Pirates Must Dream, Birds Must Fly von Votani (Marco x Genderbender!Ace) ================================================================================ Part I – Pirates Must Dream --------------------------- I „Das ist nicht fair!“, stieß Nami genervt aus, als sie ihre Karten auf den Tisch klatschte. Sie war selbst über das allgemeine Stimmengewirr im Pub hörbar. „So viel Glück kann doch kein Mensch haben. Du musst irgendwie schummeln, verdammt!“ Doch Anne störte sich nicht daran, dass man sie des Betrügens beschuldigte. Nein, mit einem Schmunzeln auf den Lippen holte sie mit dem Arm aus und schob die Spielchips in der Mitte des Tisches zu sich herüber. „Das würdest du dir wünschen, was?“ Freundliche Provokation stand in ihren Augen geschrieben, durch ihre Sommersprossen noch hervorgehoben. Die junge Frau auf der anderen Tischseite sah aus, als wollte sie Anne an die Kehle gehen, wurde jedoch durch Gelächter abgelenkt. „Lach’ nicht!“, fauchte Nami den braunhaarigen Kerl neben sich an. Dieser strich sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Erinnere dich lieber an das letzte Mal, als Anne dich ausgenommen hat, Thatch!“ Und tatsächlich fiel das Grinsen von seinem Gesicht und ließ eine Grimasse zurück, die zeigte, dass er sich daran noch sehr gut zu erinnern vermochte. „Keine Sorge...“, warf Anne amüsiert ein und zuckte knapp mit den Schultern. „Ich bin fertig für heute.“ „Du gehst?“, riefen beide wie aus einem Mund. Die Überraschung galt viel eher den Chips, die sie in ihre braune Tasche schob. „Warum?“, rief Nami aus. „D-Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!“ „Ja, ich spür’ grad eine riesige Glücksträhne herannahen, Anne!“, lenkte Thatch ein und sah sie mit Dackelaugen an. Das ließ Anne nun wirklich leise auflachen. „Sorry, vielleicht morgen wieder.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und schlenderte zwischen den besetzten Tischen hindurch zur Tür des Kokos’. Nur Nojiko, Namis Schwester und Mitbesitzerin des Inns, die hinter dem Tresen Gläser wusch, winkte sie noch zu. Genauer gesagt hob sie die Hand mit dem Beutel, was beide ein Grinsen austauschen ließ. Anschließend ließ sie die bunte Menge, die sich im Kokos zusammengefunden hatte, hinter sich zurück und trat hinaus ins Freie. Die untergehende Sonne brannte auf die kleine Stadt herab, so dass die Luft staubtrocken war und in der Ferne flimmerte. Doch die Hitze war immer noch besser, als der Geruch von Schweiß und Rauch im Inneren. Das hier war das genaue Gegenteil. Es roch nach Freiheit und Leben! Die Wüste, die sich bis zum Horizont ausbreitete wie ein Meer mit gelbem Wasser schien unendlich. Manchmal kam es Anne so vor, als war sie das auch. Fast so, als gäbe es da draußen nichts weiter als Sand und Kakteen - dabei wusste sie es besser. Sie hatte schon viele Geschichten über die merkwürdigsten Landschaften gehört. Irgendwann würde sie hier abhauen und durch die Welt ziehen, um herauszukriegen, ob es sie tatsächlich gab. Grinsend zog Anne ihren roten Cowboyhut tiefer ins Gesicht, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, und stiefelte zu ihrem Fortbewegungsmittel herüber. Dieses stand neben zwei braunen Hengsten, die an einen Pfahl gebunden waren. Im Gegensatz zu ihr verließen sich viele eben doch auf die Zuverlässigkeit von Tieren, anstatt ihr Vertrauen in die Technik zu setzen. Doch Anne konnte gar nicht anders. Sie liebte die Geschwindigkeit, die ihre Maschine erreichte. Sie liebte den Wind im Haar und auf ihrer nackten Haut zu spüren. Das war etwas, das ihr Pferde nicht geben konnten. Nicht in der Schnelligkeit, die ihr Bike erreichte! Beiläufig fuhren ihre Finger über den schwarzen Lack ihres Motorrads, während ihr Blick auf den orangeroten Buchstaben an der Seite ruhten, die das Wort Striker zusammensetzten. Dann sprang sie bereits auf und ließ den grölenden Motor an, der die Pferde neben ihr mit den Hufen scharren ließ. Anne streckte die Hand nach einem aus und strich dem Tier über den Hals. Anschließend legte sie den Gang ein und düste davon. Sie ließ nur eine Wolke aus Staub und Sand und hustenden Menschen hinter sich zurück. II „Kleine Planänderung, Marco...“, ertönte Vistas Stimme schnarrend über Funk. „Wie es aussieht, triffst du Ms. Bloody Sunday nun im Spiders Café. Sie wird sich dir dort offenbaren und wenn sie sicher ist, dass du clean bist, bringt sie dich zu ihrem Boss.“ Marco verzog das Gesicht, als er seinerseits nach dem Funkgerät griff und es an seinen Mund hielt. „Das war doch von vornherein geplant!“, erwiderte er. „Sie wusste ganz genau, dass wir uns auf dieses Kinderspiel nicht eingelassen hätten, weshalb sie mit der Änderung erst rausgerückt ist, nachdem sie sicher sein konnte, dass ich bereits auf dem Weg bin, um den Deal abzuschließen.“ „Macht das letztendlich wirklich einen Unterschied?