordern? Hätte er aus einem anderen Grund sie haben wollen? Aber aus welchem? Er wollte doch Rache! Warum ließ es ihn aufeinmal so unruhig werden? Wie als habe etwas seine Frage gehört, hörte er die Stimmen, die aus seinem tiefsten Inneren emporkamen und wie ein Echo in seinem Kopf hallten. Tenebrae lauschte ihnen und es druchlief ihn kalt, als er verstand, was sie sagten. Nein, das war nicht möglich. Das konnte nicht sein. Dass, was die Stimmen da flüsterten, war so unfassbar und absurd, dass er darüber gelacht hätte. Sie verhöhnt hätte. Aber er konnte es nicht. Seine Kehle verengte sich. Etwas in ihm weigerte sich zwar noch immer, das wahrhaben zu wollen, was die Stimmen ihm zuflüsterten. Doch da gab es noch etwas anderes, was weitaus stärker war, als seine Gleichgültigkeit, die er vergebens versuchte aufrecht zuhalten und zustärken. Sein Herz verkrampfte sich und schmerzte mit jedem Schlag, den es tat. Vergebens versuchte er die Stimmen zum schweigen zu bringen. Sagte sich dabei immer wieder, dass es nur an der Schönheit der Prinzessin läge, dass er so fühlte und dass es sicherlich noch schlimmer wäre, wenn er nicht endlich aufhören würde, sie so weiter anzusehen. Tenebrae schloss daher die Augen, ballte seine Hand zur Faust, sodass die Knöchel weiss hervorstachen und zu zittern begann. Was war nur los mit ihm? Schon vorher hatte er sich anders gefühlt, als er eigentlich sollte. Nie hatte es ihn so sehr geplagt, die Prinzessin anzuschauen. Bis jetzt! Und er fragte sich warum. Ein Seufzer holte ihn aus seinen Gedanken und er öffnete die Augen. Blickte wieder zu ihr. Sie hatte sich nicht bewegt, sondern nur geseufzt. Und dennoch schaffte es selbst dies, ihn wieder in den Bann ihres schönen Gesichts zuziehen. „Sie ist schön…so schön…!“, dachte er und spürte, wie sein Herz nun wahre Sprünge machte. Plötzlich waren seine Gedanken und seine Augen ganz auf ihre Lippen gerichtet, die verlockend in dem Licht schimmerten. Ihn dazu verlockten, sie zu berühren. Sie zukosten. Und er würde dies zugerne tun, wenn er ehrlich sein sollte. Doch was dann? Was wenn der Kuss, den er ihr raubte, die Sehnsucht, die hell in ihm aufloderte und sich nach ihrer Nähe, nach ihrer Berührung verzerrte, nicht besänftigte. Sondern noch verstärkte. Schon jetzt war diese zugroß, als das er sie bändigen konnte. Jetzt wo er ihren Schlaf beobachtete und ihr so nahe war, wie noch nie zuvor. Nun konnte er nicht wiederstehen. Hob die Hand, um sie an ihrer Wange zuberühren. Leicht strichen seine Fingerspitzen über ihre Wange und er schauderte, als er spürte, wie weich ihre Haut war. Der Schauer kroch von seinen Fingern, die Hand hinauf und dann zum und von seinem Arm und Schulter hinauf. Dann hinunter durch seinen Leib und bis in die Fussspitzen. Es war ein angenehmes warmes Zittern und Flimmern, welches seinen Herzschlag beschleunigte. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus. Erfüllte ihn, wie Feuer. Seine Hand, die noch immer auf ihrer Wange ruhte, zitterte etwas und er hoffte, dass sie nicht erwachte. Auf keinen Fall wollte er, dass dieser Moment zerstört wurde. Lange blieb er so, ließ seine Hand auf ihrer Wange und genoss das Gefühl, dass immer glühender wurde. Plötzlich hörte er eine andere Stimme. Hörte wie sie flüsterte. Aber anders als die anderen Stimmen, flüstert diese abscheuliche Dinge. Dass er nicht zufürchten brauchte, dass sie aufwachen würde, wenn er sie mit einem Schlafzauber belegte und es so ein leichtes wäre, sie sich zuunterwerfen. Ein einziger Zauber würde reichen und dann… Tenebrae wagte es nicht weiter darüber nachzudenken. Hastig zog er seine Hand zurück und blickte heftig atmend auf sie hinunter. Nein, niemals! Angewidert von