Vertrauensbeweis von Drachenengel (Das Spiel mit dem Tod) ================================================================================ Kapitel 1: Ein rabenschwarzer Schultag -------------------------------------- meine erste Kuroshitsuji FF ^^ um ehrlich zu sein, hat mich dieser OS einiges an Nerven gekostet, da dieses Genre doch totales Neuland für mich war... aber der Versuch war es wirklich wert! Ich hoffe sie gefällt euch trotzdem. Viel Spaß beim Lesen ^^ Ein rabenschwarzer Schultag „Junger Herr.“ Rumms. Vor mir schlugen zwei Hände auf den Tisch. Etwas verwundert sah ich auf. Es war kurz nach Mittag und ich hatte Unterricht, sehr speziellen Unterricht um genau zu sein. Es ist nicht immer einfach der Wachhund der Königin zu sein, schon gar nicht, wenn es Mordfälle gab, die ziemlich verzwickt waren, verzwickt in dem Sinne, dass keine Menschenhand im Spiel war. Ich rede von Dämonen. Ja, auch sie haben des öfteren ihre Finger im Spiel und sie verstehen es meisterhaft in ihrer Perfektion ihre Spuren zu verwischen. Also musste ich über diese Wesen der Dunkelheit, der Hölle, mehr erfahren und warum nicht aus erster Hand? Sebastian wusste sicherlich einiges zu erzählen, außerdem diente dieser Unterricht nur meinem Vorteil: ich würde auch mehr über meinen dämonischen Butler erfahren. Er lebte zwar schon lange bei mir, aber eigentlich wusste ich kaum etwas über ihn… und das ärgerte mich doch. Hatten Dämonen Schwächen? Konnten sie wie Menschen Gefühle empfinden? Was hielten Dämonen überhaupt von Menschen? Ich hoffte auf Antworten, auch wenn ich mir diese auf Umwegen erarbeiten musste. Vor mir lag ein aufgeschlagenes Buch. Das Thema heute befasste sich mit Dämonenarten, die sich von menschlichen Gefühlen ernährten. Ein Bild zeigte einen Jüngling, der von zwei Frauen umgarnt wurde. Der einen blickte er mit einem glasigen Blick in die Augen, doch sein Körper war sichtlich angespannt, man konnte seine Angst dennoch erkennen, während die andere ihre Krallen, die stark an die eines großen Raubvogels erinnerten, in seinem Fleisch vergrub, Blut floss aus der frischen Wunde… Daemones Orcis, so nannte man sie. Doch mein Blick fiel nun auf meinen Butler, der mir einen fast schon strengen Blick zuwarf. Was ging nur in seinem Kopf vor? „Ihr hört mir nicht zu.“ Diese Worte trafen mich wirklich. Nicht, dass ich bestürzt war, nein, ich HATTE ihm zugehört! Jedem einzelnen Wort hatte ich gespannt gelauscht und dieser Dämon wagte es tatsächlich mir zu unterstellen, dass ich ihm nicht zuhörte? In mir brodelte es. „Da muss ich dir wiedersprechen, Sebastian!“, fuhr ich ihn an und ich war mir sicher, dass ich in seinen dämonischen Augen ein amüsiertes Aufblitzen gesehen hatte, wenn auch nur kurz. „Also wisst Ihr bereits alles über diese Dämonenart?“ Provokant war dieser Dämon also auch noch? Natürlich wusste ich nicht alles. Aber ich erlaubte mir nicht, dass ich jetzt vor ihm einen Rückzieher machte. Nicht, wenn er mich so herablassend anschaute… „Ich werde dir beweisen, wie gut ich zugehört habe…“, konterte ich mit unterdrückter Wut in der Stimme, „Ich werde dir eine Präsentation liefern, die dich beeindrucken wird!“ Vielleicht hatte ich mich doch ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt. Wahrscheinlich war es auch die Wut, die mich zu so leichtsinnigen Worten verleitet hatte. „Ich erwarte Euer Ergebnis in Kürze… junger Herr.“ Seine Stimme klang zwar wie immer, aber ich hatte doch das Gefühl, dass es nun schwierig werden würde. Denn wie beeindruckte man überhaupt einen Dämon? Sebastian hatte mir zwar öfter gesagt, dass ich ihn so manches Mal überrascht hatte, aber wie, das musste ich alleine herausfinden, denn nun hatte ich die Stunde abrupt abgebrochen. Doch ich hatte schon den Ansatz einer Idee… „Lass mich nun alleine… und bring mir um die gewohnte Zeit meinen Tee.