Tian von ellenorberlin (der Drachenjunge) ================================================================================ Kapitel 8: Ivans Schatz ----------------------- 'Es' kam in der Nacht, als alles schlief und selbst die letzten Lichter nur noch schwach glühten. In einer Wolke aus schwarzem Rauch und dem Geräusch von Donnerschlägen, stürzte 'Es' hinab. Feuer, so heiß wie die Sonne selbst verbrannte alles in seiner Umgebung, auch ihn selbst. Mit einem leisen Stöhnen erwachte Rem aus seinem Traum, als die kühle Luft schmerzhaft über seine Haut strich. Er fühlte sich seltsam und als er leicht die Augen aufschlug schien die Welt an ihm vorbei zu laufen. Langsam konnte er das Gefühl zuordnen, doch die Erkenntnis, das er getragen wurde verschwamm sofort wieder in einem dunklen Nebel der in seinem Kopf vorherrschte. Schmerzen plagten ihn und raubten seinem Verstand die letzten klaren Funken und spülten jeden Ansatz zum Denken augenblicklich fort. Auf Wangen und Oberkörper spürte er ein schweres Pochen und wieder durchzuckte eine Erinnerung an Feuer Rems Bewusstsein. Sterne blitzen vor seinen Augen unangenehm auf und kraftlos trieb er zurück in die Dunkelheit, die ihm die Schmerzen fürs erste nahm. „Ihr habt den Falschen, ihr hirnverbrannten Dummköpfe!“ Rem konnte nicht sehen wer da sprach, aber die Stimme war dunkel und rau. Und wem auch immer sie galt, diejenigen gaben nur ein unterwürfiges Wimmern von sich. „Ich habe euch einen einfachen Auftrag erteilt, habe euch sogar 'Ihn' mitgegeben“, scheinbar deutete er auf etwas, das Rem nicht sehen konnte, doch er spürte Hitze auf Stirn und Wangen und hörte das klirren von sehr schweren Ketten, „und ihr bringt mir...DAS!“ Der Mann spuckte angewidert auf den Boden vor Rem und lief weiter vor ihm auf und ab. „Verzeiht uns Herr, aber wir konnten den Auftrag nicht erfüllen, sie war nicht dort, obwohl ihr es sagtet. Aber dieser Junge scheint Kontakt mir ihr gehabt zu haben, deshalb brachten wir ihn her. Verzeiht, wir wollten Euch gewiss nicht verärgern.“ Andächtig besah sich der unbekannte Mann den Jungen der von jemandem aufrecht gehalten wurde und hob mit einer knochigen Hand sein Gesicht an. Wären Rems Augen nicht verbunden gewesen, so hätten sie sich wahrscheinlich in die Augen geblickt. „Ich denke...ich kann ihn trotzdem gebrauchen.“ Er konnte fast körperlich spüren wie der Unbekannte dunkel und leise lachte. „Ich bin gespannt wie stark du bist, Kleiner.“ Sie brachten ihn fort und keiner machte sich die Mühe ihm die Augenbinde abzunehmen oder gar seine Wunden zu versorgen. Der Überfall in Teirr hatte Rem mehrere großflächige Brandwunden eingebracht und er versuchte verzweifelt sich von den Schmerzen abzulenken. Wo auch immer er sich nun befand, war es dunkel und kalt. Er saß auf kaltem, harten Boden, wahrscheinlich Stein und hörte nichts um sich herum. Mehrere Stunden oder auch Tage, denn er konnte die Zeit ohne den Wechsel von Mond und Sonne nur schwer bestimmen, ließen sie ihn in seinem Elend liegen, doch das sollte nicht so bleiben. Sie begannen ihn in regelmäßigen Abständen zu holen und jedes mal fügten sie ihm Schmerzen zu, stellten ihm Fragen und fügten ihm abermals schmerzen zu, wenn er nicht bereit war zu Antworten oder zu Schimpfen anfing. Einmal gelang es ihm seinem Peiniger, dessen Gesicht er immer noch nicht sah, ins Gesicht zu spucken doch das kam ihm teuer zu stehen. Sie gaben ihm seltsame Medikamente die ihn nicht mehr klar denken ließen und immer wieder driftete er in Träume ab, die realer schienen als die grausamere Wirklichkeit. Mehrere Männer zerrten ihn mit unnötiger Gewalt durch lange Flure und sein Stöhnen hallte an den Wänden wider. Blut lief ihm am Körper herab und seine Gedanken waren abermals vernebelt. Manchmal glaubte er sich zurück in Teirr zu befinden und er war glücklich, wenn er Tian lächelnd glaubte. Einige male sah er sich wild tanzend mit einem Mädchen das er kannte an einem Lagerfeuer bei dem Jährlichen Frühlingsfest von Teirr. Jedes