Drei Jahre in Hong Kong von Minerva_Noctua (KaRe) ================================================================================ Prolog: Surprising Secrets -------------------------- SURPRISING SECRETS Projekt: Winter-/Frühlingswichteln 2o11 des KaRe-FF-Zirkels http://animexx.onlinewelten.com/community.php/KaiXRay_FFZirkel/beschreibung/ Thema: Krankheiten Wichtelopfer: Shayd_chan Genre/Warnung: Shonen-Ai Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören Takao Aoki. Mir gehören die Handlung und die Idee. Autorenkommentar: Die Vorgaben stammen von Atem; ich hoffe Shayd_chan sagt die Geschichte zu. Die betreffende Krankheit in Kombination mit dieser Person war doch eine knifflige Angelegenheit. Die Umsetzung hat mir aber riesigen Spaß gemacht^^! Enjoy reading! Als sich Kenny auf den Stuhl im Wartebereich des Hong Konger Krankenhauses setzte, überkam ihn erneut eine Welle des Zweifels. Womöglich war ja doch nichts und er war nur mal wieder hysterisch. Dann würde er sich darüber zu Tode ärgern, sich in einem fremdsprachigen Krankenhaus blamiert zu haben. Aber andererseits, schallt sich der Braunhaarige, wenn doch was war, dann würde er es bereuen so feige gewesen zu sein. So blieb er mit zusammengebissenen Zähnen sitzen und nur die in seiner Hose verkrallten Finger gaben Aufschluss über sein Unwohlsein. „Kenny?“ Völlig aus seinen Gedanken gerissen, schaute der Angesprochene perplex auf. Kannte er diese Stimme nicht? „Tatsächlich! Was machst du hier?“ „Rei?“ „Genau der.“ Kenny traute seinen Augen nicht. Vor ihm stand ein junger Mann im weißen Kittel und mit langen schwarzen Haaren, die er zu einem lockeren Zopf zusammengebunden trug. Die freundlichen Augen betrachteten ihn erfreut und neugierig: „Was machst du in Hong Kong?“ „Ich arbeite für Apple und bin geschäftlich hier“, erklärte der Braunhaarige mit nervösem Lächeln. „Nicht schlecht. Aber es war ja zu erwarten, dass du was mit Informatik machst.“ „Und was ist mit dir? Du bist Arzt?“ Kenny rückte erstaunt seine Brille zurecht, „Ich hätte immer gedacht, du wirst was mit Sport oder Gastronomie machen.“ Rei strahlte ihn an: „Ja, aber nach einem Praktikum im Krankenhaus... Jetzt bin ich Gynäkologe.“ „Wow!“ „Und was führt dich her? Du siehst gesund aus. Wartest du auf jemanden?“ Kenny sah ratlos zurück: „Äh... na ja...“ „Mr. Chou? It’s your turn“, meldete sich die Krankenschwester zu Wort und bedeutete Kenny die Richtung, in der er das Behandlungszimmer finden würde. Rei sah zu der Schwester, dann zu seinem ehemaligen Teamkamerad: „Chou?“ Der Braunhaarige ließ ergeben den Kopf sinken, als er zu der Frau sagte: „Thank you.“ Rei setzte sich auf den leeren Platz neben Kenny und starrte ihn von der Seite fragend an: „Also Mr. Chou, seit wann heißen Sie Chou?“ Kenny bemitleidete sich sehr: „Ich will nicht, dass mich hier einer kennt“, flüsterte er mit roten Wangen. „Warum?“ Im Kopf des Schwarzhaarigen begann es zu rattern. „Äh... Ich... na ja... Es ist ja nur eine Routineuntersuchung. Ich will die Pferde nicht scheu machen. Mein derzeitiger Chef ist recht streng“, stotterte er mit hochrotem Kopf. Die goldenen Augen blitzten verstehend auf: „Du hast ein Problem im Intimbereich, oder?“ Kenny starrte ihn fassungslos an, froh, dass seine geweiteten Augen durch den Pony nicht zu sehr auffielen: „W... was? Woher...?