Allison von Mad-Dental-Nurse (Das Erbe des Wolfes) ================================================================================ Prolog: Grausame Erinnerung --------------------------- Kennt ihr das Gefühl? Wisst ihr, was das für ein Gefühl ist, wenn man das, was man am meisten geliebt hat, plötzlich verliert? Ich schon! Mein Name ist Allison. Und dies ist meine Geschichte. Sie beginnt dort, wo das Leben meiner Mutter endete. Vor ihrem Tod waren wir alle eine glückliche Familie. Hatten schöne und auch weniger schöne Momente. Doch dann begann sich alles zuverändern. Besonders aber meine Mutter veränderte sich. Wo sie vorher noch eine schöne und glückliche Frau war, wurde sie nun zu einem Schatten ihrer selbst. Erst fing sie mit diesen Selbstgesprächen an. Dann wurde sie aggressiv und…schließlich… Tötete sie sich. Doch nicht mit Schlaftabletten oder einem Sprung vor einer Bahn. Sondern mit einem Messer. Noch sehr genau sehe ich es vor mir. Meine Mutter, wie sie auf dem schwarzweissgekachelten Boden lag und es mehrmals in die Brust stiess und das scharlachrote Blut sich auf dem Boden, in hohen Fontänen ergoss. Dabei war ihr Gesicht schmerzverzerrt. Aber auch etwas anderes mischte sich in ihre Züge. Ein dämonischer Ausdruck ungeheuerlischer Wut und Bosheit. Ihre Stimme gellte durch den Raum. Ich höre noch deutlich ihre Schreie. Und die Schreie von etwas, dass tief in ihr war und nun hinaus wollte. Das absolout Böse! Da war ich neun jahre alt. Neunjahre und musste es mit ansehen. Noch immer verfolgten mich diese Bilder. Immer wenn ich die Augen schloss, sah ich es. Das Blut, das über dem Boden floss. Meine Mutter, die ich so sehr geliebt hatte. Tot daliegend, in einer riesigen Blutlache, die immer größer wurde. Mir drehte sich immer wieder der Magen bei diesem und ich erwachte schreiend aus dem Schlaf. Seit dieser Zeit kapselte ich mich immer mehr von anderen Kindern ab. Wobei die Lehrerinnen der Meinung waren, dass es besser wäre, wenn ich mit anderen Kindern spielte. Doch zu dieser Zeit wollte ich einfach nur alleine sein. Niemanden sehen. Nur mein Vater konnte zu mir durchdringen. Ansonsten blieb ich allein. Und dann kamen diese Visionen. Da wurde ich fünfzehn. Zuerst waren es nur schattenhafte Bilder, die ich nicht klar erkennen konnte. Dann aber wurden sie schärfer und zeigten mir nur schreckliches. Katastrophen, Unfälle, bei denen Menschen ums Leben kamen oder in denen Menschen anderen Menschen Schaden zufügten. Es wechselte sich immer ab. Aber der Schrecken war der gleiche und es hörte nicht auf. Die Visionen wurden mal zu mal immer schlimmer. Zwar waren sie selten, aber änderte nichts daran. Sie waren da und so real, so als würde ich sie wirklich erleben. Ließen mich nicht einmal in Ruhe. Nicht nur in der Nacht kamen sie, wie einst. Sondern jetzt auch am Tag und schon bald mischten sie sich in meinen Altag ein. Bis heute. Kapitel 1: Der Beginn --------------------- Es war heiß. Unerträglich heiß. Selbst für mich, da ich aus Italien kam und an heißeres Wetter gewöhnt sein sollte. Doch die Schwüle, die schwer über Paris lag, meinem neuen Zuhause, war nicht damit zu vergleichen. Und deswegen verstand ich nicht die Menschen, die im Cafe, in dem ich arbeitete, heißen Tee oder Kaffee bestellten, anstatt ein kaltes Wasser oder ein Eis. Ich trat in die Hitze und bediente einige der Gäste. Ich war nun achtzehn und kellnerte in einem kleinen, aber feinen Strassencafe, in der Nähe der Pariser Oper. Ich wusste nicht wieso, aber dieses Gebäude faszinierte mich. Oft, wenn ich es konnte, blickte ich zu dem Gebäude, so wie jetzt und fragte mich manchmal selbst, warum es mich so anzog. Vermutlich diese alte Bauweise. Die Verzierungen und Fassaden. Ich mochte alte Häuse. Wir selber lebten leider in einem Neubau. Papas Zweitwohnung, um genau zusein. Zwar hatte man dabei einen wunderbaren Blick auf die Stadt, aber so ein Altbau gefiel mir eher. Ich mochte nicht nur die Architektur, sondern auch den Geruch. Keine Ahnung woher ich diese Neigung habe. Vermutlich von meiner Mutter. Von ihr ich so ziemlich alles habe. Nur meine Augen waren anders. Statt nur blaue oder braune, hatte ich das linke Auge braun und das blaue Auge blau. Zwei verschiedene Augenfarben also. Und ich war immer sehr stolz darauf. Was wohl an Mama Worten lag. Sie sagte immer: „Du bist etwas ganz besonders Allison. Und egal, was die anderen sagen: Sie haben unrecht!“ Das habe ich mir wieder gesagt, als sie gestorben war und ich mich immer mehr zurückzog und damit den Spott und den Hohn meiner Mitschüler auf mich zog. Nun bin ich aus der Schule, aber das änderte nichts daran, dass ich mich niemandem außer meinem Vater öffnete. Während die anderen Freunde hatten und fröhlich um die Häuser zogen, saß ich auf der Couch, laß oder schaute fern. Tja, kein normales Leben. Oder so ging das wohl jedem, der seine Mutter oder seinen Vater oder sogar beide verloren hatte. Meine Visionen machten das natürlich nicht besser. „Hey, Bedienung!“, rief einer der Gäste und holte mich so aus meinen Gedanken. „Oui, Monsieur?“, fragte ich und zückte meinen kleinen Block. „Für mich ein Wasser und für meine Freundin einen Kaffee!“, sagte er und deutete auf diese. Sie war hübsch. Wirklich sehr hübsch. Brünnete, lange Haare, die ihr fast bis zur Hüfte reichten und ein Gesicht, bei dem selbst die Engel neidisch werden würden. Ich nickte ihr höflich zu. Doch diese drehte nur den Kopf herum und murmelte etwas, was sich wie „graues Mäuschen“, anhörte. Zugegeben ich trug nicht gerade die neueste Mode. Sondern gerne schwarze Klamotten. Jeans und Tops bevorzugt. So wie jetzt. Nun fand ich sie nicht mehr hübsch, sondern oberflächlich und dumm. Das stand ja deutlich auf ihrer Stirn geschrieben. Von ihrem Outfit ganz zuschweigen. Knallenge Jeans, Pumps und ein Oberteil, das tief einblicken ließ. Nun fragte ich mich, ob sie wirklich seine Freundin war oder nicht doch eine Bordsteinschwalbe. Gerade wollte ich zu einer Antwort ansetzten, um ihr eins reinzuwürgen, ohne jedoch meinen Job zu riskieren, als ich plötzlich das Gefühl hatte, ein Blitz würde mich treffen und mich lähmen. Schlagartig wurde mir dabei kalt und ich begann zu zittern. Ich wusste nur zugut, was das bedeutete. Neinneinneinnein! Ich kniff die Augen fest zusammen und atmete tief ein und aus. Zählte bis zehn, dann öffnete ich sie wieder. Ich konnte es deutlich sehen. Die Strasse. Das Cafe, mit zahlreichen Menschen besucht und der rote Wagen, der auf uns zuraste. Oder besser gesagt, auf die beiden, die ich bediente. Der Fahrer hatte die Kontrolle verloren und ehe sie reagieren konnten, erfasste es sie. Schleuderte beide durch die Luft wie Puppen. Der Fahrer versuchte nocheinmal die Knotrolle über sein Fahrzeug wiederzuerlangen. Bremste und riss gleichzeitig das Steuer herum. Das heck des Wagens scherte aus und kam genau auf mich zu. Riss mich von den Füssen und… So schnell das Bild meiner Vision mich überfiel, war es auch wieder weg. Mir stand der kalte Schweiss auf der Stirn und ich hatte meine Finger um meinen Block gekrallt. Dieses Mal handelte die Vision auch von mir. Ich würde diesen Unfall nicht überleben. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung?“, fragte der Mann, während mich seine Freundin ansah, als sei ich vom anderen Stern. Ich brauchte einen Moment, ehe ich etwas sagen konnte. Mein Hals war trocken, wie Sand und mir wurde kurz schlecht. So schlimm war es bisher noch nicht, dachte ich nur und blickte rein instinktiv zu der Strasse, aus der ich das rote Auto kommen sah und stiess im nächsten Moment einen entsetzten Schrei aus. „Pass auf!“ Es passierte in wenigen Sekundenbruchteilen und doch hatte ich das Gefühl, alles in Zeitlupe zusehen. Die Strasse, das Cafe und das rote Auto, das, wie in meiner Vision, auf uns zuraste. Ich sprang auf die beiden zu, die erst nicht wussten, was los war, packte sie dann und riss sie zur Seite. Hart prallten wir auf dem Boden auf, fügten uns einige Schürfwunden zu und für einige Minuten, sahen wir Sterne. Drohten dahin zu dämmern. Da hörten wir das Krachen und Splittern und blickten dorthin, wo wir eben noch gewesen waren. Dort lagen nur noch Überreste von Stühlen, verbogen und zerschmettert und das Auto, dass gegen einen Lampenpfeiler gefahren war. Den Fahrer hat es voll erwischt. Er war durch die Frontscheibe geflogen und sein toter Körper lag auf der Haube. Zäh floss das Blut über den roten Lack. Tropfte zu Boden. Glasscherben und Metallteile lagen umher und boten einen furchtbaren Anblick. Mir wurde schlecht und ich wäre gerne ohnmächtig geworden. Wie nur durch Watte gedämpft hörte ich die sich näherenden Sirenen und die Stimme der Passanten, die zu uns eilten. Während die Leiche, oder das was noch vom Mann übrig geblieben war, in einen Plastiksarg gepackt wurde, wurden wir von einem Polizisten befragt. Beziehungsweise die beiden Gäste. Zitternd und immer wieder Blick zu mir werfend, erklärten sie, was passiert war. Ich saß nur teilnahmslos auf dem Bordstein. Auch ich zitterte. Aber nicht weil ich nur knapp dem Tode entkommen war, sondern, dass es mich diesesmal treffen sollte. Aber eigentlich sollte mich das nicht überraschen. Irgendwann musste ich es ja selber abkriegen. Dennoch schockte es mich. Man sollte meinen, dass das einen abbrüht und man so was schnell wieder wegsteckt. Doch ich nicht. Ich war nicht dafür gemacht, diese Dinge als einfach passiert abzutun. Überall auf der Welt passieren solche schlimmen Dinge. Und ausgerechnet ich musste es sehen und konnte nichts dagegen tun. Aber was konnte ich schon dagegen ausrichten. Ich hatte keine Superkräfte, mit denen ich mit Schallgeschwindigkeit durch die Luft fliegen, geschweige denn mich teleportieren kann. Nur diese verdammte Gabe, die mir mehr Fluch als Gabe ist. Wieso musste ich sie haben? Was hatte sich der Herr nur dabei gedacht? Als alles ausgeschrieben und abtranporttiert war, kam das Paar noch einmal auf mich zu und bedankte sich. Die Frau sah mich nun mit ganz anderen Augen an. Dankbar und um Verzeihung bittend, dass sie vorher mich noch mit Hand gehaltenem Mund beleidigt hatte. Ich lächelte nur und winkte ab. Dann ging ich. Nachdem Schock wollte ich mich nur noch ins Bett legen und mich ausruhen. Mein Papa allerdings machte mir dabei einen Strich durch die Rechnung. Kaum das ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, kam er mir entgegen und Sorge war in seinen Augen zusehen. „Allison. Bei Gott. Bist du in Ordnung. Ich habe von Markus gehört was passiert ist!“, kam es wie aus einer sprudelnden Quelle aus ihm und ich stöhnte auf. Das hatte ich ganz vergessen. Papa war ja Polizist und Markus sein Kollege. War also logisch, dass er ihn benachrichtete. „Ja, Papa. Alles in Ordnung. Mir fehlt nichts. Habe nur einige Kratzer!“, gab ich matt von mir und der Ruf meines Bettes nach mir wurde lauter. Papa legte seine Hände auf meine Arme und betrachtete mich eingehender. Ohje! Das konnte sicherlich nichts Gutes bedeuten, wenn er mich so ansah. „Du bist so blass!“, sagte er und ergriff meine Hände. „Und deine Hände sind eiskalt!“ Dann sah er mich wieder an, und…ich weiss nicht, was er gesehen hatte, aber auf jeden Fall verursachte mir der Blick, den er jetzt hatte, mir furchtbare Bauchschmerzen. „Wieder eine dieser Visionen?“, fragte er schließlich und ich nickte. Papa seufzte schwer, dann ließ er meine Hand los und berührte zärtlich, tröstend meine Wange. Ich schloss bei dieser Berührung die Augen und fühlte, wie etwas von dem Schrecken abfiel. Mich freigab. Ich lächelte dankbar. Papa schloss mich dann in seine Arme und drückte mich an sich. Genauso, als ich noch klein war. Da nahm er mich immer so in den Arm, wenn ich einen schlimmen Traum hatte. Lange Zeit blieben wir so stehen, dann löste er sich von mir. „Geh jetzt ins Bett. Ruh dich aus. Ich werde deinen Chef anrufen und sagen, dass du morgen nicht kommen kannst!“ Ich nickte bloss. Dankbar darüber, dass mein Vater sah, wie sehr mich das ganze mitnahm und nicht wollte, dass ich gleich wieder von null auf hundert geben musste. Arbeiten, wenn ich schon daran dachte, wurde mir schlecht. Wie sollte ich Bestellungen entgegen nehmen, wenn ich den Unfallort genau vor der Nase hatte? Müde ging ich in mein Zimmer und hielt inne. Auf meinem Bett lag etwas Großes, Schwarzes und mit dichtem Fell. Als ich ins Zimmer kam, hob es seinen Kopf und schaute mich aus dunklen Augen fragend an. Ein leises Winseln kam von ihm. Ich lächelte müde. Rafael! Mutters schwarzer Hund, wobei er mehr einem Wolf ähnelte. Wie sehr hatte Mama ihn geliebt. Sie hatte ihn stets behandelt, wie einen Menschen. Wie ein Familienmitlgied und war immer so traurig, wenn ihm etwas fehlte. Nun aber war er traurig, weil er sie vermisste. Genauso wie ich. In dieser Hinsicht, waren wir uns einig. Während dieser schweren zeit war er für mich dagewesen, wenn Papa arbeiten und allein daheim war. Nun würde er würde für mich da sein, da er genau zusehen schien, was in mir vorging. „Hallo, Rafael!“, begrüßte ich den schwarzen Wolfshund. Rafael winselte noch einmal, dann sprang er vom Bett und tapste auf mich zu. So als wäre ich Jahre lang und keinen Tag weggewesen, rieb er seinen schwarzen, weichen Kopf an meinem Bein und hechelte. Ich musste lachen. Das Fell kitzelte und ich strich ihm liebevoll über den Rücken. Der Schreck wurde immer kleiner. Dank meinem Freund. „Jaja, ist ja gut. Ich habe dich auch vermisst!“, gestand ich und schob mich an ihm vorbei. Schüttle dann die Kissen und die Bettdecke auf und machte mich für die Nacht fertig. Rafael machte einen Satz aufs Bett und legte sich, ohne dass ich etwas sagte, neben mich. Zu Anfang war ich dagegen, dass ein sogroßes Tier in meinem Bett schlief und natürlich ich kaum Platz hatte. Aber dann gab ich mich geschlagen. Außerdem war es ungemein tröstend, ihn neben mir zuhaben. Rafael half mir über den Kummer, den ich nachts verspürte, zuverkraften und ruhig einzuschlafen. Zumindest bis wieder ein Alptraum mich plagte. Nochmals streichelte ich ihn. „Gute Nacht, Rafael!“, sagte ich dann und schlief schon bald ein. Lautlos glitt er durch die Nacht. Schwebte an Häusern vorbei und war nicht mehr, als ein Schatten. Sein Schweif zog sich, wie der Schwanz einer Echse hinterher und hinterließ frostige Spuren, die sogleich wieder schmolzen. Immer wieder drehte er den Kopf, ließ seine schwarzen Augen suchend durch die Nacht wandern. Lange schwebte er über die Dächer, spähte von einem Zimmer ins nächste, bis er endlich fand, was er suchte. Er hielt vor einem der Fenster, hinter dem sich das Zimmer einer jungen Frau befand. Sie lag im Bett genau vor ihm und regte sich nicht. Neben ihr lag ein großer schwarzer Wolf. Dieser schien nicht zu schlafen. Denn sobald der Schatten näher an das Glas kam, zeichneten sich Frostblumen auf dem Glas ab und es klirrte. Die Ohren des Wolfes zuckten und er hob den Kopf. Ließ ihn plötzlich in Richtung des Fensters rucken und seine dunklen Tieraugen, fixierten die des Schattens. Der Schatten schwebte noch einige Minuten in der Luft, schaute zum Tier hinein. Dann schoss er hinauf in den Nachthimmel und verschmolz mit der Dunkelheit. Der schrille Wecker weckte mich aus einem tiefen und traumlosen Schlaf. Ich fühlte mich völlig erledigt. So als sei man mit einer Dampfwalze über mich hinweg gerollt. Und das zehnmal hintereinander. Rafael schien es nicht anders zuergehen. Er wirkte ebenso müde und gähnte herzhaft. Ich schloss mich ihm an. Das Frühstück verlief ohne irgendwelche Gespräche. Müde kaute ich auf meinem Brot herum und kippte die letzten Reste meines Kaffees hinunter. Der Kaffee, den ich immer schwarz trank. Eine Vorliebe, die ich von meiner Mutter hatte, die Papa nicht verstand. „Du kannst doch immerhin Milch hineintun!“, hatte er stets gesagt. Irgendwann hatte er es allerdings aufgegeben. „Wie geht es dir?“, fragte er schließlich und ich hatte ehrlich gehofft, dass er dieses Thema nicht mehr ansprechen würde. Ich zuckte bloss die Schultern. „Wie es einem sogeht, wenn man millionenmal Todesunfälle kommen sieht!“, murmelte ich. Papa sah mich mitleidig an und stellte die Tasse, der er vorhin noch in der Hand hielt auf den Tisch. Der Klang der dabei verursacht wurde, war in meinen Ohren viel zu laut. „Magst du darüber reden?“ „Nein!“, sagte ich entschieden. Was half das reden schon. Danach würden diese Träume doch niemals verschwinden. Sie waren mein Fluch, der nicht gebrochen werden kann. Egal wie! Papa sah mich einen Moment noch schweigend und nachdenklich an. Dann schaute er auf seine Armbanduhr und gab einen resegnierten Laut von sich. „Ich muss jetzt zur Arbeit. Mach niemandem die Türe auf!“, sagte er und küsste mich auf die Stirn. Ich verzog das Gesicht. Das war wirklich nicht nötig gewesen das zusagen. Ich war schließlich kein kleines Kind mehr. Aber anscheinend war Papa selber etwas unter Schock, über meine Nahtoderfahrung, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Ich lächelte dann. „Werde ich schon nicht machen, Papa!“, sagte ich. Papa lächelte auch. Etwas schwach und küsste mich nochmals auf die Stirn. Dann ging er und ließ mich allein. Ich war schon etwas froh, dass er ging. Denn so konnte ich etwas für mich sein und nachdenken. Was ich immer tat. Manchmal glaube ich, ich denke nur noch. Die ganze Zeit. Aber das war immerhin besser, als sich vor diesen Träumen zufürchten. Ich blieb noch bis dreiuhr, dann aber fiel mir die Decke auf den Kopf und ich beschloss, etwas an die frische Luft zugehen. Ich nahm Rafael gleich mit. Der Gute konnte etwas Bewegung ganz gut vertragen und ich auch. Ein wenig Stöckchenwerfen im Park würde uns beide die lange Zeit toschlagen. Rafael freute sich natürlich wie wahnnsing, als ich mich anzog und ihm sagte, dass wir etwas rausgehen. Doch als ich die Leine rausholte, war er nicht gerade begeistert. Nur mit Mühe und Not schaffte ich es, ihm diese anzulegen. Murrend und finster vor sich dreinblickend, trottete er neben mir her und zog an der Leine, als könnte er es gar nicht erwarten in den Park zu kommen. „Rafael, zieh doch nicht so!“, bat ich ihn, doch mein wölfischer Freund wollte nicht hören. Als wir dann im Park waren, nahm ich ihm das lästige Ding ab und es dauerte keine fünf Sekunden, da schoss er schon los. Tollte über die Wiese und untersuchte jeden Baum. Die anderen Hundebesitzer warfen ihm erschreckte und fremde Blicke zu. Hatten die noch nie einen Wolfmischling gesehen, oder sah er so furchterrgend aus, dass sie fürchteten, er würde sie anfallen? Einer von ihnen sogar hatte einen Pit-Bull, der im Vergleich zu Rafael ziemlich gefärhlich aussah und tat so, als sei mein Hund, die Killermashcine und nicht das hässliche Vieh, dass er neben sich hatte. Er sah Rafel nach, dann zu mir. Ich sah ihn allerdings an, frei nach dem Motto: Fass dir an die Nase! Nach einer Weile pfiff ich Rafael zurück, legte ihn wieder die Leine um, wobei er sich allerdings nicht mehr sträubte, sondern brav dasaß und etwas hechelte. Offenbar war er so grogie, dass er die Leine nicht mehr scheute. „Komm gehen wir!“, sagte ich und wir machten uns auf den Heimweg. Dabei kamen wir an meiner Arbeitstelle vorbei. Mir wurde flau im Magen und ich zwang mich förmlich weiter zugehen. Die Stelle, auf der der Unfall passiert war, war großzügig abgeriegelt und sogar mit einem Sperrband versehen. Die Gäste hatten sich auch etwas weiter weg von der Unfallstellte gesetzt und warfen nur selten Blicke dorthin. Trotz dass es gestern noch ein schrecklicher Unfall dort passiert war, war das Cafe gut besucht und ich fragte mich, was sich mein Chef überlegt hatte, um seine Kundschaft nicht zuverlieren. Sicherlich zwei Lattemacchiato zum Preis von einem, dachte ich zynisch. Jaque konnte ziemlich erfinderisch sein, wenn es ums Geld ging und wie man es in die Kasse kriegt. Da ich heute frei habe, hatte Marie die Tische, die für mich eingeteilt waren übernommen, und kam fast gar nicht mehr mit den Bestellungen mit. Ich bekam irgednwie ein schelchtes Gewissen, weil sie es sein musste, die das ganze ausbaden musste. Marie war gerade mal ein halbes Jahr bei uns und noch etwas unsicher. Sie war die einzige, mit der ich mich schon gut verstand. Zwar waren wir nicht die dicksten Freundinnen, aber wir verstanden uns. Marie war gerade dabei, die Bestellung weiter an die Küche zugeben, da sah sie mich und strahlte über das ganze Gesicht. „Hey, Allison. Was machst du denn hier? Ich dachte du hast frei?“, begrüsste sie mich und vergessen war die Bestellung. Ich grinste etwas. „Habe ich auch. Aber ich habe es daheim nicht ausgehalten!“, bemerkte ich und machte eine Kopfbewegung zu Rafael. Marie kicherte. Sie war die Sorte von Mädchen, die das Leben von einer sonnigen Seite sehen und immer glücklich zu sein schienen. Sie hatte Blonde, lockige Haare, die sie bis zu den Schultern trug und ein hübsches Puppenhaftes Gesicht. Große, grüne Augen, die wie Samaragte leuchteten, wenn sie lächelte und eine tolle Figur. Kurz um, das genaue Gegenteil von mir. „Nimm es mir nicht übel, aber…ich finde du siehst grauenvoll aus!“, sagte Marie und wirkte dabei etwas beschämt. Ich lächelte etwas verkrampft. Es war nicht böse gemeint, das wusste ich. Ich sah wirklich nicht gut aus. Aber man musste es mir nicht unbedingt unter die Nase reiben. „Danke, Marie. Ich finde dich auch sehr sexy heute!“, erwiederte ich. „Möchte dich mal sehen, wenn du nur knapp dem Gevatter Tod von der Klinge hoppst!“ „Du bist immernoch geschockt nicht wahr?“, fragte sie und ich verzog das Gesicht. „Un dwie. Ich sehe es immernoch vor mir!“, gab ich trocken zurück und ich sah es wirklich vor meinem inneren Auge. Der rote Wagen, der auf das Paar zuraste und sie erwischte und dann mich. Ein eisiger Schauer rann mir über den Rücken. „Wie hast du das überhaupt geschafft. Ich habe gehört, dass du sie gepackt und weggerissen hast, als man kucken konnte!