“, war alles, was Vista antwortete, und der Blonde konnte schwören, dass er so etwas wie Belustigung aus der Stimme seines Freundes heraushörte. Jedoch musste er feststellen, dass es tatsächlich nicht viel änderte. Jetzt, wo er sich schon in der Luft befand und mindestens die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte, würde er trotzdem nach Logue Town fliegen und alles unter Dach und Fach bringen. Es war eben ein gutes Geschäft. „Nein, over.“ Damit legte Marco das Funkgerät beiseite und konzentrierte seine Sinne wieder auf den Flug. Die Wüste schnellte wie ein gelber Teppich unter ihm hinweg, schien endlos und glühend. Marco war bei weitem kein Wüstenmensch und doch musste er sich eingestehen, dass sie eine gewisse Faszination mit sich brachte. Das kleine Motorflugzeug wurde derweil von einer Böe erfasst und höher und höher dem feuerroten Himmel entgegen getragen. Marco liebte dieses Gefühl. Es war eines absoluter Freiheit, das er unten am Boden nicht finden konnte. Nein, da fühlte er sich nicht federleicht und als ob er alles tun konnte. Hier schon, hier fühlte er jeden Zentimeter, den seine Maschine aufstieg oder sich senkte mit seinem gesamten Körper. Es ließ sein Herz aufgeregt gegen seine Brust schlagen, das Adrenalin durch seine Venen pumpen. Erst das Aufblinken der Armaturlampen riss ihn wieder in die Realität zurück. Er betrachtete sie eine ganze Weile. Fast so, als erwartete er, dass sie ihm sagten, was ihr Problem war. Er selbst konnte keines feststellen. Sprit war noch genug übrig. Der Propeller drehte sich auch einwandfrei. Er klopfte mit dem Finger und gehobener Braue gegen eines der roten Warnlämpchen, während eine Stimme in seinem Kopf ihn darauf aufmerksam machte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht in Ordnung, um genau zu sein! Nur, dass das seine Intuition war und sein rationaler Verstand ihm wiederum klar machte, dass da keine Probleme sein dürften. Nicht nur, dass seiner Meinung nach alles reibungslos lief, sondern auch, weil er seine Maschine regelmäßig warten ließ. Denn obwohl er gegen ein bisschen Risiko nichts einzuwenden hatte, war er niemand, der es heraufprovozierte. Im darauffolgenden Moment begann der Motor bereits zu stottern. Entgegen seiner Hoffnung, dass er sich wieder fing, sackte die Maschine ab. Es ging verflucht schnell. Marcos Griff um den Steuerknüppel wurde fester, als er versuchte das Flugzeug wieder hochzuziehen. Vergebens. Die Sanddünen kamen näher, im rasanten Tempo, als der Motor gänzlich den Geist aufgab. Kein rettender Luftzug. Keine zündende Idee, die den Tag und damit sein Leben retten konnte. Nein, es blieb nur das Gefühl des Fallens, anstatt das des Fliegens. Anziehende Gravität, anstatt Schwerelosigkeit. Marco blieb keine Wahl, als zu versuchen die Maschine so sanft wie möglich abstürzen zu lassen. Näher betrachtet, beinahe lachhaft! Bereits als die Räder den Sand berührten, stellte sich dies als unmöglich heraus. Die Maschine wurde zur Seite geschleudert. Sie ließ Marco mit dem Kopf gegen das Glas knallen, Schmerz hinter seiner Stirn explodieren. Seine Arme schossen in die Höhe, um ihn vor weiteren Verletzungen zu schützen, als er im Cockpit herumgeschleudert wurde. III Da dieser Teil von East Sand so gut wie nie überflogen wurde, nahm Anne das Motorflugzeug wahr, ehe es sich überhaupt in ihrem Sichtfeld befand. Es war schneeweiß und nur die Seite war mit etwas Blauem bemalt worden, von dem Anne nicht sagen konnte, was es war. Dafür war es einfach zu weit entfernt. Was sie jedoch bestimmen konnte, war dass sein Pilot einige Schwierigkeiten zu haben schien. Nicht nur, dass die Maschine in der Luft hin und her wankte, sondern sich auch rapide absenkte. Die abgehackten Geräusche des Motors konnte sie selbst über denen ihres Bikes vernehmen. Es war das, was ihre Aufmerksamkeit gänzlich auf sich zog und sie einen Schlenker fahren ließ, als das kleine Flugzeug hinter einer hohen Sanddüne verschwand. Die Absturzstelle, zumindest sah es für sie verdammt nach einer nicht gewollten Landung aus, befand sich nicht weit von ihrem eigentlichen Weg. Es war ein Katzensprung dorthin! Abgesehen davon, dass es längst ihre Neugierde geweckt hatte und sie wusste, dass wenn sie nicht nachschauen ging, die verpassten Möglichkeiten sie für die nächsten Tage verfolgen würden. Mit hundertachtzig Sachen brauste sie auf ihrem Striker durch den Sand. Das Motorrad ließ eine Schneise hinter sich zurück, die von Rädern stammten, die doppelt so breit wie gewöhnliche waren, um nicht im Sand zu versinken und stattdessen gute Fahrt machen zu können. Innerhalb von wenigen Minuten hatte sie mit ihrem Bike den Sandhügel erklommen und rauschte diesen herunter. Dabei waren ihre Augen fest auf das Flugzeug gerichtet, das unten zum Stehen gekommen