Kaizoku no Baroque von Alma (II. Der salzige Wind der See) ================================================================================ Kapitel 20: Hayu – Geronnenes Leid ---------------------------------- Einen Monat lang fuhr die Minerva über die See, brachte so viele Seemeilen zwischen sich und Hayu, wie es nur ging. Sie nutzen jede Windböe, jede Welle und jeden Sturm, um Nico Robin hinter sich zu lassen. Die Zeit verging nur langsam, zog sich unerträglich dahin und machte die Crew nervös. Vor allem ihr Captain zählte immer und immer wieder die Stunden, ehe er seine Uhr wütend in das Meer warf. Es brachte nichts, er musste sich immer wieder vergewissern wie viel Zeit vergangen war, seit er Robin aus den Augen verloren hatte. Es zehrte ihn aus zu warten, jeden Moment damit zu rechnen, dass der Admiral an seine Tür klopfte. Wie lange würde es noch dauern? Wochen? Monate? Würde er überhaupt kommen? Was, wenn Robin Unrecht hatte? Was, wenn er genau auf dieser Insel auf sie gewartet hatte und sie längst unter den Fittichen der Marine stand? Es brachte ihn fast um nicht zu wissen, wie es ihr ging, was sie tat, wo sie war. Doch er schuckte es herunter, so wie immer. Das konnte er gut. Die Crew spürte die Ruhelosigkeit ihres Bosses und versuchte ihr Möglichstes seine Stimmung zu bessern und das Beste aus dem ewigen Warten heraus zu schlagen. Paula bemühte sich wann es auch ging ihrem Boss die Zeit erträglich zu machen, doch er lehnte die meisten ihrer Versuche ab. Nichtsdestotrotz verbesserte sich das Klima auf dem Schiff graduell. Es war tatsächlich beinahe so, als wäre der Druck, der auf ihnen gelegen hatte, von ihnen genommen. Als wären sie wirklich und endgültig frei. Oberflächlich. Denn innerlich wussten sie, dass die heftigste Prüfung noch bevor stand. Der Beweis für Nico Robins Verschwinden und das ewige So-tun als wären sie eine ganz normale Crew, die ihrer Wege ging. Jeder Tag verging mit neuen Befürchtungen, jeder Morgen mit der gleichen Frage. Wann diese Katastrophe endlich ihr Ende nahm. Wann es vorbei war. Wann sie endlich wieder ohne den Tod im Nacken weitersegeln konnten. Alles fühlte sich leer an. Die Crew war nicht mehr dieselbe. Bon fehlte. Und Iroko fehlte. Und Robin. Ohne sie war es fader, viel langweiliger und lebloser. Als hätte das Spiel nicht angefangen, als würde man im Halbschlaf dahin dösen. So war die Zeit vergangen und hatte ihre tiefen Spuren hinterlassen. Der Tag war heiß, brütend und windstill. Vermutlich waren sie in die Nähe einer Sommerinsel gekommen. Paula sonnte sich genüsslich auf dem Oberdeck, während Miki, Uma und Gal im Schatten der Kombüse Karten spielten – einer der wenigen Wege sich die Zeit zu vertreiben. Es war gegen Mittag, als die Hitze am schlimmsten war, als Jazz plötzlich aus dem Krähennest kletterte und Bescheid gab, dass sich etwas Seltsames dem Schiff näherte. In der Ferne kam etwas näher, etwas Kleines und Blaues. Über Mikis Kopf schwebten bereits die Fragezeichen, denn was er zu sehen bekam, würde er wohl nie so ganz begreifen. Ein Mann auf... einem Fahrrad? Sofort hetzte auch Crocodile an Deck und trug allen auf, sich so normal wie möglich zu verhalten. Äußerlich sah man dem großen Mann mit der fetten Narbe auf der Nase nicht an, wie aufgewühlt er war. Wie hoch sein Puls schlug, wie die Haut unter seinen Fingerkuppen kitzelte, wie sein Atem immer wieder stockte und er nach Worten rang, nach Fassung. Er drückte den Rücken durch und versuchte cool zu wirken. So wie damals in den Gewässern vor Quom. Und doch hatte er Angst. Nicht um sich, nicht um seine Crew. Er hatte Angst es zu versauen, etwas falsch zu machen und Robin damit in Gefahr zu bringen. Den ganzen Plan zu vermasseln, all die Monate voller Planung, all den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte - umsonst. Hastig schloss er die Augen und atmete tief durch. Das war vorerst das letzte Mal, sagte er sich. Er tat es nicht für sich, sondern einzig und allein für sie. Das wollte er beweisen. Und das konnte er nur, wenn alles nach Plan lief. Entschlossen öffneten sich seine Lider erneut und er blickte dem Admiral entgegen, der langsam näher rollte. Er war für alles bereit. Das Wasser unter den Reifen verwandelte sich zu Eis sobald er es berührte. Es war sein Markenzeichen: Das blaue Fahrrad. Er hielt nicht viel von Schiffen, ganz zu schweigen davon, dass das Radeln ihn fit hielt. Nah genug bei der Minerva angekommen, stieg er von seinem Rad und landete schließlich auf ihrer Reling, dann auf dem Deck, eiste dabei ein wenig den Rumpf des Schiffes ein und blockierte damit ihre Weiterfahrt. Er streckte sich ausgiebig, sah sich einmal kurz um und kam dann direkt auf Crocodile zu. Ao Kiji war groß, mitte vierzig und hatte lockiges dunkles Haar. Für einen Marineadmiral war er gut gekleidet, was zumindest Bon aufgefallen wäre, wenn er bei ihnen gewesen wäre. »Ah, endlich hab ich dich gefunden, Sir Crocodile.« Offensichtlich genervt verschränkte dieser die Arme und funkelte ihn an. »Und was willst du von mir, huh?« »Oh, warum so feindseelig?« »Weil ich langsam keine Lust mehr darauf habe, ständig von der Marine verdächtigt zu werden.« Er klang ganz offensichtlich wütend. »Ständig schaut mich irgendwer in Weiß prüfend an. Das nervt.« »Das hättest du dir vielleicht überlegen sollen, ehe du Pirat geworden bist.« kam es ruhig, nicht einmal unfreundlich. »Oh, und ehe du eine gesuchte Person auf deinem Schiff versteckt hast.« Crocodile rollte die Augen. »Gott... die war ein paar Wochen auf meinem Schiff, ich hab sie euch ausgeliefert und basta. Ich wüsste nicht, wo ich mir die Weste schmutzig gemacht hätte.« Kuzans Blick glitt noch einmal über sein Schiff. »Dann befinden sich eine Lacroix Paula und ein Gal Dino nicht bei dir? Nicht, dass mich so kleine Fische interessieren, aber scheinbar hast du ja einen Faible für Schwerverbrecher. Aber schön, dass du gleich auf Nico Robin zu sprechen kommst.« Er trat ein paar Schritte über das Deck, als wollte er sich das Schiff etwas eingehender betrachten. »Du hast es gesagt, Ao Kiji, kleine Fische. Und fähige Leute. Die Zeit, wo man ein Schiff alleine und ohne Crew steuern kann, sind leider noch nicht angebrochen.« Er musterte ihn ganz genau. »Und was? Wegen Nico Robin bist du hier? Ihr lasst echt nickt locker, was? Frag mich, was ich tun muss, dass ihr mir nicht länger am Arsch rum hängt...