Meet me in the dark von abgemeldet (Mikaru x Kei) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Als ich wieder aufwachte, war bereits der Abend angebrochen, was mir das Mondlicht und die Lichter der Straßenlaternen verrieten, die durch das Fenster auf uns schienen. „Na, auch wieder wach?“, fragte Kei beiläufig. Er saß im Schneidersitz am Fußende des Bettes, schlug eine Seite des Buches in seiner Hand um. „Joah...“, murmelte ich, tastete mit einer Hand meinen Schädel ab, konnte aber keine Beule oder Ähnliches feststellen. Aber ein bisschen dröhnte mir der Kopf schon. Dieses typische Dröhnen, das immer dann auftrat, wenn man zu lange geschlafen hatte und nach dem Aufwachen noch ewig im Bett herum lag. Aber ich konnte mich auch gar nicht daran erinnern, mich schlafen gelegt zu haben. Und auch nicht daran, dass Kei und ich unser Liebesspiel beendet hätten. Egal, wie sehr ich es auch versuchte... Die letzte Erinnerung, die ich hatte, war die von dem Gefühl von Keis Brustwarzen unter meinen Fingern. Nichts anderes. Moment mal! Und dabei bin ich einfach so eingeschlafen!? Kein Wunder, dass er so pseudo-interessiert in seinem Buch las und mich weitgehend ignorierte! Der war eingeschnappt, garantiert!! „Was ist passiert?“, fragte ich daher unsicher, richtete mich auf und das Dröhnen in meinem Kopf war verschwunden. Hm. Endlich sah der Blonde von dem Roman auf, klappte ihn zu und ich konnte auf dem Buchrücken erkennen, dass es der selbe war, den ich letzte Woche regelrecht verschlungen hatte. „Nichts, wieso?“, fragte er leicht irritiert, legte den Kopf schief. „Sind wir fertig geworden?“ „Selbstverständlich!“, erwiderte er breit grinsend, legte das Buch beiseite und krabbelte auf meinen Körper. „Mann... dass du das vergessen konntest! Ich hab dich wohl zur vollkommenen Erschöpfung getrieben...“ Ein obszönes Grinsen huschte über Keis Gesicht, er gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und stand dann schließlich auf. „Ich muss zur Arbeit, wir sehen uns dann morgen Früh!“ „Ist gut!“ Ich blickte ihm nach und plötzlich fiel mir auch alles wieder ein. Natürlich hatten wir es bis zum Schluss gemacht! Unzählige Runden! Genau! Schade, dass er jetzt zur Arbeit ging. Denn jetzt fühlte ich mich eigentlich wieder recht fit. Hm... Moment mal! Was für eine Arbeit überhaupt? “Äh..“ Ich blickte wieder in den Flur, aber Kei war bereits gegangen. Hmmm.... Einen Moment fragte ich mich noch, ob ich anrufen solle, um ihn danach zu fragen. Aber ich entschied mich dagegen. Was sollte er denn von mir halten, wenn sich herausstellte, dass sein trotteliger Freund nicht einmal mehr wusste, in welchem Beruf er arbeitete? Garantiert hatten wir schon darüber gesprochen und ich hatte es nur gerade vergessen, weil mein Gehirn sowieso im Augenblick nicht vernünftig funktionierte. Später würde es mir wieder einfallen. Diese Erklärung war okay für mich, sie beruhigte mich ungemein und ließ mich zufrieden aufseufzen. Schließlich schwang ich meine Beine aus dem Bett, bereit aufzustehen. Dann öffnete sich erneut die Haustür und Kei stürzte herein. “Ups! Was vergessen!