Die Geister die wir riefen... von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 43: ------------ Nach Kenny war Ray in den Verhörraum geführt worden. Er war wie gerädert aufgestanden, denn als hätte Kai es gewusst, wurden sie tatsächlich, jeder einzeln, in verschiedene Räume bestellt. Es fühlte sich wie ein Faustschlag in die Magengrube an, vor allem als sie mitansehen mussten, wie der ergraute Inspektor, der zuvor Tyson befragt hatte, ausgerechnet zuerst mit Kai sprechen wollte. Zuvor saß Ray noch in seinen Stuhl versunken, doch sobald sie diese Botschaft ereilte, hob er sich kerzengerade hoch. Er hatte Max neben sich laut Keuchen hören. Dann war Ray aufgesprungen und fragte, ob er nicht mitkommen könne, weil es Kai nicht sonderlich gut gehe, doch der Inspektor schnalzte nur missbilligend und entgegnete grimmig, dass das hier kein Wunschkonzert sei. Seine Frage machte ihn wohl verdächtig, denn die Blicke der beiden Beamten, die sie im Flur überwacht hatten, richteten sich ab da an auf ihn. Kai hob dagegen nur die Hand in seine Richtung, sah den Inspektor dabei ernst an. Er blieb gefasst. Unglaublich gefasst… Es erinnerte seine Freunde wieder an sein altes Selbst. Dann nickte er und fragte, ob jemand seine Schwester beaufsichtigen könne, so lange er seine Aussage machte. Jana hatte sofort einen dicken Schmollmund gezogen, sobald sie seine Worte vernahm und sich darüber brüskiert, dass sie lieber bei ihrem großen Bruder bleiben wolle, bis eine hübsche – und auch ziemlich unerfahren wirkende – Polizistin ihr den Vorschlag unterbreitete, einmal mit einem richtigen Polizeiauto zu fahren. Da leuchteten ihre Augen auch schon und sie ließ endlich von Kai ab, um aufgeregt mit der jungen Frau mitzugehen. Den ganzen Weg durch den Flur hopste das Mädchen munter umher und trällerte ein Freudenliedchen. Ray hätte in jenem Moment alles dafür gegeben, um ihre Sorglosigkeit zu besitzen, denn mit jedem Schritt, den Kai sich von ihnen entfernte, hatte er das Gefühl gehabt, das sie ziemlich in der Klemme steckten. Alle in der Gruppe sahen ihm geschockt nach - bis die Tür hinter ihm zu glitt. Von da an kaute Kenny auf seinen Fingerkuppen, da er seine Nägel schon komplett abgenagt hatte. Nachdem Kai verschwunden war, kam jener Beamte zu ihnen, der sie gleich zu Anfang erkannte. Er stellte sich noch einmal vor, dieses Mal aber mit dem Namen und bat Mr. Kinomiya darum, ihm für eine kurze Unterredung zu folgen. Der alte Mann hatte auf seine Knie geklopft bevor er ging. „Na dann bin wohl ich gefragt...“ Erst dann erhob er sich schwerfällig, dabei wirkte er recht ratlos. Keiner von ihnen wusste, was sie nun erzählen sollten, da Kai ihnen doch gesagt hatte, dass er einen anderen Plan, für das Eintreten des jetzigen Falles, im Sinn hatte. Sich großartig besprechen konnte sie sich auch nicht mehr, da sie ständig überwacht wurden. Vor allem dieser Texas Ranger Verschnitt, kreiste um sie herum wie ein Aasgeier. Der Rest der Gruppe blieb also stillschweigend zurück, jeder in seine Gedanken vertieft und irgendwann hatte Max in die Runde gefragt, weshalb Hana noch nicht aufgetaucht sei. „Wir sind ziemlich weit gelaufen, nachdem wir uns entschieden haben, das Auto abzustellen.“, erklärte Kenny. „Mir kam es vor, als hätten wir bei der Suche nach Tysons Großvater, die halbe Stadt durchquert.“ „Hast du ihre Nummer?“, wollte er noch wissen. „Nein. Daran habe ich nicht gedacht.“ „Sie kann uns jetzt ohnehin nicht mehr helfen. Wir müssen da alleine durch.“, Ray hatte die Arme vor der Brust verschränkt und argwöhnisch, aus den Augenwinkeln heraus, zu ihren beiden Bewachern geschielt. „Vertrauen wir auf Kai…“ „Und seine Aussetzer? Er sagt doch selbst dass er sie nicht kontrollieren kann?“ „Wir müssen ihm vertrauen.“, betonte er noch einmal deutlicher. Danach wurde es wieder ruhig zwischen ihnen, bis die Tür zum Verhörraum aufging, indem Mr. Kinomiya verschwunden war. Ray mochte sich irren, doch ihm kam es vor, als sei bereits eine Stunde vergangen, doch es gab keine Uhr hier. Es bereitete ihm Sorgen, das Kai noch nicht herausgekommen war, wo er doch zuerst aufgerufen wurde, aber dieser Ort war ja auch keine Fast Food Kette. Wer zuerst kam musste nicht zuerst bedient werden. Zu ihrer Überraschung wurde Kenny als nächstens aufgerufen. Er hatte ein ersticktes Quieken von sich gegeben, wie ein Ferkel das man an den Füßen packte und schüttelte. Dann wollte er mit zitternder Stimme wissen, weshalb seine Aussage nun auch wieder erforderlich sei. „Es interessiert den Oberinspektor, wie sie ihre Freunde gefunden haben, wo sie doch zuvor so standhaft behauptet haben, ihren Aufenthaltsort nicht zu kennen.“ Ein kühles Lächeln lag um die Mundwinkel des Beamten. Falls überhaupt möglich, wurde Kennys Gesicht in jenem Moment noch fahler. Als er sich erhob, wirkten seine Knie so wacklig, dass man hätte meinen können, er falle gleich in Ohnmacht. Sein Gang war taumelig, doch irgendwie brachte er die Kraft auf, dem Beamten in den Verhörraum zu folgen. Gleich darauf wurde Mr. Kinomiya von ihnen weggeführt. Auf die Frage, wohin er gebracht wurde, meinte der Polizist nur knapp: „Zu seinem Enkel…“ Damit entschwand auch der alte Mann aus dem Flur. Die Reihen schienen sich immer weiter zu lichten. „Das machen die doch nur, damit wir uns nicht absprechen.“, murmelte Max misstrauisch. Ray hatte bedeutungsschwer genickt, obwohl er Mr. Kinomiya nicht verdenken konnte, dass er seinen Enkel sehen wollte. Sie saßen wahrhaftig auf glühenden Kohlen und die Tür in den Verhörraum, in welchen Kai geführt worden war, wollte sich einfach nicht öffnen. Es war die reinste Folter. Als sie irgendwann doch einmal aufgestoßen wurde, kam nur ein weiterer Beamter heraus. Er drückte einem seiner Kollegen eine Notiz in die Hand und bat darum, diese Information umgehend überprüfen zu lassen. Offenbar hatte Kai etwas gesagt, dessen Richtigkeit noch geklärt werden musste und schon eilte der Beamte davon. Ray fragte sich, ob es den Standort des Kamins betraf. Innerlich flehte er zu allen erdenklichen Gottheiten, dass sich Kai noch an die Einrichtung erinnerte – zumindest das was sie ihm über die Bibliothek erzählt hatten. Ständig huschten ihre Blicke zur Tür, doch von da an, tat sich eine weitere Ewigkeit nichts. Der Einzige der wieder zum Vorschein kam war Kenny. Wie betäubt kam er heraus, war auf seine Freunde zugeschwankt und ließ sich mit leichenblassem Gesicht, auf den Bänken im Flur neben ihnen nieder. „Ich glaube ich brauche einen Anwalt…“, war das Erste was er sagte. „Warum?!“, kam es gleichzeitig zurück. „Die haben so komisch reagiert, als ich ihnen gesagt habe, dass ich mich in das System des Krankenhauses gehakt habe. Er meinte das grenze bald an hochgradigen Datendiebstahl – selbst wenn ich aus guten Absichten gehandelt habe.“ Ray wollte schon verblüfft fragen, weshalb er das auch getan hatte – immerhin kannte er noch nicht die Vorgeschichte dazu – da wurde er jedoch aufgerufen und von Inspektor Kabayashi, in den Verhörraum geführt. Zu seinem Argwohn folgte ihm auch der Beamte mit dem kantigen Gesicht. Rays letzter Blick galt seinen Freunden, die ihm beunruhigt nachschauten. Max winkte ihm zaghaft zu. Kurz darauf schloss sich schon die Tür hinter ihm. Und nun saß er hier… Das Zimmer in dem er sich befand, besaß auf einer Seite eine gläserne Front. Sie reflektierte lediglich die drei Anwesenden. Ray fragte sich wozu sie gut war, denn irgendwie fand er einen Spiegel hier unnötig. Es gab kein Fenster im Raum, weshalb es recht dämmrig wirkte, da half auch die niedrig hängende Deckenleuchte nicht. Der Tisch der im Zentrum des Zimmers stand, war ziemlich spartanisch, genauso wie die dazugehörigen Stühle. Der Raum besaß nichts einladendes, was wohl auch so beabsichtigt war. Als Ray Platz nahm, hatte er gleich das Gefühl, etwas verbrochen zu haben, auch wenn dem nicht so war. Er versuchte sich seine Beunruhigung nicht anmerken zu lassen, denn womöglich würde man daraus die falschen Schlüsse interpretieren. Dann fiel ihm aber ein, dass seine Gelassenheit wiederrum gespielt wirken könnte. Wie verhielt man sich, wenn man nicht verdächtig wirken wollte? Diese Situation war einfach obskur… Das er sich überhaupt rechtfertigen musste war eine Frechheit. Inspektor Kabayashi hatte inzwischen gegenüber von ihm Platz genommen, während sein anderer Kollege an der Wand lehnte und Ray fokussierte. Er fragte sich, was dieser Typ für ein Problem mit ihm hatte. Ihm kam es vor, als würde er vor allem ihn genau ins Auge fassen. Mit sich brachte Kabayashi einen Notizblock, auf welchem schon eine Menge Punkte niedergeschrieben waren. Ray versuchte zu entziffern, was auf dem Papier stand, aber japanische Kanji auf dem Kopf zu lesen, war nicht einfach. Die Sprache hierzulande stellte keine Herausforderung für ihn dar, aber beim Schreiben hatte auch er so seine Schwierigkeiten. Nicht das Ray keinen Brief auf Japanisch verfassen konnte – darin hatte er genug Übung – aber wenn er es tat, nahm er sich viel Zeit, da er alles fehlerfrei verrichten wollte. Der Inspektor notierte sich mittlerweile einige Dinge. Die Miene seines Kugelschreibers kratzte über das Blatt. Es war noch nicht zur Befragung gekommen, offenbar weil er die wichtigsten Punkte von Kennys Aussage, noch schnell auf Papier bannen wollte, bevor sie in Vergessenheit gerieten. Inspektor Kabayashi wirkte älter als Ray. Er schätzte ihn auf Ende Dreißig, vielleicht sogar Anfang Vierzig. An seinen Schläfen sprossen die ersten grauen Haare hervor. Dennoch kam er ihm nicht so griesgrämig vor, wie der alte Mann, mit dem sich Kai abplagen musste. Rays helle Augen huschten immer wieder zu dem Block, um unauffällig einige Zeichen aufzuschnappen. Nur wenige Sätze konnte er entziffern, bevor der Inspektor die Hand über das Geschriebene legte und aufschaute. Etwas stand dort von Medikamenten und ihrer falschen Einnahme. Es musste die Aussage von Mr. Kinomiya betreffen. Seinen Beitrag hatte Tysons Großvater also geleistet. Kabayashi legte den Stift zur Seite und schaute Ray direkt an. Er besaß ein tiefschwarzes Augenpaar. Ein freundschaftliches Lächeln huschte um seine Mundwinkel, als er zu sprechen begann: „Sie stammen aus China?“ Ray nickte. Er wusste diesen Mann noch nicht einzuschätzen und blieb deshalb reserviert. „Welche Provinz?“ „Yunnan.“ „Ah, Yunnan…“, Kabayashi lehnte sich zurück und sein Ausdruck wurde geradezu verträumt. „Wundervolles Gebiet. Als ich noch auf der Polizeiakademie war, bin ich zusammen mit einigen anderen Kadetten, während der goldenen Woche dorthin geflogen. Wir haben eine Rucksacktour durch die Berge gemacht. Man kann über China sagen was man will, doch die Landschaften die sich dort einem bieten sind unvergleichlich. Eine einzigartige Vielfalt.“ „Danke. Wir sind sehr Stolz darauf.“, Ray blieb höflich, fragte sich aber, ob das ein Spiel war. Sein Kollege lag noch immer stillschweigend auf der Lauer. Guter Bulle, böser Bulle… „Diese Provinz ist sehr ländlich, richtig?“ „Es gibt viele abgeschiedene Gegenden dort. Das ist wahr.“ „Weshalb sind sie in Japan? Etwa beruflich?“ „Nein. Ich wollte meine Freunde besuchen. Das hatte ich aber auch schon ihrem Kollegen an der Rezeption erklärt.“ „Tatsächlich. Hier steht es doch.“, er schaute auf seinen Block und lächelte entschuldigend. Ray kam es vor, als würde er sich absichtlich dumm stellen. Wahrscheinlich um zu prüfen, ob er seine eigenen Angaben von zuvor noch wusste. Man lotete wohl im Vorfeld aus, welcher Typ Mensch vor einem saß. „Ihr Freundeskreis ist interessant. Einer kommt aus den Vereinigten Staaten. Einer stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie in Japan. Ich bin neugierig - wie sind sie zu solchen Freunden gekommen?“ „Wir waren alle zusammen in einem Team. Die ersten zwei Jahre war unsere Gruppe als die Bladebreakers bekannt.“ „Hmm… Diese Kreiselgeschichte. Für diese Sache konnte ich mich leider noch nie erwärmen. Da war ich wohl schon zu alt, als der Trend aufkam. Wie sah es danach aus?“ „Da haben sich unsere Wege getrennt. Ich habe ein eigenes Team in China angeführt. Max ebenso aber in den USA. Tyson holte jemand Neues in seine Gruppe und Kai war in der russischen Mannschaft.“ „In der russischen?“, Kabayashi hob erstaunt die Braue. „Was hat ihn denn gerade zu den Russen verschlagen?“ „Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich weil er Halbrusse ist und die dortigen Mitglieder schon vorher kannte.“ „Tatsächlich? Er ist Halbrusse?“ „Väterlicherseits zumindest.“ „Oh…“, der Inspektor nickte nachdenklich. „Ich dachte immer Hiwatari Corp wäre ein heimisches Unternehmen. Zumindest klingt der Name nicht russisch.“ „Keine Ahnung. Fragen sie Kai doch einfach selbst.“, schlug er vor. „Gut. Das ist ja auch nicht so wichtig. Sie haben sich nach all den Jahren nicht aus den Augen verloren? Trotz der Entfernung?“ „Mal war der Kontakt mehr, mal weniger. Das lag an unseren Teams. Aber letztendlich haben wir es geschafft eine Routine hineinzubekommen. Eine Zeit lang habe ich in Japan auch wieder gewohnt, um meine Ausbildung abzuschließen und zu arbeiten, bis ich geheiratet habe. Da bin ich in mein Heimatdorf gezogen.“ Sein Kollege schnaubte verächtlich. Da ahnte Ray weshalb vor allem er so misstrauisch beäugt wurde. Manche Japaner hatten ein Problem mit Chinesen, genauso wie umgekehrt. Als er vor seiner Hochzeit, bei seinem Onkel im Restaurant als Kellner aushalf, war er bei einer größeren Abendgesellschaft, mit einigen Gästen ins Gespräch gekommen. Zunächst war die Stimmung recht ausgelassen, bis man ihn fragte, was er hier in Japan machte. Wahrheitsgetreu hatte Ray geantwortet, dass er seine Ausbildung beenden und danach einige Monate hier noch arbeiten wolle, um Geld für seine Hochzeit mit Mao auf die Seite zu legen. Sie führten damals eine Fernbeziehung. Die meisten Gäste hatten seinen Fleiß bewundert – aber nicht jeder. Denn einer von ihnen meinte geringschätzig, dass das typisch für Chinesen sei. „Ihr kommt in unser Land, klaut unsere Technologie, unsere Arbeitsplätze und danach verpisst ihr euch! Und in eurer Heimat rümpft ihr über uns auch noch die Nase!“ Seine Begleiter erröteten damals und baten Ray, es ihrem Freund nachzusehen, da er doch ganz offensichtlich schon viel getrunken habe. Es war eindeutig dass sie sich für sein Verhalten schämten. Doch Ray war wirklich geschockt gewesen. Noch nie war er in diesem Land auf eine solche Feindseligkeit gestoßen. Tyson und er behandelten sich niemals so. Das war ein absolutes Tabu. Sie machten ihre Witze auf Kosten ihrer Herkunft, aber sich beleidigen kam niemals in Frage. Die Reaktion seines Kollegen ignorierend, fügte Ray deshalb hinzu: „Das zwischen uns ist etwas Besonderes. Ich könnte niemals den Kontakt zu meinem alten Team abbrechen. Das wäre für mich, als würde ich meine Brüder verleugnen. So etwas versteht keiner, der nicht mit uns aufgewachsen ist.“ „Tatsächlich? Es gab nie böses Blut wegen der Herkunft?“ „Kulturelle Differenzen existieren bei uns nicht. Es zählt nur der Mensch. Wenn alle Leute das so handhaben würden, wäre unsere Welt ein ganzes Stück besser.“ Er sah nicht zur Seite, spürte aber dass er verärgert taxiert wurde. Beinahe wäre ihm ein triumphierendes Grinsen um die Mundwinkel gehuscht, doch er versuchte nicht so zu wirken, als würde er bewusst provozieren. „Verstehe. Nun, deshalb sind wir auch nicht hier.“, Inspektor Kabayashi schlug die Mappe auf. „Sie wissen weshalb nach ihnen gesucht wurde?“ „So viel mir zu Ohren kam wegen Tysons Großvater.“, tat Ray arglos. „Mitunter. Wobei wir zugeben müssen, dass Mr. Kinomiya uns gerade seine Sicht der Dinge geschildert hat. Waren sie anwesend als es passiert ist?“ Ihm fiel auf dass er mit keinem Wort dessen Aussage erwähnte. Das machte Ray misstrauisch. Offenbar wollte man sich vergewissern, dass an den Beschuldigungen tatsächlich nichts dran war und nochmal seine Version hören. Vielleicht glaubten die Beamten auch, sie hätten Mr. Kinomiya dazu genötigt, seinen Enkel zu entlasten. „Ich bin es gewesen der ihn gefunden hat. Tyson war zusammen mit Max in seinem Zimmer.“, berichtete Ray von den damaligen Ereignissen. „Als ich ihn zur Hilfe gerufen habe, ist Max sofort los, um den Notarzt zu rufen. Tyson und ich haben eine Herzdruckmassage ausgeübt, bis der Krankenwagen kam.“ „Wie hat sein Enkel reagiert als sie ihm von dem Fund berichtet haben?“ „Zunächst war Tyson wie erstarrt. Mir kam es vor, als könne er gar nicht begreifen, was ich ihm gesagt habe - total geschockt eben. Dann ist er wie ein Blitz aufgesprungen, um nach seinem Großvater zu schauen. Glauben sie mir… Er hatte damit nichts zu tun.“ „Woher wollen sie das wissen?“ „Er war total außer sich und hat alles getan, um ihn am Leben zu halten. So reagiert doch kein Mensch, der jemanden kaltblütig ermorden will.“ „Er hätte schauspielern können.“ Ray schnalzte verächtlich. „So ist er nicht! Tyson trägt seine Gefühle ganz nah an der Oberfläche. Er wäre niemals in der Lage so etwas zu verbergen. Wenn er wütend ist, sieht man es. Wenn er fröhlich ist, sieht man es. Wenn er traurig ist, sieht man es! So ist Tyson nun einmal. Da gibt es nichts zu rütteln.“, die Überzeugung mit die er diese Worte sprach, schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Beide Beamten tauschten nachdenkliche Blicke aus. „Ich kenne ihn schon ewig. Wie soll er denn überhaupt seinen Großvater versucht haben zu ermorden? Er hat ihn nicht angefasst und im selben Raum war er auch nicht. Dafür können Max und ich bürgen.“ „Ihr Freund kann vielleicht dafür bürgen. Sie waren gar nicht anwesend.“ „Dann eben Max allein! Er wird ihnen aber dasselbe sagen.“ „Wir haben ein Reinigungsmittel im Haus gefunden, dessen Wirkstoffe bei versehentlicher Einnahme eine Zyanose auslösen.“ „Zyanose… Ist das ihr ernst?“ „Sie wären erstaunt wie viele Hausmittel einen tot umfallen lassen, wenn man sie nur in den falschen Hals bekommt.“ „Und ausgerechnet Tyson soll wissen, welcher Wirkstoff so etwas verursacht?“ „Warum nicht?“ „Woher denn?“ „Es gibt heutzutage eine kleine Spielerei namens Internet. Sehr lehrreich um sich über Giftstoffe zu informieren.“ „Tyson hat keinen PC daheim.“ „Handys?“ „Dann überprüfen sie doch seine Verbindungen!“, schlug Ray genervt vor. „Das haben wir. Doch selbst wenn wir nichts finden, diese Informationen kann er sich auch aus einem Internetcafe oder einer Bibliothek geholt haben.“ „Ha!“, lachte Ray ungläubig auf. „Klar… Ausgerechnet Tyson! Der künftige Nobelpreisträger, der seinen Teller, samt Gabel, in die Mikrowelle gesteckt hat und sich kurz darauf wundert, warum ihm das Gerät um die Ohren fliegt, soll auf so einen Plan kommen?“ Die Brauen von beiden Beamten schossen hoch. Sie schauten sich an und Ray musste dieses Mal nicht lange nachdenken, um zu wissen was ihnen durch den Kopf ging. Inspektor Kabayashi kaute nachdenklich mit dem Kiefer, während er ihn weiterhin bedachte. Dann wiegte er den Kopf bedauernd. „Irgendwie traurig…. Auch sein Großvater meinte, dass er in diesem Leben kein Genie wird.“ Nur gut das Mr. Kinomiya einem seine Meinung immer so unverblümt ins Gesicht sagte. Allerdings wäre Tyson ausgeflippt, wenn er mitbekommen hätte, wie Ray gerade über ihn sprach. Um ihn nicht in einem allzu schlechten Licht dastehen zu lassen, fügte er deshalb hinzu: „Verstehen sie mich nicht falsch. Er ist keinesfalls ein Idiot. Tyson besitzt aber eher… eine andere Art von Weisheit. Für ihn zählen andere Werte, als eine überragende Ausbildung und hervorragende Mathematikkenntnisse. Er würde mit einem Tellerwäscher genauso gerne abends um die Häuser ziehen, wie mit einem Akademiker. Für ihn zählt nur, ob er sich mit der Person versteht. So etwas wie beruflicher Ehrgeiz liegt ihm auch nicht besonders. Er möchte lieber sein Leben genießen. “ „Ich mag mich irren, aber war er nicht jahrelanger Weltmeister in dieser Kreiselsportart? Dafür wird doch sicherlich auch eine riesige Portion Ehrgeiz notwendig sein.“ „Er kann sich durchaus für manche Dinge begeistern, aber nur, wenn sie ihm auch Freude bereiten. Darum geht es auch jetzt gar nicht! Etwas derart ausgeklügeltes wie irgendeinen Wirkstoff herauszusuchen, der in irgendeinem x-beliebigen Reinigungsmittel drinnen ist – das würde Tyson nie im Traum einfallen! Er ist zudem der loyalste Mensch den ich kenne. Warum sollte er das also seinem Großvater antun?“ „Er hat das Testament zu Gunsten seines jüngsten Enkels abgeändert.“ „Darüber hat er kein Wort vor uns verloren. Sind sie sicher dass Tyson überhaupt davon weiß?“, zweifelte Ray diese Theorie an. „Schweigen bedeutet nicht Unwissenheit.“ „Haben sie Mr. Kinomiya gefragt, ob er es ihm erzählt hat?“ „Natürlich.“ „Und was kam dabei heraus?“ Ray erwartete gar keine Antwort. Es war eine rein rhetorische Frage. Der Inspektor fuhr sich nachdenklich übers Kinn und bedachte ihn eingehend, da fügte Ray hinzu: „Tyson könnte das nicht. Darauf verwette ich meine Seele! Das wird ihnen Max auch bestätigen. Und sein Großvater ist seinetwegen hier her gekommen, um ihn zu entlasten – ist das nicht Beweis genug?“ „Sie könnten ihn auf dem Weg hier her beeinflusst haben. Womöglich fürchtet er sich die Wahrheit zu sagen oder er will sie gar nicht sehen. Menschen in diesem Alter sind einsam und klammern. Ein alter, gebrechlicher Mann, wie Mr. Kinomiya, der sich nicht zu wehren weiß, könnte-…“ „Der sich nicht zu wehren weiß?!“, fiel Ray ihm fassungslos ins Wort. „Reden wir wirklich von dem zeternden Kautz, der vorhin ihren Kollegen zusammengebrüllt hat? Meine Nachbarn in China haben ihn wahrscheinlich gehört!