“ Stand es auf seiner Stirn geschrieben? „Ach, diese Begründung ist Gang und Gebe. Wenn du willst, kann ich mir das ja mal ansehen. Ich bin zwar Facharzt für Frauenheilkunde, aber damit kenne ich mich zur Genüge aus.“ Kenny war so überrumpelt, dass er kein Wort mehr herausbekam. Rei hingegen sah ihn erwartungsvoll an. Er war es gewohnt mit komplizierten Patienten und heiklen Krankheiten umzugehen. Im Verhalten unterschieden sich Männer und Frauen diesbezüglich kaum. Unter dem braunen Haarschopf arbeitete es wie wild. Sollte er es machen? Rei war schon immer kompetent und verlässlich gewesen. Nie hatte es Anlass gegeben ihm ernsthaft zu misstrauen. Ein geradliniger Typ, mit dem man doch über alles reden konnte, nicht wahr? Kenny nickte zaghaft. Im Gegensatz zu dem anderen Arzt verstand der goldäugige Chinese wenigstens seine Sprache einwandfrei. „Gut. Komm mit. Raum 5 müsste frei sein.“ Keine zwei Minuten später stand der Braunhaarige in Unterhosen vor dem jungen Arzt und sah ihn unsicher an. Rei schien sich nicht das Geringste zu denken: „Leg dich bitte da hin und mach dich untenherum komplett frei.“ Der Chinese streifte sich Handschuhe über und stellte sich neben die Liege: „Nicht erschrecken, meine Finger sind kühl.“ Behutsam tastete er den Genitalbereich ab und stutze leicht: „Hattest du vor etwa vier bis fünf Wochen ungeschützten Sex? Hast du irgendwelche Beschwerden?“ Kenny wünschte sich ganz weit weg ins letzte Mauseloch, aber es half nichts: „Ja, eine Kollegin. Und nein, mir geht es sonst gut“, stammelte er tapfer. Rei zog die Augenbrauen zusammen: „Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es Syphilis. Ende Primärphase, wie man an den abschwellenden Lymphknoten im Beckenbereich spüren und dem kleinen Knoten, den Ulcus durum, hier am Penis sehen kann. Normalerweise wird sie nicht so früh entdeckt, weil sie in dieser Phase noch keine Schmerzen verursacht. Gut, wir machen jetzt noch einen Bluttest, um sicher zu gehen. Wenn sich meine Annahme bestätigt, können wir die Krankheit mit Penicillin therapieren. Das wird wieder.“ Der Schwarzhaarige zog sich die Handschuhe von den Fingern und beobachtete seinen alten Freund, wie er sich völlig zerstreut und mit zitternden Händen wieder anzog. Kenny fehlten buchstäblich die Worte. Er hatte ja geahnt, dass es eine Geschlechtskrankheit sein könnte. Aber es zu wissen, war wieder etwas anderes. Sein Magen krampfte sich vor Wut zusammen. Er fühlte sich dreckig, benutzt und unsagbar dumm. „War das nur diese eine Frau?“, ließ ihn zu Rei aufschauen. Kenny rückte seine Brille zurecht, als er sich gegen die Liege lehnte: „Ja. Ich habe später erfahren, dass sie unter der Mannschaft hier recht rumkommt.“ Wie konnte er nur so blind gewesen sein? Der Chinese verschränkte die Arme: „Du musst ihr sagen, dass sie wahrscheinlich krank ist und sie verpflichten den anderen Männern bescheid zu geben. Diese Krankheit endet tödlich, wenn man sie nicht behandelt und kann im späten Stadium für bleibende Schäden sorgen. Sie ist wirklich gefährlich.“ „Ich weiß.“ Kenny biss die Zähne zusammen. Da würde ganz schön Ärger auf ihn zukommen. Rei nahm sich eine Ampulle und Nadel aus dem Schrank: „Ich brauche deinen linken Arm.