“ Der Blonde stürmte in die Küche, kramte in irgendwelchen Schränken – ich konnte es aus meiner Position heraus nicht sehen – und als er wieder in den Flur trat, hatte er einen Gürtel, der so ein bisschen wie ein Waffengurt aussah, um seine Hüfte geschlungen. Gerade war er dabei, einen langen Mantel, den er über diesem Gurt trug, eilig zuzuknöpfen. Fast so, als hätte er etwas zu verbergen. Er schenkte mir noch ein Lächeln, warf mir einen Luftkuss zu und verschwand dann erneut. Hm. Polizist. Stimmt. Der coolste Polizist der Welt, so viel war klar! Ich hörte ein Maunzen und als ich an mir herab sah, fiel mir mein Kater auf, der mich aus seinen bernsteinfarbenen Augen ansah. Von der blauen Färbung, die er noch vor einem halben Jahr hatte, war nichts mehr zu sehen. „Ist doch so, oder? Kei ist der coolste Polizist der Welt.“ Amor maunzte erneut, tapste um mich herum und mit einem resignierenden Seufzen strich ich ihm über den Kopf, ehe ich endlich aufstand, um ihn zu füttern und die Wohnung einigermaßen auf Vordermann zu bringen. Und kaum hatte ich das erledigt, klingelte auch schon mein Handy. Ivy, wie ich erkennen konnte. Automatisch blickte ich auf die Uhr, deren kleiner Zeiger auf die Zehn gerichtet war. Typisch für ihn. Ivy hatte nämlich eine merkwürdige Wandlung vorgenommen. In letzter Zeit war er komischerweise nur noch abends ansprechbar, wollte nur noch abends proben - wenn überhaupt! -, weil er angeblich so viel zu tun hätte. Aber mir konnte er nichts vormachen! Ich war mir sicher, dass er sich in Wirklichkeit mit einem Mädchen vergnügte, das.... noch bei seinen Eltern wohnte und abends zu Hause sein musste oder so. „Mikaru! Ich muss dich unbedingt treffen!“ Das hatte ich schon lange nicht mehr von ihm gehört und irgendwie war ich einerseits glücklich, dass es jetzt gerade wieder ein bisschen wie früher war, andererseits nervte es mich, dass ich genau jetzt springen sollte, nur, weil er sich endlich mal wieder dazu herabgelassen hatte, sich bei mir zu melden. „Aahhh, ich weiß nicht... Hatte Amor versprochen, ihn heute zu bürsten...“ Ivy schnaubte und ich war mir sicher, dass er mir den Hals umgedreht hätte, wenn ich ihm gegenübergestanden hätte, während ich ihn mit einer dämlichen Ausrede abzuservieren versuchte. „Mika! Es ist mega wichtig! Und den Kater kannst du innerhalb von fünf Minuten bürsten! Das ist ein Kurzhaar!“ Recht hatte er ja. „Bitte, Alter, komm in den Stadtpark, da zur Bank beim Orchideenbeet!“ Na gut, wenn er denn so darum bat, wollte ich mich auch nicht länger zieren. Nicht, dass es nachher noch unsere Freundschaft kostete oder so. Denn möglicherweise – das fiel mir gerade ein – fühlte er sich ja auch ein bisschen vernachlässigt, weil ich mich viel mehr mit Kei beschäftigte. „Wann denn?“ „Sofort!“ Hm!? „Aber ich sehe... hm... eher bescheiden aus... Muss mich erst mal fertig machen!“ „Ach, Quatsch! Du siehst immer toll aus!“ Wow! Ein Kompliment aus Ivys Mund klang äußerst fremd, weshalb ich ein bisschen verwundert drein blickte. Sicher fühlte ich mich ungemein geschmeichelt, aber dennoch empfand ich dabei auch ein wenig Misstrauen bei der Sache. Automatisch trugen mich meine Füße zu dem Spiegel am Schlafzimmerschrank. Na ja. Ivy hatte ja wirklich Recht. Ich SAH toll aus. Meine Haare lagen perfekt, das Outfit war absolut durchgestylt und wenn ich meinem Spiegelbild zulächelte, erkannte ich darin ein absolutes Siegerlächeln. Wie ein Model. Aber man sagte ja auch immer, dass Sex glücklich machte. Und glückliche Menschen besser aussahen, weil sie ihr Glück auch nach außen hin ausstrahlten. Das konnte ich nur unterschreiben! „Stimmt! Okay, ich komme, bin gleich da!