“ Inspektor Kabayashi tat einen tiefen Atemzug und räusperte sich anschließend. Offenbar hegte auch er Zweifel daran, dass Mr. Kinomiya ein harmloser alter Gentleman war. Ray nutzte die Gelegenheit und sprach offen seine Vermutung aus. „Ganz ehrlich… Ich weiß nicht was das Ganze hier soll? Mir kommt das wie eine verdammte Hexenjagd vor! Haben sie irgendeinen berechtigten Grund, weshalb sie Tyson hier festhalten? Alle ihre Unterstellungen sind doch total aus der Luft gegriffen!“ „Gehen wir einfach Mal zu den anderen Punkten.“ Nun war es soweit. Der Brand im Hiwatari Anwesen würde angesprochen werden. Er hatte das Gefühl, die erste Runde für sich entschieden zu haben. Zumindest klang es in seinen Ohren glaubhaft, aber das meiste davon war immerhin auch nicht gelogen. Innerlich wappnete sich Ray bereits für den nächsten Schritt, äußerlich tat er aber verwundert. „Was meinen sie?“ „Das wissen sie nicht?“ „Nein. Sie müssen schon deutlicher werden.“ „Erst kürzlich wurden sie Zeuge, wie das Haus eines Freundes niedergebrannt ist - und doch ist es schon vergessen?“ „Vergessen bestimmt nicht, aber was hat das mit uns zu tun?“ Ray versuchte unwissend zu klingen, doch eigentlich begann es in seinem Magen zu brodeln. Er empfand diese Unterstellung als eine Beleidigung seiner Ehre. „Nun schauen wir uns doch mal den Verlauf dieses Tages an. Zunächst wird der Großvater ihres Freundes morgens ins Krankenhaus eingeliefert. Später, am gleichen Tag noch, machen sie sich auf den Weg zum Familienoberhaupt der Hiwatari Corp. Wenige Minuten nachdem sie dort eintreffen, brennt das Gebäude lichterloh. Merkwürdig oder?“ „Ein Zufall – und auch eine glückliche Fügung! Wären wir nicht rechtzeitig aufgetaucht, hätten es Kai und seine Schwester wohl kaum aus dem Haus geschafft.“ Inspektor Kabayashi gluckste, es klang jedoch spöttisch. „Nun, schön dass sie sich als Helden sehen, aber das Familienoberhaupt musste sich alleine aus dem brennenden Haus retten. Das geht wohl nicht auf ihre Kosten.“ „Ach… Und das Tyson Jana rechtzeitig herausbekommen hat, zählt etwa nichts?“ „Das kann niemand bezeugen. Laut ihrer Aussage am Unfallort, hat er ihnen die Begebenheiten erst danach geschildert, weil er es zuerst über den Zaun geschafft hat. Sie sind erst später dazu gekommen, weil sie hinterherklettern mussten.“ „Darauf soll das also hinaus… Sie glauben auch noch Tyson hätte den Brand gelegt!“ „Gab es früher nicht böses Blut zwischen den beiden? Mr. Hiwatari war sein ärgster Konkurrent und hat es in den letzten Jahren viel weiter gebracht als er. Könnte es nicht sein, dass der Neid an ihm genagt hat?“ „Tyson würde Kai niemals etwas antun! Sie streiten sich zwar, wie ein altes Ehepaar, aber wenn es die Situation erfordert, würden sie zusammenhalten. Heute wohl mehr denn je.“ „Schön. Wir werden das Hiwatari Oberhaupt befragen was er dazu meint.“ „Schön. Fragen sie ihn doch!“, äffte er ihn bissig nach. „Würde mich schwer wundern, wenn Kai etwas anderes behauptet. Er weiß genau dass Tyson für ihn alles tun würde.“ „Hmm…“, der Inspektor notierte sich etwas auf seinem Block. Wahrscheinlich das er diesen Punkt tatsächlich erledigen wollte. Dass solche Zweifel an seinen Worten gehegt wurden, machte Ray unglaublich wütend. Er konnte nur noch mit viel Mühe höflich bleiben. „Glauben sie mir, dass war kein Spaß für uns, da draußen vor dem Feuer zu stehen und uns zu fragen, ob Kai noch lebt!“, griff er das Thema wieder auf. „Haben sie eine Ahnung wie schrecklich es ist, ein kleines Mädchen im Arm zu halten und nicht zu wissen, ob man ihr sagen muss, dass ihr Bruder tot ist? Das war eine Erfahrung, auf die ich gerne verzichtet hätte! Tyson hat ebenso geschockt darauf reagiert wie wir alle!“ Seine Stimme wurde lauter. In diesem Fall war sein Zorn nicht gespielt. „Denken sie ich hätte meinen Abend nicht lieber anders verbracht? Stattdessen mussten wir uns noch mit einer übereifrigen Reporterin herumschlagen, die uns zu allem Übel auch noch auf dem Kicker hatte!“ Der Inspektor horchte auf, man sah förmlich wie er die Ohren spitzte. Sein Interesse war geweckt. Wenigstens das lief wie geplant. „Sie meinen Ming-Ming? Das Maskottchen von Tokyo Channel Seven?“ „Ganz Recht.“ „Weshalb gab es böses Blut zwischen ihnen?“ Hana hatte ihnen geraten Ming-Mings Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Es passte Ray zwar nicht, über Tote schlecht zu sprechen, doch andererseits war es nicht gelogen. „Sie hatte mal etwas mit meinem Kumpel, Max. Für ihn war es eine einmalige Sache – für sie leider nicht. Als er ihr erklärt hat, dass es vorbei ist, endete es damit, dass er die Handynummer wechseln musste, weil er permanent irgendwelche Hassmails bekam. Er sprach einmal davon, dass er sogar seinen Facebook Account löschen musste, weil sie ihm ständig üble Nachrichten auf der Pinnwand hinterließ.“ Es war Kennys Idee gewesen, dass zu erwähnen, denn es sei für einen Fachmann ein Kinderspiel, diesen Account herauszusuchen, selbst wenn er gelöscht wurde und tatsächlich notierte Kabayashi vor ihm eifrig, während er hinzufügte: „Das Mädchen war wirklich nicht ganz dicht. Noch an der Unfallstelle hat sie sich an mich herangemacht, einfach nur um Max eifersüchtig zu machen.“ „Tatsächlich?“ „Ja. Mir war klar, dass sie böse auf Max zu sprechen ist und alles tun würde, um ihm ein paar Stolpersteine vor die Füße zu legen, aber das? Einer meiner besten Freunde, war zu diesem Zeitpunkt, noch im brennenden Haus und sie versucht sich einzuschmeicheln. Außerdem bin ich verheiratet. Das ist wirklich das Letzte!“ „Wissen sie dass Ming-Ming kürzlich verstorben ist?“ Ray tat überrascht - auch wenn er es nicht war. Es hätte recht seltsam geklungen, wenn er davon berichtete, dass er ihrem Geist, in einer unwirklichen Parallelwelt begegnet war. „Nein! Das gibt es doch nicht… Wann ist das denn passiert?“ „Hat ihr kleiner Freund mit der dicken Brille nichts gesagt?“ Jetzt war er sogar ehrlich überrascht. Weshalb Kenny davon wissen sollte, war ihm schleierhaft. „Was meinen sie?“ „Der ältere Bruder ihres Freundes, hatte leider seine Hände nicht im Griff - und dabei ist sie unter ein Auto geraten.“ Ray blinzelte verdutzt. „Kenny hat gar keinen älteren Bruder…“ „Diesen Freund meine ich auch nicht.“ Es wurde einen Moment still. Da wurden Rays Augen tellergroß, als der Groschen fiel. „Ist Hiro deshalb vorhin abgeführt worden?!“ „Sie wussten es nicht?“ „Nein! Ich hatte keine Ahnung…“ Er war wirklich geschockt und konnte sich nicht erklären, was in Tysons Bruder gefahren war. Nun wurde ihm erst richtig klar, wie viele Dramen sich während ihrer Abwesenheit abgespielt hatten. Hoffentlich gab es nicht noch mehr solcher Überraschungen… „Warum hat er das gemacht?“ „Hitoshi Kinomiya war anwesend als die Hausdurchsuchung im Dojo stattfand. Zuvor muss er versucht haben, seinen jüngeren Bruder zu finden.“, Inspektor Kabayashi blätterte in der Mappe. „Es kam zwischen den beiden zu einer heftigeren Meinungsverschiedenheit da die – wie sie so treffend formuliert haben – übereifrige Reporterin, sofort Bericht darüber erstatten wollte. Dabei geriet sie unter die Räder eines Autos, weil sie ungeschickt stürzte. Unschöne Sache… Der hübsche Hals war danach nicht mehr so hübsch.“ Ray schloss stöhnend die Augen. Er fragte sich ob Tyson schon davon wusste und ärgerte sich gleichzeitig, dass niemand etwas gesagt hatte. Allerdings war die Zeit auch knapp gewesen. Hana konnte ihnen gar nicht schnell genug erklären, was alles vorgefallen war, da rannte Kenny schon auf die Gruppe zu und sprach von Tysons Verhaftung. Bei so vielen Absprachen, musste etwas Wesentliches ja auf der Strecke bleiben. Irgendwie herrschte ein heilloses Chaos… „Haben sie Großvater Kinomiya davon erzählt?“ „Nein. Er schien vorhin schon aufgebracht genug. Wir haben ihn erst einmal vertröstet.“ „Das ist auch besser so. Er hat ein Herzproblem und musste sich die ganze Zeit schon um uns sorgen.“ „Daran haben wir natürlich auch gedacht. Kommen wir aber zu meiner eigentlichen Frage. Nachdem das Hiwatari Oberhaupt im Krankenhaus eingeliefert wurde, hatten sie sich dort als Besucher eingetragen. Aber irgendwann haben sie zusammen mit ihren Freunden das Gebäude verlassen – wohin sind sie mitten in der Nacht aufgebrochen?“ Ray schluckte. Er war so in seine Sorge vertieft gewesen, dass er gar nicht mehr daran dachte, was er gerade von sich gab. Er sollte nämlich behaupten, dass sie alle gemeinsam wegen dem Erdbeben, in Mariahs Hotel festsaßen. Sie würde die Aussage zur Not bekräftigten. Inspektor Kabayashi mochte freundlich sein, aber ganz bestimmt nicht einfältig. Er kam absichtlich mit schockierenden Nachrichten damit Ray den Faden verlor. „Wir waren bei meiner Frau.“ „Die ganze Zeit während sie verschwunden waren?“ „Ja. Es gab Einiges mit ihr zu bereden.“ „Was denn?“ „Das ist privat.“ „Möchten sie dass ihre Frau auch noch hier her zitiert wird?“ Ray knurrte düster. Diese Drohung kam so unverschämt heiter, dass er nicht mehr so sicher war, ob der wortkargere Kollege in der Ecke, ihm nicht angenehmer war. „Wenn sie es unbedingt wissen müssen – wir durchleben gerade eine Scheidung! Ich bin dieses Wochenende nach Japan gekommen, um mich bei meinen Freunden davon zu erholen. Stattdessen ist meine Frau mir nachgereist. Als wir vom Krankenhaus weggegangen sind, hat sie mich kurz zuvor darum gebeten, zu ihr zu kommen.“ „Mitten in der Nacht?“ Die Fragen kamen irgendwie immer schneller. „Sie war total aufgelöst und sie ist schwanger. Sie dachte etwas stimme nicht mit dem Baby. Soll ich einer schwangeren Frau einen Wunsch abschlagen? Es ist schließlich auch mein Kind, dass sie in sich trägt.“ „Warum sind sie alle zusammen gefahren?“ „Mein Führerschein ist im Ausland nicht gültig.“ „Sie haben wohl auf alles eine Antwort.“, stellte Inspektor Kabayashi knapp fest. Es klang recht ungläubig. „Weshalb trennen sie sich von ihr?“ Ray haute wütend auf den Tisch. „Das geht sie nun wirklich überhaupt nichts an! Wir haben uns ohnehin versöhnt, also warum wollen sie das wissen?!“ „Schon gut. Es ist mir auch nicht so wichtig…“ Natürlich war es das nicht, denn er wollte Ray nur durcheinander bringen, deshalb zog er auch mit dem Tempo an. Da fiel ihm etwas ein, was ihn argwöhnisch die Braue aufziehen ließ. „Warum haben sie überprüft, wann wir das Krankenhaus verlassen haben? Das war doch alles nach dem Brand im Hiwatari Anwesen.“ „Stört sie das?“ „Es kommt mir seltsam vor. Überprüfen sie etwa meinen ganzen Aufenthalt in Japan?“ „Sie sind nicht auf den Kopf gefallen.“, Inspektor Kabayashi nahm ein Foto aus der Mappe und schob es zu ihm herüber. „Ich frage wegen dieser Frau.“ Sein Finger tippte auf das Gesicht auf dem Bild. Zunächst begriff Ray nicht, was das sollte, denn er erinnerte sich nicht daran, dass Kenny ihnen im Auto von einem weiteren Punkt erzählt hatte. Sein Blick schweifte über das Foto, bis er beim zweiten Mal entsetzter hinschaute. „Was ist denn mit ihr passiert?“ „Kennen sie sie?“ „Ich weiß nicht. Man erkennt ja kaum ihr Gesicht. Sollte ich?“ Er schaute etwas ratlos auf und merkte, dass er gemustert wurde. Polizisten schienen ziemlich genau bei einem Verhör auf die Mimik zu achten, denn ihm wurde klar, dass man jedes Muskelzucken in seinem Gesicht analysierte. Das dadurch aufkommende Gefühl der Unbeholfenheit, versuchte Ray prompt zu unterdrücken. „Ihre gute Freundin Ming-Ming hat auch von ihr berichtet.“ „Ich konnte in den letzten Stunden keine Nachrichten sehen…“ „Schön. Dann übe ich mich heute als Nachrichtensprecher. Diese Frau ist eine Krankenschwester.“, erklärte der Inspektor geradezu unverschämt gutgelaunt. „In der Nacht während ihrem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus, hatte sie Nachtdienst und wurde angegriffen.“ „Davon weiß ich nichts.“ In jenem Moment verfluchte er Kenny und Hana. Das wäre eine Information gewesen, die sie dringend gebraucht hätten. Wussten sie selbst nichts davon oder war es ihnen im Eifer des Gefechts einfach nur entfallen? „Und ihr Freund hat ihnen nicht erzählt, dass er eine Meinungsverschiedenheit mit ihr hatte?“ Ray war auf der Hut, dachte angestrengt nach, denn die Richtung die sie einschlugen, gefiel ihm überhaupt nicht. Etwas war hier faul. „Welcher Freund? Max, Kai, Tyson… Geht es präziser?“ Zumindest war seine Verwirrung nicht gespielt. „Letzterer.“ „Nein. Wann soll das gewesen sein?“ „Gegen zehn Uhr abends. Ein Patient hat gehört, wie sich Takao Kinomiya mit ihr gestritten hat.“ Ray überlegte fieberhaft, was er um diese Uhrzeit im Krankenhaus gemacht hatte. Wenn er sich recht erinnerte, waren sie damals in den Unterkünften für die Angehörigen gewesen. Nach dem Brand im Hiwatari Anwesen, hatten sie keine Lust gehabt, noch einmal nachhause zu fahren, da sie selbst auch total erschöpft waren, also nahmen sie sich ein Zimmer und teilten die Kosten. Ray war sich ziemlich sicher, dass er schnell eingenickt war. Er hatte wie ein Stein geschlafen – bis Kai plötzlich im Raum stand und sie weckte. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen… Die Erkenntnis ließ ihn aschfahl werden. Dranzer hatte zu jenem Zeitpunkt Besitz von ihm ergriffen. Ein mordlüsterndes Bit Beast das durch die Gänge eines Krankenhauses schlich, konnte keineswegs ungefährlich sein. Ray schaute noch einmal auf das Bild. Diese arme Frau war zur falschen Zeit, am falschen Ort gewesen. Nun wurde ihm auch klar, weshalb Kenny noch einmal vor ihm verhört worden war. Ganz offensichtlich hatte der Chef nichts von dem Angriff im Krankenhaus gewusst, sonst hätte er ihnen davon berichtet und mit ihnen dafür eine Aussage vorbereitet. Wahrscheinlich hatte auch er keine Zeit gehabt, die Nachrichten zu verfolgen. Bei ihrer Ankunft musste man jedoch vermutet haben, dass er sie auf den neuesten Stand der Dinge gebracht hatte und man wollte vorsichtig aushorchen, wie viel Kenny wusste, bevor man den Rest der Gruppe ins Kreuzverhör nahm. Ray fragte sich ob seine Frau von dem Angriff wusste. Er konnte bei seiner Ankunft kaum mit ihr sprechen, dazu war Mao zu aufgelöst gewesen. Es hatte ewig gebraucht, bis sie sich von ihrem Gefühlsausbruch beruhigte. „Warum so blass?“ Der Inspektor schaute ihn an. Seine tiefschwarzen Augen musterten ihn interessiert. Das Schlimmste war dieser blasierte Ausdruck in dessen Gesicht - diese skeptisch erhobene Braue. Kabayashi dachte tatsächlich das er ihn in der Falle hatte. Nun zeigte sich endlich der böse Bulle… „Weil ich nicht fasse, was sie uns hier unterstellen.“, konterte Ray auf seine Frage. „Ist das wirklich ihr Ernst?“ „Ist doch gar nicht so abwegig. Überall wo ihre Gruppe aufgetaucht ist, zieht sich eine Spur der Verwüstung hinterher.“ „Verstehen sie mich nicht falsch. Mir tut das was dieser Frau passiert ist leid, aber das sind wirklich nur dumme Zufälle!“, stellte Ray klar. „Ich habe noch nie mit ihr gesprochen. Weshalb sollte ich dieser Frau also etwas antun?“ „Sie vielleicht nicht – aber zwei ihrer Freunde rücken doch sehr stark in den Fokus.“, der Inspektor begann mit seinem Kugelschreiber zu spielen. Zwischen seinen Fingern drehte er den Stift immer wieder. „Takao Kinomiya hat sich mit ihr angelegt. Kai Hiwatari ist offenbar allein im Krankenhaus zurück geblieben. Beide verdächtig…“ Ray dachte daran, wie höflich dieser Kerl mit Kai am Eingang gesprochen hatte. Geradezu zuvorkommend war er aufgetreten und nun kam hinterrücks diese Unterstellung. Dieser Mann war gefährlich, denn er versteckte seine Absichten hinter seiner freundlichen Fassade. „Woher wollen sie wissen dass er zurück geblieben ist?“, Ray hob herausfordernd sein Kinn. „Eine Kameraaufnahme bestätigt das.“ „Das will ich sehen!“ „Mein Kollege hat das Foto gerade im Nebenraum. Ich kann aber gerne meinen fleißigen Helfer hier nach drüben schicken, damit er mal kurz eine Kopie davon macht, sollten sie noch Zweifel hegen.“ Die hatte Ray nicht. Er blieb stumm und dachte daran, was ihm Kai geraten hatte: „Wenn es hart auf hart kommt, redet euch nicht um Kopf und Kragen.“ Ray tat einen tiefen Atemzug. Er positionierte sich neu auf dem Stuhl und meinte: „Ich sage nichts mehr. Denken sie was sie wollen.“ „Hören sie... Es ist ja nicht so, dass wir jeden verdächtigen.“, erklärte Inspektor Kabayashi versöhnlicher. „Aber womöglich ist da unter ihren Freunden ein faules Ei. Manchmal glauben wir, dass wir einen Menschen kennen und doch hat er eine finstere Seite.“ „Nein. Auf meine Freunde trifft das nicht zu. Ich kenne jede Seite von ihnen.“ „Sind sie sicher? Denken sie doch noch einmal na-…“ „Nein!“, rief Ray entschieden aus. „Ich weiß genau was sie vorhaben! Sie versuchen uns gegeneinander auszuspielen, damit ich gegen einen von beiden Aussage!“ „Wollen sie sich wirklich die Schuld von anderen aufhalsen? Gerade jemand der eine schwangere Frau daheim sitzen hat, sollte etwas vorausschauender denken.“ Ray stand auf. Er schaute mit erhobenem Haupt auf den Inspektor herab. Seine plötzliche Bewegung veranlasste dessen Kollegen, sich von der Wand aufzustützen, ganz so, als vermutete er, Ray wolle handgreiflich werden. Doch dessen Blick ruhte nur auf dem sitzenden Mann vor ihm, bedachte ihn mit einer Verachtung, die genau verdeutlichte, dass so eben eine Grenze überschritten wurde. „Bin ich festgenommen?“, fragte er. „Natürlich nicht. Wir befragen nur Zeugen.“ „Gut. Dann ist dieses Gespräch beendet. Sie können mich stundenlang hier festhalten, aber werden niemals erleben, dass ich falsche Anschuldigungen gegen meine Freunde erhebe, nur um meine eigene Haut zu retten. Auf so einen Kuhhandel gehe ich nicht ein!“, er wandte sich zur Tür und fügte noch hinzu: „Und ich weiß ganz genau, dass sie dieselbe Antwort auch von Max hören werden. Also sparen sie sich die Mühe! Einen schönen Abend noch.“ Damit schritt Ray erhobenen Hauptes zur Tür hinaus. Er wurde nicht aufgehalten, stattdessen sahen ihm die Beamten stillschweigend nach. Als die Tür lautstark hinter ihm zuschlug, begann der Inspektor das Foto wieder einzusammeln. Er sortierte die Dokumente und sprach nachdenklich: „Beeindruckender Auftritt. Der Junge wirkt sehr erhaben für sein Alter. Aber ob er das später nicht bereut ist die entscheidende Frage.“ Dann sprach Kabayashi über seine Schulter hinweg. „Was hältst du davon?“ Sein Kollege wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. „Er verheimlicht etwas. Die Antworten kamen zu flüssig…“ „Gegen Ende hin kam er aber ins Straucheln.“ „Ja, ziemlich. Da musste er schwitzen.“ „Aber ob er es war?“ „Ganz ehrlich? Ich denke nicht...“ „Dein sechster Sinn?“ „Worauf du deine Arsch verwetten kannst. Der hat damit nichts zu tun. Auch wenn ich Chinesen immer noch nicht ausstehen kann…“ „Sei nicht so rassistisch.“, rügte Inspektor Kabayashi ihn. „Bisher kamen mir alle recht anständig vor. Bis auf den Großvater - der war furchtbar anstrengend. Ich dachte immer mein Schwiegervater wäre ein kleiner Diktator, aber der Alte ist ein richtiger…“ Weiter kam er nicht, denn die Tür wurde wieder aufgerissen. Der Kollege der Eintrat kam gleich auf den Punkt: „Nebenan tut sich etwas. Der Chef will euch hinter der Glaswand haben.“ * Als sein Großvater zu ihm gebracht wurde, war Tyson gerade damit beschäftigt, die unansehnlichen Platten an der Decke zu zählen. So eine Ausnüchterungszelle war wirklich deprimierend. Man saß alleine mit seinen Gedanken auf einer Holzpritsche und grübelte darüber nach, wie es einen hier her verschlagen hatte. Irgendwie erinnerte es Tyson an die unzähligen Male, die er in der Schule nachsitzen musste, nur mit einem verkaterten Kerl gegenüber und ohne etwas zu Essen in der Schultasche. Sein Leidensgenosse war irgendwann stöhnend aufgewacht und hatte recht orientierungslos durch die Gegend geblinzelt, bis er ein „Alter, nicht schon wieder…“ brummte. Tyson versuchte zunächst mit ihm ins Gespräch zu kommen, einfach um sich die Zeit zu vertreiben, doch der Kerl war ihm nach den ersten ausgetauschten Sätzen bald nicht mehr geheuer. Dessen erste Frage war nämlich, ob sie letzte Nacht miteinander geschlafen hatten. Tyson schaute ihn mit erhobener Braue an, denn auch wenn er momentan verwirrende sexuelle Tendenzen aufwies, konnte er mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass der Kerl garantiert nicht sein Typ war - vor allem nicht mit diesem widerlichen Kotzstreifen an seinem Hemdkragen. „Der Transvestit mit dem ich letztes Mal zusammen festgenommen wurde, schickt mir heute noch Rosen zum Geburtstag. Manchmal sind auch Pralinen dabei.“ „Na dann halt mal an ihm fest. Von mir würdest du nur eine Munddusche bekommen …“ Sein Sarkasmus kam wohl nicht sonderlich gut angekommen, denn von da an herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen, bis sein Großvater hereingeführt wurde. Zunächst war Tyson froh als er ihn sah, da fiel ihm aber auf, dass sein alter Herr sehr bedrückt wirkte. Als die Gitterstäbe zur Seite geschoben wurden und er in den kleinen Raum hineinkam, sprach er: „Du und dein Bruder habt mir ja schon viele Sorgen bereitet – aber das hier schlägt dem Fass den Boden aus!“ Tyson biss sich auf die Unterlippe, denn er konnte sich denken, was das bedeutete. Kenny musste seinen Großvater über den Verbleib von Hitoshi aufgeklärt haben. Der alte Mann trat unendlich langsam auf die Pritsche zu, kam ihm dabei so erschöpft vor. „Es tut mir Leid Opa.“, kam es geknickt von Tyson. Das Gitter schloss sich wieder geräuschvoll und die Wache positionierte sich davor. „Ich wollte dir wirklich nicht solchen Kummer bereiten.“ „Das glaube ich dir.“, sein Großvater nahm schwer schnaufend neben ihm Platz. „Bist du sauer?“ „Sauer? Nein… Geschockt trifft es eher. So muss sich ein Reh fühlen, kurz bevor es von einem Lastwagen gerammt wird.“ „Opa, ich muss dir noch etwas sagen. Sie glauben ich hätte…“ „Ich weiß schon Bescheid.“ „Woher?“, Tyson blinzelte verblüfft. „Das wollten wir noch ansprechen bevor du mit Kenny abgehauen bist.