Die Geister die wir riefen... von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 10: ------------ „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt, Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“ Tyson rollte mit den Augen, konnte sich ein amüsiertes Grinsen aber nicht verkneifen. Seid Allegro zu ihnen gestoßen war, entpuppte sich die kleine Springmaus als Liebhaber von Versen, Gedichten und Heldensagen. Er war nicht nur ein Rebell, sondern auch ein Philosoph und schien ein wahnsinniges Interesse an der Menschenwelt zu haben. Im Club der Denker wäre er gut aufgehoben gewesen. Wie nicht anders zu erwarten, war er besonders angetan von mutigen Persönlichkeiten wie Che Guevara, Wilhelm Tell und dem Unknown Rebell, auch bekannt als Tank Man. Das fand vor allem Ray sympathisch. Geradezu euphorisch sprach Allegro von Stauffenberg! Er hatte zwar keine Ahnung was ein Nazi war, aber da die gesamte Menschheit sie als etwas Böses ansah, war er sicher, dass Stauffenberg ein sagenhafter Held war, immerhin war er den Märtyrertod gestorben. „Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind, Er hält in den Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Mühe und Not, In seinen Armen das Kind war tot.“ Max und Ray begannen zu applaudieren. Allegro hatte das Gedicht wirklich so wundervoll vorgetragen, dass jeder Lehrer vor Glück in Tränen ausgebrochen wäre. Die kleine Maus verbeugte sich auf Rays Schulter und bedankte sich höflich. Die Gruppe konnte sich vorstellen, dass seine Familie nichts mit Versen und Helden anzufangen wusste. Umso wohler schien er sich deshalb in der Gegenwart der Menschenkinder zu fühlen. „Wunderbar“, log Tyson. Eigentlich war er ein Kunstbanause, aber er wollte Allegro nicht verletzen. „Aber so schön dein Gedicht auch war, wir müssen uns leider noch auf etwas anderes konzentrieren. Vielleicht kannst du uns später noch ein oder zwei Verse vortragen.“ „Oder gar keins!“, betete er im Gedanken inständig. Er konnte echt nichts mit Reimen anfangen. Manche bestanden aus Wörtern die es in seinem Vokabular gar nicht gab. „Wie wahr mein Junge“, bestätigte Allegro. „Eigentlich bin ich kein Junge. Ich bin…“, Tyson stoppte, sah an sich hinunter und meinte schließlich seufzend, „… inzwischen ein Junge.“ Ihre Körper waren mittlerweile auf dem Stand von vierzehnjährigen Teenagern. Wenn es weiter so Berg ab ging, mussten sie ernsthaft in Erwägung ziehen, eine Packung Pampers mit sich zu tragen. „Allegro, weißt du wie wir verhindern können dass wir jünger werden?“, fragte Max. Die kleine Maus legte den Kopf leicht schief und meinte: „Das hängt ganz davon ab wann ihr den Uralten begegnet seid.“ „Was hat das damit zu tun?“ „Als ihr ihnen das erste Mal begegnet seid, wart ihr da nicht begeistert?“ „Na ja“, druckste Max herum und stieß einen Stein vor sich her. „Ein bisschen…“ „Sei ehrlich.“ „Ja. Schon ziemlich.“ Es war Max peinlich, deswegen erwähnte er es nicht, aber für Draciel hatte er damals einen provisorischen Altar errichtet und er konnte nicht anders, als drei Mal am Tag summend sein Blade zu polieren. „Das ist der springende Punkt. Jeder von euch wird zum Anfang zurückversetzt, als ihr euer Glück noch kaum fassen konntet. Danach werdet ihr nicht mehr jünger. Die Uralten sind ein arrogantes Pack. Sie lieben es vergöttert zu werden.“ Allegro wandte schnippisch den Kopf zur Seite und meinte: „Als wären diese Ungetüme etwas besseres als wir. Meine Sippe trägt genauso zum Wohl der Menschheit bei wie diese hochnäsigen Geschöpfe!“ Tyson fiel schnell auf, wie schlecht man von ihren Bit Beasts in der Irrlichterwelt sprach. Jedenfalls ließ Allegro kein gutes Haar an ihnen. Ihre Bit Beasts schienen diese Welt mit eiserner Hand zu führen, nach einer strikten Klassenordnung. Etwas enttäuscht musste er dabei feststellen, dass sein früher über alles geliebter Dragoon, hier verhasst und gefürchtet war. Von diesem treuen und stolzen Geschöpf hätte er das niemals erwartet. Dieser Gedanke ließ seine Laune ziemlich in den Keller sinken und enttäuscht meinte er: „Ich kann nicht glauben dass unsere Bit Beast hier so gehasst werden…“ „Leider doch.“, antwortete Allegro, aber er merkte schnell die deprimierten Gesichter die zu Boden sahen. Dann seufzte er und meinte: „Ich muss allerdings gestehen, es war nicht immer so…“ „Wie meinst du das?“ fragte Ray. Die Gruppe hielt kurz inne und stoppte mitten auf dem Gehweg. Um sie herum liefen geschäftige Gesichtlose kreuz und quer. „Ich war damals noch nicht geboren, doch soviel ich weiß waren die Uralten noch vor einem Jahrzehnt friedlicher. Sie waren ausgeglichener. Jedes Bit Beast hat in Ruhe seine Arbeit getan, ohne sich von ihnen beobachtet zu fühlen. Es ging alles seinem normalen Gang. Jeder wusste was er zu tun hat. Dann kam irgendwann der Nebel.“ Allegros Blick wanderte gedankenverloren zu der Wolkendecke über ihnen. „Und mit dem Nebel kam die Willkür.“ Nun blinzelte jedes Augenpaar hinauf. Die graue Masse über ihnen schwebte zwischen den Hochhäusern träge hindurch, wie eine dicke Aschewolke von einem ausbrechenden Vulkan. Zwar lichtete es sich an vereinzelten Stellen, doch der Tod der Hyänenmutter schien die wabernden Schwaden nicht aufzulösen. „Heißt das es sah hier nicht immer so aus?