“ Sebastian verbeugte sich kurz. „Wie Ihr wünscht, junger Herr.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Und nun löste sich auch die Spannung, die seit meinen unüberlegten Worten in diesem Raum geherrscht hatte. Wie dumm ich doch war… so trotzig wie ein Kind zu reagieren… ich hatte mir doch vorgenommen das endlich abzulegen. Aber anscheinend war das doch schwieriger als gedacht. Ich atmete tief durch und griff nach einem Buch, bevor ich meinen Plan in die Tat umsetzte, wollte ich etwas überprüfen – der Vorsicht halber… ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es klopfte. Ich musste nicht einmal auf die Uhr blicken. Sebastian war pünktlich – wie immer. „Komm rein“, war meine knappe Antwort, dann sah ich aber doch von meinem Buch auf, in das ich mich vertieft hatte. Sofort wurde die Tür geöffnet und Sebastian trat ein, einen Teewagen vor sich herschiebend. „Earl Grey und Schokoladentorte…“ Ich nickte nur und legte mein Buch zur Seite. „Seid Ihr so von Eurer Anatomie gefesselt, dass Ihr Euch weigert das Unbekannte zu erforschen?“, fragte er mit einem kurzen Seitenblick auf das Buch, das ich vorhin noch gelesen hatte. Nun fing er schon wieder an. Es machte ihm sichtlich Spaß mich zu reizen, doch diesmal würde ich mich zusammenreißen. „Überrascht dich das, Sebastian?“, fragte ich ihn, erwartete aber keine Antwort, „Ich werde mich nicht wiederholen… du bekommst deine Antwort von mir noch früh genug…“ Nun nahm ich die Tasse entgegen und trank in Ruhe meinen Tee, spürte Sebastians Blick auf mir, aber ich ignorierte es. „Oder bist du etwa… ungeduldig?“, fragte ich ihn schließlich, denn ich wollte auch einmal den Spieß umdrehen. Schließlich war die Zeit ihm meine Seele zu überlassen, noch nicht gekommen. Er musste warten… und das schon lange… für mich. Zeit spielte in seiner Welt sicher eine ganz andere Rolle… „Verzeiht meine Unhöflichkeit, junger Herr, es lag nicht in meiner Absicht Euch unter Druck zu setzen.“ Er verbeugte sich und ich quittierte es mit einem kurzen Nicken, ehe ich nach dem Teller mit dem Kuchen greifen wollte. Daneben lag ein Brief… mit dem königlichen Siegel. Ein neuer Auftrag. Ich ergriff den Umschlag, öffnete ihn und nahm ein paar Fotos heraus. Bilder von toten Mädchen… Ich blickte in ihre leeren Augen, in denen man Überraschung und Schrecken zugleich erahnen konnte. Ihre Körper waren zerfetzt, Fleisch war brutal aus ihren Körpern gerissen worden. Hauptsächlich in Bauch-, Hüft- und Oberschenkelregion. Als hätte sie ein wildes Tier angefallen. Auf der Rückseite der Fotos stand immer dasselbe Wort: Tollwut? Das hieß also, dass diese Bilder meine einzigen Anhaltspunkte über die Leichen. Aus Angst vor einer Verbreitung durch dieses gefährliche Virus waren sie sicher bereits verbrannt worden. Ich erinnerte mich dunkel an einen Artikel von vor ein paar Tagen, wo es um den Tod eines dieser Mädchen ging. Auch da war der Begriff „Tollwut“ gefallen. Ich seufzte. Sicher kursierten in den Straßen Londons wieder die wildesten Gerüchte, immerhin rankten sich um diese Stadt schon genügend düstere Legenden. Und ein wilder Geisterhund, dessen Hunger auch nicht vor Menschen Halt machte, war doch ein gefundenes Fressen. Wobei… es doch seltsam war. Den Bisswunden zu urteilen, schienen sie wirklich von einem hundeartigen Tier zu stammen, aber… warum fanden sie sich an so ungewöhnlichen Stellen wieder? Warum hatte das Raubtier seine Opfer nicht mit einem gezielten Biss in die Kehle erlegt? Und dann waren da noch vereinzelte Kratzspuren an den Armen von zwei Mädchen, die ganz und gar nicht ins Bild eines tollwütigen Hundes passten… „Sebastian, sieh dir das an!