My Beloved Target von Night_Baroness (Gin&Rye-FBI VS. Black Organization) ================================================================================ Kapitel 37: Goodbye ------------------- Die junge Frau, die ihn so an Vermouth erinnert hatte, lächelte. Doch ihre Mimik hatte nichts Warmherziges, im Gegenteil, sie wirkte wie erstarrt und die einst freundlichen brauen Augen waren die einer Toten. Alle starrten sie wie gebannt auf sie, während sie langsam Schritt für Schritt näher kam. „Ihr habt wirklich Glück gehabt, dass ihr Metaxa so schnell ausschalten konntet. Nicht auszudenken, wenn die Droge bis zuletzt nicht neutralisiert worden wäre…“ Irgendetwas an der Art, wie sie sich ausdrückte, störte Gin, doch er kam nicht darauf, was genau es war. „Gin!“ Vermouth, die ihre Augen einen Moment lang von der nun bedrohlich nahen Angel lösen konnte, wirbelte zu ihm herum. „Wir kümmern uns schon darum, such nach Rye! Wir müssen Anokatas Auftrag um jeden Preis erfüllen.“ „Warum?“, zischte er. „Gehört das auch zu eurem Scheißplan?“ „Ach Gott, er weiß es immer noch nicht? Dass Anokata ihn nach Strich und Faden verarscht hat?“ „Halt die Schnauze!“, brüllte Gin und richtete seine Waffe auf sie. „Oder es wird das Letzte sein, was du von dir gibst.“ „Gin!“ Vermouths Stimme klang noch energischer, sofern das überhaupt möglich war. Ihr verzweifelt fordernder Blick duldete keinen Widerspruch. „Bitte!“ Mit einem zornigen Schnauben wandte er sich ab. „Das wird noch ein Nachspiel haben!“ Sofern wir dann noch am Leben sind. Kurz bevor er um die Ecke verschwand, sah er noch, wie sich Vermouth und Sera Angel entgegenstellten, die zwar keine Anstalten machte, sich schlangenartig zu verändern, aber dennoch etwas Dämonisches an sich hatte. „Keinen Schritt weiter!“ Atsushi hob überrascht den Kopf. Das Organisationsmitglied – Gin, wenn er sich recht erinnerte – war direkt hinter Shiho aufgetaucht, seine Waffe bedrohlich auf ihn gerichtet. Er atmete schwer, offenbar war er gerannt, um so schnell wie möglich zu den Laboren zu gelangen. Dann hat Metaxa also versagt. „Aber, aber, du wirst mich doch nicht erschießen wollen?“ Er lachte. „Das wäre doch eine ziemliche Sauerei.“ „Wo ist Rye?“, keuchte Gin. „Ach deshalb bist du hier?“ Während er sprach, nahm Atsushi aus dem Augenwinkel wahr, dass seine Tochter vorsichtig Stück für Stück von ihm wegging. Der Gedanke daran, dass sie sich hinter Gin verstecken würde, um ihm zu entkommen, machte ihn plötzlich wehmütig. Wie schnell du erwachsen geworden bist, dachte er. Es tut mir leid. Atsushis Augen wanderten etwas nach links, es reichte, um Gin die Gewissheit zu geben, dass Rye sich hinter dem Vorhang befand. Ohne Atsushi aus den Augen zu lassen, ging er darauf zu und schob den schweren Stoff mit einem Ruck zur Seite. Als er sah, was sich dahinter verbarg, sog er scharf Luft ein. Rye lag auf einer schmalen Pritsche, Arme und Beine mit eisernen Ketten gefesselt, sodass es ihm unmöglich war, seinen Körper auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen. Um zu verhindern, dass er sich bemerkbar machen konnte, war er zusätzlich geknebelt worden. Die Waffe immer noch auf Atsushi gerichtet, machte Gin sich hastig daran, den feuchten Lappen, der achtlos in den Mund seines Partners gestopft worden war, mit der freien Hand herauszuziehen. Hustend krümmte Rye sich, so gut es ging, nachdem das eklige Ding draußen war und atmete ein paar Mal kräftig durch, um sich langsam wieder zu beruhigen. „Gin!? Was in aller Welt machst du hier?“ Er lächelte schief, was ihm ein sonderbar fremdes Aussehen verlieh. „Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.