“ „Na schönen Dank auch! Hättet ihr mir das nicht früher sagen können!“, maulte er gleich darauf los. „Dann wäre ich nicht direkt in die Arme eines Polizisten gelaufen! Kein Wunder haben die mich so komisch angeschaut… Ich habe mich geradezu auf dem Silbertablett präsentiert!“ „Jetzt gib nicht mir die Schuld! Konnte ja keiner ahnen, dass du Esel dein Auto mitten auf der Straße abstellst! Das bettelt ja förmlich darum, genauer inspiziert zu werden. Warum hast du dir nicht gleich eine Reklametafel umgeschnallt?!“ „Ja, ja… Jetzt bin ich wieder Schuld.“ Tyson schaute bockig zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. Es wurde kurz still zwischen ihnen, da fragte er vorsichtig. „Das was die Polizei behauptet, das glaubst du doch nicht, oder?“ „Was für eine Frage - natürlich nicht!“ Als sein alter Herr die Hand auf seine Schulter legte, atmete er erleichtert auf. Es kam so überzeugend von ihm, dass Tyson keinen Zweifel an seinen Worten hegte. „Keiner meiner Enkel hat etwas verbrochen. Keiner! Bei meiner Ehre, ich weigere mich an so etwas überhaupt zu denken! Diese Unterstellungen gegen euch...“ Er schüttelte den Kopf leicht. Seine Worte spie er geradezu aus. „Kenny hat dir also von Hiro erzählt.“, stellte Tyson fest. „Nein, er nicht. Schlimmer noch! Sie haben ihn vor meiner Nase abgeführt. Und sie haben mir noch nicht einmal gesagt, wohin es jetzt mit ihm geht, oder was er verbrochen hat! Wie können sie es wagen… Mein armer Junge!“ Tyson begann zu begreifen was in ihm vorging. Sein Großvater empfand es als Beleidigung des Familiennamens, das man einen seiner Nachkommen, als Kriminellen brandmarkte. Er mochte noch so aufgeschlossen sein, doch das ging ihm zu weit. Er würde sich quer stellen und es so lange Verleugnen, bis er keine andere Möglichkeit mehr hatte, als der Wahrheit ins Auge zu sehen. Tyson schloss wissend die Lider und gab einen leisen Seufzer von sich, bei dem Gedanken, dass an den Vorwürfen tatsächlich etwas dran war. Kenny war schließlich Zeuge gewesen und er konnte sich nicht vorstellen, dass der Chef gelogen hatte. „Weißt du was sie ihm vorwerfen?“ „Nein.“, log Tyson. Er musste es seinem Großvater schonend beibringen. Nicht hier in einer Zelle, zusammen mit diesem versoffenen Kerl gegenüber, der sich stöhnend den Brummschädel massierte. Hiro hatte immerhin einen Menschen getötet. Die Tatsache dass es versehentlich passiert war, linderte nicht den Schock darüber, dass durch seine Schuld, ein Leben ausradiert wurde. Tyson dachte an Ming-Mings Geist. An die Abdrücke an ihrem Hals. Einen Moment fuhr er sich mit den Fingern über die Stelle und erinnerte sich daran, wie er sie als junges Mädchen kennenlernte. Er konnte nicht behaupten, dass sie Freunde waren. Sie kannten sich einfach nicht gut genug, es gab nur flüchtige Begegnungen, vielleicht einmal alle zwei Jahre - wenn überhaupt. Und natürlich hatte er zu Max gehalten, als der mit ihr aneinandergeraten war. Doch dass keiner von ihnen ihr so etwas gewünscht hatte, war wohl verständlich. Von seinen Gedanken ließ Tyson sich nichts anmerken, stattdessen sprach er: „Wenn ich herauskomme, werde ich das klären. Aber du solltest lieber erst einmal nachhause gehen.“ „Ohne euch beide gehe ich nirgendwo hin.“ „Wann hast du das letzte Mal eigentlich deine Medikamente eingenommen?“ „Ach, nun hör auf damit! Die sind doch jetzt wirklich nebensächlich, Grünschnabel!“, er tat eine unwirsche Bewegung mit der Hand. „Die paar Stunden komme ich auch ohne zurecht. Jetzt müssen wir warten, was aus dir und Hiro wird. “ Es ließ Tyson entnervt schnalzen. Sein Vater hatte ihm einmal vorgeworfen, er habe die Engstirnigkeit von seinem Großvater geerbt, aber für so schlimm hielt er sich nicht. „Mensch, Opa! Diese Medikamente sind doch lebenswichtig für dich!“ „Ich habe vorher Jahrzehnte lang ohne gelebt.“ „Du meinst damals in der Edo Zeit, als die Häuser noch Strohdächer hatten und die Menschen Holzpantoffel trugen?“ „So alt bin ich auch wieder nicht! Sei nicht immer so frech, du blöder Lümmel!“ Tyson bekam eine schmerzhafte Kopfnuss und schlug jaulend die Hände auf die Stelle. Sein Mitinsasse tat es ihm ob seiner Lautstärke gleich. Er rollte sich auf seiner Pritsche wieder zusammen und schlang die Arme um den verkaterten Brummschädel. „Gibt es da drinnen ein Problem?“, bellte der Wärter hinein. „Nur eine deftige Züchtigung! Mein Enkel hat ein Hirn voll Stroh…“ „Dafür dass du vor kurzem noch aus dem letzten Loch gepfiffen hast, bist du wieder ganz schön streitsüchtig!“ „Dir muss doch jemand den Kopf waschen!“ „Du nervst alter Mann!“ „Sei nicht wieder so frech!“ „Ist jetzt mal Ruhe da drinnen?!“, brüllte der Wärter. „So laut sind wir doch gar nicht…“ „Ich nicht - du schon! Du bist nur zu verkalkt um es auch zu hören!“ „Ich habe es mir anders überlegt! Behalten sie den blöden Esel hier! Ich adoptiere ein liebes, kleines Mädchen aus Afrika. Mädchen machen nie so viel Ärger wie Jungs!“ Der Wärter verdrehte entnervt die Augen, während von der gegenüberliegenden Pritsche ein dumpfes Stöhnen kam. „Keif hier nicht so herum, Opa! Der da drüben ist verkatert!“ „Das ist doch nicht meine Schuld!“ „Sehen sie womit ich mich herumplagen muss?!“ „Du kannst gerne hier bleiben!“ „Vielleicht mache ich das auch!“ „Jetzt reicht es mir aber! Schnauze da drinnen!“, das Gitter wurde geräuschvoll zur Seite geschoben, da stand der uniformierte Beamte auch schon vor ihrer Nase. Er stemmte die Arme in die Seiten und forderte seinen Großvater mit einer Handbewegung auf, sich zu erheben. „Wenn ihr beiden nicht normal miteinander reden könnt, ist der Besuch eben vorbei. Mitkommen!“ „Wieso nicht normal? So reden wir immer miteinander…“, kam es wie aus einem Mund zurück. Der Wärter blinzelte verdutzt. Es wurde einen Moment still. Er glotzte sie fragend an. Sie glotzend fragend zurück. „Heilige Scheiße, seid ihr beiden kaputt… Na dann mäßigt wenigstens eure Lautstärke!“, wies er sie zurecht. „Euch hält man ja im Kopf nicht aus! Ab jetzt wünsche ich nur noch Geflüster! Oder der Alte muss gehen! Verstanden?!“ „Sag noch einmal Alter zu mir und ich-…“ Tyson boxte seinem Großvater gegen die Seite. „Ja Herr Wachtmeister. Natürlich Herr Wachtmeister.“ Ein warnender Zeigefinger richtete sich auf sie. „Und jetzt Ruhe…“, drohte der Beamte. Sie nickten – mit ziemlich griesgrämigen Gesichtern. Er wandte sich murmelnd von ihnen ab. Eines seiner Worte klang verdächtig nach Irrenanstalt. Sobald er die Tür hinter sich schloss, flüsterte sein Großvater: „Gut. Jetzt fällt es nicht auf wenn wir Tuscheln.“ „Das war Absicht von dir?“ „Ja. Dieser blöde Inspektor hat mich nämlich beim Verhör gefragt, ob es vor meinem Anfall, tatsächlich zu einer Streiterei zwischen uns gekommen ist. Die Nachbarn hätten uns gehört. Da habe ich ihm gesagt, dass das bei uns an der Tagesordnung ist. Das wird ihm der Typ da vorne bestimmt bald bestätigen können.“ „Du gerissener alter Fuchs!“, Tysons Augen strahlten ihn an. Da legte sein Großvater einen Finger an die Lippen, um ihm zu bedeuten leiser zu sprechen. Sein Blick huschte zum Beamten, der ihnen den Rücken zugewandt hielt, als wolle er sich dieses Elend nicht anschauen. „Da gibt es etwas, was du wissen musst, mein Junge.“ „Was denn?“ „Als ich im Krankenhaus gewesen bin, habe ich etwas sehr beunruhigendes gesehen.“ Tyson neigte ihm den Kopf näher heran und nickte, als stumme Aufforderung weiterzusprechen. Sein Großvater tat einen tiefen Atemzug bevor er fortfuhr. „Es geht um Kai. Im Krankenhaus… Ich weiß nicht was da in ihn gefahren ist, aber er hat dort eine Krankenschwester angegriffen.“ Tyson schloss gequält die Augen. Also hatte er richtig vermutet. Diese Frau die gerade um ihr Überleben kämpfte, ging auf Dranzers Konto. „Du warst dabei?“ „Ja. Kurz davor kam Jana in mein Zimmer. Sie meinte ich solle mich mit ihr vor der bösen Fee verstecken. Zuerst dachte ich, es sei nur ein kindliches Spiel und habe mitgemacht. Da kam gleich danach auch schon Kai in den Raum, zusammen mit einer Krankenschwester. Ich konnte von meinem Versteck aus nicht viel sehen, aber was ich aufgeschnappt habe, machte den Eindruck, als würde Kai uns suchen. Das er erfolglos blieb machte ihn ziemlich wütend… Ich kann gar nicht in Worte beschreiben was dann passierte.“ Sein Großvater fuhr sich über die Nasenwurzel, während Tyson schluckte. „Jana meinte das wäre nicht ihr Bruder. Und ich glaube… Sie hatte Recht. In jenem Moment, da glich er mehr einem Monstrum! Der Raum hat gebebt, die Wände vibrierten. Da waren überall wirre Lichter und dieses furchtbare Kreischen wie von einem Vogelschwarm. Ich dachte wirklich, der Schrank klappt in sich zusammen. Der Junge hatte nichts mehr Menschliches an sich.“ „Das war Dranzer…“ „Das war ein Monster.“, sein Großvater schüttelte fassungslos den Kopf. „Oh Grünschnabel, wie einfältig sind wir Menschen? All die Jahre dachte ich, der große Dragoon sei nur ein kleines Emblem, auf unserem Familienschwert. Eine hübsche Verzierung und ein kleiner Glücksbringer – aber dieser Moment. Der hat mich mehr Demut gelehrt. Auf einmal ist mir klar geworden, dass wir all die Jahre eine Waffe aufbewahrt haben, die der Mensch niemals kontrollieren kann.“ „Diese Erkenntnis habe ich in den letzten Tagen auch erhalten.“, sprach Tyson traurig. Er dachte an den toten Drachenkörper in der Irrlichterwelt. Sein einstiger Partner… Dann blinzelte er das Bild vor seinen Augen weg und fragte: „Hast du den anderen davon erzählt?“ „Nein. Wie denn auch? Kai war seit eurer Ankunft immer bei euch und es ging alles so schnell. Es gab einfach keine ruhige Minute mehr.“ „Opa, die haben mich deshalb ausgefragt. Kai darf dafür nicht ins Gefängnis kommen! Irgendwie müssen wir ihn da heraushauen.“ „Ich weiß, aber wie denn, mein Junge? Um euch alle steht es momentan nicht gut.“ „Du warst also die ganze Zeit dort, als es passiert ist?“ „Ja. Zusammen mit seiner kleinen Schwester.“ Tyson biss sich auf die Unterlippe. Dann fragte er vorsichtig: „Könntest du nicht behaupten, dass du mit Kai und Jana, zusammen in der Cafeteria warst? Oder irgendwo anders?“ Sein Großvater hob nachdenklich die Hand ans Kinn. Man sah ihm förmlich an, dass er diese Option ernsthaft in Erwägung zog. Seine Brauen zogen sich tief ins Gesicht, während er grübelte. Er hätte auch anders reagieren können. Immerhin erklärte er sich damit bereit, eine schwere Körperverletzung zu vertuschen und das für einen Jungen, der nicht sein eigen Fleisch und Blut war. „Grünschnabel, weißt du was du da von mir verlangst?“ „Ich weiß es.“ „Diese Frau… Sie hatte nie etwas mit der ganzen Sache zu tun. Du bringst mich hier in einen argen Gewissenskonflikt.“ „Es ist viel verlangt, aber du kennst Kai. Er ist genauso ein Opfer wie sie. Wir alle haben unsere Bit Beast unterschätzt.“ Sein Großvater dachte weiter nach. Immer wieder huschte sein Blick, zwischen dem anderen Insassen und dem Wärter vor der Zelle, hin und her, auf der Hut vor einem unliebsamen Zuhörer. „Ich weiß dass er dein Freund ist, aber…“ „Bitte Opa!“, Tyson flüsterte hastig und ergriff seinen Arm. Seine Finger zitterten. Er schaute ihn entschlossen an. „Bitte lass das nicht zu. Wenn er ins Gefängnis wegen dieser Sache kommt… Ich kann das nicht zulassen!“ „Glaubst du denn Kai könnte sich das verzeihen?“ „Ich weiß es nicht - aber er trägt einfach keine Schuld dafür. Mehr muss ich nicht wissen!“ „Es waren seine Hände die das gemacht haben.“ „Es war nur eine Hülle! Ohne den dazugehörigen Geist.“ „Dann stellt sich wohl die Frage was mehr wiegt. Körper oder Geist.“ „Das weißt du doch genau.“ „Hör zu, mein Junge. Du musst das von meinem Standpunkt aus betrachten. Ich verstehe, dass dir deine Freunde viel bedeuten. Aber in erster Linie muss ich jetzt an unsere Familie denken. Die Familie geht immer vor, dass habe ich dir als kleiner Junge stets gepredigt. Freunde sind natürlich auch wichtig, doch sie sollten dennoch an zweiter Stelle stehen. Glaubst du Kai würde das nicht auch in unserer Position so sehen?“ „Ich weiß nur dass er mir viel bedeutet.“ „So viel, dass wir uns in eine Lügennetz verstricken, das uns das Genick brechen könnte? Denk doch nur an all die anderen Vorwürfe gegen euch. Wir bauen diese Lügen auf verdammt wackligem Grund.“ „Wenn Hiro ins Gefängnis kommen muss, wie würdest du dich fühlen?“, fragte Tyson auf einmal geradeheraus. Sein Großvater blinzelte überrascht ob des plötzlichen Themenwechsels. „Es wäre wie ein Dolchhieb ins Herz.“ „Und so wird sich das auch bei Kai anfühlen. Für mich zumindest!“ Sein Großvater tat einen tiefen Atemzug, der seinen Brustkorb stark in die Höhe schob. Er verschränkte die Arme vor sich und schloss die Augen. „Bedeuten dir deine Freunde wirklich so viel?“ „Das sind schon lange keine Freunde mehr für mich. Das ist ein Teil meiner Familie. Bitte nimm mir nicht einen von ihnen weg. Das wäre als würdest du mir ein lebenswichtiges Organ entnehmen.“ Er schaute ihn aus verzweifelten Augen an. „Für die Familie tut man alles. Das sind deine Worte. Also bitte hilf mir jetzt. Ich würde doch auch für dich alles tun.“ „Grünschnabel…“ Sein Großvater schaute ihn bedauernd an, schnalzte mit der Zunge, während Tyson seine Antwort erwartete. Er wiegte den Kopf zur Seite, bis er laut ausatmete. Sein Mund öffnete sich für eine Entgegnung. Da schwang im Flur vor der Zelle eine Tür auf und ein Beamter hechtete herein. Ohne Umschweife kam er auf den Punkt: „Der Chef will dass alle Zeugen hinter die Glaswand kommen.“ „Wieso?“, fragte der Wärter. „Dieser Hiwatari geht offenbar auf einen Deal mit Kato ein.“ „Dieser alte Gauner knackt auch jeden. Jetzt beschuldigen sie sich bestimmt gleich alle gegenseitig.“ Als Tyson zu seinem Großvater schaute, blickte der mit starrer Miene zurück. Bis ein schweres Seufzen aus seinem Mund kam… Wenig später fand sich Tyson, in Begleitung seines Kerkermeisters, in jenem Raum, den er hinter der Glasfront des Verhörraums vermutet hatte. Es handelte sich dabei tatsächlich um einen Einwegspiegel, denn auf der anderen Seite hatte man einen tadellosen Blick ins Innere des Zimmers, wo er Kai gegenüber vom Inspektor sitzen sah. Es war sonderbar sich an einem jener Schauplätze zu finden, die man nur aus Filmen kannte, zumal die Darsteller in diesem makabren Stück, ausgerechnet aus seinem Freundeskreis bestanden. Kai auf der anderen Seite zu sehen war so eigenartig. Der hielt die Augen geschlossen. Hätte er die Arme noch vor sich verschränkt, käme er seinem alten Selbst wirklich nahe. Stattdessen lagen seine Hände auf dem Tisch. Er fuhr sich über die Finger, als würde er sie ineinander verhaken wollen. Tyson fragte sich, ob Kai wirklich vorhatte, auf einen Deal einzugehen. Und vor allem aus was dieser Deal bestand… Die beiden Beamten, die sie hierher geführt hatten, waren zumindest davon überzeugt, dass er sie ans Messer liefern wollte. Was sein Großvater dachte, wusste Tyson nicht so genau. Er war den Weg hier her sehr still gewesen. Zu seiner Überraschung empfingen ihn Ray und Max auch in diesem Raum. Ihre Mienen wirkten ziemlich nervös. Als er sich zu ihnen gesellte, fragte er leise: „Was ist hier los?“ „Ich weiß es nicht.“, antwortete Max mit einem Blick über die Schulter. Er wollte seine Freunde bereits mit weiteren Fragen bombardieren, als eine Stimme zu ihnen schallte, die zu keinem der hier anwesenden Personen passte. Tyson bemerkte das es Lautsprecher gab, die alles was im Inneren des Verhörraums gesprochen wurde, hier drinnen wiedergaben. „Sie haben die weitere Vorgehensweise verstanden, Mr. Hiwatari?“, die Worte stammten von Inspektor Kato. Einer seiner Helfer war mit ihm im Raum und nestelte am Tisch an einem Gerät herum, das nach einem Aufnahmegerät ausschaute. Kai nickte gegenüber von ihm. „Bitte bestätigen sie das in ganzen Sätzen für das Protokoll.“ „Ich habe meine Rechte verstanden und bin mir bewusst, dass meine Aussage protokolliert wird.“ Auf der anderen Seite des Spiegels wurden beunruhigte Blicke ausgetauscht. Als Tyson neben sich schaute, schloss Ray stöhnend die Augen. Sie alle waren nicht vom Fach, doch dass Kai seine Aussage aufnehmen ließ, kam ihnen allen spanisch vor. Welchen Verdacht seine Freunde hatten, wusste Tyson nicht, doch was ihn selbst anging, weigerte er sich zu glauben, dass Kai ihnen etwas anhängen wollte. „Ich kenne ihn. Er ist kein Lügner.“ Dieser Gedanke ging wie ein Mantra durch seinen Kopf. Er schaute aus zusammengezogenen Brauen zu Inspektor Kato, diesem brummigen Polizisten, von dem er nicht wusste, wie man ihn einschätzen sollte. Der schaute auf seine Notizen herab und fuhr in geschäftigem Ton fort, ganz so, als wäre das hier überhaupt nichts Neues für ihn. „Wir werden nun protokollieren, was sie vorhin zur Aussage gegeben haben. Zunächst einmal klären wir ihre Daten.“ Während die personenbezogenen Details geklärt wurden, schaute Tyson die restlichen Anwesenden an. Unter ihnen war jener Polizist mit dem kantigen Kiefer, der ihn an seinem Wagen aufgegriffen hatte. Den würde er sicherlich nicht so schnell vergessen. Allein bei dem Gedanken tat ihm sein Kinn wieder weh. Neben ihm stand ein Beamter, den er noch nicht kannte. Er hielt die Arme verschränkt, in der einen Hand eine ähnliche Mappe wie Inspektor Katos. Tyson konnte nicht genau bestimmen, für wie alt er ihn halten sollte, denn obwohl er gar nicht mal so viel älter als er selbst wirkte, sprossen aus seinen Schläfen bereits die ersten grauen Haare. Womöglich beschwor dieser anstrengende Beruf so etwas einfach herauf. „Inspektor Kabayashi, hätten sie einmal den Anstand uns zu erklären, was das hier soll?“, die Frage kam von Ray und richtete sich genau an jenen Beamten, den Tyson noch nicht kannte. Ihm fiel auf wie angriffslustig er dabei klang, ganz so, als habe er eine unschöne Erfahrung mit ihm gemacht. Zumindest war da keinerlei Sympathie oder Achtung herauszuhören. Jemand der so schlecht in Rays Ansehen stand, musste schon einiges ausgefressen haben, um so in seiner Gunst zu fallen. Der Inspektor hob aber nur lässig den Finger an den Mund. „Einfach nur zuhören und lauschen.“, sprach er leise. Mehr kam nicht. Er wippte lediglich auf den Fußballen und schaute gelassen in den Raum vor ihm hinein, während Rays Blick ihn eigentlich hätte töten müssen. „Wir gehen nun noch einmal alle Vorfälle durch, bei jenen sie anwesend waren. Beginnen wir mit dem Brand im Hiwatari Anwesen. Erklären sie was sich in jener Nacht zugetragen hat. Zumindest an die Dinge, an die sie sich erinnern können. Was wissen sie noch?“ „Ich weiß dass meine Schwester im Haus geschlafen hat.“ „Wo waren sie?“ „Das kann ich nicht genau sagen…“ „Wissen sie noch wie viele Leute anwesend waren.“ „Nein. Ich kann nur vermuten, dass ich alleine mit ihr war.“ „Sie haben vorhin gesagt, dass sie ein Feuer im Kamin gemacht haben, der zum Brand geführt hat. Können Sie das bestätigen?“ „Ja. Das weiß ich noch genau.“ „Aber wo der Kamin steht, wissen sie nicht mehr.“ „Nein. Das weiß ich leider nicht. Mein Gedächtnis ist ziemlich lückenhaft zurzeit.“ Tyson hörte seine Freunde laut aufatmen. Er fragte sich, weshalb sie so nervös darauf reagierten und auch sein Großvater biss sich auf die Unterlippe. „Sie können also nicht mit Sicherheit sagen, ob der Brand wirklich durch den Kamin entstanden ist.“ Kai blieb zunächst stumm. Er schaute auf seine Finger herab, schien auf Tyson wieder geistesabwesend. Ein Blick in seine Pupillen und er begriff was sich gerade abspielte. Er erinnerte sich wieder an etwas. Es blieb lange Zeit still im Raum, bis sich Inspektor Kabayashi zum Mikrophon des Gerätes herabbeugte. „Anmerkung für das Protokoll. Kai Hiwatari scheint wieder einen der vorangegangenen Aussetzer zu haben. Er blickt teilnahmslos vor sich. Seine Pupillen scheinen wieder geweitet zu sein.“ „Hören sie auf!“, rief Max aus. Er drehte sich zu dem anwesenden Inspektor in seiner Nähe um. Schaute ihn anklagend an. „Ist das überhaupt zulässig?!“ „Er hat diesem Verfahren zugestimmt.“, erklärte Kabayashi, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Noch bevor etwas zurückkommen konnte, drang die Stimme Katos wieder zu ihnen. „Mr. Hiwatari? Hören sie mich?“ Kai blinzelte verblüfft. Einen Moment setzte er sich stocksteif auf, als sei er aus einem Dämmerzustand erwacht. Seine Augen huschten umher, bis er sich schwer atmend zurücklehnte. „Möchten sie die Befragung abbrechen?“ „Nein. Ich glaube das wird nicht besser.“ „Wie sie wollen.“, Inspektor Kato schien nicht verärgert. Anscheinend war es nicht das erste Mal gewesen, dass dies während Kais Verhör passierte. „Ich wiederhole meine Frage. Können sie mit Sicherheit sagen, dass der Brand wirklich durch den Kamin verursacht wurde?“ „Nein.“ „Warum nicht.“ „Weil ich vor dem Kamin eingeschlafen bin.“ „Eingeschlafen?“ Kai seufzte leise. Dann korrigierte er sich. „Eingeschlafen ist wohl das falsche Wort… Ich bin geradezu im Delirium gewesen.“ Irritierte Blicke gingen nun durch die Gruppe. Neben sich hörte Tyson seinen Großvater leise schnalzen. Etwas lief wohl nicht wie sein alter Herr wollte. Da begriff er, weshalb alle so nervös waren. Sie mussten vorgefertigte Aussagen geprobt haben und Kai schien sich nicht mehr an die Absprache zu halten. Vielleicht konnte er das auch gar nicht, da sein Zustand so labil war. „Wodurch sind sie bewusstlos geworden?“ Es dauerte bis eine Antwort kam. Inspektor Kato beugte sich zu ihm vor. „Mr. Hiwatari? Haben sie wieder…“ „Nein. Das fällt mir nur schwer.“, erklärte Kai. Er setzte sich auf und schaute sein Gegenüber ernst an. Was immer er denken mochte, es schien ihm Sogen zu bereiten. So nervös hatte Tyson ihn noch nie erlebt. „Sie haben gemeint dass ich eine Firma leite.