Die Geister die wir riefen... von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 11: ------------ „Kai?“ Von weit her hörte der Junge wie sein Name sanft geflüstert wurde. Alles um ihn herum schien Schwarz zu sein, während er lautlos durch diese Finsternis glitt. Seine Glieder fühlten sich matt und kraftlos an. Sein ganzer Körper, samt seinem Bewusstsein war in einen tiefen Schlaf gefallen. Doch diese seltsame Stimme drängte ihn aus seinem Schlummer zu erwachen, seinen Geist wieder an die Oberfläche zu lassen. „Wach auf, es ist Zeit…“ Die Dunkelheit um ihn herum lichtete sich. Seine Lider flackerten und stöhnend fand Kai wieder von der Bewusstlosigkeit in die Realität zurück. Seine Hand fuhr zur warmen Stirn, aus der er sich eine schweißnasse Strähne wischte. „Es ist Zeit…“, wiederholte die Stimme erneut. „Wofür?“, flüsterte er benommen. Seine Augen öffneten sich nur unter größter Anstrengung. Er wollte sehen wer mit ihm sprach. Zunächst waren die Konturen vor ihm unscharf und er erkannte eine verschwommene Silhouette, die sich zu ihm hinabbeugte. „Für ihre Medizin Master Kai.“ Die Stimme hatte sich verändert, war plötzlich vornehmer und distanzierter. Einen Augenaufschlag später erkannte er die Gestalt seines Butlers vor sich. Verdutzt blinzelte Kai ihm entgegen. Hatte zuvor nicht eine Frau gesprochen? „Lew?“, fragte er verstört. Auf seinem Kopf lastete ein schmerzhafter Druck, während der Körper träge im Bett lag, tief in seiner Matratze versunken. Wie war er hier her gekommen? Kai stemmte sich vorsichtig aus den weichen Kissen auf, erschrak über die Anstrengung die ihn dieses einfache Unterfangen kostete und sah sich um. Er war in seinem Zimmer. Alles unverändert. Das Haus stand noch, genau wie vor dem Brand. War nicht alles verwüstet worden? Vor seinem geistigen Auge sah er die hinab gestürzten Deckenbalken, die langsam in den Flammen verkokelten, während der beißende Qualm den Raum füllte. „Master Kai, möchten sie ihre Medizin mit etwas Tee oder Saft zu sich nehmen?“ „Medizin?“, fragend wurde der Butler angesehen, dem sofort ein nachsichtiges Lächeln über die Lippen huschte. Dabei traten seine feinen Fältchen hervor, besonders die Krähenfüße an den Augenrändern. Die hatte Lew bereits als Kai noch ein Kleinkind war und ihm nur bis zu den Knien reichte. Der alte Mann dachte nicht im Traum daran in Ruhestand zu treten, trotz der großzügigen Pension die auf ihn wartete. Er fühlte sich mit Leib und Seele der Familie Hiwatari verpflichtet. Als Kais Großvater zwanzig war und noch in Russland lebte, trat der gerade volljährig gewordene Lew in seine Dienste. Er entpuppte sich schnell als Glücksfang, denn er war seriös, diskret, loyal und trotz der ärmlichen Verhältnisse seiner Familie, äußerst kultiviert und vornehm. Lew hatte miterlebt wie die Hiwataris ins Ausland zogen, wie Voltaire seine Firma aufbaute, wie dessen Sohn geboren wurde, zu einem Mann heranwuchs und eine Japanerin zur Frau nahm. Selbst als Kai auf die Welt kam, war er bei der Geburt anwesend und nachdem dessen Eltern den Jungen, in den darauf folgenden Jahren, alleine ließen, war er penibel genau darauf ausgerichtet, Kai jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Natürlich hatte Voltaire diesen ausdrücklichen Befehl erteilt. Er mochte zwar manchmal ruppig und starrsinnig gewesen sein, seinem Enkel ließ er es aber an nichts fehlen – jedenfalls in materieller Hinsicht. Trotzdem ahnte Kai dass der treue Butler auch ohne Aufforderung so gehandelt hätte. Es war überdeutlich dass er den jüngsten Spross des Hauses am meisten mochte. Er investierte sehr viel Zeit in seine Ausbildung, brachte ihm alle Etiketten bei und wenn der alte Voltaire auf Geschäftsreise war, übernahm er die Einführung in die russische Sprache, was sonst Kais Großvater immer tat. Sowohl Voltaire als auch Lew war es immer wichtig gewesen, dass Kai seine Wurzeln nicht vergaß – ganz die stolzen Russen. Allerdings ließ sich Lew eher zu etwas erweichen als der mürrische Großvater. So hatte es Kai ihm zu verdanken, dass er als Jugendlicher öfters Mal aus dem Anwesen schleichen konnte, ohne das seinem alten Herrn der Blutdruck in die Höhe schoss. Zwar hockte Lew dann immer stundenlang in der Küche auf einem kleinen Hocker und taxierte ungeduldig den Hinterausgang, doch er vertrat die Meinung, dass Kai seinen Freiraum brauchte und nicht ständig im Haus eingesperrt werden sollte, worauf Voltaire felsenfest bestand. „Verzeihung Master Kai. Ich vergaß in welchem Zustand sie die letzten Tage waren?“ „Was meinst du Lew?“ Der Hausverwalter senkte wissend die Lider und berichtete: „Sie waren eine ganze Weile krank. Der ganze Haushalt steht Kopf, weil es so schlecht um sie stand.“ „Ich war noch nie krank.“ „Richtig. Deswegen auch unsere Besorgnis.“ Nachdenklich senkte Kai den Blick, während Lew sich umdrehte und eine Haushaltshilfe herbei winkte, die im Türrahmen stand und nun eiligst ans Bett schritt. Sie stellte ein Tablett auf die Nachtkommode und füllte mit einem Teekessel etwas heißes Wasser in einen Becher, mit einem Teebeutel darin. Kai bemerkte nicht, dass sie penibel genau darauf achtete, ihm stets den Rücken zuzuwenden… „Danke. Sie dürfen gehen.“, sagte Lew mit einem Wink. Mit einem stummen Nicken verschwand die Frau wieder aus der Tür. Kai saß in seinem Bett und hing seinen Gedanken nach, schenkte ihrem Abgang keine Beachtung. Er hatte das Gefühl als ob etwas nicht stimmte. Sein Blick wanderte durch sein Zimmer. Die schweren Vorhänge waren zugezogen, ließen kein Licht in den dunklen Raum, der nur von einer Lampe erleuchtet wurde. Er hatte keine Ahnung welche Tageszeit es war. Als Lew neben ihm einpaar Tabletten in den Tee mischte, beobachtete Kai ihn misstrauisch. Er hatte das Gesicht des Butlers älter in Erinnerung. Außerdem waren die Möbel im Raum nicht an ihrem ursprünglichen Platz und das Foto seiner Schwester, auf der Kommode, fehlte. „Wo ist Jana?“, fragte er prompt. Lew hielt in seiner Bewegung inne. Er war gerade dabei gewesen, mit einem Löffel, die sich im Tee auflösende Tablette, zu verrühren. Ein verständnisloser Ausdruck traf Kai. „Jana?“ „Meine Schwester. Wo ist sie?“ Völlig bestürzt blinzelte der Butler. Etwas schien ihn aus allen Wolken fallen zu lassen, doch er fasste sich beeindruckend schnell und meinte: „Master Kai, legen sie sich doch noch etwas hin. Etwas Schlaf wird ihnen gut tun.“ „Nein. Ich will zu Jana.“ Kai schlug die Decke zurück und stutzte kurz darauf. Er trug einen dunkelblauen Schlafanzug – in Kindergröße! Lew bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick. Er nutzte Kais kleine Starre und legte seine Hand auf dessen Stirn. „Fieber, zweifellos. Sie sprechen im Fieberwahn. Legen sie sich bitte zurück.“ „Ich fühle mich gut.“, log Kai. Eigentlich fühlte er sich wirklich schlecht. Er hatte kaum Kraft um sich aufrecht zu halten und seine Arme zitterten. Außerdem fror er wie verrückt und auf seinem Kopf lastete ein heftiger Druck. Er fühlte sich ausgelaugt, als wäre ihm sämtliche Wärme und Energie aus dem Körper entzogen worden. Kais Einwände wurden ignoriert und er mit sanfter Gewalt wieder in die Kissen gedrückt, dabei ertappte er sich, wie sein Kopf bereits bei der bloßen Berührung der Laken wieder in die Traumwelt abschalten wollte. Eine solche Müdigkeit hatte er noch nie verspürt… Als Kai merkte das er bei Lew auf Granit biss, verlangte er: „Dann bring Jana zu mir!“ Vom Hausverwalter kam nur ein freudloses Lachen. „Wenn ich wüsste wen sie meinen würde ich das sicher.“ „Sie wissen genau wer Jana ist!“ „Gewiss doch. Ihre Schwester…“ Es klang eine Spur zu sarkastisch und das machte Kai wütend. Seine Brauen zogen sich tief ins Gesicht, dann schlug er trotzig die Decke von sich und sprang aus dem Bett. „Master Kai! Sie brauchen Ru-…“ Doch noch ehe Lew den Satz beenden konnte, war Kai zur Tür hinaus und in den Flur gestürmt. Er sah sich im Gang um und beobachtete zwei Hausmädchen, die ihm den Rücken zugewandt, miteinander tuschelten. Ohne lange umschweife schritt er auf sie zu und rief: „Hey ihr! Wo ist meine Schwe-…“ Geschockt blieb er stehen. Die beiden Angestellten hatten sich zu ihm umgedreht und keine von ihnen besaß ein Gesicht. Zur Salzsäule erstarrt beobachtete Kai die beiden Köpfe der Mädchen. Eine von ihnen legte ihn schief, als ob sie ihn fragte, warum er so entsetzt schaute. „LEW!