mal rannen ihm heiße Tränen die Wange hinab, wenn er aus seinen Träumen erwachte, da die Wunden der Misshandlung ihn nicht mehr schlafen ließen. Feuer wallte in seinem Inneren und seine eigenen Schreie hallten scharf wie eine Klinge durch seinen Kopf. Er hatte gedacht körperlichen Schmerz könnte er widerstehen, aber das hier übertraf jegliche Vorstellungen die er hatte. Seine Gedanken, sein Geist wurden auseinandergerissen, verzerrt und wieder zusammengenäht mit einer Nadel aus glühendem Feuer. Wieder und wieder und wieder. In einem unheimlichen Takt, den Rem erst nach einiger Zeit bemerkte und auf den er sich konzentrierte. Er brauchte etwas an dem er sich festhalten konnte, irgendwas. Und so schrie er weiter, bis ihm selbst dazu die Kraft verging. „Ergib dich mir. Du bist mein“ Die Stimme flüsterte ihm zu, löschte das Feuer in seinem kopf, versprach ihm Erleichterung und er müsste nichts weiter tun als....als... Seine Gedanken wurden wieder zerrissen und neugeformt. Der Schmerz war fast schlimmer, als die stechenden Fesseln und das brennende Gift unter seiner Haut. „Nein...“ Träge kippte sein Kopf zur Seite und die Zeit schien still zu stehen. Die salzigen Tränen schmerzten auf der geschundenen Haut, bevor diese den staubigen Boden trafen. Einige Tage lang wanderten Tian und der Katzenjunge schon Richtung Norden. Das Waldstück in dem sie damals überfallen worden waren, umgingen sie zur Sicherheit, auch wenn sie damit fast einen ganzen Tag verschenkten. Nachts schlugen die Beiden ihr Lager im Schutz der Bäume auf und am Tage verbrachten sie die meiste Zeit auf dem Rücken von Morn, der sie mit seiner unerschütterlichen Ausdauer erneut überraschte. Doch obwohl sie viel schneller vorankamen, wenn sie auf Morn ritten, so schmerzten ihre Glieder jedes mal nach einigen Stunden so stark, dass sie es oft vorzogen zu Fuß zu gehen, während der Ochse hinter ihnen her trabte. Sich zu orientieren fand Tian schwierig, denn der Weg war weit und das Land riesig im Vergleich zu den Feldern seiner Heimat, die man ohne Probleme überblicken konnte. Diese weiten Wiesen waren kein Vergleich dazu und Tian hatte das Gefühl einige hatten gar kein Ende. Durch festgetretene Pfade war der Weg am Anfang noch leicht zu finden, doch nach und nach wurde es schwieriger, doch zum Glück fand Tian beim durchsuchen der Taschen eine alte, zerlumpte Karte, die ihnen wesentlich weiter half. Leider hatten weder er noch Luka viel Erfahrung im Kartenlesen, zumal Luka überhaupt nicht lesen konnte und Tian war froh, dass seine Mutter ihm damals oft beim Erzählen der vielen Geschichten auch selbst gezeichntete Karten der Orte zeigte, wo dies passiert sein soll. Bald nahm das Grün zu und gaben einen starken Kontrast ab zu dem roten Farn der wilden Wiesen des Flachlands. Die ersten größeren Bäume kreuzten ihren Weg und nach nur wenigen Tagen sahen sie den Rand eines unvorstellbar riesigen Waldes, der sich über Kilometer zu erstrecken schien. An kleinen Bachläufen füllten sie Unterwegs ihren Trinkschlauch auf, während sie ihre Nahrung größtenteils aus der Natur bezogen, denn die Vorräte, die Tian eingepackt hatte, hielten nicht sehr lange vor. Luka erwies sich praktischer Weise als ein wirklich geschickter Jäger, auch wenn seine Beute meist nur kleine flugunfähige Vögel waren, die zwischen den Gräsern lebten.Doch einmal gelang es ihm sogar ein junges Kaninchen zu fangen und das erfüllte ihn mit großem Stolz, den Tian ihm auch nicht an neidete. Er war noch nie der große Jäger und es kümmerte ihn nicht, doch nun da seine Gehör so scharf war wie nie zuvor, konnte er nicht umhin zu bemerken wie viele Tiere sich unbemerkt um sie herum bewegten ohne entdeckt zu werden. Seit dem Vorfall mit den Räubern hatten sich Tians Veränderungen nicht mehr gezeigt. Nur hin und wieder ein Jucken und Ziepen in der Nacht und ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Doch im großen und ganzen nichts, was ihn ungemein erleichterte, trotzdem konnte er dieses Thema niemals ganz aus seinen Gedanken verbannen. In der ersten Nacht nach Teirr, sie hatten sich für die Nacht hinter einigen kargen Büschen ein Lager bereitet und das Trockenfleisch verzerrt, sprach Luka ihn das erste mal seit Teirr offen darauf an. „Was bist du?