Thea und Lune von Mir_Rage (Aufruhr bei den Schattenelfen) ================================================================================ Kapitel 1: Ärgernis Alltag -------------------------- Es war früher Abend in Vermonia. Die altehrwürdige Stadt leuchte im Licht der untergehenden Sonne. Die roten Ziegel der sieben Türme glänzten matt. Das Leben in den breiten Einkaufstraßen der vornehmen Oberstadt wurde von Minute zu Minute ruhiger. Schließlich schloß auch der letzte Kaufmann sein Geschäft. Und nach dem er die Tageseinnahmen nachgerechnet, die Summe ins Umsatzbuch eingetragen und sich heimlich vor Weib und Schwiegermutter aus dem Staub gemacht hatte, trafen sich die hohen Herren alle wieder inkognito in den Amüsiermeilen im Hafen. Denn dort erwachte nun das Leben und pulsierte voll Leidenschaft. Eines der beliebtesten Wirtshäuser war „Das goldene Füllhorn“ in der Zinnobergasse. Das Haus war das größte im näheren Umkreis. Im Erdgeschoß lärmten bereits die ersten Stammkunden. Aus dem Lagerhaus hinten im Hof wurden mächtige Eichenfässer in die vorderen Schankstuben gerollt. Ein Gruppe Frauen kehrten und lüfteten die Gästezimmer im ersten Stock. Eine andere wienerte eifrig die ausgetretenen Stufen, bis sie blitzten. Der ganze erste Stock war so sauber, das man von polierten Boden essen könnte. Ganz im Gegensatz zum zweiten Stock. In den wenigen Kammern stand die Luft förmlich und der Staub fingerdick auf den Möbeln. Lediglich ein Raum war sauber. In ihm schimmerte das schwache Licht zweier Kerzen. „Ich habe es satt! Ich habe es sowas von satt! Jeden Abend das selbe Theater!“ „Thea, ich kann es doch nicht ändern. Es war der einzige Job in der Stadt.“ Ein blonder Kopf kam hinter einem Paravan hervor. Die kleine Elfe blinzelte versöhnlich der anderen Frau zu. Die saß schmollend vor dem Rest eines Spiegels und versuchte ihr Sommersprossen übersätes Gesicht abzupudern. „Ich bin Priesterin, Lune! Und eine Dienerin des Herrn verdient sich nicht als Schankmaid! Das ist unter meiner Würde!“ „Aber deine Würde bezahlt leider nicht unsere Rechnungen, meine Liebe!“ „Wenn diese Gurke von Tagedieb und Schwertkämpfer mitarbeiten würden, dann ...“ „Diese Diskussion haben wir doch schon oft genug geführt. Gregory muß seinen verletzten Arm auskurieren.“ „Und das bißchen Geld, das wir über hätten, in Alkohol umsetzen. Er ist ein versoffener Liederjan wie er im Buche steht. Warum zu Kuckuck mußte ausgerechnet der uns begleiten?“ schnaubte Thea verärgert. „Ich dachte immer, gerade du glaubst an die Macht des Schicksal, Heilige Jungfrau von Oz!“ Thea gab nur ein beleidigtes Knurren von sich und widmete sich ihrer strubbeligen Lockenmähne, die sich wieder einmal nicht bändigen ließ. Lune kam kichernd hinter der spanischen Wand hervor. Das raffinierte Gewand, dass die Elfe trug, klimperte laut weil die unzähligen Silberscheibchen und Kristallperlen aneinander schlugen. „Jetzt zieh‘ doch nicht so einen Schmollmund. Das gibt nur verfrühte Falten. Und Schmollfalten sind bei weitem nicht so edel wie Denkfalten.“ flötete die Elfe vergnügt. „Laß das dämliche Süßholzgeraspel! Wenn ich mir noch länger das besoffene Gelabere da unten anhören muß, fang‘ ich auch noch das Saufen an.“ „Solange du nicht wieder eine deiner Moralpredigten in der Schankstube hältst. Das letzte Mal hätte uns der Wirt am liebsten an die Luft gesetzt.“ hielt Lune ihrer Nachbarin vor und drängelte sich vor den Spiegel um ihrer filigranen Hochsteckfrisur den letzten Schliff zu verpassen. Sie sah wieder bezaubernd aus. „Ich mußte mich entschuldigen, nur weil ich meiner Berufung folge. Oh, großer Herr und Gebieter, wie tief ist doch die irdische Welt gesunken. Wie tief bin ich gesunken.