war in my head von dadgrin (it's a sinners innocence) ================================================================================ Kapitel 1: I don't care so why pretend? --------------------------------------- 'There must be some way out of here,' said the joker to the thief. 'There's too much confusion, I can't get no relief.' Er weiß nicht, was er macht um hinterher so auszusehen. Er versteht auch nicht, warum man das machen müsste. Aber er weiß, dass er damit aufhören sollte. Bela lehnt sich zurück und beobachtet Farin. Die fahrigen Bewegungen, den langen Pulli und er weiß, dass er den nicht nur zum Spaß trägt. Zu gerne würde er fragen was los ist, aber etwas an seiner gesamten Körperhaltung sagt ihm, dass er es besser bleiben lassen sollte. Deswegen hält er sich zurück und nippt an seiner Flasche Jack Daniels. Nichtmal was er hier eigentlich macht, weiß er, nicht mal was Farin hier macht, weiß er. Sie sollten aufstehen und rausgehen. Manchmal denkt er daran dem Blonden genau das zu sagen. „Steh auf, geh weg, verlass die Szene, der Vorhang ist gefallen.“ Aber er tut es nicht. Stattdessen steht er auf und setzt sich neben ihn. Schulter an Schulter, Seite an Seite, Bela den Kopf auf seiner Schulter, Farin den Kopf an dem von Bela, sitzen sie dort und starren auf einen Flachbildschirm der Elektroabteilung des Kaufhauses. Es läuft ein Homeshoppingkanal, den keiner von ihnen leiden kann, aber gerade jetzt ist es okay. Gerade jetzt ist auch okay, dass sie eigentlich in der Öffentlichkeit sind. Es ist kurz vor Ladenschluss und immer wieder werden alle Anwesenden dazu aufgefordert zu gehen. Der Regen hat sie beide bis auf die Knochen durchgeweicht, aber Farin ist ganz ruhig. Nicht einmal genervt wirkt er. Stattdessen kann er etwas anderes in den Augen seines Spiegelbildes der Schaufensterscheibe lesen. Es ist Entschlossenheit. Noch weiß er nicht, wozu seinem Freund diese dienen soll, aber das wird er noch allzu bald herausfinden. Es ist jedes Mal ein Gewaltakt. Jedes Mal aufs neue ein Kampf. Ein Kampf der so alt ist, dass sie schon beide ihren Willen, zu gewinnen, aufgegeben haben. Es geht nur noch um den Kampf an sich. Schweigend betrachtet er den Bissabdruck an seinem Unterarm. Schmerzen hat er nicht, keine physischen. Bela sieht es nur, sagt nichts. Der Zustand, in dem sich Farin gerade befindet ist selten, so selten, dass er an ein Wunder grenzt. Leider weiß der Schwarzhaarige auch nur zu gut, dass sein Freund selber reden muss, sonst ist nichts aus ihm herauszubekommen. Ein leichter Regen benetzt die abendliche Straßenlandschaft der Innenstadt, durch die sie langsam Hand in Hand schlendern. Es ist jetzt fast drei Jahre her, dass es die Ärzte wieder gibt und das ist die einzige Zeit, zu der sie vollkommen ungestört sein konnten in der Stadt. „Mein Zug geht um viertel vor elf“, die Stimme des Sängers klingt in seinen Ohren nach. „Dann bin ich weg.“ Er hat nichts gesagt, nur dagesessen und versucht, gegen das Gefühl tot zu sein, anzukämpfen. Ohne etwas zu sagen blickt Farin auf eine der großen Uhren, wenn sie langsam gehen sind sie um viertel vor elf am Bahnhof. Er beschließt nicht zu gehen, genau wie damals. Es ist schließlich nur eine Erinnerung die ihn nur heimsucht, weil es heute vor drei Jahren war. „Sag doch was!