“ Tapfer ließ sich der Japaner das Blut abnehmen und wartete alleine im Behandlungsraum, während Rei die Probe ins Labor brachte. Während er wartete, dachte Kenny noch einmal über seinen ersten Arbeitstag in Hong Kong nach. Alles war neu und aufregend nach den langen Jahren in San Francisco gewesen. Endlich durfte er beweisen, dass er auch im Bereich Marketing und Vertrieb glänzen konnte. Die AG, mit der er im Jahr den Löwenanteil seiner Zeit verbringen sollte, stellte sich als sehr fähig und freundlich heraus. Gleich am ersten Abend war ihm eine junge IT-lerin aufgefallen. Eine indische Schönheit mit tiefbraunen Augen, die einem alles versprachen, was man sich nur denken konnte. Diese unsäglichen Augen hatten ihn innerhalb einer Woche umlullt und verführt. Er war ihr so ergeben, dass er auf all seine Grundsätze und damit auch das Thema Verhütung verzichtet hatte. „Ich nehme die Pille“ hatte sie gesagt. Nur half die Pille nichts bei Geschlechtskrankheiten. Der Braunhaarige war so verknallt gewesen, dass es geschlagene zwei Wochen gedauert hatte, bis er die amüsierten Blicke der Kollegen bemerkte. Erst als er einen Kollegen, mit dem er am besten auskam, fragte, was es damit auf sich hatte, erfuhr er von dem ungemeinen Erfolg der hübschen Frau bei fast allen Männern der Abteilung. Abgesehen von der allgemeinen Enttäuschung und dem bodenlosen Scham, gesellte sich eine leise Angst zu seinen Empfindungen. Kenny war durchaus nicht entgangen, dass ungeschützter Sex mit verschiedenen Geschlechtspartnern einen Haken haben konnte. Und verbunden mit seiner ohnehin hysterischen Veranlagung dauerte es nicht lange, bevor er das Gras wachsen hörte. Als er auch noch entdeckte, dass die Lymphknoten leicht angeschwollen waren, hatte er sich bei dem nächstmöglichen freien Termin auf den Weg ins Krankenhaus gemacht. Anscheinend war das auch goldrichtig gewesen. „Also Kenny, der Test auf die unspezifischen Antikörper ist positiv ausgefallen, was zusammen mit den Symptomen ganz eindeutig auf Syphilis schließen lässt. Zwei Wochen Penicillin und es sollte überstanden sein. Trotzdem solltest du dann zur Nachuntersuchung kommen. Du verträgst Penicillin doch immer noch, oder?“ Rei war plötzlich aufgetaucht und stand nun vor ihm, die Arme in die Seiten gestemmt. Kenny kam nicht umhin seine aufrechte Haltung und seinen seltsam strengen Blick als „typisch Arzt“ zu identifizieren. „Ja, klar. Ich danke dir. Kannst du mir ein Rezept ausstellen?“ „Ja“, Rei neigte etwas den Kopf, „Du weißt schon, das und wie man verhütet, oder?“ Kenny wurde schlagartig rot: „Ja, ja, natürlich. Es war ein Versehen. Das ist noch nie passiert.“ „Das sollte es auch nicht. Es ist heutzutage nicht mehr nötig für Sex seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Man sollte immer verhüten; die Kondome sind dünn genug, um genug Spaß zu haben und dabei gesund zu bleiben. Und wenn man keins mehr benutzen möchte, kann man sich und den Partner vorher gründlich durchchecken lassen und einen AIDS-Test machen. Es passiert ja auch mit Kondom noch genug. Aber man sollte sein Glück und das des Partners nicht dermaßen herausfordern.“ Rei hatte diese Predigt schon unzählige Male gehalten und diese Sache diesmal ausgerechnet Kenny näher zu bringen, war zwar recht seltsam und unter anderen Umständen sogar lustig, aber der Schwarzhaarige war zu beherrscht, um sich etwas anderes als Professionalität unterstellen zu lassen. Sein Patient starb dennoch tausend Tode vor Scham und versuchte krampfhaft sachlich zu bleiben. Er hatte einen Fehler gemacht, der nicht hätte passieren dürfen und es war Reis Aufgabe als Arzt ihn aufzuklären und zu belehren. Außerdem waren sie Freunde und der Chinese wollte sicherlich nur das Beste für ihn. Eigentlich konnte Kenny froh sein, dass es kein Fremder war, der ihn nicht kannte und sonst was von ihm gehalten hätte. Der kranke Ausländer, zu dumm, um ein Kondom überzustreifen und womöglich Chinesinnen verführte und ansteckte. Eine fürchterliche Vorstellung! Purer Horror. „Wie bezahle ich dich? Ich habe noch gar niemandem meine Versichertenkarte gegeben“, fiel Kenny nun ein. Rei schmunzelte: „Gar nicht. War ein Freundschaftsdienst.