Tian von ellenorberlin (der Drachenjunge) ================================================================================ Kapitel 9: Drachenseele ----------------------- Es war mitten in der Nacht als Tian die Augen aufschlug. Die Nacht war klar und ruhig, dennoch drangen viele kleine Herzen an sein Ohr deren Besitzer tief und fest in der Baumkrone schlummerten. Ein unangenehmes, dennoch bekanntes kribbeln durchlief seinen Körper. Zuerst die Arme, dann die Beine und seinen Rücken hinauf bis zur Schulter. Verzweifelt schloss er die Augen und verzog angestrengt das Gesicht, als er die dunklen Schuppen auf seinen Armen sah. Die zu Anfang schwarze Farbe schien nun immer weiter ins Dunkelrote zu wandern und mit Unmut betrachtete er seine zu Klauen gewordenen Hände. Trotz der herrschenden Dunkelheit bemerkte er jede Einzelheit um sich herum, auch die kriechenden Insekten die sich am Waldboden tummelten, doch seine Konzentration galt ganz seinem Körper, während er voller Furcht im Herzen an sich prüfend entlang blickte. Selbst seine Füße begannen nun sich zu verändern und er zog hastig seine Lederschuhe aus, weil er Angst hatte sie zu beschädigen, wenn ihm auch dort Krallen wuchsen. „Verdammt“, flüsterte er leise. Er wollte Luka nicht wecken, der Zusammengerollt neben dem ausgebranntem Lagerfeuer lag und friedlich in einer Decke eingewickelt schlief. Ein unangenehmes Knurren durchstach die Stille und er umschlang seinen Bauch mit den geschuppten Armen. „Verdammt“, hauchte er. Ihm war regelrecht schlecht vor Hunger und sein Magen knurrte abermals. Dabei hatte er vor kurzen erst etwas zu sich genommen, wenn es auch etwas karg war. Die Veränderung machte seinem Körper stark zu schaffen und nahm ihm scheinbar mehr Energie ab, als Tian vorzuweisen hatte. Leise erhob er sich und ging ein Stück weit in den Wald hinein um sich zu Entspannen und in der Hoffnung ein paar Beeren finden zu können, als er etwas rascheln hörte. Aufmerksam blieb er stehen und richtete nun seine volle Konzentration auf die unmittelbare Umgebung. Wieder ein Rascheln und plötzlich stob ein kleiner Schatten wenige Meter entfernt aus einem Gebüsch heraus und verschwand in der Schwärze der Nacht, doch Tian konnte das Tier immer noch hören, welches sich mit schnell wummerndem Herzschlag stetig entfernte. Wie von selbst bewegte sich sein Körper, der Hunger hatte ihn gepackt und so nahm Tian die Verfolgung auf. Mit einer Eleganz, die ihn gleichzeitig erschreckte und erstaunte glitt er durch den Wald wie ein junger Gott, wich Bäumen und Ästen geschickt aus, sprang über umgestürzte Stämme wie eine Bergziege und trotz allem waren seine Schritte leise und gut platziert. Kein Zweig brach, kein Blatt knirschte unter seinen geschuppten Klauen und er tat dies alles mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm kaum bewusst war. Das Tier stellte sich als einen Hasen heraus und Tian war nur wenige Schritte hinter ihm, als mit lautem Getöse ein aufgeschrecktes Reh dicht neben ihm durchs Unterholz brach. Tian, der etwas besseres witterte, drehte im Lauf um und stürzte dem Jungen Bock hinterher. Der Geruch von Angst schlug wie eine Faust in seine Sinne ein und ließ ihn fast vor unerfüllten Sehnsüchten straucheln. Auf einer kleinen Anhöhe sprang er mit voller Kraft das Tier an. Donnernd krachten sie ineinander und die Wucht ließ beide über den Boden schlittern. Das Reh brüllte, trat um sich, doch Tian thronte auf ihm, nagelte den sich wehrenden, muskelbepackten Körper unter sich fest und hatte sich bereits knurrend in dessen Kehle verbissen. Mit einem kräftigem Griff seiner Klauen, brach er dem Reh sein Genick. Das Geräusch der brechenden Halswirbel hinterließ eine Gänsehaut in Tians Nacken, während heißes, salziges Blut in Strömen über sein Kinn floss. Sein Herz pochte wie wild in seinen empfindlichen Ohren und das struppige Fell strich ihm über die Wange. Keuchend glitten seine spitzen Zähne aus der Kehle des Tieres, als er sich vom Körper löste. Heißes Blut tropfte