“ jammerte Thea und blickte seufzend in den Spiegel. Das Gesicht das ihr daraus entgegen blickte sprach Bände. Wenn sie so weiter machte, hatte sie sicher in ein paar Jahren das Aussehen einer überreifen Dörrpflaume. Was war die Welt doch ungerecht mit den Sterblichen! Lune würde immer frisch wie eine erblühte Blume aussehen, egal wie alt sie war. „Los mach hinne! Wir müssen nach unten! Ich hab‘ keine Lust mich wieder wegen dir anmeckern zu lassen.“ trieb die Elfe ihre Begleiterin an. „Meinetwegen! Stürzen wir uns mutig in die Schlacht, werte Gefährtin!“ Thea wälzte sich müde hin und her. Ihre innere Uhr sagte ihr, dass es halb acht war. Das Wirtshaus hatte gerade mal vor vier Stunden die Türen geschlossen und den letzten Suffkopf rausgeworfen. Vier Stunden! Und sie konnte immer noch nicht schlafen. Das ging doch mit dem Teufel zu! Verschlafen raffte sie sich auf und verließ ihr Zimmer. Vielleicht würde ja eine heiße Milch helfen. Die Küche war so eng und schmal, dass mal nur einzeln hinein bzw. hinaus kam. Thea öffnete den linken Hängeschrank und griff nach einer kleinen, tönernen Henkeltopf. Sie klemmte sich den Henkel zwischen die Zähne, stieg auf den Fenstersims und hangelte sie an der Regenrinne hinauf auf das Dach. Dort graste Zise, eine kleine schwarz- weiß gefleckte Ziege. Kauend beobachtete sie wie sich Thea in ihrem Nachhemd über die Dachkante stemmte. „Glotz nicht so blöd! Noch nie eine Priesterin gesehen?“ Zise erwiderte irgend etwas meckernd und rupfte dann weiter ungerührt Gras von dem Flachdach. Thea kniete sich hin und betet innerlich, dass das blöde Tier ihr nicht wieder den Topf um treten würde, kurz bevor sie fertig mit melken war. Doch Zise schien heute gnädig zu sein und hielt still. Jetzt kam der finale Balanceakt. Vorsichtig rutschte Thea an der Regenrinne herab, immer darauf bedacht nichts von der Milch zu verschütten. Schließlich erreichte sie wieder das Küchenfenster. „Smokey? Wo steckst du wieder, Kleiner? Kommkommkomm! Feinifeini Drache. Komm zur Mami!“ Ein schabendes Geräusch kam von unter dem Ofen. Aus dem Aschehaufen glitzerte eine schwarzes Knopf- Augenpaar. Der kleine Drache schüttelte sich und tapste auf Thea zu. „Na, hast du ausgeschlafen?“ Smokey gab einen Laut von sich, der wie eine Mischung aus Bellen und Schnattern klang. Erwartungsvoll machte er Männchen und strecke sich seinem Frauchen entgegen. „Hast wohl Hunger?“ Der kleine safrangelbe Drache nickte eifrig. Thea stellte ihre Milch auf dem wackligen Tisch ab und bückte sich nach ihrem kleinen Liebling. Smokey schmiegte sich schnurrend an ihren Hals und schnurrte wie eine Katze. Thea setzte ihn auf dem Bord ab und kehrte die Asche unter dem Rost in einen Blecheimer. Dann häufte sie Stroh an und schob Holzspäne darunter. Aus einem Sack fischte sie ein zwei Kohlestücke heraus und warf sie Smokey zu, der sie geschickt aus der Luft fing. Zufrieden zerkaute er die Kohle und fuhr sich schlabbernd mit der Zunge über‘ s Maul. „So Baby, hat’s dir geschmeckt? Wie sieht‘ s aus? Kann Mama‘ s kleiner Liebling hier Feuer machen?“ fragte Thea grinsend. Der Drache sprang von der Anrichte und setzte sich vor den Strohhaufen. Einen kurzen Augenblick hielt er den Kopf schräg, so als würde angestrengt nachdenken. Dann begann er sich langsam aufzublasen bis er aussah wie ein kleiner Ballon. Ein leises Klicken war zu hören als der Drache beide Funkenzähne aneinander schlug. Eine anderthalb Meter lange Stichflamme zügelte aus dem Drachenrachen. Smokey surrte dabei wieder auf Normalgröße zurück und blickte schwanzwedelnd zu Thea auf. Die war allerdings wenig von dem Ergebnis begeistert. Ihr Gesicht war voller schwarzem Ruß, das sie heftig unter der Nase kitzelte. „Hatschie!