“ „Nein, wirklich. Ich möchte mich bei dir entgeltlich zeigen.“ Der Chinese fuhr sich unters Kinn, überlegte: „Ich habe einen neuen iMac, ein neues Netzwerk und kenne mich damit null aus.“ „Ich habe Zeit. Wo wohnst du?“ Rei schaute auf die Uhr und lächelte: „Ich habe seit gut zehn Minuten Feierabend, wir können sofort gehen.“ Kai war ein ungeduldiger Mensch. In Bewerbungsgesprächen war das seine Schwäche Nummer eins, die er gut als einen positiven Charakterzug zu verkaufen wusste. Aber im realen Leben trieb er damit sich und seine Umwelt in den Wahnsinn. Er lief jetzt bestimmt zum hundertsten Mal durch die ganze Wohnung und schaute aus jedem Fenster heraus. Er wusste, dass es oft später wurde, trotzdem war er bisher nicht in der Lage gewesen sein Gemüt etwas abzukühlen, nein, er lief jedes Mal wie ein verrücktes Huhn durch die Gegend. Endlich hörte er den Schlüssel im Türschloss und mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen positionierte er sich im Türrahmen. Doch als die Tür aufgezogen wurde, sollte ihm das Grinsen schnell vergehen. Rei ahnte nichts böses, als er zusammen mit Kenny in das hohe Appartementhaus schritt und Minuten später die Haustüre aufsperrte und aufzog. Er erstarrte und staunte nicht schlecht bei dem Anblick, der sich ihm bot, geschweige denn, dass Kenny realisierte, was er sah. Vor ihnen stand ein junger Mann in einem langen schwarzen Ledermantel. Nur mit dem Ledermantel. Kenny fand die Mimik des Mannes, den er kannte, aber bei Gott jetzt nicht zuordnen konnte, faszinierend. Sie wechselte von lasziv grinsend in ein überraschtes Augenweiten, dann in Erkenntnis und schließlich färbte sich die Haut rot und die Augenbrauen zogen sich zusammen und formten eine tiefe Zornesfalte. Es dauerte keine drei Sekunden und ihnen wurde die Tür wieder vor der Nase zugehauen. Kenny erkannte jäh: „War das Kai???“ Rei neben ihm schien aus seiner Schreckstarre zu erwachen und sah ihn etwas blass an: „Äh, ja.“ „Was macht Kai halbnackt bei dir in der Wohnung?“ Kenny war noch zu irritiert, um die Bedeutung dieser Feststellung zu begreifen. Hallo? Kai war normalerweise vom Erdboden verschluckt und tauchte nur zu Beyblade-Turnieren auf. Sie hatten sich vor elf Jahren das letzte Mal gesehen. Der Schwarzhaarige verstand die Frage allerdings nur zu gut und rang nach einer passenden Antwort, doch da fiel ihm ein: „Das weiß ich eigentlich auch nicht so genau.“ Mit fragendem Gesichtsausdruck öffnete er vorsichtig erneut die Haustür, als handle es sich um einen Raubtierkäfig. Nun, war es in gewisser Weise wohl auch. Im kleinen Flur war zumindest nichts mehr von Kai zu sehen, doch noch während sie sich auszogen, roch Rei den signifikanten Duft von ausgemachten Kerzen. Verwundert huschte der Chinese in die Küche, wo auf dem gedeckten Esstisch zwei große weiße Kerzen standen, die noch leicht rauchten. Auf den Tellern lagen allerlei japanische Köstlichkeiten, alles Kaltspeisen, wie Rei es nach der Arbeit gerne hatte. In Reis Kopf arbeitete es wie wild. Er hatte etwas vergessen, oder? Kenny stand hinter ihm und lugte neugierig in die große Küche und auf den romantisch gedeckten Tisch. Hatte Kai das gemacht? Kaum wollte der Braunhaarige zu einer Frage ansetzten, hörte er hinter sich eine Tür zuschlagen und erkannte noch kurz Kais Silhouette, bevor der mit Rei in der Küche verschwand, deren Türe ihm vor der Nase zugehauen wurde. „Eh... hallo?