“, rief Kai aufgebracht und nahm eine feindselige Stellung ein, doch der Butler legte bereits eine Hand auf seine Schulter. Er drehte ihn zu sich und sagte tadelnd: „Bitte machen sie es mir doch nicht so schwer.“ „Siehst du das auch?!“ Kai deutete auf die Hausmädchen, die sich erschrocken aneinander drängten. „Was soll ich sehen?“ „Sie haben keine Gesichter!“ „Das ist doch Unsinn. Fräulein Ida und Hata sind doch keine Monster.“ Wütend schnaubte Kai. Er kam sich vor als würde man ihn zum Narren halten. Er wusste doch selbst was er sah! Die Hausmädchen von denen Lew sprach, kannte er nur zu gut und die besaßen definitiv Gesichter. Ida hatte sogar einen Schönheitsfleck direkt am Mundwinkel. Mit einem Kontra auf der Zunge, riss er sich vom Butler los und drehte sich noch einmal zu den beiden Angestellten. Doch sofort erstarben seine Widerworte… Da standen beide: Fräulein Ida und Hata – mit Gesichtern. Nase, Augen, Mund und Schönheitsfleck. Alles da. „Aber…“, begann Kai, doch dann verstummte er. Die beiden Mädchen sahen ihn perplex an, als zweifelten sie an seinem geistigen Zustand. Lew gab ihnen mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie verschwinden sollten. Er wollte nicht dass über seinen Schützling getratscht wurde. Dann beugte sich der alte Mann zu Kai hinab und zum ersten Mal fiel ihm auf, wie groß der Butler plötzlich war. Das stimmte doch nicht. Er war größer als Lew! Doch jetzt reichte er ihm gerade mal bis zur Brust. „Ihr Kopf gaukelt ihnen Hirngespinste vor.“, meinte der Butler eindringlich. Und tatsächlich… Kai kam sich vor als würde er verrückt spielen - und das machte ihm Angst. Dieses Gefühl kannte er gar nicht. Auf seinen Verstand hatte er sich immer verlassen können. Viele sagten ihm sogar nach, dass er ein richtiges Elefantengedächtnis besaß. Doch in seinem Kopf spukten zahlreiche Erinnerungen herum, die er nicht in seine Umgebung einordnen konnte. Warum spielte ihm sein Geist solche Streiche? Als Kai in Lews Gesicht sah, traf ihn ein bekümmerter Blick und der in die Jahre gekommene Hausverwalter, schüttelte den Kopf. Seine Hand wanderte hinauf zum Haarschopf des Jungen, blieb darauf ruhen und wie immer wenn er Kai ins Gewissen redete, verzichtete er auf die Formalitäten. „Bitte. Geh zurück ins Bett. Tu es für deinen alten Lew. Meine Knochen sind rostig und ich kann dir beim besten Willen nicht mehr hinterher rennen wie früher, mein Junge.“ „Aber… meine Schwester.“ Der alte Mann murmelte etwas auf Russisch, dass verdächtig nach, „Gott, steh dem Kind bei“, klang. Er schien sich ernsthafte Sorgen um ihn zu machen. „Du redest im Fieberwahn…“ „Ich will nur einen Moment zu ihr. Danach gehe ich ins Bett. Ich versprech-…“ „Mein Junge, komm zu dir!“ Lew umgriff Kais Schultern und rüttelte ihn, als würde er verzweifelt versuchen ihn aus einem Tagtraum zu reißen. Die gebrechliche Stimme überschlug sich vor Panik. „Du hast keine Schwester!“ „Natürlich! Warum lügst du mich an?“ „Du hast keine Schwester und hast auch nie eine gehabt! So wahr ich hier stehe, ich schwöre es! Gott ist mein Zeuge! Glaub deinem alten Lew doch.“ Er hätte genauso gut mit einem Schlagring ausholen können. Nichts hätte so geschmerzt wie diese Sätze. Kai schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben was er hörte. Lew war senil. Er war alt und senil. Das war die einzige Lösung. Wie betäubt torkelte Kai einpaar Schritte zurück. Dann kam ihm ein Einfall… Er wandte sich um und spähte zum Ende des Ganges. Die Tür gegenüber von seinem Zimmer war Janas. Bestimmt war sie darin und malte an ihrem kleinen Tisch, formte Knetmasse zu Häusern oder blätterte singend durch ihr Peter Pan Buch, während sie mit ihren kleinen Fingern die Konturen der Bilder nachfuhr. Er schritt langsam auf sie zu, der Weg schien länger als jede Strecke die er jemals zurückgelegt hatte, doch schließlich umfasste er den Türknauf und… stoppte. „Was wenn er recht hat?“ Diese kleine Frage schoss ihm so unvermittelt durch den Kopf, dass er über sich selbst staunte. Zuvor war er noch so sicher gewesen. Er hätte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Jana existierte. Jetzt geriet sein gesamter Glauben von einer Sekunde auf die andere ins Straucheln. Kai blickte noch einmal zu Lew zurück. Der alte Mann sah ihm nur still zu. Ein trauriger Zug lag um seinen Mund. Er schien zu ahnen dass Kais Welt gleich aus allen Fugen brechen würde. Die treuen Augen schlossen sich, als würde er dem Jungen stumm sein Einverständnis geben. Er wusste dass dies die einzige Möglichkeit war, Kai wieder zur Vernunft zu bringen. „Der Raum ist leer…“, beteuerte eine Stimme in seinem Hinterkopf, die eigentlich gar nicht die seine war. „Sieh gar nicht erst hinein, es wird dich nur fertig machen. Du wirkst jetzt schon völlig wahnsinnig!“ Diese Zweifel. Das kannte er gar nicht von sich. Noch einmal atmete Kai durch. Dann drehte er den Knauf und mit einem Ruck öffnete er die Tür… Nichts. Nur eine Rumpelkammer. Ein steinerner Ausdruck trat auf Kais Gesicht. Nichts weiter, als eine dreckige Rumpelkammer! Ein altes Bett auf dem verstaubte Laken ausgebreitet lagen, dicke Vorhänge vor den Fenstern die das Licht aussperrten, ein alter Schrank mit altmodischen Vasen auf der Ablagefläche. Rechts in einer Ecke stand ein ausgefranster Sessel, daneben eine abgenutzte Kommode, mit einem Buch darauf. In den Winkeln sammelten sich Spinnweben. Kai trat in den stickigen Raum und seine nackten Füße hinterließen Abdrücke auf dem staubigen Boden. Betroffen blieb er in der Mitte des Zimmers stehen, während das Licht aus dem Flur in den Raum fiel und ihn leicht beschien. „Das kann doch nicht sein.“, flüsterte er mehr zu sich selbst. Seine Stimme war das Einzige was den Raum erfüllte. Selbst für ihn klang sie seltsam fremd und verstört. Kai griff sich an die Stirn, wollte fühlen wie warm sie war. War er wirklich krank? Ein Schatten erschien auf dem Boden. Lew stand am Türrahmen und blickte zu dem Jungen. „Kai.“, hörte er seine Stimme. „Komm her mein Junge. Hier gibt es nichts was dich hält. Dieser Raum schlägt dir nur aufs Gemüt.“ Das tat er wirklich. Mit jeder Sekunde die verging, fühlte sich Kai elender. „Wie lange war ich krank?“ „Sehr lange. Du hast seltsame Dinge phantasiert. Wir hatten Angst um deinen geistigen Zustand. Es schien fast, als würdest du in einer anderen Welt leben. Heute ist das erste Mal, dass ich dich seit langem wieder bei klarem Verstand vorfinde. Dein Großvater war schlechter gelaunt als sonst.“ „Djeduschka lebt?“ Kai wandte sich zu Lew. Der Unglaube der aus seinen Augen trat sprach Bänder. „Ach, mein Junge. Das war eine deiner Verrücktheiten. Du dachtest deine Mutter wäre wieder hier und das Haus würde in Flammen stehen. Ich dachte es würde niemals besser werden. Kein Tag ist vergangen, an dem ich nicht für dich gebetet habe! Der Herr hat meine Gebete erhört. Endlich…“ Dankbar bekreuzigte sich Lew. Wie immer wenn er erleichtert war. „Dann war das alles ein Traum?“ Ein Nicken kam vom alten Mann und Kai senkte die Lider. Eigentlich ergab das alles Sinn. Er hatte geträumt dass sein Bit Beast ihn angegriffen hatte. Dranzer würde ihm aber niemals etwas antun. Es war das einzige Wesen von dem er sich voll und ganz verstanden fühlte. Sie waren wie Seelenverwandte… „Hier steht ein Bett. Wessen Zimmer war das zuvor?“ „Das deiner Mutter. Das weißt du doch mein Junge.