“ Der Dämon trat näher und besah sich die Fotos, die ich ihm entgegen hielt. „Was hältst du davon?“ „Mir scheint, als hätte es jemand auf junge Mädchen abgesehen… und hatte sichtlich Spaß ihnen einen langsamen, qualvollen und schmerzhaften Tod zu bereiten…“, antwortete er, ehe er mir die Fotos zurückgab. Langsam… Qualvoll… Schmerzhaft… Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder… „Sebastian… dieses „Tier“… glaubst du… dass dahinter ein Dämon steckt?“ „Das ist gut möglich… und zugleich eine gute Aufgabe für Euch zu recherchieren, mit wem wir es hier zu tun haben…“, meinte Sebastian. Einen Moment lang glaubte ich den Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen zu sehen... dann war es schon wieder verschwunden. „Ich brauche mehr Informationen… auch über die Mädchen. Geh und beschaffe sie mir!“ „Yes, my Lord…“ Und mit diesen Worten verließ er mein Büro. Ich seufzte leise. Noch mehr Arbeit, die zu erledigen war. Doch bevor ich mich dieser Aufgabe widmete, wollte ich endlich meinen Kuchen essen. Ich konnte süßen Dingen einfach nicht widerstehen… ~~~~~~~~~~~~ Ein gellender Aufschrei einer Frau klang mir in den Ohren. „Lauf… lauf! Bevor es zu spät ist!“, flüsterte mir eine körperlose Stimme zu. Und ich rannte, lief durch die dunklen Straßen Londons auf der Suche nach einem Tier… ich wusste, es war hier in der Nähe, ich war mir ganz sicher. Es würde sich wieder ein Opfer suchen und es reißen, wie ein Wolf seine Beute. Doch diesmal würde ich ihm zuvorkommen. Ich hatte meinen Revolver dabei, notfalls würde ich die Bestie erschießen. „Wo bist du?“, fragte ich in Gedanken, aber ich kannte die Antwort schon. Oder zumindest mein Körper. Ich wusste genau, wohin ich laufen musste… immer mehr in die Dunkelheit, die nach mir griff, mich umschmeichelte, ihre kalten Finger nach mir ausstreckte. Es störte mich kein bisschen… warum auch? „CIEL!!!!!“ Dieser Schrei war mir vertraut und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Lizzy… das war ihre Stimme, ganz sicher. Und gerade, als ich ihre Stimme erkannte, erblickte ich sie auch und erstarrte: Sie kauerte zitternd auf dem Boden, den Blick auf mich gerichtet. Jemand… oder besser etwas, hatte ihr in die rechte Hüfte gebissen und die Haut brutal abgezogen, sodass ich schon einen Blick auf das Muskelgewebe hatte… Blut quoll aus der Wunde, benetzte die traurigen Überreste ihres grasgrünen Kleides. Aber weit und breit kein Hund zu sehen... hatte etwas das Tier vertrieben? „Nein!“, wimmerte sie, als ich einen Schritt auf sie zumachen wollte, „Komm nicht näher! Sonst… sonst wirst du…“ ~Uh… der Hauptgang…~ Ein schauriges Knurren, fast schon ein Lachen drang an meine Ohren. ~Was für schönes, junges, unschuldiges Fleisch… darunter verborgen ein vor Angst schlagendes Herz… ein Festmahl der Gefühle…~ Aus den Schatten trat eine Gestalt hervor. Ich konnte sie dennoch nicht genau erkennen… ich sah nur ihre raubvogelähnlichen Krallen, ihr hundeähnliches Raubtiergebiss, das sie bleckte, und ihre glühenden bernsteinfarbenen Augen, die in der Dunkelheit leuchteten. ~Das wird ein schönes Spiel…~ Im selben Moment verschwand sie und einen Herzschlag später, wurde ich zu Boden gerissen, einen stechenden Schmerz in meinem linken Oberschenkel spürend. Dieses Biest hatte seine Zähne in mein Fleisch geschlagen und riss genüsslich daran, sodass ich vor Schmerz aufschrie, gleichzeitig klang mir Lizzys Schrei in den Ohren… ~Ja… schrei lauter… schrei dir die Seele aus dem Leib…~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Junger Herr!