“, herrscht er ihn wütend an, schlägt ihm ins Gesicht. Der Schmerz ist dumpf, pochend – Blut fließt aus seinem Mundwinkel. Wie um zu zeigen, dass sein Körper sich noch genau daran erinnert, beginnt der Schmerz wieder in seiner Wange zu pochen. In einem Reflex es zu kompensieren, beißt sich Farin in den Unterarm. Es war keine Absicht, er weiß es. In seinem Blick hat er es lesen können, es waren Verzweiflung und eine durchgebrannte Sicherung. Tief versenkt er seine Zähne in seinem Unterarm. Immer die gleiche Stelle. Hier geht etwas schief. Das weiß er schon die ganze Zeit, aber er versucht es zu ignorieren, versucht der Erinnerung auszuweichen. Dabei weiß er, dass es noch nicht zu Ende ist. Schmerz. Verlangen. Wut. Lust. Rage. Hunger. Frieden. Krieg. Zweisamkeit. Einsamkeit. Sex. Gegenseitiges wegschieben. Beieinander. Getrennt. Liebe. Tragödie. Hass. Komödie. Tragikomödie. Emotionales Kabarett. Verrucht. Unnahbar. Göttliche Überheblichkeit. Faszination. – Als er Blut schmeckt lässt er von seinem Arm ab. Der Regen brennt auf seiner Haut. Er ist stärker geworden. Bela genießt es. Hüpft herum, legt den Kopf in den Nacken und versucht die Tropfen mit ausgestreckter Zunge zu fangen. „I'm singing in the rain...“, seine Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken. Langsam weiten sich zwei grünbraune Augen. „Just singing in the rain, what a glorious feeling, I'm happy again!“ Lachend dreht er sich zu ihm um, beginnt das weiter zu singen mit dieser komischen Betonung die ihm zu eigen ist beim Englischen. „I'm laughing at clouds, so dark up above“, Farin findet, dass es sich falsch anhört, aber es ist nicht sein Akzent. „The sun's in my heart, I'm ready for love.“ Nicht direkt. „Let the stormy clouds chase, everyone from the place!“ Es ist etwas anderes das ihn stört. „Come on with the rain, I've a smile on my face.“ Etwas das tiefgreifender geht, denkt er, als er langsam weitergeht. „I walk down the lane.“ Ja, und wie er geht. Das beobachtet er jedes Mal gerne. Katzenhaft. Geschmeidig. Fast ein bisschen weiblich. Anziehend. „With a happy refrain.“ Die Stimmen vermischen sich. Hinter seiner Stirn pocht es unangenehm, als sich die Bilder vermischen. „Just singin'“, eine Flut von Bildern stürzt auf die Leinwand vor seinem inneren Auge. Immer wieder er. Beim Gehen. Beim Lachen. Wie sich seine Gesichtszüge verzerren, wenn er wütend ist. Sein Stöhnen, sein Singen in seinen Ohren. Für einen Augenblick, für den Bruchteil stimmt es. Dieses Lied. „Singin' in the rain!“ Seine Händen liegen an seinen Hüften. Er summt, zwingt ihn zum Tanzen, obwohl er es nicht kann. Er sagt es geht nicht darum. Er sagt der Regen ist doch egal, es würde ihm gefallen wie er aussähe. Ein Kuss. Ein verschmitztes Lachen. „Why do I smile and why do I sing? Why does September seem as sunny as spring?“ Jetzt weiß er es wieder. Er hat es gesungen, hat mit ihm getanzt. „Why do I get up each mornin' and start? Happy and head up...“ Seine Stimme verblasst langsam. Das Bild verschwindet. Bela ist wieder da. Hat nichts bemerkt. Freut sich am Regen. Summt und improvisiert den Refrain an den er sich nicht mehr erinnert. Wie können Himmel und Hölle nur so dicht beieinander liegen? Farin fühlt sich innerlich tot. Kapitel 2: I took the spoon of my cup, like you always do, cause it means bad luck in love ------------------------------------------------------------------------------------------ Und dann ist da dein Herz und dein Verstand. Und irgendwo dazwischen tut's weh. Und dann ist da dein Herz und dein Verstand. Irgendwo in der Mitte tut's weh. Im Normalfall macht er es selber, aber Bela hat Langeweile, also lässt er ihn. Der Rasierapparat surrt leise vor sich hin. Zumindest kommt es ihm leise vor. Fast nicht mehr wahrnehmbar ist es für ihn als sich die Bilder wieder übereinander schieben. „Du siehst besser aus mit kurzen Haaren, weißt du?