“, Lew hustete und Kai konnte die Staubkörner beobachten, wie sie im Schein des Lichts um seine Füße tänzelten. Der alte Mann zog ein Tuch aus der Innentasche seines Sakkos und hielt es sich an den Mund. „Ich gebe zu, wir haben den Raum in den letzten Jahren vernachlässigt, aber für gewöhnlich ist er abgeschlossen. Anordnung deines Großvaters. Du weißt wie ungern er über deine Mutter spricht. Bitte komm jetzt raus. Ich befürchte die schlechte Luft trägt nicht zu deiner Genesung bei. “ Mit einem leichten Nicken tat Kai was ihm gesagt wurde. Er drehte sich langsam um und sein Blick blieb an einem alten Standspiegel hängen. Das Tuch darüber war etwas seitlich über die Fassung gerutscht und ließ einwenig von der gläsernen Oberfläche darunter hervorspähen. Kai blickte sein dreizehnjähriges Spiegelbild lange an. Für einen kurzen Moment, hatte er einen dreiundzwanzigjährigen Mann darin erwartet. Doch das Bild in seinem Kopf verschwand, wie ein Wort auf einer Tafel, dass mit der bloßen Hand fortgewischt wurde. Da stand nur noch dieser blasse Junge im Spiegel und der sah wirklich krank aus. Unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ränder ab und seine Haut war unnatürlich hell, als wäre er gerade von den Toten auferstanden. Der Farbkontrast war so deutlich, wie ein weißes Blatt Papier, auf dem man mit Kohle zwei dicke Striche zog. „Lew?“, flüsterte er plötzlich. „Ja mein Junge?“ „Mein Tee ist jetzt bestimmt kalt. Kannst du mir einen Neuen machen?“ Er wandte sich vom Spiegel ab und schritt hinaus auf den Flur, direkt zum alten Mann, der auf der Stelle damit begann ihm den Staub abzuklopfen. „Natürlich Master Kai.“, war die Antwort. Lew wurde wieder formell, ganz der Butler. „Und neue Kleidung brauchen sie. Und waschen… Ja. Das ist jetzt besonders wichtig. Nicht das euer Großvater mich für meine Nachsicht tadelt. Wenn er erfährt das ich sie im Regen hinausgelassen habe und sie deshalb so krank waren…“ Kai konnte sich an diesen Vorfall zwar nicht erinnern, da das aber ganz und gar seiner Art entsprach, antwortete er: „Ich erzähle ihm einfach dass ich mich hinausgeschlichen habe.“ „Das will ich auch hoffen, denn so war es auch!“ Der Junge schenkte dem besorgten Butler ein Lächeln. Dann sagte er: „Tust du mir noch einen Gefallen, Lew?“ „Jeden.“ „Schließ die Tür wieder ab. Ich weiß nicht warum, aber dieser Raum deprimiert mich.“ „Das hat die Wahrheit leider an sich, Master Kai. Womöglich haben sie sich deshalb in diese seltsame Welt geflüchtet.“ „Wie meinst du das?“ Lew zog dem Jungen das schmutzige Hemd über den Kopf und antwortete: „Eine Vermutung ihres Großvaters. Er glaubt dass er ihnen, mit ihren jungen Jahren, zu viel zugemutet hat. Womöglich hat er Recht. Immerhin… Ihre Familienverhältnisse sind doch sehr schwierig. Das ist nicht gut für einen Jungen. Gar nicht gut… Nein. Er hat aber bereits einige Änderungen angekündigt. Deshalb rasch ins Badezimmer und unter die Dusche. Sie werden erwartet.“ „Was für Änderungen?“ „Ihnen wird in Zukunft eine Betreuerin zur Seite stehen.“ „Ein Kindermädchen? Ich bin doch keine fünf mehr!“ „Nein, kein Kindermädchen…“ „Was dann?“ Lew ließ lange mit seiner Antwort warten. Er schien nach der richtigen Wortwahl zu suchen. „Sagen wir, es handelt sich bei der Dame mehr um einen seelischen Beistand.“ Kai schluckte, als er begriff. Eine Therapeutin. * Vor Anstrengung schnaufend lief die Gruppe den Hang hinauf, während Allegro munter voraushüpfte. Die kleine Springmaus tauchte immer wieder zwischen den hohen Grashalmen auf und verschwand. Hinter ihm folgte, nicht einmal halb so fitt, der Trott aus angeschlagenen Jugendlichen, die den steilen Hang hinaufkletterten. Es war noch ein ganzes Stück bis zum Hiwatari Anwesen, dank dem Unfall sogar noch eine Kletterpartie dabei. Begleitet wurde ihr Vorhaben von Tysons ständigem Gemecker. „Warum muss Kai auf diesem scheiß Berg wohnen?! Kann er nicht wie jeder normale Mensch eine kleine Eigentumswohnung in der Stadt besitzen? Aber nein… Nicht Mr. Hiwatari! Mr. Hiwatari wohnt am Arsch der Welt! Immerhin ist er ja so wichtig!“ „Tyson, weniger reden, mehr klettern!“, meinte Max genervt. „Hätte Dranzer nicht einen von euch entführen können? Ihr habt euer Hotel unten in der Stadt…“ „Hat er das gerade wirklich gesagt, Ray?! Wenn ja, prügle ich ihn windelweich!“ „Oh man, Leute! Reißt euch zusammen, “ fauchte Ray. „Wir haben wirklich andere Probleme. Hat sich einer von euch überhaupt mal Gedanken gemacht, wie wir Kai befreien wollen?“ „Ins Haus rein und mit ihm wieder raus.“, scherzte Tyson. „Na klar. Klingt logisch. Immerhin müssen wir nur an einem mordlustigen Phönix vorbei. Das wird ein Kinderspiel…“ „Ich will gar nicht daran denken“, stöhnte Max. Die Stimmung schlug merkbar um. Das war nicht gut. Gar nicht gut! „Leute, wir kriegen das schon hin.“, beteuerte Tyson. Er überholte seinen Freunde und stellte sich ihnen in den Weg, zwang sie damit anzuhalten. Zuversichtlich stemmte er die Arme in die Hüften und hob den Kopf an. Kneifen galt jetzt nicht und Unsicherheit war ein schlechter Kamerad, für ein Vorhaben wie ihres. „Max, hättest du jemals zu träumen gewagt eine riesige Anakonda zu besiegen?“ „Natürlich nicht.“ „Und was ist mit dir Ray? Hast du vergessen was für einen herrlichen Tritt du dieser verlausten Hyänenmutter verpasst hast? Die wusste gar nicht wie ihr geschah, schon ist das stinkende Biest im Wasser ersoffen.“ „Ja schon“, meinte Ray und ein verlegenes Lächeln huschte um seinen Mund. „Aber wir müssen realistisch bleiben. Dranzer wird bestimmt kein Zuckerschlecken. Außerdem hatten wir meistens das Glück auf unserer Seite…“ „Das habe ich auch nie behauptet“, entgegnete Tyson unbeeindruckt. „Dranzer wird hart. Megahart. Wir werden jede Menge Schwierigkeiten haben! Aber wir haben es bis hierher geschafft! Das hätten wir zuvor doch gar nicht zu träumen gewagt! Wir werden einen Weg finden, Kai da raus zu holen und wir werden es auch wieder nachhause schaffen!“ „Das ist eine gesunde Einstellung“, lobte Allegro und hüpfte mit einem großen Satz auf seine Schulter. „So spricht nur ein wahrer Kämpfer! Lasst euch nicht entmutigen, denn wie sprach George Patton so schön: Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zunehmen.“ Max und Ray warfen sich unsichere Blicke zu. Doch dann lächelten sie sich gegenseitig an und nickten. Hier würden sie nicht scheitern! Dazu stand zuviel auf dem Spiel. Tyson klatschte sich freudig in die Hände, als er die Entschlossenheit in den Gesichtern seiner Freunde aufkeimen sah. „So will ich euch sehen. Zieht nie wieder in meiner Anwesenheit solche Trauermienen! Wir schaukeln das Kind schon.“ Er drehte sich um und bildete mit Allegro auf seiner Schulter die Vorhut, während Max und Ray ihnen hinterher marschierten. Die Truppe ließ die letzten Meter des Hangs hinter sich und erreichte wieder die Straße. Als Tyson meinte, dass seine Freunde ihn nicht hörten, flüsterte er zur Springmaus: „Danke Kumpel. Dich schickt der Himmel.“ „Es war mir eine Ehre. Immerhin sprach aus deinen Worten so viel Mut.“ Doch Tyson schüttelte leicht den Kopf und antwortete: „Nein. Du verstehst nicht… Ich habe auch Angst! Ich scherze zwar und nörgle herum, aber in Wirklichkeit würde ich am liebsten schreiend im Kreis laufen. Wenn Max und Ray nicht hier wären… Ich mag gar nicht daran denken.“ Er grübelte kurz, dann wurde seine Miene ernst. „Gott bin ich ein Heuchler. Ich verlange von meinen Freunden so viel ab, was ich mir aber selbst kaum zutraue. Allein deshalb sollte ich alleine hineingehen. Was denke ich mir dabei, sie in solche Gefahr zu bringen.“ „Sind sie deine Freunde?“ „Natürlich!“ „Und du würdest für deine Freunde alles tun, nicht wahr?“ Tyson nickte. „Und jetzt mal anders herum: Denkst du sie würden nicht genau so für dich handeln?“ Tyson blieb stumm, dachte nach, aber dann huschte ein Lächeln über seinen Mund. „Na siehst du. Ihr habt alles zusammen gemeistert. Dieses Mal wird keine Ausnahme sein. Und was deine Angst angeht… Es ist keine Schande Angst zu haben. Denkst du ein Kriegsherr, der seiner Armee vorneweg, in die Schlacht reitet, hat keine Angst vor dem Tod? Die Kunst mit der Angst umzugehen, besteht darin, sie zu überwinden. Das macht den wahren Mut aus.“ Das Hiwatari Anwesen ragte in der Ferne auf. Der Himmel darüber war grau. Sämtliche Fensterläden waren hinuntergelassen und ließen das Gebäude wie einen schlafenden Riesen wirken. Alle Weiden auf dem Grundstück waren tot und kahl. Die krüppligen Äste hingen bekümmert von den Bäumen herab, als sehnten sie ihr Ende herbei. Es war gespenstisch… Allegro schien die Anspannung zu spüren, welche die Villa auf Tyson ausübte, denn er sprach: „Du wirst dort hineingehen. Ich weiß dass du den Mut dazu hast.