“ Erschrocken schlug ich meine Augen auf. Ich lag in meinem Bett, meinen Schlafanzug hatte man mir angezogen. Es war dunkel und doch starrte ich in die leuchtend roten Augen meines höllisch guten Butlers, der einen Kerzenleuchter in der Hand hielt. Meine Atmung ging immer noch schnell und flach, als wäre ich einen Marathon gelaufen… „Sebastian?“, fragte ich leise, als ich mich etwas beruhigt hatte, „Was ist passiert?“ „Ihr seid in Eurem Arbeitszimmer eingeschlafen… und seid nicht aufgewacht. Also habe ich es mir erlaubt Euch ins Bett zu bringen, denn als ich zurück kam, war es bereits nach zehn. Ihr habt im Schlaf immer wieder nach Eurer Verlobten gerufen…“, erklärte Sebastian und musterte mich eindringlich. Sofort senkte ich meinen Blick. Nicht, dass es mir unangenehm war, nur der Gedanke, dass Lizzy vielleicht in diesen Fall involviert werden könnte, machte mir schon zu schaffen. Immerhin war sie auch eine junge Frau… ein besonders emotionales Wesen… und passte somit ins Beuteschema unseres Dämons perfekt hinein. Dieser Anblick… er hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt… Nein, ich würde es nicht zulassen, dass ihr etwas geschah… niemals. Ich wollte sie beschützen… also musste ich mich beeilen. Wer wusste denn schon, wann sie mich wieder mit einem unangekündigten Besuch überraschen würde? Aber heute nicht mehr… dieser Albtraum hatte mich zu sehr aufgewühlt… doch das wollte ich Sebastian nicht auf die Nase binden. Immer noch ruhten seine Augen auf mir. Jetzt wüsste ich gerne, was er wohl dachte. Ob ich erbärmlich wirkte, weil ich einen Moment lang Schwäche gezeigt hatte… vielleicht. „Was hast du herausgefunden?“, fragte ich ihn schließlich, um die Stille zu brechen. „Es gibt keinen einzigen Zusammenhang zwischen diesen Morden… nur, dass die Mädchen abends unterwegs waren. Wahrscheinlich waren sie einfach zur falschen Zeit am falschen Ort…“ „Also gibt es kein Motiv… es ist eine willkürliche Mordserie…“ „Oh, ein Motiv gibt es sehr wohl, junger Herr.“ „Und das wäre?“ „Dies, junger Herr, ist Eure Aufgabe.“ Wieder begann es in mir zu kochen. Sebastian verstand es wirklich meisterhaft meine Fragen zu umgehen. Andererseits hatte er auch recht, auch wenn ich das nie offen zugeben wollte. Das Motiv eines Dämons… ich sollte doch herausfinden mit was für einem Wesen ich es zu tun hatte… Mein kurzes Tief hatte sich verflüchtigt und ich wollte mich gerade wieder aufsetzen, doch dann begannen schwarze Punkte vor meinen Augen zu tanzen. Keine gute Idee. „Junger Herr, ich bewundere Euren Ehrgeiz, aber Ihr braucht noch etwas Ruhe…“ Während er sprach, ließ ich mich zurück in die Kissen sinken und schloss meine Augen. Morgen würde ich sicher weiter kommen, das hatte ich im Gefühl. Aber dafür musste ich ausgeruht sein… und Albträume waren nun nicht besonders willkommen. Als mein Butler sich zum Gehen wandte, blinzelte ich. „Sebastian?“ Angesprochener wandte sich zu mir um. „Setz dich zu mir… bis ich eingeschlafen bin…“ „Yes… my Lord.“ Und schon war er wieder an meiner Seite, setzte sich auf die Bettkante und stellte den Kerzenleuchter auf dem Nachttisch ab. „Wenn ich Albträume haben sollte, weck mich auf.