Kaizoku no Baroque von Alma (II. Der salzige Wind der See) ================================================================================ Kapitel 16: Das Ende einer Reise -------------------------------- Robin schluckte den Schmerz, die Wut und auch alles andere, was in ihrem Kopf und in ihrem Herzen in diesen Augenblicken von statten ging. Jeder Blick, jedes Wort, diese Aura erinnerte sie an etwas, ließ Alarmglocken in ihr klingeln, aber auch das presste sie unter ihre harte Schale, bis sie es kaum noch erreichen konnte. Crocodile spielte gerade keine Rolle. Es ging in diesem Moment um das kleine Mädchen, dem sie sich angenommen hatte, als sie vor fast zwei Jahren in ihr Büro geplatzt war. Sie würde diese Insel nicht verlassen, ehe sie diese Baustelle beendet hatte, nicht ehe sie wusste, dass Iroko es überstehen konnte. Sie wollte nicht, dass das Kind so endete, wie sie selbst, wie Crocodile. Sie war ihm ja jetzt schon viel zu ähnlich. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sie am Ende der Stadt zwischen ein paar Betrunkenen erkannte. Die armen Seelen versuchten ihr Glück bei dieser Frau, die noch immer so wirkte, als würde sie nichts und niemanden wahrnehmen. Robin holte schnell auf und zog Iroko von den Fremden weiter nach vorn. Erst als sie fast den Wald erreicht hatten, schlug Iroko Robin mit einem Mal die Hand vom Arm und diesmal sah man, wie das Chaos über ihre Augen raste. Ihre Brust hob und senkte sich rapide und ihr Körper zitterte. Als Robin zum Sprechen ansetzte, flog ihr Kopf heftig nach hinten und sie torkelte einige Schritte zurück. Ihre Wange schmerzte, brannte wie Feuer und sie hielt sich den Kiefer. Iroko hatte ihr eine heftige Backpfeife verpasst und brüllte sie nun an. »WAS GLAUBST DU EIGENTLICH WER DU BIST?! WAS FÄLLT DIR EIN?« Es trieb Robin fast Tränen in die Augen, aber sie hielt Stand, musste einfach Stand halten. Sie konnte es sich nicht leisten noch einmal weich zu werden, es konnte ihr Tod sein. Das bestätigte ihr auch ihr rasendes Herz und die Schmerzen in ihren Armen, die wohl niemals völlig verschwinden würden, für immer eine Mahnung an ihren Verrat. »Ich denke, ich habe dir viel Schmerz erspart.« entgegnete sie ruhig. »SCHMERZ? Was weißt DU denn wirklich von MEINEM Schmerz? Du bildest dir ein, weil du gesehen hast, was mir passiert ist, weil du gespürt hast, was ich gespürt habe, dass du deswegen meinen Vater umbringen kannst? Dass du das Recht hast mir zu sagen was Richtig und Falsch für mich ist?« »Ja, das denke ich.« kam es gewollt gelassen. Es trieb Iroko beinahe in eine Raserei und das Knurren war nur eine Warnung. »Ach ja? Und wie kommst du dazu?« Robins Augen streiften über den fremden Körper mit dem so bekannten Geist. »Weil es genau das ist, was deine Mutter gewollt hätte. Und das weißt du auch.« Gerade wollte sie ihr etwas entgegnen, als ihr Tränen kamen. Robin sprach einfach weiter. »Deinen Vater zu töten war vielleicht dein Ziel Iroko, aber es war nie das Wich-tigste in deinem Leben. Du hast vielleicht oft daran gedacht, aber andere Dinge haben manchmal davor gestanden, den Platz eingenommen und ab und zu hast du es sogar vergessen. Vergessen, weil du glücklich warst. Hattest du ein schlechtes Gewissen deswegen? Weil du glücklich warst und meinst, es nicht zu verdienen? Weil deine Mutter und deine Geschwister tot sind? Und du leben musstest? Iroko...« Ihr Blick wurde nun doch etwas sanfter, aber nicht sehr. »Ich weiß wie du dich fühlst. Es ist schrecklich schwer diese Last zu tragen. Zu wissen, dass du die Letzte bist, aber glaub mir, Mord war noch nie die richtige Lösung. Ich weiß, was deine Mutter gewollt hätte, weil sie dich geliebt hat und ich dich auch lieb habe. Und ich will nicht, dass du leidest, ich will nicht, dass du so viel Tod sehen musst, dass du selbst tötest. Dass du hasst und dem Wahnsinn verfällst. Es zerstört dich und es macht dich unglücklich. Deswegen habe ich ihn getötet. Weil ich weiß, dass weder du noch Crocodile diese Last ewig tragen könnt.« Erschrocken starrte die nunmehr junge Frau zu ihr auf und schluckte hart. »Du hättest mich nicht aufhalten dürfen. Ich wollte es sehen, ich wollte es wirklich sehen.« Robin nickte. »Ich weiß, aber willst du auch die Albträume? Du träumst auch jetzt noch von deiner Mutter, nicht? Von Fujiko, von Kaji? Von dem Tag, an dem dein Vater dich durch das Haus jagte und du zum ersten Mal in deinem Leben vor dem Tod weglaufen musstest? Willst du noch mehr dazu haben? Immer wieder sehen, wie er leidet? Er war nicht immer ein schlechter Vater, oder? Er hat dich geliebt und du ihn. Vielleicht war der Tod eine gerechte Strafe für ihn, aber nicht durch Folter oder Leid. Mit einer ebenso grausamen Tat verschwindet die Sünde nicht, Iroko. Im Gegenteil. Mach dich nicht der gleichen Taten schuldig, wie dein Vater. Du bist stärker, als das.« Schniefend ging das Mädchen in die Knie und versuchte sich die kommenden Tränen aus dem Gesicht zu wi-schen, aber eigentlich war es sinnlos. Weiter und weiter kullerte das salzige Wasser ihre Wangen hinab und be-netzte ihren Hals, ihre Hände. Alles rollte plötzlich über ihr zusammen und sie wollte sterben. In diesem Moment wollte sie wirklich sterben, von ihrer Mutter in den Arm genommen werden, Fujikos Hände, die ihr durchs Haar streichelten und Kajis fröhliches Lachen. Und mit einem Mal geschah es. Sie hatte die Augen fest zusammen gepresst, als sie es spürte. Spürte, wie ihre Arme sie umschlungen, wie ihre Hände durch ihr nasses Haar glitten und sie sie an ihre weiche, warme Brust drückte, eng an sich presste und immer weiter streichelte. Und je länger das anhielt, desto lauter weinte sie, desto heftiger kamen die Tränen und desto fester krallte sie sich nun an diese Person, die ihr so viel Wärme spendete, wie sie seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Robin hielt sie fest an sich und ließ Iroko sich ausweinen. Diesmal ließ sie sie nicht eher los, ehe sie damit fertig geworden war. Sie wusste was Iroko jetzt brauchte und sie wollte es ihr geben. Ein bisschen Liebe in einer düsteren Welt. Sie küsste sie auf die Stirn und wiegte sie leicht vor und zurück und selbst als das Weinen schon nachgelassen hatte, schaukelte sie sie weiter. Iroko wurde fast müde dabei. Sie war so ausgelaugt, aber sie fühlte sich etwas besser. Auch wenn sie noch immer wütend und traurig war. Irgendwann drückte sie sich etwas von Robin weg und versuchte einen Anker in diesen Augen zu suchen. Es fiel ihr schwer Robin anzusehen, denn diese Augen erinnerten sie sehr an ihren Vater. Aber an eine andere, weichere Version von ihm. Die Version, die sie geliebt hatte. »Robin... warum bist du... noch hier?