« Ao Kiji grinste unschuldig. »Ich bin nicht wegen dir hier, sondern wegen ihr, richtig erkannt. Ich wollte mich nur vergewissern, dass sie wirklich nicht mehr bei dir ist und ich habe ein paar Fragen, die vergessen wurden eingehender zu fragen. Wäre es nur wegen dir, wäre es mir ehrlich gesagt ganz egal, was du treibst. Aber Nico Robin ist etwas Anderes.« Ein Stirnrunzeln. »Warum sollte sie bitte hier sein? Sucht lieber den Meeresboden an der Stelle ab, wo ihr sie reingeschubst habt. Obwohl ihr Körper wahrscheinlich schon irgendwo in nem Magen von nem Hai ist.« »Ah, wer sagt mir, dass das nicht ihr Ziel war? Warum war sie bei dir Sir Crocodile? Einem Mann, der in so hervorragendem Kontakt mit der Marine steht. Ziemlich riskant, nicht wahr? Ich frage mich wirklich, warum sie das gewollt hätte.« Crocodile zuckte die Schultern. »Ist doch das beste Versteck, oder? Darauf wärt ihr nie gekommen.« »Und sie hat dir geglaubt, dass du sie nicht verkaufst? Wie hast du das denn fertig gebracht?« »Nun ja.« Darauf bleckte er hämisch die Zähne. »Ich hab ihr gesagt, sie soll mit auf mein Schiff kommen, oder ich liefere sie auf der Stelle aus.« Kuzan zog eine Braue nach oben. »Hab ihr ein wenig Schutz geboten. Ein bisschen Liebe.« Ein desinteressiertes Schulterzucken. »Oder hab sie das zumindest glauben lassen.« Der große Mann rieb sich das Kinn. »Nach all den Jahren... hm. Ich nehme an, du hast nichts dagegen, wenn ich mich etwas umschaue? Sicherlich wundert es dich nicht, dass ich dir nicht glaube.« Er knurrte leise. »Ich glaub es ja nicht... ihr erlaubt euch auch alles, was?« »Es ist immer wieder interessant solche Worte von jemandem wie dir zu hören. Warum sollten wir dir vertrauen Sir Crocodile? Du bist ein Pirat.« »Einer der mit euch zusammenarbeitet! In dem Moment, in dem ich sie gesehen hab, stand bereits fest, dass ich sie euch ausliefere.« Mit einem säuerlichen Ausdruck fuhr er sich durch das Haar. »Nur... vorher wollte ich eben noch ein wenig Spaß mit ihr haben. Die Frau sah eben verdammt gut aus.« »Hm, es ist lange her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Damals war sie nur ein kleines Mädchen. Aber ihre Mutter war durchaus attraktiv, da liegt das wohl nahe.« Wieder rieb sich Ao Kiji das Kinn. »Aber dass sie überhaupt in deine Nähe gekommen ist... dabei war sie immer so viel vorsichtiger. Sehr seltsam.« Ohne Erlaubnis schritt er weiter, näherte sich der Tür, die unter Deck führte. »Wo hast du sie mit auf dein Schiff genommen?« »Auf Arabasta. Wahrscheinlich hat sie sich im Bürgerkriegsgetummel versteckt.« Er zuckte nur abermals die Schultern, zündete sich eine Zigarre an, machte aber keine Anstalten ihm zu folgen. »Was weiß ich, man. Kann ich in der ihren Kopf reinschauen? Sie hat mich nie wirklich interessiert. Ich mein, abgesehen von ihrem Körper.« Kuzan reagierte nicht darauf, sondern öffnete die Tür und begann sich die Kabinen genauer zu betrachten. »Arabasta also. Wann genau?« »Ungefähr in der Zeit, in der ihr mir im Arsch rumgebohrt habt, wo ich so lange gewesen bin, als Arabasta untergegangen ist.« knurrte er leise. Kurz sah der Admiral über seine Schulter. »Das klingt alles ziemlich unglaubwürdig.« Dann öffnete er die Tür zur Kombüse. »Ayayayayaya, und wen haben wir denn hier?« Sowohl Paula, als auch Gal, die sich hierher zurück gezogen hatten um so zu tun als würden sie das Essen kochen, schreckten auf und sahen den Riesen verwirrt an. Er lächelte ihnen freundlich zu. »Die Fische. Hm, riecht ja wirklich lecker. Was gibts denn?« »...« Paula schluckte, duckte sich etwas. »...Gulasch...« Langsam kam er näher, beugte sich über sie, um in den Topf zu schauen. »Oh, ich sehe. Also das war zumindest keine Lüge. Wenn es so schmeckt, wie es riecht, dann scheinen gewisse Verbrecher sehr geschickt zu sein.« Noch eingehender ging sein Blick dann zu Gal und zu Paula. »Was könnt ihr mir über Nico Robin sagen?« Gal schluckte härter und man sah Schweißperlen auf seiner Stirn, während auch Paula Probleme hatte cool zu bleiben. »Die alte Geschichte noch? Oh je...« »Alt hm? Wie alt denn?« Die blauhaarige Frau seufzte und sah ihn dann eindringlich an. »Was weiß ich. War nicht so ein einprägendes Erlebnis, dass ich es mir gemerkt hätte.« »Hat sie jemals irgendetwas gesagt, was erklärt hätte, warum sie bei euch war?« Paula verschränkte die Arme. »Bossu hat sie gezwungen, so weit ich weiß. Allerdings schiens ihr irgendwann gefallen zu haben, nach ihrem Stöhnen zu urteilen.« Einen langen Moment ruhte der Blick des Riesen auf ihr, als wolle er sie schälen wie eine Mandarine. Dann, ganz abrupt, wandte er sich ab. »So so.« Ein durchdringender Blick später und er war wieder auf dem Gang, diesmal hielt er direkt auf Crocodiles Kabine zu. Zufall oder Intuition. Als ihm niemand viel Beachtung schenkte, glitt er einfach hinein und blickte sich auf das Genaueste um. Nichts Atemberaubendes, auch wenn das Bett wirklich ganz schön groß für eine Person war. Er kommentierte es nicht, sah sich auch die anderen Zimmer an. In Irokos hielt er inne. Es sah bewohnt aus, aber keiner aus der Crew passt in das Schema. Ziemlich verdächtig. Nach seiner Inspektion ging er geradewegs wieder auf Crocodile zu. »Scheinbar fehlt jemand aus deiner Crew. Wem gehört denn das Zimmer mit den Leinwänden?« Der Pirat sah ihn nur aus dem Augenwinkel an, blies gerade seinen Zigarrrenrauch aus. »Bist ein richtiger Spürhund, was? Muss ne lange Ausbildung gewesen sein.« Darauf antwortete er nicht, wartete stattdessen darauf, dass seine Frage beantwortet wurde. Stöhnend rollte Crocodile die Augen. »Ehemaliges Zimmer eines Crewmitgliedes. Leerstehend und auf den Nächsten wartend.« »Hm, sehr artistisch. Sie hat euch gemalt. Oder er, aber ich nehme mal an, dass es sich um ein Mädchen gehandelt hat.« Als er daraufhin nur einen müden, desinteressierten Blick von seinem Gegenüber bekam, seufzte Ao Kiji. »Hm, zu schade. Ich hatte schon fast damit gerechnet sie zu finden.« »Und? Endlich zufrieden?« kam es äußerst unzufrieden. Geruhsam legte er den Kopf zur Seite. »Nein, gar nicht. Aber sie ist ganz offensichtlich nicht bei dir. Kaum zu glauben, dass sie wirklich ertrunken sein soll. Aber na gut…« »Kümmert euch das wirklich noch?« Fragte er mit erhobener Augenbraue. »Stand auf dem Steckbrief nicht Dead or Alive?« Dann grinste der Mann mit der Narbe. »Oh... oder wolltet ihr sie etwa für euch selbst ausnutzen? Ihre Kraft für eure Zwecke einsetzen?