“ „Wie Ihr wünscht… angenehme Nachtruhe, my Lord…“ Ich weiß nicht, wie er das macht, aber… wenn er so nah bei mir ist, fühle ich mich unglaublich sicher. Nicht, weil er ein Dämon ist, nicht weil er stark ist, sondern… er strahlt eine solche Ruhe aus, die sich auf mich überträgt, sodass ich langsam in einen traumlosen Schlaf hinab gleiten kann. Und so war es auch diesmal. Es dauerte nicht lange, da spürte ich eine angenehme Wärme um mich herum. Ich wusste gleich, dass sie von Sebastian ausging. Er hatte mir schon einmal gesagt, dass Wesen aus der Hölle das Feuer und die Wärme lieben und sie manchmal auch weitergeben… Aber vielleicht war es auch nur reine Einbildung, denn im selben Moment war ich schon weggedämmert in einen tiefen, traumlosen und erholsamen Schlaf… ~~~~~~~~~~~~~~~~ Viel zu früh wurde ich von Sebastian geweckt. Er kann ja so brutal sein, wenn er die Vorhänge zur Seite zieht und gleißendes Sonnenlicht ins Zimmer scheint… So auch an diesem Tag. „Es ist Zeit aufzustehen, junger Herr!“ Im Halbschlaf kämpfte ich mich aus der wärmenden Decke und blickte den Dämon vor mir verschlafen an. Ein Grinsen huschte kurz über seine Lippen, als er mich so sah. „Wie mir scheint, hattet ihr eine sehr angenehme Nachtruhe…“, meinte er lächelnd, doch mir entging nicht dieser Unterton in seiner Stimme. Meine Augenbraue wanderte automatisch nach oben. „Dass es nur die Nähe eines Dämons bedarf, damit ihr in Ruhe schlafen könnt, ist wirklich faszinierend…“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage. „Warum?“ Etwas Spott klang in meiner Stimme mit, „Hast du noch nie einen schlafenden Menschen gesehen?“ „Wer schläft, sündigt nicht, junger Herr… ist Euch dieses Sprichwort geläufig?“ Sebastian lächelte. „Es ist doch faszinierend… man könnte ein gefürchteter Serienmörder sein, der immer wieder nach einer neuen Blutstat dürstet… aber im Schlaf kann er seine eigene verletzliche Seite nicht verbergen… jeder Mensch ist es, es gehört zum Leben dazu…“ „Nein. Das stimmt nicht.“ Die Augen meines Butlers musterten mich gründlich. „Menschen träumen. Es gibt schöne Träume und Albträume. Man empfindet in ihnen genau wie im wachen Zustand. Vielleicht sterben sogar in diesen Träumen Personen… ist das denn keine Sünde? Ich meine… der Mensch, der träumt, lässt es geschehen… es sind vielleicht sogar seine innigsten Wünsche, die der Traum repräsentiert! „Da muss ich Euch widersprechen… ihr habt zwar Einfluss auf das, was ihr erlebt… somit auch, was in euren Träumen vorkommen könnte… allerdings sind die tatsächlichen Träume nicht dem menschlichen Willen unterworfen… es ist immer wieder eine Reise ins Unbekannte… und gerade deswegen wirken die Menschen im Schlaf so unschuldig und verletzlich…“ Darauf konnte ich nichts erwidern, es stimmte mich nachdenklich, was Sebastian gesagt hatte. War das etwa der Grund, warum Dämonen nicht schliefen? Nein… er hatte es doch als Luxus bezeichnet… also musste es einen anderen Grund geben… „Genug der philosophischen Gedanken, junger Herr… Ihr habt einen langen Tag vor Euch!“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, zog er mir mit einer eleganten Bewegung die Decke weg. Verfluchter Dämon! ~~~~~~ Missmutig saß ich nun beim Frühstück. In letzter Zeit schien Sebastian sichtlich Spaß zu haben mich wütend zu machen. Und meistens gelang es ihm auch mich so lange zu reizen, bis ich fast explodierte. Was bezweckte er nur damit? Was ging in seinem Kopf vor? Ich setzte meine Tasse Tee an die Lippen und trank einen Schluck. Tee wirkte wirklich wahre Wunder bei mir, ich wurde schlagartig ruhiger, meine Wut legte sich… Sebastian… ich hatte mich schon öfter gefragt, was er von mir hielt. War ich für ihn ein verwöhntes Kind? Oder ein verbitterter Junge? Alles, was ich wusste, war, dass er mich anscheinend sehr amüsant fand. Er machte sich ja oft genug über mich lustig… Nein. Da war sicher mehr. Ansonsten wäre er damals nicht zu mir gekommen, als ich ihn gerufen hatte. Irgendetwas musste ich an mir haben, das ihn fasziniert hatte… darüber hatte er nie ein Wort verloren… um ehrlich zu sein, hatte ich ihn auch nie gefragt. Aber vielleicht musste ich die Antwort auch selbst finden… „CIEEEEEL!