war. Die Nase der Maschine mitsamt Propeller war in der Düne vergraben. Die Tür zum Cockpit wurde unterdessen geöffnet und ein blonder Typ ließ sich wie ein nasser Sack nach draußen fallen. Auf Annes Lippen zeigte sich der Ansatz eines Grinsens, als sie auf den Kerl und seine Maschine zuraste. Dieser hatte sie längst ins Auge gefasst. Allerdings zuckte er nicht mal, als sie ihn geradewegs ansteuerte und nur Meter vor ihm entfernt ihr Bike herumriss und den Sand über ihn hineinregnen ließ. Nein, er blinzelte nur ein, zweimal irritiert, während er weiterhin sitzen blieb. Inzwischen stieg Anne ab, zog ihre Fliegerbrille von den Augen und schob stattdessen ihren roten Cowboyhut wieder auf ihren Kopf. Der hatte die Fahrt über an einem Bändchen in ihrem Nacken geruht. Die Augen des Fremden fuhren von ihrem Gesicht hinunter zu ihrem beigen Bikinioberteil. Als er sich zwang den Blick wieder zu heben, begegnete sie ihm mit einem wissenden Schmunzeln. Anschließend stemmte sie die Arme in die Hüften. „Du blutest“, stellte sie trocken fest. Die Hand des Blonden wanderte daraufhin fast automatisch zu seiner linken Schläfe und tastete dort entlang, um sie blutig wieder sinken zu lassen. Überrascht schien er nicht. „Meine Maschine hatte scheinbar einen technischen Fehler“, erwiderte er stattdessen und sah kurzzeitig an sich herunter, als wollte er sichergehen, dass er keine weitere Verletzung davon getragen hatte. Auch Anne ließ ihren Blick über seine Gestalt wandern. Er trug lediglich ein violettes Hemd, das ihm offen um die Schultern hing, und eine blaue Dreiviertelhose mit einem helleren Tuch um die Hüfte gebunden. Das, an was ihre Augen hängen blieben, war jedoch die Tätowierung auf seinem Brustkorb. Sie wusste nicht, was es bedeutete, aber dasselbe war auf das Flugzeug gemalt worden. Sie stampfte in ihren schwarzen Stiefel auf es zu. Genau unter dem Zeichen, über das nun ihre Fingerkuppen fuhren, befand sich ein Phönix, an dem blaue Flammen züngelten. Erst danach wandte sie sich an Marco und hielt ihm ihre Hand entgegen. „Sieht so aus, als seiest du gestrandet...“, bemerkte sie nebenbei. Da mussten mindestens acht, neun Jahre zwischen ihnen liegen, stellte sie fest, als dieser sich selbst aufrappelte, anstatt sich von ihr aufhelfen zu lassen. „Sieht so aus...“ Dann wandte sich der Blonde seinem Flugzeug und ihr damit den Rücken zu. Scheinbar hegte er kein großes Interesse an Hilfe oder an Bekanntschaften. Allerdings war das nichts, was Anne abschrecken konnte. „Man sagt mir zwar immer, dass ich keine Streuner mit nach Hause bringen soll, aber du siehst aus, als hättest du es nötig“, erklärte sie, als sie ihre Hände in den Hosentaschen ihrer schwarzen Hotpants schob. Der Bruchpilot sah sie daraufhin skeptisch über seiner Schultern hinweg an. Für einen Augenblick sah er aus, als glaubte er, dass sie es ernst meinte. Zumindest, bis er das spitzbübische Grinsen auf ihren Lippen entdeckte. Das konnte sie ihm ansehen. „Und mir sagt man immer, ich soll nicht mit Fremden reden“, konterte er und wandte sich abermals von ihr ab, um an seiner Maschine herumzuwerkeln und nach möglichen Fehlern zu suchen. Glaubte er wirklich, dass er sie so einfach wieder flott bekam? Dass er von hier abheben konnte, selbst wenn er erfolgreich war? „Mein Name ist Portgas D. Anne!“, lenkte Anne irgendwann ein, nachdem sie ihren Gegenüber eine Weile beobachtet hatte. „Eh?“ „Wenn du weißt, wie ich heiße, dann hast du keine Ausrede mehr, dich nicht mit mir unterhalten zu müssen“, erklärte Anne amüsiert. Abermals wurde sie skeptisch gemustert. Jene Skepsis vermischte sich nach wenigen Sekunden mit einer stillen Erkenntnis, die Anne nicht genau deuten konnte. „Marco.“ „Also, Marco...“, begann Anne verheißungsvoll und ließ ihren eigenen Blick wieder auf seinem Motorflugzeug zum Liegen kommen. „Wie ich das sehe, kommst du nicht von hier.“ Es war eindeutig. Nicht, dass er wie der typische Tourist wirkte oder aussah, als habe er zum ersten Mal Fuß in East Sand gesetzt. Genauso wenig deshalb, weil Flugzeuge selten Routen über East Sand nahmen, sondern weil sich Anne sicher war, dass sie sein Gesicht von einem der Steckbriefe her kannte. Diese klebten in Windmill Village an jedem Mast und jeder Hauswand, zusätzlich wurden sie noch in den Zeitungen abgedruckt. Anne studierte sie stets mit einer Mischung aus Faszination und Abschaum, je nachdem, warum sie gesucht wurden. Und jetzt, wo sie den Blonden etwas näher betrachtet hatte, das Zeichen entdeckt hatte, war sie sich sicher, dass dieser Marco einer der Gesuchten war. „In spätestens einer halben Stunde wird es hier stockfinster sein - und hier kommt eine Menge Zeugs nachts raus, mit dem du keine Bekanntschaft machen willst! Deshalb schlag’ ich vor, dass du dir ’nen Ruck gibst und mit mir kommst. Ich war sowieso gerade auf dem Weg nach Hause. Ich kenn’ da sogar jemand, der dein Baby hier im Nu wieder hinkriegt.