“ Verwirrt starrte er auf das dunkle Holz, drei Millimeter von seiner Nase entfernt. „Hey! Nicht so grob!“ Rei machte einen Satz zurück, um von Kai Abstand zu gewinnen. Er hasste es herumgeschleift oder wie in diesem Fall –geschoben zu werden. Kai schnaubte wie ein Stier, nun mit einem dunkelblauen Hemd bekleidet, dass nachlässig über einer schwarzen Jeans hing: „Was fällt dir ein einfach so unangemeldet hier mit jemandem aufzutauchen? Ausgerechnet heute?“ Rei wusste, er hatte etwas Wichtiges vergessen, doch sein Hirn war wie zugenagelt: „Äh, das ist Kenny und...“ „Das hab ich gesehen!“, unterbrach Kai ihn harsch. „Und er war heute bei mir im Krankenhaus...“ „Toll!“ „Ich habe ihn behandelt und als Dankeschön richtet er meinen Computer ein“, erklärte der Chinese hastig. „Und warum zum Henker rufst du nicht an? Du weißt schon, mit diesen kleinen Teufelsgeräten namens Handy.“ Kai war stinksauer. Rei bewegte sich auf sehr dünnem Eis: „Ich wusste nicht, dass das nötig ist.“ „Ah ja?“ „Ich dachte, du bist heute gar nicht da“, wandte er vorsichtig ein und schaute zaghaft in die roten Augen vor ihm. „Wie bitte?“, rief Kai aufgebracht, „Wer wollte denn, dass wir den Jahrestag feiern? Wer hat mich denn darum gebeten etwas vorzubereiten?“ Rei war perplex: „Jahrestag?“ „Ja. Heute ist der 23.“ Mit verschränkten Armen lehnte sich der Graublauhaarige gegen das Spülbecken und starrte strafend zu dem anderen, der plötzlich so blass schien. „Scheiße! Das ist heute? Oh, verdammt, Kai! Das hab ich ja völlig vergessen!“ Rei betrachtete den sorgfältig gedeckten Tisch und holte sich das Bild von Kai im Türrahmen zurück ins Gedächtnis. Er verstand. Zu Kais Unverständnis jedoch brach der Schwarzhaarige plötzlich in schallendes Gelächter aus. „Was ist daran bitte jetzt so witzig?“ Er musste sich beherrschen, Rei nicht an die Gurgel zu springen. Der krümmte sich buchstäblich vor Lachen: „Kai... es...es tut mir sooo leid.“ Dieser rümpfte miesepetrig die Nase, als der Chinese auf ihn zukam und kichernd vor ihm stehen blieb, Lachtränen in den Augenwinkeln. Der Graublauhaarige fand es einfach nur entwürdigend. „Dass du das alles gemacht hast... und dieser einmalige Aufzug!“ Rei legte seine Hände an Kais Wangen, ignorierte dabei die böse funkelnden Augen geflissentlich, „Du kannst ja so süß sein!“ Jetzt reichte es ihm. Barsch schob der Graublauhaarige Rei von sich und stürmte aus der Küche, vorbei an einem verwirrten Kenny und ab ins Schlafzimmer. Als Kenny die Küche mit drei Fragezeichen im Gesicht betrat, begann sich Rei wieder von seiner erneuten Lachattacke zu beruhigen. „Was war das?“ „Ach, Kenny, das ist eine sehr lange Geschichte“, gluckste der Schwarzhaarige weiter. Der Japaner wusste nicht, wie er es formulieren sollte: „Das sah recht... eigenartig aus. Und was war das mit Jahrestag? Nicht, dass ich gelauscht hätte, ihr ward nur so laut, also...“, beteuerte er hektisch. Rei winkte ab: „Schon gut. Komm, hilf mir kurz das Essen umzuschüsseln und es ins Wohnzimmer zu schaffen.