“ Weil ich ein solches Lächeln noch nie an ihm gesehen habe, dachte Rye überrascht. Irgendwie glücklich. „Wo sind die Schlüssel für die Ketten?“, knurrte er, als er Ryes irritierten Blick bemerkte und wandte sich wieder an Atsushi. Und schon ist er wieder der Alte. Dieser hob leicht spöttisch, aber doch bestimmt, die Hände. „Keine Sorge, ich werde sie aufschließen. Ich finde das Theater, das um seine Ergreifung gemacht wurde, sowieso etwas albern.“ Gin hob die Augenbrauen und kam ein Stücken näher, um Atsushi besser unter Kontrolle zu haben. „Ich dachte, Sie sind hier der Chef?“ Er seufzte, während er in einer Schublade nach dem Schlüssel kramte, die Waffe direkt an seinen Hinterkopf gedrückt. „Das wird dir sicher dein Freund erklären können, sobald wir ihn befreit haben.“ Rye brauchte kein Gedankenleser sein, um zu merken, wie wütend Gin war. Atsushi schien das am eigenen Leib zu spüren, denn er bohrte ihm seine Waffe in den Kopf, als wollte er ihn damit erstechen, die andere Hand hatte er zur Faust geballt. Dir wird jetzt alles klar, nicht wahr? Dir wird klar, dass sie dich benutzt haben, all die, denen du vertraut hast. Sie haben dir etwas vorgespielt und dich die ganze Zeit belogen. Ich habe dich belogen. „Hier sind sie!“ Atsushi zog triumphierend einen Schlüsselbund aus einer der Schubladen und ging von Gin eskortiert zu Rye herüber. Mit einem mechanischen Klickgeräusch öffnete sich eine Fessel nach der anderen und wenig später war Rye frei. Erleichtert erhob er sich und rieb sich die vollkommen versteiften Glieder – selbst das Aufrichten hatte ihm einige Mühe gemacht, er hatte das Gefühl gehabt, er sei ein Toter, der aus seinem Grab auferstand. „Danke“, seufzte er. „Du solltest mir lieber nicht danken. Du steckst in mehr Schwierigkeiten denn je.“ Nun war es Rye, der lächelte. „Können wir das vielleicht klären, wenn wir aus der Höhle des Löwen raus sind?“ Gins starre Augen musterten ihn. Auf einmal schien es in dem steril wirkenden Labor noch einige Grad kälter geworden zu sein, Sherry rieb sich fröstelnd die Arme und selbst Atsushi wich ein paar Schritte zurück. „Natürlich.“ Sein Mund verzog sich spöttisch. „Aber zuerst erzählst du mir, was das alles zu bedeuten hat.“ Der stählerne Lauf seiner Waffe presste sich auf Ryes Stirn. „Also, wollt ihr es kurz und schmerzlos oder lang und qualvoll? Eure Entscheidung.“ Angel zuckte gespielt gleichgültig mit den Schultern. „Die Irre will uns tatsächlich umbringen.“ Sera schnaubte entrüstet. „Ich bin ja für kurz und schmerzlos, allerdings dürfte das wohl eher dich betreffen.“ Sie machte sich kampfbereit und grinste Angel herausfordernd an, wobei einer ihrer Eckzähne etwas spitzer hervortrat. Hoffen wir mal, dass sie in Wahrheit ein Vampir ist, sonst wird es eng für uns, dachte Vermouth angespannt. Man kann davon ausgehen, dass Angel die Droge ebenso nutzen kann wie Metaxa, ich habe kein Gegengift mehr bei mir, da Sherry aufgrund der gefälschten Daten nur extrem wenig tatsächlich nutzbares Gegenmittel herstellen konnte und eine Schusswaffe trage ich auch nicht bei mir. Im Klartext haben wir nur Muskelkraft um gegen ein durchtrainiertes und gedoptes Monster zu bestehen. Na dann gute Nacht. „Ganz schön kühn.“, sie lachte. „Ich werde gnädig sein, versprochen. Immerhin kennt ihr Rye gut, dadurch seid ihr ja irgendwie auch meine Freunde.“ „Versuchst du alle deine Freunde umzubringen?“, zischte Vermouth und wich einen Schritt zurück. Sie hatte nicht vor, wegzulaufen, aber in Angels direkter Reichweite zu stehen, war alles andere als angenehm. „Nein, nur die wirklich guten.