“, fragte Max. „Ich war noch nie in der Menschenwelt, aber laut Dizzy ist unsere Welt früher fast genauso gewesen wie die eure. Eure besitzt aber noch immer Farben. Was immer das sein mag…“ „Du weißt nicht was Farben sind?“ „Nein. Was denn?“ Die kleinen Mäuseaugen schielten neugierig zu Max. Doch der hatte das älteste Problem der Menschheit: Erklär einem Blinden wie Rot aussieht. In Allegros Fall: Erklär jemanden, der nur Grau kennt, was Rot ist. Max hätte sagen können: „Da drüben! Dieser Baum hat normalerweise grüne Blätter!“ Allegro wäre damit nicht geholfen. Wie einfacher wäre es auf die Farben zu deuten? „Da! Das Auto war gelb lackiert! Und dort drüben, der Bus, der ist blau.“ Max seufzte deprimiert und wünschte sich Tokyo, mit seinen grellen Schildern, idyllischen Gärten und farbenfrohen Menschen herbei. Er schloss für einen Moment die Augen, rief sich alles in Erinnerung und als er wieder an sich hinab sah, bekam er einen riesigen Schrecken! Abrupt sprang er einen Schritt zurück. Dort wo er zuvor noch gestanden hatte, leuchtete eine kleine kreisförmige Fläche auf. Sie begann sich auszubreiten, griff um sich mit ihren tausenden kleinen Verästelungen und wurde immer größer. „Was hast du gemacht Max?“, fragte Tyson verwundert. „Nichts! Ich schwöre!“ Das Schauspiel nahm weiter seinen Lauf. Die Verästelungen breiteten sich aus, wie ein glänzendes Wurzelwerk, umfing alles in der Umgebung. Als der Boden nicht genug war, schlängelten sich die Zweige an den Gebäuden, Autos, Bäumen, sogar an den Gesichtslosen empor. Die graue Farbe auf ihnen wurde rissig, begann von ihrer Umgebung abzublättern, wie alter Lack, fiel zu Boden und zerfiel zu Staub. Unter der grauen Schicht kam eine Vielzahl von Farben zum Vorschein, bis die ganze Umgebung eine weitere Farbenoase wurde. Irgendwie hatte es Max geschafft, mit der Innenstadt dasselbe anzustellen, wie Tyson mit dem Kanda Fluss. Selbst die Wolken verschwanden über dem Areal. „Allmächtiger! Was geht hier vor?!“, piepste Allegro aufgeregt. Der kleine Kopf schnellte zu allen Seiten. Er schien gar nicht zu wissen wo er als Erstes hinsehen sollte. Die Springmaus hopste von Rays Schulter auf den Boden. Total begeistert drehte er sich in alle Richtungen. Tyson befürchtete schon das er gleich einer totalen Reizüberflutung zum Opfer fallen würde. „Oh oh! Seht mal da! Was ist denn das!“, Allegro deutete mit seiner Pfote auf eine gesichtlose Frau, auf der anderen Straßenseite, die einen strahlend gelben Rock trug. „Oh wie herrlich! Es ist so… grell! Es tut mir fast schon in den Augen weh! Wie wundervoll!“ Ray begann zu lachen und auch Tyson hatte Schwierigkeiten es sich zu verkneifen. Das kleine Kerlchen war total aus dem Häuschen. „Das ist deine erste Bekanntschaft mit der Farbe Gelb“, meinte er schließlich. „Gelb! Ich liebe es! Es ist so schön! Ich muss es anfassen!“ Plötzlich rannte Allegro los, ohne die fahrenden Autos auf der Straße auch nur eines Blickes zu würdigen. Tyson rutschte das Herz in die Hose, als ein riesiger Lastwagen auf die kleine Maus zu fuhr. „Allegro! Halt!“, rief Max hinterher. Die Springmaus blieb auf halber Strecke stehen, sah fragend zu der Gruppe hinüber und als er den LKW erkannte, erstarrte Allegro zur Salzsäule. Er sah das massige Ungetüm auf sich zurasen, unfähig sich auch nur einen Schritt von der Stelle zu bewegen. Der Klang der donnernden Reifen drang durch Mark und Bein. Die Kinnlade weit hinunter geklappt und mit geweiteten Augen, sah er sein Unglück auf sich zukommen. Kurz bevor der schwere Transporter über ihn rollte, wurde Allegro von zwei Händen umschlossen und hörte anschließend ein lautes Dröhnen. Tyson war auf die Straße gerannt, hatte den kleinen Kerl noch rechtzeitig zu fassen bekommen und sich schnell zum anderen Gehweg gerollt. Der LKW donnerte hupend an ihnen vorbei, hielt aber nicht an und fuhr weiter. Aus einem der heruntergekurbelten Seitenfenster konnte man aber deutlich einen Arm erkennen, der ihnen den Mittelfinger zeigte. Tyson blieb schnaufend auf dem Gehweg sitzen. Erst als sich sein Herzschlag normalisierte, öffnete er die Hände um Allegro zu entlassen. „Alles in Ordnung bei dir?“ Die kleine Maus nickte, doch der Ausdruck auf dem kleinen Gesicht sprach Bänder. So mutig er auch war, das Zittern seines Körpers konnte Allegro nicht so schnell in den Griff bekommen. Tyson verzichtete auf eine Standpauke. Allegro schien aus seinem Fehler mehr als gelernt zu haben. Dann… „Junger Mann, bist du noch zu retten?!“ Erschrocken sah Tyson zur Seite – und da stand doch tatsächlich seine ehemalige Vorschullehrerin! Großer Gott, wie er die gehasst hatte! Ihre dümmste Angewohnheit war ihn immer… „AU!“ … am Ohr zu packen. „Freundchen, das wird deinem Großvater gar nicht gefallen! Warte nur bis zum nächsten Elternsprechtag! Das wird ein Nachspiel haben!“ Als die Straße ruhiger wurde, kamen auch Max und Ray herbeigeeilt. Erstaunt klappte ihnen die Kinnlade hinunter, als sie den ersten Menschen mit Gesicht sahen. Sogar in Dolby Digital! „Mrs. Ito! Was machen sie den in der Irrlichterwelt?!“, meinte Tyson zwischen mehreren Schmerzensschreien. „Irrlichterwelt? Junge was redest du für einen Blödsinn?!“ Die verhasste Lehrerin ließ von seinem Ohr ab und plusterte sich auf. Das hagere, unfreundliche Gesicht sah ihn verächtlich an. „Ich habe deinem Großvater schon immer gesagt, dass du in einer Traumwelt lebst. Warte nur Freundchen, ich werde ihm von deiner Aktion gerade eben erzählen. Dummer Taugenichts!