“, sprach er auf einmal. „Hiwatari Corp. Ein Familienunternehmen in der dritten Generation.“ „In der Zweiten. Mein Vater hat sein Erbe nie angetreten.“ Daran konnte Kai sich also wieder erinnern. „Sind diese Informationen notwendig?“ „Ja. Denn man sollte für das Protokoll erklären, wie rapide dieses Unternehmen in den letzten Jahren gewachsen ist. Mein Großvater hat es quasi aus dem Nichts gestampft, nachdem er in der Nachkriegszeit nach Japan ausgewandert ist. Und in den letzten Jahren, hat die Firma noch weitere Standorte, auf der ganzen Welt aufgebaut. Sie ist sehr profitabel.“ Kai schaute geistesabwesend in die Ferne und sprach: „Die Kehrseite davon ist, dass ich viel Zeit in das Unternehmen investieren musste. Es schert niemanden wie die mentale Verfassung eines Firmeninhabers ist – man muss funktionieren. Sobald das nicht mehr der Fall ist, kursieren Gerüchte und die Konkurrenz taucht auf.“ „Und sie wollten funktionieren?“ „Um jeden Preis.“ „Erzählen sie mir noch einmal, was sie dafür gemacht haben.“ Kai schloss die Augen. Einen Moment verweilte er so. Dann hob er das Gesicht und schaute den Inspektor vor sich mit steinerner Miene an. „Ich habe Ritalin zu mir genommen.“ Tyson blinzelte geschockt. Woher kam denn das auf einmal?! Er sah sich im Raum um und erkannte, dass seine Freunde ebenfalls total verwirrt wirkten. Max klappte langsam der Mund auf, bis er merkte, dass Kabayashi ihn genau beobachtete. Deshalb waren sie also hier… Man wollte ihre Reaktion beobachten. Tyson wich dem Blick des Inspektors aus und schaute wieder in den Raum vor ihm. Er fragte sich, was er von Kais Plan halten sollte. Wohin sollte das führen? Es hätte doch ausgereicht, wenn er behauptete, dass er vor dem Kamin eingeschlafen sei – was bezweckte er also mit dieser absurden Geschichte? Der Inspektor schien ihm auch noch zu glauben, sonst würde er die Aussage wohl nicht aufnehmen. „Woher hatten sie das Ritalin?“ „Durch ihre Trisomie leidet meine kleine Schwester unter Aufmerksamkeitsstörungen. Deshalb hatte ihr Arzt es ihr verschrieben. Allerdings…“, Kai schaute zur Seite. „Ich hielt nichts davon sie mit Medikamente vollzupumpen, behielt das Mittel aber für den äußersten Notfall in Verwahrung. Irgendwann aber… Da kam ich nachhause und meine Mutter war verschwunden.“ Tyson schluckte. Daran erinnerte sich Kai also auch wieder. Er trat näher an die Scheibe heran, denn endlich taten sich die Begebenheiten jener Nacht vor ihm auf. „Ein zusätzlicher Druck bei einem Trisomie kranken Kind im Haus, nicht wahr?“ Kai antwortete nicht. Er schaute vor sich, verschwieg dem Inspektor seine Meinung dazu. Nach einer Pause, fuhr er fort: „Es hat zumindest damit angefangen. Durch die Abwesenheit meiner Mutter, hat meiner Schwester eine Bezugsperson daheim gefehlt. Sie musste viele Stunden ohne ein Familienmitglied ausharren. Da ich der Einzige bin, der ihr noch geblieben ist, gab sie so lange keine Ruhe, bis ich endlich zuhause war. Nachdem das Personal weg war, habe ich deshalb noch versucht mich mit ihr zu beschäftigen. Ich kann nicht behaupten, dass ich etwas gegen ihre Anwesenheit habe – doch Kinder sind anstrengend. Vor allem solche wie sie…“, Kais Blick huschte zum Spiegel. Tyson wusste das er sie nicht sah. Wahrscheinlich betrachtete er sich selbst. Sein blasses Gesicht… „Ein solches Kind braucht einen Menschen der es umsorgt. Eine Firma braucht einen Menschen der sie leitet. Es ist schwierig beidem gerecht zu werden, wenn man so viel Arbeit nachhause mitbringt.“ Tyson konnte seine Pupillen sehen. Sie wurden wieder weiter. Jetzt in diesem Moment erinnerte sich Kai also erneut an etwas. Er blieb lange stumm und Inspektor Kato begriff ebenfalls, dass er ein weiteres Mal weggetreten war. Erneut beugte er sich zum Gerät herab, um das aufgetretene Schweigen zu erklären, da sprach Kai aber schon weiter: „Ich erinnere mich daran, viele Nächte lang durchgemacht zu haben.“ „Mithilfe des Ritalins?“ „Ich denke ja.“ „Sie wissen dass bei einem übermäßigen Missbrauchs dieses Medikamentes, die Wirkung auch komplett ins Gegenteil umschlagen kann?“ „Es war mir bewusst. Ich habe die Folgen aber unterschätzt.“ „Daher sind sie vor dem Kamin… eingeschlafen.“ „Ich war so unglaublich müde. Es kam mir vor, als könne ich nicht mehr die Augen offen halten. Als stände ich kurz vor der Bewusstlosigkeit.“ „Und als sie aufwachten?“ „Hatte das Feuer schon um sich geschlagen. Es ging alles so schnell…“ „Woran erinnern sie sich noch?“ „Ich hatte Halluzinationen. Von einem Feuervogel der meine Schwester töten will.“ „Eine Panikattacke?“ „Wahrscheinlich.“ „Kam das nach der Einnahme von Ritalin bereits vor?“ „Ja. Mein Gedächtnis ist zwar lückenhaft, aber daran kann ich mich erinnern.“, Kai kniff die Augen fest zusammen und fuhr sich über die Schläfen. „Wer hat das Mädchen gerettet?“ „Ich weiß noch, dass ich Jana in mein Zimmer gebracht habe. Tyson kam die Häuserwand hinaufgeklettert und hat sie durch das Fenster hinausgeschafft.“ „Warum waren ihre Freunde überhaupt da?“ „Wir waren verabredet. Dadurch dass ich aber wie ein Stein geschlafen habe, muss der Termin einfach an mir vorbeigezogen sein. Bestimmt wollten sie nach dem Rechten sehen, weil ich nicht aufgetaucht bin.“ Eine Lüge… Sie waren nie verabredet gewesen. Doch immerhin erklärte es endlich ihre Anwesenheit vor Ort. Als Tyson zu seinem Nebenmann spähte, schielte auch Ray gerade zu ihm. Ihre Blicke trafen sich und beide ahnten, dass Kais Aussage tatsächlich plausibel klang. Max wandte sich vom Spiegel ab. Man sah ihm seine Angespanntheit an. Er begann im Raum ziellos umherzuschleichen, die Arme vor sich verschränkt. Inspektor Kato schaute inzwischen auf seine Notizen herab. Der alte Mann nickte und sprach schließlich: „Also war es kein Zufall, dass ihre Freunde aufgetaucht sind?“ „Keineswegs. Sie machen sich einfach nur schnell Sorgen. Das ist so typisch für sie.“ Tyson hätte schwören können ein leises Lächeln zu sehen. Kai wirkte dabei so abgekämpft. „Sie geben also zu, dass der Brand durch ihr eigenes Verschulden zu Stande kam.“ „Ja. Keiner von ihnen hatte etwas damit zu tun. Es sähe ihnen auch gar nicht ähnlich.“ Ein angespannter Atemzug kam von Tyson. Dadurch dass Kai die Schuld für den Brand auf sich nahm, war wenigstens ein Vorwurf beiseite gekehrt. Doch die anderen Punkte blieben… „Gut. Kommen wir zum nächsten Vorfall.“, Inspektor Kato blätterte eine Seite weiter. „Als ich ihnen die Fotos von der Nachtschwester zeigte, haben sie angegeben, dass sie keinerlei Erinnerung an ihren Aufenthalt im Krankenhaus haben.“ Tyson stutzte. Ihm fiel auf das der Inspektor mit keinem Wort, die Leiche aus dem Hiwatari Anwesen erwähnte. Das machte ihn doch misstrauisch. „Nicht eine Einzige. Es muss wohl ein Blackout sein.“ „Der Befund der uns von dort zugefaxt wurde, sagt aus, dass sie nach ihrem Erwachen, ebenfalls einige Medikamente verabreicht bekommen haben. Können sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt daran erinnern, die Ärzte über die Einnahme des Ritalins in Kenntnis gesetzt zu haben?“ „Das habe ich nicht.“ „Der behandelnde Arzt hat aber zu Protokoll gegeben, dass sie zuvor ansprechbar waren. Weshalb haben sie nichts gesagt?“ Kai brauchte lange bis er antwortete. Doch irgendwann sagte er: „Weil ich nicht zulassen konnte, dass es herauskommt. Immerhin reden wir hier von Medikamentenmissbrauch.“ „Sie haben es also bewusst verschwiegen?“ „Ja. Und wie sie vorhin richtig gesagt haben, waren auch meine Freunde dort anwesend…“, Tyson runzelte die Stirn. Dann hatte der Inspektor mit dieser Information, Kai geradewegs in die Hände gespielt. Doch worauf das genau hinauslaufen sollte, verstand er noch immer nicht. Nach einer kurzen Pause, fügte Kai noch hinzu. „Ich wollte nicht dass die anderen von meiner Sucht erfahren.“ „Mr. Hiwatari, wissen sie noch, dass ihnen bei ihrer Einweisung auch Blut abgenommen wurde?“ „Nein…“ „Das wurde es aber. Der ärztliche Befund liegt mir vor. Das Medikament konnte ohne Zweifel in erhöhter Menge in ihrem Blut nachgewiesen werden.“ Tyson stockte der Atem. Er brauchte eine Weile um das Gehörte zu verdauen. Dann war das, was Kai da erzählte, nicht einmal gelogen! Er schaute zu Ray hinüber, dem der Mund aufgeklappte. Sie wussten es also auch nicht… „Wissen sie wie lebensgefährlich dieser Medikamentencocktail in ihrem Blut war?“ „Ich wusste es, aber wie gesagt – ich habe die Folgen ignoriert.“ Am liebsten hätte Tyson ihn jetzt geschlagen! Er konnte nicht fassen dass Kai so weit gegangen war und die Wut kochte in seinem Bauch hoch. Das ihm sein Stolz zu solchen Dingen trieb, war einfach unbegreiflich. Anstatt sich einfach Mal helfen zu lassen, hatte er sich lieber mit Medikamenten aufgeputscht. Tyson musste an ihren Streit denken. Daran das er Kai in jener Nacht kaum wiedererkannt hatte. „Du blöder Idiot!“, zischte er. Diese Enttäuschung tat einfach nur weh… In seinem Zorn haute er gegen die Scheibe und trat wutschnaubend von ihr weg. „Hey! Benehmen sie sich!“, fuhr ihn Kabayashi an. „Halt die Fresse!“ „Was war das?“ „Tyson sei still.“, bat Max eindringlich. Dabei wollte er doch lieber platzen… „Fassen wir das also zusammen.“, schallte Katos Stimme aus dem Verhörraum hinaus. „Bevor der Brand ausbrach, hatten sie erneut Ritalin zu sich genommen, weshalb sie bewusstlos wurden. Der unbeaufsichtigte Kamin sprühte Funken und als sie wach wurden, brannte das Feuer bereits lichterloh. Nach ihrer Einweisung im Krankenhaus, aufgrund ihrer Rauchvergiftung, verschwiegen sie den behandelten Ärzten die Einnahme des Ritalins. Als Folge dessen, können sie sich durch die Einwirkungen all dieser Medikamente, nicht mehr an die Nacht im Krankenhaus erinnern. Bis auf eines…“ „Das ich diese Krankenschwester schon einmal gesehen habe.“, beendete Kai den Satz. Er schloss die Augen und fuhr fort. „Ich glaube sie taucht vage in meinen Erinnerungen auf. Und es würde auch das absonderliche Verhalten meiner Freunde erklären.“ Auf einmal verpuffte Tysons Wut. Eine böse Vorahnung machte sich in ihm breit. „Bitte erläutern sie das für das Aufnahmegerät.“ „Ich bin mir sicher, dass ich es gewesen bin, der dieser Frau etwas angetan hat. Durch diesen Medikamentenmix, muss es wieder zu einer Panikattacke gekommen sein. Ich hatte schon einmal eine. Es war wirklich heftig.“, schallte Kais Erklärung zu ihnen. Tysons verzog gequält das Gesicht. Jetzt wurde ihm klar worauf dass alles hinauslief. Er sah den traurigen Ausdruck in Kais Augen. Das konnte er doch nicht zulassen! Prompt machte er auf dem Absatz kehrt, doch noch bevor Tyson die Tür erreichte, stellte sich der Beamte, mit dem bulligen Kinn vor ihm auf. „Aus dem Weg!“, fuhr er ihn an. „Na na… Wir hören uns erst den Rest an.“, sprach der anwesende Inspektor. Es kam so unglaublich überheblich, am liebsten hätte er ihm den Hals umgedreht. Er konnte Rays Abneigung gegen ihn, nun allzu gut nachvollziehen. „Das ist eine üble Nebenwirkungen von Ritalin.“, merkte Inspektor Kato inzwischen an. Er spähte auf ein Blatt in seiner Hand. „Ihre Schläfrigkeit und der Schwindel, von der sie zuvor gesprochen haben, sind noch weitere davon.“ „Ich weiß. Ich litt auch sehr lange unter Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen. Es ist wirklich eigenartig. Man ist unendlich müde und dennoch kommt man nicht zur Ruhe.“ „Übermüdungserscheinungen können zu Halluzinationen führen. Daher vielleicht ihre Vision von diesem Feuervogel.“ „Ja. Das wird es sein... Ich hatte seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen, aber weiterhin das Ritalin zu mir genommen. Deshalb bin ich sicher, dass ich etwas mit dem Angriff auf die Nachtschwester zu tun habe. Es muss während der Panikattacke passiert sein.“, erklärte Kai. „Er lügt!“, keuchte Max aus. „Er will uns nur schützen, damit wir nicht verdächtig wirken!“ „Haben sie einen Grund um verdächtig zu sein?“, wollte Inspektor Kabayashi wissen. Seine Braue hob sich fragend. „Nein! Wir haben nichts getan - Kai aber auch nicht!“ „Hören wir uns doch an, was ihr Freund noch dazu zu sagen hat…“ Max wollte zu Widerworten ansetzen, doch der Inspektor hob die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. Er deutete in den Raum vor ihnen, wo das Gespräch fortgeführt wurde. „Erklären sie wie sie zu ihrer Annahme kommen.“ „Als wir hier her gefahren sind, haben sich die anderen mit ihren Aussagen abgesprochen.“ Tyson vernahm ein Zischen von Max, als habe man ihm einen Hieb verpasst. Daran musste also tatsächlich etwas dran sein. Als er zu seinen Freunden blickte, biss sich Ray heftig auf die Unterlippe. Offenbar krempelte Kai ihren Plan ganz schön um, weil er nicht der Überzeugung war, dass ihre Theorie standhielt. „Meine Freunde meinten zu mir, es sei besser für mich, wenn ich so wenig wie möglich wisse und sage. Es hieß ich solle still bleiben, weil ich durch meine Aussetzer, mich an etwas erinnern könnte, was ich mir niemals verzeihen würde. Und als sie mir vorhin diese Fotos gezeigt haben, von dieser verletzten Frau im Krankenbett und wie die anderen zuvor das Krankenhaus verlassen haben, ohne mich, da war mir klar was sie tun… Sie schützen mich.“ Neben Tyson fand nun eine heftige Diskussion statt. Beide, sowohl Ray als auch Max, behaupteten standhaft das Kai log und es diese Absprache nie gegeben habe. Allerdings kannte Tyson die beiden lang genug, um zu wissen, wann sie flunkerten. Max kreuzte dann immer die Finger an seiner linken Hand, um sie knacksen zu lassen. Außerdem war sein Großvater so ruhig. Sein alter Herr stand aufrecht und fuhr sich nachdenklich über den Bart, ohne sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Es war ohnehin seltsam, dass er so wenig sprach, dass passte nicht zu ihm. „Aber an die Tat selbst haben sie keine Erinnerung?“ „Nein.“ „Mr. Hiwatari, wo waren sie nach ihrem Aufenthalt im Krankenhaus?“ „Ich weiß es nicht genau. Ich muss von dort geflüchtet sein. Das Erste woran ich mich wieder erinnern kann, ist, dass ich in der Nähe einer Tempelanlage zu mir gekommen bin. Ich bin dort eine ganze Weile ziellos durch die Gegend gelaufen, bis meine Freunde mich wieder gefunden haben. Sie hatten die ganze Nacht nach mir gesucht, weil ich während ihrer Abwesenheit aus dem Krankenhaus verschwunden war. Und als sie merkten in welchem Zustand ich war, begriffen sie, dass etwas mit mir nicht stimmte. Sie drängten mich dazu ihnen die Wahrheit zu erzählen, so lange, bis ich irgendwann meine Ritalinsucht beichtete. Da muss auch ihnen klar geworden sein, was ich getan habe. Und sie sprachen davon, dass sie niemals zulassen würden, dass es herauskommt…“ Kai schaute auf. Sein Gesicht wirkte bedauernd. „Das ist so typisch. Immer halten sie die Hand schützend über mich. Sie wussten wie viel für mich auf dem Spiel stand. Tablettensucht und der Angriff auf eine Krankenschwester, würden meinem Ruf das Genick brechen. Ich könnte die Firma verlieren, wenn ich ins Gefängnis komme – und das Sorgerecht für meine Schwester! Auf dem Weg in die Stadt, tüftelten sie deshalb an einem Plan, der mich entlasten sollte. Da wurde Tyson an seinem Wagen aber von ihren Beamten festgenommen, als wir für kurz bei Rays Frau hielten, um uns in Ruhe abzusprechen. Deshalb weicht seine Aussage auch ab, weil er nicht alle Absprachen kennt. Wenn sie aber Max und Ray schon vernommen haben, werden sie feststellen, dass die beiden fast das Gleiche sagen. Das liegt daran, dass sie genug Zeit hatten, um sich abzustimmen. Zeit die Tyson nicht blieb…“ Selbst daran hatte Kai gedacht. Dieser Junge war ein Phänomen. Auch in dieser Situation behielt er den Überblick über alle Eventualitäten. „Würde erklären warum Mr. Kon auf alles eine Antwort hatte.“, kam es höhnisch von Inspektor Kabayashi. „Ach halten sie doch die Klappe!“, fuhr Ray ihn an. „Vorsicht. Wir wollen doch nicht wegen Beamtenbeleidigung hinter Gittern kommen.“ „Ihre blöden Drohungen können sie sich sparen!“ „Es gibt ein schönes Sprichwort für ihre jetzige Situation. Nur getroffene Hunde bellen.“ „Sie können sich glücklich schätzen, wenn ich nur belle.“ Zwischen den beiden musste ganz schön viel böses Blut herrschen, denn so angriffslustig kannte Tyson ihn nur, wenn er wirklich sauer war. Ray hielt die Arme verschränkt und schaute mit erhobenem Kinn in den Raum, ohne das feixende Gesicht zu seiner Seite eines weiteren Blickes zu würdigen. Tyson konnte es ihm nicht verdenken. Der grimmige Alte im Verhörraum kam ihm nun viel sympathischer vor. Kato schloss mittlerweile seine Mappe. Er lehnte sich im Stuhl zurück und bedachte Kai aus ernsten Augen. „Sie kennen ihre Freunde besser als ich. Trauen sie ihnen wirklich zu ein solches Lügenkonstrukt aufzubauen?“ Kai blieb lange ruhig. Er schaute nachdenklich vor sich auf den Tisch. Seine Lider waren gesenkt, als wäre er mit seinen Überlegungen in weiter Ferne. Als er endlich weitersprach, glich seine Stimme einem Flüstern. „Es ist nicht ihre Art. Aber Loyalität spielt bei ihnen einfach eine größere Rolle, selbst wenn sie sich damit selbst schaden. Selbst wenn es die Person kaum verdient hat…“ Tyson schloss die Augen als er diesen Satz vernahm. Er seufzte schwer. Alles in ihm wollte so gerne bei Kai sein. „Es ist eigenartig das mir das vorher nie richtig bewusst war. Erst in den letzten Stunden habe ich richtig begriffen, wie tief diese Treue geht.“, sprach der inzwischen. Tyson fiel auf das er seine Finger zu kneten begann – wie sein grauer Kater. Dieser kleine Junge war noch immer in Kai verborgen. „Kann ich mich darauf verlassen, dass sie ihr Versprechen halten?“ „Streng genommen ist es Beihilfe zur Vertuschung einer Straftat.“ „Ich bin verantwortlich dafür – und ich werde das auch aussitzen. Aber bitte bestrafen sie die anderen nicht, nur weil sie gute Freunde sein wollten. Das haben sie einfach nicht verdient…“ Inspektor Kato dachte lange nach. Dann nickte er. „Kann ich mich auf ihr Wort auch wirklich verlassen?“, wollte Kai noch einmal wissen. Offenbar dachte er dabei an das Aufnahmegerät, denn ein einfaches Kopfnicken könnte Kato im Nachhinein abstreiten. Seine Worte auf Band aber nicht. Kato tat einen tiefen Atemzug, weil ihm das wohl auch klar war. Dennoch ließ er Kai seinen Willen und sprach: „Wir werden keinerlei weitere Untersuchungen gegen ihre Freunde unternehmen. Doch sie müssen sich im Klaren sein, dass wir gegen sie weitere Maßnahmen einleiten müssen. Der Medikamentenmissbrauch allein ist schon schlimm genug, doch die Tatsache dass sie die Krankenschwester angegriffen haben, ist eine wirklich ernste Angelegenheit. Ich kann ihnen leider auch nicht versprechen, dass es zu mildernden Umständen kommen wird. Sie waren zwar geständig, zum Tatzeitpunkt auch nicht bei Sinnen – doch die Frau wurde zu übel zugerichtet, als dass ein Richter ein Auge zudrücken würde. Das muss ihnen klar sein. Es wird noch einige Punkte zu klären geben.“ Tyson dachte wieder an Dranzers Hülle. Sicherlich würde man versuchen, Kai auch daraus einen Strick zu drehen. Seine geballten Fäuste zitterten bei diesem Gedanken. Inspektor Kabayashi betätigte einen Knopf und die Lautsprecher verstummten. Von da an konnte er nur noch raten, was im Verhörraum besprochen wurde. Die Münder der beiden Anwesenden bewegten sich, ohne dass ein Laut zu ihnen hinein schallte, während der Beamte neben Kato das Protokoll weiterführte, immer wieder nebenbei nickend. Kabayashi blickte sich inzwischen im kleinen Raum um. Eine Person nach der anderen wurde gemustert. „Nun… Ich höre?“ Niemand antwortete ihm. „Ihre Loyalität in allen Ehren meine Herren, doch wir sollten jetzt realistisch bleiben. Bei Medikamentenmissbrauch kann der Gesetzgeber noch ein Auge zudrücken, vor allem da er nicht vorbestraft ist. Doch die Sache mit dem Brand und im Krankenhaus, wird ein böses Nachspiel haben. Wollen wir da nicht endlich alle Karten auf den Tisch legen?“ Noch immer herrschte eisiges Schweigen. Ihre Blicke sprühten geradezu vor Gift. „Sehen wir das ganze doch positiv. Zumindest können sie als freie Männer hinausspazieren.“, er nickte in Tysons Richtung. „Auch sie. Ihr Großvater hat sie entlastet.“ „Ich bleibe bei meiner Version.“, sprach Max stoisch. „Eine Version die viele dumme Zufälle beinhaltet.“ „Passiert eben…“ „Wir haben hier wohl einige schlechte Verlierer.“, sprach Inspektor Kabayashi kopfschüttelnd. „Wie auch immer. Ein plausibles Geständnis ist nun protokolliert. Sie können gehen…“ Die Tür hinter dem Koloss öffnete sich endlich. Doch Tyson rührte sich nicht von der Stelle. Er war wie betäubt, denn ihm wurde klar, dass er Kai nun für eine lange Zeit nicht mehr Nahe sein könnte. Sie konnten ihn nicht mitnehmen. Dieser Gedanke machte ihn einfach fertig… Seine Augen wurden feucht. Er wollte nicht ohne ihn gehen! Da legte sich die Hand seinen Großvater auf seine Schulter. Als er zu ihm aufschaute, zwinkerte der ihm unauffällig zu, dann sprach er mit donnernder Stimme: „Moment mal ihr Leuchten! Eure Theorie ist ja ganz nett, aber leider hat sie einen dicken Haken!“ Sein Großvater verschränkte die Arme vor der Brust. Ein gebieterischer Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Mir ist klar, dass ihr unbedingt einen Täter fassen wollt. Aber Kai ist es ganz bestimmt nicht gewesen! Als es nämlich passiert ist, war er bei mir. Pech gehabt meine Herren…“ Auf einmal schaute Inspektor Kabayashi dumm aus der Wäsche. Es ließ Rays Mundwinkel höhnisch zucken. * Eine geschlagene Stunde später saß Kato über seinem Schreibtisch gebeugt, die Arme verschränkt über seinem Wohlstandsbäuchlein und grübelte. Der Pappbecher mit dem Kaffee war schon lange leer, die verbliebene Flüssigkeit darin schon getrocknet. „Diese Bande macht mich noch wahnsinnig…“, jammerte Kabayashi. Er beklagte sich schon seit geraumer Zeit das er endlich Heim wolle, aber da Kato, als sein Vorgesetzter, keine Anstalten machte dem zuzustimmen, musste er ausharren bis die Sachlage endlich geklärt wurde. Ein Aschenbecher stand neben ihnen auf Schreibtisch, in dem drei ausgedrückte Zigarettenstummel langsam vor sich her glommen. Die leiteten Inspektoren, hatten sich nach Großvater Kinomiyas neuester Aussage, in Katos Büro zurückgezogen, um sich zu beraten. Das nahm eben Zeit und Nerven in Anspruch. „Ich weiß gar nicht was es da noch zu diskutieren gibt. Das ist doch alles erstunken und erlogen, was der Alte da faselt!