“ Ich zuckte zusammen, diese Stimme war unverkennbar… Elizabeth Middleford… meine Verlobte. Was machte sie hier? Der Zeitpunkt war einfach ungünstig! Die Tür zum Speisesaal wurde geöffnet und dort stand sie, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, wie immer, wenn sie mich sah. Fröhlich lief sie auf mich zu. „Lizzy… du…“, begann ich, doch sie brachte mich gleich zum Schweigen. „Oh Ciel! Sebastian hat schon gesagt, dass du kaum Zeit hast, aber… heute Abend findet eine Geburtstagsfeier einer guten Freundin von mir statt… und da sie hier in der Gegend wohnt, wollte ich dich nur kurz besuchen… bitte… schick mich nicht weg! Ich bleibe auch nicht lange, ehrlich.“ Ich atmete tief durch. Okay, jetzt war sie schon einmal hier… dann musste ich meine Aufgaben eben hinten anstellen. „Möchtest du einen Tee?“, bot ich an und sie nickte sofort. Ich brauchte nichts zu sagen, denn schon hatte Sebastian den Raum betreten und schon war Lizzy auch mit einer Tasse Tee versorgt. „Vielen Dank, Sebastian!“, meinte sie strahlend und er verbeugte sich vor ihr. „Es ist mir eine Ehre, My Lady…“, antwortete er mit einem Lächeln und verließ das Zimmer so schnell wie er gekommen war. Ich bewunderte sie wirklich. Sie trug immer dieses strahlende Lächeln auf ihren Lippen, unverkennbar… und immer wieder unternahm sie den Versuch mich zum Lachen zu bringen, vergeblich. Sie ist hartnäckig… kämpft immer noch darum etwas Zuneigung von mir zu erfahren, aber meist beißt sie dabei auf Granit… ich habe sie nicht verdient… nicht mehr… „Oh Ciel… nun zieh nicht so ein Gesicht!“, tadelte sie mich und ich bemühte mich wirklich darum meine ernsten Züge etwas freundlicher zu gestalten. Damit gab sie sich zufrieden. „Sag… hast du von dem Geisterhund gehört?“, fragte ich sie wieder mit ernster Miene. „Natürlich, wer hat das nicht? Aber mach dir keine Sorgen… ich übernachte bei meiner Freundin… ihr Haus ist eine Festung, da kommt kein Hund rein!“, meinte sie fröhlich, „Außerdem scheuen Geister doch Licht… es gibt ein Feuerwerk… das wird ihn sicher von dort fern halten.“ Ja, dieser Glaube war uralt… böse Geister scheuten Licht und laute Geräusche… vielleicht machte ich mir doch zu viele Gedanken… ~~~~~~~~~~~~~ Es war doch später geworden, als Lizzy sich gegen Spätnachmittag verabschiedete, um sich für den Ball vorzubereiten. Ich ließ sie mit gemischten Gefühlen ziehen. Solange da draußen dieser Dämon war, konnte ich keine Ruhe finden. Und Lizzy sollte unter keinen Umständen mit ihm konfrontiert werden, das konnte ich mir nicht verzeihen… Also hatte ich Sebastian den Befehl gegeben sie im Auge zu behalten, während ich mich wieder meiner Hausaufgabe widmete. Ich musste die Schwäche dieser Dämonen finden… Ich hatte ja einen Ansatz… ich brauchte nur noch die Lösung. Und die fand ich… in meinem Arbeitszimmer. Mein kleiner Giftschrank, in dem sich allerlei wundersame Gemische befanden, würde mir noch von Nutzen sein. Eigentlich war es ein Aufbewahrungsort für heilende Flüssigkeiten und Pasten, die Sebastian zusammengestellt hatte, aber hin und wieder fanden sich dort auch Gifte und Gegengifte. Man konnte ja nie wissen… ich ging eher selten an dieses Schrank, aber dieses Mal wusste ich ja, was ich brauchte… Tatsächlich fand ich es: eine kleine Glasphiole mit einer klaren Flüssigkeit. Beschriftet war sie mit Thanatos. Ohne zu zögern ergriff ich sie, ging an einem Bücherregal vorbei, zog ein kleines Buch über Medikamentenlehre heraus und zog mich in mein Zimmer zurück. Ich wollte ganz sicher sein, dass mir bei meiner Präsentation kein Fehler unterlief… Doch daraus wurde nichts… es war bereits dunkel geworden, da klopfte es an meiner Tür und Sebastian trat ein. Sein Blick verriet nichts Gutes… „Ich höre…“ „Der Ball wurde gestört… unser Dämon hat sie angegriffen, allerdings niemanden verletzt… aber… er hat eine Panik ausgelöst und viele sind überstürzt in die Straßen Londons geflohen… auch die junge Lady…“, berichtete er mir. „Wir müssen sie unbedingt finden! Geh, und sag Maylinn, Finny und Bard, dass sie das Anwesen beschützen sollen.