“ Dann wandte sich Mrs. Ito ab und verschwand in der Menge. „War das gerade… ein echter Mensch?“, fragte Max verdattert. „Nach den Angewohnheiten zu urteilen schon.“, nuschelte Tyson kleinlaut und rieb sich über das schmerzende Ohr. Es lief bereits rötlich an. „Nein! Das dürft ihr nicht mal denken!“, meinte Allegro aufgebracht. Der Schrecken war überwunden. „Wenn ihr anfangt zu glauben, dass diese Welt eure ist, ist es um euch geschehen! Ihr dürft nicht vergessen, dass dieser Teil der Irrlichterwelt nichts weiter als eine Kopie der Menschenwelt ist, eigens von den Uralten dafür erschaffen, um euch zum Narren zu halten. Wenn ihr euch auf dieses Spiel einlasst, kann euch niemand mehr retten. Dann wird die Täuschung eure Realität und ihr seid auf Ewig hier verloren, ohne zu ahnen, dass ihr euch in einem nie endenden Trott befindet. Die Menschenwelt wird sich weiterdrehen, während eure Welt stillsteht. Lasst das nicht zu! Diese Welt ist nur der Spiegel eurer Erinnerungen…“ „Der Spiegel unserer Erinnerungen? Deswegen ist der Kanda also damals farbig geworden“, sagte Ray nachdenklich, doch dann kam ihm noch etwas anderes in den Sinn. „Allegro! So etwas Dummes darfst du nie wieder tun. Du hättest tot sein können.“ „Tut mir Leid. Diese rollenden Ungetüme sehe ich zum ersten Mal, “ meinte Allegro erschüttert. Tyson sah in die Richtung in der seine frühere Lehrerin verschwunden war. Wenn er ehrlich war, hatte er für einen Moment tatsächlich geglaubt, in der Menschenwelt zu sein. Das beunruhigte ihn. Dieser LKW, seine Lehrerin… Alles schien so real zu sein. Kaum zu glauben, dass die Irrlichterwelt nur eine Kopie sein sollte. Tyson wollte gerade zu einer Frage ansetzten, als Max nach oben deutete. „Leute? Seht mal da!“ Ein riesiger Schatten flog über die Straße hinweg und verdunkelte alles. Einige Gesichtslose blickten ebenfalls hinauf, bis das ganze geschäftige Treiben ein Ende nahm. Wie angewurzelt regte sich niemand. Selbst die Autos hielten mit einer Vollbremsung an. Allegro wurde in Tysons Hand unruhig. „Schnell! Versteckt euch!“, piepste er aufgebracht und als sich keiner von ihnen rührte, noch mal lauter: „LOS!“ Der Schatten kam zurück, verdeckte die Sonne über ihnen und ein Kreischen erfüllte die Umgebung. Einige Gesichtslose ließen geschockt fallen, was sie in den Händen trugen. Dann brach Panik aus. Mütter nahmen ihre Kinder auf den Arm und rannten. Schüler flohen in die umliegenden Läden. Autos rasten davon. Als der Menschenstrom sie drohte auseinander zu treiben, kämpfte sich die Gruppe in eine enge Seitengasse, in der etwas weiter hinten einige große Müllcontainer standen. Schnaufend lehnte sich Tyson an die Wand, während Ray misstrauisch um die Ecke sah, der rennenden Meute hinterher blickend. „Was soll der Aufruhr? Was ist das gewesen?“, fragte er Allegro. Doch bevor ihr Begleiter antworten konnte erkannte die Gruppe das Problem. Mit einem ohrenbetäubenden Schrei fiel ein riesiges brennendes Ungetüm vom Himmel. Erschrocken hielten die Jungen den Atem an, als sie Dranzer erkannten - seit langem wieder in seiner Bit Beast Form. Der brennende Phönix sauste auf die Gesichtslosen unten auf der Straße hinab, die panisch in alle Richtungen stoben. Einer von ihnen rollte sich unter ein parkendes Auto, in der verzweifelten Hoffnung, aus dem Schussfeld zu gelangen. „Das ist nicht gut.“, flüsterte Allegro voller böser Vorahnung. „Was? Sucht es uns?“, fragte Max. „Nein! Es ist wütend. Etwas muss Dranzer furchtbar erzürnt haben.“ Keine Sekunde später mussten sie beobachten, wie der Phönix seine Krallen in das Autodach bohrte und den zappelnden Gesichtlosen darunter, mit seinem Gewicht zerquetschte. „Crap…“, hörte Tyson Max neben sich flüstern. Er selbst fühlte sich wie in einem schlechten Monsterfilm. Einpaar Schulmädchen wollten an Dranzer vorbeirennen, doch das Bit Beast schnappte in die Gruppe hinein und bekam eine von ihnen am Kopf zu fassen. Es hob die fuchtelnde Gestalt zwischen seinem Schnabel in die Höhe, die Beine des Opfers strampelten hilflos in der Luft, dann warf der Phönix seinen Schädel von einer auf die andere Seite, bis der Körper des Schulmädchens sich mit einem schrecklichen Laut vom Hals löste. Tyson wurde schlecht. Er wandte den Kopf zur Seite und sah einfach nicht hin. Niemals hätte er erwartet, dass eines ihrer Bit Beasts zu so einer Grausamkeit fähig war. Sein Atem ging schnell und stoßweise. „Allegro, was passiert hier?“, fragte er entsetzt. „Das? Das ist normal!“, meinte die Springmaus bedauernd. „Das tun sie immer wenn ihnen langweilig ist. Oder wenn sie wütend sind. Neuerdings scheinen sie es aber lieber auf Phantome abgesehen zu haben als auf kleinere Bit Beasts. Ich wüsste zu gerne was Dranzer so erzürnt hat…“ „Das ist normal?!“, fragte Ray aufgebracht und deutete auf das Szenario vor ihnen. „Mit so etwas lebt ihr Tag ein und Tag aus?!“ „Leider ja. Aber mach dir nichts draus. Es sind nur Phantome. Alles Kopien! Lieber eines von diesen Dingern, als ein totes Bit Beast mehr.“ Tyson fand trotzdem das es schrecklich mit anzusehen war. Gerade stach Dranzer auf einen gesichtlosen Polizisten ein. Immer wieder hieb das Bit Beast mit seinem messerscharfen Schnabel in den flackernden Körper seines Opfers. Doch dann kam ihm ein Gedanke. „Moment mal! Wenn Dranzer wieder seine Bit Beast Gestalt hat, wo ist dann Kai?!