Kain und Abel von harakiri ================================================================================ II. Akt: Die Trauer. -------------------- "Wir haben uns heute hier versammelt, um einer Bewohnerin unseres Dorfes, Vollführerin des traditionellen Nindō und, am wichtigsten, einer geliebten Tochter und Freundin die letzte Ehre zu erweisen." "Ich danke Ihnen, dass Sie so kurzfristig erscheinen konnten. Die aktuellen Umstände erfordern es, dass wir keine Zeit verlieren und sofort handeln…" "Haruno Sakura absolvierte die Ninjaakademie als eine der besten Schülerinnen unseres Dorfes und arbeitete hart an sich, um ihre Stärke zum Wohle Konohas und ihrer Kameraden einzusetzen." "Ich nehme an, jeder ist vertraut mit dem Tatbestand. In diesem Augenblick wird ein Mitglied unserer Gemeinschaft beerdigt…" "…gefallen durch die Hand eines Teammitglieds; verraten, obwohl alles, was sie wollte, die Rehabilitation dieser Person war." "Uchiha Sasuke hat vor zweieinhalb Jahren das Dorf aus freien Stücken verlassen und sich Orochimaru angeschlossen, der nicht nur Mörder des Sandaime-Hokages sondern auch erklärter Feind aller Ninja-Verbände der fünf Reiche ist." "In unseren Erinnerungen wird sie auf ewig weiterleben, und wir wollen nicht eher ruhen, als bis ihr Vollstrecker zur Verantwortung gezogen wurde." "Leider konnten Orochimaru und Uchiha Sasuke, sowie Orochimarus Vertrauter und Spion, Yakushi Kabuto, fliehen. Bisher ist ihr momentaner Aufenthaltsort noch unbekannt." "Was genau passierte nach Haruno-sans Tod?" Tsunade seufzte tief. "Uzumaki Naruto… Er hat die Kontrolle über den in ihm versiegelten Kyūbi verloren und Sasuke angegriffen. Dabei wurde Orochimarus Unterschlupf vollständig zerstört. Zurzeit werden die Trümmer noch nach möglichen Hinweisen auf andere Verstecke durchsucht, aber viel Hoffnung darf man sich wohl nicht machen." "Der Jinchūriki hat es also trotz der Kraft des Neunschwänzigen nicht fertig gebracht, Uchiha Sasuke zu eliminieren?" Tsunades Blick verfinsterte sich. Es war ihr ein Gräuel, dass sie diese Notfallversammlung hatte einberufen müssen, was sie davon abhielt, an dem Begräbnis ihrer Schülerin teilzunehmen und bei der die Gokeiban, Jōnin und Buntaichō anwesend waren, was ihr auch Danzōs Gegenwart nicht ersparte. Und egal, was dieser Mann über Naruto dachte oder von ihm hielt, sie mochte es ganz und gar nicht, dass er ihn vor der versammelten Gruppe wie einen Versager hinstellte. Wenn es nach ihm ginge wären sämtliche Shinobi dieses Dorfes nur noch empfindungslose Puppen, die seinem Willen gehorchten und denen die Gefühle, aus denen Naruto handelte, gleichgültig waren. Ihre Stimme nahm einen kalten Unterton an. "Erstens wissen wir nicht, welche Kraft Sasuke und Orochimaru gemeinsam aufzubringen im Stande sind und zweitens handelt es sich bei Sasuke noch immer um ein ehemaliges Teammitglied und einen Freund Narutos…" "Das sind alles Ausreden." "Was ich damit sagen will" Tsunade ließ sich nicht von Danzōs Unhöflichkeit beirren. "Was ich sagen will, ist, dass es sich um einen tiefen Bund handelt, der Naruto einmal mit Sasuke verband, und ich möchte mir gar nicht vorstellen wollen, was das für einen Konflikt in ihm ausgelöst hat." "Das ist doch sentimentales Gewäsch!" Bevor Tsunade etwas erwidern konnte legte ihr Koharu, die links von ihr saß, unter dem großen Konferenztisch eine Hand auf den Oberschenkel und warf ihr einen scharfen Blick zu. "Erläutere uns doch bitte die Umstände, die überhaupt erst zu dem Vorfall führten, Tsunade." Tsunade ballte die Hände zu Fäusten und atmete einmal tief durch, ehe sie den Anwesenden von der Mission an der Tenchi Brücke berichtete. Der Sonne schien an diesem Tag besonders fröhlich. Der Himmel war ein strahlendes Blau, bedeckt mit kleinen, weißen Schäfchenwolken – Shikamaru hätte jetzt wahrscheinlich gemütlich an seiner statt hier