“, sagt er während er ihm die Haare schneidet. Farin hat aufgehört sich darum zu kümmern und er weiß, dass, wenn er es nicht macht, es momentan niemand macht. Stück für Stück fallen die überflüssigen Haare ab. Anschließend zwei Hände die mit sanfter Grobheit durch seine Haare fahren und seinen Kopf kraulen. Ein Kuss auf die Wange. Warmer Atem, seine Zunge die über seine Haut leckt. Farin blinzelt, starrt an die Wand. Der Rasierer ist aus. Bela fährt durch seine Haare. Er weiß nicht wie er das einordnen soll. Kopfschmerzen hat er nicht, es geht ihm eigentlich ziemlich gut. Trotzdem merkt er das sich sein Körper wie zur Abwehr angespannt hat. Langsam sieht er über seine Schulter zu dem Älteren, der sichtlich seinen Spaß daran hat mit seinen Haaren herum zu spielen. Weder die Stimme in seinem Kopf noch Bela versteht er, sein Blick ist abwesend. Etwas sagt ihm das es eigentlich egal ist, ob er es mitbekommen hat oder nicht, nett lächeln und nicken wird ihn aus der Affäre ziehen. Der Schwarzhaarige sagt nichts, presst nur die Lippen zu einem dünnen Lächeln zusammen. Der Zwang dahinter bleibt unbemerkt, auch wenn Farin für einen Moment stutzt. Später bleibt er nachdenklich vor seiner verschwommenen Spiegelung in einem Fenster stehen und fährt sich durch die Haare. „Steht dir viel besser.“ Fast ein bisschen trotzig ist er jetzt, schließlich mag er sie so auch lieber und es hat rein gar nichts mit ihm zu tun. Ein leises brummen. Er geht weiter. Noch wird er es nicht zugeben, aber er hatte recht. „Du brauchst uns beide“, sagt er begleitet von einem dünnen Lächeln. „Was du mir suchst kannst du bei ihm nicht haben und was du ihm suchst kannst du mir nicht haben – deswegen brauchst du uns beide.“ „Ich brauche keinen von euch!“ Es stimmt nicht, nur ist er allergisch dagegen von anderen abhängig zu sein. Nicht schlimm, schließlich weiß es der Brünette und sieht es ihm nach. Wie zum Trotz nimmt er den Löffel aus der Tasse und steckt ihn in den Mund. Wieso er das macht? Ein Löffel in der Tasse hat nichts mit Glück in der Liebe zu tun, sagt ihm sein rationaler Verstand. Bei seinem Freund scheint das anders zu sein. Er erinnert an das kleine Ritual, das sie hatten. Löffel aus den Tassen, aneinander schlagen – das dumpfe Geräusch davon in seiner Erinnerung – dass sie sich kreuzen und langsam wieder auseinanderziehen. Sinnlos. Aber ihres. Farin weiß nicht, dass er sich gerade zwanghaft dazu zu bringen versucht den Löffel wieder in die Tasse zu packen. Dass er sich sagt, es sei doch dumm und sich verflucht, weil er es nicht kann. Aber das muss er nicht wissen, es reicht, dass es ein Teil von ihm ahnt. Etwas geht hier schief. Gewaltig schief. Doof ist er ja nicht. Das hier kann nicht normal sein, aber zu abstrakt, um jemanden damit zu betrauen, scheint es ihm auch nicht. Sachte pocht etwas in einer der vielen fest verschlossenen Truhen in seinem Inneren, nur weiß er nicht welche. Es ist eine, die er gut versteckt hat, vor sich selbst und vor anderen. Was drinnen ist könnte ihm sagen was mit ihm los ist, aber der Großteil seines Selbst zieht es vor, unwissend zu bleiben – schließlich sperrt niemand umsonst etwas weg, nicht? So ist es also nur verständlich, dass er es eigentlich doch gar nicht wissen will und lieber mit dieser neuen komischen Realitätswahrnehmung durch die Weltgeschichte rennt. Früher oder später wird es ihm seine Psyche schließlich so oder so verraten und er hat das dumme Gefühl, dass es sich dabei um das Früher dieser Konstellation handelt. Sicher ist er sich aber nicht. Aber so ist das eben. In das eigene Unterbewusstsein kann man nicht schauen. Selbst gestandene und stinkreiche Rockmusiker nicht. Schade eigentlich, denkt er sich und trinkt einen Schluck. Schade eigentlich... Wenigstens schlafen kann er noch. Wie lange das noch gut geht weiß er nicht, kann er nicht sagen, ist auch egal. Wenn es erst einmal soweit ist, dass es ihm den Schlaf raubt, dann wird es ihn schließlich auch nicht mehr interessieren wie es dazu kam, sondern wie es schnellstmöglich