“ Misstrauisch musterte Marco Anne, ehe er schließlich mit den Schultern zuckte. Wahrscheinlich sah er ein, dass ihm eigentlich kaum keine andere Wahl blieb. IV Marco war niemand, der gerne Hilfe annahm, weswegen es fraglich war, warum er überhaupt auf das Angebot dieser Anne eingegangen war. In den Kreisen, in denen er verkehrte, konnte einem falsch gesetztes Verstrauen kosten. In seinem Business musste man sich vor jedem in Acht nehmen. Schon alleine wegen Kopfgeldjägern, die einem in allen Geschlechtern und sonst wie abgelegenen Orten an die Kehle gehen wollten. Zwar könnte diese Anne, die vor ihm auf dem Motorrad saß, ebenfalls eine sein, doch das fiel Marco schwer zu glauben. Kopfgeldjäger gaben nicht offen zu, dass sie wussten, dass ihr Gegenüber Dreck am Stecken hatte. Nein, sie wollten ihre Beute viel eher in Sicherheit wiegen, um ihnen dann von hinten ein Loch in den Kopf zu schießen. Wenn tot oder lebendig auf dem Steckbrief stand, konnte man davon ausgehen, dass die nächste Kugel einem gehörte. Doch es hatte Anne in den Augen gestanden, dass sie sich klar darüber war, dass kein gewöhnlicher Kerl vor ihr stand. Das Wissen darum hatte ihn praktisch aus ihrem Gesicht heraus angelächelt. Genauso, als ihre Finger über das Zeichen an seinem Flugzeug gefahren waren, hatte er es bemerkt. Es war voller freundlicher Provokation gewesen, die so viel wie „Na, gibst du es zu oder versuchst du dich doch herauszureden?“ gesagt hatte. Es war ein triezendes „Versuch ruhig dich zu verstellen, ich weiß es ja doch besser!“ Nur, dass kein Laut davon über ihre Lippen gekommen war. Das war vermutlich dass, was ihn hatte einwilligen lassen, anstatt sich in eine wahllose Richtung aufzumachen und zu hoffen bald auf Zivilisation zu stoßen. Wie das ausgegangen wäre, wollte sich Marco lieber nicht ausmalen. Dass er vom Glück nicht gerade verfolgt war, war nichts, was sich von gestern auf heute entwickelt hatte. „Was machst du beruflich?“, rief er über den Krach ihres Bikes hinweg und hielt sich eher notdürftig mit den Händen an ihrer Hüfte fest. Es war nicht so, dass er noch nie auf einem Motorrad gesessen hatte, doch es war neu, dass eine Frau am Steuer saß, die wie eine besenkte Sau von einer Düne zur nächsten bretterte. Marco wurde herumschleudert, so dass sich ihm der Magen umdrehte. Und sobald er die Zähne aufeinander biss, knirschte der Sand in seinem Mund. Glücklichweise hatte Anne wenigstens noch eine zweite Fliegerbrille dabei gehabt, die ihm überhaupt erlaubte seine Augen offen zu halten. „Dies und das...“, gab sie vergnügt zurück. Statt sie ihm einfach sagte, dass es ihn nichts anginge... Dies und das - was war das für eine Antwort? „Und, was machst du beruflich, Marco?“ „Dies und das...“, wiederholte er und Anne lachte auf. Ihre Stimme war hell und einladend, und Marco fand sich ihren Hinterkopf betrachtend. Den Rest der Fahrt hüllten sie sich beide in Schweigen, doch dem Blonden war das nur recht. Er war sowieso nicht der große Redner, das überließ er grundsätzlich lieber anderen. Irgendwann jedoch, als der Himmel längst von einem feuerrot zu einem blauviolett Ton übergegangen war, riss ihn Anne wieder aus seinen Gedanken, in dem sie die Geschwindigkeit ihres Bikes verringerte. „Da sind wir!“, sagte sie, als sie kurzzeitig hielten und der Sand vor ihnen sich in einen Krater absenkte. Dieser war mindestens einen Kilometer breit, wenn Marco das richtig abschätzte. Ungefähr in seinem Zentrum stand ein riesiges Holzhaus. Drumherum einige Kakteen, angebundene Pferde und noch ein anderes Motorrad, das mit allerlei anderen Sachen auf seiner Seite im Sand lag. Es wirkte ein bisschen wie ein Schrottplatz, wenn Marco ehrlich sein sollte. Allerdings hatte er genug Manieren und Taktgefühl, um das nicht auszusprechen. Nein, er war dankbar für die Gastfreundschaft – oder was auch immer das letztendlich sein mochte. Erst als Anne ruckartig aufs Gaspedal trat und sie die Düne herunterdonnerten, erkannte Marco eine Person vor dem Haus. Sie saß auf einem Stuhl und starrte in ihre Richtung. Es war eine Frau, wie er bemerkte, als Anne beinahe provokant vor ihr die Maschine stoppte und beide abstiegen. Sie war aufgedunsen und rote Locken umrahmten ihr grimmiges Gesicht und die Zigarette in ihrem Mundwinkel. Doch es war Marco, dem dieser Blick galt und nicht Anne selbst. „Wer ist das, Anne?“, fragte sie und warf die geschälte Kartoffel zu den anderen in den Eimer. Den anderen, der bis zur Hälfte mit brauner Schale gefüllt war, schob sie mit ihrem Stiefel von sich, ehe sie sich von dem Stuhl erhob, der an der Hauswand stand. „Das ist Marco! Er wird ein paar Tage oder so hier wohnen, Dadan.