« Das brachte ihr älteres Gegenüber zum lächeln. »Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe dich lieb. Du hast die Crew verlassen und letztendlich bekommen, was du wolltest. Aber das heißt ja nicht, dass ich dich nicht trotzdem mag.« Sie glitt ihr weiter durch das lange Haar und spielte mit einer Strähne. »Du bist so hübsch Iroko. Wie kommt es, dass du so gewachsen bist? Hast du irgendeine Idee?« Nachdenklich, nicht ganz bei der Sache, suchte sie noch mehr sich von Robin zu entfernen und das wilde Schlagen ihres Herzens zu ignorieren. Sie wollte weiter böse auf sie sein, sie wollte sie hassen, sie schlagen, aber stattdessen schlug ihr Puls so hart gegen ihre Schläfen, dass ihr schwindelig wurde. »Ich weiß es nicht. Ich vermute aber, dass mein Großvater damit zu tun hat. Auch wenn ich nicht weiß, wie er das gemacht hat.« »Dein Opa? Lebt er noch hier auf Toshi-o-Toru?« Ein Nicken kam zur Antwort, brachte Robin dazu sich aufzurichten und Iroko mit hinauf zu ziehen. Sie waren nun beide matschig und nass, aber das störte keine der Frauen in diesem Augenblick. »Dann sollten wir ihn aufsuchen. Du weißt wo er ist, nicht wahr?« Erneutes Nicken, dann regte sich das Mädchen endlich. »Willst du mich etwa begleiten?« »Warum nicht? Die Minerva legt nicht ab bis morgen früh. Solange wollte ich bei dir bleiben.« Das konnte Iroko nicht verstehen, sie wollte nachfragen, wissen, was Robin damit meinte, doch etwas hielt sie davon ab. Schmerz. Der gleiche Schmerz, der sie in eine Erwachsene verwandelt hatte übernahm all ihre Sinne und zwang sie erneut in die Knie. Robin war sofort bei ihr und hielt sie fest und so schnell der Schmerz gekom-men war, war er auch wieder verschwunden; zumindest ein Teil davon entließ Iroko aus seinen Fängen. Doch ihre Beine und Arme brannten und ihr Kopf dröhnte. Ihr Körper fühlte sich schwach, noch ausgelaugter als zuvor. Sie konnte kaum stehen und nun drehte sich ihr Kopf wirklich, fuhr eine wilde Achterbahn und fast hätte sie sich in den nächsten Busch übergeben, wenn da nicht Robin gewesen wäre, sie festzuhalten. Als der Schreckmoment vorbei war, drückte Iroko sich nach vorn, Robin noch immer ihre Stütze. Besser sie fanden ihn schnell, den Alten, wie Amery ihn genannt hatte. Hitsuyo Sakataki. Eine ganze Weile wanderten sie so durch den Wald. Iroko war noch immer eher wackelig auf den Beinen, ließ sich den Großteil des Weges von Robin stützen. Trotz der Schmerzen sagte sie kein Wort, sah Robin nicht einmal an, so dass sie keine Ahnung hatte, was in dem Mädchen vor sich ging. Iroko führte sie beide erneut durch das Grün, dass wie in ihrem Traum schimmerte und den erneut einsetzenden Regen auf den Blättern glitzern ließ. Der Weg war nicht so steil wie zuvor, aber durch den Matsch und das nasse Falllaub schwierig zu passieren. Dazu kam, dass beide selbst auch ziemlich durchnässt waren. Sie spendeten sich gegenseitig etwas Wärme, dennoch zitterten sie wie die dünnen Äste über ihren Köpfen. Es wurde immer dunkler um sie herum und das Donnern erinnerte Robin immer wieder an einen alten Albtraum, der sie Nacht für Nacht aus der Ruhe riss und an ihre Schwächen erinnerte. Nur wenig Licht fiel jetzt noch durch das Blätterdach. Über allem blieb nur das ewige Grün, wie der Wächter über dem Tor zur Unterwelt. Tatsächlich konnte man sich den antiken Fluss Stynx vorstellen, wie er in der Nähe plätscherte, die toten Seelen von Charon geleitet in den Hades trug. Der Wald sprach zu der Archäologin in ihr, noch immer, als wäre Irokos Schicksal nicht das Einzige gegen das er sie hatte warnen wollen. Etwas Mystisches war Teil dieser Insel. Hatte sie sich über die Jahre mit Gier, Unglück und Schmerz aufgeladen und war, was Robin spürte, wirklich gespeicherte Erinnerungen? Fast wäre sie versucht gewesen ihre Gedanken dazu auszusprechen, Iroko zu fragen, ob es hier schon immer so gewesen war oder sogar den Geist zu fragen, aber sie ließ es schließlich doch sein. Für eine ganze Weile führte Iroko sie tiefer und tiefer in diese grüne Hölle, weit weg vom Tal in dem das Haus stand, bis es mit einem Mal lichter wurde. Sie hatte schon ewig keine Vögel mehr gehört, aber jetzt vernahm Robin ein seltsames Grölen in der Ferne. Es klang fast wie ein „Wääääöööb“. Neugierig spitzte sie die Ohren um mehr zu hören, aber schnell wurde das Geräusch wieder leiser und ließ sie etwas ratlos zurück. Scheinbar war das auch Iroko aufgefallen. »Das sind Flugdaikos. Mein Großvater züchtet und trainiert sie.« Robin wollte nachfragen, was denn Daikos sein mochten, hatte sie den Begriff doch noch nie gehört, doch Iroko ließ ihr keine Zeit diese Frage zu stellen, hielt plötzlich an. »Wir sind da.« Vor sich sah Robin... nichts. Genau die gleiche gefüllte Leere. Der einzige Unterschied waren die Bäume. Sie standen hier um einiges enger; die Stämme fast dreimal so dick wie all die anderen, die sie bisher auf Toshi-o-Toru gesehen hatten. Iroko machte sich von ihr frei und stolperte nach vorn, klammerte sich an seinen dieser breiten Stämme und klopfte gegen die raue Borke. Es dauerte eine Minute, in der sowohl Robin, als auch Iroko auf die von kleinen Pilzen befallene Baumkruste starrten. Robin hatte nicht einmal eine Idee auf was Iroko eigentlich wartete, als plötzlich eine Tür aufschwang. Mitten im Stamm presste sich ein Teil der Borke nach vorn, bis sie zurück in den Stamm gezogen wurde. Der Mechanismus einer Geheimtür. Dahinter brannte Licht und Robin erkannte eine Wendeltreppe, die sich ihren Weg innerhalb des Baumes nach oben bahnte. Angetan und wissensdurstig trat Robin näher und fuhr vorsichtig über die Stelle, gegen die Iroko geklopft