“ nieste sie. „Smokey, das war etwas zu kräftig! Aber wenigstens ist das Herdfeuer an.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, richtete Thea den Rost auf der Feuerstelle goß Milch in ihre Tasse und stellte sie auf. Nun hieß es nur noch warten. Müde ließ sich Thea in die Eckbank fallen. Schlaftrunken rieb sie sich die Augen und riß gähnend den Schlund auf. Ihr Kopf brummte wie ein dicker Brummkreisel. Jede Nacht das gleiche Affentheater. Die Kerle kommen, lassen sich volllaufen und spätestens ab 0:00 Uhr mußten man sie sich mit Händen und Füßen vom Hals bzw. Hintern halten. Thea schauderte allein nur bei dem Gedanken daran. »Männer! Eine Spezies nur knapp über dem Affen! Was hatte der Herr sich nur dabei gedacht, diese Pfeifen den Frauen als Gefährten zu geben. Und nur weil es hieß der Mann wäre vor Frau auf der Welt gewesen, hielten sie sich für die Größten! Woher wollten die das eigentlich so genau wissen? Vielleicht war es ja genau umgekehrt! Würde mich nicht verwundern!« Die junge Frau seufzte und dachte wehmütig an ihr Kloster oben im Norden. Wie paradiesisch erschien ihr heute das einfache Leben zischen Kirchenbank und Kuhstall! Wenn sie nur früher gewußt hätte auf welch einen Trubel sie sich einließ, als man eine Priesterin an den königlichen Hof bat. Sie hätte sich zwischen den Kühen versteckt und jede andere Aufgabe angenommen. Doch jetzt war sie gezwungen mit einer Elfe und einem mehr als zweifelhaften Subjekt, dass sich selbst als Schwertkämpfer bezeichnete, durch die Länder zu ziehen und bei etwaigen Streitereien zwischen den Völkern zu vermitteln. Und Vermitteln war dabei noch eine harmlose Untertreibung! Bei der letzte Angelegenheit hatte sie sich nur mit knapper Not unter einem Feuerstrahl hinweg hechten können, den ihr eine erzürnte Waldfee hinterher gejagt hatte. Ein gehässiges Volk wie es im Buche stand. Aber immerhin noch besser zu ertragen als ein Dutzend besoffener Kobolde. „Gott, wie ich es hasse!“ schnaubte Thea schon halb im Schlaf. „Ihnen auch einen guten Morgen, ihre priesterliche Hochwohlgeborenheit. Ausgeschlafen?“ Thea fuhr panisch in die Höhe, die Augen weit aufgerissen. „Och, hab ich dich erschreckt?“ grinste Gregory ihr entgegen. Anstelle einer Antwort schoß Thea‘ s rechte Hand vor. „Autsch!“ Gregory rieb sich die rechte Wange. „Wie oft muß ich dir eigentlich noch sagen, dass du ich es hasse wenn du dich an mich heran schleichst!“ „Keine Sorge, ich geh‘ gleich wieder. Ich wollte nur wissen, warum es aus der Küche so raucht!“ „Häh? Hör‘ auf zu spinnen. Hier raucht doch...Achdumeine... Die Milch!“ Erst jetzt bemerkte Thea den widerlichen Gestank. In der Tasse blubberte und schäumte es. Verzweifelt versuchte Thea sie von der Feuerstelle zu angeln, doch sie ließ den heißen Henkel sofort wieder los. „Verflixt und zugenäht!“ fluchte sie als sich die restliche Milch über den Boden ergoß. „Sag‘ mal, dürfen Priesterinnen eigentlich fluchen?“ erkundigte sich Gregory mit gespielter Unwissenheit. „Noch ein Wort, und du bekommst zu deinem lädierten Arm noch ‘nen gebrochen Kiefer dazu!“ schnaubte Thea wütend wie eine Furie. Knurrend und brummend schnappte sie sich den Lappen aus der Spüle und begann den Milchsee weg zu wischen. Gregory hatte es sich auf der Eckbank bequem gemacht und beobachtete amüsiert wie Thea auf dem Boden herum rutschte. ‚Verblödest Rindvieh verblödetes, am liebsten würde ich dich...