“, fragte er unvermittelt, während Tian stumm dagesessen hatten und in die tanzenden Flammen eines kleinen Feuers blickten. Das Holz knackte leise, als das Feuer es fraß. „Ein Mensch, zumindest dachte ich das bisher“ Luka sah ihn verwirrend an. Tian hatte seine Arme schützend um die Knie geschlungen und hob nun seine rechte Hand vor die Augen, wie um zu prüfen, dass sie noch so aussah, wie sie aussehen sollte. „Hast du schon mal davon gehört, das sich ein Mensch verwandelt? Ich meine, kein Tierwesen, sondern ein normaler Mensch?“ Der Katzenjunge schüttelte bedächtig den Kopf. „Nein, noch nie. Zumindest nicht so. Die Gaukler haben mir einmal von Elfen erzählt, die so etwas konnten, aber das waren nur Legenden. Allerdings habe ich Tierwesen getroffen denen plötzlich ein Schwanz wuchs, aber das war nicht so....wie bei dir.“ „Vor ein paar Wochen fing es an, du hast es gesehen, als uns die Wölfe angriffen.“ Ein Schaudern schien Luka zu schütteln. „Deine Haut war schwarz wie die Nacht“, flüsterte er. „Und deine Augen so Rot wie Blut.“ „Das ist nicht alles! Ich kann viel besser sehen und hören, als früher und stärker bin ich auch.“ „Wieso jagst du dann nicht?“, meinte Luka verschmitzt. Zähne Knirschend gestand Tian ihm seine bisherigen Misserfolge beim Angeln und Jagen und Luka`s leises Gekicher verbesserte seine Laune nicht gerade. „Ich bringe es dir bei! Wenn du so gute Ohren hast wie du sagst, dann sollte es zu schaffen sein“ Tian sah zu den Sternen auf und betrachtete den halbrunden Mond. „Was soll ich machen, wenn es wieder anfängt? Was wenn ich noch jemanden verletze?“ „Ich denke, du machst dir zu viele Gedanken. Wenn es passiert dann passiert es eben und du kannst eh nichts daran ändern. Vielleicht findest du in Tameran die Antwort, aber bis dahin lass uns lieber schlafen.“ Bei den letzten Worten gähnte Luka herzhaft und seine scharfen Zähne blitzen im Mondlicht hell auf. Allzu bald erstreckte sich der Wald den sie bisher nur aus der Ferne gesehen hatten vor ihnen und Tian erkannte ihn von der Karte wieder. Wenn es stimmte, dann zog er sich Richtung Süden weiter. Er und der Fluss Quester trennten sie von der Baaran Ebene. Um nach Tameran zu gelangen mussten sie am Wald, der auf der Karte als Karadar betitelt war, vorbei und dem Fluss Quester folgen. Wie versprochen brachte Luka ihm einige Tricks für die Jagd bei und Tian hörte ihm gerne bei den schon manchmal kindisch erscheinenden Lektionen zu. Im Gegenzug erzählte er dem Felis von seinem Leben in Teirr. Doch als Tian erwähnte wie Rem und er sich kennen lernten, wurde ihm schwer ums Herz. Er konnte in Teirr nicht alle Leichen untersuchen, doch Tian hatte an einigen ihrer Lieblingsplätze geschaut und er war noch einmal bei den Trümmern von Hirs Haus, doch von seinem alten Freund fehlte jede Spur. Er hoffte inständig das Rem fliehen konnte und das sie sich eines Tages wieder begegnen mögen. Am Waldrand hatte er eine gute Stelle gefunden wo sie rasten konnten und Tian band Morn an einer stabil aussehenden Weide fest, während Luka Feuerholz sammeln ging. Die herunterhängenden Zweige des Baumes verbargen sie etwas, auch wenn Niemand in der Nähe zu sein schien der sie hätte finden können, doch die vergangenen Ereignisse machten Tian misstrauischer denn je. Kleine apfelgrüne Vögel hatten sich in dem alten Baum ein sicheres Zuhause gesucht und belebten die Umgebung. Tief atmete er die frische, kühle Abendluft ein und genoss den Moment der Ruhe, die ihn plötzlich überfiel. Einer Eingebung folgend band Tian Ivans Gepäck los das Morn noch immer trug und setzte sich mit eingeschlagenen Beinen auf den Waldboden. In den meisten Beuteln waren nur unbedeutende Gegenstände, wie Besteck oder Kleidung. Und viele hatte er auch