“ Dann war sie verschwunden. Bevor Vermouth wusste, wie ihr geschah, war die falsche Agentin hinter ihr aufgetaucht und hatte sie zu Boden gerissen. Würgend wehrte sie sich gegen den stählernen Griff um ihren Hals. Nein, nicht jetzt, bitte. Nicht so. Blitze begannen vor ihr zu tanzen und machten ihre Sicht immer undeutlicher, doch im Augenwinkel konnte sie erkennen, dass Sera versuchte, Angel eine gezielte Handkante in den Nacken zu verpassen. Noch hatte sie keine Schuppen oder ähnliches und war angreifbar. Verblüfft schrie sie auf, als sie getroffen wurde und der Griff lockerte sich ein wenig. Vermouth hustete und versuchte, so viel Luft wie möglich in ihre Lungen zu pumpen. Das schwarze Flimmern vor ihren Augen verschwand langsam und die Welt nahm nach und nach wieder klare Konturen an. Bevor es ihr gelang, erneut zuzudrücken, trat Sera ihr mit voller Wucht in den Bauch. Keuchend sackte sie zusammen. „Hey, die geht ja einfacher, als ich dachte!“, rief sie erfreut und stellte sich zwischen die Angreiferin und die noch benommene Vermouth. Irgendetwas stimmt nicht, dachte sie. Diese Angel ist viel schwächer, als sie eigentlich sein dürfte. Ihr Blick wanderte zu Sera. Und du verbirgst auch etwas, du kennst Angel, aber wie war deine Beziehung zu ihr? Wenn du sie ansieht, hat man das Gefühl, du möchtest sie anflehen, aufzuhören, ihr deinen ganzen Schmerz entgegenschreien. Welches Verbrechen hat sie in deinen Augen begangen? Wie aufs Stichwort begann Sera zu sprechen, auf einmal war nicht einmal mehr die Spur eines Lächelns auf ihren Lippen zusehen, ihre Augen waren tieftraurig. „Mitsuki.“ Als Sera einen Schritt auf sie zu machte, wich Angel hastig zurück, ihre Augen funkelten bereits gelblich. Uns bleibt kaum noch Zeit. „Bitte, hör auf. Wir wissen beide, dass das nicht du bist. Du bist zusammen mit meinem Bruder hierhergekommen, mit einem klaren Ziel vor Augen. Du hast dich immer gegen sie gewehrt und als mein Bruder geflohen ist, hast du ihn laufen lassen.“ Sie machte noch einen Schritt auf sie zu. Angel knurrte wie ein Raubtier. „Aber das ist noch nicht alles, du hast mir das Leben gerettet. Du hast mir geholfen, aus Basilisk auszusteigen, ohne mit Drogen vollgepumpt und verhört zu werden, das hier bist nicht du!“ „Halt den Mund!“ Sie stand nun wieder aufrecht und musterte sie kalt. Offenbar hatte sie ihre Fassung bereits wiedererlangt. „Das alles bedeutet nichts mehr. Jetzt zählt nur noch meine Aufgabe, euch zu töten.“ Doch irgendwas in ihren Augen wirkte verunsichert, zweifelnd, als hätte Sera es tatsächlich geschafft, einen Samen zu säen, der langsam gedieh und alles, was man ihr eingetrichtert hatte, in Frage zu stellen begann. So ist das also, dachte sie. Die drei sind damals zusammen hierhergekommen, man wollte sie mit der Droge gefügig machen und zu Kampfmaschinen ausbilden, doch Rye nutzte die Gelegenheit und floh, bereit die pikanten Informationen an Anokata zu verkaufen. Angel sollte ihn aufhalten, doch sie wehrte sich erfolgreich gegen die Droge und ließ ihn entkommen. Nein, nicht nur das, sie verhalf auch seiner Schwester zur Flucht. Vielleicht haben wir tatsächlich noch eine Chance. Ebenso schnell, wie diese Hoffnung aufgekeimt war, erstarb sie jedoch, als Angels Haut immer schuppiger wurde, die Augen schmaler und hasserfüllt und die Hände immer klauenartiger. Die Verwandlung beginnt, es ist zu spät. Während sie sich vorsichtig aufrichtete, um sich ihrem Schicksal zu stellen, spürte sie, wie Sera sich an ihrer Seite einfand, die Fäuste immer noch stolz erhoben. Nein, wir werden nicht weglaufen. „Du willst die Wahrheit also wirklich hören?“ „Keine langen Vorreden, komm einfach zur Sache.