gelegen, würde er nicht der Beerdigung beiwohnen, wie fast alle anderen Bewohner des Dorfes, abgesehen von Tsunade baa-san und den Mitgliedern der Notversammlung. Und ihm selbst. Aber wie hätte er von Sakura endgültig Abschied nehmen können? Nachdem er sie vor Sasuke hatte liegen sehen hatte sein Verstand einfach ausgesetzt und dem Bewusstsein Kyūbis die Oberhand überlassen. Auch er wusste nur aus dem Bericht, den Tsunade von Sai und Yamato-taichō vor nur etwas mehr als einer Stunde erhielt, was passiert war. Wie er alles im Umkreis von einem halben Kilometer dem Erdboden gleichgemacht hatte. Das es nicht noch schlimmer gekommen war verdankte er ebenfalls diesen beiden, die ihn erst, nachdem Sasuke, Orochimaru und Kabuto schon längst geflohen waren, endlich stoppen konnten. Jetzt lagen beide auf der Intensivstation unter ständiger ärztlicher Behandlung, bis Tsunade vielleicht die Zeit fand, sich um ihre ärgsten Wunden zu kümmern. Naruto selbst hatte, nachdem er sein Bewusstsein wiedererlangte, seinen Körper in einem Zustand vorgefunden, der wohl einer Verwesung gleichkam – Haut und Kleidung waren vom Chakra des Bijūs vollständig verbrannt, und selbst die Regenerationsfähigkeiten des Dämons waren nicht genug, erstere ohne fremde Hilfe wiederherzustellen. So verbrachte er Stunden in den Trümmern, die einmal Orochimarus Unterschlupf gewesen waren, ohne Erinnerung, unfähig, sich zu bewegen oder auch nur die Namen seiner beiden Teammitglieder zu rufen, die nur einige Meter neben ihm in einem ähnlich geschlagenen Zustand wie er selbst gelegen hatten. Hilflos, bis sie endlich ein Suchteam Tsunades bergen konnte. Es dauerte einen ganzen Tag, bis er seine Menschlichkeit wieder fand. "Uchiha Sasuke wird mit dem heutigen Tag zum Verräter Konohagakures und des gesamten Feuerreichs erklärt. Von hier an ist es die Aufgabe Anbus, den Aufenthaltsort Sasukes sowie Orochimarus und seiner Handlanger ausfindig zu machen und selbige zu eliminieren. Ich werde es nicht zulassen, dass auch nur ein Konoha feindlich gesinnter Otonin ungestraft einen Fuß in dieses Land setzt." Sasuke… Haben wir dir denn wirklich nie etwas bedeutet? Nun kann nur noch der Tod dein Vergehen sühnen. Dafür werde ich Sorge tragen. Es vergingen drei schlaflose Nächte, bis jeder, der Naruto antraf, einem wahrhaftigen Geist zu begegnen glaubte. So wie er durch die Straßen wandelte – apathisch, mit glasigem Blick, zerzaustem Haar und knittrigen Klamotten –; alles deutete darauf hin, dass er seinen Frohsinn, seinen Enthusiasmus, den sonst so überschwänglichen Tatendrang verloren hatte. Er schien nur noch eine leere Hülle, als wäre sein Geist mit Sakuras Körper in der kalten Erde verscharrt worden. Jeden Morgen stand er noch vor Öffnung vor dem Blumengeschäft des Yamanaka-Clans und kaufte eine einzelne Rose, um sie an Sakuras Grab niederzulegen. Immer öfter ertappte er sich dabei, wie er am Haus der Harunos vorbeilief und gedankenverloren zu Sakuras Fenster hinaufblickte, bis er endlich vorbei war und sein Blick wieder zu Boden glitt. Die ersten Tage ließen sie ihn in Ruhe, doch schließlich war es Hinata, die den Anblick des gebrochenen Narutos nicht mehr ertragen konnte. Am fünften Morgen erwartete ihn die Kunoichi an Sakuras Grab, die Handflächen zum Gebet aneinandergelegt. Naruto nahm das Mädchen zuerst gar nicht wahr, doch als er sie schließlich erblickte blieb er für einen kurzen Moment stehen, unschlüssig, ob er nicht umdrehen sollte. Doch Hinata hatte ihn schon bemerkt und erhob sich. Die Hände reflexartig hinter ihrem Rücken verschränkend und den Blick gesenkt wartete sie, bis Naruto heran war, um seine obligatorische Rose niederzulegen. Er murmelte ein kurzes "Hallo", seine Blume inmitten der anderen, von der ungnädig brennenden Sonne schon größtenteils Vertrockneten in kräftigem Rot leuchtend, das sich auf Hinatas Wangen zu spiegeln schien. Sie