hatte. Sie spürte, dass das Holz ganz sachte unter ihren Fingern nachgab. Ein Knopf. Iroko sagte nichts, wackelte in den Stamm und begann ihren Anstieg, dicht gefolgt von einer weiterhin überraschten Robin, die kaum erwarten konnte mehr zu sehen, kaum erwarten konnte, ihren Kopf mit anderen, schöneren Dingen zu füllen. Fast eine kleine Ewigkeit führte sie die Treppe weiter hinauf zum Dach des Baumes. Robin war wirklich beeindruckt von der Konstruktion. Sie hatte noch nicht herausfinden können woher das weiche, orange Licht stammte, das ihnen den Weg wies, aber sie vermutete, dass es mit Colour Trap zusammen hing. Irokos Großvater war ein Großmeister auf diesem Gebiet. Die Fähigkeiten, die Iroko besaß waren lediglich rudimentär; selbst jetzt noch in diesem unnatürlichen Alter. Robin war wirklich gespannt auf diesen Mann. Am Ende der Treppe hing eine Falltür über ihren Köpfen, die Iroko mühelos aufdrückte und sie beide ins Freie entließ. Sie standen auf einer riesigen Plattform aus breiten Holzdielen, die sich in einem weiten Halbkreis über die Kronen von drei Bäumen erstreckte, diese zusammen schloss, aber ohne die Stämme weiter zu beschädigen. Auch hier war Robin nicht ganz klar, wie diese Konstruktion sich der Gravitation widersetzte. Scheinbar gab es irgendwelche Befestigungen außerhalb ihres Sichtfeldes. Aufmerksam sah sie sich weiter um. Die Plattform war hier und da unterbrochen, durch Hängebrücken verbunden und führte auf der einen Seite zu einem großen Strandhaus und auf der anderen Seite zu einem ebenfalls recht großen Wintergarten. Aus der Entfernung erkannte Robin Gemälde, große Leinwände. Ein Atelier, schoss es ihr durch den Kopf. Iroko marschierte geradewegs auf das Haus zu, das ebenfalls mit Holz ausgekleidet war. Der Stil erinnerte wirklich an ein Strandhaus; eine breite Veranda auf die eine kleine Treppe führte. Vor der Tür hang ein Fliegengitter. Offen schwang es in der leichten Brise und der Regen tropfte klirrend von der Kante. Vier Windspiele sangen ihr Lied, eines größer als das andere und alle aus Holz. Die Fenster waren gewaltig, man konnte fast den ganzen Innenraum sehen, ohne das Haus überhaupt zu betreten. Iroko hielt nicht an, um zu klopfen, zog einfach die Tür auf und trat brüsk in das Gebäude ein. Nur einen kleinen Moment betrachtete Robin das braune, mahagonifarbene Holz, strich über die raue Oberfläche und folgte dem Mädchen schließlich in ihr Zuhause. Kaum nahm sie die ersten Konturen wahr, hörte sie eine tiefe, männliche Stimme in der kein bisschen Überraschung steckte, die Robin eigentlich erwartet hatte. Der Flur führte direkt in ein Wohnzimmer, in dessen Mitte Iroko stand und mit drohendem Finger auf einen großen Mann zeigte. Ihr Blick sprühte aggressiv. »Was hast du mit mir gemacht?!« Die Augen des Mannes waren weich, schienen glücklich das Mädchen zu sehen. Seine Stimme war gelassen und freundlich. »Ich kann's kaum glauben. Es hat also wirklich funktioniert! Awww, du siehst deiner Mutter so ähnlich.« Darauf knurrte Iroko nur, wandte sich noch einmal an Robin. »Du kannst gehen.« Sie zögerte, ehe sie hinter einer Tür weiter ins Inne verschwand, die Stimme kaum noch zu vernehmen. »...Danke.« Der Mann vor Robin seufzte leicht, als die Tür zuknallte. »Entschuldige. Eigentlich hat sie bessere Manie-ren.« Er grinste und kam auf sie zu, die Hand ausgestreckt um Robins zu schütteln. »Du musst Robin sein. Ich bin Sakataki.« Die schwarzhaarige Frau griff nach der riesigen Hand und versuchte hinter das Lächeln zu blicken, doch es war genuin. Sakataki machte ihr nichts vor, er freute sich wirklich sie kennen zu lernen. Er war ziemlich groß, größer als Crocodile, vielleicht in etwa Mikis Statur was die Höhe betraf. Aber anders als der Baseballspieler war er schlank, dünn, mit straffen Gliedern. Man sah es ihm vielleicht nicht sofort an, aber sie ahnte, dass er einiges an Körperkraft verbarg. Er trug sein Haupthaar kurz, weiß und ein langer Bart zierte seinen gesamten Kiefer. Tatsächlich war das Haar so lang, dass es ihm bis zum Bauch reichte. Offenbar war dieser Mann leicht exzentrisch, denn er trug den Bart in zwei geflochtenen Zöpfen. Die Kleidung war dagegen unscheinbar und man achtete gar nicht darauf, vor allem nicht, wenn man ihm in die Augen sah. Bodenlose Löcher, fast schwarze Pupillen, in denen dennoch eine Wärme lag, dass Robin am liebsten geseufzt hätte. Er erinnerte sie sehr an Professor Kleeblatt. Außerdem hatte er ein kleines Grübchen auf der linken Wange, wenn er so lächelte und ein Muttermal über dem rechten Auge; genau wie Iroko. Sakataki trat etwas zur Seite, um Robin in den Raum hinein zu bitten. Ohne Worte kam sie näher und betrachtete das Zimmer. Es war das reinste Chaos. An den Wänden hangen Bilder, massenweise Regale und Pflanzentöpfe. Es roch angenehm frisch, aber sie konnte nicht ausmachen, was es genau war. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer bunter Teppich und direkt dazu eine Couch, ebenfalls ziemlich bunt. Neben einem Fenster und einem Kamin sah Robin nur noch Bücher. Oh, so viele Bücher! Da konnte Crocodile wirklich nicht mithalten. Der Gedanke an ihn brachte sie schnell zurück in die Realität und sie musste sich schütteln um bei der Sache zu bleiben. Vorsichtig trat sie über ein paar Stapel und sah, dass er offenbar noch mehr sammelte. Zeitschriften, Zeitungen; überall flogen Zeichnungen durch die Gegend. Als Sakataki ihren prüfenden Blick bemerkte, gurgelte er fröhlich und kratzte sich am Kopf. »He, entschuldige die Unordnung. Ich nehme es mir jeden Tag vor, aber irgendwie bekomme ich es nie hin mal aufzuräumen.« Als sie nichts darauf erwiderte, trat er wieder an ihr vorbei und setzte sich in einen Sessel, ebenso bunt wie das Sofa und bedeutete ihr sich zu setzten. Sie kam dem nach und begann sich zu fragen, wie alt Sakataki wohl sein mochte. Amery war nicht älter als vierzig gewesen und aus ihrer Erinnerung wusste sie, dass Miu im selben Alter wie ihr Mann gewesen war. Also wie alt war Mius Vater? Es war schwer zu raten. Einerseits konnte man die unzähligen Falten durchaus als Symbol für einen über 80-Jährigen nehmen, andererseits wirkte Sakataki unheimlich vital. Schmunzelnd lehnte er sich zurück und sah die Frau vor sich ganz genau an. »Ich hätte nie gedacht, dass ich dir einmal begegne. Iroko hat mir ja viel über euch erzählt, auch wenn sie nicht so oft geschrieben hat, wie es abgemacht war.