“, sagte sie nun und alles in mir verkrampfte sich. Ich wollte darüber nicht sprechen. Wirklich nicht. „Bitte, Marie. Frag mich das nicht!“, bat ich sie, da ich merkte, wie mir wieder schlecht wurde. Ich blickte zu der abgeriegelten Unfallstelle und das Gefühl der Übelkeit nahm zu. Machte sich als fetter schleimiger Kloss in meinem Hals breit und ließ mich würgen.Vielleicht war es doch keine gute Idee, aus dem Haus rauszugehen. „Aber du …!“, versuchte es Marie nocheinmal. Und es reichte mir. „Marie, bitte. Ich…!“, platzte es aus mir raus, weil ich genug hatte. Doch ich kam nicht weiter, etwas zusagen. Dafür war ich zusehr erschrocken. Es war allerdings keine Vision, die mir den Atem stocken ließ. Sondern der Schatten. Dieser kam jedoch weder von einem der Gäste, noch von was anderem. Und sah aus wie etwas, dass nicht natürliches, nichts von dieser Welt war. Er hatte entfernt Ähnlichkeit mit einem menschlichen Schatten. Entfernt wie gesagt. Seine Gestalt war mager, praktisch dürr und seine Hände glichen den Klauen eines Tieres. Dunkle Augen, die wie schwarze Steine funkelten, stierrten mich an und ich schauderte. Rafael schien diesen auch gesehen zu haben, denn er knurrte und fletschte die Zähne. Ich zog schnell an der Leine. Dass er jetzt Amok lief, hätte mir gerade noch gefehlt. Sofort war er wieder ruhig. Ließ aber den Schatten nicht aus den Augen. Genau wie ich. Mit einem Mal wurde mir kalt und ich schluckte. Was zum Teufel war das nur ein Ding? Was will es von mir? So als hätte dieser Schatten meine Frage gehört, bewegte er sich. Schien mir in einer spöttischen Geste mir zuzuwinken. Ich schluckte und glaubte unter seinem Blick zuschrumpfen. Ich zwang mich ruhig zu bleiben und nicht schreiend wegzurennen. Was allerdings schier unmöglich war. Es war mir einfach unheimlich. Marie, die natürlich den Schatten nicht sehen konnte, da sie mit dem Rücken zu ihm gewandt war, runzelte die Stirn. „Was hast du?“, fragte sie und ich brachte keinen einzigen Ton hervor. Ich konnte mich vor Angst nicht einkriegen. Von allen Dingen, die ich bisher gesehen hatte, war das da das gruseligste. Dieser Schatten hatte etwas, was mir sagte, ich sollte mich vor ihm in Acht nehmen. Eine dunkle Ausstrahlung, die mir gefährlich werden konnte, wenn ich nicht aufpasste. Marie widerholte ihre Frage und ich zeigte hinter sie. Auf den Schatten. Marie drehte sich um, doch der Schatten löste sich in dem Moment auf, als sie sich zu ihm umwandte. Zerfaserte förmlich. „Da ist doch nichts!“, sagte sie und drehte sich wieder zu mir. Ich aber konnte nicht den Blick von der Stelle nehmen, wo noch vor wenige Minunten, der Schatten gewesen war. Obwohl er weg war, hatte ich immernoch das Gefühl ihn zusehen und spürte seinen Blick auf mir. Wie er mich ansah. Als wüsste er, wer ich bin. Das war nicht gut. Gar nicht! „Bist du sicher, dass es dir gutgeht?“, fragte sie nun wieder besorgt und ich wischte mir über die Augen. „Ich glaube, ich drehe langsam durch!“, murmelte ich. Das alles war zuviel für mich. Müde schleppte ich mich nachhause. Rafael wich mir nicht von der Seite. Etwas, wofür ich ihm sehr dankbar war. Der Schatten ließ mich einfach nicht los. Jetzt auch nicht, da ich mich in mein Bett fallen ließ. Die Augen schloss und in einen tiefen Schlaf versank. Leise kroch der Schatten durch den Schlitz zwischen dem Fenster und der Fensterbank und schwebte dann über den Boden. Sein Kopf wandte sich zum Bett, auf dem die schlafende junge Frau lag und nichts von der Anwesenheit des Schattens zumerken schien. Vorsichtig schwebte er näher heran und schaute sie an. Lange blieb sein Blick auf ihrem Gesicht ruhen. Ein nachdenklicher Ausdruck machte sich auf seinem schattigen Gesicht breit. „Sie sieht ihr wirklich ähnlich!“, dachte er und beugte sich tiefer zu ihr hinunter. Ein kalter Lufthauch streifte mich an der Wange und ich schreckte auf. Mir war, als wäre jemand bei mir gewesen, doch als ich mich umschaute, sah ich niemanden. Komisch. Aber vermutlich lag es auch daran, dass ich ein wenig gestresst war. Da war es doch logisch, wenn man Gespenster sah. Geschweige denn hörte. Ich wollte mich nochmal hinlegen, doch da knurrte mir der Magen und machte damit einen Strich durch die Rechnung. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Gerade mal zwei Stunden hatte ich geschlafen und ich fühlte mich immernoch so, als hätte ich eine Woche kein einziges Mal geschlafen. Aber nochmal hinlegen fiel aus, da mein Magen, wie als hätte er ein Eigenleben, nochmals knurrte und mich förmlich zwang aus dem Bett zusteigen. Murrend und müde lief ich in die Küche und schaute erstmal in den Kühlschrank. Hm, auf ein Omlett hätte ich Lust. Gesagt, getan. Ich schlug gut fünf Eier in die Schüssel und verquirlte alles. Mischte noch etwas Salz und Peffer, einige Kräuter hinein und erhitzte dann die Pfanne. Schon bald war die Küche mit dem leckeren Duft von gebratenen Eiern erfüllt und mir lief das Wasser im Munde zusammen. Gerade lud ich mir etwas von dem Essen auf den Teller, als gerade Rafael in die Küche und mich auch schon mit diesen typisch bittenden Augen ansah. Ich verdrehte dafür meine. Der Kerl kriegt schon genug zuessen, muss aber dennoch bei uns schnorren. Als hätte er meine Gedanken gelesen, winselte er und ich ließ mich breitschlagen. „Okay, aber nur dieses eine Mal!“, sagte ich, wobei schon vorher klar war, dass es danach so weiter gehen würde. Rafael hechelte und wedelte mit dem Schwanz. Mit einem Seuzfer, halb amüsiert und halb genervt, warf ich ihm etwas von meinem Essen auf den Fliessenboden. Kaum war es dort gelandet, schon stürzte er sich darauf und verschlang das Omlett gierig. Genüsslich leckte er sich über die Lefzen. Ich schüttelte den Kopf und aß selber. Erst rebellierte mein Magen und ich musste mich erstmal selber dazuwingen, überhaupt etwas runter zu bekommen. Aber dann hatte mein Magen sich daran gewöhnt und freute sich schließlich, dass ich ihm etwas zum arbeiten gab. Nach dem das letzte bisschen Omlett weg war, ließ ich mich satt und-ausnahmsweise entspannt-in den Stuhl zurücksinken. Rafael lief zu mir, setzte sich neben mich und rieb seinen Kopf an meinem Oberschenkel. Wenn ich noch etwas zuessen gehabt hätte, hätte er damit bezwecken wollen, dass er noch etwas kriegt. Aber so schien er auf Streichelein auszuseien und die gab ich nur zugerne. Ich kraulte ihm über den Kopf und Rafael schnaubte leise und schloss beinahe dabei die Augen. Ich musste etwas lächeln. Der Kerl konnte schon einem auf die Nerven gehen, aber ohne ihn zusein, schien mir noch schlimmer als seine Betteleien. „Du bist und bleibst ein Chaot, wie?“, fragte ich und Rafael bellte kurz. Wie als wollte er meine Frage bestätigen. Ich musste dabei lachen. Manchmal dachte ich er wäre ebenso ein Mensch. Seine Launen und soweiter sprachen ja deutlich dafür. Aber gerade deswegen liebte ich ihn genauso wie meine Mutter. Er hatte Charakter und war kein verhätscheltes Schoßhündchen, wie manch andere. Da spitzten sich die Ohren meines Freundes und sein Kopf ruckte zur Tür. Ich dachte erst, es sei mein Vater den er hörte. Doch als er die Zähne fletschte und wütend zu bellen und zu knurren begann, wusste ich, dass da jemand vor der Tür stand, der nichts Gutes wollte. Ich lief zur Tür und schaute aus dem Spion. Mir fuhr der Schreck in alle Glieder. Vor der Tür stand der Schatten. Den Schatten, den ich schon in der Schule gesehen hatte. Wie war das möglich? War er mir etwa wirklich bis zur Haustür gefolgt. Verrückt und ich würde das niemals glauben. Aber ich sah ihn genau vor mir. Ich blinzelte, wie als wollte ich mich vergewissern, dass mir meine Augen nicht doch einen bösen Streich spielten. Zu meiner Erleichterung war er verschwunden, doch die Angst, die ich bei seinem Anblick empfunden hatte, blieb. Am nächsten Tag musste ich wohl oder übel arbeiten gehen. Jaque sagte nicht, aber sein Blick reichte schon. Er war wirklich ein Idiot. Statt Verständniss für seine Mitarbeiter zuhaben, die ein schimmes Erlebnis hatten, musste er die Nase rümpfen und behaupten, dass die heutige Jugend verweichlicht sei. Daber war er auch nicht gerade alt. Aber was nutzte es, sich darüber aufzuregen. Zum Glück ging der Tag sehr schnell vorbei und ich konnte schon sehr bald wieder nachhause gehen. Es dämmert schon und ich überlegte, ob es nicht besser wäre meinen Vater anzurufen und ihn bitten, mich abzuholen. Es war kindich ich weiss. Aber jetzt wo ich sah, wie lang die Schatten wurden, war mir alles andere als wohl zumute. Ich suchte in meiner Handtasche nach dem Handy, was ich auch schnell fand und wählte Papas Nummer. Es klingelte fünfmal, ehe die Mailbox ranging. „Ihr gewünschter Gesprächspartner ist zu Zeit nicht erreichbar. Bitter hinterlassen Sie…!“ Entnervt dürckte ich auf den Auflegknopf und fluchte vor mich hin. Gerne hätte ich über Papas Unzuverlässigkeit geschimpft. Ließ es aber, da es sowieso sinnlos war. Papa war Polizist und auf Streife. Da kann er nicht gerademal seine Kollegen sitzen lassen um sein kleines Töchterchen abzuholen. Ich seufzte resigniert und stopfte das Handy wieder in die Tasche. Es half nichts: Ich musste allein nachhause gehen! Die Strassen von Paris waren aufeinmal wie leergefegt. Keine Menschenseele war zusehen und ich hatte ein wirklich ungutes Gefühl. Jeder kennt es sicherlich. Es ist das gleiche Gefühl als wenn man in einer Achterbahn sitzt. Im ersten Wagen und man sieht, wie man nach oben gezogen wird und sich immer mehr und mehr dem Abgrund nähert, bevor man diesen hinunterstürzt. Man kann schreien, um sich schlagen. Doch es würde nichts ändern. Man rast einfach hinunter. Und so fühlte es sich jetzt an. Nur noch viel schlimmer. Immer wieder blickte ich mich um, da ich glaubte in den Schatten Bewegungen zusehen. Das Gefühl beobachtet zuwerden nahm immer mehr zu und nun bildete ich mir auch ein, dass hinter mir Schritte zuhören waren. Die immer näher kamen. Scheisse, was ging hier nur vor sich, dachte ich bloss und lief etwas schneller. Bog um einige Ecken. Versuchte damit den Verfolger abzuschütteln. Aber er blieb mir dicht auf den Fersen. Klebte förmlich daran. Mein Herz raste in der Brust und ich merkte, wie mir kalter Schweiss auf die Stirn trat. Langsam wangte ich es, einen Blick über die Schulter zuwarfen und erstarrte sogleich. Der Kerl, der mich verfolgte, hinkte mit dem rechten Bein und wirkte auch sonst ziemlich verkrüppelt. Dennoch hielt er erstaunlicher weise mit mir Schritt und wurde sogar noch schneller, als ich schon zu rennen begann. Was war das bloss für einer? Zu einer Antwort allerdings sollte ich nicht mehr kommen, da mir dieser Kerl plötzlich ins Genick sprang und mich unsanft zu Boden riss. Für einen Sekundenbruchteil drehte sich alles um mich herum und es dauerte etwas, ehe ich wieder zur mir kam. Doch dann wünschte ich mir sogleich ohnmächtig geworden zusein. Über mich hatte sich mein Verfolger gebeugt. Ich musste ein Würgen und einen Schrei gleichermassen unterdrücken. Im dämmrigen Licht der Strassenlaterne wirkte sein Gesicht wächsern und grässlich entstellt. Der Mund war nur ein schwarzes Loch, aus dem ebenso schwarzer Schleim tropfte und das Auge, dass eigentlich ins dafür vorhergesehene Loch gehörte, baumelte an einem feuchtglänzendem Nervenstrang, wie ein ausgerolltes Jo-Jo hinundher. Mir wurde schlecht als die schwarzen dicken Tropfen auf meine Wange fielen und ich fühlte mich wie gelähmt. Vergeblich versuchte ich mich zu bewegen. Meine Arme aus seinem Griff zubefreien und ihn von mir zustossen. Das einzige, was aber ich zustande brachte, war ein Zucken meiner Arme. Ein widerlicher süßlicher Geruch stieg mir in die Nase. Der Geruch von Leichen! Mein Ekel und meine Angst, vor dem was nun kommen würde, wurden noch größer als ich sah, wie dieses Ding über mir plötzlich zu grinsen begann und dabei eine Reihe von scharfen Reisszähnen entblösste. Das war nie undnimmer ein Mensch, schoss es mir durch den Kopf. Ein Mensch könnte bei solchen Missbildungen nicht leben. Geschweige denn soschnell sein. Aber wenn das kein Mensch war, was war es dann? Ein undeutliches Wimmern kam mir über die Lippen und nocheinmal versuchte ich mich von meinem Angreifer zubefreien. Dieser belächelte meinen Versuch jedoch und beugte sich zu mir hinunter. Mit einem ekelhaften Schmatzen, riss es sein Mund weiter auf und wollte mir seine Zähne ins Gesicht schlagen. Da wurde es plötzlich mit brutaler Kraft von mir zurückgerissen und ich konnte mich endlich aufrichten. Ich holte tief Luft, da ich glaubte der ekelhafte Geruch von Leichen würde mich ersticken und ich blickte zum Monster, das vorhin über mir gebeugt gewesen war und sich nun gegen etwas wehrte, was ich zunächst nicht erkennen konnte. Es wand und schängelte geschickt umher, wie eine Schlange. Verschmolz kurz mit der Dunkelheit, um dann plötzlich wieder aufzutauchen und zuzuschlagen. Das Monster brüllte auf, versuchte auf das Etwas, was ihn tiefe Fleischwunden in seinen, ohnehin schon zerfetzten, Körper riss, einzuschlagen. Doch es war schneller und wich seinen Schlägen immer wieder aus. Dann wickelte es sich blitzschnell um ihn herum und begann ihn zu würgen. Ich dachte wirklich eine Schlange würde das Ding gleich töten. Aber als ich genauer hinsah, wurde mir klar, dass das niemals eine Schlange sein konnte. Denn seit wann hatten Schlangen einen Kopf von einem Wolf? Gerne hätte ich geschrien oder wäre weggerannt. Weit weg von dem, was sich gerade vor meinen Augen abspielte. Aber meine Beine fühlten sich taub und schwer wie Blei zugleich an. Meine Hände zitterten. Ich zitterte. So heftig das ich fürchtete, meine Zähne würden dabei zerbrechen. Gelähmt stand ich da und konnte nichts tun. Nur eins: Zusehen wie das schwarze Ding mit dem Wolfskopf das Monster immer mehr in seine tödliche Umarmung nahm und schließlich das Maul weit aufriss. Ein schauerliches Heulen drang aus dem Schlund hervor, ehe es sein Opfer verschlang. Knochen des Monsters zerbarsten unter dem Druck der Kiefer des anderen. Der Körper meines vorherigen Angreifers wurde förmlich durch den Schlund gedrückt. Unter der dunklen Haut des anderen konnte man deutlich sehen, wie das „Essen“, hindurchgeschoben wurde. Stück für Stück. Als das Ding sein Opfer ganz und gar verschlungen hatte, begann es zu zerfliessen. Sank kurz in sich zusammen und nahm dann menschliche Form an. Ich schnappte nach Luft: Nun war es kein Schlangenähnliches Etwas, mit dem Kopf eines Wolfes. Sondern ein Mensch. Ein Schattenmensch. Sein Kopf drehte sich langsam in meine Richtung und blickte mich dann mit dunkelfunkelten Augen an. Und als ich diese Augen sah, erkannte ich nun meinen Retter. Es war der Schatten. Der den ich vor zwei Tagen in der Schule und dann vor meiner Haustür gesehen hatte. Ich schluckte und merkte, wie mein Herz wieder zurasen begann. Ein ungeheuerlicher Gedanke durchfuhr mich. Er hatte mich vor diesem anderen Monster gerettet! Gerne wäre ich darüber erleichtert gewesen. Zu wissen, dass er mir nichts böses woltle. Doch dann legte sich über diese Erleichterung ein unheilvoller Schleier. Oder wollte er mich nur retten, um mich selber zuverspeisen? Da hörte ich ein unheimliches Geräusch und ich brauchte eine Weile, ehe ich es als ein Lachen erkannte. Ein ziemlich trockenes und humorloses Lachen. Und es kam vom Schatten. Seit wann konnten Schatten lachen? „Sei nicht so dumm. Allison. Ich habe jegendlich dein Ende hinausgezögert!“, flüsterte er und löste sich vor meinen Augen auf. Als das passierte, konnte ich es nicht mehr unterdrücken. Mit einem Schlag fand ich meine Stimme wieder und das erste, was ich tat, war zu schreien. Kapitel 2: Der Kontakt ---------------------- Ich wachte in meinem Zimmer auf. Als ich die weissgestrichene Decke meines Zimmers sah, wusste ich nicht, was mit mir passiert war. Mir erschien die letzte Nacht wie ein Traum. Wie ein Alptraum. Aber dann… „Sei nicht so dumm. Allison. Ich habe jegendlich dein Ende hinausgezögert!“ Diese Worte kehrten mit der Wucht eines heranrasenden Lastwagens und trafen mich. Ruckartig schnellte ich nachoben und saß kerzengerade in meinem Bett. Meine Finger hielten die Bettdecke festumklammerten, sodass sie sie fast zerrissen und Schweiss stand mir auf der Stirn. Trotz das es warm in meinem Zimmer war, fror ich. Ich fühlte mich so, als sei ich haarscharf einem tödlichen Unfall entronnen. Und das war es auch. Wenn dieser Schatten nicht gewesen wäre, wäre ich… Es schüttelte mich, als ich mir das Bild dieses Monsters, welches über mir gebeugt war, wieder vors Auge rief und mein Magen drehte sich um. So stark und schnell, dass ich sofort aus dem Bett flüchten musste, um mich nicht im Bett zu übergeben. Laut würgend entlerrte ich meinen Magen und fühlte mich danach noch elender. Kraftlos und zitternt sank ich auf dem gekachelten Boden. Spürte die Kälte der Kacheln an meiner Wange und war kurz davor in eine Ohnmacht zu fallen. Da hörte ich entfernt Schritte auf mich zukommen. „Allison…Allison um Himmelswillen!“, hörte ich meinen Vater. Er kniete sich neben mich und hob mich vorsichtig auf die Arme. Wie ein kleines Kind trug er mich wieder ins Bett und legte mich vorsichtig hinein. „Was machst du denn?“, fragte er tadelnd. Ich erwiderte darauf gar nichts. Mein Hald fühlte sich furchbar trocken an und ich merkte, wie sich wieder alles um mich herum drehte. „Mir war so schlecht!“, zwang ich mich zu sprechen und Vater seufzte. „Ich habe eben mit deiner Arbeit telefoniert. Diese und nächste Woche bist du erstmal krankgeschrieben. Die Gründe sind nicht wichtig. Hauptsache du kommst wieder auf die Beine!“, sprach er und klopfte mir sanft auf die Schultern. „Danke. Papa!“, sagte ich nur matt. Und wunderte mich etwas. Wieso fragte er mich nicht, was gestern passiert war. Ich wusste nur noch, dass ich mich irgendwie nachhause geschleppt hatte, nachdem ich mir die Seele aus dem Hals geschrien hatte. Das nächste was ich noch mitbekam war, wie Papa mich ansah, als sei ich ein Geist und war ohneweiteres in mein Zimmer gegangen. Dann musste ich eingeschlafen sein. Bis jetzt hatte er es vermieden mich darauf anzusprechen. Doch irgendwann musste er es ja tun. „Was ist gestern eigentlich passiert?“, fragte er besorgt und setzte sich zu mir auf Bett. Ich zuckte nur hilflos mit den Schultern, da ich es mir ja selber nicht erklären konnte. Gerne hätte ich an einen Traum geglaubt. Aber war der Gestank dieses Monsters, was mich gestern beinahe getötet hätte, viel zustark in meiner Nase geblieben. Mir wurde schlecht, als ich mich daran erinnerte. „Ich weiss es nicht so genau. Ich…ich war auf dem Heimweg und merkte, dass ich verfolgt wurde. Als ich versucht hatte, diesen Kerl loszuwerden, hetzte er mich schließlich und sprang sich auf mich. Was er wollte, wollte ich nicht so genau wissen. Dann aber kam jemand hat mich… gerettet!“, erzählte ich und bemühte mich glaubwürdig zuklingen. „Und wo ist dieser Retter jetzt?“, hackte er nach und ich merkte, wie mein Kopf mit einem Male leer war. Tja, wo war nun mein Retter in der Not? Hatte sich in Luft aufgelöst. Doch wenn ich das sagte, würde ich sicher auf der Couch eines Seelenklempners landen. Darauf konnte ich getrost verzichten. Ich zuckte deshalb mit den Schultern. „Abgehauen!“, sagte ich. Nachdem er mir sagte, dass er mein Ende hinauszögern wollte. Was für ein Irrer war das überhaubt. War das überhaupt ein Mensch. Nein, denn Menschen löstens ich nicht auf. Oder konnten andere Formen annehmen. Papa schien mir auch das nicht abzukaufen. Sein Blick sprach eindeutig dafür. Ich versank tiefer in die Kissen und hoffte, dass etwas passiert, das diese Unterhaltung unterbrechen würde. Doch dieses kleine Wunder geschah nicht. „Abgehauen?“ „Ja, einfach abgehauen. Ich wollte mich noch bedanken, aber er war schon weg!“, erwiederte ich und hoffte, dieses Verhör würde endlich aufhören. Man, ist echt ein Fluch die Tochter eines Polizisten zusein. Da fiel mir allerdings etwas ein, womit ich ihm einen Dämpfer versetzen konnte. „Wieso bist eigentlich nicht gestern ans Handy gegangen. Wenn du drangewesen wärst und mich abgeholt hättest, wäre das nicht passiert!“, konterte ich. Verschränkte dabei trotzig die Arme vor der Brust. Für einen kurzen Moment schien ihn das wirklich aus der Bahn geworfen zuhaben. Doch ehe ich mich auf einen Triumph gegenüber meines Vaters freuen konnte, verpasste er mir nun einen Dämpfer. „Allison. Du weißt ganz genau, dass ich nicht immer rangehen kann, wenn ich auf Streife bin!“, sagte er. Das Schlimme war, dass er Recht hatte. Aber er musste mir doch nicht gleich so misstraurisch begegnen. Ich meine, ich bin doch noch am Leben. Also alles halb sowild. Sei nicht dumm. Es hätte auch anders ausgehen können. Naja, wenn ich sorecht überlege: Ich sollte das nicht auf die lockere Schulter nehmen. Die nächsten Tage zogen sich hin wie Kaugummi. Papa nahm sich etwas Urlaub um mich wieder aufzupäppeln. Etwas was ich mehr als einmal ausschlug. Ich war kein kleines Kind mehr, das eine schwere Grippe hat. Wobei… Der Angriff von diesem…diesem Ding hatte mehr Spuren hinterlassen, als eine Grippe es jemals konnte. Noch immer hatte ich diesen widerlichen Gestank in der Nase, der aus dem Schlund des Monsters mir entgegenschlug und diese Schattengestalt, die es einfach so verspeist hatte. Wenn ich nachts schlief, sah ich sie deutlich vor mir stehen. Hörte ihre Stimme und ihre Worte. „Ich habe jegendlich dein Ende hinausgezögert!