“ Wie ein Blitz schoss die Erkenntnis durch die Gruppe. „Kai? Was ist das?“, fragte Allegro und sah auf Tysons Handfläche zu ihm hinauf. „Nicht was, sondern wer!“ korrigierte Ray. „Das ist ein Freund von uns. Dranzer hat von seinem Körper Besitz ergriffen.“ Max zwängte sich an Tyson vorbei und sah vorsichtig durch den Spalt um die Ecke. Nicht das der Phönix sie entdeckte und auf dumme Gedanken kam. „Hat Dranzer nicht gesagt, dass er Kai freilassen wird, wenn er es für richtig hält?“, fragte Tyson Ray inzwischen. Der nickte bestätigend. „Es muss wohl soweit sein. Man, ich wüsste zu gerne wo das Mistvieh ihn hingebracht hat!“ „Da musst du nicht weit suchen“, hörte die Gruppe plötzlich Max sagen. „Da drüben ist er! Hey? Hört auf zu schupsen! Wow! Tyson du Trampel, lass das!“ Nun wollte jeder der Jungen um die Ecke spähen. Es wurde geschoben und gestoßen. Eine handfeste Rangelei entstand, wobei Tyson so gnadenlos vorging und Max auf die Schultern kletterte, der sich ächzend nach vorne beugte und dessen Gewicht ertragen musste. Dabei ignorierte er vollkommen dessen Flüche in seiner Muttersprache. Vorsichtig lugte Tyson um die Häuserecke, doch als er den Kopf etwas weiter hinausstreckte, bereitete Dranzer gerade eine Attacke vor. Der Phönix bäumte sich auf und mit einem lauten Schrei spie er wahllos eine gewaltige Flammenfontäne durch die Straße, direkt in ihre Richtung. Erschrocken fuchtelte Tyson mit den Armen, zog den Kopf zurück und keine zwei Sekunden später, schoss die Feuerwalze an der engen Öffnung vorbei. Es kam ihnen wie eine Ewigkeit vor, bis der brodelnde Sturm sich wieder legte. Als ein in Flammen stehendes Phantom an ihrem Versteck vorbei rannte, trat die Gruppe verstört einpaar Schritte zurück, dabei kam Max ins Straucheln und fiel, samt Anhang, in die aufgestellten Mülltonnen hinter ihnen hinein. Ein lautes Poltern schallte durch die Straße und der Deckel einer Tonne rollte durch die Öffnung hinaus und blieb scheppernd liegen. Dann wurde es seltsam still. Ray sah mit offenem Mund zu seinen Freunden, lauschte nach dem Ungetüm, bis Tyson, aus einem Haufen Müllsäcken heraus, vorsichtig flüsterte: „Glaubt ihr es hat uns gehört?“ Die Antwort folgte auf dem Fuße. Lautes Stampfen kam in ihre Richtung. „Scheiße!“, hörten sie Ray sagen. Er kam zu ihnen, mit einem Ruck half er seinen Freunden auf die Beine, während Allegro unter Tysons Mütze schlüpfte. Dann suchte die Gruppe etwas weiter hinten in der Gasse, nach einem geeigneten Versteck. Das Stampfen kam näher, gefolgt von gelegentlichen Flammenfontänen und dem Kreischen des Phönix, bis die Jungs in einen der großen Müllcontainer kletterten. Zu ihrem Glück war er nicht voll und bot genug Platz für jeden von ihnen. Da kauerte sie nun. Warteten auf das Schlimmste. Tyson hoffte inständig, dass die massige Gestalt von Dranzer nicht in die Gasse passte. Er lugte vorsichtig über den Rand, zog aber keine Sekunde später panisch den Kopf wieder zurück. „Was ist?“, zischte Ray. „Es steht da!“, flüsterte Tyson aufgeregt. Das Bit Beast stand direkt vor der Öffnung und spähte neugierig hinein. Es schien furchtbaren Spaß daran zu empfinden, nach seinen Opfern zu suchen. Ein richtiges Katz und Maus Spiel. Tyson hielt den Atem an und wartete ab. Flammen schossen über ihre Köpfe hinweg, scheinbar als Test, um sicherzustellen dass wirklich niemand in der Gasse war. Mit jedem Mal zuckte die Gruppe zusammen. „OH MEIN GOTT!“ Der Schrei einer Frau ließ sie zusammenfahren. Sie hörten die lauten Schritte des Bit Beasts, gelegentliche Flügelschläge, dann dieses schreckliche Kreischen das es von sich gab. Tyson wagte einen Blick über den Rand und erkannte das Phantom seiner ehemaligen Vorschullehrerin, die voller Furcht vor dem Phönix wegrannte. Instinktiv wollte er zur Hilfe eilen, doch Allegro rief: „Nein! Es ist nur eine Kopie. Dieses Wesen existiert nicht. Riskier dein Leben nicht für etwas, dass nicht real ist!“ „Aber wozu erschaffen unsere Bit Beast eine Welt, die unserer ähnelt, wenn sie diese sofort wieder zerstören?!“ „Weil sie es können! Sie handeln wie es ihnen gefällt und Dranzer verspürt im Moment den Drang zu zerstören. Es hat diese Welt mit aufgebaut, also kann es sie auch wieder vernichten! Reine Willkür!“ Tyson biss sich auf die Unterlippe und musste zusehen, wie das Phantom seiner Vorschullehrerin, unter dem heißen Atem des Bit Beasts, bei lebendigem Leib verbrannte. Sie schmolz dahin wie Wachs. Warum musste das ausgerechnet in seinem Blickfeld passieren? Selbst wenn er sie nicht leiden konnte, der echten Mrs. Ito würde er niemals solch ein schreckliches Schicksal wünschen. Nachdem die Reste des Phantoms sich in Asche verwandelt hatten, schien sich Dranzer endlich zu beruhigen. Der Brustkorb des Bit Beasts hob und senkte sich. Die Augen spähten voller Zufriedenheit auf das graue Häufchen, bis der Kopf des Phönix plötzlich zur Seite schnellte. Tyson befürchtete schon, dass Dranzer ein weiteres Opfer entdeckt hatte. Doch als es wieder die Straße zurück schritt, kam ihm eine böse Vorahnung. Als er sicher war unentdeckt zu bleiben, kletterte er aus dem Container, rannte die Gasse zurück, presste sich kurz vor der Öffnung gegen die Wand und spähte vorsichtig rechts um die Häuserecke. Einige Schritte von ihrem Versteck entfernt, machte er Dranzers Rücken