« Bei der Überraschung in Robins Augen lachte er nur und winkte ab. »Oh, keine Sorge. Euer Geheimnis ist völlig sicher in meinen Händen. Ich würde doch nie Irokos Freunde verraten.« Robins Miene blieb skeptisch. »Ich habe zudem keinen Grund mich in euer Leben einzumischen.« Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr direkt in die Seele blicken konnte, also wand sie den Blick etwas ab und schaute aus dem überdimensionalen Fenster. »Es ist also Ihnen zu verdanken, dass Iroko so gewachsen ist?« »Ja. Ich nehme an du bist mit Colour Trap vertraut?« Robin nickte, was Sakataki wieder zum schmunzeln brachte. Die Art und Weise, wie diese Frau sich hielt, wie sie sprach... es wunderte ihn nicht, dass Iroko sie so gern hatte. »Ja, genau kann ich es gar nicht erklären. Ich experimentiere öfter und... « Robin unterbrach ihn plötzlich. »...und Sie haben Ihre Enkelin als Versuchskaninchen missbraucht?« »Nein, nicht direkt zumindest. Als Iroko damals mit knapp sieben Jahren die Insel verließ und sich von mir nicht abhalten lassen wollte, wusste ich, dass sie eines Tages zurück kehren würde, zurück kommen würde zu ihrem Vater. Das allerdings viel zu früh,. Ich musste etwas tun, um sie irgendwie stärker zu machen.« Er geriet etwas ins Schwärmen. »Sie ist so viel talentierter, als ihre Mutter. Ich wusste, in ein paar Jahren wäre sie ein Meister und in der Lage ihrem Vater entgegen zu treten. Aber sie hat keine Geduld, wenn es um ihre Fähigkeiten geht.« »Also haben Sie sie älter gemacht?« Er nickte ihr zu. »Ich nehme an, er ist tot?« »Ja.« Kam es knapp und fast vorwurfsvoll von der Piratin. Sein Blick wurde ernster, fast schmerzvoll. »Hat sie...?« »Nein. Ich habe ihn getötet. Ich konnte es nicht mit ansehen.« Beide schwiegen dazu. Eine ganze Weile verging und Robin konnte hören, wie im Nebenraum das Brausen einer Dusche erklang. Durch diese Stille drang irgendwann erneut Sakatakis Stimme. »Ich bin dir und Sir Crocodile sehr dankbar. Iroko hat mir erzählt, dass es nicht leicht war bei euch Mitglied zu werden. Und nein, bevor du fragst, sie hat mir nicht gesagt, wer ihr seid. Es hieß immer nur „Miss Allsunday“ und „Mister Zero“, aber irgendwann konnte ich die nötigen Schlüsse aus ihren Briefen ziehen, wie gesagt, ich schulde euch etwas. Es mag nicht das Beste für sie gewesen sein, aber dort, also bei euch, bei dir wusste ich sie sicher.« Robin starrte ihn entsetzt an. »Sind Sie verrückt? Bei mir? Wie können Sie das behaupten, wenn Sie wissen wer ich bin?« »Hahaha, ich habe eine ausgeprägte Menschenkenntnis. Außerdem komme ich ursprünglich von einer Insel, die mit Ohara befreundet war. Ich bin ganz gut vertraut mit deiner Geschichte. Vielleicht bist du gefährlich was die Regierung anbelangt, aber das war nie das Problem. Menschlich gesehen habe ich mir mehr Sorgen um meine Kleine gemacht. Aber bei einer Frau, die all das überlebt hat und so geblieben ist, wie sie immer war, dass ist der richtige Umgang für Iroko.« »Wir sind Piraten!« Erneut lachte er. »Oh, ich weiß. Iroko war schon immer ein Freigeist. Unmöglich sie einzusperren oder ihr Regeln aufzuerlegen. Irgendwie konnte ich mir schon immer denken, dass sie mal Pirat wird.« Verdutzt starrte sie ihn erneut an, bis sie endlich ihre Beherrschung zurück gewann. Irokos Großvater war wirklich verrückt. »Ich danke dir, dass du sie vor diesem Fehler bewahrt hast. Es hätte sie über kurz oder lang zerstört. Sie hat ihren Vater immer sehr geliebt. Als das Monster in ihm ausbrach und meine Tochter und Enkel tötete, war es nur eine Frage der Zeit, bis Iroko sich rächen würde. Liebe schlägt so schnell in Hass um.« Sein Blick war wieder schmerzverzerrt und für einen Moment stockte sein Atem. »Warum haben Sie ihn nicht...?« »Getötet? Ich bin Pazifist. Ich bin schon ein paar Jahre unterwegs und ich habe einiges gelernt. Eines davon war, dass Hass nur noch mehr Hass produziert.« Er schien wieder abzudriften. »Oh, ich habe diesem Mann vertraut, ihm meine Tochter gegeben und er hat mir drei wundervolle Enkel geschenkt. Als er durchdrehte, habe ich mir mehr als einmal vorgestellt, ihm eigenhändig den Gar auszumachen, aber...« Wieder seufzte er. »…das ist einfach nicht richtig. Das macht mich letztendlich nicht besser, als ihn. Ich richte nicht über euch, die, die ihr einen anderen Weg eingeschlagen habt, aber ich wollte immer diesen Schmerz für Iroko vermeiden. Und jetzt, wo es vorbei ist, kann ich nur hoffen, dass sie es irgendwann einmal verarbeiten kann.« Als Robin nicht darauf reagiert, setzte er weiter hinzu. »Sie war glücklich bei euch. Sie hat mir nicht genau erklärt, was vor ein paar Monaten passiert ist, aber ich konnte aus ihren Briefen durchaus herauslesen, dass sie sich von euch, vor allem von dir entfernt hat. Was auch immer sie gehofft hatte bei euch zu finden, sie hat es nicht bekommen.« Er legte die Arme auf sie Sessellehne, überschlug die Beine, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. »Ich weiß nicht, was euer Ziel war, aber es hat sie schwer getroffen. Viel Hoffnung lag darin.« Robin konnte ihn nicht ansehen, zu sehr plagte sie ihr schlechtes Gewissen. Dann lachte er plötzlich. »Ach ja, sie wird mich sicherlich nachher noch anschreien. Sie hasst es, wenn ich mich in ihr Leben einmische.« » Das erinnert mich an etwas.« warf Robin wieder ein. »Sie litt unter starken Schmerzen.« »Hm ja. So etwas konnte ich mir schon denken. Überraschen tut es mich zumindest nicht. Es kann auch kaum schmerzfrei von statten gehen, wenn der Körper von einem Moment zum nächsten wächst und das auf so unnatürliche Weise.« »Sie meinen, sie ist wirklich gewachsen?« Er warf ihr ein schelmisches Grinsen zu. »Na eigentlich nicht. Es gehört eher in die Illusions-Kategorie. Aber das heißt nicht, dass es nicht echt ist.