“ Soll das heissen, dass das noch nicht alles war? Das ich das Schlimmste noch vor mir hatte? Wenn ja, sah meine Zukunft alles andere als rosig aus. Was würde noch passieren? Um ehrlich zusein, wollte ich es gar nicht wissen. Doch schon bald sollte ich sehen, dass das, was mich vorher plagte, noch gar nichts war. Es schüttete wie aus Eimern und der Himmel war beinahe schon schwarz. Der Wetterbericht hatte ein heftiges Gewitter angekündigt und so kam es auch. Im fünfminutentakt blitzte es und ein tiefes Donnern ließ die Fensterscheiben zittern. Papa musste für einen Kollegen einspringen, was ihm natürlich nicht gefiel. Immer wieder hatte er gefragt, ob es in Ordnung war und ich ihm genauso oft versichert, dass er sich keine Sorgen machen musste. Ich versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Doch weder das Fernsehen noch ein Buch lesen konnten mich ablenken. Es war einfach zum heulen. Rafael lag in seinem Korb und schlief. Würde die Sonne scheinen, könnte ich mit ihm etwas spazieren gehen. Aber bei diesem Wetter würde ich ihn nicht mal einen Meter vor die Tür kriegen. Und um ehrlich zusein, wollte ich mich am liebsten auch ins Bett legen und dieses Mistwetter verschlafen. Aber ich hatte schon viel zuoft und viel zulange im Bett gelegen, als das ich das konnte. Da lesen und fernsehen ausfiel, fragte ich mich, was ich tun konnte, um mich etwas abzulenken. Wie auf ein Stichwort stieg mir ein etwas unangenehmer Geruch in die Nase und ich musste zu meiner Schande eingestehen, dass ich es war, die so müffelte. Pfui! Habe ich mich wirklich sosehr gehen lassen? Nocheinmal roch ich an mir und schüttelte mich. Japp, habe ich. Okay, es war Zeit für eine lange und intensive Dusche. Als ich das Bad betrat, schlug mir wohlige Wärme entgegen. Papa hatte wohl in weiser Voraussicht die Heizung angedreht. Typisch, Papa. Auch wenn er auf Arbeit musste, dachte er immer zuerst an mich. Ich muste lächeln. Schnell schälte ich mich aus meinen Klamotten, pfefferte sie in den Wäschekorb und stieg in die Duschkabine. Regelte dann das Wasser so, dass es die richtige Temperatur hatte und genoss es, wie das Wasser über mich hinwegfloss. Das Duschen tat gut. Nicht nur, dass es mich von meinem strengen Geruch befreite, sondern auch, weil es einen Teil dessen wegspülte, was bei mir für schlaflose Nächte sorgte. Ja, es half mir wirklich und als ich frisch geduscht aus der Kabine trat, die warme, feuchte Luft einatmete, die nach Apfel roch, fühlte ich mich seit langem wieder richtig wohl in meiner Haut. Leise summend trat ich an den Spiegel, der etwas beschlagen war und wollte diesen abwischen. Doch dann merkte ich, wie die herrliche Wärme, die mich gerade einhüllt hatte, in beissende Kälte umschlug. Kleine Dampfwolken stiegen mir bei ausatmen auf und ich runzelte die Stirn. Wie konnte es soschnell kalt werden. Ich schaute zum Raumthermometer und sah, wie die rote Flüssigkeit in der Mitte langsam absank. Ich blickte auf die Zahlen, die die Temperatur anzeigten. Minus vierzig, minus fünfunddreißig, minus dreißig, minus fünfundzwanzig und so weiter. Es wurde immer kälter und ich schnappte mir schnell den Bademantel, damit ich mir in dem Handtuch nicht noch eine Erkältung hole. Mit zitternen Knien ging ich zur Heizung und fühlte. Die Heizung war ausgefallen! Aber das konnte doch nicht sein. Erst dachte ich an einen Blitzschlag, der für eine Störung sorgte, aber dann verwarf ich diesen Gedanken wieder. Bei der Heizung doch gar nicht. Nur beim Fernsehen oder anderen elektrischen Geräten. Also warum dann heizte sie nicht mehr? Ein leises Quietschen ließ mich wieder zum Spiegel schauen. Er war immer noch beschlagen, aber etwas schien sich an ihm zu verändern und als ich näher trat, glaubte ich einen fetten Kloß in meinem Hals zu haben. Langsam, wie in Zeitlupe wurde etwas auf dem beschlagenen Spiegel geschrieben. Das unheimliche war, dass…das es wohl ein Geist sein musste, da ich die einzige im Badezimmer war. Mit wildklopfendem Herzen sah ich, wie dieses Ding, was auch immer es war, etwas großzügig auf den Spiegel schrieb. Mein Herzschlag wurde schneller, als er es jetzt schon war und langsam, nur sehr langsam erkannte ich, dass es sich um einen Namen handelte. Doch es war nicht mein Name, sondern ein anderer. Meine Knie begannen zuzittern, als ich den Namen las. E.R.I.C Erik! Wer zum Teufel war denn Erik? Was soll das ganze? Ein eisiger Lufthauch streifte mich, als wäre das die Antwort und ich schauderte. In meinem Hals bildete sich ein fetter Kloss und wischte den Namen weg. Ich für meinenTeil hatte genug von diesem übersinnlichen und vorallem unheimlichen Mist. Ich bückte mich über das Waschebecken, drehte kaltes Wasser auf. Um meine erneut angespannten Nerven zu beruhigen. Ich wusste, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Aber ich wollte es nicht glauben. Redete mir ein, dass das eine Täuschung, oder noch besser, ein böser Traum war, aus dem ich jederzeit erwachen konnte. Also wieso tat ich es nicht. Ich klatschte paarmal das kalte Wasser in mein Gesicht, atmete tief durch. „Ganz ruhig, Allison. Das…das träumst du nur…Wach auf!“, sagte ich. Und spürte sofort irgendwie, dass das Unsinn war. Als gäbe es da in meinem Kopf einen Teil, der es besser wusste. Das ich das gar nicht träume! Aber sowas passierte doch nur in Horrorfilmen! Sofort fing ich an zu zittern und umklammerte mit meinen Händen den Rand des Wschbeckens. Ich schloss die Augen. Atmete tief ein und aus. Zwickte mir in den Arm. Das half ja angeblich. Nichts! Weder wachte ich auf, noch verschwand die Kälte. Ich versuchte es nochmal. Wieder nichts! Das Zittern wurde stärker und mir schwanden die Sinne. Da merkte ich einen eisigen Lufthauch, der mich im Nacken streifte und mich erschauern ließ. Hörte das denn nie auf? Langsam, gegen meinen eigenen Willen, als würde mich etwas fest im Griff haben, drehte ich den Kopf herum und mein Blut in den Adern gefror. Hinter mir, keine zwei Zentimeter schwebte er. Der Schatten! Er überragte mich mit zwei Kopflängen. Seine Gestalt war prechschwarz und die Ränder an seinem Körper zerfaserten, wie Rauch, wenn er sich bewegte. Zogen dünne Rauchfäden hinter sich her, die zischten und rauschten. In der Schwärze meinte ich sein Gesicht zusehen. Wenn das überhaupt ein Gesicht sein konnte. Jetzt wo er mir sonahe war, konnte ich jedes Detail seines grausigen Gesichts sehen. Er hatte nicht das Gesicht eines Menschen. Mit Haut und Lippen, sondern das eines Totschädels, dass mich verhöhnend anschaute. Die schwarzen Augen, die wie zwei Kohlen glühten, waren auf mich gerichtet, als würde es mich kennen. Mein Hals schnürte sich zu und ich merkte, wie meine Knie butterweich wurden. Eisige Kälte schlug mir entgegen und lähmte mich. Dann beugte sich der Schatten zu mir hinunter. Ich wich zurück, sofern das möglich war, mit dem Waschbecken im Rücken. Das Gesicht des Totenkopfes war nun wenige Millimeter von meinem entfernt. Immer mehr schlug mir beissende Kälte ins Gesicht und ein feiner, seltsamer Geruch, den ich nicht unterordnen konnte. Aber was auch immer das war: Es roch nicht gerade angenehm! Noch einige Minuten blieb der Schatten so dicht vor mir, dann hob er die Hand, die, wie sein Gesicht, eines Skeletts gehörte und als seine knochigen Finger mich berührten, gaben meine Beine unter mir nach und ich wurde erneut bewusstlos. Christopher Adea kam spät nachhause und war froh seinen Dienst hinter sich zuhaben. Bei diesem Unwetter, was draußen getobt hatte, war einAutofahrer in einen anderen gefahren. Zum Glück wurde niemand verletzt. Nur die Autos hatten einen Totalschaden erlitten. Es hatte lange gedauert, die beschädigten Autos mit dem Abschleppdienst wegzuschaffen, die Strasse zu räumen und die Peronalitäten der beiden Fahrer zu notieren, da jeder der beiden meinte, den anderen zu beschuldigen. Es war ein Hinundher gewesen, ehe sie sich geeinigt hatten, nur mit Hilfe von Chris Drohnung, das er sie beide anzeigen würde, wegen Behinderung im Strassenverkehr und er endlich nachhause konnte. Auf was er sich am meisten freute war ein heisses Bad. Natürlich fragte er sich, ob mit Allison alles in Ordnung war. Zwar war das zuviel des Guten an Vaterliebe, aber er machte sich eben Sorgen um sie. Das arme Mädchen, dachte er. Sie hatte wirklich viel durchmachen müssen. Erst Erins Tod, den sie mitansehen musste, die Zeit der Trauer, die sie einfach nicht loslassen wollte. Dann der Unfall, bei dem sie und ihre Freundin beinahe selbst getötet worden wären und nun dieser Angriff von diesem Kerl. Welcher Vater wäre da nicht besorgt gewesen. Aber da war ach etwas anderes gewesen. Diese Visionen, die sie plagten… Oft hatte er sich gefragt, ob es richtig war Italien zuverlassen und hierher in seine Vaterstadt zu ziehen. Seit sie hier waren, war alles nur noch schlimmer geworden. Und sie hatte am Anfang hier keine Freunde gehabt und auch keine haben wollen. Sondern allein sein wollen. Es war beängstigend gewesen in der ersten Zeit. Chris hatte oft versucht seine Tochter aus ihrem Schneckenhaus zubekommen. Hatte sie auf Partys von Freunden mitgenommen. Doch das Mädchen saß einfach nur da. Teilnahmslos vor sich hinblickend. Und nur gesprochen, wenn man sie fragte. Das Mädchen, was einst so voller Freude und Energie war, war verschwunden. Was zurückgeblieben war, war ein Kind, das den Tod seiner Mutter nicht überwinden konnte. Chris hatte das eine zeitlang mit angesehen, in der Hoffnung, dass sich das ändern würde. Aber dem war nicht so. Sondern immer schlimmer geworden. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er sie zu einem Gespräch gebeten hatte. Da war sie dreizehn. Ein Teenager, der eigentlich außer Rand und Band sein sollte. „Allison, ich weiss, das Mamas Tod dich sehr mitgenommen hat, aber…du kannst nicht ewig so weiterleben. Du musst endlich mal aus dir rauskommen und Leute treffen. Sonst wird dich das noch auffressen!“ „Aber ich vermisse Mama!“ „Ich vermisse sie auch. Sehr sogar. Aber das heisst nicht, dass du dich so zurückziehen sollst!“ „Aber wenn ich nicht will!“, hatte sie gesagt und Tränen waren in ihren Augen zusehen. „Allison!“, sagte er nur, legte dabei seine Hand auf ihre und drückte sie. „Glaubst du wirklich, deine Mutter wollte das? Du solltest das vergessen und…“ „Vergessen? Wie soll ich Mama vergessen? Das kann und will ich nicht! Wenn du Mama wirklich geliebt hast, dann würdest du nicht so reden!“, platzte es plötzlich aus ihr herraus und sie entriss ihm ihre Hand. Schaute ihn mit tränenden, wütenden Augen an. Chris schaute sie sprachlos an, setzte dann aber zu einer neuen Antwort an und seine Stimme wurde bitter. „Ich habe Mama geliebt. Und ich werde sie nicht vergessen. Nicht so, wie du denkst. Ich werde sie so in Erinnerung halten, wie sie früher war und das solltest du auch!“ „Wenn es aber nicht geht? Wenn ich das nicht kann?“, schrie sie nun wütend und war in ihr Zimmer geflohen. Das war nun fünf Jahre her und mit einem Schlag hatte Allison sich um hundertachtzig Grad gedreht. Vielleicht hatte sie seinen Rat doch zu Herzen genommen und vergessen, wie Erins damals gestorben war und sie nun so in Erinnerung behalten, wie sie mal war. Eine aufgeweckte Frau und eine liebevolle Mutter. Chris hoffte es zumindest. Mit einem Seufzen hängte Chris seinen Mantel an die Gardrobe und schaute dabei automatisch auf das Bild, das ihn, seine Tochter, als kleines Mädchen und Erin zeigte. Erin mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und Allison im Arm. Chris musste bei diesem Anblick lächeln und berührte sanft mit seinen Fingerspitzen das Bild. Das waren noch glückliche Zeiten, die sie miteinander erlebt hatten. Bis zu jenem Tag an dem… Chriss Gesicht verdüsterte sich. Eine Mischung aus Trauer und Zorn zeigte sich in seinen Augen, als er sich daran erinnerte und verdrängte diese sofort. Nein, daran wollte er niemals mehr denken. Sondern nur noch an das hierundjetzt. An seine Tochter. „Allison!“, rief er und ging ins Wohnzimmer. Rafael der bis ebenoch auf der Couch gelegen und geschlafen hatte, war nun wach und trottete zu ihm. Bergüßte ihn mit wedelndem Schwanz und suchte in Chris Hosentaschen nach etwas zu naschen für ihn. Chris lachte auf, klopfte dem schwarzen Wolf auf die Schultern. „Sorry, alter Knabe, aber leider habe dir nichts mitgebracht!“, sagte er und Rafael ging, frustiert schnaubend weg. Legte sich auf seinen alten Platz und döste wieder. Chris schüttelte den Kopf. Beleidigte Leberwurst, dachte er schmunzelnd. „Allison. Ich bin wieder da?“, rief er erneut, doch wie beim ersten Mal bekam er keine Antwort. Irgendwie machte er sich solangsam aber Sorgen. Eigentlich antwortete sie sofort. „Vermutlich liegt sie schon im Bett!“, dachte er und schaute in ihr Zimmer. Das Bett war zwar ungemacht, doch keine Allison drin. Chriss Sorge wurde größer. Da sah er, dass Licht im Bad brannte. und ging zum Bad, um dann im nächsten Moment wie angwurzelt stehen zu bleiben. Die Augen entsetzt weit aufgerissen. Auf dem gekachelten Boden lag seine Tochter, nur in einem Handtuch gewickelt und ohne jegliches Bewusstsein. „Allison!“, keuchte er, ging zu seiner Tochter, kniete sich neben sie und hob sie auf seine Arme. Sie war leichenblass und wog leicht wie eine Feder in sein Armen. Für einen kurzen Moment fürchtete er das Schlimmste. „Allison. Wach auf, was ist mir dir. Allison!“, rief er. Schlug ihr sanft auf die Wangen. Sekunden dehnten sich zu Minuten und er wollte schon den Notarzt rufen. Doch dann sah er, wie ihre Augenlider zu zittern begannen und sie sie aufschlug, als sei sie aus einem Traum erwacht. Gehetzt wie ein Tier blickte ich sie sich um und krallte ihre Finger in das Hemd ihres Vaters. Ihr Atem raste, überschlug sich und wurde noch unregelmässiger. Besorgt beugte sich der Vater über seine Tochter, zog sie nahe an sich und umarmte sie. Sie war eiskalt. Wieviele Stunden sie schon dagelegen haben musste? Chris schluckte und strich seiner zitternen Tochter über den Kopf. Wiedamals als sie noch ein kleines Kind war und aus Alpträumen erwacht war. „Schsch. Es ist alles gut. Ich bin ja hier!“ Allison zitterte noch immer. Schluchzte. „Allison. Ist doch alles gut!“, wollte er sie weiter beruhigen. Doch Allison schüttelte den Kopf. „Nein…nein…Nichts ist gut. Er war hier. Er war wirklich hier…er…er hat mich angefasst!“, stammelte sie und Chris drückte seine Tochter sachte von sich. „Wer war hier und hat dich berührt?“, fragte er. Fürchtete, dass sich ein Eindringling hier zutritt verschafft hatte und seine Tochter… Chris wollte nicht weiter darüber nachdenken, sondern beschloss diesen Scheisskerl, der das seiner Tochter angetan hatte nicht nur ins Gefängniss zu bringen, sondern ihm auch Arme und Beine eigenhändig zu brechen. „Der…der Schatten. Er war hier…Wie bei dem letzten Mal. Der, der mich auch vor diesem Ding gerettet hatte!“, sprudelte es aus ihr herraus. Chriss Braen hoben sich. „Was für ein Schatten?“ „Das sagte ich doch: Der, der mich gerettet hat!“ Langs Schweigen folgte, in dem Chris die außersich geratene Allison nur festhielt und sie mit einer Mischung aus Verwirrung und ungutem Gefühl anschaute. „War an dem Schatten irgendwas seltsam. Hatte er etwas an sich, dass nicht normal war!“ Allison nickte wie wahnsinng. „Ja,…er…er hatte ein Gesicht. Es…es war das Gesicht eines Toten. Eines Totenkopfes!“, stiess sie hervor und weinte. „Papa, bitte. Glaub mir. Ich…ich bin nicht verrückt!“ Chris schloss Allison wieder in die Arme. „Ich glaube dir. Und auch das du nicht verrückt bist!“, murmelte er. Strich ihr über den Rücken. Ein Gesicht wie das eines Toten! Sein Herz zog sich zusammen. Trotz das er froh, dass ihr nichts Schlimmes passiert war, machte ihm das doch große Sorgen. Das konnte doch nicht normal sein. Was passierte nur mit seiner Tochter? Noch am selben Abend, als er Allison ins Bett gelegt hatte und sicher war, dass sie schlief, ging er ins Wohnzimmer, gönnte sich erstmal ein Glas Whiskey. Der Schock des Anblicks seiner bewusstlosen Tochter hatte ihn tiefer getroffen als erwartet und als sich ein dunkler Verdacht in ihm bemerkbar machte, denn er eigentlich für blanken Unsinn abtun wollte, es aber nicht konnte, beschloss er sich erstmals selber zu beruhigen, ehe er die Nummer wählte. Noch einige Minuten blieb er reglos auf dem Sofa sitzen, dann griff er zum Telefon und wählte. Es klingelte einige Male, ehe auf dem anderen Ende der Leitung abgenommen wurde und sich alte vertraute Stimme meldete. „Ich bin es. Adea. Ich fürchte, es ist eingetroffen, was Sie prophezeit haben!“ Kapitel 3: Die Botschaft ------------------------ Wann ich wieder zu mir kam, wusste ich nicht mehr. Ich erinnerte mich nur noch, nachdem ich dem Schatten gegenüber stand, wie ich in Papas Armen zu mir gekommen bin und ich wie Espenlaub zitterte. Wie von Sinnen habe ich mich umgeschaut und wild vor mich hin gestammelt. Die Berührung des Schattens an meiner Wange, brannte nun wie Feuer und ich legte die Finger darauf. Ich fühlte ein leises Kribbeln an meinen Fingerspitzen. Wie bei einem Stromschlag. Ich schluckte und merkte, wie sich mein Magen plötzlich umdrehte. Aus einem mir nicht erfindlichen Grund wurde mir speiübel und ich konnte nicht anders, als aus meinem Bett, aus dem Zimmer und ins Badezimmer zustürzen. Hastig schlug ich den Klodeckel und die Klobrille hoch, um mich dann lautstark zu übergeben. Dabei hatte ich gestern kaum gegessen, sodass ich nur bittere Galle auswürgte, die es nicht besser machte. Ich musste gut fünf Minuten vor dem Klo gekniet haben und alles, was sich in mir befand, was nicht gerade viel war, ausgekotzt haben. Kraftlos blieb ich auf dem Boden hocken. Zitterte und mein Kopf drehte sich. Das ales war einfachzuviel, dachte ich. Erst meine Visionen, mit denen ich schon genug Probleme hatte und nun sowas. Wieder einmal fragte ich mich, was mit mir nicht stimmte. Was hatte ich getan, um so was durchmachen zumüssen. Andere Frauen in meinem Alter hatten zwar andere Probleme, aber nicht solche wie ich. Solangsam fühlte ich mich wirklich mehr und mehr wie ein gottverdammter Freak. Vielleicht sollte ich zu einem Arzt gehen. Oder noch besser zu einem Seelenklempner. Bestimmt konnte er den Grund für meinen miesen Zustand finden. Wobei… Ich brauchte keinen Psychiater, um zu wissen, dass es sicherlich mit dem meiner Mutter zutun hatte. Seit diesem tragischen Tag hatte alles angefangen. Das wusste ich schon vorher. Aber warum dann dieser unheimliche Schatten. War er ein Produkt meiner Angst? Wenn ja, musste diese mächtig gross sein! Aber woher kam diese Angst? Etwa vor diesen Visionen? Möglich wäre es. Aber das sie so gross ist, um solch ein Ding heraufzubeschwören? Ich schauderte und fror noch mehr. Kein Wunder. Der Boden ist wirklich nicht gerade warm und bevor ich mir noch eine Erkältung hole, gehe ich wieder ins Bett. Ich blieb noch einige Tage daheim, bis Papa sicher war, dass es mir wieder gut ging. Er war sogar bereit, einverstanden zusein, dass ich wieder das Haus verließ. Er musst wohl gesehen haben, dass ich es nicht länger daheim aushielt. „Nagut. Aber pass auf. Wenn etwas sein sollte, rufst du mich an, okay!“, bat er mich dennoch und ich versichterte ihm, dass ich ihm beim kleinsten Anzeichen gleich anrufe. Ich schlenderte durch die Einkaufsmeile Paris, wobei ich kein Interesse für die neue Mode hatte. Das Zeug war zum einen Schweineteuer und zum anderen, wann soll man sowas tragen. Da blieb ich dich lieber bei meinen Jeans, Tops und Pullover. Ich setzte mich irgendwann auf eine Bank und legte den Kopf in den Nacken. Zum ersten Mal genoss ich diese Hitze. Hitze war mir lieber als Kälte. Hitze und Ewärme bedeuten Leben. Und ich wollte mich lebendig fühlen. So schloss ich also die Augen, während die Sonne auf mich hinabschien und genoss es. Es war wirklich wunderbar, nach der ganzen Zeit in der dunklen, kalten Wohnung. Wie in einem Grab. Endlich wieder Wärme. Endlich wieder Leben. Ich lächelte. Da streifte mich ein eisiger Luftzug und ich schlug die Augen auf. Schlagartig war die Wäme, die mir auf das Gesicht schien, weg und Kälte war an ihre Stelle getreten. Nein, schoss es mir durch den Kopf. Wenn die Kälte hier war, dann… Dann konnte der Schatten sicherlich nicht weit sein. Voller Angst schaute ich mich um. Das Letzte was ich wollte war, dass ich ihm wieder begegnete. Nicht nachdem ich mich wieder lebendig gefühlt hatte. Noch sehr genau sah ich das grässliche Gesicht. Das Gesicht eines Totenschädels. Ich schauderte und sah mich noch mal um. Erleichtert stellte ich dann fest, dass er nicht hier war. Dafür aber sah ich was anderes. Einen Laden, in dem okkulte Dinge verkauft wurden. Amulette, Tarottkarten und ein Witchboard. Ein Witchboard! Ich hatte von solchen Dingern mal gehört. Damit konnte man mit den Geistern reden. Naja, reden traf es nicht ganz. Sie teilten einen was mit, in dem sie dieses Holzstück über das Brett gleiten ließen und damit auf die einzelnen Buchstaben zeigte. Eine verrückte Idee kam mir. Vielleicht konnte ich mit dem Schatten reden, wenn ich so ein Ding habe? Einen Versuch war es wert. Also ging ich in den Laden, sagte der Verkäuferin, dass ich mir das Witchboard ausgesucht hatte und es kaufen wollte und sie nahm das Geld. Dabei sah sie mich allerdings an, als sei ich ein Geist. Doch ich beachtete nicht diesen Blick sondern, verließ den Laden und machte mich auf den Heimweg. Es war spät am Abend und ich konnte einfach nicht schlafen. Darum dachte ich nach, wobei es nicht viel zuüberlegen gab. Mein ganzes Leben war schon vor dem Unfall, in dem ich sterben sollte, verrückt. Nun aber glich es einem heilosem Chaos. Was konnte denn noch passieren, fragte ich mich und kaum dass ich weiter darüber nachdachte, was mich noch alles erwarten würde, zog sich mein Bauch zusammen. Nein, liebe nicht weiter darüber grübeln, denn sonst würde ich wieder diese Alpträume bekommen. Es war bereits Mitternacht und ich wälzte mich zum zigtenmale herum. Irgednwann gab ich mich geschlagen und setzte mich auf. Ich wusste nicht warum, aber ich schaute mich in meinem Zimmer um, in der Erwartung, dass der Schatten auftauchte und mir wieder einen Schrecken einjagte. Aber nichts passierte. Warum denn nicht? Ich war allein in meinem Zimmer. Und sicherlich würde es ihm doch Spass machen, mich zuerschrecken. Das hatte er ja oft bewiesen. Nichts zusehen. Rein zufällig streifte dabei mein Blick das Witch-Board, das ich mir gekauft hatte. Vielleicht… Ein verrückter Gedanke, der gleiche, der mich dazu gebracht hatte, es zu kaufen, kam mir in den Sinn und ich stand aus meinem Bett auf. Ging zu der Einkaufstüte und hotle es raus. Ein Wunder, dass es Papa nicht gesehen hatte. Normalerweise fragt er mich immer, was ich mir geholt habe. Väterliche Neugier vermute ich und legte es auf den Boden. Ich schaltete das Licht ein und…konnte man das glauben, dass es sowas gibt, las die Anweisung. Man konnte eine Kerze anzünden, damit der Geist ein Zeichen seiner Anwesenheit geben konnte. Aber das war mir zu Klischeehaft. Also ließ ich das Licht an und hoffte, dass Erik trotzdem kommen würde. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Boden, vor das Brett und las mir noch einmal die Anleitung durch. Klingt eigentlich gang einfach. Sich auf den Geist konzentieren und ihn dann rufen. Ihn um ein Zeichen bitten und die Hände dann durch seinen Willen über das Witch-Board gleiten lassen. Immer wieder ließ ich meine Hände mit dem Holzplättchen gleiten, murmelte die Beschwörung und sagte immer wieder Erik. Doch nichts passierte. Hm, offentlich kommt dieser Erik wirklich nur, wenn er wollte. Typisch! Aber soleicht würde ich nicht aufgeben. Ich wollte Antworten und die konnte mir nur er geben. Auch wenn es bedeutete, dass ich nun völlig den Verstand verlor. „Aus dem Dieseits rufe ich dich, Erik. Gib mir die Antworten, die ich wissen will. Geb mir ein Zeichen, dass du hier bist!“, murmelte ich immer wieder. Und kam mir von Minute zu Minute bekloppter vor. Also wenn dieser Erik was von mir will, dann sollte er langsam seinen Geisterarsch hierherbewegen. „Geb mir ein Zeichen!“ Plötzlich begann das Licht zu flackern. Es kam mir vor, wie ein Mäusecode, doch dann hörte es wieder auf. Mit einem Male war ich nicht mehr so entschlossen. Okay, das wurde langsam wirklich unheimlich. Aber um die Antworten zubekommen, die ich wollte, musste ich weitermachen. Es half nichts. Ich holte also einpaarma Ttief Luft, ermahnte mich cool zubleiben und konzentierte mich. „Warum bist du hier?“, fragte ich dann und plötzlich schienen meine Hände ein Eigenleben zu führen. Sie ruckten von einer Seite auf die andere und die Spitze zeigte dann auf die Buchstaben. Bildete damit ein Wort. B.E.S.C.H.Ü.T.Z.E.N Beschützen? Ich runzelte die Stirn. Wen denn und vorwas? „Wenn musst du beschützen?“ Wieder flog das Plättchen über das Brett und zeigte auf die nächsten Buchstaben. D.I.C.H. Mich? Das wurde ja immer verrückter. Das Plättchen schien sich immer schneller zu bewegen und ich keuchte, wie schnell und hecktich es hinundher flog. Was ging hier nur vor sich? „Vorwas?“ H.Ö.L.LE Hölle? „Warum musst du mich beschützen?“ M.U.T.T.E.R Ich wich zurück, ließ das Plättchen los. Das war zuviel. Was hatte jetzt meine Mutter damit zutun. Sie war doch tot. Wie konnte sie…? Nein, das konnte nicht wahrsein. Ich schluckte. Im Versuch den ekelhaften schleimigen Kloss in meinem Hals runterzuwürgen. Der Schock saß mir tief in den Knochen. Ließ mich zittern. Dennoch, auch wenn ich jetzt Entsetzt war, weil ich etwas erfahren hatte, was ich niemals erfahren wollte, wollte ich weiterfragen. Das ergab alles keinen Sinn und ich hasste es, nur die halbe Wahrheit zu kennen. „Warum meine Mutter? Was hat sie damit zutun?“ „Weil sie mich bat dich zu beschützen!“, sagte plötzlich eine dunkle Stimme und ich zuckte zusammen. Die Stimme kam weder aus meinem Kopf, noch sonst woher, wie sonst. Sondern hinter mir, wo mein Bett war. Langsam drehte ich mich herum und stiess einen erstickten Schrei aus. Auf meinem Bett saß mit einem leisen Lächeln ein Mann. Dunkelharrig und ganz in schwarz gekleidet. Doch das er, ohne dass ich es bemerkte, in mein Zimmer gekommen war, erschreckte mich nicht. Sondern seine Augen. Sie waren schwarz und glänzten, wie polierte schwarze Steine. Sein Lächeln wurde breiter, als er sah, wie ich entsetzt zu ihm hinüber blickte und neigte den Kopf. „Hallo, Allison. Endlich treffen wir uns richtig!“ Kapitel 4: Die Falle -------------------- Ich wich entsetzt zurück, als dieser Mann, dieses Ding, meinen Namen Ausprach und sich nachvorne beugte, als wollte es mich anspringen. „Wer…wer sind Sie? Und wie kommen Sie in mein Zimmer?“, fragte ich und versuchte aufzustehen. Aber leider waren meine Füsse durch das lange Sitzen dermassen eingeschlafen, dass ich nur umknickte und wieder zu Boden ging. Der fremde Mann kicherte. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. „Ich bin es, den du gerufen hast, schon vergessen!“, sagte er und ich stockte. Momentmal. Ich hatte nach einem Geist gerufen. Nicht nach einem unheimlichen Typen in Schwarz. Und doch saß er vor mir und ich erkannte auch wieder diese Stimme wieder. „E-Erik!“ Erik grinste nun wieder. Aber es war kein feundliches Grinsen, sondern eher ein höhnendes. Langsam, als würde er meine lange Leitung applaudieren, klatschte er in die Hände. „Bravo. Was für ein schlaues Mädchen!“ Unter anderen Umständen hätte ich mit etwas nach ihm geworfen. Ihn wüst beschimpft. Aber wie gesagt: Er war mir einfach unheimlich! „Meine Mutter soll dich gebeten haben, mich zu beschützen. Das ist doch ein schlechter Scherz!“ „Ich fürchte nicht. Deine Mutter hatte mich, bevor sie starb, gebeten, dass ich auf dich aufpasse!“ „Und wozu?“: „Hast du etwas schon dieses Monster vergessen, dass dich Abend angegrifffen hatte. Normalerweise sind Ghouls nicht auf Frischfleisch aus. Aber bei dir scheint er wohl eine Ausnahme gemacht zuhaben. Kein Wunder, die siehst ja auch lecker aus!“, sagte er und wieder grinste er. Diesesmal auf eine anzügliche Weise. Perversling. Aber ich hatte nicht Zeit mich über seine lüsternen Blicke aufzuregen. „Ghoul?“, fragte ich etwas begriffsstuzig. „Ja, ein Dämon, der sich von Leichen ernährt!“ „Aber ich bin doch noch ziemlich lebendig!“ „Ja, aber das wollte er ändern. Ein Biss in deinen Hals, ein paar Stunden später und du wärst eine hervorragende Mahlzeit für ihn gewesen: Wenn ich nicht gewesen wäre!“ Ich überhörte seine letzten Worte. Schluckte den ekelhaften Geschmack meiner Galle und merkte, wie sich mein Magen umdrehte. Igitt! Dieses Ding wollte mich wirklich auffressen und nicht einfach nur umbringen. „Ich schätze mal, du willst, dass ich mich bei dir bedanke?“ „Nein, ich erwarte nicht, dass du dich bedankst. Ich habe gesehen, dass du nicht gerade viel von mir hälst!“, sagte er gelassen. Wenn der wüsste. „Wie kommt es, dass du plötzlich aussiehst, wie ein normaler Mensch. Sofern man das sagen kann?“, fragte ich dann. „Beim letzten Mal, sahst du aus, wie…wie…!“ „Wie der Tod!“, vollendete er und lächelte unheilvoll. Ich nickte nur. Erik lehnte sich zurück und schien nun selber nachzudenken. „Keine Ahnung. Vermutlich liegt es daran, dass mein wirkliches Gesicht dich zusehr entsetzt hat, dass du ohnmächtig wurdest!“, sagte er dann und… Täuschte ich mich, oder wirkte er irgendwie niedergeschlagen. Wenn, dann ging das schnell vorbei, denn Erik sah mich nun dunkel an. „Wie auch immer. Ich bin nicht hier, um mit dir über mein wahres Gesicht zureden. Sondern darum, was als nächstes passiert!“ Ich hob die Brauen. So wie er das sagte, klang es so, als hätte er große Pläne mit mir. Aber soleicht würde das nicht gehen. „Wie meinst du das?“ In meinem Inneren knotete sich aufeinmal alles zusammen. Als würde ich schon längst wissen, was auf mich zukam. Doch ich ignoierte dieses Gefühl und versuchte mich unwissend zu zeigen. Erik aber schien es mir genau anzusehen. Seine Brauen hoben sich etwas und ein harter Zug legte sich ihm um die Lippen. „Du weißt ganz genaus, was ich meine, Allison. Denkst du wirklich, dass war nur Zufall?“, fragte er und er klang wie ein Wolf, der sich gleich auf seine Beute stürzen würde. Ich schluckte. Soll das heissen, dass das keiner war. Das jemand es auf mich abgesehen hatte? Ich schüttelte den Kopf, weil ich das nicht glauben wollte. Ghouls, Monster. Sowas gab es doch gar nicht. Aber dann meldete sich bei mir meine Vernunft. „Sei nicht dumm!“, fauchte sie. „Das war kein Freak, der dich da fressen wollte. Sondern ein Ghoul und wo der herkam, gibt es bestimmt noch viele weitere!“ Schaudernt musste ich mich an etwas, aus meiner Kindheit erinnern. Jedes Kind kennt die Geschichte vom bösen schwarzen Mann, der aus dem Schrank kam, um sich die Kinder zu holen. Auch ich hatte an ihm geglaubt und es meiner Mama gesagt, sobald ich nur ein unheimliches Geräusch, wie das Quietschen der Angeln oder ein vermeintliches Atmen hörte. Und sie hatte mir geglaubt. Alle anderen Eltern von meinen Mitschülern hielten das natürlich für Einbildung und beruhigten ihre Kinder, indem sie sie in ihrem Betten schlafen ließen. Meine Mama tat es auch, aber sie beruhigte mich nicht. Zumindest nicht so, wie es man eigentlich dachte. Sondern war sofort in mein Zimmer gegangen. Was sie gemacht hatte, weiss ich bis heute nicht. Sie hatte immer sorgfältig die Türe geschlossen, damit ich nichts sah. Wenn ich eine Nacht lang bei meinen Eltern geschlafen habe und dann am nächsten Abend zurück in mein Zimmer gegangen war, hatte ich das Gefühl, von Sicherheit und hatte außerdem einen seltsamen Geruch in der Nase. Es roch wie verbrannte Kräuter. Einmal, als meine Mama wiedermal in meinem Zimmer gewesen war, um angeblich etwas aus meinem Schrank zuholen, hatte ich hineingeschaut und ein komisches Kritzelzeichen entdeckt. Es sah aus wie ein Stern, mit komischen Zeichen drin. Ich dachte erst, es sei ein schönes Bild, was sie mir da gemalt hatte und wollte es auch malen. Als ich es ihr aber stolz, weil ich es sogut hinbekommen habe, zeigte, war sie so außer sich, dass sie mich anschrie, niemals dieses oder ein anders Symbol zu zeichnen. Ich verstand da natürlich nicht, warum sie das so aufregte und war traurig, weil ich sie wohl enttäuscht hatte. Dann nach ein paar Stunden kam sie zu mir und weinte bitterlich. Nahm mich in den Arm und flehte mich an, ihr zuverzeihen. Ich war dabei so baff, dass ich sie erstmal nur ansah. Dann aber auch sie umarmte, und sagte, dass es nicht schlimm sei. Dass ich es niemals tun werde. Seitdem sah ich auch nicht mehr in den Schrank nach, weil ich niewieder eines dieser Zeichen sehen wollte. Schwer schluckte ich, an der Erinnerung meiner Mama und versuchte nicht mehr daran zudenken. Versucht mich auf Erik zu konzentieren. „Du meinst, es gibt da draußen noch andere, die mir an den Kragen wollen?“, kam es erstickt von mir und Erik nickte. „Ja, und ich fürchte, die werden nicht so einfach kleinzukriegen sein!“, sagte er und in seiner Stimme war weder Schadenfreuede noch Hohn zu hören. Sondern wirklich bitterer Ernst. Ich schluckte wieder, weil sich ein fetter Kloß in meinen Hals bildete und immer dicker wurde und mich zu ersticken drohte. „Und…wie kann ich mich gegen sie wehren?“, fragte ich und meine Stimme war nichts weiter als ein Krächzen. „In dem du lernst, dich gegen sie zu schützen und auch wie du gegen sie kämpfen kannst. Dafür musst du nach London gehen!“, sagte er nur knapp und ich runzelte die Stirn. Nach London? Warum denn das? Kann ich nicht hier lernen? Erik schien meine Frage, die ich eigentlich gedacht hatte, dennoch gehört zu haben, denn er lächelte etwas und schüttelte den Kopf. „Nein, hier lernst du nichts!“ „Und wieso dann London?“, hakte ich nach, weil ich einfach nicht verstand, warum ich ausgerechnet dahin musste. Erik holte tief Luft und ich sah deutlich, dass er die Geduld mit mir verlor. Seine Stirn bekam tiefe Falten und seine Augen machten einen nicht gerade ruhigen Eindruck. „Weil es da jemanden gibt, der sich besser mit der Hölle und ihrem Abfall, der sich Dämonen nennt, auskennt, als irgendjemand anders hier!“, erklärte er. Fügte aber schnell hinzu, als habe er etwas Wichtiges vergessen: „Mit Ausnahme von mir natürlich!“ Ich schürzte die Lippen. Wollte schon fast sagen, dass Eigenlob stinkte. Aber ich hielt mich zurück. Seine Worte ließen mich wiedermal innerlich erschauern und ich fragte mich, wer dieser jemand sein mochte, der mich unterrichten konnte. „Und wer soll das sein?“ „Sein Name ist Brian und er war mit deiner Mutter…nunja…sagen wir…befreundet!“ Die Unterhaltung mit Erik ließ mich nicht mehr los. Wir sprachen noch eine ganze Weile, bis der Horizont sich rosa färbte und ich auf die Uhr sah. Sieben Uhr morgens. Ich hatte wirklich geschlagene sieben Stunden mit diesem Geist gesprochen, der wahrhaftig und wirklich auf meinem Bett saß und wie ein Mensch aussah. Ich hatte mich förnlich aus dem Bett zwingen müssen, obowhl alles in mir danach schrie, mich wieder hineinzulegen und zuschlafen. Doch wenn ich heute nicht auf der Arbeit antanzte, hätte ich mich von meinem Job verabschieden können. Und ich wollte mich auch nicht weiter damit beschäditgen. Mich sondern vielmehr ablenken. Aber soleicht war das nicht. Immer wieder musste ich an Erik und an seine Warnung denken. „Das war kein Freak, der dich da fressen wollte. Sondern ein Ghoul und wo der herkam, gibt es bestimmt noch viele weitere!“ „Ja, und ich fürchte, die werden nicht so einfach kleinzukriegen sein!“ Ich schauderte als ich immer wieder diese Worte in meinen Ohren hallen hörte. Sie sorgten bei mir eine Gänsehaut nach der anderen. So war es kein Wunder, dass ich, als ich wieder anfing zuarbeiten, völlig neben der Spur war. Mehr als einmal musste ich den Gast bitten, seine Bestellung zuwiederholen, da ich es einfach nicht schaffte, es beim ersten Mal auf meinen kleinen Block zu schreiben und manche Gäste, die ich darum bat, wirkten schon mehr als gereizt. Ein Glück, besonders zu meinem, dass sie nicht aufgestanden und gegangen waren, Oder sich bei meinem Boss beschwert hatten. Denn der war sowieso schon nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich in seinen Augen nur Blaugemacht habe, um nicht zuarbeiten. Unter anderen Umständen hätte ich Jaque gehörig die Meinung gesagt. Dass musste ich mir wirklich nicht bieten lassen. Aber die Begegnung mit Erik und die Unterhaltung mit ihm, nahmen mich zusehr mit. Besonders wegen diesem angeblichen Freund meiner Mutter. Brian. Ich kannte keinen Brian. Wer bitteschön sollte das sein. Mama hatte nie etwas von ihm erzählt. Und doch… Ich meine, mich an jemanden zu erinnern, der so hiess. Aber die Erinnerung war zuverschwommen, als dass ich sie sehen konnte. „Brian…Brian!“, nuschelte ich immer wieder vor mich hin. Auch jetzt, wo ich die Espressomaschine bediente, um einen Gast das gescünschte Getränk zuholen. Und jedesmal wenn ich diesen Namen vor mich hermurmelte, sah ich verschwommen ein Gesicht. Es schien einem Mann zugehören. Schwarzes, gewelltes Haar und dunkle Augen. Doch mehr konnte ich nicht erkennen. Zu undeutlich war die Erinnerung. Und da war auch noch etwas anders. Dieser Schmerz, der mich überfiel, wenn ich an meine tote Mutter dachte. Konnte es sein, dass beides, dieser Brian und ihr Tod nahe beieinanderlagen? Wenn ja, blieb mir wohl nichts anderes übrig, als wirklich nach London zugehen. „Hey, Alli!“, sagte eine fröhliche Stimme und ich fuhr erschrocken zusammen. Doch dann entspannte ich mich wieder. Es gab nur eine, die mich manchmal so nannte. Marie! Ich drehte mich um und sah sie vor mir. Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. „Hey, Marie!“, grüßte ich. „Hast wohl wieder richtig gute Laune!“ „Naklar. Meine Lieblingskollegin ist wieder da. Da kann ich mich doch nur freuen!“, plapperte sie. Würg! Ich hatte wirklich nichts gegen ihr sonniges Gemüt. Ich kam ja gut mir ihr klar. Aber hinundwieder nervte das nur. Ich fragte mich, ob sie jemals auch mal traurig, wütend oder einfach nur miesgelaunt war. Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass sie immer so war. Und das ich ihre Lieblingskollegin sein soll, nahm ich ihr nicht ab. Vielleicht sagte sie das ja auch nur, um mir zuzeigen, dass ich hier erwünscht bin. Und das rührte mich irgendwie. Selten hatte jemand das versucht. „Freut mich, dass ich deine Lieblingskollegin bin!“, erwiederte ich und konnte nicht gegen Lächeln ankämpfen. „Und, wie geht’s dir so. Hast du dich gut erholt?“, fragte sie dann, diesesmal aber ernst und besorgt. Okay, ich sollte wohl meine vorherige Meinung doch überdenken. Sie konnte auch negative Gefühle zeigen. „Ja, ich…ich bin zwar immernoch etwas geschockt, aber es geht wieder. Ich denke, ich werde den Tag gut überstehen!“ Marie nickte, als wollte sie mir zustimmen. Dann lächelte sie wieder und boxte mir leicht gegen den Oberarm. „Wenn du jemanden brauchst, um darüber zureden…Ich habe immer ein offenes Ohr!“, sagte sie dann ich schaute sie mit etwas überraschten Augen an. Das überraschte mich etwas aber es war wirklich lieb von ihr gemeint. Aber irgendwie glaubte ich nicht, dass sie wirklich verstehen würde, was los war. Ich glaubte es zum Teil selber nicht. Dennoch wollte ich ihr gutgemeintes Angebot nicht abschlagen. „Danke, darauf komme ich gerne zurück!“ Maries Lächlen wurde breiter. „Nadann. Lass uns loslegen, ehe Jaque noch Schaum vorm Mund hat!“, waren ihre letzten Worte und ich ließ mich von ihrer guten Laune anstecken. Warum auch nicht. Besser als an das zudenken, was ich gestern erlebt hatte. Ich hatte genug davon mich zu fürchten und mir das Hirn zu zertrümmern, warum mir das passierte. Positiv denken, heisst es ja so schön. Vielleicht würde sich doch alles zum Guten wenden. So bediente ich die Gäste, kassierte, räumte ab, hielt zwischenzeitlich ein kurzes Schwätzchen und ehe ich es mich versah, war der Tag geflaufen und ich hatte Feierabend. Gemeinsam mit Marie, der ich es zuverdanken hatte, dass es mir etwas besser ging, ging ich nachhause. „Schön, dass du wieder lachst!“, bemerkte sie und ich hob die Schultern, wobei ich es komisch fand, dass sie so etwas sagte. Immerhin waren wir nur Kollegen und keine Freunde. Aber vermutlich reichte das auch aus, um sich Sorgen um mich zu machen. „Ich hatte schon gedacht, ich es hätte es verlernt!“, sagte ich und das war die reine Wahrheit. Marie lächelte aufmunternt und klopfte mir liebevoll auf die Schulter. „Wie du siehst, hast du es nicht!“ Ich nickte. Dankbar darüber, dass sie mir geholfen hatte. Auch wenn ich immernoch nicht richtig verstand warum. Aber vielleicht war ich auch einfach zu blöd um es zubegreifen. Dann aber wurde ihr Gesicht ernst. Ein ungwohnter Anblick. „Und vergiss nicht. Wenn dir was auf dem Herzen liegt, was du nicht mit deinem Vater bereden kannst, dann ruf mich an. Hier, ich geb dir meine Nummer!“, sagte sie und schrieb mir ihre Nummer auf einen Zettel, den sie mir reichte. Etwas zögernd nahm ich an. „Danke!“, murmelte ich und schaute auf den Zettel. Unter ihrer Telefonnummer stand noch ein Satz und ich musste etwas lächeln, als ich ihn las. „Die Nummer gegen Kummer!“ Niedlich. So kannte ich Marie. „Danke, Marie. Ich werde daran denken, versprochen!“ Erst als ich das sagte, lächelte sie wieder. „Nadann. Bis morgen!“, sagte sie dann knapp, schlug mir auf den Rücken und rannte in die Seitenstrasse, in der ihre Familie wohnte. Ich sah ihr nach und musste lächeln. Irgendwie war ich eifersüchtig auf sie. Sie hatte eine Familie. Eine Mutter und einen Vater. Ein normales Leben. Das was ich nicht mehr hatte. Zumindest das, was die Mutter und das Leben, was man normal nannte, anging. Ich musste mich dabei wieder an die Unterhaltung mit Erik denken. Welche Frau in meinem Alter unterhielt sich schon mit Etwas, das menschliche Gestalt annehmen konnte und ansonsten als Schatten herumspukte? Wohl keine zweite. Ich war die einzige. Und das machte mir Bauchschmerzen. Mit wem sollte ich darüber reden? Mal abgesehen von meinem Vater, hatte ich niemanden. Er half mir zwar und beruhigte mich immer, aber irgendwie reichte das nicht. Ich wusste, selber nicht warum. Ich stiess einen teifen Seufzer aus. Frust, Niedergeschlagenheit und auch Müdigkeit erfassten mich und ich musste mich wirklich dazuzwingen, weiterzugehen. Ich wollte nur nochschlafen. Die Vorstellung vom weichen Bett und dem erholsamen Schlaf, war wirklich verlockend. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Aber den würde ich schon hinter mich bringen. Einfach ans Bett denken und an die Ruhe. Dann wäre ich schnell daheim. Es sei denn Erik wartete auf mich! Brrr. Schon allein der Gedanke daran ließ mich schaudern und ich hoffte inständig, dass er heute Nacht nicht auf meinem Bett hocken und mich angrinsen würde. Denn sonst würde ich mich freiwillig bei den netten Herren, mit den weissen Kitteln melden. Aber vielleicht hätte ich ja heute meine Ruhe, da er gestern nur kam, weil ich ihn gerufen hatte und das würde ich nicht nocheinmal tun. Es dauerte, trotz gutem Vorsatz, ans warme Bett zudenken, dennoch eine halbe Stunde und noch länger, die Stufen hochzusteigen. Vorher hatte es mich nicht gestört im zweiten Stock zuwohnen, da wir eine wunderbare Aussucht auf die Stadt hatten, aber heute abend verfluchte ich jede Stufe, die ich hochsteigen musste und hatte kaum noch Kraft, den Schlüssel ins Schloss zustecken. Das brauchte ich auch nicht. Denn Papa öffnete in diesem Moment die Türe und empfing mich. Umarmte mich, so wie immer und schob mich in die Wohnung. Aber dann wurde er bitterernst. „Ich muss mit dir etwas bereden!“, rückte er dann mit der Sprache raus und ich stöhnte auf. Nein, nicht heute Abend!! „Papa, ich bin müde. Ich will ins Bett!