aus. Das rote Gefieder wehte an vereinzelten Stellen sanft im Wind. Das Bit Beast beugte sich über etwas, was auf dem Boden lag und sich bewegte, stupste es mit dem Schnabel sanft an. Tyson kniff angestrengt die Augen zusammen. Zwischen einen Haufen viel zu großer Kleidungsstücke, setzte sich eine wacklige Gestalt auf. Ein Junge in ihrem Alter – Kai! Augenblicklich hielt Tyson die Luft an. Die Strähnen fielen ihrem Freund über die Stirn. Dunkle Augenringe zeichneten sich auf dem leichenblassen Gesicht ab. Er schien vollkommen geschwächt, wie gerade erst aus einem jahrelangen Koma erwacht. Dann blickte Kai zu Dranzer hinauf, dass sich weiter zu ihm hinabbeugte. Ray und Max kamen inzwischen auch an die Öffnung geschlichen. Wieder fand zwischen beiden ein kleiner Wettkampf stand, mit dem Ziel um den besseren Platz. Allegro hatte es am einfachsten. Die kleine Springmaus kam unter Tysons Mütze hervorgekrabbelt und spähte neugierig zu dem Schauspiel das sich ihm bot. „Ist das ein Kai? Das blasse Ding dahinten?“ Tyson nickte bestätigend. „Ein Kai sieht sehr krank aus. Ist das immer so?“ „Womöglich liegt es daran, weil Dranzer so lange in seinem Körper gesteckt hat“, vermutete Ray leise. „Wie bei einem Parasit. Der zerstört den Wirt über kurz oder lang auch.“ Tysons Augen weiteten sich sorgenvoll, während Max ihm zuflüsterte: „Hoffentlich macht Kai jetzt nichts Dumm-…“ KLATSCH Kai schlug mit einem wütenden Schrei und ganzer Wucht gegen den Schnabel der sich zu ihm hinabbeugte. Seine Wangen brannten vor Wut und die Augen funkelten voller Anklage sein Bit Beast an. Offenbar hatte er den Zwischenfall beim Hiwatari Anwesen nicht vergessen, trotz seiner geistigen Abwesenheit. „Nimm deine Visage aus meinem Blickfeld, du Verräterin!“, hörten sie seine zorngeschwängerte Stimme durch die Straße schallen. Von der Gruppe kam ein Stöhnen. Tyson vergrub das Gesicht in den Händen und Allegro flüsterte: „Ein Kai ist wohl nicht besonders klug, oder?“ Dranzer schien auch nicht begeistert… Das Bit Beast bäumte sich auf und aus der Kehle kam ein bestürztes Kreischen. Voller Zorn blickte es auf den Jungen hinab. Die Augen wurden zu glühenden Rubinen. Dann öffnete es den Schnabel und ein merkwürdiger Singsang schallte auf ihren Freund hinab. „Ohren zu! Ohren zu!“, forderte Allegro aufgebracht. Alle bis auf Tyson kamen der Aufforderung rechtzeitig nach. Er beobachtete noch wie Kai überrascht dreinschaute, seine Augenlider flackerten und der Junge schließlich schlafend zur Seite kippte, da befiel ihn selbst auch eine unwiderstehliche Trägheit. Der Gedanke es seinem Freund nachzutun, die Augen zu schließen und ein kleines Nickerchen zu machen, war in diesem Moment so verlockend – bis ihn Allegro ins Ohr biss. Er unterdrückte gerade noch einen lauten Aufschrei. „Hoch mit den Händen! An die Ohren! Sofort!“, befahl die Springmaus und auf der Stelle kam Tyson der herrischen Forderung nach. Dann beobachtete die Gruppe schweigend, wie der Phönix mit seinen langen Klauen, vorsichtig nach dem schlafenden Jungen griff. Dranzer spreizte die schimmernden Federn seiner Flügel aus, ein heftiger Schlag folgte und eine Windböe wehte durch die Straße, verlieh dem stolzen Vogel genug Antrieb, um mit einem weiteren Schlag in die Luft emporzusteigen. Ohne dem Massaker das es angerichtet hatte, eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ Dranzer ihre Spielwiese. Schweigend beobachtete Tyson das Szenario. Doch als sich das Bit Beast etwas entfernt hatte, schoss Max aus ihrem Schlupfloch hinaus und Ray gleich hinterher. „Hey, was…“ Zuerst starrte Tyson verdutzt, doch dann knallte er sich die Hand gegen den Kopf als der Groschen fiel. Natürlich! Sie wollten herausfinden wo Dranzer Kai hinbrachte! Keine Sekunde später begann auch er zu rennen. In einem regelrechten Spurt jagte die Gruppe dem Bit Beast hinterher. Es hatte noch nicht genug Höhe erreicht, um über die umliegenden Dächer zu fliegen. So glitt es noch anmutig zwischen den riesigen Wolkenkratzern hindurch. Überall wo es auftauchte, löste es Panik bei den Gesichtslosen aus, die sich sofort in Läden, Gassen oder Autos zurückzogen. Ein Glück für die Gruppe! So stand ihnen niemand im Weg. Trotzdem ließ Ray irgendwann die Einkaufstüte mit Kais Kleidung achtlos fallen, da sie ihm beim Rennen hinderte. Mit jedem Flügelschlag erhob sich das Bit Beast mehr, wurde immer schneller, baute den Abstand zu ihnen immer weiter aus. Für Dranzer mussten alle bereits wie kleine Ameisen wirken. Tyson ignorierte das heftige Seitenstechen das sich bemerkbar machte, genau wie der Rest der Gruppe, doch irgendwann erlangte Dranzer eine zu hohe Geschwindigkeit, mit der sie beim besten Willen nicht mehr Schritt halten konnten. Sie erreichten bald den Tokyo Midtown Tower und sahen gerade noch, wie das lange Federnkleid des Bit Beasts um die Ecke bog und hinter dem Gebäudekomplex verschwand. Verzweifelt legte Tyson noch mal seine letzte verbliebene Kraft in den Spurt. Es war ein sinnloses Unterfangen, sagte ihm sein Verstand. Er konnte nicht aufholen. Doch in einer Endlosschleife spielte der Satz durch seinen Kopf: „Du darfst sie nicht verlieren! Du darfst die beiden nicht wieder verlieren!