konnte sich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen. Doch als Naruto schon wieder Anstalten machte, zu gehen, streckte sie schnell ihre Hand aus, um ihn am Ellenbogen zurückzuhalten. "Wie… wie geht es dir?" stammelte sie kaum hörbar, Naruto sofort wieder frei gebend, als sie seinen fast schon verärgerten Blick spürte. Er antwortete nicht sondern lächelte ihr nur etwas gequält zu. Er wollte seinen Weg fortsetzen, als Hinata rief: "Wenn du jemanden zum Reden brauchst –", hier aber abbrach und es selbst lächerlich fand, dass ausgerechnet sie so etwas sagte, wo sie sich doch sonst am liebsten unter einem großen Felsen verkriechen wollte, wenn er nur in ihrer Nähe war. Doch Naruto blickte sie an, als wollte er, dass sie weitersprach, und so gab sie sich einen Ruck. "W… was ich sagen will…" ihre Stimme war nur ein Piepsen und sie schien am ganzen Leib zu zittern; "Wwir sind für dich da, Naruto-kun. Wir wollen dir helfen." Unglauben spiegelte sich in Narutos Augen wider, deren üblichen Glanz die Trauer hatte matt werden lassen. "Wir wwissen einfach nicht, was wir für dich tun können" stammelte Hinata weiter – wenn auch immer noch kaum lauter als ein Flüstern –, Mut fassend, weil sie seit Tagen die erste war, die zu ihm durchdrang. Ihr war schwindelig, wie immer, wenn sie Naruto gegenüberstand. Doch dieses eine Mal würde sie nicht weglaufen. "Wir machen uns Sorgen… Naruto-kun…" Naruto zog die Augenbrauen nach oben. "Du… Du bist nicht allein mit deinem Schmerz." Wenn möglich senkte sich Hinatas Stimme noch weiter, sodass Naruto sie kaum noch verstehen konnte. "Da sind Leute, die ihn mit dir teilen wollen. Damit du nicht allein die Last zu tragen brauchst." Naruto wusste nicht, was er davon halten sollte, von der Ironie, die diesem Moment innewohnte. Er konnte sich nur zu gut an die Zeit erinnern, in der er versuchte, eben diese Aufmerksamkeit zu erlangen, die ihm jetzt entgegengebracht wurde. Nichts weiter hatte er gewollt, als jemanden, der ihn verstand, der ihm Beachtung schenkte – hatte Worte wie eben diese ersehnt, Aufrichtigkeit, vielleicht sogar Mitgefühl; und erst jetzt, da er dachte, nicht mehr weiterzukönnen und den letzten Grashalm, an den er sich all die Jahre klammerte, um seine eigene Überzeugung in seinen Ohren nicht geheuchelt klingen zu lassen – seinen Lebenssinn verloren hatte, waren sie da, diese Worte, diese Sätze, die alles für ihn waren. Nichts weiter hatte er ersehnt. Doch nicht um diesen Preis. Nach all den Jahren der Einsamkeit hatte Naruto das Gefühl, in diesem Moment so alleingelassen zu sein wie noch nie zuvor in seinem Leben. Die Versprechungen waren verlockend, die Nähe der anderen Mitglieder der Konoha 11 tröstend, doch gleichzeitig empfand er nichts dabei, denn die beiden Menschen, die einst wie die Familie für ihn waren, die er nie gehabt hatte; die Personen, die ihm am meisten bedeuteten, waren nun nicht mehr da. Sasuke hatte ihn verraten. Er war es nicht wert, weiter für ihn zu kämpfen, er war es nicht wert, auch nur einen weiteren wehmütigen Gedanken an ihn zu verschwenden; er war es nicht wert, Vergebung zu erfahren. Naruto gab Sasuke auf. Er hatte seinen eigenen Weg eingeschlagen, und wenn ihn dieser auf den Pfad eines Nukenin führte wollte Naruto sich ihm nicht in den Weg stellen. Er würde Sasuke finden. Und er würde den Verräter Konohagakures persönlich bestrafen und dabei keine Gnade zeigen. Er fühlte sich nicht danach, doch als Iruka – es musste ja irgendwann so kommen – vor seiner Tür stand und ihn mit deutlich befehlendem Unterton ins Ichiraku einlud hatte er keine andere Wahl, als seinem ehemaligen Lehrer zu folgen. Er hatte den Chūnin seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nicht mehr gesehen – als Mitglied von Tsunades Personalstab hatte Iruka derzeit kaum eine freie Minute. Die Nijū Shōtai waren abkommandiert und