“, quengelte ich und wollte schon in mein Zimmer gehen. Die Türe ihm vor der Nase zuknallen und mich ins Bett fallen lassen. Egal was er mir sagen oder mit mir bereden wollte: Es konnte bis morgen warten. Doch Papa ließ nicht mit sich reden. Denn er bugsierte mich direkt ins Wohnzimmer, wo schon Rafael auf mich wartete und zu mir getrottet kam, um mich zu begrüßen. Ich tätschelte seinen pelzigen Kopf. Er war allerdings nicht der einzige, der auf mich wartete. Auf unserer Couch saß ein fremder Mann, mit dunklem Hautton und einem alten zerfurschten Gesicht. Hatte einen ordentlich gestutzten weissen Bart und obwohl er so alt war, schienen seine Augen jung zusein. Und das komischte war, dass er mir bekannt vorkam. Mein müdes Hirn war aber nicht in der Lage ihn irgendwie unterzuordnen. Es war mir in diesem Moment auch schnurz. Ich wollte ins Bett!! Dennoch rang ich mir ein höfliches Nicken ab. Höflichkeit muss sein. Das gehört sich für eine Dame, hatte Mama immer gesagt, auch wenn sie selber fluchte, wie sonst was, wenn ihr etwas nicht passte. Der Mann erwiederte das Nicken, stand dann auf und kam auf mich zu. Höflich streckte er mir die Hand entgegen. „Hallo, Allison. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Du bist ganz schön großgeworden!“, sagte er und lächelte. Weisse Zähne blitzen zwischen den Lippen auf und ich spürte, dass seine Worte ehrlich gemeint waren. „Danke!“, nuschelte ich und konnte mir immernoch keinen Reim daraus machen, woher er mir so bekannt vorkam. Er schien mich allerdings zu kennen. Wenn ich einigermassen wach gewesen wäre, hätte ich gefragt, woher er mich kennt. Aber ich war müde und der Ruf des Bettes wurde immer größer. „Bitte verzeihen Sie, ich will nicht unhöflich sein. Aber ich bin müde und möchte ins Bett!“, sagte ich und strich mir über das Gesicht. Mittlerweile konnte ich mich überhaupt nicht mehr auf den Beinen halten. „Schon gut. Ich wollte auch nur sehen, wie es dir geht, Allison!“, sagte der Mann sanft und ich schaute auf. Ach, nur deswegen. Ich schaute dann zu Papa, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. „Ich dachte, du wollest etwas mit mir bereden?“, sagte ich. „Nunja…eigentlich schon. Aber auch Monsieur Daroga muss mit dir reden!“, erklärte er und deutete dabei auf den Besucher. Daroga!? Den Namen habe ich doch schonmal gehört. Aber woher. Man, das war einfach zum verrücktwerden. Wenn ich nicht so müde wäre, würde mir sofort einfallen, wer er war und warum ich den Namen kenne. So aber tappte ich erstmal im Dunkeln. „Können wir das auf morgen verschieben. Bitte!“, flehte ich nun und wurde etwas gereizter. Nicht nur, weil ich zu müde war, um klar zudenken, sondern auch weil Papa es wohl egal war, dass ich schlafen wollte. Am liebsten hätte ich mich gleich auf den Boden zuzusammengerollt, wie es Rafael tat und wäre eingeschlafen. Papa tauschte einen Blick mit dem Mann, dann nickte er. „Okay, Allison. Du hast Recht. Es ist schon spät und du gehörst wirklich ins Bett!“ Erleichtert atmete ich aus. Danke. Oh Gott, danke! Ich murmelte noch etwas von einem Danke und einem guten Nacht und ging in mein Zimmer. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, schon fiel ich ins Bett und schlief, angezogen wie ich war, ein. Marie lief die Strasse entlang und musste dabei an ihre Kollegin Allison denken. Sie konnte einem wirklich leidtun. Sie hatte durch einige Kollegin und auch von Bekannten gehört, die den Vater von Alliosn kannten, dass ihre Mutter Selbstmord begangen hatte. Und darum seien sie hierhergezogen, um die schmerzliche Erinnerung zuvergessen. Dennoch musste Allison mächtig darunter gelitten haben. Und das sie sich dabei so verändert hatte, war für Marie kein Wunder. Zuerst die eigene Mutter und dann dieser schrecklicher Unfall, bei dem sie selber daraufgegangen wäre. Soviel Pech konnte doch wirklich keiner haben, dachte sie und lief weiter. Dabei merkte sie nicht, wie sie aus den Schatten der Häuser beobachtet wurde. Dunkle Augen sahen ihr nach und eine Mischung aus böser Vorfreude und kalter Entschlossenheit erfüllte das Wesen, welches sie beobachtete und belauerte. Ein dämonisches Grinsen trat dann auf das dunkle Gesicht des Schattenwesens. Morgen Abend würde die Falle zuschnappen, dachte es noch und verschwand dann. Der nächste Morgen kam recht schnell und ich musste mich wahrlich aus meinem Bett quälen, damit ich pünktlich zur Arbeit komme. Und selbst da brauchte ich erstmal einen starken Kaffee. Jaque sah mich mit einem Blick an, der deutlich sagte „Na, wieder mal nicht pünktlich ins Bett gegangen!“ Doch ich ignorierte diesen und band mir meine Schürze um. Ich war gerade dabei eine Cappuccino zumachen, als ich bemerkte, das Marie nicht da war. Ich blickte zur Uhr und sah, dass ich mich nicht irrte. Schon halb neun. Seltsam. Normalerweise, war sie doch immer die Pünklichkeit in Person. Ob sie krank war? Aber wenn, dann warum hatte sie sich nicht krankgemeldet? Jaque dachte wohl das gleiche, denn er kam zu mir und fragte mich:„ Hat Marie sich bei dir gemeldet?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, hat sie nicht. Haben Sie bei ihr angerufen?“ Da verzog sich das Gesicht zu einer angefressenen Grimasse. „Was meinst du, warum ich dich frage? Es geht keiner bei ihr ans Telefon!“, blaffte er. Ich sagte darauf nichts, sondern dachte mir meinenTeil. „Wohl wieder mit dem falschen Fuss aufgestanden, wie. Oder von deiner Frau wieder aufs Sofa verdonnert, weil du deine Weiberbgeschichten nicht beenden kannst!“ Okay, das letzter war eigentlich nicht wahr. Aber Jaque sah ja schließlich gut aus und weiss, was er hat und was er kann. Leider! Dass seine Frau dabei keinen Anfall kriegt, wunderte mich. Naja, die Liebe. „Tschuldige!“, murrte ich und brachte den Cappuccino zum Gast. Während des Tages riefen weder Marie noch ihre Eltern an. Was mir ehrlich gesagt Sorgen machte. Jaque wurde sichtlich angefressen. Mit dem Mittag und dem immerschöner werdendem Wetter kamen immer mehr Gäste und wir Mädels, mit mir mitgerechnet zehn, hatten echt Probleme, den Bestellungen nachzukommen. Was Jaques Laune natürlich noch mieser werden ließ. Als meine Schicht fertig war und ich totmüde nachhause ging, hatte ich erstmal meine Sorge um meine Kollegin vergessen. Doch die kam wieder, als mein Handy klingelte und ich ihren Namen auf meinem Display sah. Wir hatten damals unsere Nummern getauscht, um dem anderen bescheid zusagen, wenn man krank war. Als ich nun ihren Namen und die Nummer sah, wurde mir aufeinmal schlecht. Ich wusste nicht warum. Aber irgendwie hatte ich dabei kein gutes Gefühl. Das Handy klingelte noch eine Weile und als ich mich endlich durchringen konnte, dranzugehen, hörte es auf. Das Display wurde dunkel und ich ließ es wieder in meine Tasche gleiten. Das dumpfe ungute Gefühl aber blieb. Zuerst dachte ich, es sei mein schlechtes Gewissen, weil ich nicht ihren Anruf angenommen und sie nicht gleich gefragt hatte, was los war. Ich sollte sie zurückrufen. Aber tief in meinem Inneren hörte ich eine leise Stimme flüstern, dass ich es lassen sollte. Dass das keine gute Idee war. Diesen Gedanken aber verwarf ich wieder. Du wirst langsam paraniod, Allison, schallt ich mich und ging weiter. Aber das dumpfe Gefühl blieb. Selbst als ich daheim war und ein Bad genommen habe. Ich konnte es einfach nicht abschütteln. Es machte mich nervös und irgendwann konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich griff nach meinem Handy und wählte ihre Nummer. „Tu das nicht!“, hörte ich plötzlich eine Stimme und mit einemmal wurde mir eiskalt. Für einige Minuten begann meine Hand und auch der Rest meines Körpers zuzittern und ich musste wirklich darum kämpfen, mein Handy nicht fallenzulassen. Es war wie als wenn mich wieder eine Vision heimsucht. Aber diesesmal blieben diese schrecklichen Bilder aus. Nur das Zittern war da. Aber das reichte mir auch schon. Minuten vergingen, ehe ich mich wieder beruhigen konnte. Einmal atmete ich tief ein. Dann wählte ich die Nummer, woraufhin mich wieder ein Zittern schüttelte. Versuchte dieses nicht weiter zubeachten und drückte auf den Knopf um den Anruf zubetätigen. Es klingelte einige Male, ehe jemand ran ging und es war Marie. „Hallo?“ „Hey, Marie. Ich bin es Allison!“ „Alli? Was…was ist denn?“ „Dasgleiche könnte ich dich fragen. Du warst nicht auf der Arbeit und weder du noch deine Eltern haben angerufen, um bescheidzusagen. Jaque ist deswegen mächtig angepisst. Du kennst ihn ja!“ Dann folgte schweigen und ich fürchtete schon Marie sei irgendwie weggetreten. Sie hörte sich schon allein am Telefon nicht gut an. Ihre Stimme war irgendwie kratzig und kaum zu hören. Wie als wenn sie schwer krank wäre. „Ja…ich…ich bin ziemlich krank. Ich muss es mir zugezogen haben, als ich gestern nachhause gegangen bin. Oder durch einen der Gäste. Weiss auch nicht. Auf jedenfall fühle ich mich nicht gut!“ „Ja, das hört man!“, bemerkte ich. „Kannst du später vorbei kommen. Meine Eltern sind unterwegs und ich bin hier ganz allein. Etwas Gesellschaft würde mir guttun!“, bat sie mich und ich musste etwas lächeln. Typisch Marie, sie hatte wirklich eine gewisse kindliche Art und ich beneidete sie dafür. „Natürlich kann ich das. Sage mir einfach wann?“ „So gegen achtuhrabends!“ „Okay, dann komme ich. Bis später!“ „Ja, bis später und danke!“, sagte sie und legte dann auf. Ich ebenfalls und plötzlich überfiel mich wieder diese eisige Kälte. „Das war ein Fehler!“ Wieder diese Stimme. Und sie kam mir irgendwie bekannt vor. Doch darüber wollte ich nicht nachdenken. Es gab wichtigeres. Zum Beispiel meiner Freundin helfen, wieder gesund zuwerden. So packte ich in meine Tasche einige Medikamente, die man für die üblichen Erkältungen nimmt und aß noch etwas. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch genug Zeit hatte, um zu entspannen und neue Kraft zutanken. Also setzte ich mich, um die Zeit zu überbrücken auf die Couch, um noch etwas zulesen. Auf andere Gedanken zu kommen und das komische Gefühl loszuwerden. Aber irgendwie konnte ich es nicht. Ich war irgendwie…unruhig. Sobald ich angefangen hatte zulesen, legte ich das Buch nach nur wenigen Minuten wieder weg. Schaltete stattdessen den Fernseher an. Aber auch da konnte ich keine Ruhe finden. So machte ich ihn wieder aus und fing an in der Wohnung umherzulaufen. Ich hoffte, dass das half. Räumte Sachen weg, wie Wäsche oder liegengelassenes Geschirr. Spülte das bisschen noch ab. Aber die Unruhe ließ nicht locker. Rafael schien genauso unruhig zusein. Denn er trottete mir hinterher, als hätte er Angst, ich würde mich im nächsten Moment in Luft auflösen. Winselte und schaute mich an, als würde ich großer Gefahr schweben und er der einzige sein, der mich retten konnte. Aber nicht wusste wie. Ich schluckte. In meinem Hals bildete sich fetter, ekelhafter Kloss. Irgendwas sagte mir, dass Rafael tatsächlich etwas wusste oder ahnte. Und es war nichts Gutes. Ich kraulte ihm am Kopf, sah ihm in die Augen. Versuchte so uns beide zuberuhigen. Die Stunden zogen sich wie Kaugummi, bis ich mich auf den Weg machte, um meiner Kollegin wieder auf die Beine zu helfen und während ich zu ihr ging, wuchs das ungute Gefühl, was ich mir einfach nicht erklären konne, zu einem wahrlichen Geschwür heran. Meine Meine schienen irgendwie mir nicht mehr gehorschen zu wollen. Soe fühöten sich schwer wie Blei an, als sei ich wochenendlang durch die Welt gelaufen und immer wieder hörte ich dabei diese Stimme, die mir befahl umzukehren. Aber ich beachtete diese nicht weiter. Bis ich vor der Wohnungstür von Marie stand und auf die Klingel drückte. Das leise Läuten klang in meinen Ohren viel zulaut und ich machte vor Schreck einen Schritt nachhinten. Doch dann zwang ich mich ruhig zubleiben. Tief atmete ich durch und sagte mir leise:„Bleib locker, Allison. Es ist doch nur die Klingel!“ Hörte wieder diese Stimme, die mich diesesmal auslachte und zischte, dass ich viel zu naiv sei. Ich musste mich beherrrschen um nicht laut ein bissiges Kommentar deswegen zurückzugeben, auch wenn es mir wirklich auf der Zunge lag. Solangsam wurde das lästig. Ich klingelte nochmal und wartete bis der Öffner summte und ich die Tür aufstossen konnte. Das Treppenhaus war leer und für meinen Gemschack zu dunkel. Obwohl es darußen noch hell war. Aber anscheinend reichte nicht mal das Tageslicht aus, um das Treppenhaus heller zumachen. Von freundlich ganz zuschweigen. Es gab viel zuviele dunkle Ecken und ich glaubte in diesen Schatten zusehen, die mich beobachteten. Mit jedem Schritt den ich machte, wurde das bedrohliche Gefühl immer stärker und es half nichts mehr, sich einzureden, dass das alles nur Einbildung war. Meine Schritte hörten sich vielzulaut an und hallten wie hohle Echos durch das Treppenhaus. Gespenstisch. Unheimlich. Das erinnerte mich an die alten Horrorfilme, die ich damals so leidenschaftlich gern gesehen habe. Eine junge Frau, allein in einem Treppenhaus, das dunkel und verlassen ist und unheimliche Schatten, die nur darauf warteten, sich auf sie zu stürzen. Das typische Klischee. Nur war dies hier kein Film und das machte es irgendwie noch schlimmer. Immer wieder schaute ich mich um, wenn ich glaubte etwas zuhören. Ein Knurren, ein Scharren. Egal was es war. Es ließ mir kalte Schauer über den Rücken laufen und das Gefühl langsam in blanke Angst umschlagen. Es half nicht mehr sich zusagen, alles sei okay und das man sich das alles nur einbildete. Denn das war es nicht und ich war wirklich versucht, umzudrehen und aus dem Treppenhaus rauszurennen. Mir war das alles nicht geheuer. Dennoch zwang ich mich die letzten Stufen hochzugehen und als ich vor der Tür stand zu Maries Wohnung, war die Angst kaum noch zum aushalten. Aber ich riss mich zusammen. Marie brauchte mich. Auch wenn sie krank war. Und ich konnte auch etwas Abwechslung vertragen. Meine Nervösität und meine Sorge um meine Kollegin wuchsen ins unermessliche, als sie auf mein Klingeln nicht öffnete. Ich klingelte nochmals und hoffte dass es Marie einigermassen gut ging, dass sie die Tür aufmachen konnte. Mein Hoffen wurde nicht enttäuscht, denn nach wenigen Minuten machte Marie die Tür auf und begrüßte mich. Meine Erleichterung jedoch schwand dahin, als ich sah, wie schlecht sie aussah. Maries sonstso frisches und fröhliches Gesicht war blass. Blaue Adern traten unter der Haut hervor. Ihre Augen hatten glasigen Aussdruck. Fast so als hätte sie Drogen genommen. Ich fragte mich sogleich, ob es nicht bessere wäre, den Notarzt zurufen. Marie schien es wirklich nicht gutzugehen. Sie sah verhungert und abgezerrt aus. Frieren musste sie auch, da sie sich eine Decke gewickelt hatte. Dennoch hatte sie genug Kraft zu lächeln. „Danke, dass du gekommen bist!“, sagte sie und trat beseite, damit ich in die Wohnung kommen konnte. Ich lächelte mühsam. Maris Anblick traf mich härter, als erwartet. Trotz dass sie meine Kollegin war, hatte ich sie aufrichtig gern. „Keine Ursache. Aber du siehst nicht gerade gut aus. Willst du nicht lieber zum Arzt gehen?“, erwiederte ich und folgte ihr ins Wohnzimmer. Marie schüttelte den Kopf. Winkte ab. „Ich glaube nicht, dass es so schlimm ist!“, meinte sie. Gerne hätte ich darauf etwas gesagt, aber ich hatte einfach nicht die Kraft. Ich konnte ihren Worten nicht glauben. Sie hörten sich an wie eine gewaltige Lüge. So schwieg ich nur und folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie mir einen Platz auf der Couch anbot und mich fragte sogar, ob ich nicht etwas trinken wollte. Ich schüttelte den Kopf, weil sie wegen mir sich nicht noch mehr anstrengen sollte und holte die Sachen aus meiner Tasche, die ich ihr gebracht hatte. „Okay, ich habe alles dabei, was man bei einer Erkältung so braucht. Was hast du denn? Husten? Hals-oder Kopfschmerzen? Musstest du dich übergeben?“, fragte sie ab und holte das dazugeeignete Mittel hervor. Marie sagte immer wieder, dass sie nichts davon habe und ich fragte mich, was es sein könnte, dass sie so mies aussah. Und noch etwas fragte ich mich. „Wo sind denn deine Eltern? Wissen sie denn, dass du so schwer erkrankt bist?“ „Nein, sie sind verreist. Und ich konnte sie bisjetzt nicht erreichen!“, erklärte sie und klang irgendwie selber nervös. Ich runzelte die Stirn. Das war ungewöhnlich. Ich kannte Maries Eltern nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sie allein lassen, wenn sie krank wäre. Welche Eltern machten das schon. Und dass sie sie nicht erreichte, sorgte dafür umso mehr, dass mir das ganze Spanisch vorkam. Doch ich schob mein Misstrauen erstmal beiseite, sondern wollte Marie helfen, dass sie wieder gesund wurde. „Hm, okay. Ähm…soll ich dir eine Tasse Tee machen?“, fragte ich dann, weil mir nichts anderes einfiel und Marie nickte. „Ja, das würde mir sehr helfen!“, sagte sie und wollte aufstehen, um mir die Küche zuzeigen. Doch ich sagte, dass ich das schon allein schaffte und dass sie sich schonen sollte. Die Küche fand ich schnell und holte aus den Schränken eine Tasse und aus dem anderen einen Wasserkocher. Füllte diesen mit Wasser und schaltete ihn ein. Dann holte ich eine Tasse und wollte nach Teebeuteln suchen. Fand aber keine in der Küche. „Wo habt ihr denn die Teebeutel, Marie?“, rief ich dann nachdem ich alles auf den Kopf gestellt habe. „In der Vorratskammer. Die ist im Flur. Zweite Tür schräg der Eingangstür gegenüber!“, sagte sie und ich ging zu dieser. Gerade überlegte ich, welche Sorte Tee Marie mochte und ihr half und öffnete die Tür, als plötzlich etwas schweres aus der Kammer auf mich fieln und mich zu Boden riss. Zuerst dachte ich, es seien irgendwelche alte Klamotten. Aber als ich wieder auf die Beine kam und genauer hinsah, wurde mir schlecht und ich musste wirklich einen Schrei des Entsetzens unterdrücken. Vor mir auf dem Boden lagen keine Altkleider, sondern zwei Körper. Zwei Menschen um genauzusein. Ein Mann und eine Frau und auch wenn ich sie noch nie gesehen habe, wusste ich, wer sie waren. Maries Eltern! Schon allein dass sie nicht mehr lebten, ließ mich starr werden, aber was mit ihnen passiert war umso schlimmer. Etwas musste sie regelrecht zerfetzt haben. Sie waren kaum noch zu erkennen. Ihre Körper waren mit Stich-und Schnittverletzungen übersät, aus denen das Blut in Strömen herausfloss und ihre Gesichter waren zu grässlichen Fratzen der Angst und des Schmerzes verzerrt. Ich mochte mir nicht vorstellen, was und wie es mit ihnen geschehen war. Ich schrie nur nach Marie, die etwas überrascht in den Flur trat. „Was ist denn? Was schreist du denn so rum?“, fragte sie stattdessen und als sie die Leichen ihrer Eltern sah, schien sie das nicht aus der Ruhe zu bringen. Sie seufzte sondern ziemlich enttäuscht und schüttelte den Kopf. „Mist, dabei habe ich mir so große Mühe gegeben, sie zuverstecken!“, sagte sie. Dann aber lächelte sie verzeihend. „Naja, was solls. Du hättest sie so wieso entdeckt. Da kann ich mir auch das ganze Theater sparen!!“, sagte sie beiläufig und ich verstand nur Bahnhof. Was redete sie da? War sie schon so krank, dass sie den Verstand verlor? „Marie, was sagst du da? Deine Eltern sind tot…!“ „Ich weiss, dass sie tot. Sieht man ja wohl. Und du bist es auch gleich!“, sagte sie und plötzlich wurde das Lächeln zu einem grotesken Grinsen und ihre Zähne ähnelten denen eines Hais. Auch ihre Augen hatten sich verändert. Sie waren in sekundenschnelle schwarz geworden. Ich konnte einfach nicht glauben, was gerade mit Marie passiert war. War das überhaupt noch Marie? Nichts an dieser Person schien an meine Kollegin zuerinnern. Aber wie konnte das sein? Sie hatte ihr Gesicht, ihre Stimme. Wenn sie nicht Marie war, wer stand da vor mir und grinste mich mit diesen furchtbaren Zähnen an? „Wer…?“, stammelte ich und wich vor meiner Kollegin zurück. Egal was sie war oder was nicht mit ihr stimmte, es machte mir Angst und ich wurde das Gefühl nicht los, dass meine vorherige Angst praktisch eine Warnung war. Nur leider wurde ich mir das erst jetzt bewusst und nun war es zuspät. Maries Grinsen wurde breiter und ihre scharfen Zähne schabten übereinander, sodass es knirschte und mir wurde kalt. „Wer ich bin, ist nicht so wichtig. Aber eins kann ich dir sagen: Du wirst diese Wohnung nicht verlassen. Zumindest nicht lebend!“, kicherte sie und noch bevor ich reagieren konnte, warf sie sich schon auf mich. Ich schrie auf, als wir zusammen prallten und wollte sie von mir drücken. Da hatte sie aber schon ihre Hände um meinen Hals gelegt und drückte zu. Ich würgte, schlug um mich. Versuchte sie von mir los zubekommen. Doch Marie, oder was auch immer das war, hatte ließ nicht los, egal was ich auch machte und mir wurde langsam die Luft knapp. Nicht mehr lange und ich bin tot. Zum zweiten Mal versuchte jemand mich umzubringen und ich fragte mich warum. Was hatte ich getan, dass ich den Tod verdiente. Während ich mich das tausendundeinmal fragte, hörte ich wie durch Watte gedämpft das Lachen von diesem Ding, das mal Marie war. „Schöne Grüße an deine Mutter, wenn du sie in der Hölle triffst!“, hörte ich noch und merkte schon, wie ich langsam in einen drohende Ohnmacht hinabglitt, als plötzlich ein andere Geräusch daumpf an meine Ohren drang. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich glaubte es sei zerbrechendes Glas und paar Sekunden später verschwanden die Hände an meinem Hals. So plötzlich, wie sie mich gepackt hatten. Froh darüber, sog ich tief und gierig Luft in meine Lungen. Brauchte einen Moment, bis ich wieder zu mir kam und den Schrecken einigermaßen verdauen konnte. Dann rappelte mich langsam auf. Meine Beine waren weich wie Pudding und schwach. Ich musste mich an der Wand abstützen, um mich umzukippen. Vorsichtig tastete ich meinen Hals ab und zuckte zusammen, als meine Finger die schmerzende Stelle berührten. Oh verdammt, das war wirklich knapp gewesen, dachte ich. Ich wollte schon aus der Wohnung verschwinden. Da hörte ich Schreie aus dem Wohnzimmer. Und auch wenn ich am liebsten weggelaufen wäre, ging ich zurück ins Wohnzimmer und sah, wie meine angebliche Kollegin sich auf dem windete und gegen etwas Dunkles schlug, dass sie unbarmherzig auf den Boden presste. Ich erkannte auf Anhieb, was es war. Oder besser gesagt wer! Der Schatten! Erik! Woher kam der jetzt aufeinmal? Auch dieses Ding musste überrascht oder wohl eher entsetzt gewesen sein, als es ihn erkannte, dabei war Erik nur eine schwarze Schattengestalt, die kein Gesicht hatte. So wie ich ihn zum ersten Mal gesehen habe und schon allein sorgte ja dafür, dass man sich vor ihm fürchtete. Sie schlug und schreite umso panischer um sich. Das jedoch kümmerte ihn nicht, denn er packte sie an den Händen und nagelte sie förnlich am Boden fest. Das passte diesem Ding natürlich nicht und schrie umsolauter. Ich musste mir die Ohren zuhallten, weil ich fürchte mein Trommelfell würde dabei platzen. Erik aber ließ sich davon nicht stören. Sondern ergriff mit einer Hand nun beide derihrigen und sclug ihr einmal kräftig ins Gesicht. „Schnauze!