ihm von den Fängen und mit gierigem Blick, begann er zu fressen. Der Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche eines kleinen Baches in vielen verschiedenen Farben.Seine bleiche Gestalt wurde halb verdeckt von einem schmalen Gesicht, das bedrohlich wirkte durch das viele Blut auf Kinn und Wangen. Rote Augen glühten wie heiße Kohlen, während lange,schwarze Wimpern sie umrahmten. Der Mund und die Nase waren seltsam verzerrt, als wollten sie eine Schnauze formen und hätten es sich auf halber Strecke anders überlegt. Schwarzes Haar viel zerfranst über die Stirn und Zähne blitzten weiß und gefährlich auf, als sich die weichen Lippen teilten. Wütend schlug Tian mit der Faust ins Wasser und sein Spiegelbild zersprang. Ein kleines dunkelgrünes Blatt segelte sanft von einem Baum herab und landete auf dem sich nur langsam beruhigendem Wasser. Ein leises schluchzen entrang sich seiner Kehle. Tians Hände waren vergraben in den schwarzen Haaren, während er auf dem Boden Kniete, wobei sich seine zu Klauen geformten Füße in die weiche Erde gruben um Halt zu finden. Tian war entsetzt über sich selbst, über das was er getan hatte und vor allem hatte er Angst davor was aus ihm wurde. Sein Körper hatte sich verändert, schmerzhaft, auch wenn er sich versuchte dagegen zu wehren. Viele seiner Muskeln erschienen nun viel ausgeprägter als früher und seine Gestalt schien zu wachsen, sich auszudehnen. Das Hemd hatte er inzwischen ausgezogen, da es voller Blut und Dreck war, dass sich in die Fasern gesogen hatte. Langsam Atmete er ein und seine Rippen stachen hervor, trotz der Schuppen die am Bauch am weichsten und hellsten waren. Immer noch gab es viele Stellen an dem seine blasse Haut durchschimmerte. Seufzend streckte er sich auf dem Waldboden aus um sich zu beruhigen, doch ein stechender Schmerz durchzuckte plötzlich seine Beine und Tian sah entsetzt zu, wie die Knochen im Fuß und Gelenk sich verschoben und veränderten. Um einen Aufschrei zu unterdrücken presste er sich die linke Hand an den Mund. „Es soll aufhören...ah.“ Nur leise keuchend kamen diese Worte über seine Lippen. Trotz der feuchtkalten Luft ging eine glühende Hitze von ihm aus und Schweiß vermischte sich mit heißen Tränen. Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein bis leise Schritte aus der Dunkelheit drangen und das Geräusch von zur Seite geschobenen Ästen und Blättern schlich durchs Unterholz. Und schließlich hörte Tian Lukas erschrecktes Keuschen. „Tian!“, flüsterte sein Freund panisch. „Tian, was ist passiert?“ Hastige, tappende Schritte und er spürte wie Luka sich über ihn beugte. „Meine Haut...sie brennt so furchtbar...“ Tian stöhnte und sein Atem schien ebenfalls heiß genug um als Dampfwolke seine Sicht zu trüben. Augenblicklich spürte er Hände die ihn sacht berührten und plötzlich weggezogen wurden, als hätte er sich verbrannt. „Verdammt! Warte hier, halt durch! Ich bin gleich wieder da.“, er klang schrecklich Nervös. Es zischte und dann stieg Wasserdampf auf, kräuselte sich in schönen Mustern dem Sternenhimmel entgegen um schließlich zu verfliegen. Luka goss abermals Wasser aus einem Topf, den er geholt und mit dem Bachwasser aufgefüllt hatte, auf seinen heißen Rücken. Laute der Erleichterung, mehr brachte Tian nicht heraus. Das kühle Wasser fühlte sich angenehm und frisch an, wie es über die Schuppen lief und er sah beinahe gelassen zu, wie es immer wieder leise, zischend verdampfte. Die dunkelroten Schuppen glänzten nass wie poliertes Porzellan. „Das wird wieder.