« Seine Finger rieben sich müde an seinem lockigen Hinterkopf. »Ihre Kräfte ausnutzten? Nein, ich habe ihr gesagt, dass ich nach ihr sehen würde, sehen würde, was aus ihr geworden ist. Aus dem Mädchen von Ohara, der einzigen Überlebenden.« Er wirkte nun etwas abwesend, gelangweilt. »Traurig, dass sie an dich geraten ist.« Grinsend zuckte er die Schultern. »Du kennst die Frauen. Sie stehen auf den Macho, der so tut als hätte er ne weiche Seite und hätte sich halsüberkopf in sie verliebt.« »Ist das so? So hatte ich sie nicht eingeschätzt.« »Nun ja, es hat ne ganze Weile gedauert, bis ich sie so weit hatte.« Das Grinsen wurde noch fetter. »Sie war ganz schön zickig. Aber irgendwann konnte sie doch nicht mehr widerstehen.« »Ein unschönes Ende.« Etwas glitzerte in seinen Augen, etwas, dass man nicht erklären konnte. Irritation, vielleicht sogar Wut? Aber man sah Kuzan nichts an. »Na ja.« Das Grinsen wurde noch einen Grad böser. »Ihr hats gefallen. Oh, bis zu dem Zeitpunkt natürlich, als sie langsam Vertrauen schöpfte und ich sie euch ausgeliefert hab.« »Schwer vorstellbar, dass sie wirklich so lange gebraucht hat zu merken, dass sie betrogen wurde.« Erneut das Schulterzucken. »Scheinbar hat ein bisschen Süßholzraspeln bei ihr was gebracht. Außerdem, warum interessiert dich das so sehr? Wofür werde ich überhaupt angeklangt? Meint ihr etwa, ich hätte ihren Tod vorgetäuscht, um ihr zu helfen?« »Hm, auch unwahrscheinlich. Sie ist nicht der Typ, der sich hinter einem anderen Namen versteckt. Soweit ich weiß, würde das gegen ihren Stolz gehen, aber... der Rest ist ebenfalls merkwürdig.« Schließlich seufzte er ein letztes Mal. »Nun gut. Ich nehme an, das reicht, um das "Bohren" zu beenden. « Er rieb sich über die Augen. »Hätte nie gedacht, dass sie mal so endet. Im Kampf vielleicht, aber so? Wirklich, schade.« »Ahhh…« Crocodile lachte gehässig. »Jetzte sehe ich das Problem.« Er langes Gähnen war eine Antwort. »Wie bitte?« Grinsend nickte er. »Du hast mich auf den Kiker, weil ich sie flach gelegt hab und du nicht an sie ran konntest. So wie du auf sie abgehst, grenzt das ja fast an Obzession.« Heftig runzelte Ao Kiji darauf die Stirn, wirkte beinahe beleidigt. »Hatte ich erwähnt, dass ich sie nur als Kind in Erinnerung habe?« Doch Crocodiles Grinsen wurde immer gehässiger. »Wirklich? Dabei war sie echt ne Hammerbraut. Kann mir kaum vorstellen, dass du nicht ein paar Bilder von ihr hast, wo sie älter ist. Uh, ich kann dir sagen: Du hast was verpasst.« »Du kannst dir den Rest an Obszönitäten sparen. Ich habe nur ein altes Versprechen erfüllt.« Endlich wandte er sich gänzlich von ihm ab, schlenderte zurück zu seinem Fahrrad. »Aber je mehr man von dir hört, desto schwerer ist es zu glauben, dass sie freiwillig hier war.« »Ich sagte doch, sie war nicht ganz freiwillig hier.« »Liebe hm? Klingt nach freiem Willen. Du musst ein wirklich guter Schauspieler sein, wenn sie dir deine Worte abgenommen hat.« »Kukukuku...« In seinen Augen funkelte es. »Oh, ich hab über die Jahre ein paar Tricks gelernt, die Frauen rumkriegen. Egal, wie abgeneigt sie sind.« »Ist das so?« Ein Schauspieler in der Tat. Aber Kuzan hatte genug gesehen. »Willst du bei mir in die Lehre gehen?« Nun lachte der Admiral zum ersten Mal. »Ich denke, das wird nicht nötig sein.« »Wie auch immer. Solange ihr mich endlich in Ruhe lasst ist mir das egal.« »Vorerst hast du keine Probleme, Samurai.« Er kletterte auf die Reling und sprang zurück auf sein Eis. »Ich hoffe, es hat sich für euch alle gelohnt.« »Ohh, wenn du wüsstest, wie süß das kleine Mädchen gestöhnt hat, wüsstest du die Antwort. Kukuku...« Er sah noch einmal zu ihm auf und sein Blick war plötzlich unheimlich ernst, dann lächelte er. »Verstehe.« ~ ~ ~ Sie war wieder hier, an dem Ort, an dem die Minerva sie vor einer Ewigkeit abgesetzt hatte. Weit oben auf einem der raren Kliffe Hayus, ein Ort, den neben ihr wahrscheinlich nur sehr wenige Menschen kannten. Er lag versteckt zwischen ein paar Eichen und ließ kaum einen Blick von außen auf die junge Frau zu. An dem Tag, an dem das große Schiff sich wieder von ihr entfernt hatte, hatte sie gar nicht damit gerechnet, dass es so hart sein würde dabei zuzusehen. Zuzusehen, wie ihr Zuhause sich entfernte. Dabei hatte sie doch nie wirklich ein Zuhause gehabt. Aber scheinbar hatte sie sich auch damit geirrt. Wie mit so Vielem. Sie vermisste sie. Crocodile und Bon und Gal und Miki und Uma und Paula und Jazz und Iroko. Sie hatte sie seit Suimin vermisst. Doch was fehlte ihr wirklich? Die Menschen, die sie für ihre Freunde hielt oder nur die Erinnerung daran, dass sie vielleicht einmal welche gewesen waren? Freunde… so ein eigenartiger Begriff. Und dennoch stand sie wieder hier und blickte auf das Meer, wie so oft in diesen langen Wochen. Wartete darauf, dass die Minerva am Horizont erschien. Nur um jedes Mal aufs Neue enttäuscht zu werden. Fragte sich, wie es ihnen ging, was bei ihnen geschah, ob alles gut gelaufen war. Ob Kuzan sie am Leben gelassen hatte. Der Gedanke an ihren Tod schmerzte sie auf eine ungewohnte Art und Weise. Sie hatte genug Zeit gehabt über alles nachzudenken, ganz allein, ohne ihre Gesichter oder ihre penetranten Stimmen zu hören. Fünf Wochen waren genug Zeit den Kopf klar zu bekommen und sich über einige Dinge im Klaren zu werden. Eines dieser Dinge war der Fakt, dass sie glaubte ihnen verzeihen zu können. Vielleicht, doch das würde sich erst zeigen können, wenn sie wieder kamen. Falls sie wieder kamen. Sie konnte es sich nicht so richtig vorstellen. Selbst wenn Crocodile zu ihr zurück kommen sollte, ganz so wie er es versprochen hatte, würden dann wirklich noch alle da sein? Scheinbar waren sie ihm loyal ergeben, aber es bestand für das gesamte Team noch immer die Gefahr, dass sie sich gegen den Tod von Nico Robin entschied, sich dazu entschloß diese Lüge auffliegen zu lassen. Warum sollten Gal, Uma oder Paula überhaupt das Risiko eingehen wollen? Warum sollten sie bleiben, bei ihr bleiben? Sie, die nur Tod um sich herum scharrte. Es erinnerte sie an Paulas Worte und ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte gesagt, dass sie sie nur akzeptieren könne, weil sie Crocodile glücklich machen könnte. Aber konnte sie das? Da war noch etwas. Sie hatte gesagt, dass sie nur zugestimmt hatte bei dem Plan mitzuhelfen, weil er ihr die Möglichkeit gab nicht sofort ihr Todesurteil zu besiegeln. In diesem