“ Mit diesen Worten schob die junge Frau sich an der Älteren vorbei und betrat das Haus. Derweil fraß sich Dadans Blick in Marco hinein wie Säure. „Du kannst doch nicht andauernd irgendjemand neues hier anschleppen, Mädchen!“, rief sie Anne nach, wobei ihre Aufmerksamkeit immer noch dem Blonden gehörte. Scheinbar war das nicht das erste Mal, dass so etwas geschah. Oder wie sollte er das deuten? „Tickst du noch ganz richtig? Wir füttern hier doch nicht jeden heruntergekommenen Vagabunden durch!“ Noch bevor Marco dazu etwas hätte sagen können, war Dadan schon hinter Anne ins Haus gestolpert. „Damals als Garp dich hergebracht hat, hätte ich gleich um ein paar Handschellen bitten sollen! Das hätte mein Leben um einiges erleichtert, als mich mit undankbaren Gören wie euch herumzuschlagen!“ Marco sah ihnen irritiert nach, ehe er nach einem Zögern ebenfalls eintrat und die Tür hinter sich schloss. V „Wir bringen es dann morgen früh vorbei“, sprach Anne in das Funkgerät hinein, das sich auf einem Schrank im Esszimmer befand. Der Tisch in der Mitte des Raumes war inzwischen bereits gedeckt. Dogura und Magura, zwei der offensichtlichen Banditen, wie man aus geführten Gesprächen heraushörte, brachten gerade die Schüsseln mit Essen herein. Die beiden Männer hätten unterschiedlicher kaum sein können. Magura war größer als Anne, braungebrannt und hatte einen rotschwarzen Bart. Im Vergleich zu Magura war Dogura jedoch nichts weiter als ein Zwerg mit einem Turban auf dem Kopf. Anne kannte beide, seit sie denken konnte, so dass ihre Anwesenheit, genauso wie die von Dadan und den anderen Jungs zu einer Gewohnheit geworden war. Statisches Rauschen folgte derweil ihren Worten, dann ein „Geht klar, over!“ „Glaub’ mir, wenn jemand deine Maschine wieder fit kriegt, dann Franky“, wandte sich Anne schließlich an Marco, der bereits am Tisch saß. Dieser tastete gerade mit einer Hand an seinem Verband entlang, der vorhin sorgfältig von Anne um seinen Kopf gewickelt worden war. Nun schlenderte sie zu ihm herüber und ließ sich auf der anderen Seite nieder. „Danke. Auch für die Gastfreundschaft. Übrigens kann ich dafür aufkommen“, erwiderte er, als auch Dadan von der Küche ins Zimmer eintrat. Sie ließ sich am Kopf des Tisches nieder, links und rechts von ihr jeweils Dogura und Magura, die sich bereits die Teller füllten. Die restlichen Jungs machten es sich an den Wänden und auf dem offenen Boden gemütlich und schwatzten miteinander. „Du meinst Geld?“, fragte Dadan mit einem hoffendem Unterton, woraufhin Marco nickte. Anne beobachtete beide schweigend. „Wie viel?“ „Wie viel verlangt ihr?“ Scheinbar war Marco ein schlaues Kerlchen, dass er für die Unkosten aufkommen, aber sich trotzdem nicht von Fremden ausnehmen lassen wollte. „Vergiss es...“, lenkte Anne ein und fuhr Dadan somit über den Mund. Auch sie klatschte inzwischen Kartoffeln auf ihren Teller und schob sich mit einem Grinsen eine in den Mund. „Franky arbeitet nicht umsonst, da solltest du erst mal dein Geld zusammenhalten.“ Zwar konnte Anne da sicher das ein oder andere drehen, wenn sie wollte, doch das gehörte jetzt nicht zum Thema. Stattdessen ignorierte sie Dadans angepissten Blick und schaufelte sich das Essen in den Mund. Keine zwei Sekunden später wurde jedoch die Eingangstür aufgerissen und krachte mit einem Knall hinten gegen die Wand. Ruffy stand im Türrahmen, die Augen auf das Essen fixiert. Das roch er jedes Mal zehn Meilen gegen den Wind. Das war nichts, was Anne noch überraschen konnte. Marco dagegen schon, wie sie mit einem Blick aus dem Augenwinkel heraus feststellte. „Abendessen?“, rief der Schwarzhaarige mit dem Strohhut entgeistert. „Und niemand ruft mich?“ Er klang ehrlich empört, trabte aber trotzdem zu ihnen herüber und ließ sich neben Anne auf dem letzten freien Stuhl nieder. „Eine verpasste Mahlzeit bringt dich schon nicht um!“, murrte Dadan, die Ruffy die Schüssel mit den Kartoffeln entriss, um sich noch etwas aufzufüllen, ehe der Junge wie ein ausgehungertes Raubtier über sie herfallen konnte. „Du frisst uns sowieso noch mal die Haare vom Kopf!“ Doch Ruffy hörte nicht mehr, sondern angelte nach dem Fleisch. „Das ist mein kleiner Bruder, Ruffy!“, erklärte Anne schließlich an Marco gewandt, der mehr in seinem Essen stocherte als alles andere. Nebenbei schob sie Ruffy den Beutel mit dem Spielchips zu und murmelte ein „Wenn wir das umtauschen, ist das ein kleines Vermögen!“ „Klasse, Anne!“, erwiderte der Jüngere an einer Hühnerkeule herumkauend. „Na ja, eine gewisse Ähnlichkeit sieht man schon...“, erwiderte Marco inzwischen, was sowohl Anne als auch Ruffy mit vollem Mund grinsen hatte. Nur Dadan, Magura und Dogura schauten eher nüchtern drein. „Aber ihr seid nicht verwandt?“, hakte Marco keine Minute später nach und sah zwischen Dadan und den Geschwistern hin und her, woraufhin die beiden anderen Männer aufprusteten und Essen über den Tisch spuckten. „Was?