sich selbst und entsetzt das er überhaupt an sowas dachte, stand er schnell auf, drehte sich um und wollte hinaus. Weg, nur weg von ihr, bevor er sich vergass. Eine niegekannte Panik hatte ihn ergriffen und er fürchtete, dass er es nicht länger kontrollieren würde, wenn er nicht bald aus der Bibliohek ging. Als er aber die Tür erreichte und sie öffnen wollte, hörte er ein Wimmern und blieb kurz stehen. Zögerte. Dann drehte er sich um und sah zur Prinzessin. Sie war es, die dieses Wimmern hervorgestossen hatte und nun die Hand ausgestreckt hatte. Doch das war nicht das einzige, was sich verändert hatte. Ihr Gesicht, das vorher ruhig und entspannt gewesen war, war nun ängstlich und ein Zittern ging durch ihren Körper. Tenebrae blieb einen kurzen Moment stehen, blickte zu ihr und sah, wie ihr Gesicht nun von Panik erfüllt war. Sein Entschluss, fluchtartig die Bibliothek zuverlassen, verrauchte und ehe er richtig begriff, was er tat, stand er auch schon wieder vor ihr und blickte auf sie hinab. Ihr Schlaf wurde nun unruhiger und sie begann um sich zu schlagen. Wimmerte weiter und flehte immer wieder:„ Nein, nicht. Lasst mich!“ Tenebrae ahnte, dass sie einen schlimmen Traum hat und seufzte wieder. Es half nichts. Er konnte sie hier nicht liegen lassen und sie ihrem Alptraum überlassen. Als beugte er sich zu ihr hinunter und schob bedächtig seine Arme unter ihren Körper. Kaum, dass er sie hochgehoben hatte, verstummten ihr Flehen und ihr Wimmern und sie wurde wieder ruhig. Wie ein Baby schlummerte sie weiter. In seinen Armen. Tenebrae schaute auf sie und fragte sich, ob es daran lag, dass er sie hielt oder einfach nur weil sie… Der Magier schüttelte den Kopf. Sich länger darüber Gedanken zu machen, brachte nichts. Sondern nur noch weitere unnötige Gedanken, die sich im Nichts verliefen und ihm womöglich den Schlaf kosteten. Das konnteer nicht gebrauchen. Mit langsamen Schritten, damit sie nicht wachwurde, ging er zu ihrem Gemach. Sah hinunterwieder zu ihr runter. Fragte sich dann wovon was sie träumte, dass sie solch eine Angst hatte und wimmerte. Als er dann vor ihrer Tür stand, öffnete er diese mit einem sanften Fusstritt und ging zum Bett, um sie darauf zu legen. Lumen schien nun noch tiefer zuschlafen als vorher. Ihr Atmen verriet es zumindest und er setzte sich auf die Bettkante. Beobachtete weiterhin ihren Schlaf. Es war unter seiner Würde, dies zutun und er fragte sich wirklich, was er sich dabei dachte. Doch irgendwie war es ihm gleich. Sie so anzusehen, gab ihm seltsamerweise ein Gefühl der Ruhe. Als würde ihre Ruhe auf ihn übergehen. Alles was ihn bisher gequält und aufgewühlt hatte, zum Schweigen bringen, sodass er entspannt war und sich nicht mehr daran störte, was ihm ausgemacht hatte. Zum Beispiel ihre Schönheit weiter zubetrachten. Lange tat er dies. Bis er glaubte sich vollundganz in dieser zu verlieren. Aber dann holte ihn die Prinzssin aus disem Bann. „Tenebrae!“, flüsterte sie und es klang nicht ängstlich. Sondern sehnsüchtig. So als würde sie wirklich nach ihm verlangen. Tat sie es denn. Es ließ sein Herz erneut schneller schlagen und in ihm die alte Hoffnung, dass sie ihn in ihrer Nähe haben wollte, erneut erwachen ließ und nährte. Noch lange blieb er so dasitzen. Hoffte, dass sie nocheinmal seinen Namen sagte. Er konnte sich nicht erklären warum. Aber es bereitete ihm Freude. Unglaubliche Freude. Doch dann fand er, dass er langsam selbst zu Bett gehen sollte. Mit einem letzten Blick auf sie, erhob er sich dann und ging zur Tür. Bevor er aber ihr Zimmer verließ, drehte er sich um. Blickte zu ihr und flüsterte leise:„ Schlaf gut, Prinzessin!“ Dann verließ er ihr Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)