Sinne verstand sie den Plan vollkommen. Es hatte etwas getan werden müssen, sonst wären sie in kürzester Zeit aufgeflogen. Sonnenbrücken hatte den unfreiwilligen Beweis dazu geliefert. Es hatte etwas getan werden müssen, um die Marine auf die falsche Spur zu führen. Oder sie hätte ihre Kraft darauf eingesetzt sie und Crocodile zu vernichten. Dann wären sie zusammen weggelaufen und sie wusste sehr genau, dass das viel schwieriger war, als es allein zu tun. Vielleicht hatte sie es etliche Male geschafft sich zu verstecken, aber an Crocodiles Seite war das schlichtweg unmöglich. Selbst wenn niemand die Frau mit dem Kind auf den Steckbriefen verband, Crocodiles Gesicht kannte die halbe Menschheit. Nicht, dass er nicht auch ohne seinen Bekanntheitsgrad aufgefallen wäre. Letzten Endes wären sie gescheitert. Sie wären der Marine früher oder später in die Falle gelaufen. Aber nun? Konnte sie wirklich glauben, dass Crocodiles perverser Plan eine sinnvolle Alternative darstellte? Dass sie… Ruhe finden könnte? Robin wusste nicht, was sie davon halten sollte. Inzwischen jedoch hatte sie genug Zeit gehabt rationaler an die Dinge heran zu gehen. Noch immer quälte sie die Erinnerung daran, an jene Stunden, Tage, Wochen. Doch sie konnte sehen, warum Crocodile es versucht hatte – selbst wenn es ihr das Herz heraus riss. Ihr Tod war die eleganteste, wenn auch riskanteste Methode, ihr ihre Verfolger vom Leib zu halten. Das hieß, falls sie mitspielte. Und das würde bedeuten, dass sie jemand anders sein musste. Jemand anderes als sie war, als sie immer sein wollte, jemand für sie völlig Fremdes. Das hieß, dass sie ihren Stolz und ihre Geschichte hinter sich lassen musste. Für was? Für ein wenig Ruhe und ein wenig Freiheit und vielleicht auch… für Liebe. War es das wert? War es das wirklich wert? Sie zog ihren Körper enger zu sich und umschlang ihn ganz, kuschelte sich an die Hoffnung. Kurz musste sie blinzeln, denn ihre Augen begannen zu brennen. Zu langes Starren. Für einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Noch hatte sie sich nicht entschieden, ob sie wirklich das Leben einer anderen leben wollte, ob sie das wirklich konnte. Oder ob sie ihrer Mutter und ihrer Heimatinsel nicht etwas anderes schuldete. Sie wollte es davon abhängig machen, ob er wieder kam. Falls er das tat. Sie glaubte noch immer nicht daran, so sehr sie es sich auch zu wünschen schien. Längst hatte Robin entschieden es in des Schicksals Hand zu legen. Wenn sie es zwei Monate schaffte auf Hayu unentdeckt zu bleiben, dann musste es wohl so sein. Zwei Monate waren riskant genug, wenn man bedachte, dass es ein paar Menschen hier gab, die sie unter dem Namen Robin kannten. Falls sie entdeckt und verkauft wurde, wäre es nur eine dunkle, bittere Bestätigung ihrer Befürchtungen gewesen. Dann wäre Crocodiles Plan geplatzt. Manchmal war sie versucht gewesen, es genauso geschehen zu lassen – nur um ihm zu zeigen, wie falsch er gelegen hatte, wie lückenhaft sein Plan war. Sie wollte ihm die Bestätigung nicht geben über ihr Leben entschieden zu haben und damit alles besser gemacht zu haben. Als hätte sie diese Entscheidung nicht für sich selbst treffen können unter viel besseren Bedingungen. Als hätte sie den Weg der Verschleierung nicht selbstständig gewählt, hätte sie es jemals in Erwägung gezogen. Sie war erwachsen genug, um zu wissen, was sie erwartete, wenn sie sich zu erkennen gab. Sie hatte es schon immer gewusste und dennoch immer in Kauf genommen. Sie wollte nicht sterben. Aber sie war bald hoffnungslos genug, um ihr Leben dem Zufall zu überlassen. Bisher war alles ruhig verlaufen. Niemand schien Verdacht zu schöpfen. Ihr Kopf drückte sich zurück und erneut starrte sie auf das weite Meer. Fünf Jahre, es war fast fünf Jahre her, seit sie das letzte Mal allein auf sich hatte aufpassen müssen. Crocodile hatte immer wie eine Henne über ihr gehangen. Merkwürdigerweise fiel ihr das zum ersten Mal richtig auf. Er hatte seinen Teil der Abmachung sehr ernst genommen. Vielleicht etwas zu ernst. Jeder Gedanke an ihn brachte ihre Gefühle an die Oberfläche, auf ihr Gesicht. Doch inzwischen war es leicht die Gefühle wieder zurück zu drängen. Es hatte nicht sehr lange gedauert, bis Robin wieder die Frau geworden war, die sie vor Crocodile gewesen war, die Frau, die das Leben aus ihr gemacht hatte. Ewig achtsam, misstrauisch, vorsichtig, skrupellos, steinhart. Sie fühlte sich seltsam wohl in dieser Maske, denn sie versprach ihr Sicherheit auf dieser Insel. Die nötige Prise Vorsicht, die sie hier brauchte. Dabei war Hayu wohl von allen Inseln, auf denen sie je gewesen war, die sicherste. Deswegen hatte sie auch immer den Log Post dabei gehabt und deswegen hatte sie auch erneut hier hin gewollt. Obwohl die Erinnerung an das letzte Mal nicht sonderlich glückliche Empfindungen in ihr auslöste. Hier war alles genauso, wie damals. Nichts schien sich verändert zu haben. Es fiel ihr manchmal schwer die Realität von ihren Erinnerungen zu unterscheiden. Wie ein leichter Schleier hingen die Bilder über ihrem inneren Auge. Nico Robin, gerade mal 17 Jahre alt, auf der Suche nach einem Versteck, die Marine dicht hinter ihr. Sie konnte den süßlichen Weichspüler, den die Marine für ihre Uniformen verwendete noch auf ihrer Haut kribbeln spüren, roch ihn über Meter hinweg. Damals war sie einem der Kriegsschiffe entkommen. Schon gefesselt und richtig verschnürt, wie ein Weihnachtspäckchen für die Weltregierung. Ein Geschenk an den ehrenwerten Großadmiral Senghok, einer der wenigen Männer vor dem Robin die Knie schlotterten. Damals hätte er sie wahrscheinlich exekutieren lassen, wenn das Schiff angekommen wäre. Nicht weil sie Archäologin war, sondern die Tochter einer schwerkriminellen Frau. Er war vielleicht einer der wenigen Männer, die sie lieber tot sahen, als ihr Wissen zu nutzen. Doch nicht zum ersten Mal hatte Robin der Marine ein Schnippchen geschlagen und war entkommen. Knapp. Hayu war genau der richtige Ort gewesen, um eine Weile unterzutauchen. Piraten, Händler, ein paar vereinzelte Kopfgeldjäger, aber niemand, der ihr wirklich gefährlich werden konnte. Hayu war eine Ruhestation, es war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetzt, dass hier keine Kämpfe auszubrechen hatten. Niemand regierte über diese Insel, aber die Einwohner waren exentrisch und freiheitsliebend genug, um jegliche Entwicklungen dieser Art im Keim zu ersticken. Ein richtiger Zufluchtsort. Man wurde nicht zweimal angeschaut, keiner würde sie hier verdächtigen. Ihr Weg hatte sie, nachdem die Minerva immer kleiner geworden war, weiter durch die bunten Straßen geführt und sie hatte das Geschrei des Tages auf sich wirken lassen. Immer wieder hatte sie daran gedacht, wie sehr es Bon hier gefallen würde. Das war das Richtige für den ausgeflippten Vogel. Bunt und laut und durchgeknallt. Sie konnte es noch immer nicht richtig fassen, dass er Offizier Esche gewesen war; der Mann, der sie ins Wasser gestoßen hatte. Dabei hatte sie seine Fähigkeiten nie unterschätzt und hatte es doch nicht einmal einen Moment in Betracht gezogen. Es war schwer zu glauben, dass er es fertig gebracht hatte über Wochen hinweg jemand Fremden, ihm so unähnlichen Menschen zu spielen. Nur für sie, nicht wahr? Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Es erinnerte sie zu sehr, an das, was nun von ihr erwartet wurde. Menschen waren um sie herum gehampelt, überall brüllte jemand Touristen näher an seinen Stand, erinnerte an diverse Veranstaltungen, die am Abend stattfinden sollten. An jeder dritten Ecke hatten die Leute um Bilder oder Skulpturen gefeilscht. Eigentlich auch die richtige Insel für Gal und Iroko, so kunstvernarrt wie die beiden waren. Obwohl sie Iroko wohl nie wieder sehen würde. Sie fragte sich, wie es ihr ging. Müde schloss Robin die Augen und versuchte nicht ständig an die Crew zu denken. Stattdessen ging sie noch einmal die letzten Tage und Wochen in ihrem Kopf durch, wollte alles noch einmal auf sich wirken lassen. Sicher gehen, dass sie nichts falsch gemacht hatte. An dem Tag, an dem sie sie hier zurück gelassen hatten, war sie schnurstracks durch die Stadt gewandert. Sie hatte ein bestimmtes Ziel gehabt. Ein kleiner Pub mit einer ewig knarrenden und quietschenden Tür. Als sie eintrat, hatte sie eine Frau begrüßt, die noch genauso aussah wie vor über zehn Jahren. Wie immer hatte diese Frau die letzten Bierflecken von dem dunklen Holz des Tresens gewaschen und ihr mit ihrem zahnlosen Gesicht entgegen gegrinst. Walrada hatte sie sofort erkannt. Sie war die Besitzerin der kleinen Kneipe. Sie hatte kaum noch Zähne, schütteres, graues Haar und auffällig hängende Brüste. Und zu guter letzt, das was Robin so an ihr schätze: ein Herz für junge Frauen in Not und scheinbar wenig Neugier. Sie hatte Robin auch damals Schutz geboten, ohne je zu fragen wovor und wieso. Auch dieses Mal hatte sie ihr ohne nachzufragen ihre Gastfreundlichkeit angeboten und ihr eine kleine Zimmernische im Hinterhaus gegeben. Ein perfekter Ort um allein zu sein. Nachzudenken. Robin erinnerte sich, dass Walrada sie den ganzen Abend belagert hatte und in ebenjener Nische mit ihr guten Whiskey getrunken hatte. Scheinbar war sie sehr einsam geworden, denn sie erzählte viel von sich und was ihr in den letzten zehn Jahren passiert war. Robin lauschte geduldig und höflich und musste oft an ihre eigene verzweifelte Situation denken. Der Abend war lang gewesen und gerade als sie Walrada in ihr Bett hatte bringen wollen, ehe sie die zweite Flasche hatte aufmachen können, fing sie mit Lycra an. Zwar hatte Robin gewusst, dass sie diesem Kapitel ihres Lebens gerade hier auf seiner Heimatinsel nicht entgehen konnte, aber es hatte sie dennoch erschrocken. Die alte Frau erzählte ihr, dass er oft zu ihr gekommen war und sich viel zu viel Alkohol eingeschenkt hatte. Und stets war nur eines sein Thema gewesen: sie. Er hatte immer nur über sie geredet, wie sehr Robin ihm fehlte. Das hatte ihr einen schmerzhaften Stich in die Brust gerammt. Lycra war der erste und für lange Zeit der einzige Mann gewesen, dem sie sich anvertraut hatte. Es musste wohl Schicksal gewesen sein, dass sowohl er als auch Crocodile eben dieses Vertrauen in kleine Stücke gerissen hatten, wenn auch auf gänzlich unterschiedliche Weisen. Langsam richtete sich Robin wieder auf und blickte ein letztes Mal auf das Meer, ehe sie sich umdrehte und zurück in die Stadt schlurfte. Auch heute kein Zeichen von ihnen. Sie war es leid jeden Tag enttäuscht zu werden, aber sie konnte sich nicht davon abbringen nachzusehen. Der Weg in die Stadt war lang und ruhig, führte sie durch einen bunten Eichenwald. Rot, Gelb und Grün schimmerte hier aus jedem Kronendach entgegen und ein kühler, nussiger Wind zerzauste ihr Haar, sobald er von ihm Besitz ergriff. Nicht lange jedoch schützte sie das Bunt des Waldes, ehe sie in enge Pflastersteingassen gelang, die sich wie Schlangen bis zum Marktplatz wanden. Es war so voll und gedrungen auf den Straßen, dass sie kaum beachtet wurde. Hayu war eine Insel der Freigeister, eine Stadt der Künste und des Geistes. Sein Juwel war der Theaterkahn, ein komplettes Schiff mitten auf dem größten Markplatz, das seine Luken für Zuschauer und Kunstlieberhaber öffnete. Es war eines der beliebtesten Ausflugsziele für Touristen und brachte der Stadt eine Menge Geld ein. Es war sein Zuhause. Lycra war sein berühmtester Schauspieler, dabei war er nicht einmal ein guter. Aber er gab dem Publikum, was es wollte: eine richtige Show. Es war nicht so, dass sie Hayu wegen ihm gewählt hatte. Sie hatte nicht das geringste Verlangen ihn wiederzusehen. Sie hatte die Insel gewählt, weil sie sich hier halbwegs unbeobachtet fühlte. Weil sie schon einmal unerkannt hier gelebt hatte, wenn auch nur für recht kurze Zeit. Und doch länger als auf irgendeiner anderen Insel – Arabasta ausgenommen. Außerdem kannte sie diese Insel wie ihre Westentasche. Die Gefahr ihm über den Weg zu laufen, war groß, aber obwohl unangenehm, nicht wirklich gefährlich. Lycra war der einzige Mensch, der genau wusste, wer sie war und sie doch niemals verraten hatte. Zumindest das musste sie ihm zugestehen. Plötzlich wurde sie von der Seite angehalten. Ein kleiner, etwas untersetzter Mann mit einem eigenwilligen gelben Bart starrte ihr entgegen, das Grinsen so fett, dass es irre wirkte. »Hey Miss, wie wäre es mit einem Portrait? Wollen Sie Ihre Schönheit nicht auf ein Stück Leinwand bannen lassen? So werden Sie niemals alt!« »Nein danke.