wieder weggeht. Das ist es wieder. Dieses dumpfe Pochen. Diese dumpfe Erinnerung. Er hat das Gefühl den Puls der Adern die durch seinen Schädel gehen spüren zu können. Es währt nicht lange, es kommt ihm nur so vor. Gefühlte zwanzig Minuten oder länger sind in Wirklichkeit nicht mehr als drei bis fünf Sekunden. Vielleicht sollte er doch lieber zum Arzt gehen. Da fällt ihm ein, dass es sicher keine Ort gibt an dem ihm seine Erinnerungen nicht einholen. Fast keinen. Kaltes Wasser umspült seine Füße. Die Wellen brechen mit einem sanften rauschen am Ufer, hier ist er ganz für sich ohne wirklich allein zu sein. Hier jagen ihn keine Erinnerungen von denen er nicht mal mehr weiß, wieso sie zu ihm kommen. „Beschütz mich... beschütz mich vor dem, was ich will!“, seine Stimme zittert beim Sprechen. Sie ist ungewohnt heiser. „Ich kann nicht.“ Eine Pause, dann spricht er weiter. „Ich kann mich ja nicht mal selber davor schützen.“ Wie erbärmlich er sich bei diesen Worten vorkommt zeigt er nicht, dafür ist er zu stolz, aber sein Gegenüber kann es sich denken. „Wir haben mal wieder unsere Pillen vergessen, nich?“, es soll amüsiert klingen, stattdessen wirkt es steif und gekünstelt. Es ist zu wahr, sonst hätte es wohl einer von ihnen lustig gefunden. Dieses eine dumme Versprechen. Jetzt geistert es zwischen ihnen und sie sind nicht in der Lage es aus dem Weg zu räumen. Sie werden hieran nicht zu Grunde gehen. Das haben sie sich stillschweigend versprochen. Was sie sich in solchen Augenblicken jedoch verboten haben, das fällt Farin gerade ein, ist sich der wichtigsten Tatsache bewusst zu werden. So destruktiv es auch ist, manchmal war ihr einziger Kommunikationsweg der, sich gegenseitig zu Grunde zu richten und dabei zu überwinden was ihnen im Weg stand. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Poch. Kapitel 3: Gewitterfront ------------------------ Farin kommt es vor als wäre überhaupt nichts passiert zwischen dem jetzt und dem Moment als er am Flussufer der Spree stand. Doch das stimmt nicht, seine Erinnerungen sagen ihm das Gegenteil und sie sind laute Biester. Er ist ruhig. Zu ruhig für seinen Geschmack. Das was ihm bevorsteht kann schließlich nichts gutes sein. Doch er fühlt sich nicht unwohl, er fühlt gar nichts gegenüber dem was auf ihn zukommt. Die Zeit vergeht. Der Bus hält und mit einem Mal hat er das Gefühl eine Gewitterfront würde aufziehen. Nein, das stimmt so nicht ganz. Sie ist schon aufgezogen. Vor langer Zeit. Vor etwas mehr als drei Jahren und sie steht noch immer. Es ist das erste Mal seit damals das sie sich sehen. Farins Magen ist flau, weil es alte Erinnerungen aufruft. Leider sind es keine schönen. Sie sind nicht einvernehmlich auseinander gegangen. Der letzte Streit, er war ein unausweichlicher Sturm. Ein Sturm der nicht nur psychische Wunden hinterlassen hat und so plötzlich vorbei war das er einem seelischen und körperlichen Schleudertrauma glich. Was genau damals passiert war... Darüber ist er sich nicht sicher. Nicht mehr zumindest. Einmal hat er es gewusst, doch jetzt ist es nur noch eine verschwommene kaum greifbare Erinnerung. Ihn zu sehen, das bedeutet für ihn sich damit auseinander setzen zu müssen. Etwas was Farin eigentlich nicht will. Er will all diese Wunden nicht noch einmal aufreißen. Viel zu froh ist er das sie verheilt sind. Mehr oder weniger zumindest. Denn seit geraumer Zeit kommt es ihm vor als würde er durch Nebel gehen. Nur auf der Bühne kann er dieses Gefühl für zwei, drei Stunden abschütteln. Dann kann er wieder klar denken, klar sehen und klar verstehen. Danach kommt ihm alles wieder ganz weit weg vor. Für einen Moment schließt er die Augen, atmet tief durch und entspannt sich. Bela stupst ihn freundschaftlich an. Aus dem Augenwinkel schaut Farin ihn an, grinst ebenso wie der Schwarzhaarige, doch es wirkt aufgesetzt. Gekünstelt. Manchmal kommt es ihm vor als hätte er es verlernt. „Hör auf so dumm zu grinsen!