“ Rye nickte nur und schloss einen Moment die Augen, als würde er ein stummes Gebet sprechen. Dann begann er leise, aber mit klarer Stimme zu erzählen. „Mein Name ist Shuichi Akai und ich arbeite für das FBI.“ Atsushi riss überrascht die Augen auf, anscheinend war es auch für ihn eine Neuigkeit. Auch wenn Gins Reaktion um einiges weniger verriet, traf es ihn in Wahrheit wie ein Schlag. Während er schwieg, lachte eine zynische Stimme in seinem Inneren, dass er es doch immer gewusst hatte. Warum tut es dann so weh, dachte er, fassungslos über sich selbst. Warum kümmert es mich überhaupt noch? Der erste Schlag der mutierten Angel traf Sera mit voller Wucht ins Gesicht. Mit einem quiekenden Geräusch taumelte sie zurück und konnte ihren Sturz noch gerade so abfangen. Blut lief aus ihrer aufgeplatzten Lippe und tropfte langsam daran herab zu Boden. „Das war erst der erste Streich…“ Vermouth sah die Faust auf sich zu rauschen. Verzweifelt schloss sie die Augen, für mehr würde ihre Zeit nicht mehr reichen. „Und der zweite folgt sogleich.“ Doch dieser Schlag traf nicht. Überrascht öffnete sie sie wieder und erkannte, dass ihre Faust mit viel zu großer Geschwindigkeit für ihre Möglichkeiten hochgeschnellt war und den Schlag geblockt hatte. Angels große Augen starrte sie ungläubig an, sie konnte genau ihre keuchenden Atemzüge hören. Auch Sera starrte die beiden verdattert an. „Scheiße, wie hast du das gemacht?“, hauchte sie fassungslos. „Ich weiß es nicht.“ Für einen Moment waren sie alle wie eingefroren, dann sprang Angel zurück, wobei sie Vermouth nicht aus den Augen ließ. Diese blickte irritiert auf ihre Hand, die zwar etwas schmutzig war, aber sonst wie immer aussah. Als sie jedoch die Augen hob und in Angels Reptilienaugen sah, durchzuckte es sie wie ein Blitz. Oh mein Gott. „Du warst also die ganze Zeit ein N.O.C.?“ Gins Waffe blieb weiterhin an Ryes Kopf, doch er drückte nicht ab, wie Rye offenbar erwartet hatte. Niemand tötet jemanden einfach, nachdem er so viel auf sich genommen hat, um ihn zu retten. „Ja. Ursprünglich war ich allerdings für Basilisk zuständig. Als sie jedoch begannen, mich unter Drogen zu setzen, entschieden wir, dass die Mission zu riskant wurde. Ich musste eine Möglichkeit finden, auszusteigen, da kam mir das Angebot deines Bosses wie ein Rettungsanker vor. Vermouth nahm damals Kontakt zu mir auf und bot mir an, mich im Auftrag Anokatas zur Organisation zu bringen. Ich willigte natürlich ein.“ „Natürlich.“ Gins Lippen kräuselten sich. „Und Mitsuki Angel, ich nehme an, sie ist auch beim FBI, sollte gleich mitkommen? Ebenso wie deine Schwester?“ Rye schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Das Angebot galt nur für mich, da die Drogen bislang keine Wirkung bei Angel gezeigt hatten, hofften wir, sie noch ein wenig bei Basilisk halten zu können und dann auf normalem Weg rauszubekommen, wenn wir genug Informationen hatten, doch es war schon zu spät. Die Drogen begannen Wirkung zu zeigen und Angel griff uns an. Während ich entkam, tötete sie meine Schwester.“ Einen Augenblick lang spielte Gin mit dem Gedanken, ihn in dem Glauben zu lassen, doch eigentlich war es albern jetzt noch etwas verschleiern zu wollen. Es war Zeit für die Wahrheit. Die ganze Wahrheit. „Sie ist noch am Leben, keine Sorge. Anscheinend steckte irgendwo in dieser verkorksten Agentin doch ein gutes Herz, denn wie es scheint, hat sie deine Schwester aus Basilisk rausgeschafft.“ „Sie hat was?“ Ryes Maske bröckelte und einen Moment lang glaubte Gin den Menschen zu sehen, den er wirklich war. Dann wich der Schock unverhohlener, aber noch unsicherer Freude. „Meinst du das ernst? Wo ist sie? Kann ich sie sehen?