« erwiderte sie mit einem kalten, aber freundlichen Lächeln, das ihn auf der nötigen Distanz hielt. Ohne auf eine Reaktion zu warten, lief sie weiter. Der Mann war schon bei seinem nächsten potenziellen Kunden. Sie musste sich keine Sorgen machen. Der Kerl hatte sie schon wieder vergessen. So lief das auf Hayu. Niemand schenkte ihr sonderlich Beachtung. Sie war genauso unscheinbar, wie jede andere Person auch. Obwohl sie wusste, dass sie das niemals wirklich sein würde. Nicht einmal mit Perücke. Etwas, das sie Crocodile wirklich zu Gute halten musste, war die Tatsache, dass sie sich in seiner Nähe selten beobachtet oder allein gelassen gefühlt hatte. An seiner Seite war sie sich wie unsichtbar vorgekommen. Als hätte er sie einfach unten seinen langen, dicken und weichen Mantel gesteckt und sie nur durch eine Umarmung von der Außenwelt abgeschirmt. Bei ihm hatte sie sich wirklich sicher gefühlt. Immer. Robin wusste nicht ganz, wo ihre Füße sie hinbrachten, doch als sie den großen Kahn inmitten des Marktplatzes sah, stockte sie. Irritiert blieb sie stehen und musterte das Schiff, dessen Fassade schon so lange kein Wasser mehr gesehen hatte, dass der Muschelkalk säuberlich abgeschabt und das darunter liegende Holz leuchtend neu angestrichen worden war. Warum war sie hier? Sie wollte Lycra nicht sehen. Sie befürchtete, dass sie ihm dann ernsthaft weh tun würde. Und doch war sie neugierig, was er aus diesem alten Schiff gemacht hatte. Neugierig, was die Leute über ihn sagten und worüber seine Stücke handelten. Vielleicht hatte ihn ein Jahrzehnt ja doch geändert. Vielleicht – aber wahrscheinlich nicht einen müden Deut. Sie kämpfte sich ihren Weg durch die Massen und fand sich schließlich vor dem Schiff wieder, das fest in der Stadtmitte auf dicken Barren stand, kein Wasser weit und breit. Dafür war das Schiff aber noch immer eindrucksvoll. Es besaß sechs Masten, gewaltige Segel, die immer dann aufgespannt waren, wenn gerade eine Aufführung stattfand, einer massigen Takelage und ein weites Deck. Unter Deck war es sicherlich noch geräumiger. Das Schiff wurde von über fünfzig Menschen beheimatet, einer Bühne und einem Publikumssaal, in den fast dreihhundert Gäste passten. Der war schon damals immer annähernd voll gewesen und wenn man Walrada glauben konnte, dann wollte Lycra sogar noch ausbauen. Auch um diese Uhrzeit befand sich eine Schlange vor dem Theater, das Geschnatter fast ohrenbetäubend. Robin hatte die Plakate gesehen und Lycra war kaum zu übersehen gewesen. Er sah immer noch gut aus, wenn nicht sogar besser als damals. Auf dem Bild konnte man seine Größe nicht erkennen, aber er hatte sie schon damals überragt, auch wenn er wohl nicht so groß war wie... Jedes Mal, wenn ihre Gedanken zu Crocodile schwanken wollten, stoppte sie sich, ehe sie den Namen auch nur gedacht hatte. Lycra war groß, schlank, aber nicht schmächtig. Die Bühne hielt ihn fit, hatte ihn mit Läufermuskeln ausgestattet. Neben seinem hellbraunen Haar und den giftgrünen Augen, war sein Markenzeichen der alte Piratenhut, den er auch heute fast nie abgesetzte. Nur eine seiner Marotten. Auf den Postern trug er einen kurzen Dreitagebart, früher hatte er sich immer glatt rasiert. Ein bisschen penibel war er gewesen. Er wirkte so viel erwachsener, aber Robin wusste, dass das täuschte. Nur für einen kurzen Moment überlegte sie sich wirklich sich eines seiner Stücke anzusehen. Aber sie kannte Lycra. Er würde sie sofort erkennen, aus der Masse heraus riechen, wittern. Er war wie ein Hund, der niemals losließ, wenn er sein Opfer gepackt hatte. In diesem Sinne war ihre Auswahl an Männern sich scheinbar sehr ähnlich. Doch der Vergleich zwischen ihm und Crocodile kam ihr lächerlich vor. Sie waren wie Tag und Nacht, unterschiedlicher ging es kaum noch. Das Einzige, was sie wirklich gemeinsam hatten, war sie selbst, Robin. Gerade wollte sie sich abwenden, als jemand ihren Namen rief. Stocksteif blieb sie stehen und eine zermürbende Unruhe begann sich in ihrem Körper auszubreiten. Jemand versuchte sich durch die Menge zu ihr durchzudrücken und als sie den blonden Schopf erkannte, seufzte Robin wie schon so oft an diesem Tag, in diesen letzten Tagen. Die große Frau, die sich ihr nun in den Weg stellte, war lediglich Jelena, Lycras ältere Schwester. Diese stützte ihre Hände auf ihre Hüften und warf der Archäologin einen wütenden Blick zu. »Das du dich noch mal hier her traust. Nach so vielen Jahren! Was willst du hier, huh? Noch mal in Lycras Herz stechen?« Hundertzwanzig Kilo schwesterlichen Beschützerinstinkts schwabbten Robin nun entgegen und sie ermahnte sich zur Vorsicht. Jelena hatte ihren Bruder und sich allein durchbringen müssen, hatte ihn quasi aufgezogen, nachdem ihre Mutter gestorben war. Jelena und sie waren fast so etwas wie Freunde gewesen, damals, bevor Robin Halsüberkopf verschwunden war. Robin setzte gar nicht erst zu Erklärungen an, hatte nicht das Bedürfnis Jelena die Umstände zu erklären. Stattdessen nur dieses kalte, scheinbar freundliche Lächeln, das sie für jeden parat hatte. »Hallo, wie geht’s dir Jelena?« »Wie es mir geht?! Ich kann mir noch heute das Gejammer anhören! Was willst du hier, verdammt?!« »Gar nichts, glaub mir. Ich war nur neugierig, was ihr aus dem Kahn gemacht habt. Ein neuer Anstrich, neue Segel und um einiges mehr Kundschaft, nicht?« Jelena schnaubte. »Allerdings. Wir haben ordentlich zugelegt, sind richtig reich geworden.« Ihr Blick verfinsterte sich. »Bist du deswegen hier, du Goldgräberin?« »Nein, keine Sorge. Ich komme alleine über die Runden.« Genau genommen hatte sie die letzten paar Jahre im Luxus gelebt, aber das band sie der Blondine nicht auf die Nase. Diese schien ihr nicht zu glauben, schnaufte nur wieder verächtlich. »Lycra ist hinter der Bühne, wenn du ihn suchen solltest. Aber ich warne dich, tust du ihm noch mal so weh, werde ich diesmal dir wehtun.« »Dazu bin ich nicht hergekommen und ich würde es schätzen, wenn du ihm nicht erzählst, dass ich hier war. Denk von mir einfach, als wenn ich tot wäre.« »Ha! Kein Problem.« Wütend wandte Jelena sich wieder ab und ließ Robin allein zurück, die mittlerweile schon von den Besuchern beobachtet wurde. Robin drehte sich lächelnd zu ihnen, verbeugte sich kokett. »Nur ein Vorgeschmack.