“, herrschte er sie und bleckte dabei die Zähne. Das hatte offensichtlich gewirkt, denn Marie war aufeinmal still und schaute Erik mit panischen Augen an. Dieser begann nun Gestalt anzunhemen, sodass er eine menschliche Gestalt annahm. Doch seine Augen waren schwarz und der Ausdruck in seinem Gesicht alles andere als gefasst. „Was willst du?“, quiekte Marie und zappelte in seinem Griff. „Das fragst du noch?“, fauchte er. „Du hast Hand an sie gelegt und ich werde das nicht dulden!“ „Woher soll ich wissen, dass sie dein Schützling ist?“ „Willst du mich verarschen? Stell dich nicht dümmer als du bist, Parasit. Woher wusstest von ihr und wer steckt dahinter?“, schnappte Erik und mit jedem Wort, das er sagte, wurde mir immer kälter und flauer im Magen. Ich konnte nichts mit dem was Erik sagte anfangen, aber irgendwie schien es so, als habe es jemand auf mich abgesehen. Blieb nur die Frage warum? „Niemand! Ich…ich wollte sie einfach nur töten!“ „Und warum das ganze Theater dann? Warum du dich im Körper dieser Frau breitgemacht und ihre Eltern getötet?“ „Ich hatte eben Hunger. Lebe du in dieser Welt, ohne was zuessen!“, verteidigte sich dieses Ding und mir wurde schlecht. Schlecht bei der Vorstellung, wie dieses Ding erst Marie, dann ihre Eltern tötete, um sie zu fressen. Aber auch vor Wut. Am liebsten hätte ich diesem Ding selber ein paar Schläge verpasst. Ich hatte eben Hunger? Was dachte sich dieses…was auch immer das war, eigentlich? Das es einfach so Menschen fressen konnte, wenn es ihm passte? Das war wirklich zuviel. Aber etwas sagen konnte ich auch nicht. Denn wenn ich jetzt nur ein Wort sagte, würde ich in Tränen ausbrechen und nur vor mich hinstammeln. Es viel mir auch so jetzt schwer, ruhig zubleiben. Was war nur mit Marie passiert? Lebte sie denn überhaupt noch? Ich betete, dass es so war. „Ob du Hunger hattest, oder nicht, ist mir egal. Ich will nur wissen, wer dich beauftragt hat. Du selber würdest niemals darauf kommen, jemanden wie sie anzugreifen. Geschweige denn den Mut haben!“, knurrte er und zeigte Marie seine tödlichen Fangzähne. Offensichtlich wollte er sie so dazubringen, mit der Wahrheit rauszurücken. Und es funktionierte. „Ich…ich hatte keine andere Wahl. Entweder sie oder ich!“, stammelte sie und versuchte erneut sich aus seinem Griff zubefreien. Erik aber dachte nicht daran, auch nur einmal lockerzulassen. „Und wer war hinter dir her? Nicht das es mich kümmert, wenn ein Stückchen Dreck wie du, in Gefahr ist!“, konterte eiskalt und seine Stimme wurde malzumal bedrohlicher. Dieser Parasit, den Erik nannte, schaute mit angstvollen Augen zu mir, dann zu Erik, die sichtlich ungeduldig wurde und dann wieder zu mir. Und plötzlich war alle Angst wie weggewischt und es boshaftes Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht Maries. „Du kannst sie nicht beschützen. Egal was du auch tust. Es werden andere kommen und irgendwann werden sie sie erwischen und dich gleich mit, du elender Verräter!“, zischte sie. Ich konnte nichts anderes tun, als dazustehen und sie anzusehen. In diesem Moment hatte ich jede Hoffnung, dass Marie noch irgendwie dawar, verloren. Die Augen meiner einstigen Kollegin und auch Freundin waren in diesem voller Hass und kalter Freude, dass ich nicht anders konnte, als in die Knie zu gehen und das Zittern, welches mich packte, nicht zurückhalten konnte. Noch nie in meinem Leben hatte ich solch eine Angst gehabt. Nicht mal bei meinen Visionen. Erik schien das noch wütender zumachen, als er es jetzt schon war. „Das werden wir ja sehen!“, sagte er und dann folgte eine Reihe von Wörtern, die ich noch nie gehört habe und Erik sprach sie auch soschnell, dass es sinnlos gewesen wäre, nur den Versuch zumachen, sie zu verstehen. Sogleich bäumte sich der Körper Maries auf und zuckte, als hätte sie einen Anfall. Ein nasses, ekelerregendes Gurgeln kam aus ihrer Kehle. Der Parasit schien wohl was dagegen zuhaben, was Erik da machte, denn er sträubte sich und versuchte Eriks Redeschwall zuunterbrechen. Trat nach ihm, biss sogar in seine Handgelenke. Erik aber hörte nicht auf, weiterzureden und nach einigen Minuten quoll etwas hervor, was mich an schwarzen Rauch erinnerte. Er strömte zur Decke hoch und sammelte sich, bis er zu einer wahren Wolke wurde. Dann wollte er zum Fenster, sich durch die Ritzen quetschen, um zu entkommen. Aber Erik war schneller, sprang hoch, griff in den Rauch und mit einem kräftigen Ruck, zerrte er einen Körper hervor. Und ich glaubte nun völlig in einem Alptraum zusein. Dass, was Erik da in seiner Hand gepackt hielt, war kein Mensch. Hatte zwar den Körperbau eines Menschen. Aber die Augen des Wesens, was Besitz von Marie genommen hatte, waren blutunterlaufen und es hatte keine Lippen, sodass man einen guten Blick auf die Zähne hatte, die lang und spitz waren. Die Haut war alt und runzelig. Erinnerte mich an altes, brüchiges Leder. Der Kopf war kahl. Die Arme und Beine waren dürr, beinahe schon knochig und ich fragte mich, ob und wie dieses Ding eine Chance gegen Erik haben konnte. In meinen Augen war es kein so großer Gegner für Erik. Er schien genug Kraft zuhaben, um diesem den dürren Hals zubrechen und ich hoffte so inständig, dass er es machte. „Egal wer dich geschickt hat und wieviele nach dir kommen werden, sage folgendes: Die Tochter der Wölfin wird ab jetzt von mir beschützt. Und ich werde keine Gnade kennen, sollte jemand, wer auch immer, es wagen sie ernsthaft zuverletzen!“, sagte er im drohenden Ton und noch bevor das Ding darauf etwas erwiedern konnte, begann es erneut zuzucken und zuschreien. Die Haut, die vorher schon rissig und bis zum reissen gespannt war, straffte sich noch mehr und in den Augen des Monsters war blankes Entsetzen zusehen. Es wehrte sich zwar nicht mehr großartig, aber dennoch wollte es nicht sterben. Erik jedoch war stärker und so dauerte es nicht mehr lange, bis sein Gegner wahrlich in einer Wolke aus Staub und getrocknetem Fleisch auseinanderbrach. Die Überreste fielen zu Boden, wurden dann selber zu Staub. Minuten lang blieb ich da stehen, schaute auf das Häufchen Asche, was mal ein Monser gewesen war und zu Erik, der ebenso zum Häufchen schaute. In seinem Blick lag Verachtung und auch Wut. Noch immer begriff ich nicht, was hier geschehen war, auch wenn ich es gesehen habe. Aber ich konnte es nicht glauben. Es war so umfassbar. So grausam, dass sich mein Verstand weigerte, das zu verarbeiten. Ich sah dann zu Marie, die recklos auf dem Boden lag. Die Augen geschlossen und der Mund einen schmalen Spalt geöffnet. Wieder setzte das Zittern ein. Mit schwachen Knien ging ich zu ihr, setzte mich neben sie und rüttelte sanft an ihren Schultern. Trotz allem was ich gesehen hatte, hatte ich immernoch die naive Hoffnung, dass sie vielleicht wieder sie selbst sein würde. Im nächsten Moment aufwachen und mich erleichtert ansehen würde. Ich redetete mir ein, dass sie, während dieses Ding in ihr gehaust hatte, in einer Art Schlaf gefangen war und nun aus diesem erwachen würde, weil der Parasit aus ihr raußen war. Doch Erik kannte die Wahrheit. Umso schlimmer trafen mich seine Worte. „Allison!“, sagte er und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich schaute auf und sah in seinen Augen, dass es für Marie zuspät war. „Nein!“, flüsterte ich, schüttelte seine Hand ab und rüttelte weiter an ihr. Diesesmal stärker. Ich wollte in diesem Moment nicht wahrhaben, dass ich meine einzigste Freundin verloren hatte. Es war verrückt. Zum ersten Mal erkannte ich, dass ich in ihr eine Art Freundin gesehen hatte, ohne es selber zumerken. Eine Freundin, mit der ich reden und lachen konnte. Die für mich da war, wenn ich sie brauchte. Ich hatte das niemals zu schätzen gewusst. Nicht so, wie sie es verdient hatte und nun hatte ich sie verloren. Trauer und auch Wut über mich selber und meine eingeschränkte Sichtweise, erfasste mich. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein und mich selber in diesem Schneckenhaus einsperren, anstatt mit ihr über meinen Kummer zureden. Denn das hätte ich gebraucht. Nun war es zuspät. „Sie darf einfach nicht…!“, wimmerte ich, während mir die Tränen kamen. Ich konnte nicht sagen, wielange ich brauchte, um es endlich einzusehen und einzugestehen. Nur, dass mich ihr Tod härter traf, als ich es mir jemals vorstellen konnte. Es war genauso wie damals, als meine Mutter sich selber das Leben nahm. Da fühlte ich mich ebenso ohnmächtig vor Schmerz und wollte am liebsten schreien. Erneut spürte ich wie Eriks Hände mich ergriffen. Sanft und auch tröstend. Das war seltsam, denn noch vor wenigen Minuten hatte er ausgesehen, als woller alles und jeden auseinandernehmen. Ich hatte mich selber vor ihm gefürchtet. Ich blickte zu ihm hoch. Sah in seinen Augen Bedauern und auch die stumme Bitte, es gut sein zulassen. Die Wut wurde umso größer, weil ich es falsch verstand. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien. Hätte ihm an den Kopf geworfen, dass er sich das sparen konnte und sich nicht vorstellen könne, wie es mir gerade ging. Doch mein Hals schnürte sich zu. Zuviel war das alles und zugroß der Schmerz über Maries Tod, als das ich einen vernünftigen Satz über meine Lippen bringen konnte. Und ich wollte auch nichts mehr sagen, denn es würde nichts bringen. Weder die Zeit zurückdrehen, noch Marie zum Leben erwecken. So nickte ich nur und versuchte aufzustehen. Doch meine Knie gaben nach, weil sie ebenso nicht die Kraft hatten, mich zutragen. Erik reagierte schnell, schob seine Arme unter meine Beine und Arme und hob mich hoch. Ich umschlang automatisch mit den Armen seinen Hals und drückte mich eng an ihn. Und obwohl er ebenoch so furchteinflössend gewesen war, so kalt, fühlte er sich nun so seltsam angenehm warm und weich an, als wäre er wirklich ein Mensch und kein Trugbild davon. Das Zittern ließ nur langsam nach und ich merkte, wie ich langsam in einen Dämmerzustand dahinglied. Ich merkte erst jetzt, wie sehr mich das alles mitnahm und mrt alle Kraft geraubt hatte. Das alles war einfach zuviel für mich. Ich hatte kaum noch Kraft, die Augen offnen zuhalten. Noch einige Minuten blieb ich wach, blickte nocheinmal, wie zum Abschied, zu der Leiche von Marie, dann vergrub ich mein Gesicht in seinen dunklen Klamotten und weinte. Weinte bis ich nicht konnte und schließlich der gnädige Schlaf mich übermannte. Mithilfe seiner dunklen Kräfte hatte sich Erik, mit der schlafenden Allison auf den Armen, in deren Wohnung teleportiert und trug sie nun zum Bett. Alles war still und ihr Vater schlief schon. Nur Rafael, der schwarze Wolf war noch wach. Seine Sorge um seine junge Herrin hatte ihn nicht schlafen lassen, umso alarmierte war er, als er die Präzens von jemanden Fremden spürte und trottete vorsichtig ins Zimmer von Allison. Sah, wie Erik sie behutsam aufs Bett legte und lange auf sie neiderblickte. Als Rafael ihn erkannte, gab er einen kurzen, leisen Laut von sich, worauf sich Erik aufrichtigtete und zum Wolf blickte. Erik brauchte sich nicht davor zufürchten, von ihm angegriffen und verraten zuwerden. Er kannte den Wolf ebenso lange und gut genug, wie der Wolf ihn. Mit einem grüßenden Lächeln, nickte er ihm zu und kniete sich vor ihm. Streckte die Hand aus und der Wolf lief zu ihm. Schnüffelte und leckte seine Hand. „Wir habens uns lange nicht mehr gesehen, Rafael. Schön dich wieder zusehen, alter Freund!“, sagte er und streichelte dem Wolf den Kopf. Rafael winselte, blickte dann zu Allison, die ruhig schlief. Trotz all den Schrecken, die sie erlebt hatte. Nochmals winselte. Diesesmal etwas bekümmerte. Erik lächelte. „Mach dir nichts draus. Du hast mich ja gewarnt und ich konnte sie gerade noch rechtezeitig retten!“, sagte er. Doch seine Worte schienen den Wolf nicht zuberuhigen. Er blickte immer wieder zu Allison und dann zu Erik. Schien mit seinen Augen Erik seine Sorgen zu sagen. Erik nickte und strich ihm nocheinmal über den Kopf. „Sei ganz ruhig. Ich werde auf sie Acht geben. Das habe ich schließlich versprochen!“, sagte er und stand dann auf. Ging zur Zimmertür. Blieb dann unter dem Rahmen stehen und sah zum schwarzen Wolf, der sich neben dem Bett von Allison gelegt hatte. Als wollte er über ihren Schlaf wachen. Erik lächelte. „Achte gut auf sie, wenn es Tag ist. Ich werde über sie wachen, bei Nacht!“, sagte er und der Wolf nickte, als habe er seine Worte. Dann ging er und verschwand so, wie er gekommen war. In der Dunkelheit. Kapitel 5: Enthüllung --------------------- Ich schlief bis zum Mittag. Eigentlich hätte ich ausgeschlafen sein sollen. Doch als ich aufwachte, fühlte ich mich so kaputt und schlapp, als hätte ich drei Nachtschichten hinter mir. Rafael lag neben meinem Bett auf dem Boden und musste die ganze Nacht so dagelegen haben, denn als ich aufstand, hob er verschlafen den Kopf und sah mich gähnend an. Ich lächelte und wünschte ihm einen guten Morgen. Gerade wollte ich aufstehen und mich unter die Dusche stellen, als ich plötzlich richtig merkte, dass ich bei mir zuhause war. Aber wie war das möglich? Ich war gestern noch bei Marie! Wie kam ich denn aufeinmal nachhause? Angestrengt versuchte ich mich zuerinnern, doch ich hatte wohl einen mächtigen Filmriss. Warum auch immer. Aber dennoch tauchten vor meinem inneren Auge Fetzen von Bildern auf, die unscharf waren und zuschnell verschwanden, als das ich sie richtig festhalten konnte. Da gab etwas, was mit allermacht in meine Erinnerung zurückwollte, es aber nicht konnte. Es war, als würde eine geistige Sperre dies verhindern. Ich weiss nicht, ob Ihr das kennt. Aber es war wirklich zum verrückt werden. Ich schloss die Augen und massierte meine Schläfen, versucht so die verlorene Erinnerung wieder heraufzubeschwören. Doch es klappte nicht. Und so blieb ich erstmal allein mit der Frage, wie ich hierherkam. Verdammt, was nur los mit mir, fragte ich mich und mir stieg sogleich ein unangehmer Geruch in die Nase. Erst dachte ich, Rafael sei es, doch als ich an mir selber roch musste ich zu meiner Schande feststellen, dass ich das war. Dass ich in meinen gestrigen Klamotten geschlafen hatte, hatte sich auf übelsteweise gerächt, in dem ich widerlich nach Schweiss roch. Und nach etwas anderem, was ich lieber nicht genau wissen wollte. Angewidert rümpfte ich nun die Nase und ging unter die Dusche. Schrubbte mich ordentlich sauber, bis der Gestank dem herrlichen Duft von grünem Apfel, den ich liebte, wich und mich einigermassen wohler fühlte. Ich hoffte auch insgeheim, dass nach der Dusche es mir leichter fiel, mich zuerinnern. Doch das war wohl ein Irttum. Ich kam einfach nicht darauf, was mich so wurmte. Und das machte mich umso verrückter. Papa wartete schon in der Küche auf mich und goss mir schwarzen, frischen Kaffee ein. Der Geruch war verlockend und regte meinen Appetitt an. Verdrängte für einen kurzen Moment dieses nagende Gefühl und ich setzte mich an den Tisch, wo schon Toast, frich aus dem Toaster, auf mich wartete und verschlang diesen in nullkommanichts. Ich hatte aufeinmal einen Bärenhunger und versuchte die verblüfften Blicke meines Vaters nicht zu beachten. Ich war gerade bei meinem vierten Toast und schnappte mir noch einen Apfel. Biss kraftvoll hinein und schmatzte weil es so gut schmeckte. „Sag mal. Hast du heimlich eine Diät gemacht, oder warum stopfst du dich voll, wie eine Gans vor dem Weihnachtsfest?“, fragte Papa und ich musste etwas lachen. Was ziemlich komisch klang, mit dem Essen im Mund. „Nein, aber ich habe so gut geschlafen, dass ich richtig Hunger habe!“, erwiederte ich und musste mich bemühen, dass zerkaute Essen nicht über dem Tisch zuspucken. Es stimmte. Ich hatte gut geschlafen. Kein Alptraum und kein ungebetener Besuch von Erik. So hoffte ich zumindest. „Freut mich zuhören!“, sagte Papa dann und nippte selber an seiner Tasse. Rafael gesellte sich zu und legte sich unter den Tisch. Dass er nicht bettelte machte mich allerdings schon stutzig. Das war nicht seine Art. Sonst schaute er mich immer mit großen Bettelaugen an, damit ich mich erbarmte, ihm etwas von meinem Frühstück zu geben. Vielleicht war er krank. Um sicher zusein, sagte ich leise seinen Namen und sah, wie er die Ohren spitzte und mich fragend anschaute. Ich nahm sogleich etwas von dem Frühstücksspeck und hielt es ihm vor die Nase. Plötzlich schien er wieder ganz der Alte zusein, denn kaum hatte ich es ihm hingehalten und er daran geschnüffelt, schon hatte er es in seinem Maul und runtergeschluckt. Nachdem ich ihm etwas von dem Speck gegeben hatte, wollte er natürlich noch etwas haben und hatte nun wieder seinen berühmten Hundeblick aufgesetzt. Ich musste leise lachen und gab ihm noch etwas. Zufrieden und glücklich über den weiteren Happen Speck, schmatzte er und legte sich wieder hin. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Soleicht müsste man es haben, dachte ich und widmete mich meinem eigenen Frühstück. Da klingelte das Telefon und Papa stand auf, um dran zugehen. Nur leise hörte ich, was er da am Telefon sprach. Aber als er zurückkam, sah ich, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Er sah mich mit einer Mischung aus Angst und Sorge an und diese dunkle Ahnung und das bohrende Gefühl kehrten zurück. Was auch immer er am Telefon gehört hatte, es musste dabei etwas mit mirn zutun haben und das machte mich nervös. „Was…was ist los?“, fragte ich und hielt die Tasse fester, als gut war. Papa sah mich noch einen Moment so an, dann setzte er sich. „Einige Nachbarn haben letzte Nacht die Polizei gerufen, weil sie Geschrei in der Wohnung unter ihnen gehört hatten. Meine Kollegen sind dahingefahren und haben sich das mal angesehen. Die Wohnung gehört einem Ehepaar namens Chandlier. Das sind doch die Eltern von deiner Kollegin Marie?“, fragte er. Ich nickte. Sogleich machte sich ein fetter Kloss in meinem Hals breit und mein Magen fuhr Achternbahn. Mir wurde speiübel dabei. Ich fühlte mich sogleich unwohl. Als würde etwas tief in mir wissen, was nun kommen würde. „Und was…was haben sie gefunden?“, fragte ich und meine Stimme klang wie von weit weg. Mir wurde noch zu allem Überfluss schwindelig und ich nahm schnell einen Schlug Kaffee um ruhiger zuwerden. Doch nun schmeckte mir der Kaffee nicht mehr, sondern war für meinen Geschmack viel zu bitter. Was meinem rebellierenden Magen nicht gerade gut tat. Ich musste ein Würgen unterdrücken. Doch das war bestimmt nicht der einzige Grund, warum mir so übel war. Papas Gesicht wurde noch niedergeschlagener als es schon vorher war. „Man hat ihre Eltern und sie selber tot vorgefunden. Ihre Eltern waren schlimm zugerichtet. Aber sie hatte keine Verletzungen. Weder äußerlich noch innerlich. Die Autopsie geht davon aus, dass sie an Herzversagen gestorben ist!“, sagte er und mit jedem Wort, wuchs meine Übelkeit. Gipfelte dann in einem Gefühl der absoulten Leere. Als hätten seine letzten Worte eine Tür geöffnet, nein aufgestossen, kehrten die Erinnerungen an letzte Nacht zurück und überfielen mich, wie ein Raubtier. Das war es also, woran ich mich so angestrengt versucht hatte zu erinnern und es konnte. Und wenn ich nun ehrlich sein sollte, wollte ich diese Erinnerung genauso schnell wieder vergessen. Zugerne hätte ich mir gewünscht, dass das alles nur eine Einbildung war. Aber als meine Finger den Hals berührten und die Würgemale, die zwar etwas schwächer geworden waren, aber dennoch zufühlen waren, spürten, zuckte ich etwas zurück. Sofort begann ich zu zittern und das musste mein Vater mehr als deutlich sehen. „Allison, stimmt was nicht?“, fragte er dann und ich musste ein höhnendes Lachen unterdrücken. Nichts war in Ordnung. Ich habe gesehen, wie meine Freundin gestorben war und dass der Mörder kein Mensch war. Da kann nichts in Ordnung sein! „Es…es geht wieder…!