schon vor ein paar Tagen durchsucht und nichts wirklich brauchbaren gefunden. Bedächtig knotete er einen dunklen Leinensack auf, den Tian noch nicht durchsucht hatte und kippte seinen Inhalt auf dem Boden aus. Ein in Stoff gewickelter Gegenstand lag nun vor ihm und mit schnellen Fingern entfernte er den purpurnen Stoff. Er fühlte kalten Stahl. Nein, kein Stahl, überlegte Tian still. Es war ein langer Dolch, oder zumindest ein sehr kurzes Schwert mit einer seltsamen, zweischneidigen Klinge. Sie schimmerte weiß und wenn er sie bewegte auch bunt und sie schien eine Tiefe zu besitzen, die in vollkommenem Gegensatz zu der schmalen, flachen Form bestand. Der Griff war aus demselben Material gemacht, allerdings grün gefärbt und ohne die Tiefe der Schneide zu besitzen die Tian so faszinierte. Um den filigranen Griff waren zudem geflochtene weiße Bänder geschlungen in denen ein Muster aus Adern sich abzeichnete. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so einen Dolch gesehen, doch es war nicht nur das Äußere, was Tian so vollkommen aus dem Konzept brachte. Aus den Tiefen der Kristallähnlichen Klinge ging ein Flüstern aus und das durchlief ihn bis auf die Knochen. Er erzitterte bei dem Gefühl, denn es kam ihm seltsam bekannt vor. Das Wispern umschlang sanft seine Gedanken und er hatte das Gefühl sich darin zu verlieren, denn die Stimme war angenehm warm. Doch er konnte sie nicht verstehen, obwohl er sich so stark wie es ihm möglich war darauf konzentrierte, blieb es nur ein inneres Wispern das der glitzernden Klinge innewohnte. Ein Knacken im Unterholz ließ Tian zusammenfahren, doch er atmete erleichtert auf, als Luka bepackt mit Feuerholz hinter ihm stand. Seine gelben Augen huschten zum Dolch und er schien überrascht. „Wo hast du den denn her? Ich dachte der wäre mit Ivan im Fluss versunken oder die Diebe hätten ihn gestohlen.“ „Er war in Ivans Gepäck bei Morn. Was weißt du darüber? Luka hockte sich neben ihn und bereitete das Feuer vor. „Wegen diesem teuflischem Dolch kamen wir überhaupt nach Teirr. Ich habe fast jedes Haus danach absuchen müssen eh ich ihn fand.“ „Was? Ich kann mir nicht vorstellen das jemand aus Teirr so etwas besitzen könnte. Bist du dir wirklich sicher? Vielleicht verwechselst du was.“ Grummelnd sah Luka ihn an. „Natürlich bin ich mir sicher! So einen Dolch gibt es kein zweites mal. Ich weiß nicht warum oder wie Jemand da ran kam. Das einzige was ich weiß ist, das ich jedes mal verprügelt wurde, wenn ich ohne dieses Ding zu Ivan kam. Es hat viele Nächte gedauert ehe ich ihn fand. Eigentlich wollten wir danach sofort weiter nach Tameran, aber das Scheusal musste sich in der Nacht vor dem Sturm betrinken und so mussten wir länger bleiben.“ Nachdenklich verpackte Tian die seltsame Klinge wieder in das purpurne Tuch und ließ es zurück in den Beutel gleiten, den er aber nicht wieder an Morn band wie die anderen, sondern bei sich behielt. „Woher wusstet ihr von dem Dolch. Vor allem, woher wusstet ihr wo ihr ihn findet? Ich wette meine rechte Hand darauf, das er äußerst Wertvoll ist.“ Zumindest wertvoller als alles was er je zu Gesicht bekam. „Ivan schickte mich danach aus, bevor ich ihn fand, wusste ich auch nicht genau was ich eigentlich suchen sollte. Wir kamen nicht durch viele andere Dörfer in Astorah, also nehme ich an er wusste es schon als er mich aufkaufte. Ich kann dir das wirklich nicht sagen. Es ist ja nicht so als wären wir dicke Freunde gewesen“, meinte er düster. „Ich bin froh das er endlich den Löffel abgegeben hat und ich hoffe er hat gelitten.“ Lukas Worte waren trotzig und hart, aber er verstand ihn auf irgendeine Weise. --- Hallo an alle meine Leser! Diesmal geht es wieder etwas turbulenter zu, aber ich verspreche euch, dass bald das nächste Kapitel folgen wird ich arbeite zur Zeit fleißig daran und versuche dieses mal es etwas länger zu gestalten, da mir meine Kapis einfach zu kurz vorkommen, was meint ihr? liebe Grüße Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)