“ „Dennoch müssen wir der Angelegenheit nun nachgehen. Fassen sie noch einmal die Punkte zusammen, Kabayashi.“ Sein Untergebener verzog genervt das Gesicht, da bellte Kato ihm über den Tisch hinweg zu, nun endlich mit dem Schmollen aufzuhören. Augenblicklich setzte er sich kerzengerade auf seinem Stuhl auf und holte seinen Notizblock hervor. Kurz darauf las Kabayashi auch schon vor: „Der Angriff auf die Krankenschwester wird auf circa elf Uhr abends geschätzt. Der genaue Zeitpunkt ist noch nicht ganz geklärt. Wir wissen aber anhand der Videoaufnahme von der Eingangshalle, dass Takao Kinomiya, Max Tate und Ray Kon, das Gebäude circa eine halbe Stunde zuvor schon verlassen haben. Sie scheiden mittlerweile als Verdächtige aus. Die Einzigen die zurückblieben, waren das Hiwatari Oberhaupt, seine kleine Schwester – die aber in der Kinderabteilung untergebracht war – und der nervige Alte.“ „Lassen sie die Gehässigkeiten!“ „Ja Chef. Entschuldigung Chef.“ „Sie können so unprofessionell sein, wenn sie auf Probleme stoßen!“ „Ich will doch nur nachhause…“ „Und sie wollen Oberinspektor werden?! An ihren Manieren müssen sie dann aber noch feilen. Und lassen sie sich einst gesagt sein, ich habe in ihrem Alter einige Überstunden geleistet – und das ohne Murren! Also wenn sie von mir eine Empfehlung wollen, reißen sie sich jetzt zusammen!“ „Verzeihung, Chef. Es ist nur wirklich frustrierend, wenn man Heim kommt und das Gefühl hat, dass die Frau die man geheiratet hat, schon wieder eine Falte mehr hat.“ „So lange sind sie nun auch nicht weg! Wenn sie zu ihrer Familie nachhause wollen, fangen sie an sich anzustrengen!“ „Natürlich.“, Kabayashi kratzte sich peinlich berührt am Kinn. „Darf ich fortfahren?“ „Ja, verdammt! Ich warte!“ „Schon gut! Ich mache ja schon…“, er pfiff aus. Kato wusste das seine herrische Art unter der männlichen Belegschaft gefürchtet war und auch wenn der Mann vor ihm talentiert sein mochte, rückte er ihm gerne mal den Kopf zurecht. Bald stand sein Ruhestand bevor und Kabayashi sollte sein Nachfolger werden. Zumindest hatte Kato mit dem Gedanken gespielt, ihn bei seinen Vorgesetzten hervorzuheben. Wenn dieser Kerl sich aber nicht endlich ins Zeug legte, würde er seine Empfehlung noch einmal gründlich überdenken. „Der Großvater scheidet als Verdächtiger ebenfalls aus. Er ist eindeutig nicht in der körperlichen Verfassung, um einen solchen Kraftakt aufzubringen. Dagegen hätte das aufgeputschte Hiwatari Oberhaupt, durch eine Panikattacke sonst etwas anstellen können. Nun behauptet der Großvater aber, ihn in der Herrentoilette vorgefunden zu haben, wie er sich die Seele aus dem Leib kotzte, kurz nachdem die Gruppe das Krankenhaus verlassen hat. Er soll nicht ansprechbar gewesen sein und im Fieberwahn geredet haben. Wahrscheinlich hervorgerufen durch den Medikamentencocktail den er verabreicht bekommen hat.“ „Das ist leider sogar plausibel, weil sie im selben Stockwerk stationiert waren.“ Kabayashi nickte mürrisch und fuhr fort: „Der alte Mann hat einige Zeit mit ihm auf der Toilette verbracht, weil er sich um ihn sorgte. Als er rausgehen wollte, um die Nachtschwester zu suchen, stellte er fest, dass etwas auf dem Stockwerk nicht stimmen konnte, da die Rezeption seit geraumer Zeit nicht mehr besetzt war. Außerdem war das kleine Hiwatari Mädchen von der Kinderstation entwischt. Als er sich in der Etage umschaute, fand er die Nachtschwester schließlich in der Blutlache liegend in seinem eigenen Zimmer vor. Er rief die Ärzte zur Hilfe, was diese sogar bestätigen können und in dem Tumult, der daraufhin entstand, vergaß er das Hiwatari Oberhaupt. Als er sich wieder auf dem Weg zu ihm machte, war der verschwunden. Er suchte zuerst das Hospital nach ihm ab, wurde aber nicht fündig.“ Kato rieb sich nachdenklich übers Kinn. „Das Zimmer war ziemlich verwüstet.“ „Richtig.“ „Viele Glasscherben?“ „Als wäre ein wütender Mob Hooligans durch das Zimmer marschiert.“ „Bei ihrem Blutverlust, all dem Chaos und den Scherben, muss doch irgendwo ein Fingerabdruck zu finden sein.“ „Die Scherben sind größtenteils so klein wie Sandkörner. Ich weiß nicht, ob die Spurensicherung hier noch etwas finden wird.“ „Tatsächlich? Das ist wirklich sonderbar…“ „In der Tat. Niemand kann sich erklären, was das Fenster so zerbersten ließ. Einige Patienten sprachen von einem lauten, hohen Kreischen das sie geweckt habe, wie von einem Vogelschwarm – doch das kann ihnen auch nur so vorgekommen sein. Die Frau wird sich bestimmt lautstark gewehrt haben, wer weiß was man da im Halbschlaf zusammenträumt.“ „Hat sich jemand mal seine Kleidung angeschaut?“ „Weshalb?“ „Wenn er diese Sachen tatsächlich im Zimmer trug, müssten sie blutdurchtränkt sein.“ Es wurde einen Moment still, denn das war ein Detail, dass ihnen schon viel früher hätte auffallen müssen. „Das nicht, aber sie hatten ihn selbst im Verhörraum.“ „Mir ist nichts aufgefallen.“ „Womöglich hat er sich umgezogen? Das oder wir haben es mit einem Magier zu tun, der immer eine weise Weste hat.“ „Lassen sie die dummen Witze, Kabayashi!“, knurrte Kato. „Fahren sie lieber mit der Zusammenfassung fort.“ „Wenn ich maule ist es nicht Recht und Witze darf man auch nicht machen…“ „Das Eis unter ihnen wird immer dünner.“ „Schon gut! Du liebe Zeit.“, schnalzte sein Untergebener und fuhr fort. „Da nach dem Fund der Verletzten ein riesiger Tumult im Haus herrschte, begab sich Mr. Kinomiya kurzerhand auf eigene Faust nach draußen, um nach dem Hiwatari Oberhaupt zu suchen. Etwas später rannte er in der Stadt seinem Enkel über den Weg, der mit seinen Freunden gerade auf dem Weg zurück war und berichtete ihnen, was im Krankenhaus vorgefallen sei. Die machten sich dann letztendlich auf die Suche nach dem Vermissten.“ „Was ebenfalls zu der Aussage von Kai Hiwatari passt, weshalb er in der Stadt aufgegriffen wurde.“, Kato lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Kinomiya Senior ist gar nicht so dumm. Er hat sich in aller Ruhe die Aussage von ihm angehört, um dann im entscheidenden Moment seinen Senf dazu zu geben. Aber er kann nicht erklären, weshalb sein Enkel aus dem Hospital verschwunden ist.“ „Er nicht. Aber ein anderer.“, schnalzte Kabayashi verstimmt. „Ray Kon hat ausgesagt, seine Freunde hätten ihn zu seiner Frau begleitet, die ebenfalls in der Stadt ist.“ „Warum ist er nicht alleine gegangen?“ „Er hat keinen gültigen Führerschein.“ „Was heißt das genau für uns?“ „Das sie der Auslöser für das plötzliche Verschwinden war. Ihr Mann hat ausgesagt, sie wolle mit ihm reden, weil sie eine Ehekrise hätten. Außerdem soll sie schwanger sein und geglaubt haben, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt. Also ist die Gruppe los, um nach ihr zu schauen, während sie Hiwatari im Hospital zurückließen.“ Kato begann mit dem Becher zu spielen. Er drückte ihn immer wieder ein, als sei er ein Anti-Stress-Ball, während sein Hirn auf Hochtouren rannte. „Befragt die Frau…“ „Ein Beamter ist schon auf dem Weg. Doch ich fürchte, die Gruppe hat sich abgestimmt. Die werden sich jetzt gegenseitig Rückendeckung geben.“ „Das ist ihre Schuld! Was holen sie auch die ganze Meute ins Hinterzimmer, damit sie die Aussage mithören!“ „Es war ihr Befehl!“ „Ich sagte die jungen Männer - nicht auch noch den Alten!“ „Das wurde mir so nicht mitgeteilt!“, wehrte sich Kabayashi gegen den Vorwurf. Es ließ seinen Vorgesetzten mürrisch Brummen. Einige Beamte wurden nachlässig, je länger sie Überstunden schoben und das konnte Kato ihnen nicht einmal verdenken. Er selbst würde auch gerne eine Mütze Schlaf abbekommen. Sein Gegenüber rieb sich über die Augen, dann hob er die Hände, als habe er einen genialen Einfall. „Wir könnten die zuständige Krankenschwester befragen, die in jener Nacht Dienst hatte, ob sie die beiden auf der Toilette gesehen hat!“ „Sie sind mir vielleicht ein blöder Esel…“ „Wieso denn jetzt schon wieder?!“, blinzelte er empört. „Weil die Krankenschwester doch das Opfer ist!“, bellte Kato. „Sie liegt im Koma, sie Trottel!“ „Oh...“ „Vielleicht gehören sie tatsächlich nachhause. Ihre Einfälle werden immer dämlicher.“ „Ich habe einen fünfzehn Stunden Tag hinter mir. Irgendwann funktioniert das gescheiteste Hirn nicht mehr!“, verteidigte sich Kabayashi. Er warf seinen Block auf den Tisch und gähnte ungeniert. „Verdammt, wir hatten diese Lümmel! Dann kommt der Alte mit seinem Alibi. Dabei ist doch klar, dass er das nur aus reiner Gefälligkeit macht…“ „Das müssen wir jetzt beweisen. Sonst steht der Fall auf wackligem Sockel.“, Kato begann nachzudenken. „Die Leiche aus dem Anwesen ist noch immer nicht aufgetaucht?“ „Nein. Nach wie vor entschwunden.“ Kato begann sich über das unrasierte Kinn zu streichen. Wenn er eingestand, dass eine Leiche verbummelt worden war, könnte seine Abteilung in ernsthaften Verruf geraten. Er bereute mittlerweile Takao Kinomiya davon berichtet zu haben. Selbstverständlich war er kein Freund von Vertuschungsaktionen, doch das war wirklich eine ernste Sache. „Bei den anderen Verdächtigen wurde die Leiche nicht erwähnt?“ „Mit keinem Wort.“ „Gut. Desto weniger Leute davon wissen, desto besser.“ „In unserer jetzigen Situation wäre es doch aber ratsam die Leiche zu erwähnen?“, schlug Kabayashi vor. „Sie wurde im Anwesen des Hiwatari Clans aufgefunden, dessen Oberhaupt eine schwerwiegende Tablettensucht zugegeben hat. Womöglich hat er die Frau bei einer seiner vorherigen Panikattacken erschlagen? Wenn wir ihn schon nicht wegen dem Angriff im Krankenhaus belangen können, dann doch deshalb?“ „Das wird nicht funktionieren…“ „Warum?“ „Weil ich diesen Job schon ziemlich lange mache. Jeder Mordfall den ich auf dem Tisch hatte, der ohne die Leiche des Opfers geführt wurde, ging vor Gericht wie ein Stein im Wasser unter. Das ist ein schwieriges Unterfangen, zumal wir nicht die geringste Ahnung haben, wer die Tote überhaupt war.“ „Wir haben die Fotos!“, brauste sein Untergebener auf. Er holte das Bild des verbrannten Leichnams aus der Mappe hervor und hielt es demonstrativ in die Höhe. Sein Griff zitterte vor Ärger. „Das muss doch auch zählen!“ „Auf so etwas können wir keinen Fall aufbauen! Solche Fotos kann sich jeder Hornochse aus dem Internet ziehen und dann heißt es, wir würden Beweise manipulieren! Das würde uns gerade noch fehlen… Und nun denken sie doch einmal nach! Man wird Fragen stellen, Kabayashi!“, sprach er eindringlich auf ihn ein. „Wollen sie ernsthaft vor dem Staatsanwalt zugeben, dass unsere Abteilung diese Leiche verloren hat?“ Er tippte auf das Bild. „Natürlich nicht…“ Einen Moment kehrte Stille ein. Beide stierten frustriert drein. Dann klopfte sich Kato auf die Schenkel und sprach: „Ich will die Aufnahme aus der Pathologie sehen.“ „Ich dachte sie wollten sich diesen Quatsch nicht antun.“ „Wir haben momentan nicht mehr viele Optionen.“, erklärte Inspektor Kato. „Als der Angriff im Krankenhaus stattfand, lagen achtundneunzig Patienten dort, auf sieben Stockwerke verteilt. Pro Stockwerk gab es eine Nachtschwester. Eine kann uns nicht mehr berichten was auf ihrer Etage passiert ist, weil ihr die Zunge fehlt. Das heißt entweder befragen wir nun alle Patienten, samt dem anwesenden Personal, ob sie irgendwie bestätigen können, wie sich das Hiwatari Oberhaupt auf dem Klo die Seele aus dem Leib gekotzt hat, oder wir schaffen es, ihn wenigstens wegen der Leiche im Anwesen zu belangen.“ „Klingt nach einer Verzweiflungstat.“ „Das Personal im Krankenhaus ist in Aufruhr. Wir müssen den Täter wegsperren. Bringen wir Hiwatari wegen der Leiche in seinem Haus ins Gefängnis, werden die Gemüter sich beruhigen, selbst wenn wir ihn nicht wegen der Attacke auf die Nachtschwester drankriegen. Für die Öffentlichkeit wird dann auch so klar sein, wer der Täter war.“ „Von all diesen Leute im Krankenhaus muss doch jemand etwas gesehen haben.“ „Es war Mitten in der Nacht. Die meisten Patienten auf dieser Etage haben geschlafen – zwei liegen sogar im Koma. Es wären sogar drei, wenn der alte Großvater nicht erwacht wäre und ausgerechnet er, ist nun der Entlastungszeuge. Das wird schwierig Kabayashi…“, er zog den Gürtel hoch, auch wenn es wenig brachte. Sein strammer Bauch hielt ihn schon an Ort und Stelle. „Der halbe Ortsteil ist in Panik wegen dieser Sache! Die Leute glauben ein brutaler Schläger ist in ihrer Nachbarschaft unterwegs. Hätte diese bescheuerte Reporterin ihre Klappe gehalten, müssten wir gar nicht so dringend zum Abschluss kommen. Wir müssen nun wirklich vorankommen und einen Täter finden.“ „Und was versprechen sie sich von den Aufnahmen?“ „Das wir denjenigen finden, der die Leiche verbummelt hat. Wir müssen diese Person finden und sie wieder in unseren Besitz bringen. Dann können wir die Leiche auch endlich untersuchen. Sie kann unmöglich von alleine hinausspaziert sein. Ich weigere mich an solch einen Unfug zu glauben! Wahrscheinlich hat sich da nur jemand einen makabren Halloweenstreich erlaubt. Also finden wir denjenigen und zwar schnell!“ Er öffnete die Tür und bellte hinaus, dass man ihm sofort die Kameraaufnahme, aus der Pathologie bringen solle. Zu diesem Zeitpunkt waren sich beide Beamten noch ziemlich sicher, in ihrem Beruf bereits die verrücktesten Dinge erlebt zu haben. Doch wie sich eine Stunde später herausstellen sollte, lernte man im Leben nie aus. Denn als sie die Aufnahme in Inspektor Katos Büro, vor versammelter Mannschaft abspielten, lief da tatsächlich eine verkohlte Leiche durch die Gänge der Pathologie, ohne sich um die Mitarbeiter zu scheren, die sich kreischend gegen die Wände im Flur drückten oder sich zu einem wimmernden Häufchen zusammen kauerten. Es regnete Asche hinter dem Leichnam her. Die Aufnahme war gestochen scharf, man konnte jeden Hautfetzen erkennen, der von ihr herabbröselte und zerfiel, wie trockene Herbstblätter auf die eine Schuhsohle traf. Selbst in das innere ihres Torsos ließ sich ein Blick erhaschen, wodurch man genau sah, dass es sich dabei um kein originelles Kostüm handelte. Nach der Aufnahme herrschte zunächst eine geschockte Stille. Bis die Belegschaft aufgeregt um die Wette debattierte. Die Thesen wurden dabei ziemlich abenteuerlich… Einer behauptete standhaft es handele sich dabei um einen Roboter, der vielleicht ein Prototyp der Hiwatari Corp sei, um dem Besitzer des Unternehmens den Hintern zu retten. Ein anderer beteuerte, dass sich die Pathologie sicherlich einen Scherz mit ihnen erlaubt habe und irgendwo hauchdünne Fäden befestigt waren, die die Leiche wie eine Marionette durch die Flure zog, ohne dass die Fäden von der Kamera erfasst wurden. Ein anderer begann seine Religion zu hinterfragen. So oder so… Es fand sich keine plausible Erklärung hierfür. Und als seine Mitarbeiter ratlos durch den Raum starrten, am Ende mit ihrem Latein, merkte Kato, dass es keinen Zweck mehr hatte, die Gruppe im Revier zu behalten. „Wir geben also auf?“, fragte Kabayashi ihn hilflos. „Nein. Wir kommen einfach nicht weiter. Für heute müssen wir es gut sein lassen.“ „Und die Leiche?“ Das gesamte Kollegium schaute ihn abwartend an. „Welche Leiche?“, fragte er. Es war das Stichwort, auf das man gewartet hatte. Einer der Beamten ging zum Monitor und ließ die Aufnahme verschwinden. Kabayashi zerriss die Fotos und warf die Fetzen in den Schredder. Ohne Leiche, kein Fall. Doch auch wenn man stillschweigend beschloss, dass dieser Vorfall nie passiert war, wussten alle Beteiligten, dass sie in dieser Nacht, mit einem ziemlich mulmigen Gefühl zu Bett gehen würden. Denn es waren immer die ungelösten Fälle, die einem Polizisten im Gedächtnis blieben. * Der Schnee in seiner Handfläche schmolz durch seine Körperwärme, wurde zu einem winzigen Tropfen. Tyson tat einen tiefen Atemzug. Er konnte kaum glauben, dass er als freier Mann aus dem Präsidium gehen durfte. Außerdem kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, seit er das letzte Mal daheim gewesen war. Mit einem beklommenen Gefühl starrte er auf das Absperrband der Polizei, dass im kalten Wind vor dem Tor zum Kinomiya Anwesen wild flatterte. Das grelle Gelb wurde deutlich sichtbar durch das Licht der Straßenbeleuchtung. Nach der Aussage seines Großvaters, ging es knapp zwei Stunden, da kam auf einmal Inspektor Kato auf die Gruppe zu und verkündete ihnen aus heiterem Himmel, dass sie alle nachhause durften – auch Kai. Es kam so plötzlich, dass den meisten von ihnen erstaunt die Kinnlade herunterklappte. Sie konnten es kaum glauben, erst als Kai zu ihnen geführt wurde. Tyson wollte noch wissen, ob man sie nun tatsächlich in Ruhe lassen würde, auch wegen der Leiche im Hiwatari Anwesen. Zu seiner Verblüffung entgegnete der Inspektor aber, dass in dieser Hinsicht wohl ein Fehler passiert sei, denn das Foto, dass man Tyson gezeigt hätte, wäre von einem anderen Tatort gewesen und nur durch schlampige Ablage, in seiner Fallakte gelandet. Da ahnte Tyson woher der Wind wehte… „So lange sie uns deshalb nicht mehr belästigen, bleiben meine Lippen versiegelt.“ Er hatte Inspektor Kato lange angeschaut. Direkt in die Augen. Beide wussten welche unterschwellige Drohung dieser Satz beinhaltete. Doch letztendlich nickte der alte Mann, sprach aber davon, dass er zwei seiner Freunde trotzdem noch einmal näher zur Brust nehmen müsse. Kenny habe mit seiner Aktion im Krankenhaus einen schweren Datendiebstahl begannen, immerhin habe er sich unerlaubt in das Betriebssystem eines öffentlichen Gebäudes gehakt. Tyson antwortete nur mit erhobenem Kinn, dass er vielleicht doch mal an die Presse gehen sollte, wegen dem Ausrutscher mit der Leiche, immerhin hätte man ihnen wegen diesem Fehler einen Mord unterstellt. Kato hatte geknurrt, wie eine Bulldogge die getreten wurde, schnalzte dann aber mit der Zunge und meinte, man könne über diesen Vorfall ja auch mal hinwegsehen, so lange Kenny versprach, solche Aktionen von nun an zu unterlassen. Als Tyson wissen wollte, ob die zweite Person, die auf seiner Liste stand, Kai war, nickte der Inspektor und sprach davon, dass man ihm wenigstens einen Warnschuss verpassen sollte, damit er in Zukunft die Finger von dem Ritalin ließ. Tyson hatte zu seiner Seite geschielt, wo Kai gerade seine kleine Schwester von einer jungen Polizistin entgegennahm. Seine Augen hatten sich nachdenklich verengt. „Ein Klaps auf die Finger. Mehr nicht…“, war Tysons Antwort darauf und das in einen Tonfall, der eindeutig klar machte, dass eine Strafe zwar angebracht war, aber nur bis zu einem bestimmten Maße von ihm geduldet wurde. Was Kai betraf war er momentan ziemlich gespalten. Auf der einen Seite war da ein tiefer Groll, aufgrund seiner Verfehlungen der Vergangenheit. Es ärgerte Tyson wie falsch er sich zuvor verhalten hatte – dass ihm sein Stolz ständig im Weg stand. Warum hatte er sich ihnen nicht einfach anvertraut? Sie hätten gemeinsam bestimmt eine Lösung gefunden. Doch da war auch ein Teil in ihm, der eine unendliche Zuneigung zu ihm empfand, weil Kai bereit gewesen war, sich für die Gruppe zu opfern. Er hätte tatsächlich alles hingeworfen… Tyson musste lächeln als er daran dachte. Dieser Junge war einfach ein Phänomen. Auf der einen Seite konnte er so unsagbar kalt wirken und doch zu solch tiefbewegenden Handlungen fähig sein. Es war wohl einer der Gründe, weshalb Tyson niemals von ihm ablassen konnte. Etwas in ihm wusste, dass sie Kai insgeheim viel bedeuteten. Und das bedeutete wiederum ihm viel… Inzwischen lief sein Großvater zu dem Absperrband und riss es wutschnaubend weg. Er wetterte dabei lautstark über die Beamten und als er sah, wie sich hinter den Gardinen des Nachbarhauses etwas regte, rief er der alten Hexe von Gegenüber zu, dass nur sie es gewesen sein konnte, die ihnen die Polizei auf den Hals gehetzt hatte. „Du alte Trockenplaume! Mit dir habe ich morgen noch ein Hühnchen zu rupfen!“ Sofort zogen sich die Vorhänge wieder zu. Offensichtlich hatte da jemand nicht damit gerechnet, seinen Großvater so schnell noch einmal zu Gesicht zu bekommen und bereute die große Klappe. „Mr. Kinomiya, ich staune darüber woher sie noch die Energie zum Streiten aufbringen.“, sprach Ray mit einem müden Seufzen. Dann wandte er sich Tyson zu. „Ich würde Mao gerne abholen. Und wir haben bei all dem Ärger den Wagen von Hanas Freund, in der Nähe vom Revier stehen lassen.“ „Hat das nicht bis morgen Zeit?“, fragte Max genervt und ließ die Wagentür hinter sich zufallen. Er stakte durch den Schnee, um Tysons Auto herum, auf den Rest der Gruppe zu, schlang dabei bibbernd die Arme um seinen Oberkörper. „Ich meine, Mariah können wir ja gerne noch holen. Ich will ja auch ins Hotel um meine Sachen zu packen. Aber diese Schrottkiste sieht nicht so aus, als würde der Typ sie sonderlich vermissen.“ „Trotzdem. Er hat uns einen Gefallen getan. Wir sollten Anstand beweisen.“ „Wenn wir ihm einen Gefallen tun wollen, sollten wir diese Suppenschüssel einen Abhang hinunterrollen, damit er die Versicherungsprämie kassiert!“, schnaubte Max. „Ehrlich Ray, sei nicht immer so rechtschaffen. Wir haben genug andere Dinge zu erledigen.