“ Er versuchte aufzustehen, doch Gin drückte ihn etwas unsanft zurück auf die Pritsche. „Sie ist hier, aber du kannst sie nicht sehen. Vermouth ist bei ihr.“ Vorausgesetzt, sie sind noch nicht tot selbstverständlich. „Dann hat sie euch also hergeführt?“ Rye wirkte benommen, sein Gehirn ging gerade mit Sicherheit die Möglichkeiten durch, die sich auftaten, wenn Sera tatsächlich hier war. Die Angst in seinem Blick sprach dafür, dass eine Kombinationsgabe ausgereicht hatte, um sich auszumalen, welchen Gefahren sie gerade ausgesetzt war. „Wir müssen nach ihr sehen, sie ist sicher in Gefahr!“ „Jetzt nicht!“, donnerte Gin, die Waffe im Anschlag. Sieh mich an Rye. Sieh mich an und sag, dass das alles nur ein Scherz war. Ob dieser Lautstärke zuckte Rye zurück. Er hatte ihn noch niemals so aufgebracht, so unbeherrscht erlebt. „Dann hast du also die ganze Zeit für das FBI spioniert? Du warst die ganze Zeit eingeweiht? Wenn das wahr ist, warum hast du dann deine Kollegen getötet, als wären sie Fliegen?“ Gins Stimme zitterte plötzlich Nein, das ist nicht wahr, das würde er nicht tun. Rye ist ein Bastard, aber seine Leute würde er nicht killen, nicht wenn er für sie spioniert und dafür Tag für Tag sein Leben riskiert. „Nein, Gin, das FBI war niemals beteiligt. Es gibt außer mir und Angel keine Agenten in Japan.“ Die ganze Wahrheit traf ihn schmerzhaft wie ein Felsbrocken und schien ihm regelrecht die Luft abzuschnüren. Auf einmal ergab alles so lächerlich viel Sinn, dass es beinahe wehtat. Er hat dich die ganze Zeit verarscht, weißt du das nicht, Gin? Es war alles ein Spiel, es ging nie um eine CD, um Agenten. Warum benutzen Sie so ein einfaches Passwort, warum? Sie wollten dass wir die CD kriegen, dass wir den Agenten hinterherrennen und schließlich in die Falle gehen, es war alles geplant. Wir waren nicht mehr als Spielbälle. Nein, nur ich bin es, der nicht mehr als das ist. Vermouth und Rye haben es gewusst. „Du dreckiges Arschloch.“, fauchte Gin. „Du hast die ganze Zeit gewusst, was gespielt wird und du hast nichts gesagt! Wolltest du sterben, als wir im Polizeipräsidium waren? Und mich gleich mit in den Tod reißen?“ „Hätte ich dir dann das Leben gerettet?“ Nun wirkte auch Rye zornig. „Nein, verdammt, ich wusste, dass es keine Agenten waren, aber ich hatte keine Ahnung, dass Anokata mich ausliefern wollte! Nachdem ich zu ihm übergelaufen war, dachte ich, es wäre nun alles in Ordnung, ich habe erst durch Angel von seinem Handel erfahren und da war es schon zu spät!“ „Dann war das alles also von Anokata und diesem Typen da eingefädelt?“ Er zeigte auf Atsushi, der noch weiter von Gin weggerutscht war und sich sichtlich fehl am Platz fühlte. „Nein. Es gibt einen Drahtzieher dahinter, den wahren Sektenführer. Miyano ist nur Laborchef.“ Miyano? Wie Shiho Miyano? Ein kurzer Blick genügte, um die Ähnlichkeit der beiden festzustellen. Na großartig, wie der Vater, so die Tochter. „Also ging es den Leuten von Basilisk die ganze Zeit darum, dich zu kriegen? Aber warum hat Anokata dich nicht einfach ausgeliefert? Warum musste er mich von Anfang an täuschen?