“ +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Ich traf in dem Park ein, erreichte die verabredete Stelle ungefähr eine Viertelstunde nach unserem Telefonat. Ich nahm auf der Bank Platz, zündete mir eine Zigarette an und hoffte, dass Ivy sich keinen dummen Scherz erlaubte und mich nun warten ließ. Es dauerte einen Moment, aber nachdem ich den Blick wieder von meinen Schuhen gelöst hatte, saß plötzlich eine komplett in schwarz gehüllte Gestalt neben mir, das Gesicht durch eine tief hinabgezogene Kapuze verborgen. Erschrocken stieß ich einen kurzen Schrei aus, wich vor ihm zurück und ließ beim Aufspringen meine Kippe fallen. Doch die kümmerte mich im Augenblick recht wenig. „Oh.. äh...“ Die Gestalt führte ihre Hände an die Kapuze, schob diese zurück und ich erkannte, dass es meine Verabredung war, die so plötzlich aufgetaucht war. Also eigentlich keine Grund zur Unruhe, aber mein Herz raste wie verrückt und wie um es zu beruhigen, presste ich meine Hand auf die Brust. „Bist du denn des Wahnsinns!?“, fuhr ich ihn an, versuchte, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. „Boah ey... mehr geht nicht... echt!“, murmelte ich atemlos, schüttelte währenddessen den Kopf und nestelte eine weitere Zigarette aus meiner Packung hervor. Und was tat Ivy? Er grinste verlegen, kratzte sich am Hinterkopf und blickte mich entschuldigend an. „Sorry, Mika... wollte dich nicht erschrecken!“ Ich schüttelte erneut den Kopf, grummelte vor mich hin. Was, wusste ich selbst nicht so genau. Letztendlich ließ ich mich aber wieder neben dem Spukgespenst von einem besten Freund sinken. „Ja ja.... wo kommst du überhaupt her? Und dazu in diesem Aufzug!?“ Dass Ivy ein Faible für bekloppte Kleidung hatte, wusste ich ja, aber manchmal übertraf er sich einfach selbst. Dann sagte er etwas vollkommen Unverständliches in einem Tempo, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. Und auch, wenn ich versuchte, im Nachhinein irgendeines der gehörten Wörter zu identifizieren, wollte es mir partout nicht gelingen. Es klang so ein bisschen wie die Sprache, die die Sims immer brabbelten. Und zwar rückwärts. „WAS!?“ Ivy räusperte sich, setzte dann dazu an, sich zu wiederholen. Vorsichtshalber beugte ich mich zu ihm vor, um ihn besser zu verstehen und nicht noch einmal nachfragen zu müssen. „Also... Meine Bewegungen sind einfach zu schnell, als dass deine Augen oder Ohren hinterherkommen würden...“ Es war mir vorher gar nicht aufgefallen, aber tatsächlich schien es Ivy Probleme zu bereiten, sich in einer vernünftigen Geschwindigkeit mit ihm zu unterhalten. Verrückter Kerl. Das war doch früher auch nie ein Thema gewesen. Aber wer weiß, auf welchem Trip er jetzt schon wieder war. Zumindest auf einem, bei dem er sich für eine Art Übermensch zu halten schien. Oder so. „Mika...“, setzte der Brünette erneut an, sah dabei verlegen zu Boden und ich entschloss mich dazu, erst einmal gar nichts zu sagen, sondern einfach nur abzuwarten. Denn ich war mir sicher, dass sich mir jetzt der Grund unseres Treffens offenbaren würde. Ich vermutete, dass Ivy mir jetzt gestehen würde, dass er Drogen nahm. Aber ich hielt mit meinen Vorurteilen lieber noch zurück, bevor’s peinlich wurde. „Ich... ich musste dich unbedingt sehen. Es... gibt da etwas, worüber ich mit dir sprechen muss... was ich dir gestehen muss, um genau zu sein...