« Irritiert schaute sie ihn an, was sein Kichern verschlimmerte. »Hehehe, es wundert mich nicht, dass du es nicht verstehst. Colour Trap wirkt auf den ersten Blick so simpel, dabei ist es hochkompliziert. Iroko ist für ihr Alter schon unheimlich weit, sonst wäre sie wohl auch nie in eurer Firma gelandet, nicht?« Seine Augen leuchteten fast stolz. »Wenn sie das Alter ihrer Mutter erreicht, wird sie mich lange an Können eingeholt haben. Dann kann ich mich zur Ruhe setzten.« Er lachte wieder. Es war leicht ihm zuzuhören, so einfach sich zu entspannen und seiner Stimme zu lauschen und es entging Robin nicht, dass er mit Absicht so sprach, damit sie sich wohler fühlte. Es war kein Zwang und keine List, aber sie wusste durchaus, dass er sie ein bisschen hypnotisierte. Sie ließ es sich gefallen. Sie wusste, dass ihr keine Gefahr drohte. Er erzählte ihr mehr; über sich selbst, über Miu und auch über Amery. Am Ende konnte Robin kaum noch nachvollziehen, wie Amery so hatte ausrasten können. Scheinbar hatte er seine Familie wirklich geliebt. Es machte ihr Angst nur daran zu denken, wie Recht Sakataki hatte. Liebe schlug schnell in Hass um, in den schrecklichsten Hass, den es gab. »Eigentlich schade, dass sie eure Crew verlassen hat. Nicht, dass ich mich nicht freue, dass sie wieder da ist. Hm, aber Toshi-o-Toru hat für sie wohl nicht so viel zu bieten. Ich wette, sie wird nicht lang bleiben.« Robin erwiderte nichts. Sie hätte am liebsten an Irokos Tür geklopft und sie gebeten sie zu begleiten, zurück zu kommen, aber... das war unmöglich. Es war besser so. Iroko mochte intelligenter sein als alle anderen Kinder in ihrem Alter... vielleicht sogar intelligenter als die meisten Erwachsenen, talentiert und stur, aber sie war trotzdem noch ein Kind. Ganz gleich, wie sehr sie diesen Fakt verabscheute. Der Mond schob sich vor das Fenster und Sakataki verließ seinen Sessel, um ein Feuer im Kamin zu machen. Plötzlich schlug er sich gegen die Stirn. »Ah, ich bin schrecklich! Jetzt bist du die ganze Zeit im Regen herum gelaufen und ich hab dir nicht mal ein Handtuch angeboten. Uh, das muss am Alter liegen. Dabei bin ich doch noch gar nicht so alt.« Grinsend sah er zu ihr, doch sie richtete sich auf und kam auf ihn zu. »Das wird auch nicht nötig sein. Es regnet immer noch und ich muss wieder raus, zurück zum Schiff. Wir reisen morgen ab und es ist ein ganz schöner Marsch bis zum Strand. Außerdem...« Sie blickte auf die Tür, hinter der sie Iroko wusste »...braucht sie mich jetzt nicht mehr. Sie ist hier sicher.« Sie sah zurück zu ihm. »Nicht wahr?« »Natürlich.« Er sah auf ihre Hand, als er sie erneut, diesmal zum Abschied schüttelte. »Ich wünsche dir viel Glück Robin. Und tu mir einen Gefallen, ja? Ich weiß, eigentlich müsste ich etwas für euch tun… oh, wenn ihr jemals irgendwas braucht, meldet euch...uh, wo war ich? Ach ja, also tu mir den Gefallen und vergiss Iroko nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, es ist noch nicht vorbei.« »Ich werde sie nie vergessen.« Dazu war sie ihr zu sehr ans Herz gewachsen. Viel zu sehr. Aber sie dachte nicht, dass sie das Mädchen noch einmal wieder sehen würde. Heftig bekämpfte sie das Gefühl einfach durch die Tür zu marschieren und sie ein letztes Mal in den Arm zu nehmen, aber sie hatte ihre weiche Hälfte bereits zu weit vergraben und widerstand diesem Wunsch. Stattdessen verließ sie das Haus und machte sich an den Abstieg die Wendeltreppe hinab. Sakataki winkte ihr zu, als die Falltür sich über ihrem Kopf schloss. Iroko hörte wie das Fliegengitter zuschlug und sie wusste, Robin war endlich weg. Seit ein paar Minuten stand sie nun schon vor dem Spiegel im Schlafzimmer ihres Opas. Er hatte einen gewaltigen Spiegel, kein Wunder bei der Körpergröße. Sie sah sich an, in einem dicken Wollhandtuch gewickelt und starrte in ihre Augen. Aber eigentlich sah sie nicht sich selbst. Sie dachte nach. Sie dachte über alles nach. Nur leise bemerkte sie den Schmerz. Sie war froh, dass Robin weg war. Sie wollte sie nicht mehr sehen, nie wieder. Sie... sie wollte sie hassen. Doch das konnte sie nicht. Sie war einfach zu sehr wie sie, zu sehr wie ihre Mutter. Dabei war sie ihr eigentlich gar nicht ähnlich. Hitsuyo Miu war klein gewesen, etwas mollig, hatte lange, wellige blonde Haare gehabt, braune Augen und eine hohe Stimme. Sie war genauso ruhig... Nein, das bildete sie sich nur ein. Miu war nie wirklich ruhig gewesen. Sie war lebendig gewesen, oh ja, wirklich lebendig. Sie hatte so gern geredet, sich mit Menschen unterhalten, hatte Einsamkeit gehasst. Ganz anders als Robin. Und dennoch war sie genauso wie sie. Sie roch wie ein Zuhause. Nicht zum ersten Mal fragte Iroko sich, ob es das war was Crocodile so an ihr mochte. Ihren Geruch, das Gefühl willkommen zu sein. Das Wissen, dass man auch schweigen konnte, und es dennoch nie unangenehm war. Sie hatte ihr ihren Verrat schon längst verziehen, darum war es schon so lange nicht mehr gegangen. Das Problem war ein anderes. Sie liebte sie. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie das nicht mehr gespürt. Diese Form der Liebe, die man seiner Mutter, seinem Vater entgegen brachte. Heimlich war Robin für Iroko zur Familie geworden. Und nicht nur Robin. Sie fühlte sich seltsam verbunden mit Crocodile, aber darüber wollte sie nicht nachdenken. Auch wenn sie es kaum aufhalten konnte. Jetzt, wo es vorbei war, waren ihr gewisse Dinge aufgefallen. Zum Beispiel, dass er ihren Vater nicht umge-bracht hatte. Er hätte ihn sofort töten können, in dem Moment, als er Robins Namen ausgesprochen hatte. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte sich schützend vor sie gestellt, er... er hatte sie beschützt. Tränen kamen erneut und benetzten ihre Sicht. Wild schüttelte sie ihren Kopf, ließ ihn hängen, bis ihr langes Haar ihr Gesicht verdeckte, die Tränen versteckte, die sie zu bekämpfen versuchte. Sie fühlte sich noch immer elend und ihr ganzer Körper schmerzte. Sie würde sich bald zurück verwandeln, nicht wahr? Sie hatte keine Farbe gesehen, aber irgendwo hatte welche im Spiel sein müssen. Sie hatte sie sicherlich ab gewachsen, aber der Effekt war nachhaltig. Ihr Großvater war mächtig genug dafür. All ihre Gefühle zurück drängend, sah sie erneut in den Spiegel und fuhr sich durch dieses fremde Haar. Wellig, wie das ihrer Mutter, aber viel, viel länger. Sie hatte auch unter Dusche sich selbst eingehender betrachtet. Sie kam nach ihrem Vater. Schlank, wenn auch nicht so groß. Ein eher schmales Becken, aber weibliche Beine und üppige Brüste, auch wenn sie mit den Frauen, die sie kannte, wohl kaum mithalten konnte. Eine Hand voll war wohl auch genug. Sie glitt mit ihren Fingern über ihre Wangen, die etwas höher standen als gewohnt, über die plötzlich so vollen Lippen und den schmalen Hals. So würde sie also irgendwann einmal aussehen? Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie jemals so alt werden würde. Aber stand das denn jetzt fest? Sie blinzelte. Hitsuyo Iroko, wieder im Spiel. »Geht es dir wieder besser?« kam es plötzlich, schallte in ihrem Inneren, als hätte niemand es je ausgespro-chen. Erschrocken fuhr sie zurück, stolperte und fiel auf ihren Hintern. Sie hatte ihn fast vergessen. Den Geist von Omoide. Sierra. »Ich...nein...« Vor ihr schälte er sich aus dem Nichts, seine weiße Gestalt, die sie scheinbar ausdruckslos ansah. Nur seine Stimme war auf eine eigenartige Weise Trost spendend. »Tut mir leid, habe ich dir erschreckt Iroko-san? Soll ich wieder verschwinden? Möchtest du allein sein?« »Ich...« auf ihrem Gesicht stand noch immer der Schock, aber auch eine bittere Vorahnung. »Du wusstest, dass es so kommen würde, nicht wahr?« Nun erschien ein kleines, trockenes Lächeln. »...Was genau meinst du?« »Auf Omoide.« Langsam richtete sie sich wieder auf. »Du hast irgendwas gewusst. Gewusst, dass ich nicht sterben würde.« »...Es war nicht schwer zu dieser Schlussfolgerung zu kommen. Ich habe in jeden einzelnen der Crew hinein-sehen können.« »Und was hast du da gesehen, huh?« »Vergangenheit. Gedanken... Pläne... Gefühle.« Wütend starrte sie ihn an. »Und? Das hat dir den Tipp gegeben? Was denn? Dass sie sich Sorgen machen? Dass sie mich nicht im Stich lassen würden? Dass ich zu ihnen gehöre?« Einen langen Moment blickte er sie schweigend an, musterte sie. »Von allem etwas, ja.« »Das ist wohl ein schlechter Witz!« Sie griff nach dem Spiegel, versuchte sich festzuhalten, weil ihr plötzlich wieder so schwindelig war. »Ich war dazu bestimmt zu sterben.« »Oh nein, das ganz sicher nicht.« »Was für einen Sinn hat das jetzt noch? Was soll ich jetzt tun?« »...Ist das eine rethorische Frage oder ist sie an mich gerichtet?« Sie begann zu zittern und wieder in die Knie zu gehen, hielt die Hand fest über das Herz gepresst und keuchte. Der Schmerz wurde wieder schlimmer. »Was... soll ich denn jetzt ...tun? Ich... habe doch gar kein Ziel mehr...« »Das musst du selbst wissen, Iroko-san. Lass dir Zeit. So viel, wie du willst. Irgendwann findest du die Ant-wort. Und ich werde da sein, wenn du es möchtest. Ich bleibe hier und warte.« Stöhnend ging sie zu Boden und wartete auf das Ende des Schmerzes. Ehe sie es sich versah, war der Schmerz endgültig verklungen und erneut blickte ihr das kleine Mädchen im Spiegel entgegen, die Iroko, die sie kannte. »…Du… willst wirklich bei mir bleiben?« »Ich habe es versprochen, nicht wahr?« Seine Stimme schien näher zu kommen, obwohl sie die ganze Zeit in ihr selbst wiederzuklingen schien. Sanft und behutsam, tröstend und voller Vertrauen. »Außerdem habe ich Zeit. Mir macht das Warten nichts aus. Lass dir so viel Zeit wie du willst. Du wirst ein neues Ziel finden, da bin ich mir sicher. Und wenn du willst, bin ich bei dir und begleite dich, Iroko-san.« Sie schwieg einen Moment, sah dann vom Spiegel in sein Gesicht, der Blick hart, wieder ganz wie zuvor. »Dann hör endlich auf mich so komisch zu nennen. Mein Name ist Iroko.« ~ ~ ~ Sie ließ sich Zeit auf ihrem Weg zurück zum Hafen. In der Dunkelheit konnte sie kaum etwas erkennen, aber sie hatte sich den Pfad ganz gut eingeprägt. Ihr war kalt und sie zitterte leicht. Nachts wurde es richtig kühl auf Toshi-o-Toru und der Regen hatte noch immer nicht ausgesetzt. Langsam wurde sie müde, aber sie ging nicht schneller. Sie wollte ihr Ziel gar nicht so schnell erreichen, denn dann müsste sie mit einem neuen Problem auskommen. Das gleiche Problem, dass sie nun schon seit fast fünf Jahren plagte. Crocodile. Immer nur Crocodile. Manchmal hatte sie das Gefühl ihn endlich verstanden zu haben, manchmal benahm er sich wie eine fremde Person. Dabei konnte sie zumindest zugeben, dass sie so ziemlich alle seine verschiedenen Facetten schon einmal gesehen hatte. Den sanften Kern, aber viel öfter die harte Schale. Wenn man davon noch sprechen konnte. Der Streit hatte ihr mehr zugesetzt, als sie sich eingestehen wollte. Sie war es müde geworden sich immer wieder darüber den Kopf zu zerbrechen, so leid, auf jeden Schritt zu achten, um nichts Falsches zu sagen oder zu tun. Das war nicht die Art Freiheit, die sie bei ihm gefunden hatte. Etwas lief ganz verkehrt, aber sie wusste einfach nicht woran es lag, was es war. Sie hatte aber auch kein Bedürf-nis mehr danach zu fragen, endlos lang zu warten und zu hoffen, dass es von allein passierte. Aber welche Wahl hatte sie schon, außer der zu warten? Das Gestrüpp wurde langsam leichter und sie erreichte bereits die Stadt. Hier war ganz schön was los auf den Straßen. Der eingestürzte Pub, die Toten und natürlich Amery, den scheinbar jeder hier gekannt hatte. Das Getuschel war enorm, als sie sich durch die Mengen schlängelte und dabei versuchte keine Aufmerksamkeit zu erwecken. Crocodile und Iroko hatten ein ganz schönes Chaos verursacht. Gedankenfrei schleppte sie sich auch die letzten Meter bis zum Steg und blieb für kaum zwei Minuten vor der Minerva stehen. Die Minerva, die doch als Neuanfang gegolten hatte. Warum wurde sie dann das Gefühl nicht los, dass sie noch immer in der Vergangenheit steckte, dass die neue Zeit noch nicht begonnen hatte, dass Altlasten weiterhin schwer auf ihr Herz drückten? Wütend über ihre Schwäche, drückte sie die Schultern durch und nahm sich vor ihr Versprechen wahr zu machen. Keine nette, schwächliche Robin mehr. Er wollte das knallharte Miststück? Gut, konnte er haben. Es war nicht so, als hätte sie irgendetwas anderes vertragen. Als sie das Deck betrat, schenkte ihr weder Jazz am Steuer noch Paula in den Rahen Beachtung, doch damit hatte sie sowie nicht gerechnet. Auch unter Deck änderte sich nichts. Als sie in die Kombüse kam, bekam sie nur einen kurzen, stechenden und warnenden Blick von Crocodile, ehe dieser abrupt aufstand und an ihr vorbei auf das Deck stampfte. Nur Sekunden später hörte sie, wie die Tür hinter ihr mit einen Krachen zufiel. Sie war allein. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie ihr Herz heftig schlagen, ehe sie einfach alle Gedanken und Gefühle zurück presste und es ignorierte. Sie würde hart bleiben. ~ ~ ~ Als die Minerva schließlich im eisigen Tau des Morgens den Anker lichtete und die großen Segel aufspannte, spürte Robin bereits einen Schatten näher rücken. Noch war er unbekannt, klein, unauffällig. Aber sie hatte das ungute Gefühl, dass er größer wurde, so groß, dass er sie schließlich ganz verschlingen würde. Sie spürte es, als Toshi-o-Toru ganz langsam kleiner wurde und schließlich im Meer versank, spürte es in den heftigen Böen des Windes, im Kreischen der Möwen, die das Schiff verabschiedeten. Es war in Crocodiles Augen, seinem ablehnenden Verhalten, den Blicken der anderen, die schwer auf ihr wogen und doch in eine andere Richtung blickten, sobald sie sich umwand. Es war die Stille, die an ihr nagte, sie aufzufressen drohte, allgegenwärtig auf sie lauernd. Die Zeit verging nicht mehr, sie stand so fest wie die Wolken am Horizont, jedes Mal wenn sie einen Blick nach draußen wagte. Die Minerva schipperte ins Nichts. Was war ihr Ziel, was war ihre nächste Station? Was kam nun? Was erwartete sie? Sie wagte nicht nachzufragen. Crocodiles Stimmung wurde von Tag zu Tag düsterer. Er sah sie nicht mehr an, sprach kaum noch mit ihr und wenn er es tat, fuhr ihr seine tiefe, grollende Stimme wie Nadeln unter die Haut. Er nahm es ihr immer noch sauer, die Sache auf Toshi-o-Toru. Sie verstand es gar nicht. Doch jedes Mal, wenn sie versuchte einen Schritt auf ihn zuzumachen, stieß er sie heftiger zurück. Schließlich ignorierte er sie vollkommen. Robin wusste sich nicht mehr zu helfen. Egal was sie tat, sie schien es falsch zu machen. Die Atmosphäre auf dem Schiff wurde immer schlimmer. Bald war es wieder so frostig wie zu Anfang, nach Suimin, nach ihrem Verrat. Aber sie ließ nicht nach. Nicht dieses Mal. Sie hatte alles aufgegeben, ihre Zukunft, ihr Schicksal, ihr Leben, nur um hier sein zu können und dieses Mal würde sie kämpfen, bis zum bitteren Ende. Sie wusste nicht, warum der Wind plötzlich gedreht war. Es konnte doch unmöglich allein an Toshi-o-Toru liegen. Crocodile war stur, aber nicht so nachtragend. Etwas war im Busch und sie versuchte sich auf alles Mögliche vorzubereiten, aber sie hatte keine Ahnung was kommen sollte, was unwiderruflich kommen musste. Tage vergingen, sie war nicht mehr in der Lage sie zu zählen. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Doch nichts schien sich zu ändern. Überdrüssig der Ungewissheit hatte sie sich auf die Suche nach dem Kurs gemacht, hatte unbemerkt in den Karten gestöbert und endlich herausfinden können wohin sie steuerten. Es irritierte sie etwas, doch die Minerva schien wieder zurück zu fahren. Crocodile hatte keinen Eternal Post, der ihr die Suche einfacher gemacht hätte. Das Ziel blieb weiter im Ungewissen. Wollte er wieder zurück nach Arabasta? Oder Quom? Oder gab es einen anderen Ort, zu dem er wollte? Er verschwieg es ihr noch immer. Seine große Nummer, die er plante und von der sie nichts wissen sollte. War es das, was sie erwarten würde? Die Erinnerung an Quom bereitete ihr wirklich Kopfschmerzen. Sie hatten sich so merkwürdig verhalten. Alle von ihnen, Crocodile eingeschlossen. Aber der benahm sich schon eine ganze Weile eigenartig. In jeder freien Minute kontemplierte sie, was es sein konnte. Was übersah sie denn die gesamte Zeit? Und jedes Mal, wenn sie die Last nicht mehr ertragen konnte, erinnerte sie sich an seine Worte. Glaub an mich. Jede Stunde, jeden Tag sagte sie sich diese Worte. Wieder und wieder und wieder, versuchte aus ihnen Mut zu fassen. Mut, den sie niemals zuvor besessen hatte. Früher hatte sie nie abgewartet, bis es so schlimm wurde. Es war ein deutliches Warnsignal, aber die Dinge waren jetzt anders. Die Warnung musste für irgendetwas anderes stehen. Ein paar weitere Tage hielt sie es so aus, bis ihre Albträume wieder anfingen. Nacht für Nacht. Es zermürbte sie und sie sah keinen anderen Ausweg mehr, als Klartext zu reden. Das war nie ihre Art gewesen und sie wusste auch nicht wirklich, wie sie es anstellen sollte, aber sie musste. So ging es nicht weiter. Nach einer weiteren, ruhelosen Nacht und einem Tag voller Schweigen und schmerzhafter Isolation suchte sie nach Crocodile. Sie würde ihn zur Rede stellen. Er sollte ihr endlich sagen, was verdammt noch mal los war. Sie fand ihn an diesem Abend im Navigationsraum. Er schien nichts Besonderes zu tun, schien die Karten vor sich nicht einmal angefasst zu haben. Dennoch richtete er den leeren Blick auf sie. Sie konnte die Abweisung in ihnen sehen. Robin zeigte ihre Unsicherheit, ihren Schmerz nicht, trat ihm entgegen, die Arme locker an den Seiten, der Blick kühl und gelassen. »Was verschweigst du mir?« Einen langen Moment hielt er diesen Blick aufrecht, ehe er den Kopf doch wieder abwand und sich eine Zigarre anzündete. »Ich sagte dir doch bereits, ist keine große Sache.« »Wenn es keine große Sache ist, warum benehmt ihr euch dann alle so merkwürdig?« »Es erfordert eben viel Planung und Vorsicht.« »Du willst mir verarschen.« platzte es plötzlich aus ihr heraus. Ihre Stimme blieb gelassen, als hätte sie ihm erzählt, dass die Sonne scheint. Sein Blick ging erneut zu ihr und sie sah die Kälte in ihm brodeln. »Muss ich deutlicher werden, damit du verstehst, dass es dich nichts angeht?« Sie kam einen Schritt näher. »Es betrifft euch also alle, außer mich? Willst du mir das ernsthaft weißmachen?« »Ich muss dir gar nichts weiß machen, weil es dich nicht zu interessieren hat!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, die Stimme wurde kälter, die Augen leer. »Das kann nicht wirklich dein Ernst sein. Du willst mich ausschließen? Aus Dingen, die mich genauso, wenn nicht sogar noch mehr betreffen, als euch alle? Was bildest du dir eigentlich ein?