“, zischte auch Dadan, während sie sich ihren Handrücken mit einem Essenstück an ihrem Hemd abwischte. „Wenn ich mit einen der beiden auch nur entfernt verwand wäre, würde ich mir schon vor langer Zeit selbst die Kugel gegeben haben!“, fasste Dadan zusammen, als sie die Gabel klirrend fallen ließ und stattdessen eine neue Zigarette anzündete. „Diese Bälger sind die Qual! Manchmal frag’ ich mich, womit ich das verdient habe! Nur weil sie niemand will, dürfen wir uns um sie kümmern, so-“ Abermals war es Anne, die Dadan das Wort abschnitt. Diesmal, weil sie schabend den Stuhl zurückschob und im nächsten Mal auf der Treppe ins oberste Stockwerk verschwunden war. Die Anwesenden sahen ihr nach, hörten nur die Tür zu ihrem Zimmer zuknallen und hatten keine Ahnung, dass sie noch immer oben im Flur stand. Lauernd, wartend. „Hab’ ich etwas... falsches gesagt?“, erkundigte sich Marco nach einer Weile mit bedächtiger Stimme, doch Ruffy lachte bereits wieder auf. „Nein, Anne redet nur nicht gerne über solche Dinge! Und auch nicht über ihre Eltern“, fügte er dann schmatzend hinzu. Anne, die mit dem Rücken zur Wand stand und jedes Wort hören konnte, schloss die Augen und lehnte den Kopf nach hinten. „Ihre Eltern?“, wiederholte Marco inzwischen. „Was ist mit deinen Eltern?“ Natürlich musste diese Frage kommen. Immerhin hatte sie Ruffy als ihren Bruder vorgestellt. „Oh...“, machte Ruffy unbekümmert. „Wir haben verschiedene Eltern. Und Anne wird immer sauer, wenn ich über ihre rede.“ Und das war der Moment, in dem die Wut tatsächlich in Anne hochkochte und ihre Zimmertür sich abermals öffnete, um laut zu zufallen. VI Windmill Village war ein klitzekleiner Punkt auf der Landkarte, ein Dorf mitten im Nirgendwo. Hätte Marco es nicht bereits auf der Karte gesehen, die er studiert hatte, als er seine Route nach Logue Town ausgearbeitet hatte, hätte ihm der Name nichts gesagt. So wusste er wenigstens seine geographische Position. Vor allem aber wusste er, dass es nur wenige Stunden von Logue Town entfernt war. Diese war die einzig größere Stadt im näheren Umkreis und reinzufällig der Ort, an dem er heute Nachmittag sein sollte. Hätte sein Flugzeug nicht ein paar Kilometer weiter abstürzen können? Zum Beispiel, in der Nähe der Stadtgrenze? Aber nein, so viel Glück konnte er selbstverständlich nicht haben! „Frankys Werkstatt ist nicht mehr weit“, erklärte Anne inzwischen. Die Sache von gestern ließ sie offensichtlich auf sich beruhen. Allerdings war das fast zu viel gesagt, sie tat eher so, als habe es sie nie gegeben. Zumindest fasste Marco das so auf, der die fehlenden Erklärungen mit eigenen Interpretationen ausfüllte, um wenigsten zu versuchen, sich einen Reim daraus zu machen. Seltsam, dass sie sich heute benahm, als wäre nichts vorgefallen, fand er es nämlich schon. Für Anne schien es dagegen Hand und Fuß zu haben, denn sie war genauso heiter und locker wie als sie ihn in der Wüste aufgegabelt hatte. „Und wer ist Franky genau?“ „Die beste Mechanikerin, die du in dieser Gegend finden kannst“, erklärte Anne und beschleunigte das Motorrad. Im Gegensatz zu ihrer gestrigen Fahrt schlichen sie dennoch im Schneckentempo über den Sandweg des Dorfes. Allerdings war dieser auch gerade breit genug mit dem Anhänger hinten dran, der das kleine Motorflugzeug trug. Eine Attraktion waren sie trotz allem. Die Bewohner schauten ihnen über ihre Schultern nach oder blieben gleich stehen oder spähten bei dem Krach aus Türen und Fenster. Die unerwünschte Aufmerksamkeit ignorierte Marco jedoch, obwohl es nur eine Frage der Zeit war, bis jemand als einen Gesuchten identifizieren konnte. Den einzigen Vorteil, den er hatte, war dass er in dieser Gegend noch nie zuvor gewesen war und eigentlich auch keiner erwartete, ihm hier über den Weg zu laufen. Das war eben doch kein Gebiet, in dem er für gewöhnlich agierte. „Wie gesagt, wenn sie dein Flugzeug nicht hinkriegt, dann kannst du es in die Tonne kloppen“, fuhr Anne derweil fort und grinste ihn an, in dem sie den Kopf zur Seite drehte. Da fiel Marco erst richtig auf, dass die Frau vor ihm auf dem Motorrad Sommersprossen und Grübchen besaß. Genauso, dass ihr das ziemlich stand und ihre pfiffige Art noch hervorhob. Kein Wunder eigentlich, wenn er abermals direkt hinter ihr saß und alles, was seine Finger von ihrer Haut trennte, das bisschen Stoff ihrer Hotpants war, die mit einem Gürtel auf ihren Hüftknochen saß. Allerdings vermied er es näher über diesen Umstand nachzudenken, indem er seinen Blick diszipliniert von ihrer Gestalt riss und ihn stattdessen über ihre Umgebung wandern ließ. Obwohl die Sonne noch nicht ganz am Himmel stand, herrschte schon reges Treiben in Windmill Village. Im Herzen des Dorfes befand sich der Markplatz mit allerlei