“ Man konnte ja nie wissen, ob dieser Dämon nicht auch hinterlistig einen Weg in mein Haus finden konnte… Sebastian nickte und verließ das Zimmer. Mein Blick ruhte auf der kleinen Glasphiole in meiner Hand. Ihr flüssiger Inhalt war so klar, wie es im Buch stand. Jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen, auch wenn ich mir andere Umstände gewünscht hatte. Jetzt musste ich schnell sein. Lizzy durfte nichts passieren... sie und Sebastian sollten sehen, dass ich nicht schwach war, dass ich mich der Gefahr stellte, kämpfte. Langsam drehte ich den Deckel der Phiole ab. jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich wusste es würde funktionieren... auch wenn ich meiner Verlobten einen gehörigen Schreck einjagen würde. Aber das war besser, als wenn sie dabei umkam... Um Sebastian hingegen machte ich mir herzlich wenig Sorgen... warum auch? Er war ein Dämon, kannte mich in- und auswendig. Es würde für ihn ein Leichtes sein meinen Plan zu durchschauen. Außerdem konnte ich ihm vollends vertrauen... Er würde bis zum Ende an meiner Seite bleiben… das hatte er oft genug betont. Ich setzte das Fläschchen an die Lippen und trank den ganzen Inhalt aus. Es schmeckte nach nichts... wie Wasser. Und eine Wirkung würde erst nach Minuten eintreten... die Phiole stellte ich auf meinem Nachttisch ab... "Sebastian..." Sofort war der Dämon an meiner Seite. "Bring mich zu Lizzy... und beschütze sie. Egal, was passiert!" "Yes, my Lord." ~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es war wie in meinem Traum… ich irrte durch die Straßen von London… in tiefster Nacht. Stille umgab uns, unheimlich – ein böses Vorzeichen. Meine Schritte beschleunigten sich. Nein, es war nicht wie in meinem Traum. Ich war nicht alleine… Sebastian war bei mir. Ich hatte keine Angst, obwohl mein Herz raste… Lizzy… ihr durfte nichts passiert sein. Ein Aufschrei. Lizzy war mir regelrecht in die Arme gelaufen. Verschreckt, wie ein junges Reh sah sie mich an, dann umarmte sie mich, ich spürte wie erleichtert sie nun war. „Ciel… oh mein Gott… ich… ich hatte solche Angst! Da war dieser… riesige Hund… der mich verfolgt hat… ich habe sein Hecheln gehört… ich… ich dachte ich müsste sterben!“, schluchzte sie und klammerte sich an mich, sie zitterte. „Es war nicht nur einer, Schätzchen…“ Diese Stimme ließ selbst mich erschaudern. Es war ein Knurren, das aus dem Schatten kam. Dunkel und kalt. Und doch glaubte ich ein Lachen zu hören. Und dann sah ich sie… unzählige Augenpaare von bernsteinartiger Farbe, die uns hungrig fixierten. Daemones Orci… diese Wesen, von denen mir Sebastian erzählt hatte. Und wir waren ihre Beute… „Bring sie weg, Sebastian. Das ist ein Befehl!“ Der Dämon sah mich irritiert an. Doch er widersprach mir nicht, auch wenn mir sein kurzer Blick sagte, dass das eine dumme Entscheidung war. Außerdem würde er nicht lange brauchen Lizzy in Sicherheit zu bringen. So lange würde ich es aushalten können… Ein Windhauch und Sebastian und Lizzy waren verschwunden. Nun konnte ich aufatmen. Sie war in Sicherheit… aber… als ich diesen Gedanken fasste, wurde ich gepackt und zu Boden gerissen. Krallen bohrten sich schmerzhaft in meine Seite. Ich sah in das Gesicht meines Peinigers. Weibliche Züge… fast menschlich… und dann diese gebleckte hundeartige Gebiss… die bernsteinfarbenen Augen, in freudiger Erwartung mich zu zerfetzen… „Was für ein schönes Gesicht du doch hast, Menschenkind…“, flüsterte sie zärtlich, „Du wirst ein besonders köstlicher Leckerbissen sein. Nun zeig mir, wie sehr du dich fürchtest…“ Und dann schlüg sie zu, schlug ihre Zähne erbarmungslos in mein Fleisch, sodass ich vor Schmerz aufschrie und Sterne sah. „Schrei… lauter… zeig mir deine Angst…!