“ Selbst dem Katzenjungen stand die Panik ins Gesicht geschrieben. „Danke für deine...Hilfe“ Leise, gehauchte Worte. Luka redete ihm die ganze Zeit weiter gut zu, auch wenn er nur selten oder gar nicht antwortete. Und so benommen Tian auch war, er bekam die Unsicherheit seines Freundes mit, konnte aber nicht sagen ob es einfach an der ungewohnten Situation lag oder er schlicht und einfach ein wenig Angst vor Tian hatte. Etwas in Tian hatte sich verändert, nicht nur äußerlich. Schon bei den ersten Anzeichen seiner Verwandlung, die nur wenige Wochen zurück lagen, hatte er es gespürt. Wie ein Verschluss der sich tief in ihm langsam öffnete, drangen neue, bisher verborgene...Dinge hervor. Tierisch und wild fühlte es sich an und es übermannte ihn, hüllte ihn ein und begann Teil seiner Persönlichkeit zu werden. Nie gefühlte Bedürfnisse hatte er gespürt, als das Reh vor ihm davon gerannt war. Er wollte es jagen, hatte gar nicht darüber nachgedacht was er tat. Aber er hatte es getan und es war nicht das erste Mal. Unwillkürlich dachte er an den Mann, der Räuber dem er damals im Wald bei der Brücke die Kehle aufgerissen hatte und ihm wurde schlecht. Nun hatte Tian bereits zwei Mal getötet, und eines seiner Opfer war ein Mensch. Etwas in ihm hatte sich bisher gesperrt darüber nachzudenken, doch nun schien alles wie eine unsichere Mauer zusammen zu fallen. Er hatte getötet, er! Ihm schauderte. Warum passiert das alles nur? Er zählte doch gerade mal fünfzehn Jahre und sollte sich eigentlich nur sorgen darüber machen bald der Armee dienen zu müssen. Hir ist tot, seine Mutter ist tot , wer sein Vater ist weiß Tian nicht einmal und sein bester Freund, Rem ist sehr wahrscheinlich ebenfalls tot. Und er selbst verwandelt sich in ein Monster das tötete. Er musste irgendwann eingeschlafen sein, denn als Tian das nächste Mal die Augen aufschlug dämmerte es bereits und die Morgenröte überzog den Himmel mit einem wunderschönem Farbenspiel in den Wolken. Tau glänzte an den Halmen kleiner Blumen, die ihre Blüten noch geschlossen hielten und deren Blätter halb zusammengerollt waren. Er fror ein wenig, denn nur die dünne Decke, die Luka ihm übergeworfen hatte bedeckte seinen nun abgekühlten Leib und die warmen Strahlen der Morgensonne drangen nicht bis zu ihm vor, da die Bäume sie abhielten. Langsam setzte Tian sich auf. Die Decke rutschte dabei herunter und landete sanft auf den Boden. Etwas weiter weg im Gras lag der Topf in dem immer noch eine kleine Wasserpfütze glitzerte. Prüfend besah er sich seinen Körper, doch er fand nicht abnormales mehr. Alle Veränderungen waren wieder einmal auf seltsame Weise verschwunden, als hätte es sie nie gegeben und hinterließen nur weitere unsichtbare Narben in seiner jungen Seele. Sanft strich er mit einer Hand über den Rücken und spürte nur normale Haut und die Narben, wo er damals von dem Soldaten in Teirr ausgepeitscht wurde. Luka saß nicht weit entfernt mit geschlossenen Augen an einen Baum gelehnt im Gras und atmete ruhig. Er sah schrecklich aus, befand Tian, denn sein Freund hatte tiefe Augenringen und er muss gefroren haben. Wahrscheinlich war der Junge fast die ganze Nacht wegen ihm auf gewesen ohne zu schlafen. Sachte hob er Luka auf die Arme und konnte nicht umhin zu bemerken wie leicht und zierlich der Jüngere doch war. Barfuß lief er mit dem noch immer schlafendem Luka im Arm zurück zum Lager. Morn hatte sich auf dem Boden unter der Weide ausgestreckt und döste friedlich. Schaute nur kurz zu ihnen herüber um dann wieder teilnahmslos an einem Grashalm zu kauen. Er ließ den Katzenjungen weiter schlafen, während Tian sich daran machte ein Frühstück auf die Beine zu stellen. Einige Stunden später saßen sie sich gegenüber und aßen schweigend eine kleine Mahlzeit, auch wenn Tian keinen Hunger hatte. Luka hatte sich kaum gerührt und beobachtete ihn nur aus schmalen, grünen Augen. Die Sonne war inzwischen komplett aufgegangen, doch zum Leidwesen der beiden Jungen hingen am Horizont große, dunkle Regenwolken, die ebenso dunkle Schatten über die roten Wiesen warfen. „Geht es dir wieder besser?“ Es waren die ersten Wort die Luka sprach, denn den ganzen Morgen hatten sie noch kein Wort miteinander gewechselt, doch er wusste sie konnten den Vorfall nicht für immer totschweigen. „Ja“, Tian sah verlegen auf sein Frühstück das aus einer Suppe aus gekochten Früchten bestand. Rem hatte ihm das Kochen beigebracht, doch die Früchte die hier wuchsen waren andere, als die im angrenzendem Wald von Teirr. Trotzdem schmeckte die Suppe, wenn auch ein wenig bitterer als gewohnt. „Ich danke dir. Wer weiß was sonst noch passiert wäre, wenn du nicht da gewesen wärst.