“ Das Tor zum Anwesen wurde von Tysons Großvater aufgeschoben. Zumindest versuchte er es. Da niemand da gewesen war, um den Schnee wegzukehren, lag er kniehoch vor dem Eingang, während die Nachbarn schon brav ihre Bürgerpflicht erfüllt hatten – indem sie den Schnee von ihrer Seite, zu ihnen auf den Gehweg hinüberschoben. Es bedurfte seinen alten Herren mehrere Anläufe, um die Tür überhaupt einen spaltweit aufzubekommen. Erst nachdem er sich mit vollem Körpereinsatz gegen das Tor stemmte, kam es stockend in Bewegung, bis ihm Kenny noch zur Hilfe eilte. Tyson fiel auf dass kaum eine Menschenseele auf dem Gehweg unterwegs war. Alles schien sich in ihre Häuser zurückgezogen zu haben, um der Kälte zu entkommen. Offensichtlich hatten die Behörden in der Zwischenzeit auch die langersehnte Entwarnung nach dem Erdbeben gegeben. Es kam Tyson auch nicht mehr so stürmisch vor wie bei ihrer Ankunft. „Also, ich sehe das wie Max.“, sprach er schließlich an Ray gewandt. „Wäre es nicht so eng im Wagen, hätten wir Mao gleich abholen können, aber bis wir uns jetzt durch den Verkehr geschlagen haben… Außerdem muss ich Opa noch seine Tabletten geben und die sollte er nach dem Essen einnehmen – und da ist noch die Sache mit meinem Bruder. Der Wagen von Hanas Kumpel kann da doch wirklich bis morgen warten!“ Ray wiegte unwillig den Kopf hin und her. Er schien nicht wirklich zufrieden mit dieser Lösung, denn schon auf dem Weg hier her, hatte er das Thema angesprochen. Sofort war eisiges Schweigen im Wagen aufgekommen, denn es war eine dieser Situationen, in denen jemand eine Aufgabe in den Raum warf, zu der sich niemand freiwillig melden wollte. „Und was ist mit Hana? Sollten wir ihr nicht zumindest Bescheid geben, dass wir wieder zuhause sind?“ „Jetzt wo du es sagst - warum ist der Hexenbesen nicht im Revier aufgetaucht?“ „Wahrscheinlich ist das Schneechaos schuld dar-…“, Tyson verstummte einen Moment. Er blickte zu Kai. Der stand wie betäubt vor dem Eingang des Anwesens und rührte sich nicht vom Fleck. „Leute, helft doch mal Opa das Tor aufzuschieben. Kenny hat ja weniger Muskelmasse als ein Säugling.“ Ihre Blicke wandten sich zu den anderen und als sie Kai sahen, verstanden sie was Tyson wirklich beschäftigte. Sie nickten langsam, wandten sich aber noch nicht um. „Übrigens… Wir sollten Mal ein ernstes Wort mit ihm reden. Du weißt schon warum.“, ermahnte ihn Max beiläufig. Sein Gesichtsausdruck war ungewöhnlich streng. Doch Tyson tat eine unwirsche Handbewegung. „Ich mache das schon.“ „Ich finde er sollte wissen, dass wir uns Sorgen machen. Wir alle!“ „Wir sollten uns aber nicht in der Gruppe auf ihn stürzen. Erst recht nicht, wenn er so drauf ist wie jetzt. Das ist nicht fair.“, und als sie sich nicht rührten, fügte er noch hinzu. „Als er ein Kind war, bin ich am besten an ihn herangekommen, wenn ich unter vier Augen mit ihm gesprochen habe.“ „Das ist aber nicht das Gleiche! Er fängt wieder an wie ein Erwachsener zu denken.“, entgegnete Ray und spähte aus den Augenwinkeln hinüber. „Du hast ihn im Revier erlebt. All diese Dinge die er sich ausgedacht hat – auf so etwas kommt kein Kind! Das war eindeutig Kais erwachsene Hälfte, die sich diesen Plan zurecht gelegt hat. Er hat mit einer Logik argumentiert, die ein Kind unmöglich besitzen kann. Wir müssen uns damit abfinden, dass er so langsam der Alte wird und versuchen wieder zur Routine zu kommen. Das wird auch für ihn das Beste sein.“ Mit anderen Worten - sie sollten sich von dem kleinen Kai verabschieden. Der Gedanke schmerzte Tyson. Etwas in ihm wollte diesen Jungen nicht ziehen lassen. Er war doch so liebenswürdig und vertrauensselig gewesen. Ein schüchternes kleines Kind, das einfach nur gerne an der Seite seiner Freunde blieb. „Lasst es mich wenigstens versuchen. Wenn er nicht einsichtig ist, können wir noch immer gemeinsam mit ihm reden.“ Max tat einen hörbaren Atemzug. Anscheinend passte ihm diese Bitte nicht. „Na schön. Aber was das Ritalin angeht will ich gefälligst eine Erklärung hören. Wenn nicht heute, dann spätestens morgen!“ „Das beschäftigt euch, nicht wahr?“ „Blöde Frage, natürlich!“, sprach Ray. Sein Blick wirkte verärgt. „Ich konnte damit leben, dass er uns die Abtei verheimlicht – aber das hier geht zu weit! Ich will wissen wie viel Wahrheit hinter seiner Aussage steckt. Das kann gar nicht gelogen sein, wenn die Blutwerte aus dem Krankenhaus ergeben haben, dass Ritalin bei ihm nachgewiesen wurde. Ist dir klar dass das der erste Schritt zu einer richtigen Sucht ist? Wir müssen das ernst nehmen!“ „Vielleicht hat uns der Inspektor nur belogen…“ „Das glaube ich nicht. Kai hat es zu realistisch geschildert!“ „Ich weiß.“, einen Moment kehrte bedrücktes Schweigen ein, bis Tyson es unterbrach. „Aber jetzt geht erst einmal hinein und wärmt euch auf. Wir kommen gleich nach. Okay?“ Nach einem flüchtigen Blick zu ihrem Sorgenkind, kam ein zögerliches Nicken von den beiden. Damit wandte Tyson sich ab und stapfte mit knirschenden Sohlen auf Kai zu. Der bemerkte nicht einmal, wie seine kleine Schwester, in ihrer dürftigen Bekleidung, sich einfach in den Schnee hockte und versuchte einen Kuchen zu formen. Ihre Finger waren feuerrot, doch sie fasste weiterhin ungerührt in die kalte Masse und sprach davon, dass sie jetzt Puderzucker auf ihren Muffin streuen würde. Da hob Tyson sie schon aus dem Schnee heraus in seine Arme. „Ey!“, machte sie empört. Prompt zog sie einen dicken Schmollmund. „Du solltest dich nicht einfach so in den Schnee hineinsetzen. Sonst wirst du krank.“ „Aba Puderzucker!“, sie präsentierte ihm den Schneeball, als sei er ein plausibler Grund, weiterhin in der Kälte herumzukrabbeln. Doch Tyson ignorierte ihre Einwände. Er beobachtete ihren Bruder, beugte sich etwas vor, um einen Blick auf Kais Pupillen zu erhaschen. Tiefe Schwärze… Keine Spur von diesem seltsamen Farbenspiel was Tyson so liebte. Das wenige Licht, das von der Straßenlaterne kam, wurde von der schwarzen Linse komplett verschluckt. „Kai?“ Er rührte sich nicht, stand nur wie versteinert auf dem Fleck. Einen so langen Aussetzer hatte Tyson noch nie bei ihm erlebt. Es war als wolle Kai gar nicht mehr aus seiner Trance erwachen. In der Zwischenzeit hatten die anderen es vollbracht, das Tor aufzubekommen, indem sie die Tür einen spaltweit aufschoben, damit sich einer von ihnen auf die andere Seite zwängen konnte, um dort den Schnee beiseite zu kehren. Tyson wurde mulmig zumute. Er griff nach Kais Handgelenk, da kam die erste Regung von ihm. In einer unendlich langsamen Bewegung, wandte er ihm den Kopf zu. Dann verzog sich sein Gesicht zu einer finsteren Maske. „Was willst du?“, sein Tonfall war schroff. Einen Moment blinzelte Tyson ihn irritiert an. „Du kamst mir so abwesend vor.“ „Kümmere dich um deinen eigenen Kram!“ „Hey, du musst nicht gleich pampig werden!“ „Zum letzten Mal Kinomiya - wir sind keine Freunde! Also tue nicht so, als würde es dich scheren was mit mir ist!“ Tyson tat einen zischenden Atemzug. Dann zogen sich seine Brauen zusammen und beinahe hätte er die Zähne vor Zorn gefletscht. Nach allem was sie gemeinsam durchgestanden hatten, besaß dieser Mistkerl wirklich die Frechheit, ihm so etwas an den Kopf zu werfen. Am liebsten hätte er ihn für diese Worte am Kragen gepackt und geschüttelt. „Kai, das ganz gemein!“, protestierte Jana von seinen Armen aus los. Sie schaute ihren Bruder vorwurfsvoll an und zog eine bitterböse Schnute. Da bemerkte Tyson, dass ihre Worte, etwas in Kai wachrüttelten. Er blinzelte mehrmals, seine Pupillen schrumpften wieder in sich zusammen. Endlich erhaschte er wieder etwas Farbe in ihnen. Da brüskierte sich Jana auch schon weiter: „Nicht streiten! Is doof! Du bis böse!“ Kai schaute auf seine Schwester, wie sie in seinen Armen saß und ihn für seine herrischen Sätze tadelte. Dabei hob sie mahnend den kleinen Zeigefinger und befahl: „Sei brav, sons muss du Zimmer! Ohne gute Nach Geschichte!“ Tyson beschlich das Gefühl, dass sie ihren Bruder nachahmte, wenn er mit ihr schimpfte und hob die Braue irritiert. Inzwischen blickte Kai nur aus großen Augen zu ihm auf. Tyson musste wohl ziemlich verärgert dreinschauen, denn sein Anblick ließ ihn mit starrer Miene über seine Lippen fahren, als könne er selbst nicht begreifen, woher diese Worte stammten. „Ich… Ich weiß nicht warum ich das gesagt habe.“, sprach er. Es musste wohl tatsächlich nur eine Erinnerung gewesen sein, die er gerade durchlebt hatte. „Schon gut.“, murmelte Tyson, sah jedoch leicht eingeschnappt zur Seite. Auch wenn es keine Absicht gewesen war, tat es unglaublich weh. Er versuchte sich zu erinnern, wann ihm Kai diese Sätze das letzte Mal an den Kopf geworfen hatte, nur leider kam das in der Vergangenheit mehr als einmal vor – und es kränkte immer wieder aufs Neue. „Es tut mir so leid.“ Perplex blinzelte er und schaute Kai wieder an. Seine Stimme bebte bei jeder Silbe und als er ihn genauer musterte, waren seine Augen traurig, fast so als wäre er von sich selbst enttäuscht. Irgendwann seufzte er und fuhr sich erschöpft über die Stirn. „Das hätte ich nicht sagen dürfen.“ Da verflog Tysons Groll auf ihn auch schon wieder. Eine simple Entschuldigung konnte so viel bewirken. Stattdessen bedachte er Kai mit einem Lächeln. „Hey, mach dir keine Sorgen. Das war doch keine Absicht von dir.“ „Ich meine nicht dass ich es jetzt gesagt habe! Das ich es damals gesagt habe. Das war so unfair! Warum bin ich so?“, gegen Ende des Satzes wurde er immer leiser und ohne richtig zu begreifen, was er da tat, begann Kai seine Finger ineinander zu verhaken. Da war er wieder… Tysons kleiner grauer Kater. Ein schiefes Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Vergiss es… Krümel.“ Damit wollte er ihn schon die ganze Zeit triezen - und die Reaktion ließ auch nicht lange auf sich warten. Als Kai seinen Spitznamen aus Kindertagen hörte, weiteten sich seine Augen und die Luft blieb ihm in Halse stecken. Kein Atemzug war noch zu vernehmen. Wenn er noch etwas Blut in dem blassen Gesicht hatte, wich es für eine Sekunde komplett heraus - nur um umso heftiger zurückzukommen. Es war wie eine Welle. Auf einmal entflammten seine Wangen umso dunkler. Kai schaute auf seine Hände hinab, registrierte was er da eigentlich tat und löste prompt den Griff. „Du bist so ein blöder…“, er hielt sich noch zurück, wahrscheinlich wegen seiner Schwester, aber er klang ohnehin nicht halb so zornig, wie er wohl gerne wollte. Es ließ Tyson glucksen und auch Jana grinste, entblößte ihre kleine Zahnlücke. Da fragte sie auch schon mit einem unverhohlenen Schalk in den Augen: „Bis du ein Kümel, Ai?“ „Natürlich nicht.“, kam es gereizt von ihm zurück. „Doch, und was für einer!“, widersprach Tyson aber gutgelaunt. Dann zerwühlte er, in einem Anflug von Übermut dessen Haarschopf, was Kai mit einem Murren über sich ergehen ließ. Dieser Augenblick erinnerte Tyson mehr denn je, an ihre gemeinsame Nacht am Lagerfeuer. „Dein großer Bruder war mal ein richtig süßer Knirps. Ein lieber kleiner Tollpatsch.“, erzählte er Kais Schwester ungeniert, während die Röte auf dessen Wangen um eine weitere Facette dunkler wurde. „Weißt du Jana, Kai schämt sich irgendwie für dieses Kind. Ich weiß nicht warum, aber er schließt es ständig weg. Es kommt mir vor, als könne er diesen kleinen Jungen nicht ausstehen, dabei ist er mir wirklich ans Herz gewachsen.“, Tysons Tonlage wich vom Spott ab und wurde ernster. Das schien auch Kai nicht zu entgehen. Sein Blick hob sich als er diese Worte vernahm – fast schon zaghaft. Da tippte Tyson dessen Schwester auf die Brust und raunte ihr verschwörerisch zu: „Du musst mir helfen. Wir beide müssen nämlich aufpassen, dass dieser Junge nicht verloren geht. Im Gegensatz zu dem großen Kai, ist der kleine Kai ehrlich und hat auch keine Probleme damit, seinen Freunden die Wahrheit zu sagen, oder sie auch mal um Hilfe zu bitten, wenn es ihm schlecht geht. Dieser Junge ist so herzensgut, dass er sich sogar für eine kleine Maus, auf einen zugefroren See wagt - nur um dann selbst dort festzufrieren.“ „Oh oh…“, machte Jana aus großen Augen. „Was dann passiert?“ „Wir mussten ihn aus dem Wasser herausfischen. Er wäre beinahe ertrunken.“ „Oh nein.“, sie flüsterte es ehrfürchtig. „Und das alles nur für eine kleine Maus, die so leicht ist, dass sie ohnehin nicht durch das Eis gebrochen wäre. Kai war zwar ein Tollpatsch – aber ein liebenswerter. Wäre doch schade wenn so ein netter Junge verschwindet, oder?“ Ein langgezogenes und äußerst bekümmertes „Jaah“ kam aus Janas Mund, auch wenn Tyson sicher war, dass sie nicht verstand, um was es hier wirklich ging. Doch Kai verstand es… Er blickte ihn betroffen an – mit diesen Augen, die in jenem Moment sein gesamtes Innenleben spiegelten. Ob Kai auch nur ansatzweise ahnte, wie ausdruckstark sie sein konnten, sobald er es einmal zuließ? Inmitten dieses Gedankens fiel Tyson plötzlich auf, bei wie vielen seiner Verflossenen, er auf dieses besondere Merkmal geachtet hatte. Er besaß ganz ohne Zweifel eine Schwäche für schöne Augen. Tyson schenkte Kai ein vielsagendes Lächeln. „Hilfst du mir dabei, Jana?“, fragte er, ohne den Blickkontakt zu ihm zu unterbrechen. Das Mädchen legte den Kopf fragend zur Seite. Sie schien zu spüren, dass da etwas zwischen den beiden Männern war, was sich außerhalb ihres jungen Geistes abspielte. „Kai darf den kleinen Jungen nicht vergessen. Sonst hört er irgendwann komplett auf zu lachen und erfreut sich gar nicht mehr an seinem Leben. Findest du nicht auch dass er immerzu traurig wirkt?“ Sie nickte eifrig mit dem Kopf. „Jah! Kai immer traurig…“, und da klagte sie ihm schon ihr kindliches Leid. „Nie lache! Nie mit Jana spiele könne. Is immer nur müde. Immer auf Arbeit!“ Nun huschte Kais Blick zu ihr. „Un manche Mal…“, sie tat eine bedeutungsvolle Pause. „Er noch nich Heim, wenn Jana schlafe gehe muss.“ „Nein!“, tat Tyson empört. „Doch! Dann kriege keine Umarmung! Und keine Gute Nacht Geschichte!“, dass schien sie besonders zu ärgern. Sie zog wieder einen dicken Schmollmund und schaute den Übeltäter finster an. „Un Gute Nacht Kuss auch nich! Dann Jana is traurig und weine! Aber Kai nich da! Nich mich sehe wenn weine!“ Doch jetzt sah er es… Kai starrte seine kleine Schwester an, bis er mit einem Seufzen die Lider senkte. „Das klingt ja furchtbar.“, bemitleidete Tyson ihre Sorgen. „Also so kann das doch wirklich nicht weitergehen. Was ist denn das für ein großer Bruder, der seine Schwester nicht vor dem Schlafen gehen umarmt.“ „Is gemein! Darf nimmer…“, stimmte Jana bockig zu und verschränkte die schmächtigen Ärmchen vor der Brust. Dabei schüttelte sie wie wild den Kopf. „Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass sich das ändert. Vielleicht sollte er weniger arbeiten? Dann ist er bestimmt nicht mehr so müde? Und er kann wieder mit dir spielen...“ „Ja!“, rief sie aus und klatschte in die Handflächen. „Spiele!“ „Was hältst du davon, Kai? Hast du nichts zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Doch er schwieg, hielt das Gesicht von ihm abgewandt. „Ich glaube Kai sieht das genauso. Aber er braucht einfach etwas Starthilfe. Dann kümmern wir uns in Zukunft darum, dass er nicht vergisst, dass er auch mal Spaß haben muss. Abgemacht?“, fragte Tyson dessen Schwester. „Ja! Jana helfe!“, kam es zurück. „Jana ihn kitzeln, dann Kai mehr lache!“ „Schlaues Mädchen! Das ist doch ein super Vorschlag.“, gluckste Tyson. Sie klatschten sich gegenseitig ab, wobei Janas Augen vor Freude strahlten. Ihr schien es Spaß zu machen Teil seines Komplotts zu sein. Dann entließ Tyson sie von seinen Armen und sprach: „Und jetzt schau mal, ob die anderen es schon bis zum Haus geschafft haben. Wenn du dort ankommst, soll dir Opa ein paar Manjus geben. Wir kommen gleich nach…“ „Was Manju?“ „Na hör mal, du lebst in Japan und kennst keine gefüllten Dampfnudeln?“ „Uuh!“, Janas Augen wurden tellergroß. „Lecker Manju! Lecker, lecker!“ Damit wandte sie sich eilig ab – oder zumindest versuchte sie es. Mehrmals wehten ihre Ärmchen durch die Luft, im verzweifelten Versuch nicht auf dem Hosenboden zu landen, doch die Aussicht auf Süßigkeiten ließ sie nicht verzagen. Eine Weile schaute Tyson ihr grinsend nach, bis sie hinter dem Tor verschwand, dann sprach er an Kai gewandt: „Ich kann nicht glauben, dass du so einen Hüpfer vor uns verstecken wolltest.“ Doch der antwortete nicht. Seine Augen waren starr auf den Boden gerichtet. Einen Moment hätte Tyson schwören können, einen wässrigen Glanz in ihnen zu sehen. „Sag doch etwas.“, bat er ihn. „Das ist so unfair von dir.“, antwortete Kai. Da wandte er sich ihm auch schon zu, mit einem verbitterten Ausdruck. „Sie so gegen mich auszuspielen... Sie weiß doch gar nicht von was sie da redet und du nutzt das schamlos aus! Hättest du mir das nicht unter vier Augen sagen können, ohne Jana gegen mich aufzustacheln?“ „Ich halte dir den Spiegel vor.“, Tyson verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie sollte das aber nicht mitbekommen! Ich versuche sie zu schützen und du redest ihr ein, dass sie sich um mich sorgen muss! Ich bin es der auf sie aufpassen muss – nicht umgekehrt!“ „Deine Schwester fühlt sich vernachlässigt. Und du kannst das alles nicht mehr alleine stemmen… Jana bekommt deinen Zustand mit.“, er richtete den Finger anklagend auf ihn. „Du hast sie gehört, Kai! Sie sieht ihren erschöpften Bruder jeden Abend Heim kommen, der zu müde ist, um mit ihr etwas Zeit zu verbringen! Du bist schon zu lange über deine Grenzen hinaus und musst anfangen Abstriche zu machen!“ „Wie denn?!“, fuhr Kai ihn an. „Gib endlich etwas von deinen Aufgaben in der Firma ab – hör auf ständig die Kontrolle behalten zu wollen! Dir muss klar werden, dass du eine Familie daheim hast, selbst wenn es nur deine Schwester ist! Dieses kleine Mädchen braucht dich mehr als deine Firma! Du bist das Einzige was ihr an Familie geblieben ist!“ Als er in die Augen vor sich schaute, zitterte der wässrige Glanz darin. Kai tat Anstalten sich abzuwenden, da ergriff Tyson dessen Handgelenk. „Wer ist dir wichtiger?“ „Natürlich Jana!“ „Dann handle auch so! Zieh dich aus der Firma zurück. Deine Schwester ist nicht blöd!“, sprach er eindringlich. „Sie spürt dass etwas nicht mit dir stimmt. “ Einen Moment blieb Kai reglos stehen. Dann kam ein wehmütiges Seufzen von ihm. „Ich weiß…“, er klang unendlich enttäuscht. „Manchmal, da unterschätze ich sie wohl.“ „Du musst etwas in deinem Leben ändern. So darf es nicht weitergehen! Du agierst auf einem Leistungslevel, das du unmöglich halten kannst! Da braucht es ja schon zwei Leben um dem allem gerecht zu werden! Das ist einfach zu viel – selbst für den perfekten Hiwatari!“ „Tyson…“ „Nimm endlich Hilfe an! Und wenn es in der Firma wirklich klemmt, kann ich dir auch mit der Kleinen aushelfen. Nur ein Wort von dir und ich lasse alles liegen! Aber bitte rede mit mir!“ Er zog energisch an dem Handgelenk. Seine Augen taxierten Kai förmlich. „Lass es gut sein…“ „Zuerst versprichst du es mir!“ „Hör endlich auf!“, keuchte Kai. Er fasste sich an die Stirn und geriet ins Schwanken. Seine Beine schienen ihm den Dienst zu versagen. Völlig überrumpelt umgriff Tyson schnell seine Taille, um ihn noch zu stützten, während Kai die Augen fest zusammenkniff, im verzweifelten Versuch wieder Herr seiner Sinne zu werden. Seine Finger vergruben sich in seinem Haarschopf und es sah aus, als würde er dem Wahnsinn verfallen – und doch hielt Tyson ihn ganz fest. „Alles in Ordnung. Ich bin da.“ „Es dreht sich alles…“ „Tut mir leid. Ich wollte nicht wieder übertreiben.“ „Da sind so viele Bilder in meinem Kopf… Wo kommen die bloß alle her?“ Tyson griff nach seinem Arm, überlegte noch, ob er ihn einfach umarmen sollte. Zumindest würde ihm das gefallen. Er konnte fühlen, wie der Körper in seinen Händen noch taumelte und tat einen Schritt nach vorne, damit Kai sich gegen ihn lehnen konnte, mochte es auch noch so intim wirken. Seine hektischen Atemzüge waren zu vernehmen. Sie entstiegen als kleine weiße Wolke zwischen Kais Lippen. Tyson konnte nicht verhindern, dass er auf sie starrte. Für ihn bildeten seine Lippen einen regelrechten Blickfang. Er konnte sehen wie sie sich bei jedem Atemzug ein wenig spalteten. Seine Augen hefteten sich förmlich auf jenen Punkt und da spürte er auch schon, wie sein Herz ihm bis zum Hals schlug. Er konnte sein Blut in den Ohren pochen hören, während der sehnsüchtige Gedanke durch seinen Kopf schoss, diesen Lippen einen Kuss zu entlocken. Doch von all dem bemerkte Kai nichts… Stattdessen senkte er irgendwann eine Hand und vollführte mit den verbliebenen Fingern kreisende Bewegungen an seiner Schläfe. Als er sich wieder gefasst hatte, einen kleinen Schritt zurück von ihm trat und seine Augen sich langsam öffneten, wandte sich Tyson mit einem schweren Schlucken von dem Anblick ab. Erst Kais Flüstern ließ ihn wieder zur Vernunft kommen. „Ich weiß selbst dass etwas bei mir schief läuft.“ „Dann ist es umso mehr Zeit, dass du etwas änderst. Es ist nicht zu spät dafür.“, er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen sanfteren Tonfall anschlug, ja, geradezu zärtlich wurde. Auf seine Worte schaute Kai jedoch nur mit einem traurigen Lächeln auf. „Bei dir klingt alles immer so einfach…“, nun wandte er sich vollends ab, entglitt seinem Griff. Der entschwindende Körper hinterließ ein Gefühl auf Tysons Fingern, als würden sie in Flammen stehen. Noch während Kai sich von ihm entfernte, starrte er auf seine zitternde Handfläche. Eigenartig wie eine simple Berührung so stark nachhallen konnte. „Momentan ergibt vieles für mich noch keinen Sinn.“, erklärte Kai inzwischen. Er klang äußerst nachdenklich. „Dieser Mensch den ich sehe, diese Person die ich einmal war – ich kenne ihn nicht. Geschweige denn verstehe ich ihn.“ „Dann brauchst du wohl Zeit um dich selbst kennenzulernen.