“ Mein bester Freund blickte vom Boden kurz zu mir auf, lächelte ein bisschen debil und sah dann wieder in irgendeine Richtung. Oh nein! Jetzt tat sich mir ein völlig neuer Gedanke auf. Und zwar einer, der mir beinah... nein, WESENTLICH weniger gefiel als meine Drogentherapie und sofort versuchte ich, mich innerlich zu wappnen und mir Gründe auszudenken, die ich Ivy entgegenbringen konnte, falls er das aussprach, was ich befürchtete. Ich wünschte mich jedenfalls ganz ganz weit weg von hier. „Es ist so... es belastet mich jetzt schon eine ganze Weile und es ist so SCHWER, dich jeden Tag zu sehen...“ Es schnürte mir beinahe die Kehle zu und ich wusste nicht, ob ich weglaufen oder vor lauter Widerwillen brechen sollte. Ich wollte das nicht hören, ganz sicher nicht! Nicht von ihm! Er sah ja noch nicht mal aus wie Kei! Aber jetzt ergab auch dieses merkwürdige Kompliment einen Sinn! Ivy wollte weiter sprechen, aber ich unterband es, in dem ich einfach dazwischen funkte. „Wow, nein, halt!!“, rief ich aus, stand von meinem Platz auf, stellte mich ihm gegenüber, eine Hand in die Seite gestemmt, die andere wild gestikulierend. „Halt, halt, halt!“ Ivy blickte verwirrt auf, setzte dazu an, mich nun zu unterbrechen. „Nein, jetzt bin ich mal dran! Pass auf, Schätzchen, ich habe schon GENUG Fan Fictions über mich und andere gelesen, um zu wissen, was du mir jetzt sagen willst!! Und ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass du mich an einen so einsamen Ort zwingst, um mir deine Liebe zu gestehen. Das ist hinterlistig und hättest du mir auch am Telefon sagen können. Außerdem bin ich glücklich mit Kei. Der ist schon anstrengend genug. Und außerdem haben wir uns gerade vor Kurzem ein neues Bett gekauft – das war teuer!! Und ich will mir nicht schon wieder ein neues kaufen müssen! Und außerdem bist du hetero, Mann! Und wir sind Freunde! Mach das doch nicht kaputt!“ Tja, Vorbereitung war eben die halbe Miete. Der Brünette verstummte, blickte mich nun allerdings noch verwirrter mit halb offen stehendem Mund und einer in die Höhe gezogenen Augenbraue an. „Alter!“, stieß er aus, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust, sah mich aber noch immer so dämlich an. In etwa so, wie ein Schwein ins Uhrwerk. „Du liest Fan Fictions über dich!?“ Aha! Das andere stritt er also nicht ab! „Ja, sicher. Wieso? Ist das komisch...?“ Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern und zugegeben: ein bisschen verunsichert war ich schon. „Ein bisschen schon...“ „Egal! Auf jeden Fall hast DU mich sogar in einer vergewaltigt, du Schwein! Weil ich dich abgewiesen habe!“ „Hä?? „Du Schwein“??? Was kann ich denn dafür, dass die Fans so einen kranken Scheiß schreiben!?“ Gute Frage, keine Ahnung. Aber irgendwie hatte ich gehofft, dass Ivy sich dann ertappt fühlte und für den Fall, dass er solche Pläne hatte, sie spätestens jetzt aufgab. Aber entschuldigen würde ich mich jetzt ganz sicher nicht für diese Beleidigung! „Egal. Schwamm drüber. Ich wollte dir sowieso keine Liebe gestehen.“ Nicht? Ich wurde wieder hellhörig, war aber immer noch außer mir vor Aufregung. Denn irgendetwas stimmte mit Ivy ganz und gar nicht. Erst das mit dem Tempo, dann diese Andeutungen. Deswegen blieb ich lieber gleich stehen. Das war besser, als andauernd aufzuspringen, wenn mein bester Freund etwas Merkwürdiges von sich gab. „Pass auf!“ Nun stand mein Bassist auf, stellte sich ein Stück von mir entfernt hin und streckte seinen rechten Arm aus. In der dazugehörigen Handfläche loderte ein Feuerball auf, den er daraufhin mit irgendwelchen magischen Kräften gegen den nächsten Baum schleuderte. Kurz entflammte dieser, Ivy verstand sich aber auch aufs Löschen. Und ich fand das faszinierend! „Wow!! Wie krass ist das denn!? Du bist ein Zauberer! Das können wir mal für’n Musikvideo nutzen! Hammer cool, wie hast du das gemacht!?