“, log ich schnell. Es reichte schon, dass ihr Tod mich wieder so sehr schmerzte. Dabei war der Schlaf so guttuend gewesen und ich hatte auch keine schlimmen Alpträume mehr. Aber jetzt holte mich alles wieder ein. Und ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Papa war sofort neben mir und legte die Hände auf meine Schultern. Nahm mich dann in den Arm und strich mir beruhigend über den Rücken. Doch reichte bei weitem nicht, um mir den Kummer und den Schmerz zunehmen, der mich wieder heimgesucht hatte und mich erneut quälte. Am Wochenende war die Beerdigung und ich konnte nichts anders tun, als dazustehen und dem Sarg, in dem meine Freundin lag, zu zusehen, wie er langsam in das Loch hinabgesenkt wurde. Alle waren gekommen. Freunde und Familienmitglieder. Sogar einige Arbeitskollegen waren gekommen, um Marie die letzte Ehre zugeben. Die meisten der Anwesenden waren fassungslos. Konnten nicht glauben, dass drei Menschen, die ihnen lieb und teuer waren, auf solch schrecklicheweise aus ihrer Mitte gerissen wurden. Ich konnte es auch nicht. Aber im Gegensatz zu anderen wusste ich, wer der wahre Mörder war. Während sie dachten, ein Irrer hätte sich Zutritt in deren Wohnung verschafft, wusstte ich, wer dahinter steckte. Und auch wenn ich es jemanden zugerne erzählt hätte, weil es mich danach drängte. Weil ich es nicht mehr aushielt, konnte ich es nicht. Das würde sie vermutlich noch mehr fertig machen und in ihrer Trauer, würden sie mich für eine Wahnsinnige halten. Mich sogar vielleicht gewaltsam von hier wegschaffen. Nein, das konnte und wollte ich auch nicht. Ich wollte von Marie Abschied nehmen. Und mich auch dafür bedanken, dass sie an ihren letzten Tagen versucht hatte, mich aufzumuntern. Als der Priester seine Rede beendet hatte, trat jeder von uns nachvorne um eine Rose ins Grab zuwerfen und ihr lebewohl zusagen. Als ich dran war und mit der Rose vor dem offenen Grab stand, biss ich mir auf die Unterlippe. Gerne hätte ich etwas gesagt. Mich mit den passenden Worten von ihr verabschiedet, damit ich selber meine Trauer bewältigen konnte. Doch mich plagte plötzlich ein schreckliches Schuldgefühl. Ich hätte das verhindern können! Ich hätte da eine Vision haben müssen! Ich hätte sie dann warnen können! Und so weiter. Mit dem Schuldgefühl kam Wut in mir hoch. Ich fragte mich, warum ich da keine Vision gehabt hatte. Ausnahmsweise wären sie sehr praktisch gewesen. Denn dann würde sie noch leben. Einmal mehr verwünschte ich meine angebliche Gabe, die mir mehr als Fluch vorkam und ich hasste sie umso mehr. Diese verdammte Fähigkeit, die mir nichts nutzte und mich zum Zuschauer machte. Zu einem Zuschauer, der das Grauen sehen musste und nichts dagegen machen konnte. Man sollte denken, dass man dann eine Möglichkeit, dieses Grauen irgendwie abzuwenden. Vielleicht hatten eingie diese auch, die ebenso mit sowas gestraft waren. Aber ich nicht. Ich konnte nicht dagegen tun. Und das machte mich wütend. Jetzt noch mehr, da ich zusehen musste, wie meine Freundin in ein dunkles Loch versenkt wurde und als Futter von Würmern und Maden endete. Bei diesem Gedanken drehte sich mir der Magen um und ich musste mich zusammenreissen, um nicht laut aufzuschreien. Stattdessen ballte ich meine Hände zu Fäusten. Immer fester, bis ich spürte, wie sich meine Nägel ins Fleisch gruben und warmes Blut hervortrat. Ein Donnergrollen holte mich aus meinen dunklen Gedanken und ich blickte hoch. Dunkle Wolken hatten sich über uns zusammengebraut und es blitzte. Ein finsteres Lächeln stahl sich von meinen Lippen. Das Wetter passte wirklich, zu meine jetzigen Stimmung. Und es half mir auch meinen Kummer, meine Trauer und meine Wut freien Lauf zulassen. Als es regnete, machte ich mir nicht die Mühe, einen Schirm aufzuspannen, sondern ließ den Regen auf mich niedergehen. Sah es als ein Zeichen, dass dort oben Marie war und auch weinte. Weinte um uns, weil wir nicht mehr bei ihr sein konnten und weil sie uns genauso so sehr vermisste, wie wir sie. Wie ich sie vermisste. Nochlange blieb ich vor ihrem Grab stehen, dass nun zugeschaufelt wurde und beobachtete die Totengräber, wie sie Schaufel um Schaufel Erde auf Maries Sarg warfen. Es wat genauso wie damals, als Mama beerdigt wurde. Ich hatte mich genauso gefühlt, wie jetzt. Vielleicht noch etwas schlimmer, da sie ja meine Mutter gewesen war. Aber es war dasselbe Gefühl und erneut fühlte ich mich innerlich hohl. Leer wie ein Glas, dass jederzeit zerbrechen konnte. Doch erklang eine Stimme, die mir zuflüsterte, dass ich ganz im Gegenteil aus Glas war. Ich wollte sie instinktiv fragen, aus was ich sei. Zumal kam sie mir bekannt vor. Ich bildete mir sogar ein, dass es Erik war, der da zu mir gesprochen hatte. Doch die Stimme antwortete mir nicht. Was noch frustierender war. Irgendwann spürte ich, wie jemand den Arm um mich legte. Es war Papa, der einen Schirm über mich hielt, sodass ich nicht mehr nass wurde und ich ließ es zu. Auch dass er mich wortlos zum Wagen brachte und dann losfuhr. Nocheinmal warf ich einen Blick durch den Rückspiegel. Sah, wie der Friedhof, durch den Schauer kaum sichtbar kleiner und kleiner wurde. Bis er ganz verschwand. Noch einmal dachte ich an Marie, rief mir ihr Gesicht vors innere Auge und sagte dann leise: „Leb wohl, Marie!“ Ihr Geistergesicht schien zu lächeln und verblasste. „Du auch, Alli!“, hörte ich sie in meinen Gedanken sagen und ich lächelte. Noch nie war ich froh gewesen, dass sie mich so nannte. Dabei floss mir eine letzte Träne über die Wange und ich sank im Sitz zusammen. Schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf. Die nächsten Tage zogen sich schleppend dahin und ich fragte mich, ob jemand merkte, dass Mair enicht mehr. Außer mir und meinen Kollegen und auch meinem Chef, schien es niemand zuwissen und das machte sauer. Marie hatte nicht solange bei uns gearbeitet, aber jeder hatte sie gesehen und mit ihr gesprochen. Wieso fragte niemand, was mit ihr war. Wieso sprach man nicht über den Mord. Ich weiss, dass es nicht gerade schön ist, darüber zureden. Aber ein paar liebe Worte oder gar Bedauern, wäre wirklich nicht zuviel gewesen. Doch den Gästen schien es egal gewesen zu sein. Was kümmert es schon, wenn eine Kellnerin nicht mehr da ist, denken die bestimmt und meine Laune glich mal zumal dervon einer giftigen Schlange, die man reizte, bis sie zubiss. Ich war sogar kurz und dran, einem Gast eine zu scheuern, weil er blöde Blondinnenwitze machte, um bei seinen ebenso beschränkten Freunden gut darzustehen. In solch einem Moment hasste ich Männer einfach nur. Doch ich riss mich zusammen. Wenn ich mich jetzt vergass, würde mich das meinen Job kosten. Wobei… Seit Maries Tod war Jaque nur noch mehr unausstehlicher. Hetzte uns wahrlich durch sein Cafe und sagte uns, dass wir uns nun noch mehr ranhalten müssen, um unsere Kunden beizubehalten. Oder vielmehr seine Kunden. Geldgeiler Arsch! Kaum hatte eine von uns einen normalen Schnupfen, schon drehte er durch. Anscheinend hatte er Schiss noch eine billige Arbeitskraft zuverlieren. Und mich hatte Jaque ganz besonder im Auge, weil ich in letzter Zeit sooft gefehlt hatte. Ich wollte ihm schon sagen, dass ich die nächste sei, die verschwindet, behielt diesen Kommentar für mich. Ich brauchte den Job, wenn ich nicht länger Papa auf der Tasche liegen wollte und eigentlich mochte ich meine Arbeit, aber momentan wollte ich am liebsten alles hinschmeissen. Ich glaube, jeder hat solche Momente, in denen ihm alles egal war und er auf die Welt getrost verzischten konnte. Tja, so gings mir und ich musste mich wirklich am Riemen reissen, um nicht abzurutschen. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Ich hatte gerade meine Schicht beendet. Es dämmerte bereits, als ich die Haustür aufschloss und ins Wohnzimmer ging, um meinen Papa zu begrüßen. Ich hatte mich ehrlich gesagt auf einen schönen gemütlichen Abend mit Papa und Rafael gefreut. Zusammen auf der Couch sitzen und Fernsehschauen. Doch leider wurde nichts daraus, da ich den Mann, der uns dmals schon besucht hatte, wieder hier sah und es mir kalt den Rücke runterlief. Oje, was würde jetzt kommen. Das letzte Mal, als wir uns gegenüber standen, war ich zumüde, um ihn richtig einzuordnen. Das war ich zwar jetzt auch, aber etwas an seinem Blick ließ mich wach werden und etwas ahnen, was mir nicht gefallen würde. Ich warf einen flüchtigen Blick zu meinem Zimmer und überlegte, wie schnell ich sein musste, um hinein zurennen und die Tür abzuschließen. Doch der Besucher machte mir einen mächtigen Strich durch die Rechnung. „Allison, wir müssen reden!“, sagte er und nichts an seinen Worten ließ den Gedanken zu, dass ich was dagegen tun konnte. Auch Papa schien alles andere als ruhig zusein, denn er rang seine Hände und sah mich besorgt an. Okay, das war wirklich nicht gut. Etwas stimmte hier nicht. Wenn Papa schon so nervös war und er war ja schließlich Polizist, musste etwas wirklich Wichtiges gekört werden. So setzte ich mich neben Papa, sah kurz zu ihm, der mir wiederum einen seiner typischen Väterblicke zuwarf, die jeder Vater hatte, wenn es um sein kleines Mädchen ging und sah dann zum Mann, der vor mir stand und mich mit nicht minder solchen, aber auch ernsten Augen ansah. „Ja, okay. Um was geht es denn?“, fragte ich und versuchte so umbekümmert wie möglich zuklingen. Doch das ging gründlich schief und ich merkte, wie mir plötzlich die Knie zitterten. Sein Gesicht wurde nun finster und ich ertappte mich dabei, wie ich anfing mich vor ihm zufürchten. „Um das was passiert ist mit deiner Freundin ist!“, sagte er und ich spürte sogleich diesen entsetzlichen schmerzlichen Stich in meinem Herzen. Und die Kälte, die mich erfüllte. Es mag zwar eine Woche nun hersein, aber dennoch war der Schmerz frisch, wie am ersten Tag und ich wollte nicht noch mehr darüber denken oder gar reden. „Ich…ich wüsste nicht warum. Und ich will auch nicht. Marie war meine Freundin und ihr Tod war…schlimm für mich!“, sagte ich und merkte, wie sich wieder ein fetter schleimiger Kloss in meinem Hals breitmachte. Wenn ich mir vorhin gewünscht hatte, jemand würde ein Wort über Marie verlieren, so nahm ich diesen wieder zurück. Ich wollte nicht über ihren Tod sprechen, der mir noch gut in Erinnerung geblieben war. Sondern wie sie gewesen war. Fröhlich und immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Doch selbst das schmerzte vielzusehr, als das ich es aushalten konnte. Krampfhaft bohrten sich meine Finger in das Polster. „Das kann ich verstehen. Dennoch muss es sein. Ich vermute mal, du hast gesehen, was ihr passiert ist und was sie getötet hatte!“, sagte er und kniete sich vor mich, sodass wir auf gleicher Augenhöhe waren. Sofort hatte ich das Gefühl keine Luft mehr zubekommen. Und ob ich das wusste, aber woher wollte er das wissen. Konnte er etwas gedankenlesen oder gar hellsehen? Meine Fragen mussten deutlich in meinen Augen sehen zusein. Er lächelte etwas und schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann weder gedankenlesen noch hellsehen. Aber ich habe mir schon sowas gedacht. Gleich nachdem du Erik begegnet bist!“, meinte er und mein Staunen war groß. Aber ich wurde auch misstraurisch. Woher wusste er das? War das etwa der Grund, warum er hier war? Und vorallem, was wollte er dagegen machen? Ich sah zu meinen Vater, der nur vor sich hinstarrte. Offenbar war ihm ebenso unwohl zumute, wie mir. Aber auf eine eine andere Art. Nur kurz sah er zu mir und ich sah, wie seine Kiefer sich aufeinanderpressten. Mir wurde sofort flau im Magen und mein Misstrauen schlug in Angst um. Egal was der Grund war, warum er hier war. Es konnte nichts Gutes bedeuten. „Und…und was hast das damit zutun?“, fragte ich, wobei diese Frage mehr als dämlich klang. Es musste eine ganze Menge damit zutun haben. Nur konnte ich nicht sagen, ob ich es wirklich wissen wollte. „Nun, ich dachte Erik wäre, nachdem deine Mutter gestorben war, wieder in die Hölle zurückgekehrt, weil er seine Aufgabe erfüllt hatte. Aber wie ich sehe, habe ich mich wohl geirrt. Und das ein Ghoul und sogar ein Parasiten-Dämon versucht hatten, dich zuermorden, lässt mich zu dem Schluss kommen, dass du mehr von deiner Mutter geebrt hast, als wir bisher dachten!“, sagte er und ich musste wirklich beherrschen, um ihm nicht an die Gurgel zu gehen. Was sollte das nun wieder heissen? Ich weiss, dass ich so einiges von meiner Mutter hatte. Ihr hübsches Gesicht zum Beispiel und ihre trockene Art von Humor. Besonders aber ihr hitziges Temperament, das ziemlich schnell dafür sorgen konnte, dass ich meine gute Erziehung vergass. Aber was soll ich noch von ihr haben? Auch diese Frage musste er deutlich in meinem Blick gesehen haben, denn sein Gesicht wurde nun wieder bitternst und er holte tief Luft, als er weitersprach. „Allison, ich habe immer für dich gehofft, dass du ein friedliches Leben führen würdest. Aber irgendwie scheint es auch bei dir das Schicksal nicht gerade gutzumeinen!“, sagte er und meine Ungeduld und meine Angst wurden immer größer. Fast schon wollte ich ihn anschreien, nicht länger um den heissen Brei rumzurühren und einfach aussprechen, was er mir damit sagen wollte. Doch da kam mir schon ein anderer zuvor. „Kommen Sie schon, Daroga. Sagen sie es doch einfach freiheraus. Sie wird nun ebenso gejagt, wie ihre Mutter damals. Und sie kann nur gegen die Hölle und deren Kreaturen bestehen, wenn sie lernt, sich richtig zu verteidigen!“, unterbrach ihn eine altbekannte Stimme und ließ uns allesamt zusammen fahren. Wir drehten uns um und schnappten gleichzeitig nach Luft. Mittlerweile war es dunkel geworden. Eigentlich hätte es mich nicht wundern sollen, dass Erik so plötzlich aufgetaucht war. Er hatte immer irgendwie genau gewusst, wann er einem überraschen oder gar erschrecken konnte, wenn man nicht mit ihm rechnete. Doch nun war ich wirklich erstaunt, dass er hier war. In der ganzen Zeit, nachdem er den Parasiten aus Marie förmlich herausgezerrt hatte, hatte er sich nicht mehr bei mir blicken lassen. Und ich hatte gedacht, dass er fort wäre. Nun aber stand er wieder da. Oder hockte zumindest. Mit einem breiten Grinsen hockte er auf dem Küchentisch und sah zu uns hinüber. Während ich und Papa ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Unglauben anschauten, schien Daroga eher aufgebracht zusein. Geradezu wütend. „Erik…!“, kam es nur über seine Lippen und mehr brauchte er auch nicht zusagen, um deutlich zu machen, was er von ihm hielt. Offenbar waren sie nicht geraden die dicksten Freunde. Erik schien sich davon allerdings nichts aus der Ruhe bringen zulassen. Er hob nur die Hände und fragte mit einer Unschuldsmiene, die ich ihm niemals zugetraut hätte:„ Was denn? Das ist die Wahrheit!“ Dann wurde das Gesicht von ihm noch ernster, als das von Daroga vorhin. „Es bringt doch nichts, es ihr durch die Blume zusagen. Sie weiss, dass die Hölle existiert. Und selbst wenn du sie gut auf den Kampf gegen diese vorbereitest, wird sie verlieren. Denn ich glaube kaum, dass du ihr beibringen wirst, wie sie ihr Erbe einzusetzen hat. Von können ganz zuschweigen!“, sagte er und Darogas dunkler Ausdruck wurde noch finsterer. Erik achtete nicht weiter darauf, sondern sah mich an und mir wurde aufeinmal eiskalt. Ich verstand nur Bahnhof. Und fragte mich, von was von einem Erbe er da redete? Das wurde mir langsam unheimlich. Gerne hätte ich darüber gelacht. Aber ich hatte das dumme Gefühl, dass da war wahres dran war und das es sicher noch schlimmer kommen würde. Nur war ich mir nicht so sicher, ob ich es wirklich wissen wollte. So blickte ich ihn nur an und schaute dann zu Papa. Dieser schien auch nicht so richtig zuwissen, was er damit meinte und etwas in seinen Augen verriet mir, dass er Angst hatte. Nun…da war er nicht der einzige. „Was für ein Erbe meint er?“, fragte ich an Daroga, doch er hatte den Blick nur auf Erik gerichtet. Das Erik das gesagt hatte, musste ihn wirklich aufgeregt und auch in großer Sorge versetzt haben, denn er wirkte alles andere als erfreut, dass Erik dies ansprach. Ich konnte nur hilflos von einem zum anderen blicken und mich immer wieder fragen, was Erik eigentlich damit meinte. Die Minuten dehnten sich, während Daroga schwieg. Als er dann weitersprach, hörte ich deutlich seiner Stimme an, dass es ihn alle Kraft kostete, es mir zu zuverraten. „Das Erbe der schwarzen Wölfin!“, hauchte er und wurde plötzlich kalkweiss, trotz seiner dunklen Hautfarbe. Ich verstand nur noch mehr Bahnhof. Was sollte das denn sein? Das Erbe der schwarzen Wölfin? Noch nie davon gehört. Und was hatte das mit meiner Mutter zutun? Diese Fragen mussten mir dabei mehr als deutlich im Gesicht geschrieben sein, denn Daroga schaute kurz zu Erik, der sich bis jetzt nicht gemeldet hatte. Offenbar rechnete Daroga damit, dass Erik mir weitererzählen würde, was es mit dem Erbe zutun hatte. Doch Erik schien nicht daran zudenken, sodass Daroga gezwungen war weiterzusprechen. „Das Erbe der schwarzen Wölfin!“, murmelte er vor sich, wie als wenn ich, Papa und gar Erik nicht da wären. Als müsste er sich selber vor Augen halten, was nun kam und er es mir verraten musste. „Was hat es damit auf sich?“, fragte ich nun, weil ich es nicht mehr aushielt. Nocheinmal sah er zu Erik, die immernoch keine Anstalten machte, ihm das Wort abzunehmen. Kurz verfinsterte sich wieder sein Gesicht. Dann aber wurde es ernst und er sah mich aus untergründlichen Augen an. Tief holte er noch mal Luft, ehe er weitersprach. „Es ist die Gabe, die dir deine Mutter vermacht hat. Die Gabe, dass zusehen was noch nicht ist, aber sehr bald sein wird!“, erklärte er und über meinem Kopf musste ein riesiges Fragezeichen schweben, denn nun mischte sich doch Erik ein. „Mit anderen Worten: Deine Mutter hat dir das Sehen in die Zukunft, in die Wiege gelegt!“ Und nun glaubte ich den Boden unter den Füssen zuverlieren. Würde ich nicht sitzen, wäre ich schon längst zusammengesackt, wie ein nasser Sack. Ich hatte das Sehen in die Zukunft von meiner Mutter? Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, geschweige denn ob ich mich freuen sollte. Meine Mutter konnte einst wie ich Hellsehen und sie hatte es an mich weitergegeben. Aber warum hat sie nie darüber gesprochen? Hatte sie denn davon überhaupt gewusst, dass auch ich sie hatte? „Weil sie dich nicht beunruhigen wollte. Und ja, sie wusste, dass du diese Gabe auch hattest. Schon damals, als kleines Kind hattest du sie. Sie war zwar zu schwach, als das du es bemerken konntest. Aber du hattest sie. Die ganze Zeit und seit dem Tod deiner Mutter, ist sie stärker geworden!“, erklärte er. Mir wurde zuspät bewusst, dass ich meine Fragen diesesmal laut ausgesprochen hatte. Und jetzt hatte ich die Antwort. Die, die ich immer wieder auf meine Frage haben wollte, warum mir das passierte. Ich hatte diese Gabe von meiner Mutter. Das war ihr Erbe an mich. Und auch wenn es mir schon vorher, tief in meinem Inneren, bewusst war, konnte und wollte ich es nicht glauben. Das war einfach unfassbar. War nicht wirklich. Konnte nicht wirklich sein. Gerne hätte ich das als Spinnerei eines alten Mannes abgetan. Aber da gab es etwas tief in mir, dass dieses Hoffen zunichte machte. Dass mir sagte, nicht länger die Augen vor der bitteren Wahrheit zuverschließen und es zu akzeptieren. Doch ich wollte das nicht. Wollte diese Gabe nun umso mehr nicht haben. Mamas Tod war schon schlimm genug. Und dass ihr Tod nun meinen Fluch noch stärker gemacht haben sollte, machte mich wahnsinnig vor Verzweifelung. „Aber warum? Warum jetzt? Warum sind sie nicht schon damals so stark gewesen?“, fragte ich und meine Stimme nichts weiter als ein Schluchzen. Ich fühlte mich in diesem Moment so entsetzlich allein und hilflos zurückgelassen. Als würde ich nicht wirklich am leben sein, sondern schon längst tot. Das ergab doch alles keinen Sinn. Wenn meine Gabe damals schon stark gewesen wäre, als Mama noch lebte, so würde ich jetzt Halt bei ihr finden. Sie würde mich so trösten, wie es nicht mal Papa tun konnte. Aber Mama war tot und begraben und so blieb ich allein zurück. Allein mit diesem Fluch, der auch auf ihr gelastet hatte. Wie mag es ihr dabei ergangen sein, fragte ich mich dabei. Hatte sie sich genauso gefühlt, wie ich. Gelähmt von Verzweiflung, weil sie ebenso nichts dagegen tun oder gar diese schrecklichen Ereignisse nicht verhindern konnte. Hatte das vielleicht dafür gesorgt, dass sie sich umgebracht hatte? Möglich wäre es. Niemand, der nur einen Funken Menschlichkeit bei sich hatte, konnte das ohne etwas wie Angst geschweige denn wie Verzweiflung zuempfinden, ertragen. Und auch wenn meine Mama eine stolze und starke Frau gewesen war, konnte ich es mir nicht vorstellen, dass sie dabei nicht daran zerbrochen wäre. Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen und hätte nach meiner Mama geschrien. Hätte mich an sie gedrückt und mich von ihren Worten beruhigen lassen, wie damals, als ich noch ein kleines Mädchen und aus einem schlimmen Traum erwacht war. Doch sie war nicht mehr da und ich war allein. Die Tränen rannen mir nur so über die Wangen und ich vergrub mein Gesicht in den Händen. „Grossartig, Daroga. Toll gemacht. Genauso musste das jetzt sein!“, hörte ich Erik wie von weitem schnaubend. „Wärst du mir nicht über den Mund gefahren, hätte ich es ihr schonender beibringen können!“, giftete Daroga zurück. „Schonender? Darauf wäre ich sehr gespannt gewesen. Du weißt genauso gut wie ich, dass die Hölle sie niemals mit Samthandschuhen anfassen würde!“, kam es nun wieder von Erik. „Das weiss ich ja. Aber es bringt nichts, sie ins eiskalte Wasser zu schubsen!“ „Tja, das ist schon passiert, falls du es nicht gemerkt hast. Was gibt dir das Recht, so zutun, als ob du der beste Freund wärst. Darf ich dich daran erinnern, dass Erin am Ende dir die Freundschaft gekündigt hat?!“, hörte ich Erik sagen. „Kein Wunder bei den ganzen Geheimnissen, die du vor ihr hattet, und dabei zugleich behauptet hast, du seist ihr Freund!“ „Ach, sei still du…!“ „Seid alle beide still!