Ständen, die alles von Gemüse und Brot, bis hin zu Kleidung und Spielzeug verkauften. Die Einwohner bildeten eine bunte Masse, die sich hierhin und dorthin schob. Doch ihr Weg führte sie weg von dem Trubel und in einen verlasseneren Teil, wo die Menschen weniger und die Häuser abgenutzter wurden. Kurz darauf passierten sie durch ein riesiges Holztor die Grenze des Dorfes, doch Marco brauchte nicht fragen, wohin es ging, da sich in der Ferne ein kastenförmiges Gebäude abzeichnete. Es hatte nur ein Stockwerk und dahinter befand sich ein Friedhof für Maschinen und deren Teile. Marco hätte nicht Annes Zuhause mit einem Schrottplatz vergleichen sollen, denn das war gegen diesen Ort glatt noch sauber und aufgeräumt. Sie hielten vor der offenen Garage, die in einen riesigen Innenraum führte, der mit weiteren technischen Schnickschnack vollgestellt worden war. Zwischendrin stand ein kleines Sofa und ein Tisch mit Stühlen. In einer Ecke meinte Marco sogar eine Kochnische ausmachen zu können. Hier schien tatsächlich jemand permanent zu hausen. Was es nicht alles gab... Allerdings behielt er diesen Gedanken ebenfalls für sich, da er davon ausging, dass diese Franky eine Freundin von Anne war und er ganz genau wusste, wie er selbst reagieren konnte, wenn man seine Freunde beleidigte. Von Anne würde er die doppelte, wenn nicht sogar dreifache Reaktion erwarten, da doch ein kleines Temperament in ihr zu schlummern schien. Diese stiefelte direkt hinein in das Haus, um durch eine offene Tür im hinteren Teil zum Schrottplatz zu gelangen. Marco wurde klar, dass sie oft hier sein musste, da sie schnurstracks über Maschinenteile hinwegstieg und hinter einem Haufen verschwand, der höher war als sie selbst. Marco folgte ihr, um sich daraufhin mit einem blauhaarigen Roboter konfrontiert zu sehen. Dieser betrachtete ihn aus glühenden Augen. „Mach’ dir nicht ins Hemd, Alter!“, ertönte eine Stimme hinter der Gestalt, so dass Marco herumtrat und die Besitzerin skeptisch musterte. Diese schmiss eine Klappe, die sich auf dem Rücken des Roboters befand zu und richtete sich auf. Ähnlich wie Anne, hatte auch sie etwas ganz Eigenes an sich. Dabei dachte Marco immer, dass er schon alles im Leben gesehen hatte. So konnte man sich irren... „Das ist Franky“, erklärte Anne und deutete auf die Frau mit der blauen Elvistolle. Doch die war nicht das Außergewöhnlichste an ihr, sondern viel mehr die metallische Nase, die inmitten eines tiefgeschminkten Gesichts saß. Dazu trug sie nicht viel mehr am Leib als Anne. Nein, sie trug nur einen roten Bikini mit einer abgetragenen Lederjacke darüber und langen, schwarzen Stiefeln. „Und Franky, das ist Marco. Er hat ein Problem mit seiner Maschine. Erklär’s ihr, Marco!“ „Mein Flugzeug hatte einen technischen Fehler“, erklärte dieser mit monotoner Stimme. Seine Aufmerksamkeit lag unterdessen auf dem Roboter. Es war eine männliche Version von der Frau vor ihm. Obwohl ihm das erst jetzt einfiel, lag es eigentlich auf der Hand. Wenn das mal nicht exzentrisch war, wusste Marco auch nicht mehr. „Ich hatte aber noch keine Zeit es mir genau anzuschauen.“ „Habt ihr es mitgebracht?“, fragte sie. „Ja, steht vorne“, warf Anne ein. Daraufhin schob sich die Blauhaarige an ihnen vorbei und Anne und Marco folgten ihr. Kein Wort fiel mehr, als sie seine Maschine ansteuerten und Franky auf den Anhänger hinaufkletterte und sich den Motor anschaute. Minuten vergingen und Marco bekam das Gefühl, dass sie vergessen hatte, dass Anne und er überhaupt noch hier waren. Erst als sie sich herumdrehte und die Arme in die Hüften stemmte, bewies sie ihm das Gegenteil. „Eine Woche, dann wird sie schnurren wie ein Kätzchen, wenn du sie startest.“ Weder ihre Stimme, noch ihre Haltung ließ Widerspruch zu, so dass Marco sich seine Frage, ob das nicht möglicherweise schneller ging, wieder herunterschluckte. Er diskutierte nicht, wenn ihm schon vorher klar war, dass es keinen Sinn hatte. Inzwischen zog ein gefälliges Grinsen an den roten Lippen der Mechanikerin. „Aber es geht aufs Haus. Annes Freunde sind für gewöhnlich auch meine.“ Erstaunt betrachtete Marco seine Gegenüber. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Genauso wenig wie mit Annes Ellenbogen, der sich in seine Seite bohrte, als sie belustigt schnaubte. „Uhm,... danke.“ „Übrigens siehst du in Wirklichkeit viel süßer aus, als auf diesen billigen Steckbriefen“, bemerkte Franky und Anne lachte leise auf, als Marcos Gesichtszüge noch etwas weiter entgleisten und seine Ohrenspitzen zu glühen begannen. Aber wer erwartete auch, so etwas einfach an den Kopf geknallt zu bekommen? VII „Da war Dadan sicher begeistert, dass du nach Sabo noch einen Typen anschleppst. Was, Anne?