“ Tyson rieb seine Fingerkuppen gegeneinander, bis er endlich die Kraft fand, sich von seinen Sehnsüchten zu trennen und sich voll und ganz auf Kais Sorgen zu konzentrieren. „Das alles ist schwer für dich. Nicht wahr?“ Ein Nicken war die Antwort. „Es ist sehr verwirrend. Ich finde mich so plötzlich in einer Erinnerung wieder, dass ich gar nicht begreife, dass sich das alles nur in meinem Kopf abspielt. Ich sage Dinge in jenen Momenten, auf die ich keinen Einfluss habe. Ich weiß noch so wenig… Und da ich nicht weiß, wie viel mir noch fehlt, habe ich keine Ahnung, wann das endlich ein Ende findet.“ „Du musst Geduld mit dir haben.“, riet er. „Womöglich…“ „Das klingt sehr ungläubig.“ Eine Weile schwieg Kai, bis er ihm ein unerwartetes Geständnis machte. „Es ist nur, dass dieser Mensch, den ich immer näher kennenlerne… Ich mag ihn nicht.“ Das gerade die Person, die er liebte, so von sich dachte, tat Tyson unendlich leid. „Ach Kai…“ „Wie hältst du das nur mit mir aus?“ „Ich?“, er blinzelte überrascht. „Es ist für mich doch keine Bürde dich zu kennen!“ „Wirklich?“ „Natürlich nicht! Kai, ich habe dich so gerne in meiner Nähe, das kannst du dir kaum vorstellen! Ich könnte niemals von dir ablassen, nur wegen ein paar oberflächlichen Reibereien zwischen uns.“ Es kam so schnell aus seinem Mund, dass er keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, wie impulsiv er es vortrug. Seine Worte sagten zu viel über sein Innenleben aus. Da wandte sich sein Gegenüber auch schon zu ihm um. Im schummrigen Licht der Straßenbeleuchtung, konnte er nur vage den Ausdruck in Kais Augen ausmachen. Dafür sah Tyson dessen sanftes Lächeln umso deutlicher. Er schenkte es ihm heute so oft… Dennoch blieb Kai ihm eine Entgegnung schuldig, ging nicht weiter auf seine Worte ein. Dieser Junge war ein hübsches Geheimnis. Ständig verschwieg er einem, was er wirklich dachte. „Eines muss ich noch loswerden.“, sprach Tyson entschieden, allerdings mehr um vom Thema abzulenken. „Wegen dem Ritalin…“ „Du musst es nicht noch einmal ansprechen. Ich werde ab jetzt die Finger davon lassen.“ „Versprichst du mir das?“ „Ja. Das schwöre ich dir.“ „Gut.“, einen Moment dachte er nach, bis Tyson vorsichtig sprach. „Ich würde aber auch gerne wissen warum. Wie konnte es soweit kommen? Kannst du mir das noch erklären?“ „Das würde ich gerne, aber ich verstehe es selbst auch nicht.“, Kai klang sehr enttäuscht. „Sieh mich doch nur an. Was bin ich nur für ein Mensch geworden? Und vor allem… wann bin ich so geworden?“ Das war eine gute Frage. Irgendwann im Laufe der Jahre, musste Kai ihnen entglitten sein. Da dachte man einen Menschen zu kennen und plötzlich offenbarten sich solche Abgründe. Tyson schaute ihn mitleidig an, dann sprach er: „Ich weiß es nicht. Du hast dich in den letzten Monaten von uns zurückgezogen und dich kaum noch gemeldet. Wir dachten deine Firma nimmt dich zu stark in Anspruch.“ „War es so?“ „Weißt du das nicht? Im Präsidium hast du doch davon gesprochen.“ „Der Inspektor hat mich gefragt, ob es nicht anstrengend sei, eine Firma in meinem Alter zu führen. Er sprach davon, dass das bestimmt ein enormer Druck sein müsse. Es klang als würde er glauben ich sei überfordert – als hätte er sich sein Urteil schon gebildet. Ich habe ihn einfach in diesem Glauben gelassen.“ Etwas ratlos zuckte Kai mit den Schultern. „Er schien eine Vermutung zu haben. Ich habe mir angehört welche und habe das Ritalin noch erwähnt, damit er einen weiteren Beweis zu seiner These hat. Was genau meine Aufgaben in der Firma sind weiß ich noch gar nicht so richtig. Nur das sie mir gehört und ich mit verdammt viel Papier zu tun habe.“ So war das also. Kai hatte Katos Worte gegen ihn selbst ausgespielt. „Dann ist das aber wirklich wahr mit dem Ritalin?“ „Ja. Ich habe mich daran erinnert wie ich es eingenommen habe. Mehrmals.“ „Gott Kai… Wie konntest du nur?“ „Bitte, lass es gut sein.“, er hob die Hand in seine Richtung. „Ich schwöre dir, ich werde es von jetzt an bleiben lassen. Das wird sich nie mehr wiederholen.“ Ein Versprechen zählte viel bei Kai. Daher nickte Tyson langsam. Es gab ihm Hoffnung, dass er an seinem Vorsatz festhielt. Zumindest würde er ihn nun sehr genau ins Visier nehmen. Offenbar waren sie dem Trugschluss erliegen, dass ihr Freund wirklich vom Glück gesegnet war, ohne die düsteren Details zu sehen. Leider konnte Kai das aber auch sehr gut verbergen. „Dieses Geständnis das du vorhin auf dem Revier gemacht hast…“, fiel Tyson ein. „Das hättest du nicht tun müssen. Keiner von uns wollte ein solches Opfer von dir. Das hätte wirklich böse schief gehen können!“ Kai wandte ihm den Rücken zu. „Ich musste es tun.“, kam es entschieden. „Nein, musstest du nicht! Hör doch endlich auf alles im Alleingang zu bewältigen. Wir sind noch immer ein Team! Die Irrlichterwelt haben wir doch auch gemeinsam gemeistert.“ „Ich konnte nicht zulassen, dass euch etwas passiert.“ Es war ein Flüstern… Stille kehrte zwischen ihnen ein. Kai schaute nicht auf, doch in seinem Inneren spürte Tyson wieder eine Woge der Zuneigung für ihn aufkommen. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre dem Wunsch ihn fest zu umarmen nachgekommen. „Wir hätten gemeinsam eine Lösung gefunden.“, raunte Tyson. „Ich war es euch schuldig.“ „Warum? Etwa wegen der Sache in der Irrlichterwelt?“ „Natürlich deshalb!“, sprach Kai mit heißerer Stimme aus und drehte sich ruckartig zu ihm. „Wenn ihr nicht gewesen wärt, wäre ich jetzt nicht hier! Ich wäre bei der Dame Solo-…“ er hielt einen Moment inne, als ihm klar wurde, dass da noch immer der kindliche Irrglaube in ihm steckte, der sein Bit Beast als ein menschliches Wesen sah. Kai fuhr sich über die Nasenwurzel. Nach einem schweren Atemzug erklärte er: „Dranzer hätte mich noch in ihrer Gewalt. Ich wäre für immer dort gefangen. Und wenn ich widererwarten entkommen wäre, dann hätte mich etwas anderes umgebracht. Das ist Fakt! Ich mache mir da nichts vor, Tyson.“ „Und dafür fühlst du dich nun schuldig?“ „Ja. Weil ich es niemals soweit hätte kommen lassen dürfen.“ „Das hättest du gar nicht verhindern können. Wie denn auch?“ „Ihr wolltet mich noch vor ihr warnen.“ „Ja, aber da war das Unglück bereits im Gange! Sogar Dizzy hatte Angst sich einzumischen.“ „Du verstehst es nicht.“, antwortete er schwermütig und ehrlich gesagt, tat Tyson das wirklich nicht. Er schaute ihn fragend an und als Kai endlich fortfuhr, da bebte seine Stimme. „Als ich mit Dranzer in dieser Illusion von meinem Haus festsaß, da hat sie so lange auf mich eingeredet, bis ich ihr die Lügen, die sie mir eingetrichtert hat, wirklich geglaubt habe. Sie sprach davon, dass alle Menschen um mich herum, nur falsch und verlogen seien. Meine Eltern, mein Großvater – und auch ihr. Selbst das Jana gar nicht existiert und ich sie mir nur eingebildet habe… Selbst das habe ich ihr geglaubt. Ich habe meine kleine Schwester verleugnet! Wenn ich es durch euch nicht zurück geschafft hätte, wer hätte sich dann noch um sie gekümmert? Was wäre aus ihr geworden?“ Es schien seine schlimmste Angst zu sein… Das niemand mehr da war der Jana pflegte. Dieses bedürftige kleine Mädchen das auf den Schutz eines Erwachsenen angewiesen war. Tyson erwiderte nichts. Stattdessen ließ er Kai seine Zeit um weiterzusprechen. Der senkte den Kopf, wirkte dabei so erschöpft. „Ich habe keinen Gedanken daran verschwendet, was aus ihr werden könnte. Dabei habe ich zu Anfang wirklich noch versucht gegen Dranzers Lügen anzukämpfen. Doch nach einer Weile ergaben alle Dinge, auf merkwürdige Art und Weise einen Sinn. Plötzlich habe ich wirklich angefangen meinen Verstand zu hinterfragen. Dranzer sprach davon, dass ich im Fieberwahn geglaubt hätte, dass das Haus brennt. Als ich bei ihr erwachte, da stand es noch heil da. Ich wurde in Janas Zimmer geführt - es war nur verstaubt und leer. Sie sprach davon, dass ich gar nicht Erwachsen sei, und als ich in den Spiegel schaute, stand da nur dieser kleine, dumme Junge!“ „Du warst doch wieder ein Kind.“ „Ein Kind das drauf gegangen wäre. Gott, ich war ja sogar zu blöd um einen scheiß Baum gescheit hinaufzuklettern! Ray hätte sich deshalb auch beinahe den Hals gebrochen! Und das alles weil ich Dranzer geglaubt habe.“ „Du gehst zu hart mit dir ins Gericht. Sie hat mich auch manipuliert. Sogar zweimal. Sie ist geschickt darin… Ich bin der Letzte der dir deshalb Vorwürfe macht.“ „Trotzdem. Sie war mein Bit Beast. Aber ich habe sie nie richtig gekannt. Ich wusste bis jetzt ja noch nicht einmal das sie weiblich ist.“, er gab ein freudloses Lachen von sich. Doch nach einer Weile schüttelte Kai den Kopf, offenbar fassungslos über seine eigene Ignoranz. „Wie konnte ich nur so blind sein?“ „Wir alle waren blind.“, sprach Tyson traurig. „Ich hätte es aber besser wissen müssen! Vor allem als Dranzer meinte, dass sie mich befreien könne. Von all meinen Verrücktheiten.“ „Verrücktheiten?“, er legte mit einem fragenden Ausdruck den Kopf zur Seite. Da nickte Kai auch schon langsam. Dann erklärte er: „Sie gab mir diese Schale mit kleinen Papierfetzen, auf denen Namen geschrieben standen und meinte, ich solle sie ins Feuer werfen. Es würde mir helfen von meiner alten Welt loszulassen.“ Kai hielt einen Moment inne, als würde ihm dieses Geständnis besonders schwer fallen. „Ich habe ohne zu zögern hineingegriffen und jeden einzelnen Namen ins Feuer geworfen. Die meiner Eltern, meines Großvaters, Janas, Rays, Maxs, Kennys – und auch deinen. So sind überhaupt erst meine Erinnerungen verschwunden.“ Tyson schaute ihn ernst an. Ihm fiel auf dass Kai auf eine Reaktion von ihm wartete. Doch den Gefallen tat er ihm noch nicht. Dazu hatte er noch zu wenig gehört. Da fuhr Kai auch schon fort: „Sie hat mich nie dazu gezwungen. Ich allein habe jede Erinnerung den Flammen vorgeworfen.“ „Du warst verwirrt…“ „Nein. Ich wollte mich befreien! Ich wollte vor meinem Umfeld flüchten! Dranzer war vielleicht diejenige, die mich auf den Stein zugeschoben hat, ich habe ihm aber den entscheidenden Tritt verpasst, damit er überhaupt erst ins Rollen kommt! Es war meine eigene Entscheidung. Ich wollte euch alle tatsächlich vergessen…“ Er spähte vorsichtig zu Tyson hinüber, fast so als befürchtete er das Schlimmste. „Es ist mir so leicht gefallen… Und die ganze Zeit, seit meine Erinnerungen zurückkommen, frage ich mich nach dem Warum? Alles was euch betrifft – das sind gute Momente. Dennoch wollte ich euch loswerden. Was für ein Freund tut so etwas?“ Kai senkte die Augen wieder, als ertrage er seinen Blick nicht. „Warum wollte ich euch freiwillig aus meinen Kopf verbannen? Warum gerade euch? Warum meine kleine Schwester? Das hattet ihr doch nicht verdient.“ Tysons Mundwinkel hoben sich. Sein kleiner störrischer Dummkopf, kam nach so vielen Jahren endlich zur Besinnung und erkannte, dass es Menschen um ihn herum gab, die schon immer hinter ihm gestanden hatten. Eine ganze Weile wurde es still zwischen ihnen. Da schritt Kai auf die Grundstücksmauer seines Heims zu. Tyson beobachtete wie seine blassen Finger, sich auf das rötliche Gestein legten. Sie strichen gedankenverloren über die Ziegel hinweg. „Dieser Ort ruft so viel in mir wach. Und das obwohl ich noch gar nicht richtig drinnen war. Es ist wie eine Sturmflut aus positiven Erlebnissen. Weshalb wollte ich das vergessen? Ich schäme mich für meine Entscheidung...“ „Wir alle machen Fehler. Egal was war, ich bin trotzdem für dich da.“ „Das warst du schon immer, nicht wahr?“ Ein wehmütiges Lächeln umspielte Kais Mundwinkel, als er sich ihm wieder zuwandte. Offenbar weil er selbst nicht fassen konnte, was alles passieren musste, damit er endlich sein Umfeld richtig wahrnahm. Er musste sich wie ein Blinder fühlen, dem das Augenlicht geschenkt wurde. „Ist das eine Frage oder eine Feststellung?“ „Eine Feststellung…“ „Ich will einfach ein guter Freund sein.“, kam es leicht verlegen von ihm zurück. Tyson vergrub die Hände in den Hosentaschen. Er hatte Angst zu viel von sich zu verraten. Ein weiteres Mal verweilten sie leise, in weiter Ferne konnte man sogar das Kläffen eines Hundes hören. Irgendwer eine Straße weiter, musste sich bei diesem Wetter doch noch hinauswagen, damit sein Haustier etwas Auslauf bekam, aber ansonsten war es still draußen. Wenn man genau hinhorchte, vernahm man selbst den rieselnden Schnee. „Wir sind vorhin am Kanda Fluss vorbeigekommen.“, durchbrach Kais Stimme das andächtige Schweigen. „Als wir über die Brücke gefahren sind, ist mir eingefallen, dass wir uns dort unten an seinen Ufern, zum ersten Mal begegnet sind.“ Tyson tat einen hörbaren Atemzug als der Groschen fiel. Bereits im Wagen war ihnen nicht entgangen, dass Kai wie gebannt auf den zugefroren Fluss gestarrt hatte. Doch was ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss, behielt er wie immer für sich. „Ja das stimmt.“, kam es von Tyson. Er grinste als er sich daran zurückerinnerte. „Zuerst habe ich Carlos den Hintern versohlt. Gleich danach kamst du um die Ecke und hast mir den Hintern versohlt. Es war unser allererstes Match.“ „Und als mir zwei Jahre später, der Hintern von Brooklyn versohlt wurde, hast du mich dort trotzdem wieder mit offenen Armen empfangen.“, kam es belustigt. „Das weißt du auch wieder?“ „Ja. Ich erinnere mich sogar daran, wie beschämt ich war - weil ich mich damals für so perfekt hielt, dass ich geglaubt hatte, es problemlos in die BEGA schaffen zu müssen. Der große Kai Hiwatari verliert keine Vorrunden. Aber ich habe kläglich versagt… Und obwohl ich euch einfach so den Rücken zugekehrt habe, obwohl ich offensichtlich keinen Funken Loyalität besitze, hast du mir dort doch nur wieder die Hand gereicht.“ Er bedachte Tyson mit einem unergründlichen Blick. Es konnte Mitleid sein - oder Zuneigung. „Natürlich habe ich das. Wie hätte ich auch nicht?“ „Weil ich auf dem Baikalsee nichts dazu gelernt habe. Damals habe ich euch schon verraten und dennoch habe ich denselben Fehler, zwei Jahre später wiederholt. Ihr hättet mich von Anfang an in eurem Team gebraucht, aber ich wollte lieber zur BEGA, weil mir mein persönlicher Erfolg wichtiger war.“ „Lass uns diese alten Kamellen nicht aufwärmen. Wir waren doch noch halbe Kinder. Es ist vergangen. Allein wie du als Erwachsener bist zählt jetzt.“ Kai neigte fragend den Kopf. „Bist du nie wütend wenn du daran zurückdenkst?“ „Nein. Ich konnte dir noch nie lange böse sein.“ „Wie kannst du nur ständig über meine Fehler hinwegschauen? So oft…“ Tyson tat einen tiefen Atemzug. Etwas lag da in Kais Stimme, dass ihn innerlich dahinschmelzen ließ. Da war ein Flirren in seiner Magengrube, eine immense Spannung auf seinem Körper. Er hatte Mühe sie zu unterdrücken. „Erinnerst du dich an die Abtei?“ „Das ist das dritte Mal das ich danach gefragt werde. Warum will das jeder wissen?“, kam es verwirrt zurück. Tyson tat einige Schritte auf ihn zu. „Weil es eine entscheidende Rolle in deinem Leben gespielt hat. Zumindest glauben wir das. Ich denke dein Vertrauensproblem und dieser immense Ehrgeiz fängt dort an – auch wenn deine Familie ihren Teil bestimmt dazu beigetragen hat.“ „Ray meinte ebenfalls ich hätte ein Vertrauensproblem…“ „Wer dich kennt weiß einfach, dass du eine Mauer um dich herum aufrecht hältst.“ Kai schaute nachdenklich in den Himmel auf. Die Schneeflocken umtanzten sein blasses Gesicht. „Auch jenen Menschen gegenüber, die mir so viel bedeuten wie ihr?“, wollte er wissen. Seine Frage raubte Tyson einen Moment den Atem. Er starrte ihn an, denn noch nie hatte Kai ihm so offenkundig eingestanden, dass er für seine Freunde etwas empfand. Er deutete es stets durch sein Handeln an, ließ sich aber nicht gerne in die Karten schauen. Nach einer Weile antwortete Tyson: „Ja. Leider auch uns gegenüber.“ Ein schweres Seufzen folgte. „Verstehe…“, Kai schien in die Ferne zu schauen und doch nichts zu sehen. Zu vertieft in seine Überlegungen. „Ihr taucht so oft in meinen Erinnerungen auf. Vor allem du. Ich sehe dich ständig vor mir.“ „Tatsächlich?“ „Ja. Du lachst sehr viel. Manchmal bist du auch verärgert. Aber die meiste Zeit bist du voller Tatendrang und lebensfroh. Wie ein Wirbelwind. Ich mag das.“ Tyson fühlte förmlich wie seine Kehle ausdörrte. Er war nur noch in der Lage Kai anzuschauen. Der überwand die letzten Schritte zwischen ihnen, bedachte ihn dabei eingehend, fast so, als würde er ihn heute zum ersten Mal richtig bemerken. „Dein Gesicht… Es taucht immer wieder auf. Wie eine sichere Konstante. Ein roter Faden der sich durch mein Leben zieht.“ Es klang als ob er zu sich selbst sprach - und mit seinen Worten änderte sich etwas. Die Stimmung zwischen ihnen. Tyson hätte schwören können, eine innige Verbundenheit zu spüren. Da war keinerlei Zurückhaltung mehr von Kai. Er offenbarte ihm seine Gedanken ohne jeglichen Argwohn. Eine zarte Schneeschicht hatte sich auf dessen Schultern gebildet. Tyson strich sie fürsorglich fort und musste zugeben, dass sein Herz förmlich zerspringen wollte. Da hielt er inne, als der nächste Satz an sein Ohr drang: „Ich werde nie verstehen, wie man jemanden wie dir, nicht vertrauen kann.“ Seine Hände blieben auf Kais Schultern ruhen. Etwas in ihm wollte ihn einfach anfassen, selbst wenn es eine noch so simple Geste war. Für ihn waren diese Worte so unsagbar wertvoll. Kais Blick wirkte so viel sanfter, voller Zuneigung. Etwas war definitiv anders an ihm… Er war komplett seiner Distanziertheit beraubt. Da war kein Misstrauen mehr, dass sie trennte - nur noch aufrichtiges Vertrauen. Offenbar hatte ihre Reise in die Irrlichterwelt, nicht nur bei Tyson Spuren hinterlassen. Die Frage war jedoch, ob Kai diesen Zustand auch beibehalten konnte. Immerhin fehlten ihm noch die Erinnerungen aus der Abtei. Eine Zeit die wohl wirklich prägend gewesen sein musste. „Schön dass du das auch so siehst. Endlich…“ Tysons Worte waren nicht mehr als ein Raunen. Und als hätte Kai seine Befürchtungen geteilt, sprach er: „Wenn mir das jemals wieder entfallen sollte, musst du mich daran erinnern. Ich will niemals vergessen, was in der Irrlichterwelt passiert ist.“ „Vorsicht! Ich nehme dich beim Wort.“, schmunzelte Tyson. „Aber damit eins klar ist, das was wir gemacht haben, war wirklich selbstverständlich. Komm also nicht noch einmal auf die Idee, für uns eine Falschaussage zu machen. Sonst erzähle ich deiner Schwester, dass du als Kind nicht einmal einen Hosenknopf alleine aufbekommen hast.“ Er zwinkerte ihm zu, was Kai die Augen rollen ließ. „Das wird mir nun wohl eine ganze Weile nachhängen…“ „Aber holla und wie! Du redest hier immer noch von mir, Krümel!“ „An deine freche Art erinnere ich mich dagegen wieder ziemlich gut.“, antwortete Kai, allerdings klang es amüsiert. Dann fügte er etwas ernster hinzu. „Trotzdem solltest du wissen, dass ich euch dankbar bin. Ich kann das niemals wieder gut machen. Vor allem dir bin ich so viel schuldig.“ „Es gibt nichts wieder gut zu machen. Man sieht einem Freund nicht dabei zu, wie er ins Verderben rennt.“ „Das hast du mir schon einmal gesagt… Am Lagerfeuer.“, erinnerte sich Kai. Seine Stimme wurde wieder leise, als wäre er gedanklich bei dieser Nacht. Beide dachten in jenem Moment an dasselbe Erlebnis, das konnte Tyson genau fühlen. Seine Hände wanderten an Kais Schultern hinab, umschlossen dessen Finger vor sich fest, mochten sie auch noch so kalt sein. Er fühlte ein Kribbeln über seinen Körper jagen und wusste nicht, wie lange sie den Blickkontakt schon hielten, aber ihm kam es wie eine kleine Ewigkeit vor. Es war fast schon wie ein innerer Zwang und er konnte es auch nicht unterlassen, die Haut zwischen seinen Fingern, mit seinem Daumen zu streicheln. Da huschten Kais Augen hinab – blieben an dem Bild ihrer Hände hängen. Im Schein der Laterne hatte ihrer beider Haut, die Farbe eines warmen Orange angenommen. Der Schnee tanzte zart zu Seiten ihrer Finger herab. Manchmal landete eine Flocke auch auf ihnen, nur um zwischen ihren Händen zu zerschmelzen. Da begriff Tyson erst so richtig, dass er gerade seinen ersten Vorstoß wagte. Diese Berührung hier war viel zu intim unter Freunden und hielt auch zu lange an. Er stand nicht einmal mehr eine Armlänge von Kai entfernt. Doch der tat auch keinerlei Anstalten, seine Hand von ihm zu lösen. Oder auf Abstand zu gehen… Nicht eine Sekunde hatte er sich seiner Annäherung verweigert. Er blinzelte einfach nur auf den Anblick herab, als wisse er selbst nicht so genau, was er von diesem innigen Moment halten sollte. Tysons Herz begann laut zu pochen, pumpte ihm das Blut glühend heiß durch sämtliche Venen. Könnte das hier nicht als offene Einladung gewertet werden? Etwas in ihm machte sich gerade Hoffnung und er hatte Mühe ihr nicht zu erliegen. Nutzte er Kais momentane Schwäche gerade aus oder spürte er von dessen Seite tatsächlich eine tiefere Zuneigung? Vielleicht sollte er es einfach wagen… „Kai?“, auf seinen geflüsterten Namen schaute der auf. Ein kleiner Spalt hatte sich zwischen dessen Lippen aufgetan. Da war dieser drängende Wunsch in Tyson, mit dem Daumen darüber zu fahren, auszukosten ob sie sich unter seinen eigenen Lippen weich anfühlten. Dieser Ausdruck in Kais Gesicht… Es ließ ihn sich seinen Sehnsüchten hingeben. Tysons Atmung wurde flacher. Ohne es richtig unterbinden zu können, wurde der Abstand zwischen ihren Körpern kleiner. Ihm wurde wohlig warm. Er kam sich wie eine Motte vor, die vom Licht angezogen wurde. Und über Kais Blick, senkten sich langsam dessen Lider herab. Da ließ sie aber das Knallen einer Tür aufhorchen… Tyson fluchte, als der Stimmungskiller wie eine Bombe einschlug. „Chef warte! Lass es uns doch erklären!“ „Nein, verdammt! Ich will nichts mehr hören, Max!