« Und bekam prompt Applaus. Besser sie fiel nicht weiter auf. Es war nun schon zwei Monate her, seit sie die Minerva verlassen hatte. Sie half Walrada in ihrem Pub aus, so gut sie konnte. Beschützte sie vor allzu aufdringlichen Gästen, wusch in der Küche die Gläser und half ihr am Ende des Abends aufzuräumen. Es machte ihr nichts aus. Sie hatte Walrada einiges zu verdanken und obwohl sie ihr nie gesagt hatte wer sie war, sah sie eine Freundin in der alten Frau. Sie hoffte, sie erfuhr es niemals. Die Kneipenbesitzerin war nett zu ihr und hilfsbereit, aber genauso geldgierig wie jeder andere, der in diesen Teil der Stadt kam. Zu ihrem Glück schien niemand sie zu erkennen. Zu ihrem Vorteil standen die Leute hier unter einem konstanten Drogenkonsum und konnten sich kaum an ihre eigenen Namen erinnern. Zwei Monate war sie nun schon hier. Und von Tag zu Tag verlor sie ein kleines Stück ihrer so kostbaren Hoffnung. Nichts hatte sie von ihnen gehört. Kein Wort in der Zeitung, kein Tratschen zwischen den Menschen. Nichts. Sie wusste nicht, ob sie lebten oder ob sie längst tot waren und ob sie überhaupt vorhatten sie abzuholen. Es lag doch nahe, nicht wahr? Sie hatten Robin einfach nur los haben wollen und sie hier abgesetzt. So hatten sie ihre Ruhe. So hatten sie ihr ein schönes Abschiedsgeschenk gegeben. Ein Leben in trauriger, unwirklicher Freiheit. Sie versuchte sich abzulenken, doch es gelang ihr nur schwerlich. Selbst die Bücher, die sie verschlang, waren nicht genug um ihre Ängste im Zaum zu halten. Immer wieder musste sie an sie denken und es stumpfte sie ab. Nicht zum ersten Mal in diesen Wochen zog sie das kleine Stück Papier aus der Tasche, das sie dort so sorgfältig aufbewahrte. Vorsichtig entfaltete sie es, bis es fast so groß war wie eine Landkarte von Hayu. Es war das Einzige, was sie aus Irokos Zimmer mitgenommen hatte, bevor sie die Minerva verlassen hatte. Iroko hatte ihn gemalt. Es war vermutlich nicht lang nach Kokoroshima entstanden, denn es zeigte Crocodile genauso, wie Robin sich einbildete, dass es in ihm aussah. Nach dieser nebligen Insel war es Iroko gewesen, die ihren Captain durchschaut hatte. Nein, durchschaut hatte das Kind sie alle wohl schon von Anfang an. Robin kannte sonst niemanden, der solch einen Blick für Menschen hatte, wie dieses kleine Mädchen. Auf dem Bild stand Crocodile in der Wüste, umgeben von nichts weiter Lebendigem als sich selbst. Ein Teil seines Körpers löste sich in dem Sandsturm auf, der um ihn herum wütete. Seine ganze Haltung ließ Gefahr erkennen, die Aura, die Iroko auf irgendeine Weise eingefangen hatte, drückte sich einem regelrecht auf das Gemüt. Darin lag kein Mitleid, keine Vorsicht. Es war Crocodile. Aber das war nicht das, was Robin sich ständig ansah. Es waren seine Augen, nur seine Augen. Wie hatte Iroko das nur gemacht? Der Blick war hart, ließ keine Ausreden zu, wirkte abgrundtief böse, aber da war noch mehr. Einsamkeit. Sehnsucht. Verlangen. Etwas in seinen Augen sprach zu ihr, rief förmlich nach ihr. Wie jedes Mal wenn sie das Bild betrachtete, vergass sie ihre Umgebung, fiel ab, verlor sich in seinen Augen. So lebensecht und doch irgendwie fiktiv. So hatte sie ihn fast noch nie gesehen. Aber es erinnerte sie an seinen letzten Blick. Galt diese Sehnsucht ihr? Spürte er eine Einsamkeit, die nur sie füllen konnte? Noch mehr Zeit verging. Es war eine weitere Woche später, als Robin in einem der Cafés saß und neben dem obligatorischen Kaffee eine Zeitung laß. Das hatte sie bisher jeden Tag getan, vor allem die Sektion über marineinterne Informationen. Dieses Mal jedoch stockte sie ganz heftig. „Offizier Esche, süd-westliche Division Quom, unehrenhaft aus dem mariternen Dienst entlassen.“ Für einen langen Moment konnte sie nicht atmen, japste nach Luft wie ein Fisch unter Wasser. Bon. Das war Bon! Hastig laß sie weiter. „Nach der misslungenen Festnahme der seit mehr als 20 Jahren gesuchten Piratin Nico Robin wurde nun mittgeteilt, dass Hansolo Esche vorzeitig aus dem Dienst entlassen wurde. Bei der Übergabe der bekannten Verbrecherin“ daneben war ein Bild von ihr abgedruckt. Acht Jahre alt, ein Neueres hatten sie von ihr nie bekommen, „bei der diese ums Leben kam, musste sich Esche einer langüberflüssigen Untersuchung durch den höchsten Rat seiner Division unterziehen. Dabei zu Tage traten seine angehäuften Vergehen und Missachtungen gegenüber oberesten Befehlshabern und ein Verhalten wie Admiral Aka Inu es zutreffend als 'nicht länger tolerabel' bezeichnete. Schon in den nächsten Tagen soll sein Nachfolger ernannt werden. Esche hat sich zurückgezogen und verweigert jedes Interview.“ Die Augen schließend lehnte Robin sich in ihrem Stuhl zurück. Ein erleichterter Seufzer rutschte aus ihrer Kehle. Bon war also auf dem Weg aus dieser Sache hinaus. Sie wollte gar nicht wissen, was mit dem echten Esche passiert war, aber die Vergehen, von denen der Artikel sprach, konnten kaum allein auf Bon zurück zuführen sein. Scheinbar hatte Crocodiles alte Bekannte gute Arbeit geleistet und genau den Richtigen für Bons Pseudonym ausgewählt. Überraschen tat sie das nicht. Crocodile hätte sie kaum um Hilfe gebeten, wenn er ihr nicht vertraut hätte. Ein bisschen neugierig machte sie das schon. Doch sie weigerte sich länger darüber nachzudenken. Sie wusste ja noch nicht einmal ob er überhaupt zurück kam. Sie legte die Zeitung zur Seite und öffnete nicht zum ersten Mal an diesem Tag die kleine Spieluhr, die sie mitgenommen hatte und in welcher ihr kleines Geheimnis steckte. Ein Ohrring, den sie aus dem grünen Edelstein, den sie damals in dieser Schatulle auf der Affeninsel gefunden hatte, hatte schmieden lassen. Der Ohrring, den sie Crocodile hatte geben wollen, schon seit sie auf Wataru Elisa hinter sich gelassen hatten. Er trug ihn noch immer. Den goldenen Ring, den er sich mit dieser Frau gekauft hatte, der sie jedes Mal wieder an die Zigeunerin erinnerte. Nach Arbasta hatte Robin den Entschluss gefasst ihn zu ersetzten, sofern er das zuließ. Und auf Quom hatte sie einen Schmied aufgesucht. Das, was von dem Stein übrig geblieben war, war gleichsam die Bezahlung gewesen. Den Rest hielt sie nun in der Hand und betrachte den kleinen grünen Reif, der munter in der Sonne glitzerte. Er war noch mehr wert, als das Kleid, dass Crocodile ihr auf Arabasta geschenkt hatte, mehr als sein ganzes Casino. Der letzte Stein dieser Art. Sie hatte ihm niemals die Geschichte zu der Burg auf der Affensinsel erzählt und sie hatte es auch nicht vor. Den Mund zu einer harten Linie verzogen, legte sie den Ring zurück in das Kästchen und schloss es wieder. Vielleicht würde sie ihn ihm geben, falls er wieder kam hieß das. Viel wahrscheinlicher jedoch war, dass sie ihn in den Tiefen des Meeres versenkte. So wie er Nico Robin. So wie er ihre Liebe für ihn versenkt hatte. Gerade wollte sie den letzten Schluck Kaffee austrinken, als sie eine Stimme hörte, die ihr Blut zum gefrieren brachte. Es war weder Walrada noch Jelena, nicht irgendein anderer alter Bekannter, sondern Lycra. Widerwillig und mit einem bitteren Geschmack im Mund blickte sie auf und sah wie er näher kam. Sein Schritt war selbstsicher und direkt, die Augen auf sie gerichtet und das Lächeln so breit, dass man Angst bekommen musste, gefressen zu werden. »ROBIN!