“ Nojikos lachte leise auf und trocknete nebenbei auch die restlichen Gläser ab. Dazu konnte Anne nicht viel sagen. Sie konnte durchaus verstehen, dass Dadan sauer war, wenn sie jemand fremdes mit nach Hause brachte, aber sie bereute es auch nicht. Sowohl Sabo als auch Marco hatten eine helfende Hand gebraucht. „Das mit Sabo war was anderes“, erklärte sie trotzdem amüsiert, obwohl der Gedanke an Sabo noch immer für einen Stich in ihrem Herzen sorgte. Allerdings ließ sie sich das nicht anmerken, schon gar nicht, als sie Marcos durchdringenden Blick von der Seite spürte. Obwohl es Unsinn war, kam es ihr fast so vor, als konnte er hinter ihr Grinsen sehen. Das war etwas, mit dem sie nicht umgehen konnte, da sie ihre Maske immer für perfekt gehalten hatte. Nur bestimmte Leute oder wenigstens Leute, die sie schon lange kannten und viel von ihr wussten, ließ sie dahinter blicken. Aber ein Fremder? Marco? Wahrscheinlich bildete sie sich das sowieso nur ein. „Wir waren Kinder und Sabo hatte Feinde, die einen längeren Arm hatten als er. Marco sieht aus, als kann er sich recht gut selbst verteidigen.“ Damit nickte sie in die Richtung des Revolvers, der unter seinem offenen Shirt hinten in der Hose steckte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wurde ihm klar, dass auch sie hinter seine gelangweilte und desinteressierte Fassade blicken konnte. Allerdings machte sie kein Geheimnis daraus, dass sie den gefährlichen Kerl in ihm sehen konnte. Letztendlich war es doch so, dass sie alle eine Seite hatten, die sie versteckten und nicht jeden sehen ließen. Marco war da nicht anders. Sie selbst war auch es nicht. „Du siehst aber auch nicht ohne aus...“, bemerkte dieser unterdessen. Er wandte seinen Blick auf das Jagdmesser, dann an ihrer Hüfte hing, ehe er ihn auf das Glas richtete, das vor ihm auf dem Tresen des Kokos stand. Er nahm einen Schluck daraus, während Anne ihn schmunzelnd betrachtete. Hatte sie es nicht gesagt? „Deine Hilfe könnte ich jedoch trotzdem gebrauchen“, fügte er überraschenderweise noch hinzu. Seine Stimme hielt er gesenkt, als wollte er nicht, dass jemand mithörte. Nicht einmal Nojiko, die längst einen weiteren Kunden bedienen gegangen war. Dabei war das Inn zu dieser Uhrzeit relativ leer. Nur an den Tischen in den Ecken saßen einige Leute, die jedoch in ihre eigenen Unterhaltungen vertieft waren. Anne ließ ihre Augen über die Gäste schweifen, bevor sie Marcos Seitenprofil musterte. Er sah gut aus, das wiederum war ihr schon bei ihrer Begegnung in der Wüste aufgefallen. „Um was geht’s?“, fragte sie und drehte sich auf dem Barhocker in seine Richtung. „Oder soll ich’s dir erst aus der Nase ziehen?“ „Da du scheinbar weißt, wer ich bin, brauch’ ich nicht um den heißen Brei herumzureden, nehm’ ich an.“ „Stimmt.“ Nachdem sie gestern nach Hause gekommen war, hatte sie die alten Zeitungen, die Dadan in der hintersten Ecke der Küche stapelte, nach den Steckbriefen durchsucht. Marcos hatte sie leicht gefunden, sein markantes Gesicht stand heraus. Jetzt wusste Anne auch, woher sie ihn kannte, dass er ein Sohn Whitebeards war und aus dem Gebiet der Grandline stammte. Er stammte von dem riesigen Ozean, in dem Piraterie an der Tagesordnung stand und selbst hier häufig für Schlagzeilen sorgte. Jene hatte Anne ausgeschnitten in einem Karton unter ihrem Bett verstaut. Von diesem wusste einzig und alleine Ruffy. Aber mehr brauchten davon auch nicht zu wissen, da es ein Traum war, den nur sie beide teilten. Sie teilten das Versprechen, irgendwann hier zu verschwinden und das Meer zu sehen und frei zu leben. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Piraten waren freier als alle anderen, und Anne war von ihnen fasziniert, seit sie zum ersten Mal in ihrem Leben von ihnen gehört hatte. Und Marco gehörte reinzufällig zu einem der stärksten Männer, die das Gebiet der Grandline beherrschten. Nur, dass niemand im East Blue Angst vor Piraten hatte. Wieso sollten sie auch? Die Wüste war groß, hier verirrte sich für gewöhnlich keiner von ihnen hin. „Ich hab’ eine Lieferung nach Logue Town heute Nachmittag zu machen. Wenn ich nicht rechtzeitig dort bin, kann das Konsequenzen haben.“ Anhand seines ernsten Tonfalls wurde Anne klar, dass es nicht nur Konsequenzen haben konnte, sondern viel eher haben würde. „Wenn du mir dein Motorrad ausleihen könntest, könnte ich es vielleicht noch rechtzeitig schaffen.“ „Nein!“, erwiderte Anne ohne ein Zögern, dass Marco sie perplex ansah. „Mein Bike wird von niemanden außer mir gefahren. Aber... wenn du mich ganz nett fragst, könnte ich so großzügig sein, dich hinzufahren.“ Grinsend erhob sie sich und fischte ein paar Geldscheine aus der Hosentasche, um ihre Getränke zu bezahlen. Dann steuerte sie die Tür an und winkte Marco mit einer Handbewegung zu sich. „Willst du hier Wurzeln schlagen? Ich dachte, du hast in Logue Town zu sein.“ Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)