“ Die aufgebrachten Stimmen näherten sich. Tyson konnte von der anderen Seite der Grundstückmauer vernehmen, wie der Schnee unter der Last von mehreren Schuhsohlen knirschte. Mit einem erschrockenen Keuchen entriss Kai ihm seine Finger. Dieser plötzliche Entzug seiner Nähe war wie das unsanfte Erwachen aus einem Traum. Er tat ein paar Schritte von ihm Weg, starrte Tyson mit geweiteten Blick an, als könne er selbst nicht fassen, was sich beinahe zwischen ihnen abgespielt hatte. Er blinzelte mehrmals, umfasste jene Finger, die zuvor noch in seinem Griff ruhten und schaute auf sie herab. Auch ihm war mit einem Schlag die Intimität dieses Augenblickes bewusst geworden. Das sie dabei gewesen waren, weiter zu gehen, als es unter Freunden gestattet war. „Kai?“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich von ihm ab, unwillig darüber zu sprechen, als schon das Tor zum Anwesen aufgeschwungen wurde. Die lauten Stimmen der Anderen schnatterten geradezu durch die Nacht. Tyson hatte noch gar keine Zeit sich so richtig von seinem Gefühlschaos zu erholen, da sah er auch schon Kenny zwischen dem Torbogen herausrennen. Der Chef sah sich um, suchte offenbar nach ihm und eilte dann auf Tyson zu. Ihm fiel auf wie gerötet seine Wangen wirkten. Seine Augen glänzten, als stünde er kurz vor den Tränen. Kurz danach kamen auch Ray und Max herausgerannt, beide ohne Jacken. Offenbar hatten sie ihre Abwesenheit genutzt, um sich im Haus ein wenig aufzuwärmen, bevor sie aufbrechen wollten. „Gib mir deine Autoschlüssel!“ Kenny streckte ihm die zitternde Hand entgegen. Sein Atem kam so stockend, dass die kleinen Wölkchen aus seinem Mund hektisch wirkten. „Chef, bitte, das hat keinen Sinn.“, Max versuchte ihm verzweifelt an die Schulter zu fassen. „Sie ist nicht mehr da.“ „Fass mich nicht an!“, Kennys Stimme überschlug sich förmlich. So kannte Tyson ihn nicht. Dann hielt er ihm noch einmal fordernder die Hand hin. „Deine Autoschlüssel!“ Er war noch zu verwirrt von der vorangegangen Situation um zu widersprechen. Stattdessen blinzelte er seinen Freund doof an. Da packte Kenny nach seiner Jacke. „Hey! Was zum…“ Tyson fühlte wie seine rechte Tasche um das Gewicht seiner Schlüssel erleichtert wurde. Gleich danach drehte sich Kenny auf dem Absatz um. Er schaute einen Moment verdutzt zu Kai, der ebenso irritiert zurückblinzelte. Inzwischen stolperte der Chef zwischen den anderen beiden hindurch und steuerte auf Tysons Wagen zu. „Was ist los?“ Ray wandte sich ihm für eine Erklärung zu, während Max nur noch betreten zu Boden starrte, die Arme um seinen frierenden Leib geschlungen. Sein Ausdruck wirkte gequält. „Jemand musste es ihm doch sagen…“ „Was denn?“ „Na was wohl!“ Er schaute ihn an als wäre es glasklar. Dabei konnte Tyson momentan nur noch daran denken, wie sich Kais Finger zwischen seinen Handflächen angefühlt hatten, dass er sogar schon dessen Atem auf seiner Wange gespürt hatte. An den Ausdruck in seinen Augen und das heftige Flirren, dass Tysons Körper befallen hatte. Nur eine Sekunde mehr – wer weiß was dann passiert wäre? Noch immer seinen geplatzten Hoffnungen nachhängend, blickte er geistesabwesend zu Kenny, der um seinen Wagen herum lief, direkt auf den Kofferraum zu. Da kroch die Panik auch schon in ihm hoch. Sämtliches Blut wich aus seinen Wangen. Er suchte Dizzy… Tyson stöhnte laut auf und fuhr sich über die Nasenwurzel. Plötzlich war er mit einem Schlag wieder in der Realität. Wie hatte er das vergessen können?! Liebe machte tatsächlich blind, vor allem aber unempfänglich für die Probleme anderer. Kenny öffnete den Kofferraum und als er den Laptop nicht vorfand, begann er die Sachen darin auszuräumen. Dabei wussten sie alle, dass dessen Überbleibsel irgendwo in der Irrlichterwelt verstreut lagen. Tysons Sporttasche flog zuerst heraus. Er hörte Kenny fiebrig murmeln, denn natürlich wollte der nicht wahrhaben, dass seine Dizzy nicht mehr zurückkommen sollte. Von ihnen allen, hatte er wohl die innigste Beziehung zu seinem Bit Beast gepflegt. Im Gegensatz zu ihnen, war Dizzy nämlich als richtiger Gesprächspartner aufgetreten. Etwas das sie zu Kennys engster Vertrauten gemacht hatte. Ziemlich unbeholfen sahen sie dabei zu, wie alles was hinten im Kofferraum gewesen war, nach und nach im Schnee versank. Bis es nichts mehr gab, was man hätte hinausbefördern können und Kenny sich fassungslos am Rahmen abstützte. Tyson näherte sich ihm. Er sah wie ihr Freund, sich so fest auf die Unterlippe biss, dass sie weiß hervorstach. Eine dicke Tränenbahn raste an seinem Gesicht herab. „Es tut mir Leid…“ Und es war ernst gemeint. Es kam aus Tysons tiefsten Innerem. „Ihr habt sie alle für schwach gehalten!“, fauchte der Chef erstickt. Seine Stimme bebte bei jedem Wort. „Für einen Witz habt ihr sie gehalten! Weil sie nicht so stark war wie eure Bit Beasts! Für ein geschwätziges, vorlautes Computerprogramm, dass man mal herauskramt, wenn man etwas wissen möchte! Für eine Spielerei!“ Er war wütend – und er musste diesen Zorn herauslassen. Die erstbeste Person anklagen die ihm unter die Augen trat. „Ja. Das stimmt leider.“, gestand Tyson traurig ein. Es hatte keinen Zweck es zu leugnen. „Aber für mich war sie wichtig! “, schrie ihn Kenny an. Seine Stimme schallte durch die Nacht. Die Gardinen im Nachbarhaus bewegten sich wieder. Das Gebrüll auf der Straße lockte die neugierige alte Hexe von Gegenüber wieder ans Fenster. „Wie konntet ihr das zulassen?! Habt ihr auch nur einen Moment an mich gedacht!“ Tyson wollte ihm etwas antworten. Aber alles was ihm einfiel, klang wie eine faule Ausrede. Er schloss die Augen und tat einen tiefen Atemzug. „Es tut mir wirklich leid.“, wiederholte er. „Das bringt mir Dizzy nicht zurück!“, fauchte Kenny ihn an. „Ich weiß! Ich wünschte ich könnte dir irgendetwas sagen, damit du dich besser fühlst. Aber alles was ich tun kann, ist mich zu entschuldigen!“ „Es waren eure Bit Beast! Sie haben bei euren Kämpfen auch von ihrem Wissen profitiert! Das ist so undankbar… so verdammt unfair! Sie haben sie verraten!“ Max näherte sich ihnen. Dann sprach er: „Chef… Wir sind selbst geschockt darüber, wie rachsüchtig sie eigentlich waren. Diese Seite an ihnen - die haben wir nie gekannt!“ „Nun, ich habe jede Seite an Dizzy gekannt.“, er schlug den Kofferraum lautstark zu. Seine Fäuste waren geballt, die Schultern bebten. „Ich finde ein guter Blader, sollte so etwas wissen! Vor allem wenn man mit seinem scheiß Weltmeistertitel ständig prahlt, als sei man die Gottheit in Person!“ „Dann warst du offensichtlich all die Jahre der bessere Blader von uns beiden.“, sprach Tyson. „Denn deine Beziehung zu Dizzy – die war vorbildlich. Ich habe meinen Partner aber all die Jahre nie wirklich gekannt. Ich war wohl doch nur ein dummes Kind.“ Seine Ehrlichkeit ließ Kenny aus tränennassem Gesicht auf blinzeln. Unter dem buschigen Haarschopf wirkten seine Augen so enttäuscht. „Du musst uns glauben, Chef. Diese Reise die wir gemacht haben, hat uns erst richtig gezeigt, wie wenig wir eigentlich wussten. Ich habe Dragoon haushoch unterschätzt! Ich habe ihn nie richtig verstanden wie du deine Dizzy! Und was unsere Bit Beast ihr angetan haben – das werden wir uns nie verzeihen! Sie war eine von den Guten. Sie war vielleicht klein und schwach… Aber wenn ich eines jetzt weiß, dann ist es, dass wahre Größe nur von Innen kommen kann! Das ist keine Frage der körperlichen Statur…“ Noch immer schaute Kenny ihn an. Seine Brust hob sich bei jedem hektischen Atemzug zitternd mit. Tyson legte ihm die Hände behutsam auf die Schultern. Ihm war auch zum Weinen zu mute, wenn er ihn so verzweifelt sah. „Wenn ich nur die Zeit zurückdrehen könnte… Ich würde alles tun, damit ihr das niemals passiert. Ich wünschte wirklich ich wäre schlauer gewesen.“ „Ich wünschte wir alle wären schlauer gewesen.“, stimmte Ray traurig ein. Kenny schaute von einem betretenen Gesicht zum nächsten. Dann schüttelte er den Kopf und sank schluchzend am Wagen hinab. „Das hätte früher kommen müssen!“, klagte er sie an. „Viel früher!“ Der letzte Teil kam immer wieder. Immer wieder… Er hinterließ einen traurigen Nachgeschmack bei ihnen. Denn leider entsprach es der Wahrheit. * Inspektor Kabayashi sammelte die verbliebenen Unterlagen ein, die er noch für die Fallakte verwenden konnte. Sein Vorgesetzter hatte sich endlich auf den Weg nachhause gemacht, was für ihn auch endlich Feierabend bedeutete. In Momenten wie diesen, in denen er spät abends nachhause kam, wünschte er sich eine Stelle im Ausland, wo ein Beamter nicht seltsam beäugt wurde, nur weil er vor seinem Vorgesetzten ging. Hier in Japan war das nicht gerne gesehen, weshalb die Menschen in manchen Bereichen, furchtbare Arbeitstiere waren. Allein wenn er hörte, dass Polizisten in Europa viel mehr Urlaubstage bekamen, als hier zu Lande, wurde ihm das Herz schwer. Es wäre toll mal wieder ein Privatleben zu haben. Seine Frau beklagte sich bereits permanent über seine ständige Abwesenheit und sprach davon, sich scheiden zu lassen. Da ackerte man wie ein Gaul und Undank war der Lohn. Manchmal war das Leben nicht fair, erst recht nicht wenn er an das hämische Grinsen dieses Chinesen dachte, der vor einigen Stunden erhobenen Hauptes an ihm vorbeistolziert war. Dabei empfand Kabayashi eigentlich gar keinen Groll gegen ihn. Er hatte seinen Job gemacht. So verlangte man das von ihm. Dennoch wurde er tagtäglich mit der bockigen Haltung konfrontiert, welche die Angehörige eines Verdächtigen einem Polizisten entgegenbrachten. Die meisten Menschen wollten nicht wahrhaben, dass jemand aus ihrem direkten Freundeskreis, eine Leiche im Keller versteckt hielt. Und das zeigte sich gerne in großen Unmut ihm gegenüber. Kabayashi ließ seufzend die Fallakte zuschlagen und rieb sich anschließend über die Augen. Er hoffte inständig dass die Straßen wieder frei waren, sonst würde er im Wagen, vor der nächsten roten Ampel einschlafen. Als er jung war und den Entschluss fasste, Polizist zu werden, hatte er geglaubt, den Menschen helfen zu können. In den letzten Jahren war aber die große Ernüchterung über ihn gekommen. Der Beruf eines Polizisten bestand hauptsächlich darin, skeptisch beäugt zu werden, Überstunden ohne Ende zu leisten, betrunkene Streithähne zu trennen und das alles mit einer miserablen Bezahlung. Hoffentlich kam er weiter als Kato, sodass er irgendwann als Polizeidirektor die Füße hochlegen konnte. Die Tür zum Großraumbüro öffnete sich und sein Kollege aus der Drogenfahndung steckte breitgrinsend den Kopf herein. „Kabayashi, wie sieht es aus? Noch einen Feierabendschnaps?“ Wie schaffte es dieser Nobuki ständig so gut gelaunt zu bleiben. Vielleicht war das sein jugendlicher Übermut. Mit einem herzhaften Gähnen erhob er sich und rückte seinen Stuhl unter die Schreibtischplatte. „Ach, nein. Lass mal. Ich muss mich bei meiner Frau sehen lassen.“ „Ein Grund warum ich lieber Single bleibe. Übrigens beweisen Studien, dass die ohnehin weniger Sorgen haben, als verheiratete Altersgenossen.“ „Na dann sieh zu das du nie heiratest.“, kam es mürrisch zurück, während er sich die Jacke über die Schulter warf. „Meine Fresse, bist du scheiße drauf. Jetzt vergiss doch diesen Fall.“, sein Kollege hielt ihm die Tür auf, als er auf sie zusteuerte. Beim Vorbeigehen klopfte er Kabayashi aufmunternd auf die Schulter. „Das ist dumm gelaufen. Mit einem Gläschen Schnaps sieht die Welt aber ganz anders aus.“ „Ich will befördert werden, dass klappt aber nicht, wenn ich solche Fälle auf den Tisch bekomme. Das sieht bei der Obrigkeit beschissen aus!“ „Solche Führungsstellen bekommen immer nur Glückspilze. Oder wenn man Vitamin B besitzt. Deshalb sollte man sich mit weniger zufrieden geben. Oder du bummst einen aus der Chefetage.“ „Ich bin nicht schwul.“ „Gibt auch Frauen da oben.“ „Ja. Aber hast du die mal gesehen?“ „Einen Tod muss man immer sterben. Dann bleib doch lieber bei der Bescheidenheit. Ich wiederhole – gib dich mit weniger zufrieden.“ „Mit was denn? So ein Schluckspecht zu sein wie du?“ „Ach komm, sowas kannst du doch nicht sagen. Das tut mir jetzt auch weh!“, sprach Nobuki in gespieltem Bedauern. Er fuhr fort in seiner Absicht, Kabayashis miese Laune aus dem Keller zu holen, während sie den Flur zur Eingangshalle passierten. Sein Kollege hätte auch einen guten Professor abgegeben, denn ständig hielt er einem Vorträge über neueste Studien, deren Endresultat aussagte, dass alleinstehende Männer glücklicher lebten, als verheiratete. Dieses Spiel trieb er so lange, bis Kabayashi sich breit treten ließ und mit ihm zur nächste Kneipe marschierte, wo ein Schnaps nach dem anderen auf seine Kosten ging, da Nobuki ja die unleidliche Angewohnheit besaß, seine Geldbörse daheim liegen zu lassen. Doch heute Abend wollte er wirklich nachhause. Bis auf die abendliche Notbesatzung, waren die Büros weitestgehend geleert. Sobald die ersten Vorgesetzten nachhause verschwanden, ging es hier wie im Taubenschlag zu. Da flatterten sämtliche Beamten aus der Morgenschicht so schnell hinaus, dass nur noch eine Staubwolke von ihnen übrig blieb. Die Tür zur Eingangshalle wurde schwungvoll von Nobuki geöffnet. Er fing gerade von einer schwedischen Studie an, die sicherlich aussagte, dass alleinstehende Männer auch das bessere Sexualleben besaßen, als beiden Polizisten auffiel, dass eine junge Frau im Zentrum der Halle stand. Sie schaute hinauf zur gläsernen Kuppel, die das altmodische Gebäude besaß. Zu den Seiten des Glases türmte sich der Schnee langsam hoch, was den Raum morgen früh bestimmt dunkler machte als sonst. Kabayashis Augen huschten an der Gestalt entlang und kurz darauf zur unbesetzten Rezeption. Er schnalzte erbost, denn die Nachtschicht war noch nicht eingetroffen. Einen Moment überlegte er, ob sie nicht über die Garagen hinausschleichen sollten, aber Nobuki gab ein Pfeifen von sich, offenbar weil ihm der kleine Feger gefiel. Natürlich war auch Kabayashi nicht blind. Die Frau vor ihnen hatte einen hübschen Hintern, aber es könnte ewig dauern, bis sie ihr Anliegen entgegengenommen hatten und ob es sich für ein schönes Gesicht lohnte, noch mehr Überstunden zu leisten, wollte er doch stark bezweifeln. Außerdem war ihr Haar so hell, im dämmrigen Licht hier drinnen, wirkte es schneeweiß. An der modischen Jacke erkannte er, dass sie sehr viel Wert auf Marken legen musste. Eindeutig nicht Nobukis Preisklasse. Wenn er diese Frau auch noch auf einen Schnaps mitnahm, musste er am Ende auch noch ihre Zeche zahlen. Dennoch schlenderte sein Kollege mit wehenden Schritten auf sie zu, sein charmantestes Lächeln auf den Lippen. Noch während Kabayashi genervt dachte, dass er wohl bald sein Nachtlager hier aufschlagen musste, hörte er, wie er das verwöhnte Ding umschmeichelte. „Guten Abend, die Dame.“ Sie schaute weiterhin auf, vertieft in den Anblick der Schneeflocken über ihr. Nobuki räusperte sich und fragte: „Darf man ihnen irgendwie behilflich sein? Ich biete mich gerne an.“ Schleimbolzen… Dennoch verweilten ihre Augen wo sie waren. Ganz offensichtlich kam sein Kollege einfach nicht professionell genug herüber. Eine Autoritätsperson behandelte man zumindest anders und schon kurz darauf, warf Nobuki ihm einen hilflosen Blick zu. Kabayashi seufzte genervt. Das Letzte was er gebrauchen könnte, wäre, wenn ein Opfer sich beklagte, dass man sich ihrem Fall nicht annahm, weil er lieber Feierabend machen wollte. Er war von Kato deshalb schon gerügt worden und seiner Beförderung käme es auch ungelegen. Also erbarmte sich Kabayashi und näherte sich der jungen Frau. Womöglich war sie ein traumatisiertes Missbrauchsopfer, das vor Angst erstarrt war, weil sie der erste Polizist den sie hier traf, gleich mal anbaggerte. Also kam er sofort auf den Punkt. „Brauchen sie Hilfe?“ Nach einer kleinen Ewigkeit, schüttelte sie jedoch den Kopf. „Und was suchen sie dann hier, wenn ich mal fragen darf?“, er konnte nicht verhindern, dass er leicht angesäuert klang. Nobuki verzog das Gesicht, anscheinend weil er dabei war, ihm die Tour zu versauen. Doch auf eine solche Zeitverschwendung hatte er wirklich keine Lust. „Ich bin dem Geruch gefolgt…“ Es war ein kleiner Satz. Und doch entging Kabayashi nicht, dass sie eine hauchzarte Stimme besaß. Auf einmal war sämtlicher Ärger verflogen und er räusperte sich. „Verzeihung, aber ich verstehe nicht.“ „Mein Menschenkind. Es war hier. Ich rieche seine Fährte.“, Nobuki und er tauschten verwirrte Blicke aus. Da fuhr die junge Frau mit ihren ominösen Äußerungen fort. „Für Menschen mag es eine Ewigkeit her sein, doch für mich kommt es so vor, als sei es erst gestern gewesen. Vor wenigen Jahren, da habe ich ihn gefunden… an einem kalten Tag wie heute. Es schneite damals auch. Wann immer ich Schneeflocken sehe, muss ich nun daran denken.“, sie senkte das Haupt endlich herab und schloss die Augen, legte mit einem verträumten Lächeln den Kopf zur Seite. Einen winzigen Moment dachte Kabayashi, dass sie eigentlich recht verrückt klang, doch sie besaß eine so wundervolle Stimme, dass weder er, noch Nobuki in der Lage waren, die Kraft aufzubringen, um sie zu unterbrechen. So fuhr sie mit ihrer kryptischen Schilderung fort: „Mein Menschenkind war damals noch ganz klein. Ein junges Küken. Unschuldig und verletzlich. So liebenswert… Und doch war er schon so verschlossen und enttäuscht von der Welt. Ich konnte es in seinen Augen lesen. Der Ausdruck darin, erinnerte mich an mich selbst. Wie ein kleiner Spiegel. Diese großen Kinderaugen reflektierten meine Seele zurück. So jung und doch lag das kleine warme Herz in seinem Leib schon in Scherben. Wie meines… Als ich noch ein Küken war.“ Ein wehmütiges Seufzen kam aus ihrem Mund. Ihre Trauer war geradezu fühlbar, griff auf Kabayashis Körper über und weil sie so melancholisch war, wurde er es auch. Ihr Schmerz war in jeder Faser seines Herzens, nistete sich dort ein. Es ließ ihn vergessen, dass er nicht alleine war. „Diesen Anblick werde ich niemals vergessen…“, sie wandte sich ihm zu. Er blinzelte wie betäubt, denn das Bild vor ihm schien zu flackern. Er kam sich wie ein Betrunkener vor, der alles nur noch verschwommen wahrnahm. Spielten ihm seine Augen einen Streich? Begannen sämtliche Venen dieser Frau vor ihm zu glühen? Er hatte den Eindruck als würde unter ihrer blassen Haut Magma köcheln - als würde durch ihre Blutbahnen etwas siedend heißes pulsieren. Sein wirrer Blick blieb an ihren Augen hängen. Zwei feuerrote Ringe. Selbst das Züngeln dieser Flammen meinte er darin erhaschen zu können. Es erinnerte ihn an etwas… Kabashi konnte es jedoch schwierig in Worten fassen, denn sein Verstand kam ihm immer träger vor. Im ersten Moment, musste er an eine Nahaufnahme der Sonne denken, wie sie auf dem dunklen Hintergrund des Weltalls im Nichts schwebte, während immer wieder eine Flammenfontäne aus ihr hervorschoss. Ja, das war es! Ihre Augen kamen ihm wie zwei winzige Abbilder der Sonne vor. Diese glühend heiße Kugel, mit ihren gefährlichen Eruptionen an der Oberfläche. Womöglich hatte er Übermüdungserscheinungen, hervorgerufen durch seinen anstrengenden Beruf. Nur vage nahm er das Lächeln von ihr wahr. „Er war hier bei euch. Sein Duft liegt in diesem Raum. Er muss es also zurück in diese Welt geschafft haben. Da täusche ich mich nicht, oder?“ Aus irgendeinem Grund nickte Kabayashi, ohne zu merken, dass die Tür der Eingangshalle langsam aufgeschoben wurde und mehrere Menschen hereintorkelten. Sie kamen ihm wie schwankende Schatten vor, zerstreuten sich im Raum, huschten in die anliegenden Flure, wie Bienen die ihrer Königin in die Waben ihres Baus folgten. Ihre Anwesenheit machte die Eingangshalle kälter. Die einzige Wärmequelle die es noch gab war sie. „Er ist mein Menschenkind. Ich habe geschworen ihn zu schützen. Er soll ein gutes Leben haben – niemand darf ihn noch einmal verletzen. Niemand darf uns noch einmal verletzen.“ Ihre Stimme war nun ein Zischeln, wie das Züngeln einer Flamme. Kabayashi nahm eine Regung von ihr wahr. Sie streckte die Finger zum Körper seines Nebenmannes aus und platzierte ihre Hand auf dessen Brustkorb, genau dort wo das Herz lag. Stillschweigenden beobachtete er, wie etwas aus dem Leib zwischen ihren Fingern herausgesogen wurde. Auch dort schien sich Energie zu befinden, diese köchelnden Venen, die wie flüssige Lava ausschauten und für sein bloßes Auge zuvor unsichtbar gewesen waren. Doch unter ihrer Hand schien diese Kraft nun auch für ihn erkennbar. Er sah das pulsierende Herz seines Kollegen, wie es dumpfe Schläge von sich gab, dabei immer wieder seine Kraft ausschüttete, bis das letzte Bisschen verbraucht und mit einem finalen Schlag erstarb. „Ein Bit Beast nimmt seine Pflichten ernst. Es ist ein Versprechen für die Ewigkeit.“ Kabayashi vernahm einen Schrei hinter sich. Doch es scherte ihn gar nicht mehr. Seine Beine rührten sich keinen Millimeter vom Fleck, als wären sie angewachsen. Wäre er bei klarem Verstand, hätte er alarmiert seine Waffe gezogen und seinen Kollegen, die sich in den Großraumbüros befanden, zur Hilfe geeilt. Doch er war es nicht… Stattdessen sah er aus mattem Blick dabei zu, wie das merkwürdige Geschöpf vor ihm, die Hand auch nach seinem Brustkorb ausstreckte, sobald sie den Körper von Nobuki ausgesaugt hatte. Er fühlte ihre Finger. Sie brannten sich durch seine Kleidung, geradewegs in seine Haut. Inmitten der kalten Wesen um ihn herum, schien sie so warm. Wie die Strahlen der Sonne an einem schönen Frühlingstag. Dabei fühlte er gar nicht, mit welcher immensen Hitze, sie seinen Körper brandmarkte. „Ich muss ihn beschützen. Es ist meine Pflicht. Und wenn diese Welt droht ihn zu verletzen, werde ich sie verletzen. Niemand darf ihm schaden. Er ist mein Menschenkind. Mein Küken…“ Es waren die letzten Worte die Kabayashi hören sollte. ENDE Kapitel 43 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)