“, hört er eine Stimme die gar nicht anwesend sein kann, sich genervt empören. „Das ist nicht – du gottverdammter Idiot!“ Farin lächelt abwesend und spürt einen Stich im Herzen. Schließlich weiß er ganz genau das es der Brünette nie so gemeint hat. Es kommt ihm vor als ob er es verlernt hat. Sie steigen aus und plaudern auf dem Weg zum Backstagebereich, sie können die Masse schon jetzt hören und freuen sich auf den Auftritt. Nervös zupft Farin dann und wann seine Ärmel zurecht, damit niemand den Verband sieht. Bela hat ihm den angeordert. Damit es wenigstens nicht noch schlimmer wird, wenn er sich selbst schon zum Kauknochen umfunktionieren muss. Dabei muss er sich eigentlich keine Sorgen machen, denn Ärmel seines Hemdes sind mehr als lang genug um alles zu verbergen. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Doch niemandem fällt etwas auf. Dann das zusammentreffen, es fällt kurz aus. Doch für Farins Geschmack ist auch das viel zu lang. Er möchte einfach nur noch weg von hier. Es läuft gut. Selbst bei ihnen beiden. Eine freundliche knappe Begrüßung, ein Grinsen – Schauspiel oder ist es ehrlich? Er kann es nicht sagen. Campino kann es zwar besser als er, aber Farin hat es trotzdem immer geschafft seine Fassaden zu durchschauen. Nicht heute. Heute ist sein Blick unfixiert und unklar, seinen Augen fehlt der Glanz. Da bemerkt er etwas in Campinos Blick. Etwas vertrautes, das ein ehrliches Lächeln auf seine Lippen zaubert. Seine Augen huschen hin und her, er wirkt ein wenig abwesend und dennoch aufgewühlt. Als würde ihn etwas beschäftigen das nicht im hier und jetzt stattfindet. Er hat gelesen. Farin weiß es, er kennt den Blick. So hat er ihn immer angeblickt, damals, wenn er sich von dem Buch in seinen Händen abgewandt hatte. Als müsste er erst wieder in diese Welt zurückfinden. Genauso schaut er auch jetzt aus, als wäre er noch nicht ganz hier. „Ist es gut?“ „Was?“, verwirrt blickt ihn der Brünette an und Farin hat für einen Moment wieder das Gefühl klar zu sein. „Das Buch“, erklärte er sich mit einem schmalen grinsen und beobachtet wie sich Campino im gegenüber lachend zurücklehnt. Als wäre nichts passiert! Wo ist die Gewitterfront? Wollte er nicht eigentlich... Wollte er nicht sauer sein? Sollte er es nicht nach allem was passiert war? Irgendwie kann er es nicht. Sein Kopf ist wie leer gefegt und sein Mund sagt Dinge die ihm komplett verkehrt erscheinen für ihre Situation. Ob es ihm wohl auch so geht, fragt sich Farin, während er beobachtet wie Campino nickt, redet von dem Buch was er gerade liest. Der Blonde nickt ab und zu, er lächelt vor allem. Es ist eine schöne Erinnerung an damals, doch auch eine die er ebenso verdrängt hat wie alles andere. Letztlich ist es wieder vorbei, sie verteilen sich. Jeder geht sein eigenes Süppchen kochen und Farin ist froh das er den Raum leer auffindet nachdem er eine Weile gegangen ist. Jetzt kann er wenigstens seine Gedanken ordnen, während der Nebel der ihn einhüllt wieder einsetzt. Es kommt ihm vor als würde er nicht klar sehen können. Mit einem dumpfen Geräusch lässt er sich auf die Couch fallen und schließt die Augen. Er hat ein wenig Kopfschmerzen. Vielleicht sollte er schlafen, überlegt er. Eines seiner Beine hängt von der Couch auf der er liegt, sein Gesicht hat er hinter seinen verschränkten Armen verborgen. Schritte nähern sich. Er sollte sich zumindest schlafen stellen, damit ihn niemand stört überlegt er. Hoffentlich sind es keine Reporter oder so. Die sollen ihn bloß nicht so sehen. Farin räkelt sich ein