« schrie er glücklich und hielt vor ihr, packte sie bei den Armen, zog sie nach oben und an seine Brust und nahm ihr dabei den Atem. »Gott! Du bist wieder da!« Und dann im nächsten Moment presste er seine Lippen auf ihre, dass sie überrascht aufkeuchte und steif gefror. Er küsste sie wieder und wieder, bis sie ihm, außer sich, beide Hände auf die Lippen legte und ihn von sich stieß. Er schien es kaum zu bemerken, schmiegte deinen Kopf gegen ihren. »Du siehst noch besser aus, als damals. So wunderschön. Man, ich hab dich so vermisst. Ich konnts kaum glauben, als ich dich eben erkannt habe!« In seiner Stimme lag ein seltsamer Ton. Es schwang förmlich in ihr weiter und mit jeder Silbe riss sie ihre Augen weiter auf. Etwas stimmte nicht mit seiner Stimme. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Wütend schubste sie ihn von sich. »Fass mich nicht an!« Seine grünen Augen scannten jedes noch so kleine Stück an ihr, hielten schließlich bei ihren Augen inne. »Hey, du siehst ganz schön müde aus. Ist wieder jemand hinter dir her?« Fuchsteufelswild zog sie ihn hinter sich her, bis sie etwas abseits standen. »Red nicht so laut! Spinnst du? Und nein, niemand. Außer dir vielleicht. Was soll das überhaupt? Was glaubst du was du hier machst?« »Was schon? Ich wohne hier, falls du das vergessen hast. Seit wann bist du denn wieder da?« »Das geht dich gar nichts an. Bilde dir nicht ein, dass ich wegen dir hier bin. Ich brauchte nur ein gutes Versteck, mehr nicht. Und ich bleibe auch nicht mehr sehr lange.« Hoffentlich. Lycra konnte seine Finger kaum von ihr lassen. Sie war noch größer geworden und man, nicht nur ihre Beine waren gewachsen. Bei dem Ausschnitt fielen ihm bald die Augen aus dem Kopf und er konnte das angenehme Kribbeln kaum ignorieren, das seine Lenden entlang glitt. Es war wirklich schwer nicht gleich über sie herzufallen. Er hatte sie so sehr vermisst. »Von allen Insel suchst du dir also genau die aus, auf der ich lebe? Natürlich, Baby. Komm schon, du kannst ruhig zugeben, dass du mich vermisst hast.« »Habe ich nicht.« Sie wandte sich ab, griff nach ihrer Schatulle und begann sich von ihm zu entfernen. Er folgte ihr, wie sie befürchtet hatte. Immer wieder presste er sich an sie, wohlweißlich, dass sie sich in der Öffentlichkeit gegen ihn kaum wehren konnte. Er wusste schließlich wer sie war und wie früher nutzte er ihre Vorsicht maßlos aus. Vielleicht hatte er sich äußerlich verändert, aber er war noch immer der gleiche Lycra, der Robin die Unschuld genommen hatte. Mit und ohne ihrem Einverständnis. Dass die Marine an ihr klebte, interessierte ihn nicht die Bohne und das war auch der einzige Grund, warum er noch lebte. Nicht, dass ihm das klar war. Wieder und wieder fuhren seine Hände über ihren Hintern, drückten sich leicht gegen ihre Brüste oder griffen nach ihrem Haar. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe. Nach deinem Gesicht, nach deiner Stimme, oh und nach diesem heißen Teil, was du Körper nennst.« Angewidert versuchte sie immer wieder ihn von sich zu schubsen, was sich in dem Gerangel auf den Straßen leichter anhörte, als es war. Sie hätte auch ihre Kräfte einsetzten können, aber nur eine Frau hatte solche Fähigkeiten und diese war offiziell tot. Nicht, dass Lycra Zeitung lesen würde. Sie wusste ja nicht mal, ob er überhaupt lesen konnte. Er hatte sie immer damit aufgezogen, mit ihren Büchern, mit ihren Ambitionen. Vielleicht hatte sie deswegen niemals mehr für ihn empfunden. Crocodile hatte sich auch oft über sie lustig gemacht, aber er hatte ihre Träume niemals verlacht, hatte sie nie für ihre Wünsche verspottet. Ganz im Gegenteil. »Hör auf mich zu betatschen.« kam es kühl von ihr, doch er ließ und ließ nicht locker. Sie war zickig, aber das kannte er schon. Man musste bei ihr am Ball bleiben, bis sie eine Lücke ließ, die man ausnutzten konnte. Er war wirklich scharf auf sie. Schließlich hielt er sie wieder an und versuchte sie erneut zu küssen, was ihm eine heftige Ohrfeige einbrachte. »Das ist die letzte Warnung, Lycra!« Nun knurrte er erregt und drückte ihr Becken gegen seines. »Sonst was? Willst du mich auf offener Straße angreifen? Wir wissen doch beide, dass das nicht dein Stil ist.« Es knackte heftig, als sie ihm die Kante des Kästchens gegen die Schläfe knallte und davon rannte. Im ersten Moment war er orientierungslos und rieb sich die pochende Stelle an seiner Stirn, ehe er ihr nachhetzte. »Oi! Du kleines Miststück!« Sie rannte nicht gerade um ihr Leben, aber das hieß nicht, dass es nicht Panik war, die in ihrem Blut wallte. Panik vor dem, was er ihr schon einmal angetan hatte. Sie suchte eine Stelle, wo sie mit allein sein würde. Und wenn er sie dann wieder berührte, würde sie ihm wehtun. Sie hatte zuviel erlebt, zu viel durchgemacht, als dass sie zulassen würde, dass sie jemand jemals wieder auf diese Art berührte. Er würde sie niemals mehr so anfassen, niemals mehr nah kommen. Niemand durfte das. Niemand außer Crocodile. Aber der war nicht hier. Der konnte ihr nicht helfen. Sie musste allein gegen die Dämonen ihrer Vergangenheit kämpfen, sich endlich entscheiden. Nur das bisschen erhalten gebliebener Dankbarkeit dafür, dass er sie nie verraten hatte, sie akzeptiert hatte, hielt sie noch zurück. Eine ganze Weile floh sie so vor ihm durch die Massen von Menschen, bis sie der Atem verließ und sie zu einem schmerzhaften Halt kam. Seitenstechen blockierte ihre Flucht. Hastig blickte sie sich nach Lycra um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Hatte sie ihn tatsächlich abgehängt? Keuchend beugte sie sich nach vorn und versuchte ihr Gehirn mit etwas mehr Sauerstoff zu versorgen, als ihr Blick auf ein paar Schuhe fiel. Schuhe, die sie viel besser kannte als sie je für möglich gehalten hätte. Schwarze, fein polierte Schuhe, die ihr gleich wieder den Atem nahmen. Sie riss ihren Blick nach oben. Sie halluzinierte. Sie sah Crocodile. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)