“ Er erreichte schnaufend die Ecke hinter der Dranzer verschwunden war, nur damit ihm die knallharte Erkenntnis ins Gesicht schlug, dass das gigantische Bit Beast bereits hoch über der Stadt schwebte und Kilometer zurückgelegt hatte. Tysons Beine zitterten, der Schweiß rann ihm den Rücken hinab und sein Herz pochte laut gegen seinen Brustkorb, als er sich erschöpft auf die Knie fallen ließ. Seinen Freunden erging es nicht besser. Max lehnte gegen die kalte Mauer des Gebäudes, während Ray sich an seinen Knien abstützte. Es half nichts. Sie mussten es sich eingestehen. Sie hatten Kai schon wieder verloren. Deprimiert blickte Tyson dem Phönix hinterher. Es flog eine gerade Strecke Richtung Berge. Zu den Wohngebieten der wohlhabenden Bevölkerung von Tokyo. Dort oben wo die kleinen Paläste der High Society standen. Moment! Konnte es möglich sein, dass… „Es fliegt zum Hiwatari Anwesen!“, brachte Tyson zwischen mehreren Atemzügen hervor. Er sah erwartungsvoll zu Ray, dessen erschöpftes aber glückliches Grinsen ihm bestätigte, dass er dasselbe ahnte. * Langsam umkreiste Dranzer das große Gebäude, das stattliche und herrliche Gefängnis das es sich für Kai ausgesucht hatte. Er würde daran verzweifeln. Kai hatte als Kind dieses Haus gehasst. Sein Großvater war ein unangenehmer Mensch gewesen, erlegte ihm täglich dutzende von Verbote auf und das Bit Beast fand, dass es auch einen ironischen Nachgeschmack besäße, ihn hier einzusperren. Immerhin hatte Dranzer hier Gewalt über dessen Körper ergriffen. In einem sanften Landemanöver glitt das Bit Beast hinab, setzte auf dem Boden auf und entließ den schlafenden Jungen aus den Krallen, bettete ihn behutsam auf dem Rasen. Dann reckte es den Kopf in die Höhe, gab dreimal ein lautes Dröhnen aus seiner Kehle, wobei die Augen jedes Mal kurz aufflackerten. Ein Lockruf. Nun hieß es nur noch warten. Dranzer ließ den Blick über die Aussicht der Stadt wandern. Wie herrlich doch das kleine Massaker gewesen war? Nach diesem kurzen Zwischenstopp, fühlte sie sich schon wesentlich besser. Dragoon hatte das Bit Beast nach seiner Drohung so in Rage versetzt, dass sie ihren Zorn sofort freien Lauf lassen musste. Wie konnte dieser arrogante Drache es vagen, dass Feuer Bit Beast zu befehligen! Ohne Dranzer würde es kein Licht, keine Wärme, keine Energie geben. Die Menschen hätten kein Feuer in den Herzen das sie antreiben würde. Luft… Was war daran schon besonders? Luft war doch nicht wichtiger als Feuer. Dieser elendige Drache... Wie sie Dragoon doch hasste! Bestimmt saß er am Grenzübergang und hatte alles mitbekommen. Bei diesem Gedanken hätte Dranzer am liebsten laut losgelacht. Sie sah das wütende Gesicht von Dragoon schon vor sich. Eigentlich wollte der Drachen die anderen Jungen nicht in Angst und Schrecken versetzten. Sie sollten sich so an ihre Umgebung gewöhnen, bis sie Realität nicht mehr von Illusion unterscheiden konnten. Da hatte Dranzer dem selbstgefälligen Dragoon aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich war dem Phönix egal was aus den anderen Knaben wurde. Nur einem von ihnen galt ihr Interesse… Dranzers Blick wanderte zu der schlafenden Gestalt ihres Kindes. Wie er dort in seinem Kinderkörper lag… So hilflos, machtlos, fast schon friedlich. Nicht so hektisch wie in der Menschenwelt. Warum war er bloß nicht immer so? Warum hatte sich der Junge verändert? Warum war er nicht immer Kind geblieben? Wenn Dranzer darüber nachdachte, vielleicht tat Kai sein Gefängnis sogar ganz gut? Unartige Kinder musste man züchtigen und dieser Junge war mehr als ungehorsam gewesen! Ja. Hier könnte Kai wieder zu sich selbst finden. Es war alles eine Frage der Zeit. „Nimm deine hinterhältige Visage aus meinem Blickfeld, du Verräterin!“ Die Worte schossen dem Bit Beast ganz unvermittelt durch den Kopf. „Nein! Daran will ich nicht denken!“ Aufgebracht versuchte sie die Erinnerung zu verscheuchen, schüttelte immer wieder den gefiederten Schädel. Verräterin? Wie konnte er so etwas nur sagen? Wie furchtbar das klang! Kai ahnte nicht wie sehr diese Worte Dranzer in der Seele schmerzten. Sie wollte doch das Beste für ihn und selbst das war gerade noch gut genug. Er war so ungerecht. So undankbar! Enttäuscht senkte das Bit Beast den Kopf, schloss die Lider und dachte an den Tag zurück, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Dieser kalte Wintertag von damals… unvergesslich. Doch Dranzers Erinnerungen wurden jäh vernichtet. Ganz in ihrer Nähe konnte es schaufelnde Laute vernehmen. An einer Stelle im Garten bildete der Rasen langsam eine winzige Wölbung, bis sich etwas Schwarzes aus einem Riss hindurchzwängte. Eine verkohlte Hand schoss aus dem Erdreich empor. Mühsam und unter größter Anstrengung zog sich ein Gerippe an die Oberfläche. Es packte mit den knochigen Händen nach den umliegenden Graßhalmen und strampelte sich langsam aus der Erde heraus. Der angebrannte Kiefer war heruntergeklappt, die leeren Augenhöhlen schienen den schlafenden Jungen vor sich erstaunt anzustieren. An der Oberfläche angekommen, richtete sich das Gerippe wacklig und klackernd auf, während die schwarzen Hautfetzen im Wind wehten. Der Körper des Phönix fing Feuer, die Flammen schossen vor zu den verkohlten Überresten und umschlangen sie, verschmolzen zu einem Wesen, bis das Bit Beast wieder in seiner menschlichen Frauengestalt hervor trat. Das weiße Haar wehte im Wind, während ihre Augen nachdenklich an dem schlummernden Gesicht des Menschenkindes hingen. Dann flüsterte Dranzer voller Überzeugung: „Ich bin keine Verräterin. Ich bin deine Seelenverwandte! Es wird der Tag kommen, an dem du mir noch dankbar sein wirst…“ * „Wir hätten doch den Bus nehmen sollen…“ „Der Nächste kommt erst in einer Viertelstunde.