‘ dachte diese grimmig und wrang den Lappen über dem Becken aus. „Morgen miteinander, warum seit ihr denn schon wach?“ Lune stand im Türrahmen, den kleinen Domino auf dem Arm. Das Baby nuckelte verschlafen am Daumen. „Unsere Chaoten- Priesterin hat so einen Rabatz gemacht, da kann ja kein Mensch mehr schlafen!“ gab Gregory von sich und konnte sich nur noch knapp unter dem Lappen wegducken, der im Tiefflug auf ihn zu kam. „Halt die Klappe, du altes Ekel!“ zischte Thea beleidigt. „Und was treibt dich in aller Herrgottsfrühe aus den Federn, verehrte Langschläferin?“ „Na, wer wohl?“ meinte Lune und wies mit dem Kopf auf den eingenickten Domino. „Gerade eben schreit er noch wie am Spieß und jetzt schläft er friedlich wie ein Lämmchen. Kinder!“ Lune zog sich einen Stuhl heran und ließ sich müde darauf fallen. Durch den Ruck erwachte das Baby wieder und begann lauthals zu schreien. „Stell‘ das Geschrei ab! Das hält mein Kopf nicht aus!“ rief Thea. Smokey, ebenfalls sehr lärmempfindlich, rannte schnatternd zu seinem Frauchen und wickelte sich um ihre Beine. „Na du, wer weint denn hier! Warum weinst du denn jetzt schon wieder. Hast doch gar keinen Grund dafür! Nein, nein, ist doch alles in Ordnung. Dududududuuduuu.“ flötete Lune engelsgleich und wiegte den Kleinen hin und her. „So wie er wieder schreit, würde ich sagen er hat Hunger!“ mutmaßte Gregory. „Was du nicht sagst, Ersatzmama!“ versetzte Thea bissig. „Ist noch Milch da?“ erkundigte sich Lune und warf einen Blick in die Runde. Thea griff nach dem Henkeltopf. „Dürfte noch für eine Flasche reichen.“ meinte die Priesterin trocken und stellte den Topf auf. „Nimmst du ihn mal kurz.“ Lune streckte Thea ihr Söhnchen entgegen. Und obwohl sie wußte, dass sie es bereuen würde, nahm die Priesterin den Kleinen auf den Arm. „Wie die heilige Jungfrau höchstpersönlich! Du solltest es dir wirklich überlegen, ob du nicht doch...“ begann Gregory feixend. „Aber bestimmt nicht mit dir!“ fuhr ihm Thea über den Mund. „Wer ist eigentlich dran auf‘ s Amt zu gehen?“ fragte Lune, die gerade dabei war die Milchflasche zu richten. „Ich war letzte Woche dran!“ wehrte Gregory energisch ab. Thea warf ihm einen giftigen Blick zu. Dieser Schmarotzer schnorrte sich hemmungslos bei ihnen durch und machte nicht den leisesten Finger krumm. Wie gern würde sie ihn einfach los werden! Aber Lune war nunmal davon überzeugt, dass sich ihr allmächtiges Feen- Orakel niemals irrte. Vielleicht war das auch der Grund, warum ausgerechnet sie zu diesem Himmelfahrtskommando gehörte. „Thea, könntest du...?“ „Meinetwegen!“ seufzte die Priesterin resignierend. „Und... einkaufen müßte man auch noch!“ fügte Lune mit verlegenem Kichern hinzu. „Aber sonst geht‘ s dir noch gut!“ wollte Thea gerade losdonnern, als Domino erst lauthals anfing zu schreien, dann heftig würgte und zu guter Letzt auch noch über Thea’ s Nachthemd reiherte. Ein betretenes Schweigen herrschte in der Küche. Gregory bemühte sich verzweifelt nicht los zu brüllen. Lune biß peinlich berührt auf ihrer Unterlippe. Thea‘ s Blick war undefinierbar. „Nimm‘ auf der Stelle deinen kleinen Hosenmatz!“ knurrte sie säuerlich. Quietschend rutschte der Stuhl nach hinten als Thea aufstand. „Und das nächste Mal warn‘ mich vor, dass dein Sohnemann mal‘ wieder an einem empfindlichen Magen leidet. Fencheltee ist in der rechten Schublade!“ „Und für dich noch ein paar Baldrian Tröpfchen?“ preßte Gregory zwischen den Zähnen hervor. „Und einen Eimer Gips für dein zu groß geratenes Schandmaul!“ fauchte die Priesterin noch, als sie die Küche verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)