“ Tyson blickte lange das unheimliche Anwesen an, wie der Nebel darüber hinweg zog und vertrocknete schwarze Blätter von einer kleinen Windböe erfasst wurden. Das schwarze Einfahrtstor stand offen. Eine der Türen klappte immer wieder auf und zu. Es schepperte jedes Mal, wenn das Metall aufeinander prallte. Er dachte daran, wie Kai sich jetzt in diesem Gebäude fühlen musste. Alles war so trist und hoffnungslos. Tyson selbst wäre auf Dauer wahnsinnig darin geworden. Vielleicht wollte es Dranzer auch darauf hinauslaufen lassen? Kai würde dort drinnen verrückt werden und Dranzer sein einziger Anker sein. Bei diesem Gedanken zogen sich seine Brauen tief ins Gesicht und er ballte die Fäuste. „Oh nein, du hinterhältiges Mistviech, “ schwor eine entschlossene Stimme in seinem Kopf. „Kai kriegst du nicht.“ * „Mir ist bewusst, wie unangenehm diese Situation für sie sein mag, aber es ist zu ihrem Wohl, Master Kai.“ „Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden.“ „Natürlich. Aber ich verspreche ihnen, die Dame Solowéj ist wirklich bezaubernd. Eine sehr umgängliche Gesprächspartnerin.“ „Eine Russin?“ „Wir müssen doch unseren Wurzeln treu bleiben. Etwas anderes kommt uns nicht ins Haus!“ Mürrisch saß Kai in Unterwäsche auf einem Stuhl und ließ zu, dass Lew ihm die nassen Haare, mit einem Handtuch trocken rubbelte. Vor ihm war ein Spiegel an der Wand befestigt. Sein eigenes Ich blickte ihm böse entgegen. Diese gesamte Situation war einfach furchtbar… und erniedrigend. Er brauchte eine Therapeutin. Er! Dabei hatte sich Kai immer für einen rationalen Menschen gehalten. Etwas in sich gekehrt? Womöglich. Verrückt? Niemals! Wie konnte er nur in eine solche Fantasiewelt abdriften? Er war doch sonst kein Träumer… Beschämt zog er den Kopf tiefer zwischen die Schultern und blickte auf seine Hände hinab. Sie ruhten auf seinen Knien, zu Fäusten geballt. Stillschweigend nahm er hin, dass Lew ihn bemutterte, was er für gewöhnlich hasste. Doch der alte Mann schien in den letzten Tagen so viel mit ihm durchgestanden zu haben, dass es ihm einfach nicht fair erschien, ihn dafür anzuschnauzen. Stattdessen hörte er seinen Erzählungen halbherzig zu. „Wussten sie dass die junge Dame sogar von einem alten Großfürstengeschlecht abstammt?“ „Ach wirklich…“ Eigentlich wollte er noch fragen, warum sie sich dann mit ihm abgab, doch seine Antwort wurde erstickt, als ihm hastig ein frischer Pullover über den Kopf gestülpt und danach die zerzausten Strähnen, mit einer Bürste gekämmt wurden. „Lew“, knurrte Kai wütend zwischen den Zähnen hindurch und schlug dann doch die Hand weg. „Ich kann das auch allein! Ich bin keine fünfjährige Rotznase!“ „Das weiß ich doch, aber die Dame wartet bereits. Eine Lady darf man nicht warten lassen. Das ziemt sich nicht.“ „Wenn Großvater sie stündlich bezahlt, hat sie keinen Grund sich zu beklagen. Diese Frau verdient ihr Geld damit, sich neben mich in einen Sessel zu pflanzen und mich wie eine Zitrone auszupressen.“ „Sie bekommt kein Geld. Die Dame Solowéj hat sich freiwillig gemeldet. Sie ist sehr an ihrem Fall interessiert.“ „An meinem Fall? Wie viele wissen denn davon?“ „Wir hatten einige Ärzte hier im Haus. Immerhin hielt ihr Zustand Monate an. Bedauerlicherweise hielt es einer der Ärzte nicht für nötig sich an die Schweigepflicht zu halten. Ein kleiner Rat meinerseits – warten sie noch eine Weile, bis sie wieder vor die Tür treten. Die Gerüchteküche brodelt…“ Kai klappte der Mund auf. Er konnte im Spiegel erkennen, wie Lew missmutig die Nase rümpfte. Kurz darauf schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. „Was ist mit meinen… Freunden?“, das letzte Wort war mehr ein Flüstern. Er wusste nicht, ob er sich die Erinnerungen mit ihnen auch nicht nur zusammen gereimt hatte. Für eine Sekunde sah er ganz deutlich ein Bild vor seinem inneren Auge. Gestochen scharf… Ein erwachsener Tyson, wie er draußen, unter seinem Zimmerfenster stand, die Arme zu ihm empor gestreckt. Hinter Kai war alles hell und flackerte bedrohlich. Flammen peitschten ihm entgegen. Er hielt seine Schwester in den Armen und wollte sie hinunter werfen. „Vertrau mir einfach mal!“, schallten Tysons Worte zu ihm hinauf. Das musste doch real gewesen sein… Warum sollte er sich etwas Derartiges einbilden? Doch ein verächtliches Schnaufen von Lew holte ihn wieder aus seinen Tagträumen heraus. „Diese Bälger?“, antwortete der Hausverwalter angewidert. „Die haben sie schneller fallen lassen als ich bis Drei zählen könnte.“ Erschrocken riss Kai die Augen auf, doch Lew redete unentwegt weiter. „Gleich nachdem ihre Halluzinationen angefangen haben, wollten sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Ihre Gesellschaft war ihnen eine Last. Wenn ich mich recht entsinne, meinte dieser vorlaute Kinomiya sogar, dass er auf einen Psychopathen als Freund gut verzichten könne. Immerhin seien sie nichts weiter als ein ständiges Problemkind.“ Erst als Lew diesen Satz beendet hatte, bemerkte der alte Mann den Ausdruck auf Kais Gesicht. Voller Bedauern stockte er in seinem Redefluss und atmete seufzend aus. „Master Kai, bitte entschuldigen sie. Mein Temperament ging mit mir durch. Es muss furchtbar sein, so etwas zu hö-…“ „Schon gut.“, Kai erhob sich und zog seine Hose über die Shorts. Seine Miene blieb ernst und man sah ihm nichts an, doch im Innern erstickte er an seiner Enttäuschung. Zehn Minuten später schritten der Hausverwalter und das jüngste Hiwatari Mitglied die Treppe zum Foyer hinunter. Kai hatte die Hände in den Hosentaschen versenkt und zog ein freudloses Gesicht. Sein Unmut sprach Bänder. Lew geleitete ihn noch einpaar Schritte zum Kaminzimmer. Kurz vor der Tür blieb er stehen und verabschiedete sich höflich, mit einer leichten Verbeugung. Dabei flüsterte er: „Kopf hoch, mein Junge. Sie wird dir gefallen.“ Das glaubte Kai weniger, nahm es aber mit einem Nicken zur Kenntnis. Sein Gegenüber zwinkerte ihm verschwörerisch zu, machte anschließend auf dem Absatz kehrt und verschwand in einem der umliegenden Zimmer, ließ Kai alleine vor der eichenen Tür zurück. Gerade als der Junge die Klinke hinunterdrücken und eintreten wollte, vernahm er auf der anderen Seite gedämpfte Stimmen, die sich miteinander unterhielten. Eine davon erkannte er auf Anhieb. Sein Großvater… „Verdammt“, flüsterte Kai. Er wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Vor einpaar Minuten war er der festen Überzeugung gewesen, dass dieser Mann tot war. Er sah bereits den vorwurfsvollen Blick der ihn erwartete. „Ich weiß mit dem Jungen nicht mehr ein noch aus“, hörte er den alten Voltaire lamentieren. Es klang verzweifelt, fast schon frustriert. Vollkommen untypisch für seinen Großvater. „Seine Paranoia stellen den gesamten Haushalt auf den Kopf. Erst vor kurzem war er der festen Überzeugung dass unser Haus brennt. Von mir denkt er, dass ich tot bin! Es ist zum Verzweifeln! Er ist mein einziger Enkel. Mein Erbe wird an ihn weitergereicht, wenn ich nicht mehr bin. Ich kann nicht sicher abtreten, wenn ich nicht weiß, dass meine Firma in guten Händen ist!“ „Ich verstehe“, antwortete eine ruhige Frauenstimme. Sie jagte Kai eine Gänsehaut über den Rücken, die er sich nicht erklären konnte. „Was ist mit dem Vater des Jungen? Wäre er nicht der rechtliche Nachfolger?“ „Hmpf,“ ein verächtliches Aufschnauben. „Niemals! Kai und ich haben unsere Differenzen, aber auf keinen Fall lasse ich zu, dass sein Taugenichts von Vater meine Firma bekommt. Mein Erbe geht an den Jungen. Ich habe ihn großgezogen, als sein Vater der Familie den Rücken gekehrt hat und seine Hure von Mutter auf und davon ist.