“ Als die Beiden letztendlich auf der rostbraunen Eckcouch saßen, begann Rei zu erklären: „Vor zwei Jahren wurde ich zu einer Hausgeburt zusammen mit einer Hebamme im Hafen bei den ganzen Hausbooten gerufen. Ein reiches Pärchen, ihr zweites Kind. Um zu dem hintersten Boot zu gelangen muss man über Stegbrücken, die über die anderen Boote führen und wie es der Zufall wollte, bin ich an diesem verregneten Tag ausgerutscht und vor die Kajüte des Bootes gefallen, in dem Kai wohnte. So haben wir uns wieder getroffen. Und seit gut 1 1/2 Jahren sind wir jetzt zusammen.“ „Wie zusammen?“ Er musste das jetzt falsch aufgefasst haben. „Ein Paar.“ Rei sah das alles nicht so eng. Kenny verschluckte sich allerdings an seiner eigenen Spucke und musste heftig Husten. „Geht’s wieder?“, fragte der Schwarzhaarige etwas besorgt. „Ja“, röchelte Kenny, „ihr seid schwul?“ „Na ja, ich würde mich eher als hetero+Kai bezeichnen. Ich habe nie Interesse an anderen Männern gehabt und bis heute nicht. Nur Kai.“ „So etwas gibt es doch nicht“, beharrte Kenny. „Na gut, dann bin ich eben bi. Aber Kai ist definitiv bi, auch, wenn er es nicht zugibt, die feige Eule“, kicherte Rei, dem wohlweislich bewusst war, dass Kai lauschte. Prompt landete auch ein Kopfkissen an seinem Kopf: „Erzähl keinen Scheiß.“ „Kai!“ Kenny hatte ihn zuvor nicht bemerkt. „Hey! Nicht so grob mit meinem Lieblingskopfkissen“, beschwerte sich Rei augenblicklich. Sein Freund brummte nur: „Das du dich noch traust.“ „Was machst du denn in Hong Kong, Kai?“ Kenny war die Situation etwas zuviel. Der ehemalige Teamleader ging gerne auf die Frage ein, während er sich auf den Sessel gegenüber setzte: „Ich arbeite für drei Jahre bei Porsche als Vertriebsmanager hier in Hong Kong. Eins habe ich noch vor mir, dann geht es womöglich wieder zurück nach Deutschland.“ „Wow. Deutschland? Wo? In die Autostadt?“ Das war ein faszinierender Lebensweg. Kai schüttelte den Kopf: „Nein. Hannover. Zu den VW Nutzfahrzeugen.“ „Hm, nicht schlecht. Läuft das Geschäft gut?“ „Ja, geht ganz gut. Und was ist mit dir?“ „Ich arbeite für Apple. Ich bin dieses Jahr hier im Marketing tätig, danach mal sehen, wo es mich hinführt.“ Kai nickte, ehe ihm einfiel: „Warum bist du im Krankenhaus gewesen?“ „Tja, ähm...“ Die Frage musste ja kommen. „Weil er krank war“, antwortete Rei stattdessen. „Nein, wirklich?“, hakte Kai sarkastisch nach. „Wirklich, Kai. Lass ihn in Ruhe.“ Rei klang sehr ruhig und standfest. Kai schlug die Beine übereinander: „Hey, ich bin halbnackt in der Tür gestanden. Das ist doch das mindeste, was ihr mir sagen könnt.“ Der Braunhaarige fühlte sich plötzlich so heiß. Der Goldäugige gab aber nicht nach: „Dafür kann Kenny nichts. Er braucht dir deswegen kaum seine Krankengeschichte erläutern.“ „Du weißt es ja auch“, meckerte Kai schlecht gelaunt. „Ich bin ja auch Arzt und habe ihn behandelt.“ „Du bist Frauenarzt!! Ich sehe hier aber keine Frau!“, begehrte Kai auf, „Es war also ein reiner Freundschaftsdienst. Und weil es ein Freundschaftsdienst war, könnt ihr es mir genauso gut sagen.“ „Nein!“, knurrte es stur zurück. Kenny atmete einmal tief durch. Was sollte es: „Ich habe Syphilis.“ Umgehend kehrte zwischen den zwei Streithähnen Stille ein. Während Reis Gesichtsausdruck weich wurde, starrte Kai den Jüngeren wie vom Blitz gerührt an: „Du verarscht mich.“ Als Kenny den Kopf schüttelte: „Ausgerechnet du hast dir die Kurtisanenkrankheit schlechthin eingefangen???