“ Luka nickte nur, sah Tian aber nicht an. Sie aßen wieder still weiter, bis er seine Schüssel sinken ließ. „Hast du Angst vor mir?“ „Was?“ Luka klang ehrlich überrascht, doch Tian ließ sich nicht beirren. „Hast du Angst vor mir? Sei bitte ehrlich!“ Sein Freund schwieg und sah verwirrt drein. „Nein, warum fragst du? Ich dachte wir sind Freunde.“ „Ich bin ein Monster, du hast es doch selbst gesehen Luka!“, er konnte nicht umhin aufzustehen und lief nun angeregt auf und ab. „Hinten im Wald liegt die Leiche eines Reh's! Ich habe es letzte Nacht getötet. Diese Schuppen...meine Zähne...meine Augen“, er brach kurz ab, blieb stehen um sich über die Arme zu streifen und schüttelte verzweifelt den Kopf, bevor er fortsetzte auf und ab zu gehen. „Dieser Mann von damals im Wald, als uns die Räuber überfielen, erinnerst du dich? Ich habe ihm den Hals regelrecht zerfetzt.“ „Aber das war doch nicht deine Schuld!“, warf Luka ein. „Das spielt doch keine Rolle! Ich habe es trotzdem getan. Ich bin ein Mörder. Eine Bestie. Ein...ein...“ „Ein Drache.“, unterbrach ihn Luka mit gehauchten Worten. Tian stutzte überrascht und hielt an. Die kurze Stille die darauf folgte wurde nur durch das morgendliche Trällern der kleinen Vögel unterbrochen, die zwischen den Zweigen der Weide huschten. Einige Blätter fielen herab, als der Wind sich aufbäumte. „Was hast du gerade gesagt?“, flüsterte Tian mit geweiteten Augen. „Mir ist der Gedanke heute Morgen gekommen und ich halte es für gar nicht so unwahrscheinlich nach letzter Nacht. Ich habe noch nie einen echten Drachen gesehen, aber Bilder habe ich schon gesehen und Geschichten gehört. Und in vielen wird berichtet, dass sie ihre Gestalt verändern können. Sie können aussehen wie Menschen. Verstehst du was ich...“, er verstummte. Tian stand noch immer wie versteinert da, regte sich nicht und starrte vor sich hin, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders, doch er hatte Luka ganz genau zugehört „Tian?“ Er blinzelte verwirrt und sah seinen Freund an. „Denkst du das wirklich?“ Luka nickte beklommen. „Es wäre möglich.“ „Dann...aber was wäre mit meiner Mutter? Dann wäre sie doch auch...?“ „Nimm das bitte nicht auf die falsche Schulter, aber vielleicht war sie gar nicht deine Mutter. Zumindest nicht deine richtige.“ Er setzte sich zitternd hin ohne den Blick von Luka zu nehmen. Konnte das wirklich sein? Er, ein Drache und seine Mutter, nicht seine Mutter? Zum ersten mal in seinem Leben dachte er über diese Möglichkeit nach und er dachte als erstes an das goldene Haar seiner Mutter und die honigfarbenen Augen, während er sich durch sein schwarzes Haar strich. Ja es war möglich, aber er wollte es nicht glauben, konnte es nicht glauben. Leise lachte er. Ein Drache also. Aber er musste sich Gewissheit verschaffen, er musste jemanden fragen, der sich damit auskannte und wenn es tatsächlich so sein sollte, was sollte er dann tun? Die Luft war erfüllt von wilden Gedanken und niemand sprach ein Wort, als sie ihr Lager abbrachen und das Gepäck zusammen räumten. So gut wie möglich verwischten sie ihre Spuren, bevor sie los ritten. Morn hatte der Schlaf ungemein gut getan, so trug der Ochse sie Beide mit frischer Kraft voran immer am Ufer des Flusses entlang. Hinter ihnen kamen die dunklen Wolken im Laufe des Tages immer näher und gegen Nachmittag hatte das Unwetter sie schließlich eingeholt. Trotz des leichten Nieselregens, hielten sie nicht an. -------------------------- ich habe einige neue Ideen für die nächsten Kapitel und ich bin gespannt ob es euch gefällt.... wenn ihr Anregungen, Lob, Ideen, Wünsche oder Kritik habt, dann könnt ihr mir gerne schreiben wie immer sorry für eventuelle schreibfehler, die übersehen wurde ich bin immer noch auch der Suche nach einem Beta-leser >__< Liebe Grüße Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)