“ Ein deprimiertes Seufzen folgte. „Sie sind meine letzte Hoffnung, Anastasia. Bringen sie den Jungen wieder auf den rechten Pfad. Wenn sie es nicht schaffen, dann bin ich mit meinem Latein am Ende…“ Eine Tür knarrte in Kais Nähe und fragend wandte er sich um. Die beiden Hausmädchen Ida und Hata kamen kichernd aus einem der Räume heraus und traten in die Eingangshalle, während sie sich den neuesten Tratsch zuflüsterten. Als sie Kai erblickten blieben sie wie angewurzelt stehen. Beim Lauschen ertappt, biss er sich auf die Unterlippe. Er warf ihnen einen vernichtenden Blick zu. In seiner Sprache bedeutete das soviel wie: „Ihr seid gefeuert, wenn ihr nicht die Schnauze haltet.“ Erst dann klopfte er an die Tür und trat ein. „Ah, da ist mein Enkel!“, kam es von Voltaire. Er stemmte sich aus dem Sessel vor dem Kamin, in dem ein Feuer knisterte, und schaute zu ihm herüber. Vom Donner gerührt hielt Kai inne. Es war etwas anderes ihn zu hören, aber seinen Großvater leibhaftig vor sich zu sehen, in Natura… Genau wie in seiner Erinnerung trug er einen langen braunen Mantel, mit der großen Flammenbrosche auf der rechten Seite, während sein schwarzer Anzug darunter hervorlugte. Sein ergrautes langes Haar war ordentlich zurückgekämmt, fiel ihm über die Schultern, während die weiße Strähne an der Stirn etwas widerspenstig nach oben stand. Um seine Mundwinkel lagen Furchen, die durch das Flackern im Kamin noch tiefer wirkten als sonst. Ein deutliches Zeugnis davon, wie wenig dieser Mann in seinem Leben gelacht hatte. Kai konnte sich nicht erinnern, seinen Großvater jemals fröhlich oder ausgelassen erlebt zu haben. Immer wenn er an ihn dachte, verfolgte ihn der tadelnde Ausdruck auf dessen Gesicht, mit diesen zusammengezogen Augenbrauen und den Tränensäcken. Kai konnte nicht anders – er stierte den alten Mann entsetzt an. Das Letzte was er von seinem Großvater wusste, war… Er griff sich an die Stirn. „Nicht schon wieder“, dachte er. Hier stand sein Djeduschka, quick lebendig und er war noch immer der festen Überzeugung, dass der alte Mann vor kurzem das Zeitliche gesegnet hatte. Er konnte Realität nicht von Irrsinn unterscheiden. Das machte ihn wahnsinnig! Seine Verunsicherung musste wie eine Welle auf Voltaire überschwappen, denn seine Miene verfinsterte sich und er flüsterte etwas auf Russisch zu seiner Sitznachbarin: „Er sieht mich an als wäre ich der leibhaftige Satan.“ Die Dame Solowéj konnte Kai nicht erkennen. Ihr Sessel stand mit der Lehne zu ihm, versteckte die Frau vor seinem Blick. Sie entgegnete nichts auf Voltaires Aussage. „Komm her, Kai. Ich möchte dir jemanden vorstellen.“ Zögerlich kam er der grimmigen Aufforderung nach. Kai trat langsam zu seinem Großvater, der seine Hand auf die Schulter seines Enkels legte. Sie fühlte sich warm an und echt, mit diesem festen, ruppigen Griff, den er noch von früher kannte. Kais Blick wanderte langsam von der Hand auf seiner Schulter, zu ihrem Gast und augenblicklich stockte ihm der Atem. Erschrocken wich er zurück, prallte mit dem Rücken gegen den Brustkorb seines Großvaters. Das konnte doch kein Zufall sein! Dieses Gesicht… „Großvater! Das ist Dranzer!“, rief er aufgebracht. „Junge…“ „Nein! Ich habe diese Frau schon einmal gesehen! Als das Haus gebrannt hat…“ „Genug davon!“, polterte Voltaire laut. Augenblicklich verstummte Kai und sah vom Donner gerührt, in das wütende Gesicht seines Großvaters. Die Lippen des alten Mannes waren fest aufeinander gepresst und auf seiner Stirn, kräuselten sich die Denkfalten um die Wette. Er tat eine ausladende Bewegung in den Raum und sprach dann mit spöttischer Stimme: „Sieh dich um, mein verwirrter Enkel! Sieht dieses Haus aus, als ob es gebrannt hätte? Alles ist an seinem Platz, so wie es sein soll. Hör auf mit deinen Lügen! Wenn dir dieses Haus nicht passt, können wir uns ja nach einer besseren Unterkunft für dich umsehen. Wie wäre es mit einem Zimmer in einer Nervenheilanstalt?“ Kais Wangen liefen vor Zorn rot an und mit zu Schlitzen geformten Augen, sprach er: „Warum kenne ich sie? Wenn ich mir alles eingebildet habe, dürfte ich ihr Gesicht nicht kennen!“ Sein Großvater wollte bereits zu einer Antwort ansetzten, doch die Dame Solowéj hob beschwichtigend die Hand. Sofort wurde es ruhig. Ihr Blick wanderte langsam zu Kai. Die dunklen Augen fokussierten ihn, schienen ihn von oben bis unten zu durchleuchten. Die hellen Locken waren hochgesteckt, umrahmten das ebenweiße Gesicht, nur eine Strähne verdeckte das rechte Auge. Sie ließ die blasse Hand wieder sinken und verhakte sie mit der anderen, bevor sie im sanften Ton sprach: „Mein lieber Junge, weißt du wie lange du krank warst?“ Kai schüttelte verneinend den Kopf. Ein charmantes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Fast ein ganzes Jahr. Seit Monaten versuchen die besten Ärzte dich wieder zu klarem Verstand zu bringen.“ Sie bettete die schlanken Finger auf ihre Brust. „Aber erst seitdem ich dich behandle, machen sich die ersten Erfolge bemerkbar. Du kennst mein Gesicht, weil ich seit Monaten um dich herum schleiche. Ich bin immer in deiner Nähe gewesen. Auch als du im Fieberwahn dachtest, dein Haus stünde in Flammen. Ich bin deine ständige Begleiterin…“ Darauf wusste Kai keine Antwort. Er betrachtete nur stumm die Frau vor ihm, in ihrem eleganten beigen Kostüm, bis sie seinen Großvater bat, aus dem Raum zu gehen. Voltaire nickte und legte noch einmal seine Hand auf Kais Schulter. Er beugte sich zu ihm vor und flüsterte, fast schon in flehendem Ton: „Komm zur Vernunft, mein Enkel. Es tut nicht gut in einer Traumwelt zu leben.“ Dann schritt er mit zusammengezogen Brauen und erhobenen Hauptes aus dem Raum. Ein dumpfer Laut erschallte, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Nun waren sie allein. Kai und die fremde Frau, von der er nicht wusste, wer oder was sie war. Nur das Feuer im Kamin gab ein leises Knacken von sich. Die Dame Solowéj streckte die Hand aus und deutete auf den Sessel gegenüber von ihr. „Setzt dich doch.“ „Ich setzte mich wann ich will! Das ist mein Haus. Ist ja noch schöner…“ Sie lachte hell auf. „Was für ein bockiges Kind du bist!“ Schnaubend wandte Kai den Kopf zur Seite, war sich aber bewusst, dass er sich wirklich störrisch aufführte. Würde er sich jetzt aber setzten, wäre es ein Eingeständnis das sie Recht hatte. Diesen Erfolg gönnte er ihr nicht, dafür war sie ihm zu arrogant. „Na schön. Umso besser, dann sind wir auf gleicher Augenhöhe.“, sie beugte sich vor, stemmte die Ellbogen auf ihre Knie und bettete den Kopf in die Handflächen. Es machte den Eindruck, als wäre sie ein Mädchen, das auf einer Wiese, eine exotische Pflanze bewunderte. „Erzähl mir etwas über dich.“ „Nein.“ „Trotzkopf.“ Ein Kichern. Sie lachte ihn schamlos aus. „Wie du willst. Dann mache ich den Anfang. Mein Name ist Anastasia Solowéj. Ich bin russischer Abstammung, genau wie du mein kleiner Kai. Seit zwei Jahren lebe ich in Japan. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, verirrten Seelen wie dir zu helfen…“ „Hört sich an als wären sie eine Pseudoexorzistin.“, gab der Junge unbeeindruckt von sich. Anastasia zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Nenn es wie du willst. Das ist mir gleich. Es gab aber schon den einen oder anderen Patienten, von dem ich dachte, er wäre von etwas Schlechtem beseelt. Vor allem bei dir drängte sich mir dieser Verdacht auf.“ Sie blickte ihn beiläufig an. „Aber wir werden öfters Gelegenheit haben über meinen Beruf zu sprechen. Nun zu dir.“ Sie ließ sich wieder in den Sessel sinken und hakte die Finger vor der Brust ein. „Was mich mehr interessiert ist was dich bedrückt. Was ist los mit dir, dass du nicht von deiner Phantasiewelt ablassen kannst?“ Er blieb stumm. Sie nahm ihn genau ins Visier, legte einen Finger wissend vor den Mund. „Was hält dich dort?“ Immer noch nichts. „Oder vielleicht, wer hält dich dort?“ Die Antwort lag auf seiner Zunge. „Hat es mit deiner Schwester zu tun?“ Kai atmete auf, öffnete den Mund, schloss ihn dann aber hastig wieder. „Es tut mir Leid dir das sagen zu müssen, aber du hattest nie eine Schwester. Das weißt du doch mittlerweile, oder?“ „Ich… weiß nicht… genau.“ „Unsicher?“ Kai blieb stumm. Die Dame Solowéj meinte daraufhin: „Du wärst erstaunt, wie schmal der Grat zwischen Fantasie und Realität ist. Vor allem Kinder in deinem Alter haben ein Talent dafür, sich von der Welt abzuschirmen.“ „Ich bin kein Kind mehr.