“ „Was ihr da macht sieht aber ziemlich… na ja… lebensmüde aus.“ Max lugte vom Rücksitz aus nach vorne und beobachtete skeptisch wie Tyson auf dem Fahrersitz verzweifelt versuchte an die Pedale zu gelangen. Es ergab sich dabei leider eine Pattsituation. Ließ er sich tiefer hinab gleiten, konnte Tyson nicht mehr über das Armaturenbrett spähen. Stellte er den Sitz höher reichte er nicht mehr an die Pedale. Deshalb hatten sich die Freunde kurzerhand darauf geeinigt, dass Ray für Tyson das Sehen übernehmen sollte. Max bekam allein beim Gedanken an den bevorstehenden Höllentrip Bauchschmerzen. Das konnte nicht gut gehen! Seine Freunde schienen da allerdings zuversichtlicher... „Das klappt schon Max.“, beschwichtigte ihn Ray. „Lass uns mal machen.“ „Ist euch eigentlich schon aufgefallen, dass wir seid unserer Ankunft bereits zwei Autos geklaut haben?“ „Als ob du Gewissensbisse hättest!“, rief Tyson nach hinten. Er hatte sich gerade richtig positioniert, drehte den Zündschlüssel und ließ den Wagen aufheulen. Dann wandte er sich noch mal zu Ray und fragte: „Kann es los gehen?“ „Ich bin bereit.“ „Sag mal“, Tyson starrte zu den Pedalen hinunter. „Wo ist noch mal die Bremse?“ Ray zuckte mit den Schultern und antwortete. „Probier halt mal herum. Irgendwo muss sie ja sein…“ Daraufhin hörten sie wie die Hintertür leise aufging. Als sich beide umdrehten, war Max schon mit einem Fuß im Freien. Mit giftigen Blicken taxierten sie ihren Hintermann, der schließlich mit einem Seufzen zurück in die Polster glitt und die Tür zuknallte. Anschließend gab Tyson Gas und ließ sich von Ray aus der Parklücke dirigieren. Der erste Unfall war allerdings vorprogrammiert, als Tyson den Wagen direkt in den parkenden Vordermann lenkte, dem der Kofferraum aufsprang. „Mehr nach links“, meinte Ray – was allen bereits bewusst war. Zwei weitere Anläufe später war die erste Hürde überwunden. Tyson hatte eigentlich erwartet, dass es schwieriger wäre, ein Auto so zu lenken, doch abgesehen davon, dass er vier Mal in den Gegenverkehr abdriftete und Ray mittlerweile nicht mehr wusste, wofür manche Verkehrschilder standen, kamen sie gut voran. Was er doch merkwürdig fand, war der Geruch nach verbranntem Gummi, der sich nach kurzer Zeit im Wagen ansammelte. Keiner von ihnen wusste, dass Tyson noch die Handbremse angezogen hatte, wunderten sich aber, warum sie so holprig voran kamen. Allegro war vollkommen begeistert von der Autofahrt. Die kleine Springmaus hatte sich auf das Armaturenbrett gesetzt und schlitterte bei jeder Kurve von einer, auf die andere Seite. Nur Max krallte sich voller Angst auf dem Rücksitz fest und flüsterte immer wieder: „Alles wird gut. Alles wird gut. Oh Gott, bitte lass alles gut werden!“ Sie waren bereits zehn Minuten unterwegs, als er aus dem Fenster sah und ein Taxi sie überholte. Etwas pampig meinte er: „Wir hätten auch eins von denen nehmen können! Das wäre sicherer!“ „Noch nie was von perversen Taxifahrern gehört, die kleinen Kindern den Bauch aufschlitzen? Wenn wir Pech haben kommen wir an einen Psychopathen…“ „Hör auf zu lügen, Ray!“ „Das ist mein voller ernst! In Hong Kong ging eine zeitlang so ein Irrer durch die Straßen und hat Kinder in sein Taxi gezerrt!“, antwortete Ray. Er musste ja nicht erwähnen dass es sich dabei nur um einen billigen schwarz-weiß Horrorfilm aus den Sechzigern handelte. Sein Blick wanderte in den Rückspiegel und er konnte sehen wie Max beleidigt eine Schnute zog. Natürlich glaubte er ihm kein Wort. BAMM „Tyson! Halt das Auto gerade!“ „Tu ich doch!“ Ray sah zu seinem Freund und tatsächlich hatte dieser recht. BAMM Wieder wurde die Gruppe im Auto durchgeschüttelt und Max bekundete vom Rücksitz aus, dass er aussteigen wolle und seine Freunde Idioten seien. Als Ray aus dem Fahrerfenster blickte, konnte er auf Tysons Seite ein gelbes Taxi entdecken, dass ihren kleinen Mazda 323 immer wieder seitlich anstieß. Er wollte hinüberrufen, was dem Taxifahrer denn eigentlich einfiele, da wurde Ray aschfahl und seine Kinnlade klappte runter. Dort am Steuer saß der Psychopath aus dem Horrorfilm. Es war unverkennbar er, denn der Irre war in schwarz-weiß! Eine riesige Brandnarbe zierte das Gesicht und er biss auf den Griff seines Jagdmessers, das bereit zu mörderischen Taten war. „Ray! Was hast du getan?!“, rief Allegro. „Das war doch nur ein Scherz! Den Typ gibt es nicht wirklich!“ „Du hast ihn aber ins Leben gerufen! Mit deiner Erinnerung!“ „Was ist los?!“, rief Tyson von unten. „Ich kann nichts sehen? Wer ist dort?!“ BAMM Ihr Auto wurde wieder gerammt und erschrockene Ausrufe schallten durch den Wagen. Bei all der Aufregung vergaß Ray den Weg vorzuschreiben. Beinahe wären sie an ihrer Abzweigung vorbei gerast, hätte Max nicht von hinten gerufen, dass Tyson abbiegen musste. Ihr Freund schlug das Lenkrad ein und in einer scharfen Kurve, bei der sie eine Häusermauer streiften, bogen sie Rechts ab, den Hang hinauf zu dem Villenviertel. Das Taxi raste glücklicherweise an der Abzweigung vorbei. Ray musste sich wieder auf seine Aufgabe konzentrieren, deswegen rief er zu Max: „Ist der Psychopath weg?