den Anbu zur Unterstützung unterstellt worden, weshalb nun sämtliche verbliebenen Jō- und Chūnin in neue Teams aufgeteilt und teilweise als Wachen abgestellt werden mussten, um den Schutz des Dorfes aufgrund der offensichtlichen Angreifbarkeit so gut es ging zu gewährleisten. Nur Naruto war keiner Mission zugeteilt worden. Mit wem hätte er auch gehen sollen? Kakashi war gleich nach seiner Genesung in den Dienst zurückgekehrt und die beiden Anbu würden ebenfalls von ihren Einheiten abberufen werden, sobald sie das Hospital verlassen durften. Und ohne Yamato war es viel zu gefährlich, Naruto loszuschicken. Er hatte zur Genüge gezeigt, wie unkontrollierbar die Macht des Kyūbi geworden war. Mit in den Taschen vergrabenen Händen und gesenktem Blick trottete Naruto hinter Iruka drein, um nicht die mitleidigen, in seinen Augen heuchlerischen Blicke derer, die sie passierten, sehen zu müssen. Erst, als das kleine Restaurant in Sicht kam, von dessen Dach Stoffbahnen hinabhingen, auf denen "Ichiraku Ramen" in den vertrauten großen Lettern stand, hob er wieder seinen Kopf. Wortlos stellte ihnen Teuchi einige Minuten später ihre üblichen Schüsseln Ramen hin, doch Naruto machte keine Anstalten, die dampfende Suppe anzurühren. Iruka neben ihm aß Stumm die ersten Bissen und lobte dann die Würze, die Matsu und Nishi an diesem Tag besonders gut gelungen war. Der nach Zustimmung heischende Blick des Chūnin blieb unbeantwortet. "Sie will mich nicht gehen lassen" sagte Naruto stattdessen, worauf Iruka seufzend seine Stäbchen niederlegte. "Die letzten Einheiten, die Godaime ausgeschickt hat, sind noch nicht zurückgekommen…" "Ich würde alleine gehen." Iruka seufzte erneut. "Kennst du ihr Versteck, Iruka?" Irukas Blick wurde ernst. "Du würdest ihn mir sowieso nicht verraten…" Naruto nickte verstehend. "Dann werde ich wohl noch einmal zu Tsunade baa-chan gehen müssen." "Sie wird dir darauf keine Antwort geben." "Aber weiß sie es?" "Anbu hat es heute Morgen entdeckt." Naruto starrte stumm auf seine Nudeln, während Iruka sich fragte, was er da nur gerade getan hatte. Naruto hätte das nicht erfahren sollen. "Wo willst du hin?" fragte der Chūnin alarmiert, als der Junge plötzlich aufsprang, und seine Stimme spiegelte Besorgnis wider. Doch Naruto ging ohne ein weiteres Wort, ehe Iruka auch nur seinen Geldbeutel hastig genug hervorgezogen hatte, um für das Essen zu bezahlen. Als er endlich auf die Straße trat war Naruto schon nicht mehr zu sehen. Müde rieb sich Kakashi die Augen. Seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus kurz nach dem Desaster, das zu Sakuras Tod führte, war er ununterbrochen unterwegs – als Mitglied der Nijū Shōtai und nicht zuletzt vorübergehender Gruppenführer von Team 8, war Kurenai doch ob ihrer besonderen Umstände aus dem Dienst genommen worden. Momentan war die Zukunft des ehemaligen Team Kakashi ungewiss: es lastete schwer auf ihm, dass er Naruto seit dessen Rückkehr von der letzten Mission nicht mehr gesehen hatte. Gerade in dieser Zeit hätte er seiner Unterstützung bedurft, doch sein Rang als Jōnin machte ihn derzeit unentbehrlich. Er ließ sich Zeit mit seinem Weg zum Haus der Hokage. Um ihn herum herrschte ein reges Treiben – unzählige Ninja waren unterwegs, um Berichte abzugeben, Teamsitzungen beizuwohnen oder ihre nächsten Aufträge auszuführen. Kakashi grüßte den ein oder anderen mit einem Nicken, nicht in der Stimmung, ein Gespräch anzufangen. Es war grausam, wie sich das Schicksal wiederholte: erst Obito und Rin, nun Sasuke und Sakura… Manchmal fragte Kakashi sich, ob er einen Fehler begangen hatte, die Drei zu seinen Schülern zu machen. Sie waren seine ersten Schüler gewesen. Sie würden seine letzten sein. Ein Aufruhr erregte seine Aufmerksamkeit. Vor ihm drehten sich die Passanten um und sprangen aus dem Weg, um Iruka Platz zu machen, der wie von Sinnen die Straße entlang rannte. Der Chūnin kam zu einem abrupten Halt, als er Kakashi sah, und blieb schwer atmend vor ihm stehen. "Ich habe einen großen Fehler begangen" presste er mit gehetzter Stimme zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor. Kakashi sah ihn stirnrunzelnd an. "Inwiefern?" "Er hat mich nach dem Aufenthaltsort Orochimarus gefragt." Iruka hatte Mühe, die Worte verständlich zu artikulieren. Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben und drohte, ihn zu überwältigen. "Ich sagte ihm, Anbu hätte die Spur aufgenommen… Dann ist er verschwunden und ich habe ihn nirgendwo finden können – Ich glaube, dass er nicht einmal mehr in Konoha ist!" Iruka wollte schon wieder lossprinten, als Kakashi ihn an der Schulter packte und mit sanfter Gewalt zurückhielt. "Du gehst nirgendwo hin, bevor du nicht wieder bei Sinnen bist!" Einige Dorfbewohner warfen ihnen neugierige Blicke zu, weshalb Kakashi den Chūnin kurzerhand etwas zur Seite zog. "Du drehst ja vollkommen durch" stellte er in nüchternem Tonfall fest, seinen typischen, unbeeindruckten Blick aufsetzend. Bevor Iruka noch etwas sagen konnte, fuhr er fort: "Es ist Narutos freie Entscheidung, was er tut. Du führst dich auf, als sei er noch ein kleines Kind, das nicht weiß, was gut für es ist." Tatsächlich glaubte das Kakashi selbst manchmal, doch das würde er Iruka sicherlich nicht in dessen gegenwärtiger Verfassung gestehen. Es war besser, wenn er sich selbst darum kümmerte. "Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ihm etwas zustößt" murmelte Iruka, eine Hand vors Gesicht geschlagen. Sein Atem beruhigte sich langsam, doch der Schmerz in seiner Brust blieb. Sasukes Verrat und Sakuras Tod hatten in ihm Ängste geweckt, mit denen er sich zuvor nur selten auseinandergesetzt hatte. "Er ist ein Shinobi, ihm kann in jeder Mission etwas zustoßen" erwiderte Kakashi pragmatisch. "Ich weiß doch…" "Du fühlst dich noch immer für ihn verantwortlich." Kakashi wusste, dass Iruka sich selbst in Naruto sah, wusste um seine väterlichen Instinkte, die er selbst zu Spüren bekam, als er sein Team vor drei Jahren für die Chūnin-Prüfung vorschlug und in dem ehemaligen Ausbilder seiner Schützlinge einen Sturm der Empörung auslöste. Iruka ging so in seiner Rolle des Vormundes und engstem Vertrauten Narutos auf, dass er vergaß, dass Naruto nicht mehr der kleine elternlose Junge war, der seiner Hilfe bedurfte. Naruto wusste, dass er jederzeit mit allen Problemen zu Iruka gehen konnte, doch er war nun einmal ohne Vater aufgewachsen und empfand eine solche Bevormundung als Last, weshalb es ihm auch so schwer viel, Befehle entgegenzunehmen – und wer konnte es ihm schon verübeln? Seine Situation hatte ihn schneller erwachsen werden lassen, als es die Leute in seinem Umfeld zugeben wollten, und Kakashi wusste es besser, als sich von Narutos sorglosem und stürmischem Charakter blenden zu lassen. "Du solltest seine Beweggründe doch verstehen können" sagte Kakashi, als Iruka nicht auf seine Worte reagierte. "Es geht nicht einfach nur um Rache; es ist ein Kampf um Ehre, um Sühne. Sasuke hat die wohl unverzeihlichste Sünde begangen, die es für Naruto gibt: Er hat sein Vertrauen missbraucht und ihn selbst so dazu gebracht, sein Versprechen brechen zu müssen. Sakuras Tod hat für sie beide eine weitaus größere Bedeutung, als du im Stande scheinst, zu sehen. Er wird nicht zulassen, dass Sasuke ungestraft davon kommt." Iruka seufzte tief, all seine Resignation zum Ausdruck bringend. "Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern" versprach Kakashi. Er mochte zwar entschlossen sein, Iruka nicht in Schuldgefühlen untergehen zu lassen, doch er erkannte sehr wohl den Ernst der Situation. Schon Sasuke hatte er den Rachegedanken nicht austreiben können. Es war fraglich, ob er bei Naruto mehr Glück haben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)