“ Begeistert blickte ich meinen Freund an, griff nach dessen Handgelenk, um die Zauberhand begutachten zu können. Aber etwas Verdächtiges konnte ich darin nicht finden. Ein echter Künstler. „Und, fällt dir was auf?“, hakte er nach, nachdem ich mir die Hand schon hin und her gedreht hatte, um jeden Winkel zu überprüfen. „Nö. Du bist vollkommen normal, glaube ich.“ Ein Klatschgeräusch erklang, als Ivy sich mit der freien Hand gegen die Stirn schlug. „Hmm... Temperatur, vielleicht...?“ Guter Tipp, wie ich fand. Und tatsächlich wurde mir jetzt bewusst, dass sich mein bester Freund ziemlich kühl anfühlte. „Na ja, ich dachte eher so an... hm... Kabel und Drähte... Feuerwerfer. Aber ja, du bist ganz schön kalt.“ „Mikaru...“ Ivy entzog mir seine Hand, seufzte ergeben auf und wechselte dann seine Taktik. „Okay. Mika. Lassen wir das mit den Ratespielchen, sonst stehen wir hier noch morgen Früh. Ich sag’s dir jetzt einfach, also halt dich fest, ja?“ Wie gewünscht, stützte ich mich daraufhin an der Lehne der Bank ab. Man konnte ja nie wissen...! „Also... ich kann zaubern. Und ich bin eiskalt. Ich bin jetzt seit genau zwei Wochen tot.“ ++++++++++++++++++++++++++++++++ Wie gut, dass ich auf Ivy gehört hatte. Sich abzustützen war das Beste, was mir passieren konnte. Das wurde mir in dem Moment bewusst, in dem meine Beine nachzugeben drohten. Langsam ließ ich mich wieder auf die Bank sinken, betrachtete meinen Freund unschlüssig. Ivy riss viele komische Scherze, aber niemals hatte er einen so schwarzen Humor, dass er Witze über seinen Tod oder über den eines anderen machen würde. Dafür kannte ich ihn einfach zu gut. Mein kleiner Ivy... aber... so... ich meine, SO tot konnte er ja gar nicht sein. Dann würde er nicht vor mir stehen. Schlagartig fiel mir mein Vampirroman ein. Wie hieß er noch? Ach ja... Meet me in the dark. Triff mich im Dunklen. Hah, das passte! Dunkel war es allemal. Und zaubernde kalte Vampire gab es darin auch. „Du bist ein Vampir...?“, hörte ich mich hauchen und entschloss mich dazu, ihn über alles auszufragen, damit ich es für meine eigenen Vampirstudien nutzen konnte. Später. „Ja“, flüsterte er zurück, sah mich traurig, fast schon schuldbewusst an. „Scheiße! Wenn das Erina erfährt!! Der flippt aus!! Der ist ja jetzt schon so bockig, weil du ständig die Proben absagst oder zu spät kommst!“, weihte ich ihn in Erinas Gefühlswelt ein, sah ihn mitleidig an. Echt blöd. „Ehrlich gesagt, will ich auch nicht immer nur nachts proben...“, gestand ich ihm. Im Winter mochte es ja gehen, aber wir befanden uns immerhin in der Jahreszeit mit den kürzesten Tagen. Und dann so was! „Mann, wie konnte das nur passieren!?“ Bisher hatte Ivy geschwiegen, doch jetzt setzte er sich wieder zu mir, knetete die Hände in seinem Schoß. Aber eine Antwort gab er mir trotzdem nicht. Stattdessen wechselte er ohne erkennbaren Grund das Thema. Halbwegs, zumindest. „Verstehst du jetzt, warum es mir immer so schwer fällt, in deiner Nähe zu sein? Du riechst immer so gut... besser als die anderen. Und... du bist der Einzige, dessen Gedanken ich nicht verstehe...“ Hmmm! Da gab es doch auch einen Roman, dessen war ich mir sicher! Einen Moment kramte ich in meinem Gedächtnis, ehe mir bewusst wurde, dass sich dabei um eine Buchserie namens „Biss zum ...