« Abrupt stand er auf und blickte auf sie herab, noch immer das böse Funkeln in seinen Augen. »Ich diskutiere ganz sicher nicht mit dir, Robin. Was ich mache, ist meine Sache. Und ich bin dir ganz sicher keine Rechenschaft schuldig.« Sie funkelte zurück und knurrte beinahe. »Rechenschaft?! Oh doch Crocodile. Du bist mir Rechenschaft schuldig. Du hast es offenbar nur noch nicht begriffen! Aber gut. Mach nur so weiter. Lange sehe ich mir das nicht mehr mit an!« »Was willst du machen, hm?« Er verschränkte die Arme und sein Lächeln war so abgrundtief gehässig, wie sie es von früher kannte. »Weglaufen?« »Sollte ich?« »Wenn du es nicht aushältst meine Nähe zu ertragen, wohl schon...« setzte er trotzig hinzu und schritt auf die Tür zu. »Kannst du doch gut... weglaufen...« Am liebsten hätte sie ihn angesprungen. In diesem Moment machte er sie so unsagbar wütend, dass sie ihm wirklich wehtun wollte. Sie spie die Worte förmlich aus. »Verdammter Mistkerl!« »Hmpf.« War alles, was er darauf entgegnete, ehe er nach draußen ging und die Tür zuschlug. Sie schnappte hörbar nach Luft und presste sie Augen fest zusammen, ballte ihre Fäuste und am liebsten hätte sie geschrien. Sie ließ es nicht zu. Glaub an mich. Wieder und wieder. In dieser Nacht konnte Robin nicht schlafen. Sie bekam kein Auge zu, wanderte ruhelos über das Schiff, im Navigationsraum umher. Ihre Augen scannten den leeren Raum, ihre Finger glitten wieder und wieder über die Karten, die Crocodile zuletzt in den Fingern gehabt hatte. Etwas war hier. Als könnte sie seine Gedanken spüren, nachempfinden, was in seinem Kopf vor sich ging. Dieser Dreckskerl... wie konnte er es überhaupt wagen so mit ihr zu sprechen, nach allem was passiert war? Nach allem, was er zu ihr gesagt hatte? Was plante seine analytische Hälfte denn nur, dass es solche Auswirkungen hatte? Die Wahrheit war simpel. So leicht greifbar und doch durchsichtig, geisterhaft. Wie ein Schleier hing die Bedeutung, der Sinn für das alles über ihrem Kopf und lachte sie aus. Oder wollte sie es nur nicht wahrhaben? Tiefer und tiefer versuchte sie vorzudringen, aber je tiefer sie kam, desto mehr Angst entstand dabei in ihrem Kopf. Sie war schon einmal hier gewesen nicht wahr? Das alles kam ihr so unheimlich bekannt vor, aber warum? Wütend auf ihn, auf die anderen und vor allem auf sich selbst, schleppte sie sich in die Kombüse und trank Kaffee. Sie wollte nicht schlafen, sie wollte nicht mehr denken. Warten, sie musste warten. Und es war ihr noch nie so schwer gefallen. Wie lange hielt sie das noch aus? Wann würde ihr Faden reißen? Das Koffein hielt sie wach und machte sie gleichsam immer müder. Sie schleppte sich durch die Nacht, durch den Tag und nichts hatte sich verändert. Crocodile tat nicht einmal so, als hätten sie sich gestern gestritten. Er sah sie nicht einmal mehr an. Das einzige, was er ihr an diesem Tag auftrug, war die Nachtschicht zu übernehmen. Und die brach bereits viel zu früh heran. Die Minerva ankerte kurz vor Sonnenuntergang in der unendlichen Weite des Meeres. Sie konnte den Grund nicht sehen, es war hier wohl sehr tief. Sie nahm die Zeit gar nicht mehr wahr, die verstrich. Es war eine recht laue Nacht, auch wenn der Wind auffrischte. Die See war ruhig, und der Himmel wolkenlos. Nur der Mond streifte alsbald einsam über den Himmel, doch auch er konnte sie nicht erhellen. Regungslos saß sie auf der Reling, als die anderen sich schon längst in ihre Kabinen zurück gezogen hatten und starrte auf die See. Genauso ruhig, wie ihr Blick, doch ebenso aufgewühlt unter der Oberfläche. Sie konnte gar keinen Gedanken mehr fassen. Sie kamen und gingen ohne etwas in ihr auszulösen. Sie begann langsam wieder abzustumpfen, so wie früher. Stunden vergingen auf diese Weise und im ersten Moment bemerkte sie es gar nicht, sah sie einfach durch die Schemen hindurch, die sich langsam am Horizont unter den Sternen abzeichneten. Weiße Segel. Ein Schiff, das näher kam. Aber Robin bewegte sich gar nicht, starrte hindurch, als wäre es nicht da. Erst als es ein ganzes Stück näher gekommen war, blinzelte sie heftig und fuhr von ihrem Sitz auf. Das Schiff war nicht zu übersehen. Zwar war es nicht übermäßig groß, ein normaler Dreimaster, doch die weiß-blaue Farbe und die schneefarbenen Segel ließen es aus der Nacht stechen. Und in blauer Schrift war in akkurater Schrift "Marine" auf den Bug gezeichnet. Sofort klingelte es wieder in ihr. Ein Teil von ihr begann sie bereits zu beschimpfen. "Dummkopf, verdammter Dummkopf." Doch sie rührte sich nicht, starrte weiter auf dieses Schiff. Kein Fluchtweg. Sie konnte nicht weglaufen. Sie waren mitten auf See und sie konnte natürlich nicht schwimmen. Angst machte sich in ihr breit, Angst und Panik. Schon zu lange ein Teil von ihr, als dass es jemals nachlassen würde. Aber sie zwang sich die Ruhe zu bewahren und nicht durchzudrehen. Sie alarmierte die anderen, riss sie aus ihren Betten, weckte sie wenn nötig, ihre Stimme allgegenwärtig in jedem Raum. »Marine!« Es dauerte dennoch ein wenig, ehe sie sich allesamt an Deck versammelten. Paula und Jazz waren die ersten beiden, dicht gefolgt von Crocodile. Dann kam sie nicht mehr mit. Sein Blick beraubte sie allem Willen sich nach den anderen umzusehen. Er kam nicht auf sie zu, sondern blieb gleich an der Tür stehen. Unbeeindruckt, kalt, unnahbar musterte er sie für einen Moment. Sie starrte ihn an und es klickte langsam in ihrem Kopf, wie Zahnräder, die in ihre bestimmte Position verfielen, damit die Uhr arbeiten, ticken konnte. Sie kannte diesen Blick, sie hatte ihn schon viele hunderte Male gesehen. Nicht auf seinem Gesicht, auf den Gesichtern ihrer Vergangenheit. Sie war wie zu Eis erstarrt und beinahe wäre ihr der Mund aufgeklappt. Nur ein Wort kam über ihre Lippen. Ein Wort, das sie gar nicht hören konnte, weil es in ihr zu rauschen begann. Sie konnte sich selbst nicht mehr wahrnehmen, als hätte sich ihr System ausgeschalten, um sie vor einem Schlag zu bewahren. »Nein...« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)