“, Kais Antwort kam herrisch, doch die Dame Solowéj ließ sich keineswegs abschrecken, ging aber auch nicht weiter auf das Thema ein. Kai hatte aber das Gefühl, als wäre das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Was hat sich noch in deiner Welt zugetragen. Erzähl es mir…“ Kai sah zur Seite und antwortete nur: „Ich dachte sie wären bereits informiert.“ „Ich will es aus deinem Mund hören.“ Unschlüssig ob er antworten sollte, blieb er stumm. Er traute diesem Weib nicht. Lag es aber an ihrer natürlichen Arroganz oder daran, dass sie Dranzer war? Realität oder Illusion. Was war echt? Da schoss es wie ein Blitz durch seinen Kopf. Sein Blick schweifte zu der hellen Strähne, die ihr rechtes Auge verdeckte. Das Gesicht war ebenmäßig schön, fast vollkommen. Was für eine Hässlichkeit verbarg sich aber unter dieser dicken Locke? Ein siegessicheres Grinsen huschte über seinen Mund und in seinen Augen blitzte kurz ein roter Schimmer auf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Bevor ich antworte, würden sie mir einen Gefallen tun?“ Die Dame Solowéj stutzte, doch mit einem langen Wimpernschlag gab sie zu erkennen, dass sie einverstanden war. „Wenn du mir dann meine Fragen beantwortest, gerne.“ „Ich will ihr Gesicht sehen.“ „Tust du das nicht bereits?“ Kai schüttelte den Kopf und tippte mit dem Zeigefinger gegen seine rechte Schläfe. „Die Stelle auch.“ „Nun. Ich sehe zwar keinen tieferen Sinn darin, aber wenn du es wünschst...“ Sie hob die Strähne langsam an – doch Fehlanzeige. Da war nichts. Kai konnte eine enttäuschte Miene nicht unterdrücken. Keine hässliche Brandnarbe die das Gesicht entstellte. Kein grausiges Auge das seltsam hervorquoll. Selbst das dämonische Glimmen darin fehlte… Diese Frau war, rein äußerlich, absolut perfekt. Geschlagen senkte Kai den Blick und setzte sich schließlich doch. Deprimiert sah er in die Flammen des Kamins. Von einer Sekunde auf die andere kam er sich vorgeführt und total lächerlich vor. Die Dame Solowéj ließ die Strähne wieder hinabsinken und meinte: „Du scheinst nicht gefunden zu haben wonach du gesucht hast.“ „Nein.“, kam die enttäuschte Antwort. „Das tut mir Leid. Aber sieh es doch von einem positiven Aspekt. Die Erkenntnis holt dich wieder ein Stückchen näher in die Realität.“ Kai gab ein freudloses Lachen von sich. „Realität? Wenn ich wüsste was das ist…“ „Oh, ich glaube das weißt du ganz genau.“ Sie stemmte sich vom Sessel auf und breitete die Arme aus. „Sieh dich an Kai! Du hast alles was ein Junge in deinem Alter zu träumen vermag. Ein prächtiges Zuhause, du wirst von deinen Bediensteten behandelt wie ein kleiner russische Zar, eine strahlende Zukunft wartet auf dich. Nur ein kleiner Wink von dir und die Menschen stehen Schlange, um dir deinen Wunsch von den Lippen abzulesen. Du hast alles was du willst, alles… aber eine Kleinigkeit fehlt dir. Etwas das furchtbar an dir nagt, auch wenn du es nicht zugeben willst. Du kannst es gut verbergen. Aber mich kannst du nicht belügen. Du weißt was ich meine, nicht wahr?“ Anastasia setzte sich auf die Armlehne seines Sessels und verschränkte die Arme vor der Brust. Verbissen blickte Kai in die Flammen. Wartete auf ihr Urteil. „Eine Familie. Etwas was dich bedingungslos liebt und dir das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Zählen wir doch an einer Hand ab, wie es um deine Familie steht.“ Sie hob den kleinen Finger in die Höhe. „Da wäre einmal dein Vater. Ein Taugenichts der sich vor der Verantwortung gedrückt hat, seinen Sohn großzuziehen und ein Familienimperium zu leiten. Er hat dich im Stich gelassen, noch bevor du die Chance hattest, ihm zu beweisen was in dir steckt. Dich als würdig zu erweisen. Würdig geliebt zu werden…“ „Pah!“, machte Kai und zog die Brauen tief ins Gesicht. Zwecklos. Anastasia hob den zweiten Finger in die Höhe. Es schien ihr sichtlich Spaß zu machen ihn auf diese Weise zu malträtieren. „Nummer zwei: Deine Mutter. Wo ist sie Kai? Hat sie nicht zu deinem Großvater gesagt, sie bräuchte nur etwas Zeit um zu sich selbst zu finden? Um über deinen Vater hinwegzukommen? Wie viele Jahre sind inzwischen vergangen? Wie viele Jahre werden noch vergehen, bis sie sich endlich wieder daran erinnert, einen Sohn zu haben?“ Kai zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ „Doch, das weißt du, mein kleiner Schatz. Du willst es nur nicht wahrhaben.“ Mit jedem ihrer Worte fühlte sich Kai, als würde er in sich zusammen schrumpfen. „All die Jahre… Kein Anruf. Kein Besuch. Sie will nicht wissen wie es dir geht. Deine Leistungen interessieren sie nicht. Dein Leben interessiert sie nicht. Vielleicht gibt sie dir sogar die Schuld dafür, dass ihre große Liebe sie verlassen hat. Ist das nicht traurig? Quält dich das nicht? Sie hat deine ganze Kindheit verpasst. Du existierst für sie gar nicht…“ „Na und?“ Kai erhob sich, verschränkte die Arme vor der Brust und trat näher an das Kaminfeuer. Auf seinem Gesicht lag ein störrischer Ausdruck, der vom Schein der Flammen erhellt wurde. „Ich brauche sie nicht. Ich brauche keinen von beiden! Ich komme alleine klar. Bisher habe ich alles was ich wollte auf eigener Faust geschafft.“ Wieder folgte ihr Lachen. Es schallte grausam in seinen Ohren. „Natürlich nicht! Du brauchst niemanden. So hat dich schließlich dein Großvater erzogen. Womit wir bei Punkt Nummer Drei wären. Ein alter verbitterter Mann, dessen Frau schon früh verstorben ist. Er hatte nur einen Sohn mit ihr - deinen Vater. Alle Hoffnungen die er in ihn gesteckt hatte, lasten nun auf dir. Du wurdest getrimmt, gedrillt und trainiert bis zum Umfallen. Aber seien wir doch ehrlich, diese ganze Panik die dein Großvater um deine Ausbildung veranstaltet, ist keine pure Nächstenliebe. Sie gilt doch eher der Tatsache, dass sein Favorit aus dem Rennen ist.“ Die Dame Solowéj erhob sich, umschloss mit ihren blassen Fingern Kais Schultern, nur um sich hinabzubeugen und ihm süffisant ins Ohr zu hauchen: „Dein Vater war Voltaires erste Wahl. Du bist nur die zweite Geige. Sein Trostpflaster. Der grimmige Greis steht unter Zeitdruck, weil er bald das Zeitliche segnet und seine Firma in guten Händen wissen will. Wäre dein Vater noch hier, würde Voltaire sich gar nicht mit dir abgeben…“ Kai verkrampfte sich und die Wut brodelte in seinem Bauch. Sie richtete sich aber nicht gegen die Dame Solowéj, sondern mehr gegen die Wahrheit die aus ihren Worten sprach. Diese Tatsachen waren ihm bereits alle bewusst. Warum musste sie darauf herumreiten? Mit einem Seufzen bettete sie ihren Kopf auf seine linke Schulter und umarmte ihn. Bevor sie weiter sprach, hielt sie drei Finger vor Kai in die Höhe. „Drei tragende Menschen in deiner Familie haben dich entweder verlassen, ausgenutzt oder du warst ihnen schlichtweg egal. Ein Verräter jagt den Nächsten… Da war dieses Desaster doch vorprogrammiert. Irgendwann musstest du wahnsinnig werden.“ „Ich bin nicht verrückt! Es geht mir wieder gut. Ich hatte nur eine Grippe, sonst nichts! Ich bin bei klarem Verstand…“ „Doch mein Schatz. Leider bist du das noch. Du hast dir so sehr etwas gewünscht, dass dich bedingungslos liebt, dass du dir sogar eine kleine kranke Schwester herbeigedichtet hast.“ Sie tippte ihm gegen die Schläfe. „Dein verwirrter Kopf und dein einsames Herz haben etwas gebraucht, was ihnen eine Familie gibt. Du wirst irgendwo aufgeschnappt haben, dass Trisomie kranke Kinder äußerst liebevoll und ehrlich sind. Dein Unterbewusstsein hat das gespeichert und dir in dem Moment, in dem dein Damm aus Wut und Enttäuschung brach, eine kleine Seifenoper vorgegaukelt. Deine Mutter ist zurückgekommen, dieses Mal aber mit einem Baby im Schlepptau. Aber wie nicht anders zu erwarten, hat sie dich erneut im Stich gelassen. Mit dem Unterschied, dass du dieses Mal etwas hattest, dass genauso einsam und verlassen war wie du. Ein kleines Mädchen. Deine kranke hilfsbedürftige Schwester, die dich voller Hingabe liebt.“ „Blödsinn!