“ handelte. Und Ivy war Edward und ich seine Bella. Sozusagen. Ob ich nun wollte oder nicht, es war so. „Du meinst, weil ich so mysteriös bin?“, hakte ich lächelnd nach. Ehrlich gesagt, staunte ich auch über mich selbst, dass ich nicht einmal annährend so schockiert war, wie es wohl jeder andere in meiner Situation wäre. „Nein, weil in deinem Kopf nur vollkommen wirrer Trash rumflattert!“ Boah!! „Also ich finde mich sehr gut in meinem Kopf zurecht! Und du hast da auch nix drin zu suchen!“, versicherte ich meinem Kumpel und wollte mich gerade zu ihm umdrehen, als plötzlich eiskalte Hände meinen Hals umfassten und ich einen Moment später Ivys Gewicht auf mir spürte. „Was zum..!?“ Mehr brachte ich nicht heraus, denn die rot leuchtenden Augen blickten wild auf mich herab. Nur einen Moment, in dem ich nicht mal dazu kam, einen Gedanken zu fassen, dann schnellte Ivy Kopf herab und spitze Zähne bohrten sich in meinen Hals, durchstießen meine Hauptschlagader und ich spürte, wie ich mehr und mehr mein Blut verlor und Ivy sich davon nährte. „Prima! Echt!“ Glas splitterte und fiel in Tausenden von Scherben zu Boden. Blut tropfte von meiner Hand. Ich war wütend. Richtig wütend! Ich war soeben gestorben. Und als wäre das nicht schlimm genug, sahen Ivy und ich aus als wären wir Opfer eines Massakers geworden! Nun gut. Ich war es ja auch. Und Ivy war der Täter. Und meine Kleidung war auch mitunter kaputt. Viel heruntergekommener konnte man schon gar nicht mehr aussehen. Das ahnte ich zumindest, aber ich wusste es nicht genau. Denn ein Spiegelbild hatte ich nicht mehr, wie ich in eben diesem Moment hatte feststellen müssen. Deswegen hatte mein Handspiegel das Zeitliche segnen müssen. „Ist dir ein bisschen langweilig, oder was!?“, brüllte ich, ging schnellen Schrittes auf den anderen zu, packte ihn am Kragen und zog ihn nah an mich heran. Alles, was er bisher zu seiner Entschuldigung gesagt hatte, war, dass es ihn einfach überkommen war und er Durst hatte und dass er ja schließlich auch vor zwei Wochen ungefragt verwandelt wurde. Von wem, wusste er aber selbst nicht. Angeblich. Na ja. Und er könne sich sowieso keinen besseren Begleiter als mich vorstellen. Außerdem hatte er Angst, dass ich ihn im Stich lassen würde, wenn ich Mensch bliebe. Als wenn ich wie ein Verräter aussehen würde! „Es TUT mir LEID!“, wiederholte er sich, allmählich schon ein bisschen genervt. Aber da musste er durch. Niemand ärgerte Mikaru! Schon gar nicht mit so üblen Scherzen! „Ja, schön! Wie soll ich das denn jetzt Kei erklären!? „Hallo Schatz! Wir können das neue, teure Bett aus dem Fenster werfen, ich brauche jetzt einen SARG!“ So vielleicht!?“, fragte ich aufgebracht und mir wurde jetzt schon schlecht bei dem Gedanken, Kei nachher gegenüber zu stehen und ihm irgendwie beibringen zu müssen, dass mein Körper jetzt nicht mehr heiß wurde, wenn er mich berührte. Oh Mann! „Ist dir vielleicht aufgefallen, dass ich dir gerade das Leben genommen habe!? Und alles, was dir dazu einfällt, ist dir darüber den Kopf zu zerbrechen, wie du’s Kei sagst!?