“ „Kai“, kam es mahnend von seinem Freund. „Es war ein blöder Zufall und es war nur eine Frau“, erklärte sich der Braunhaarige mit roten Wangen. „Das sagen sie alle. Syphilis. Warum läufst du dann noch so munter rum? Geht es dir gut?“ „Es ist noch ein sehr frühes Stadium. Normalerweise wird es nicht so früh erkannt, aber in diesem Fall hatten wir Glück“, schaltete sich Rei fachmännisch dazwischen. „Ah, also hast du doch damit gerechnet, dass etwas sein könnte. Was war es denn für ein Luder?“ „Kai.“ Langsam verlor Rei seine Geduld mit diesem unsensiblen Typ. Kenny atmete noch einmal tief durch: „Es war eine Kollegin. Ich war neu und wusste nicht, dass sie so beliebt ist.“ „So kann man es auch ausdrücken“, sinnierte der Graublauhaarige leise, ehe er den Japaner wieder fest ansah: „Hauptsache es wird wieder. Der blöden Ziege solltest du was erzählen! Wo sind wir denn hier! Im Busch?“ „Du bist ganz schön aufbrausend geworden“, lächelte Kenny über das Verhalten des Älteren. Schlagartig wurde Kai ruhig und beschränkte sich darauf mit verschränkten Armen vor sich hin zu brummen. Rei quittierte das mit einem sanften Lächeln: „Ich würde vorschlagen, dass wir jetzt erst einmal diese leckeren Schweinereien, die Kai hier vorbereitet hat, essen und dass du dir dann den Computer anschaust, Kenny.“ „Klar, gerne“, antwortete dieser mit einem entspannten Grinsen. „So, fertig.“ Zufrieden fuhr Kenny den Rechner runter und schaute zu Rei, der mit einem Stuhl schräg hinter ihm saß. „War eigentlich kein Ding. Danke, dass du dir dafür so viel Zeit genommen hast.“ „Ach, schon okay. Es war nett euch mal wieder zu sehen.“ Kenny verließ mit dem Chinesen das Schlaf-/Arbeitszimmer und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo Kai auf der Couch lag und fernsah. Als er die anderen Beiden sah, stellte er auf stumm: „Ihr habt ganz schön lang gebraucht.“ Kenny streckte sich genüsslich: „Solche Sachen nehmen immer entnervend viel Zeit in Anspruch.“ „Nochmals danke!“ Rei tat es ihm gleich und dehnte seine eingeschlafenen Glieder etwas. „Kein Problem. Ich mach mich dann mal auf den Heimweg.“ „Es ist schon halb zwölf. Willst du nicht lieber bleiben?“, gab Kai zu bedenken. „Oh, schon so spät?“ „Stimmt. Du hast doch gesagt, du wohnst fast am anderen Ende der Stadt. Da wäre es vielleicht wirklich besser du bleibst.“ Rei hatte das völlig übersehen. Kenny hatte jetzt auch keine große Lust mehr stundenlang durch die Gegend zu tigern. Da war das Angebot schon recht verlockend. „Wenn es keine zu großen Umstände bereitet?“ „Nein, keineswegs. Du müsstest halt auf der Couch schlafen.“ Freundlich sahen ihn die goldenen Augen an. „Ich bin schlimmeres gewohnt.“ Er brauchte nur daran zu denken, wie oft er schon am Schreibtisch eingeschlafen war. Eine Couch war dagegen reinster Luxus. „Gut. Ich bring dir noch Bettzeug.“ Keine halbe Stunde später lag Kenny im dunklen Wohnzimmer auf dem bequemen Sofa und dachte noch einmal über den Tag nach. Es war gut gewesen, dass er ins Krankenhaus gegangen war. Es stellte sich zwar heraus, dass er sich eine gefährliche Geschlechtskrankheit eingefangen hatte, aber glücklicherweise war sie so rechtzeitig erkannt worden, dass er nach zwei Wochen Antibiotikum wieder kerngesund sein konnte. Der unangenehmste Part, es seiner Kollegin mitteilen zu müssen, kam zwar noch auf ihn zu, aber insgeheim beschloss er, es auf eine sehr gemeine Art und Weise zu machen. Wenn