“ Kai riss sich von ihr los. Das war einer der Gründe warum er niemandem von seiner Vergangenheit erzählte. Fremde Leute meinten seine Psyche analysieren zu müssen, als wäre er ein Frosch den es zu sezieren galt. Er wollte gerade aus der Tür stürmen, und die Sitzung als gescheitert erklären, da rief ihm die Dame Solowéj hinterher: „Und wo geht es jetzt hin? Zu deinem Großvater?“ Kai stoppte. Seine Hand umgriff die Türklinke. „Willst du ihm sagen, was wir beide schon längst wissen? Seine Reaktion ist absehbar, er wird toben, weil du unsere Sitzung abgebrochen hast.“ Sie legte sich nachdenklich eine Hand unters Kinn. „Oder willst du zu deinen Freunden? Wo sind sie Kai? Warum stehen sie dir nicht in deiner finstersten Stunde bei? Vielleicht weil sie nichts mit einem Wahnsinnigen zu tun haben wollen? Vielleicht weil sie dich nicht verstehen? Weder jetzt noch in der Zukunft…“ „Ich bin nicht wahnsinnig!“ „Wir kommen nicht weiter, mein Kleiner. Du willst es dir nicht eingestehen. Deine Genesung wird niemals abgeschlossen, wenn du nicht erkennst, dass du Hilfe brauchst.“ Sie schritt um den Sessel herum, kam auf ihn zu, wie ein Raubtier, das seine Beute in die Enge getrieben hatte. Ihr Blick haftete an ihm wie eine zweite Haut. „Ich will dir helfen Kai. Seit ich von deiner Krankheit gehört habe, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass ich jeden Winkel deines Denkens verstehe. Dein Herz liegt vor mir wie ein offenes Buch. Genau wie deine Ängste… Lass mich dir helfen. Vertrau dich mir an. Vergiss all die schlechten Menschen da draußen. Sie wollen dir nichts Gutes.“ „Und sie?!“, rief er wütend und drehte sich zu ihr um. Die Tür im Rücken. „Sie wollen mir helfen? Indem sie sich vor mich stellen und mir vorhalten, wie erbärmlich mein Leben ist? Es stimmt, okay! Ich weiß dass meine Familie zum Kotzen ist! Jeder einzelne von ihnen widert mich an! Ich hasse jeden! Meinen Vater, meine Mutter und vor allem meinen verdammten Großvater! Warum sind sie hier?! Um mir Dinge zu sagen, die ich schon weiß?“ In seiner Wut verschwamm ihm die Sicht vor den Augen. Nein… Das durfte nicht sein! Nicht vor ihr! All die Jahre hatte er nicht geweint. Er wusste nicht einmal dass er dazu in der Lage war. Und ausgerechnet jetzt? Er blinzelte, wollte die verräterischen Zeichen zurückdrängen. Doch zu spät. Eine Träne bahnte sich ihren Weg an seiner Wange entlang. Nicht aus Trauer. In diesem winzigen Tropfen ballte sich seine gesamte Wut und Enttäuschung, die er all die Jahre am liebsten hinausgeschrien hätte. Er fühlte sich in seine Rolle als kleines Kind zurückgezwängt, spürte wie seine Seele immer mehr zu seinem verletzlichen fünfjährigen Alter Ego zusammen schrumpfte. Die Erwachsenenwelt war ihm damals so ungerecht vorgekommen und undurchschaubar. Jeder hatte ihn weitergereicht wie einen Spielball – grundlos. Von seinem Vater zu seiner Mutter. Von der Mutter zum Großvater. Vom Großvater zur Abtei. Das alles innerhalb von einpaar Jahren. Niemand hatte nach seiner Meinung gefragt. Keiner hatte gefragt bei wem er bleiben wollte. Kai hatte das nicht begriffen. Wie denn auch? Nachdem sein Vater sie verlassen hatte, war innerhalb von einem Jahr seine ganze Familie auseinander gebrochen. Alle waren damit beschäftigt gewesen ihre Wunden zu lecken, aber keiner ertrug seine Anwesenheit. Das es für ihn genauso schwer war, wie für alle anderen Beteiligten, stand nicht zur Debatte. Er war ein Kind, dumm und unwissend. Alle dachten er bekam nichts mit. Stattdessen wurde er regelrecht abgeschoben. Er war erst sechs, als er bereits alle Stationen durchwandert hatte und in der Abtei landete. Ein Erwachsener wäre stark genug gewesen, um solch ein verletzendes Verhalten zu überstehen. Ein sechsjähriger Junge aber stellte Fragen… Warum wurde er so schnell weitergereicht? Warum hielt es niemand lange mit ihm aus? Hatte er etwas Falsches getan, gesagt oder auch nur angedeutet? In diesem Alter wurden manche Kinder eingeschult, knüpften die ersten Freundschaftsbande mit Klassenkameraden und begriffen, wie nervig die Schule eigentlich war. Kai war damals damit beschäftigt gewesen, mit seiner Einsamkeit zurechtzukommen. Der einzige Weg die Erwachsenwelt, mit ihrer Korruption, Lügen und Intrigen zu verstehen, schien ihm damals, sich so schnell wie möglich auf sie einzulassen und sie zu begreifen. Auf Biegen und Brechen. Ohne Rücksicht auf Verluste – seiner Kindheit. Und jetzt, wo er dachte alles zu verstehen, kam diese Frau und zwang ihn wieder in seine alte Rolle zurück, die er seit Jahren hinter sich gelassen hatte. Die Dame Solowéj stand vor ihm. Viel größer als er. Wie ein unerschütterlicher Felsen… Seine Augen schienen sie aus der Sicht eines Kleinkinds zu beobachten. Er hatte das Gefühl, in den wenigen Minuten, in denen sie miteinander gesprochen hatten, um mehrere Zentimeter geschrumpft zu sein. Erhobenen Hauptes sah sie auf ihn herab, bis sie sich langsam zu ihm hinunterkniete. So lagen sie schließlich auf selber Höhe. Mit den feinen Fingern wischte sie die einsame Träne fort, streichelte ihm über die Wange und über das Haar. Wie einem kleinen Kind das es zu trösten galt. Ein mitleidiges Lächeln umspielte ihren Mund, als sie sprach: „Du hast den falschen Leuten vertraut, Kai. Schlimmer noch, man hat dich den falschen Leuten zugeführt wie ein Opferlamm. Du hattest keine andere Wahl. Aber hier und jetzt, stelle ich dich vor eine Entscheidung. Du kannst endlich wählen. Sag allem ab, was dich an deine alte Welt hält und bleib bei mir. Entscheide dich aus freien Stücken und du wirst frei sein.“ Sie bettete seine Hand in ihre eigenen, umschloss sie ganz fest. Im Gegensatz zu ihren wirkten seine Finger winzig. Er meinte auf die Hände eines Kleinkindes zu blicken. „Wie… alt bin ich?“, kam die Frage stockend aus seinem Mund. „Sechs.“ „Das wusste ich nicht.“ Die Erkenntnis schlug schmerzhaft auf ihn ein. Ein Hieb mit dem Hammer. Sein Atem ging stoßweise. „Ich wusste das nicht… Was ist los mit mir? Warum erinnere ich mich an so etwas nicht?! Bin ich wirklich verrückt?“ „Ja, mein kleiner Schatz.“ Kais Stimme klang selbst für ihn viel zu jung. Seine Augen schwammen in Tränen, die kurz darauf haltlos am blassen Kindergesicht hinabrollten. Sie hinterließen feuchte Bahnen auf seinen Wangen. „Was soll ich denn jetzt machen?“, kam die kindliche Frage. Sie lachte leise. Als wäre die Antwort selbstverständlich. Dann… „Du brauchst einen Seelenverwandten.“ „Wie finde ich den?“ „Er steht vor dir mein Kleiner.“ „Wirklich?“ Sie nickte und sprach schließlich drei kleine Sätze, die sich wie ein Mantra anhörten: „Vertraue mir. Glaube mir. Und liebe mich…“ Ihr Blick wurde eindringlich und sie fragte: „Kannst du das?“ Kai zögerte einen Moment, bemerkte dabei wie ihre Augen ihn einfingen. Sie waren seinen so ähnlich, ebenfalls mit einem kleinen Rotschimmer in ihnen. Kleine Fäden zogen sich durch ihre Iris, die ihn an feurige Lava erinnerten. Sagte man ihm solche Augen nicht auch nach? Wie oft hatte er Lew bewundert davon sprechen hören? Als Rubine hatte er sie stets bezeichnet und wie selten man so etwas fand. Hier war aber eine Frau die genauso war wie er. Es hatte etwas Anziehendes und ehe er es sich versah, gab er ein leichtes Nicken von sich. Das ließ die Dame Solowéj lächeln und sie sagte: „Dann brauche ich nur noch einen kleinen Beweis. Hab keine Angst, es ist nicht schwer. Du musst nur etwas für mich tun.“ Sie legte eine Hand auf seinen Rücken und führte den Jungen mit sanfter Gewalt, zurück zum Kamin. Dort nahm sie von einem kleinen Beistelltisch eine Schale und hielt sie Kai entgegen. Das Kind blickte neugierig hinein und fand dort viele kleine, zusammengeknüllte Papierfetzen. „Damit du endlich von deinem Wahnsinn erlöst wirst, musst du etwas Entscheidendes erledigen, mein kleiner Kai.“ Sie nahm einen Fetzen und rollte ihn spielerisch zwischen ihrem Zeigefinger und Daumen. „Siehst du das hier? Auf diesem unscheinbaren Stück Papier, ist eine deiner Verrücktheiten. Möchtest du nachschauen, welche es ist?“ Kai zögerte, doch schließlich nickte er langsam. Er nahm ihr den Fetzen vorsichtig aus der Hand und entfaltete ihn. Nur zwei Wörter standen darauf: Jana Hiwatari Als er den Namen las, fingen seine Hände an zu zittern. So sehr er sich auch anstrengte, er bekam diese heftige Reaktion nicht in den Griff. „Wirf es hinein.