“, fragte er fast schon aufgebracht, ehe er sich aus meinem Griff heraus wand. „Vielleicht solltest du mal deine Einstellung überdenken“, riet mir mein kleiner blutsaugender Kumpel, nachdem er sich in einiger Entfernung in Sicherheit gebracht hatte. Wieder, wie auch vorhin bei seinem kleinen Kunststück, streckte er seine rechte Hand aus und verschwand dann so einfach mir nichts, dir nichts hinter einer Nebelwand. Ich wollte ihn noch greifen, ihn nicht so einfach davon kommen lassen, aber es war bereits zu spät. Verdammt! Ohne, dass ich es selbst steuerte, schlug meine Faust, die inzwischen wieder komplett verheilt war, auf den Stein neben mir. Erst jetzt realisierte ich, dass das Orchideenbeet eigentlich keines war, sondern ein Grab. Und der Stein neben mir ein Grabstein. Ich untersuchte ihn genauer, konnte die Inschrift aber nicht entziffern, da sie immer wieder vor meinen Augen verschwamm, wenn ich es versuchte. Nach kurzer Zeit gab ich es auf, ließ den Stein Stein sein und blickte mich stattdessen in der Gegend um. Hatte die Trauerweide vorhin auch schon hier gestanden? Sicher, redete ich mir selbst ein, wo sonst sollte so plötzlich ein so großer Baum herkommen? Und was die anderen Gräber ringsum, die mir erst jetzt auffielen, anging, so nahm ich an, dass ich sie vorhin schlicht und einfach übersehen hatte. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich vorhin doch eindeutig den Park aufgesucht und betreten hatte. Ich seufzte auf, hielt mir den Kopf, wie um meine Gedanken zusammen zu halten und mir zuzusichern, dass ich nicht drauf und dran war, allmählich verrückt zu werden. Sicher war es Ivy... Er musste meine Ohnmacht ausgenutzt und mich hierher verschleppt haben. Und jetzt stand ich hier auf einem gruseligen Friedhof, eingehüllt von blutiger, zerrissener Kleidung, alleine mit den Raben, die auf knorrigen Bäumen saßen und ihr schauriges Lied sangen. Ich blickte zu ihnen auf und unweigerlich schlich sich das ungute Gefühl ein, dass ich mich wohl damit abfinden müsse, dass Plätze wie dieser zu meinem neuen Zuhause wurden. Es sei denn, Kei ließ zu, dass den ganzen Tag die Jalousien zugezogen blieben. „Mann ey... wie sag ich’s ihm nur...?“, murmelte ich vor mich hin, kickte einen kleinen Stein von mir weg, während mich meine Beine über diesen gespenstischen Platz trugen. „Was denn?“, fragte mich eine nur allzu vertraute Stimme sanft, aber auch irgendwie herausfordernd. Ruckartig drehte ich mich in die Richtung, in der ich sie geortet hatte. Und da stand er – lässig an einen Grabstein gelehnt, die Hände in den Manteltaschen, eine Augenbraue fragend - nein, lauernd - in die Höhe gezogen und sexy wie eh und je. Sofort lief ich auf ihn zu, glücklich, endlich wieder ein bisschen Wärme in meine kalte neue Welt zu bekommen. Ich schloss ihn in meine Arme, lehnte meinen Kopf an dessen warme Schulter und spürte augenblicklich, dass das ein Fehler war. Zumindest, wenn ich ihm schonend von meinem Schicksal berichten wollte. Aber wenn ich ihn umarmte, KONNTE ihm gar nicht entgehen, wie kalt ich war. Ein bisschen peinlich berührt, ließ ich von ihm ab, suchte gleichzeitig nach passenden Worte und er... er zückte sein Handy, beschäftigte sich damit. Einfach so! Obwohl ich doch total aufgelöst war! Ich fand es ja auch toll, dass man Dank moderner Technik mit dem Handy überall und jederzeit mobil ins Internet kam, aber das hier sprengte den Rahmen dann doch schon ein wenig! Um die Aufmerksamkeit wieder auf meine Seite zu bekommen, räusperte ich mich kurz und noch bevor ich meinen Gedanken zuende formuliert hatte, sprudelte es einfach aus mir heraus: „Kei! Ich... ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll! Es...“ Kei blickte von seinem Handy auf, lächelte mich nachsichtig an. „Mika... Ich weiß, was du mir sagen willst...“ Hm!? Also das überraschte mich nun wirklich und ließ mich meinen Ärger über seine Ignoranz – er hatte nicht einmal mein zerfetztes Shirt kommentiert! – für einen Moment vergessen. „Woher?