“, knurrte sie und verbiss sich erneut in meine Seite. Verdammt… so hatte ich mir das nicht vorgestellt… und warum wurde mir auf einmal so warm? Das sollte nicht passieren… hatte ich doch etwas überlesen? Meine Sicht verschwamm vor meinen Augen… die Kräfte, mit denen ich versuchte Widerstand zu leisten, schwanden und ich ließ mich in die Dunkelheit sinken… ich war doch zu schwach, Sebastian hatte doch Recht gehabt… „JUNGER HERR!“, drang noch an meine Ohren, doch seine Stimme klang, als wäre sie ganz weit weg… ~~~~~~~~~~~~~~~ Schluchzen… Nur langsam drang irgendetwas zu mir durch. Ich fühlte mich schwach, müde, erschöpft. „Sebastian!“ Die weinerliche Stimme gehörte Lizzy. Ich hatte sie noch nie so aufgelöst erlebt… Ich schlug meine Augen auf und starrte von oben auf das Geschehen herab… Träumte ich etwa? Lizzy stand an meinem Bett… das Gesicht in ihren Händen vergraben und sie weinte bitterlich. Und ich sah nun auch den Grund: mich selbst. Ich lag in meinem Bett… in einen schwarzen Anzug gekleidet, meine Haut hatte sich blassgrau gefärbt, ein schlechtes Zeichen… „Er… wollte mich beschützen…“, brachte sie zitternd hervor, „Sebastian!“ Der Dämon stand neben ihr und zog sie in eine Umarmung, gab ihr den Halt, den sich verzweifelt suchte. Und doch ruhten seine Augen auf meinem leblosen Körper – die ganze Zeit… Sebastian… mein perfekter Butler… zitterten etwa seine Hände? Nein… es stimmte. Warum? Ich war doch da! Spürte er es nicht? Ich ertrug diesen Anblick nicht… Sebastian war perfekt, ihm unterliefen keine Fehler, niemals! Er konnte nicht zittern, nein, das passte nicht in das Bild hinein! Es sollte aufhören. „Bitte… Ciel… ich hoffe es geht dir da oben gut…“, begann Lizzy leise und versuchte zu lächeln. Doch es blieb bei einem Versuch – einem wirklich kläglichen Versuch. Nein. Das sollte so nicht sein! Ich wollte zurück… wollte ihnen sagen, dass es mir gut ging, dass sie sich keine Sorgen machen mussten! Ein Atemzug… ein Herzschlag… Es fühlte sich an, als wäre ich aus einem Albtraum erwacht. Schwer atmend saß ich in meinem Bett und zwei Augenpaare starrten mich geschockt an. „C-ciel… du… du…“ Lizzy fand ihre Sprache wieder, aber diese Überraschung war zuviel für sie und sie wurde ohnmächtig. Sebastian reagierte blitzschnell und fing sie auf. Ich nickte ihm kurz zu und er brachte sie kommentarlos in das Gästezimmer, das sie bei jedem ihrer Besuche bezog. Nach einigen Minuten kehrte er wieder zurück. „Junger Herr… ich…“ „Daemones Orci… Dämonen aus der Unterwelt… sie ernähren sich von menschlicher Angst. Sie bereiten ihren Opfern einen langsamen, schmerzhaften und grausamen Tod, denn sie reißen ihnen nach und nach das Fleisch aus dem Körper, bis ihre Opfer an dem hohen Blutverlust sterben. Wohlgemerkt bevorzugen sie nur das lebendige Fleisch. Sie überlassen den toten Körper den Aasfressern und ziehen sich dann zurück in die Schatten“, erklärte ich und sah den Dämon ernst an, dann wanderte mein Blick zu meinem Nachttisch, wo die Glasphiole stand, aus der ich getrunken hatte. „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, Sebastian… was sagst du nun?“ ~The End~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)