“ Gins Stimme klang verletzter, als er es beabsichtigt hatte. Ärgerlich rang er darum, die Kontrolle über sich zurückzugewinnen. Warum hat er mir nicht vertraut? Angel. Sie haben mich Angel genannt. Ihre Gegnerin lief erneut auf sie zu, diesmal schien sie ihre ganze Kraft in den Angriff zu legen. Sie machte Ernst. Diese Spritze, die mir versehentlich am Bahnhof gegeben wurde, das war nicht nur ein Betäubungsmittel. Sera hat gesagt, Angel konnte sich der Kontrolle der Droge erwehren, deshalb wollten sie sie auffrischen, die Dosis erhöhen. Ich habe die Superdroge in meinem Blut. Wieder traf der Schlag nicht sein Ziel. Bevor Angel Vermouths Körper berühren konnte, ergriff diese ihr Handgelenk und riss es mit einem Ruck herum. Knackend brachen die Knochen und sie brüllte auf vor Schmerz. Wütend versuchte sie, sich zu befreien, doch Vermouth ließ sie nicht zurückweichen, sie musste es zu Ende bringen. Sie zog sie noch näher an sich heran, bis sich ihre Gesichter beinahe berührten und die erschrocken Augen in einander blickten. Sie spürte, wie ihre Nägel länger und schärfer wurden – sich in raubtierartige Klauen verwandelten und ohne nachzudenken, stach sie zu. Blut lief aus Angels Mund, als sie röchelnd zu Boden glitt und direkt vor ihr liegen blieb. Sera starrte mit offenem Mund auf ihre Hand, die sich langsam zurückverwandelte. „Es ist vorbei.“ Immer noch halb paralysiert von Schock und Angst, wandten sich die beiden bedächtig von der Toten ab, als Angels Lippen sich mechanisch wie die einer Puppe zu bewegen begannen. „Wartet!“ Ihre Hand streckte sich langsam aus, Vermouth trat entschlossen vor. „Ihr müsst die anderen warnen…“ Mit jedem Wort wurde ihre Stimme schwächer, man konnte förmlich spüren, wie mit jedem Blutstropfen mehr von ihrem Lebensgeist entwich. „Sie haben die Droge nicht nur durch eine Kontrollfunktion verstärkt. Der Chip, den sie einem zusätzlich einbauen, sorgt auch dafür, dass beim Tod des Organismus ein Selbstzerstörungsmechanismus aktiviert wird, ich werde..." „WAS?“ „Explodieren! Warnt sie, schnell!“, hustete sie verzweifelt. „Aber, Mitsuki…“ Seras Augen füllten sich mit Tränen. Vermouth griff nach ihrem Arm, um sie mitzuziehen, doch sie schüttelte sie ab. „Nicht…“ „Es ist schon gut, Sera… es tut mir leid.“ Sie lächelte schwach, dann sank ihre Hand langsam zurück auf den Boden und ihr Blick wurde starr. „Scheiße!“ Vermouth schaffte es gerade noch so Sera etwas wegzuziehen, da ging ein ohrenbetäubender Lärm los. Auf einmal konnten sie eine brutal anschwellende Hitze spüren und eine gewaltige Druckwelle riss sie von den Füßen. Der Ort, an dem sie sich befanden, hatte sich in eine flammende Hölle verwandelt. „Gin…“ Bevor Rye weitersprechen konnte, hörten sie einen lauten Knall. Alarmiert richtete er sich auf und Gin nahm seine Waffe von seinem Kopf. Stattdessen richtete er sie auf die Tür. Als nichts weiter geschah, schlich er vorsichtig auf die Tür zu. Rye, der ebenso angespannt war, folgte ihm, während Atsushi und Sherry wie angewurzelt stehen blieben und das Geschehen sichtlich beunruhigt verfolgten. „Verdammt.“, murmelten sie beide wie aus einem Mund, als sie die stechende Hitze spürten. „Es hat eine Explosion gegeben.“ Bevor Gin ihn aufhalten konnte, stürzte Rye nach draußen und lief auf den Ursprung des Rauches und der quälenden Hitze zu. Fluchend folgte er ihm. Lass seine Schwester nicht tot sein, dachte er, ohne zu wissen, warum. Lass sie und Vermouth noch am Leben sein. Irgendwie. Ein grausiges Aufheulen, das wie das eines angeschossenen Tieres klang, verriet ihm, dass Rye den Ort erreicht hatte. Eilig folgte er ihm und blieb erst stehen, als die Hitze unerträglich wurde. Ihr Herd war ein vollkommen verkohlter, brennender Körper in der Mitte des Raumes, über den sich Rye ungeachtet der Gefahr gebeugt hatte und versuchte, ein Wimmern zu unterdrücken. Als er den Kopf hob trafen ihre Blicke sich und Gin sah, dass er Tränen in den Augen hatte. Gin setzte sich zögernd in Bewegung, irgendetwas sagte ihm, dass er zu Rye musste, dass er ihn nicht einfach dort allein lassen durfte. Es tut mir leid, Shuichi Akai... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)