“, fragte ich und sicherlich hätte man es mit dem Wort „atemlos“ beschreiben können, wenn ich nicht gerade ein Vampir geworden wäre. „Ach, komm schon, Mika!“, stieß er ein wenig genervt aus, ehe er wie selbstverständlich fortfuhr: „Ich folge dir auf Twitter und stalke deinen Blog auf Ameblo! Glaubst du, ich verstehe deine Posts nicht, wenn du schreibst „I am a vampire“!? Soviel Englisch kann ich auch noch...“ Ah, ich konnte es nur immer wieder sagen: Kei war einfach ein Fuchs!! Oder Sherlock Holmes. „Oh...“ Plötzlich stieß Kei sich von dem Grabstein ab, trat auf mich zu und weil währenddessen keinerlei Zärtlichkeit in seinem Blick lag, wich ich vorsichtshalber vor ihm zurück. Und jetzt war ich mir beinahe sicher, dass hier irgendetwas absolut nicht stimmte – Kei würde mich niemals so ansehen! Und wenn doch, dann war ich echt sauer! „Und, wie gefällt’s dir nun? Du wolltest doch immer mal wissen, wie es sich anfühlt, ein echter Vampir sein, richtig?“, unterbrach Kei meine Gedanken, schlug eine Seite seines Mantels zurück, entblößte den Waffengurt, den ich schon vorhin in der Küche gesehen hatte. Und wenn mir jetzt eines bewusst wurde, dann, dass es allerhöchste Zeit war, dieses dämliche Lob von wegen Kei sei der coolste Polizist der Welt zurück zu nehmen! Wieder trat ich zurück, soweit, bis mein Weg durch einen weiteren Grabstein abgeschnitten wurde. Hatte ich „ein Grabstein“ gesagt? Nein, es waren unzählige... Na ja, nicht unzählige, aber mir fehlte gerade eindeutig die Zeit dazu, sie durchzuzählen, denn mein lieber Freund stand jetzt direkt vor mir, hielt einen Pflock in die Höhe, genau dort, wo mein Herz bis vor Kurzem noch geschlagen hatte. Nüchtern betrachtet, eine echt blöde Situation, wie ich fand. „Na, sag schon, Mika? Oder wollen wir bis zum Morgengrauen hier stehen?“ Hmm... ich konnte mir nicht erklären, warum, aber in diesem Augenblick war ich mehr als alles andere einfach nur noch angenervt. Und zwar von diesem hässlichen Tonfall, mit dem Kei plötzlich mit mir sprach. Fast so, als wäre ich ein unartiges Kind. „Hallo!? Merkst du dich eigentlich noch!? Wieso tust du denn jetzt so obercool? Nur, weil du plötzlich Buffy bist!?“, rief ich ungehalten, aber noch ehe ich mich versah, spürte ich auch schon seinen Ellbogen in meinem Gesicht. Also wirklich! Selbst, wenn es ihm nicht gefiel, als Buffy bezeichnet zu werden, war das noch lange kein faires Mittel! Und, Mann, das tat echt weh! Und es schockierte mich auch, dass mein Freund überhaupt zu so etwas in der Lage war. Denn so hatte ich ihn absolut nicht eingeschätzt. Und das erkannte er wohl auch an meinem Blick, der ihn stumm und verständnislos musterte. „Hm... gefällt dir wohl nicht so. Na ja... dann geh am besten zurück, wo du herkommst.“ Wieder hob er den Pflock, den er mit der rechten Hand umklammert hielt. Wieder der Schmerz in meinem Gesicht, obwohl ich mir dieses Mal sicher war, dass er nichts anderes tat, als mit gezückter Waffe vor mir zu stehen. Und noch einmal. Dieses Mal erinnerte es mich aber eher an eine Ohrfeige, die aus dem Nichts kam. Kei registrierte es nicht einmal. Stattdessen ließ er den Pflock auf mich nieder rasen und ich schloss die Augen. Innerlich verabschiedete ich mich noch von Kei. Denn auch, wenn er böse und skrupellos und irgendwie eher wie Buffy war – es war immer noch Kei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)