sie keine Scheu hatte vor der ganzen Mannschaft zu zeigen, dass sie mit allen schlief und kein tabu daraus machte, warum sollte er es dann mit seiner Krankheit anders machen? Man merkte es selten, aber Kenny gehörte durchaus zu der Sorte Mensch, die sich gerne für ausgleichende Gerechtigkeit einsetzte, wie er sein Rachebedürfnis dann und wann umschrieb. Rei und Kai wieder getroffen zu haben, war ein glücklicher Zufall. Sie hatten sich schon ein Jahrzehnt lang aus den Augen verloren und trotzdem fühlte es sich an, als wären keine drei Monate vergangen. Freilich hatte sich viel verändert und sie hatten sich alle weiterentwickelt, aber dennoch. Er sollte wirklich zusehen, dass sie diesmal in Kontakt blieben. Wenn Tyson erfuhr, dass Kai eine Beziehung mit Rei führte... dieser Gesichtsausdruck wäre sicherlich göttlich. Allerdings hatte er selber auch nicht schlecht aus der Wäsche geguckt. Aber die Zwei schienen sich wirklich sehr zu mögen. Seltsam wo das Leben die Menschen so überall hinbrachte. Letztendlich zählte nur, dass es allen gut ging. Und nach dem morgigen Arbeitstag würde es Kenny wieder ein Stück besser gehen... Unterdessen kuschelte sich Rei neben Kai in die Kissen. Dieser lag mit dem Rücken zu ihm und spielte schlafen. Doch der Schwarzhaarige ließ sich nicht so leicht vergraulen: „Hey, es tut mir echt leid, dass ich das alles vergessen habe. Kannst du mir verzeihen?“ Anbiedernd schmiegte er sich an Kais Rücken, umarmte ihn und strich langsam mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf Kais warmen Bauch, der bei der Berührung empfindlich zusammenzuckte. Ein Zeichen dafür, dass der Graublauhaarige nicht mehr böse zu sein schien. Ansonsten würde gar nichts an ihm reagieren. Wie zur Bestätigung drehte Kai sich plötzlich um und funkelte ihn mit seinen weinroten Augen herausfordernd an: „Was tust du, um dich bei mir für diese Schmach zu revanchieren?“ Rei spielte mit: „Ich habe dir einen Kenny mit einer recht interessanten Krankheit mitgebracht.“ Dafür erntete er ein leises Lachen: „Ja. Kenny mit Syphilis. Das glaubt uns doch keine Menschenseele.“ „Es erwischt aber auch den Falschen. Obwohl ich gar nicht glaube, dass Kenny so unschuldig ist, wie er tut. Er ist halt auch erwachsen geworden.“ „Ob wir ihm eine Ming-Ming CD als Trost schenken sollten?“ Kai konnte einfach nicht aufhören sich über ihren damaligen ach so prüden und schüchternen Chef lustig zu machen. „Wahrscheinlich ist er ein kleiner Herzensbrecher. Er ist ja ganz ansehnlich, vor allem wenn man mal seine grünen Augen erhascht“, sinnierte der Chinese, während er mit einer grauen Haarsträhne spielte. „Na na, was sind denn das für Töne?“, grinste Kai, „Aber ich denke, du bist mir trotzdem noch etwas schuldig.“ Mit diesen Worten pinnte er Reis Hände hinter dessen Kopf und legte sich auf ihn. Die goldenen Augen glitzerten ihn leicht verschleiert an, als ihm etwas siedendheiß einfiel: „Haben wir uns nicht am 24. März wieder getroffen?“ „Ja, genau. Deshalb bleibt uns auch nur noch eine Minute um reinzufeiern“, hauchte Kai mit heiserer Stimme an seinem Ohr. „Ach, du...!“ Die fordernden Lippen auf den seinen erstickten Reis Schimpftirade jäh. _______________________________________________________________________________________________________________________ Der Impuls für diese FF^^. Über Kommentare würde ich mich freuen! Bye Minerva  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)