“ Kai schüttelte verneinend den Kopf. Die Dame Solowéj lächelte nachsichtig und kniete sich zu dem Kind hinab. Sie strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und meinte: „Ich weiß es ist schwer seine alte Welt loszulassen, aber ich verrate dir etwas.“ Sie beugte sich vor und flüsterte, als ob sie ein Geheimnis preisgab: „Die wahre Welt hat weit aus mehr Vorzüge, als sie deine alte Welt jemals haben wird. Ich werde sie dir zeigen. Stück für Stück. Wir werden sie gemeinsam entdecken. Nur wir zwei alleine. Alles was ich dafür von dir verlange ist, dass du die kleinen Fetzen verbrennst. Einen nach dem anderen. Keiner darf übrig bleiben. Du wirst dich wundern, wie befreit du dich anschließend fühlst.“ Kai blickte noch einpaar Sekunden lang auf den Fetzen herab. Etwas sagte ihm, es wäre falsch ihn zu verbrennen. Doch eine andere, ihm fremde Stimme, sprach neckisch: „Es ist nur ein Stück Papier. Was soll schon passieren?“ Schließlich gab Kai nach. Er streckte die Hand Richtung Feuer aus, atmete noch einmal tief ein und entließ den Fetzen aus seiner Faust. Er zerfiel zu Asche, noch bevor er den Kaminboden berührte… und tatsächlich. Aus Kais Kopf schien sich etwas gelöst zu haben. Eine Bürde war von seinen Schultern genommen worden und er vergaß sie einfach. Er fühlte, wie er Platz für andere Gedanken fand. „Nun der Nächste“, drängte die Dame Solowéj ruhig. Diesmal ohne zu zögern, griff Kai in die Schale hinein und warf einen flüchtigen Blick auf den Fetzen: Vater Es kostete ihn keinerlei Überwindung ihn den Flammen vorzuwerfen. Bald folgte ein Familienmitglied nach dem anderen. Irgendwann tauchten Namen aus der Abtei auf. Und als er Gefallen an dem Spiel fand, achtete er gar nicht mehr auf die Menschen, die aus seinem Kopf verschwanden – bis zum Schluss. Der letzte Fetzen entfaltete sich, als er knisternd in den Flammen landete. Kai erhaschte noch einen Blick auf die Buchstaben die darauf verbrannten. Takao Kinomiya Für einen kurzen Moment stieg ein furchtbares Gefühl in seinem Magen auf und er kam sich elend vor, doch als nur noch Asche von dem Namen übrig war, verschwand jeglicher Gedanke daran aus seinem Bewusstsein. Es war alles fort… Lange Zeit saßen er und die Dame Solowéj vor dem Feuer und beobachteten die Flammen, bis sich eine Hand unter sein Kinn legte. Die Frau zwang ihn ihr in die Augen zusehen. Sie lächelte auf ihn herab. Es sprach so viel Güte aus ihrer Geste. „Fühlst du wie deine alte Welt verschwindet?“ Kai nickte leicht und zum ersten Mal merkte er, dass ihm das Herz bis zum Hals schlug. Nun sah er auch die Dame Solowéj ganz anders als zuvor. Sie war kein Monster. Wie konnte er das jemals denken? Sie war ein Mensch, der ihm einfach nur helfen wollte. Und dazu noch unglaublich schön. Die Röte schoss ihm in die Wangen, als er sich bewusst wurde, was er da dachte. Er wollte verlegen zur Seite schauen, doch ihr Lächeln verriet ihm, dass sie sich über seine Reaktion freute. „Du hast die richtige Entscheidung getroffen Kai. Vergiss diese Falschheit da draußen.“, sprach sie sanft auf ihn ein. „Wir werden sie einfach aussperren, zusammen mit den furchtbaren Menschen. Du brauchst keinen von ihnen. Keine Eltern, Großeltern, Freunde… nichts. Vor allem hast du es nicht nötig, dich mit störenden Geschwistern abzuplagen. Du brauchst nur mich. Vertrau einmal in deinem Leben der richtigen Person.“ Kai blickte stumm in ihr Gesicht und als sie ihn in eine Umarmung zog, leistete er keinen Widerstand. Stattdessen schlang er die Arme um ihren Hals, bettete seinen Kopf in ihre Halsbeuge und schloss die Augen, während die Dame Solowéj ihm über den Rücken strich. „Vertraue mir. Glaube mir. Liebe mich…“, das Mantra heftete sich in seinen Kopf, als würde die Dame Solowéj direkten Zugriff auf seine Gedanken haben. Immer wieder, in einer endlosen Schleife, wiederholten sich die Worte in seinem Geiste. „So ist es brav.“, flüsterte sie ihm zu und stemmte sich sachte mit dem kleinen Jungen auf den Armen hoch, wiegte ihn hin und her, während ein leiser Singsang aus ihrer Kehle drang, wie der bezaubernde Gesang einer Nachtigall… Sie schritt mit dem Kind durch den Raum und merkte, wie die Tränen auf seinem Gesicht versiegten. Fast schon euphorisch tänzelte sie im Kreis, summte glücklich ihr Lied vor sich her. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nur ihm, er gehörte jetzt ihr! Mit Haut und Haaren. Mit Herz und Seele… Es gab niemanden mehr der ihn von ihr ablenken konnte - bis es an der Tür klopfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, wurde sie geöffnet und Lew trat herein. Der Hausverwalter verbeugte sich tief, sah auf und mit ehrlicher Freude in der Stimme, sprach er: „Ich wusste sie würden gut miteinander auskommen.“ „Warum auch nicht? Ich bin seine Seelenverwandte. Nicht wahr Kai?“ Von dem kleinen Kind kam nur ein leichtes Nicken. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Er war dabei in ihren Armen in den Schlaf abzudriften. Die Dame Solowéj war vollkommen entzückt von diesem Vertrauen. Gerührt küsste sie ihn auf die Stirn. Erst dann wandte sie sich dem Hausverwalter zu. „Was willst du? Ich bin beschäftigt! Hast du keine Augen im Kopf, du Narr?!“ „Ich dachte mir der Junge bräuchte eine neue Garderobe. Sie haben ihn doch jünger werden lassen, als erwartet.“, demütig hielt Lew einen sauber gefalteten Stapel Kleidung entgegen und deutete eine Verbeugung an. „Für ein hirnloses Phantom bist du gar nicht mal so dumm. Stell es ab und verschwinde.“ „Jawohl.“, Lew tat wie geheißen, zögerte aber noch einen Moment, als läge ihm etwas auf den Lippen, um dessen Wortwahl er noch suchte. „Ist noch etwas?“, herrschte sie ihn an. „Verzeiht, aber vor der Tür kündigt sich ungebetener Besuch an.“ „Ist das so?“ „Der Rest der Gruppe.“ Ein böses Grinsen huschte über ihre Lippen. Ihre Augen begannen vor Vorfreude zu glühen. Ein rotes Leuchten blitzte auf, während sich das attraktive Gesicht in eine dämonische Fratze verwandelte. Der Druck, um den schlafenden Jungen in ihren Armen, wurde verstärkt, als sei er eine besondere Reliquie, die sie nicht kampflos aufgeben würde. Ohne dass das Kind erwachte, wuchsen ihre Fingernägel zu messerscharfen Klauen heran. „Die Maden trauen sich zu mir? Das wird ihnen Leid tun…“ „Waren Master Dragoons Worte nicht, dass die Gruppe zusammen bleiben soll?“ Beim Klang des verhassten Namens, entwich aus ihrem Mund ein Zischen und der Hausverwalter fuhr erschrocken zurück. Doch dann lachte die Dame Solowéj leise und schmiegte ihren Kopf an Kais Wange, streichelte ihm wieder über den Rücken, während sie sich beide leicht hin und her wiegte. „Das war bevor sich Kai allein für mich entschieden hat. Er braucht die anderen nicht mehr.“ Die Augen wurden zu bedrohlichen Schlitzen. „Dragoon hat mir meinen Wunsch verwehrt. Jetzt werde ich ihm seinen verwehren. Er wird meinen Jungen nicht bekommen! Niemals wird die Gruppe vereint. Wenn die anderen Knaben mir in die Quere kommen und dabei mit den Leben bezahlen, sei’s drum. Ich habe was ich wollte…“ Der Hausverwalter wurde blass, das Gesicht fahl vor Angst. „Das… Meine Herrin, das wird den anderen Uralten nicht gefallen!“ Aus ihrem Lächeln sprach Heimtücke und Mordlust. „Das ist nicht mein Problem.“, ihre Finger fuhren an Kais Hals entlang und in schillernden Fäden schlang sich der weiße Stoff eines Schals, wie von Zauberhand, um seine Schultern. Lew schluckte. Es wirkte, als würde Dranzer Kai einen Galgen um den Hals legen. Ende Nja... Hab Kai irgendwie zu einer Heulboje gemacht. xD Das Kapitel handelt auch überwiegend von ihm, weil jeder Chara in der FF sein eigenes Kapitel bekommen soll, Nebencharas mit eingeschlossen - diese allerdings in kleinen Abschnitten. Bei den Hauptcharas geht es natürlich nochmal tiefer in die Substanz, sprich: Vergangenheit, Gegenwart, ihre Ängste und Gedanken sollen nochmal mehr zum Ausdruck kommen. Hoffe ich konnte euch einen Einblick in Kais Psyche geben - jedenfalls aus meiner Sicht. ^_~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)