“ Ihr Freund murmelte eingeschnappte Worte vor sich her. Es klang verdächtig nach „Alles deine Schuld“, drehte sich dann aber doch zur Heckscheibe und spähte hinaus. Ihr Wagen tuckerte schwerfällig den Hang hinauf. Tyson wusste nicht mehr genau wie man eine Steigung hoch fuhr, ohne den Motor aufheulen zu lassen, deshalb geriet der Mazda mehrmals ins Stocken. Max sah die Abzweigung immer weiter in der Ferne verschwinden, vom Taxi aber keine Spur. Er atmete erleichtert aus und wollte schon eine Entwarnung rausgeben, als das Taxi plötzlich um die Ecke schoss und mit hundertachtzig Sachen den Hang hinauffuhr. „Fahr! Tyson gib Gas!“, rief er vom Rücksitz aus. „Mach ich doch!“ „Du musst schalten!“, kam es auch von Ray. Plötzlich sah sich Tyson umgeben von jeden Mengen Schwätzern, die alle meinten ihm Befehle erteilen zu müssen. Dabei konnte sich keiner von ihnen an ihre Führerscheinstunden erinnern! Das Taxi schloss immer weiter zu ihnen auf und schließlich kam es wie es kommen musste, wenn man versuchte es allen Recht zu machen – Tyson würgte das Auto ab und es rollte den Hang zurück. KRACH Die beiden Wagen kollidierten miteinander. Trotzdem gab das Taxi unbeirrt Gas. Max konnte von der Heckscheibe aus erkennen, wie der Psychopath das Jagdmesser in die Hand nahm und sich voller Vorfreude über den lippenlosen Mund leckte. Der Wahnsinn blitzte in seinen Augen und funkelte ihm entgegen. Aufgeregt drehte Max sich zum Fahrersitz und rief Tyson zu, was er zu tun hatte. Dasselbe tat aber auch Ray. Von allen Seiten wurde Tyson belagert und zugetextet. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Bis ihm schließlich der Geduldsfaden riss: „SCHNAUZE!“ Stille. Gereizt atmete Tyson einmal durch, versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie ihm sein Fahrschullehrer das Anfahren in der Steigung erklärt hatte. Hinter ihnen heulte der Motor des Taxis auf, dass sie immer weiter drängte, doch Tyson ließ sich nicht stören. Er startete den Motor erneut und kurz bevor sie den Hang hinter sich ließen, bemerkte er die angezogene Handbremse, löste sie und als die Straße wieder eben wurde, haute er den Gang rein und gab Gas. Der Mazda machte einen Sprung nach vorne und raste den Weg entlang. Gleich hinter ihnen ihr Verfolger. Ray gab in ruhigem Ton an wie Tyson fahren musste. Er schien begriffen zu haben, dass es keinen Sinn hatte ihn in Hektik zu versetzen. Plötzlich kam Tyson ein Gedanke. „Ray, wenn du da vorne ein Umleitungsschild siehst, warte bis zum Schluss bevor du mir sagst dass ich abbiegen soll!“ Ein Nicken folgte. Ihr Verfolger rammte sie mehrmals ins Autoheck, doch die Gruppe wartete nur angespannt auf das Kommende, ließ sich nicht von dem Laut des aufeinander prallenden Metalls irritieren. Alle setzten ihre Hoffnung in Tysons noch spärlich vorhandene Fahrkünste. Als Ray das Umleitungsschild erblickte, setzte er sich kerzengerade auf und ließ Tyson näher darauf zurasen. Ungeduldig wartete er, betete ihr Vorhaben möge gelingen und als es endlich soweit war, rief er: „Nach Links!“ Tyson machte eine scharfe Linkskurve und ihr Wagen donnerte in die Straße, die das Schild vorwies. Doch er hatte Schwierigkeiten das Auto wieder gerade zu bekommen. Der Mazda fuhr im Zick Zack die Straße entlang, aber unter größter Mühe gelang es ihm den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann… KRACH „Yeah!“, hörten sie Max vom Rücksitz aus jubilieren. Ihr Freund beobachtete wie das Taxi das Umleitungsschild erfasste. Es flog über das Dach hinweg und einpaar Sekunden später stürzte das Fahrzeug, samt verrücktem Insassen in die Baugrube. Eine graue Rauchsäule bildete sich daraus und tänzelte in den Himmel empor. „Ist er weg?“, meinte Ray. Er hatte seine Neugierde nicht unterdrücken können und sich nur für einen winzigen Augenblick zum Heckfenster umgedreht, schon riss es sämtliche Insassen aus den Sitzen. Der Wagen rollte über den Bordstein, geradewegs durch ein Gestrüpp. Dahinter ging es bergab und schreiend bretterten sie den Hang hinab, bis ihr Gefährt mit voller Wucht gegen einen Baum knallte. Erschrockene Ausrufe erfüllten den Innenraum. Max knallte mit dem Rücken gegen den Vordersitz, Ray hatte sich noch rechtzeitig festhalten können und Allegro war zuvor in weiser Voraussicht unter seinem Hemdkragen verschwunden. Doch durch eine glückliche Fügung wurde keiner von ihnen verletzt. Stöhnend rieb sich Tyson den Kopf, der eine schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Lenkrad gemacht hatte. Dann erhob er sich von seinem Sitz und spähte über das Armaturenbrett zur Motorhaube. Der Mazda war Schrott. Das Metall der Haube schien den Baum vor ihnen geradezu stürmisch zu umarmen. Seufzend lehnte Tyson den Kopf gegen das Lenkrad und sagte: „Was gebe ich nicht alles darum endlich zuhause in meinem Bett zu liegen…“ Wie als Zustimmung kam ein letzter hustender Laut vom Mazda und die Haube sprang auf. Ende Hmm. Diese FF sollte ja bis Halloween fertig sein. Ursprünglich war sie als mein Beitrag zu dieser Jahreszeit geplant, deshalb diese untypische Darstellung der Bit Beast. Jetzt häng ich immer noch fest und das Kapitel hier hat mich nicht wirklich überzeugt. Fällt auch entsprechend kürzer aus =__= Naja, damit ich wenigstens etwas zu Halloween beigesteuert habe. Ein kleiner Teil der FF. Viel Vergnügen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)