wenig und streckt dabei seine Arme, die er daraufhin hinter seinem Kopf verschränkt. Die Schritte sind fast da. Als sich die Tür öffnet liegt er ganz ruhig da. Schließlich spielen sie erst in mehreren Stunden. Nur sein sich heben und senkender Brustkorb verrät dabei, das sich niemand sorgen machen muss. Die Schritte nähern sich und verstummen. Warmer Atem und ein bekannter Geruch schlagen ihm entgegen, lassen ihn die Augen einen Spalt öffnen. Als er Campino erkennt öffnet er sie ganz. Der Brünette grinst schwach. Auf die Lehne des Sofas gestützt hat er sich über ihn gelehnt. „Wusst ich doch das ich dir hier finde Dornröschen.“ Farin ist nach lachen zumute. Es ist so absurd. „Was für einen Dreck tun wir hier eigentlich?“, fragt er kaum geistig anwesend. „Sollten wir uns nicht die Köpfe einschlagen nach dem was passiert ist...?“ „Ich kann dir doch nicht dein hübsches Gesicht einschlagen...“, murmelt Campino amüsiert und streicht mit dem Daumen über eine Narbe die von Farins Stirn abgeht. Sie ist knapp zwei Zentimeter lang und beginn direkt am Haaransatz etwas abseits seiner linken Schläfe und dann direkt seinen Schädel hinauf. Dort wachsen keine Haare mehr, stattdessen erhebt sich die Narbe bleich von seiner Haut. Farins Augen weiten sich geschockt. Wie ein Blitz durchfahren ihn Bilder und die Erinnerungen an einen stechenden Schmerz. Die Narbe pocht sanft und heiß unter Campinos Daumen. Es kommt ihm vor als würde sein Blut glühen. Irgendetwas hat ihn am Kopf getroffen, aber ob Geschirr oder ein Buch oder sonst irgendetwas kann er nicht sagen. Es ist einfach irgendetwas das damals zur Hand war. Er hatte sich geduckt und dennoch war er getroffen worden – eher gestreift. Wut und Schock durchfahren ihn, während er abwesend ins Leere starrt. Gerade von ihm will er dort eigentlich nicht berührt werden, doch er schafft es nicht sich zu rühren. Die Bilder in seinem Kopf sind verzerrt wie die eine verwackelten alten Filmes. Warum hatten sie sich nochmal gestritten? Es war ihm so trivial erschienen im Nachhinein. Geradezu dumm. „Hör auf...“, bringt er heiser zu Stande. Vage erinnert er sich. Das Blut, die Küche, die Wohnung. Ein vertrauter Geruch scheint plötzlich in der Luft. Er schließt die Augen, versucht sich zu entspannen doch es misslingt ihm. Campinos Hand streicht über sein Gesicht und bleibt an seiner Wange liegen. Er spürt seinen warmen Daumen seine Wange streicheln. „Es tut mir leid, das weißt du doch...“ „Ich weiß...“, Farin atmet tief durch. Er will die Augen öffnen, doch er unterdrückt den Impuls. Ihm fällt ein das es ein Teller war, den Campino nach ihm geworfen hatte. Farin atmet erneut tief durch und verbannt die Bilder aus seinem Kopf. Als er die Augen öffnet legt er Zeitgleich zwei Finger auf die Lippen des Brünetten. Er kann ihm ansehen das es noch nicht vorbei ist. Seufzend richtet er sich wieder auf und reibt sich den Nacken. Er will etwas sagen, doch bringt nichts zustande, denn ihm fällt einfach nichts ein. Irgendwie weiß er sich grad nicht zu helfen. Er hat den Blonden schon in einigen komischen Stimmungen erlebt. Diese ist neu. Oder eher, es ist neu das er daran beteiligt ist. Das war schon mal anders. Die Sache ist kompliziert. Ziemlich sogar. Deswegen hofft Campino einfach das Farin diesen Kampf in seinem Kopf gewinnt. Er versteht ihn nämlich leider nicht. Nicht mehr zumindest. Er hat es mal verstanden, aber das ist lange her. Farin liegt nur da und starrt an die Decke. Er tippt sich mit den Fingern die eben noch an den Lippen des Anderen lagen, gegen die eigene. Campino hat den Raum verlassen und er genießt die Stille. Leider herrscht diese nur um ihn herum und nicht in seinem inneren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)