“, schrie ich schrill, weil ich ihre Zankereien nicht länger ertragen konnte und war sogleich aufgesprungen. Papa, Daroga und auch Erik schienen mich mit verblüfften Augen anzusehen. Sie hatten wohl nicht gerechnet, dass ich so expoldieren würde. Noch ehe sie etwas sagen oder tun konnten, war ich zur Tür gerannt und hatte diese aufgerissen. Ich hörte noch wie mein Vater nach mir rief. Dann war ich schon die Stufen nachunten gerannt und aus der Haustür draußen. Obwohl der Wetterdienst keinen Regen angesagt hatte, hatten sich dunkle Wolken am Himmel gebildet und es begann zu donnern. Mir war es aber egal. Soll es doch donnern, regnen oder gar blitzen. Mir war alles egal. Es schüttete wie aus Eimern, als ich durch die Strassen von Paris umherirrte. Ich wusste nicht wohin ich gehen sollte. Ich war einfach drauflosgelaufen. Zum einen weil ich glaubte keine Luft mehr zubekommen und zum einen weil ich dagegen hiflos war. Hilflos gegen die Wahrheit, die mir da eben offenbart wurde und die zugleich Antwort auf meine Frage war. Dennoch fühlte ich dabei keine Zufriedenheit. Wie denn auch? Es hatte dies noch viel schlimmer gemacht. Es war einfach nicht mehr zuertragen. Wieder fragte ich mich, ob die Gabe des Sehens schuld daran war, dass Mama sich getötet hatte. Es musste so gewesen sein. Ich hätte es ebenso getan. Schon längst eigentlich, wäre ich an ihrer Stelle gewesen. Ich hätte nicht gewartet. Da kam mir plötzlich ein verrückter aber auch ereschreckender Gedanke. Warum sollte ich mir jetzt nicht auch das Leben nehmen? Jetzt wo ich wusste, woher und von wem ich diese Gabe hatte, konnte ich dem doch auch ein Ende setzen, wie es einst meiner Mutter getan hatte. Wäre das nicht passend? Die Tochter stirbt ebenso durch die eigene Hand, wie einst die Mutter. Schon eingwenig theatralisch. Und es war erschreckend, wie ähnlich ich plötzlich meiner Miutter war. Zwar wusste ich schon vorher, dass ich das meiste von ihr hatte, aber nun… Es war als wäre ich zum Teil sie selber. Als würde etwas von ihr in mir weiterleben. Eigentlich sollte das mir ein gutes Gefühl geben, dass sie in mir weiterlebte. Aber es ließ mich schauern in welcher Art ich ihr ähnelte. Wie sehr meine Gedanken der ihren geähnelt haben mussten, bevor sie sich… Hatte sie denn überhaupt ansowas gedacht, oder sich einfach aus reinem Impuls das Herz durchbohrt? Was kümmert es dich, was sie gedacht oder ob sie es getan hatte, zischte eine Stimme. Beende es, ehe es du dir noch anders überlegst und weiterhin leidest! Diese Stimme war nicht die von Erik. Sie klang viel dunkler und krächzender. Wie eine Säge, die über Stein geschleift wurde. Sie ließ mich zu Eis erstarren und ich blieb zitternt im Regen stehen, der nicht mehr kalt war, sondern warm. Beinahe heiss. Nur die Kälte in mir blieb und ließ mich weiterzittern. Weiter leiden, fragte ich mich und tausend schreckliche Bilder jagten mir durch den Kopf. Ich konnte mich deutlich sehen, wie ich in einer Ecke kauerte und weinte, schrie und hysterisch lachte. Ich war verrückt geworden, durch diese schrecklichen Visionen, die mich überfielen. Die Visionen, die das Erbe meiner Mutter waren. Und an denen ich genauso zerbrechen würde, wie sie. Doch soweit würde ich es nicht kommen lassen. Jetzt war die Gelegenheit mehr als günstig. Wenn sich jemand selbst das Leben nahm, weil er einen Nervenzusammenbruch hatte, würde man sicher keine Fragen stellen. Nicht mal Papa würde man etwas vorwerfen können. Papa! Was würde aus ihm werden, wenn ich nicht mehr war. Würde er genauso um mich weinen, wie er um Mama geweint hatte. Sicherlich. Mit größter Bestimmtheit. Immerhin war ich sein kleines Mädchen, welches er niemals verlieren und immer beschützen wollte. Aber wenn ich jetzt gehen würde, würde ihm das Herz brechen. Er wäre am Boden zerstört und würde sich die Schuld geben, weil er mich nicht aufgehalten hatte. Das konnte und wollte ich Papa nicht antun. Aber ich wollte auch nicht weiter dieses Erbe haben. Nicht mehr dieses Leben, das nur aus Grauen bestand. Ich fühlte mich hinundhergerissen und noch ehe ich wirklich begriff, was als nächstes passierte, stand ich auf einer der vielen Brücken, die über die Seine führten. Oder besser gesagt auf dessen Brüstung. Ich musste nur noch einen Schritt machen und gegen Drang ankmäpfen, an die Oberfläche zuschwimmen, und schon würde ich eine von vielen Wasserleichen werden. Ich schloss die Augen und hob den Fuss hoch, um einen Schritt ins Leere zumachen. Verabschiedete mich dabei von allen, die ich kannte und die mir lieb und teuer waren. Doch bevor ich in die Tiefe fiel, packte mich plötzlich eine Hand und hielt mich zurück. Als ich erschrocken die Augen öffnete und zu demjenigen schaute, der mich vom Sprung abhielt, schlug ein greller Blitz ein und tauchte dessen Gesicht in einen hellen Schein. Mir verschlug es glatt die Sprache. Ich dachte zuerst es sei mein Vater, oder gar Daroga. Doch keiner von beiden, hielt mich fest. Sondern… „Erik!“, keuchte ich. Und wie zur Bestätigung rollte wenige Sekunden später der Donner über uns weg. Kapitel 6: London! ------------------ Minutenlang stand ich so auf der Brüstung der Brücke, von der ich mich stürzen wollte und schaute Erik an, der wiederum mich ansah. Es war viel zu dunkel, als das ich etwas erkennen konnte. Nur die wenigen Blitze ließen kurz sein Gesicht erkennen und immer wenn ich ihn sah, glaubte ich in diesem einen Bruchteil der Sekunde etwas wie Erleichterung in seinen Augen zusehen. Aber das konnte ich mir auch einbilden. Irgendwann, ich wusste nicht wielange ich schon auf der Brücke stand, aber dann zog mich Erik hinunter und legte die Arme um mich. Drückte mich eng an sich und ich glaubte zu fühlen, wie er mir über das Haar strich, dass klitschnass war. Wie alles andere auch an mir. Ich fing furchtbar an zufrieren und kuschelte mich auotmatisch an ihn. Mal abgesehen davon, dass er mich am Anfang beinahe zu Tode erschreckt hatte und ziemlich gefährlich werden konnte, fühlte er sich wunderbar warm an. Und auch wenn es immernoch wie aus Kübeln goss und ich immer mehr fror, störte es mich nicht. Ich fühlte mich sogar dabei sehr wohl, sowie ich in seinen Armen dastand. So wohl, dass ich augenblicklich einschlief. Die nasse Kälte wich schon bald trockener Wärme, die sich nicht so gut anfühlte, wie als Erik mich in den Armen hielt. Aber dennoch wärmte sie mich und ich vergass in diesem tiefen Schlaf, was ich erfahren hatte. Aus diesem erwachte ich aber schon bald und ich fand mich, wie konnte es anders sein, in meinem Zimmer wieder. Zuerst war ich zu müde um mich daran zuerinnern, wie ich hierhergekommen war. Doch dann sah ich Erik, der auf einem Stuhl neben meinem Bett saß und mich mit Argusaugen beobachtete. Hatte er die ganze Nacht hiergesessen und über mich gewacht? Ich konnte nicht sagen, ob ich mich darüber freute. Gerne würde ich es. Ich sollte aber nicht vergessen, dass er auch eine andere Seite an sich hatte. Die, die er denjenigen zeigte, die ihm in die Quere kamen oder mir an den Kragen wollten. Und dass er mich ebenso mit seinem zweiten Gesicht erschreckt hatte, sollte mir klarmachen, dass er kein Mensch ist, auch wenn er so aussieht und nicht der Kumpel ist, den man sich wünschte. Mochte er mich gerettet haben. Ich hatte immernoch die ersten Worte im Gedächtniss, als er mich vor diesem Monster gerettet hatte, dass mich fressen wollte. „Ich habe jegendlich dein Ende hinausgezögert!“ Immernoch lief es mir kalt den Rücken runter, als ich daran dachte. „Na, wieder wach?“, fragte er mich und holte mich damit aus meinen Gedanken. Ich nickte und wollte mich aufsetzen, als alles Blut mir in den Kopf schoss und ich rot wie eine Tomate wurde. Wo zum Teufel waren meine Klamotten? So schnell dass Erik nicht kucken konnte, zog ich die Decke bis an Kinn und schaute ihn mit entsetzen Blicken an. Mir kam ein schlimmer Verdacht. Auch wenn es absurd war, aber man konnte ja nie wissen. „Hast du etwa…?“, fragte ich, worauf Erik mir einen empörten Blick zuwarf. Offensichtlich erschreckte es ihn, dass ich so dachte. „Wo denkst du hin? Falls du es nicht mehr weißt, du hast dich selber ausgezogen. Nachdem dein Vater dich aus meinen Armen förmlich gerissen hat und mir eine ordentliche Predigt gehalten hat!“, erklärte er und machte einen angesäuerten Eindruck. „Und ich dachte deine Mutter ist unerträglich, wenn es um dich geht!“ Bei der Erwähnung meiner Mama zog sich mein Herz zusammen und wieder kam mir in Erinnerung, was ich gestern über sie erfahren habe. „Kanntest du sie denn?“, fragte ich und Eriks Gesicht nahm aufeinmal einen seltsamen Ausdruck an. So als würde er sich dazuzwingen müssen, sich an sie zuerinnern. „Natürlich, was denkst du denn. Ich habe mit ihr zusammen gearbeitet!“, erklärte er so, als sei es das logichste der Welt. Doch das für mich reichte diese Antwort nicht. Und machte mich vorallem misstraurisch. Mama hatte noch nie über ihn gesprochen. Ich fragte mich, was sie mir noch soalles verheimlicht hatte. Dass ich ihre Gabe hatte und nun auch Erik, der ihr Partner war, nun eine Art Leibwächter für mich war, schien nur die Sptze des Eisberges zusein. Das spürte ich. „Und als was habt ihr beide zusammen gearbeitet?“ Die Worte kamen mir nur schwer über die Lippen. Erik sah mich für einen kurzen Moment schweigend an. „Das ist etwas schwer zuerklären!“, begann er und schien nun nach den richtigen Worten zusuchen. „So schwer zuerklären ist, wie dieser Ghoul, der mich fressen wollte und dieser Parasit, der meine Freundin getötet hat!“, sagte ich bitter, weil ich instinktiv wusste, dass diese Schrecknisse nicht nur mir passiert waren. Eriks Augen wurden etwas groß, doch dann erkannte er, dass ich nicht auf den Kopf gefallen war. Zumindest nicht oft genug, sodass ich einen Schaden hatte. „Hm, ich sehe, dass du genauso ein kluges Köpfchen bist, wie deine Mutter. Das macht es einigermassen leichter. Nun ich und deine Mutter waren Jäger. Doch anders als gewöhnliche Jäger, die Hirsche, Wildschweine und sonstige Tiere jagten, jagten wir Wesen, die nicht…animalisch waren. Sondern sich in den Schatten und in den Alpträumen der Menschen versteckten!“, erklärte er und eigentlich konnte er sich diese Umschreibung sparen. Ich wusste, was er damit meinte. Aber dass meine Mutter diese gejagt haben sollte. Dass sie eine Art Doppelleben geführt haben sollte, wollte mir nicht in den Kopf. Für mich war sie eine normale Frau, wie jede andere auch. Oder hatte ich mich da gettäuscht? Nein! Ich weigerte mich das zuglauben. „Nein, dass…dass ist doch möglich!“, flüsterte ich. „Genauso wie es nicht möglich ist, dass ich hier sitze und…!“, sagte Erik unberührt und schaute dabei aus dem Fenster. Ich folgte seinem Blick und sah, wie es zu dämmern begann. „…Wenn ich es richtig sehe, mich gleich wieder in einen Schatten verwandle?“ Das leuchtete ein. Nichts war unmöglich. Auch nicht, dass es Dämonen gab. Aber ich schauderte immernoch bei dem Gedanken, dass meine Mutter eine Jägerin war, die sie jagte. Es wollte einfach nicht zusammenpassen. Ich versuchte mir meine Mutter, wie sie an dem Herd stand und mein Lieblingsessen kochte neben einer Frau vorzustellen, die des Nachts, zusammen mit Erik, Monster jagte und sie weiss Gott wie auslöschte. Das waren zwei völlig verschiedene Personen. Zu verschieden, als das sie zusammenpassen konnten. „Wenn das so ist, warum hat sie mir nichts gesagt?“, fragte ich mich selber. Erik schwieg einen Moment, dann sagte er, in einem etwas sanften Ton:„ Sie wollte dir keine Angst machen. Und dich schützen!“ Irgendwie reichte mir diese Antwort nicht. Das mit dem nicht Angst machen, hatte meiner Meinung nach nicht geklappt. Ich fürchtete mich trotzdem. Und jetzt, wo ich von dem geheimen Doppelleben meiner Mutter erfuhr, machte mich das noch nervöser. Und verwirrter. Als ob ich nicht schon genug Probleme hatte. „Hat wohl nicht funktioniert!“, murrte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wäre es dir lieber gewesen, wenn sie dich mit auf die Jagd genommen hätte und du zum ersten Mal einen echten Dämon gesehen hättest?“, fragte Erik trocken und ich musste schlucken. Nein, natürlich nicht. Mutter hatte mich immer in Watte gepackt, wenn es darum ging, mich vor jemanden schützen zu wollen und ich musste mich wieder daran erinnern, wie sie das seltsame Symbol in meinen Kleiderschrank gezeichnet hatte. Und mir wurde plötzlich eines bewusst: Ihre Versuche, mich zu schützen, hatten doch funktioniert. Zumindest als ich noch ein kleines Kind war. Nun aber wo sie nicht mehr lebte schien ich nun ein leichtes Ziel zusein. „Dachte ich es mir doch!“, sagte Erik, als er mein Schweigen für ein Ja auf seine Antwort hielt. „Wie auch immer. Erin wollte dich auch schützen, wenn sie nicht mehr lebte. Darum bin ich hier!“ Das brauchte er mir nocheinmal nicht zusagen. Aber vielleicht dachte er, dass ich ihm das immernoch nicht glaubte. Tat ich auch irgendwie nicht. Dennoch schien es aber einen Sinn zu machen. Und ich musste etwas lächeln. Dass Mama selbst nach ihrem Tode mich in guten Händen wissen lassen wollte, rührte mich. Wobei… Konnte ich ihm denn vertrauen? „Reicht es nicht, dass ich dir schon das Leben gerettet habe, damit zu mir trauen kannst?“, fragte Erik und holte mich so aus meinen Gedanken. Wie konnte er überhaupt wissen, was ich dachte. Konnte er… „Gedankenlesen? Ja, kann ich. Also pass auf was du denkst oder lerne, deine Gedanken hinter einer dicken Mauer zuhalten, sonst überlasse ich dich den Dämonen, die da draußen sind!“, drohte er. Ich biss mir auf die Unterlippe als ich das hörte. Ich zweifelte nicht an seinen Worten. Er würde sie wahr machen. „Sorry. Ich…ich wollte dich nicht kränken!“, kam es kleinlaut von mir. Erik winkte ab, wmot ihr wohl klarmachte, dass er meine Entschuldigung annahm. „Was…was machen wir denn jetzt?“, fragte ich und wickelte mich in meine Decke ein. „Wir…nichts. Du musst dir überlegen, was du nun machen willst. Mein guter Rat ist, dass du nach London gehst. Dort wird man dir helfen können. Oder aber du bleibst hier und sitzt hier praktisch auf einem Silberttablett. Wie ein Schwein, dass nur darauf wartet, geschlachtet zuwerden!“ „Was oder wer ist in London?“ „Ein alter Bekannter deiner Mutter. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass er über deinen Besuch nicht gefallen wird, aber lass das nur meine Sorge sein!“, sagte er und seine Gestalt wurde durchsichtig. Das konnte nur eines heissen. Die Sonne ging auf. „Ich werde ich schon weichklopfen!“ Eriks Worte verklungen, wie ein fernes Echo und ich schaute nochlange zu dem Stuhl auf dem er gesessen hatte. Doch dann fielen mir wieder die Augen zu. „Das hätte nicht passieren dürfen!“, murmelte Daroga, mit einem düsteren Blick auf den Boden gerichtet. Chris saß dem Perser gegenüber und nickte. Während er aber dachte, dass Daroga Allisons Ausbruch damit meinte, hatte Daroge etwas ganz anderes damit angesprochen. „Wir hätten sie besser darauf vorberieten sollen. Nicht mit der Tür ins Haus fallen lassen sollen. Wir hätten schneller als Erik sein sollen!“, erklärte er leise und wischte sich über das Gesicht. Die vergangenen Stunden in denen Allison leichenblass geworden und dann haldüberkopf losgerannt war und denen er sich große Sorgen um sie gemacht hatten. Sogar Angst hatte, dass sie sich etwas antat, schienen eine Ewigkeit herzusein. Doch sie blieben wie ein Geschwür und plagten ihn mit Selbstvorwürfen. „Das meine ich nicht!“, sagte Daroga und holte ihn aus seinen Grübeleien. Chris runzelte die Stirn. „Sondern?“ „Erik sollte…durfte nicht hier sein!“, sagte er und sah Chris mit einem unheilvollen Blick an. Chris versteifte sich und etwas in seinem Inneren wusste, was er damit meinte. „Nachdem Erin den Pakt gelöst hatte, sollte er eigentlich wieder in die Hölle zurückgekehrt sein. Dass es nicht so ist, macht mir ehrlich gesagt Kopfschmerzen!“ „Aber hat sie doch beschützt!“ „Das sicher ja. Aber ich fürchte, dass er irgendwann auch mit Allison…!“ Sofort wurde Chris blass, als Daroga weitersprechen wollte und sein Herz setzte einige Schläge aus. Er verstand nur zugut, was sein Gegenüber damit meinte. Ungläubig schüttelte daraufhin den Kopf. „Sie…sie wollen mich auf den Armen nehmen?!“, keuchte er. Darogas Blick hingegen wurd enoch düsterer und auch etewas niedergeschlagen, da Erik schon so lange und gut genug kannte. Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich wünschte es wäre so!“ Chris wurde malzumal blasser und er sank auf die Couch zurück. Ihm wurde kalt. Eisigkalt. Und er fühlte eine lähmende Angst in sich hochsteigen. Sie kroch durch seinen Körper wie ein Gift und ließ die schrecklichsten Bilder vor seinem inneren Auge entstehen. Er sah seine Tochter, die in der Finsterniss versank und als unkontrollierbares und mordlüsternes Ungeheuer erschien, dass alles und jeden auslöschte, was sich ihm in den Weg stellte. Dabei kam die Erinnerung an seine verstorbene Frau wieder hoch. Er sah sie wie zwei übereinander- liegende, transparente Bilder. Das obere, welches sie als eine normale, menschliche Frau zeigte, die lachte und glücklich war, konnte nur wenig das verbergen, was das untere zeigte. Eine Kreatur, die kein Mensch mehr war. Die erfüllt von dunkler Rachsucht und dämonischer Freude war. Die nicht die Menschen wiedererkannte, die sie einst liebte und denen sie etwas bedeutet hatte. Die nicht Herrin über sich selber war. Sondern nur an eines denken konnte: Töten! Und das sollte nun auch aus Allison werden? Chris wurde schlecht bei diesem Gedanken und er musste schlucken, um den bitteren Geschmack der Galle loszuwerden. Schon allein die Vorstellung ließ ihn zu Eis erstarren. Er schüttelte den Kopf, um dieses Bild zu verbannen. Versuchte nicht länger daran zudenken. Doch es blieb ein dunkles Flüstern welches nicht schweigen wollte. Nein, schrie er innerlich. Das lasse ich nicht zu! Chris war sich bewusst, dass seine Gedanken aus reiner Verzweiflung geboren waren und er wusste auch, dass er nicht die dazunötige Kraft hatte, um Allison vor der Dunkelheit, in Gestalt dieses Erik, zu beschützen. Dennoch würde er einen Weg suchen. Es musste einfach einen geben. „Was können wir dagegen tun?“, fragte er und war erschrocken wie schwach seine Stimme klang. Aber war das denn verwunderlich. Er hatte soeben erfahren, dass er seine Tochter verlieren könnte. „Wir müssen einen Weg finden, Erik loszuwerden. Wie, muss ich mir selber noch überlegen!“, erklärte Daroga und sorgte mit diesen Worten immermehr, dass Chris Angst und Sorge größer wurde. „Das müssen sie nicht!“ Erschrocken drehten sich Daroga und Chris zu der schwachen jungen Frau herum, die sich müde am Türrahmen abstützte und sie mit traurigen Augen ansah. Ich hatte lange geschlafen. Zulange und das war mein Fehler! Irgedwann träumte ich wieder und das nicht gerade süß. Ich fand mich in Rom wieder. Um genau zusein, an dem Ort, andem meine Mutter sich erstochen hatte. Doch statt Helligkeit, die durch die Fensterdrang, war nur Schwärze. Meine Mutter hockte auf dem Boden, ihr Gesicht zu einer Fratze verzerrt und in ihrer Hand der Dolch. Damals als kleines Mädchen hatte ich nur gesehen, wie sie sich diesen immer wieder in die Brust gestossen. Nun aber sah ich den Dolch. Deutlicher als mir lieb war. Er war mit mir unbekannten Symbolen verzieert. Und noch etwas war seltsam daran. Sie schien irgendwie zu leuchten. Nur schwer konnte ich meinen Blick von dieser Waffe lassen. Sie zog mich beinahe magisch an. Was war das bloss? Da hörte ich das Wimmern. Es kam nicht von meiner Mutter. Sondern von mir. „Mama!“, schrie ich und eilte an mir vorbei. Ein Ruck ging durch meinen Körper als ich sah, wie ich als kleines Mädchen zu meiner Mutter rannte. Damals konnte ich es nicht. Man hatte mich zurückgehalten. Aber anscheinend war es mir nun vergönnt gewesen, dass ich zu ihr gehen konnte. Nur leider war es zuspät. Der alte Schmerz und die Trauer kehrten bei diesem wieder zurück und mein Hals schnürte sich zu als ich sah, wie meine Mutter sich immer wieder den Dolch in die Brust stiess. Das Böut förmlich aus der Wunde heraussprudelte. „Mama…Mama!“, schrie meine Vergangenheit immer wieder und ich schrie mit. Tränen rannen mir dabei über die Wangen und ich ging in die Knie. Zugroß ist der Schmerz und das Grauen, bei dieser Erinnerung als das ich mich auf den Beinen halten konnte. Zitternt und schluchzend blickte ich zu meiner Mutter und mir selbst. Inzwischen war das Loch in ihrer Brust groß und tief genug, dass sie nicht mehr lange duchhalten würde. Ich hörte mich als Kind schniefen und jammern. Mit einer letzten Kraftaufbringung warf meine Mutter den Dolch weg und sackte in sich zusammen. Die Fratze, die ihr Gesicht entstellt hatte, war entwischen und ein trauriger liebevoller Blick lag in ihren Augen. „Mein kleines Mädchen!“, flüsterte sie, wobei ein dünnes Rinnsal ihr über die Lippen floss. Zaghaft streckte sie die Hände nach mir aus, wollte mich in die Arme nehmen. Ich, oder vielmehr meine kindliche Gestalt ließ dies zu und schmiegte sich an sie. Schien sich nicht daran zustören, dass aus Mamas Brust immer mehr Blut ausströmte. Ich hätte es auch getan, wenn ich nur in der Lage wäre mich zurühren. Doch mein Körper fühlte sich schwer wie Blei und leer an. Ich konnte nichts sagen, nichts denken und dennoch glaubte ich die weiteren Worte meiner Mutter zuhören, die dem kleinen Mädchen, welches ich mal war, über den Rücken strich. „Hab keine Angst. Alles wird gut. Ich verlasse dich nicht. Niemals!“, daraufhin schien sie sich in Luft aufzulösen und ich und mein anderes Ich schrien entsetzt auf. „Niemals!“, verklang ihr Rufen und dann trat bedrückende Stille ein. „Nein, Mama!“, flüsterte ich und schlang die Arme um mich. Versuchte angestrengt das Zittern zustoppen, welches mich schüttelte. Aber dazu war ich nicht im Stande. Schaute dabei auf die in sich zusammengekrümmte Gestalt meines früheren Selbst und sah, dass es ihm nicht anders erging. Ich wollte aufstehen und das Mädchen in die Arme nehmen. Ihr zeigen, dass sie nicht allein war mit ihrem Schmerz. Mein Körper jedoch war immernoch wie gelähmt. Hatte keine Chance meinem Wunsch nachzukommen. „Niemals!“, hörte ich erneut und dann drehte sich das Mächen, was ich mal war, um. Ihr Gesicht mit Blut verschmiert. Ihre Augen immernoch feucht von den vielen Tränen, die es geweint hatte. Immernoch am Leibe zitternt genauso wie ich. Ihr Blick ging durch mich hindurch. Schienen leer zusein. Aber das änderte sich und es kehrte Leben in diese zurück. Der Blick, der in diesen Augen lag, war aber nicht das, was ich erwartet hatte. Statt Trauer in diesen zusehen, sah ich einen Ausdruck des Wissens. So als hätte sie gewusst, dass ich dawar. Sie beobachtet hatte. Ich biss mir auf die Unerlippe, weil ich mich fühlte, wie ein Spion und wollte etwas sagen. Etwas wie eine Entschuldigung. Dazu kam ich aber nicht, denn sie stand plötzlich auf und während sie das tat, veränderte sich ihr Körper. Wuchs heran. Und ich glaubte nun in einen Spiegel zusehen. Das Mädchen von damals war nun erwachsen. Hatte die gleichen Augen, dassselbe Haar und dasselbe Gesicht wie ich. Aber sie schien dennoch jemand anderes zu sein. Während mein Gesicht nur Fassungslosigkeit spiegelte, war ihres vor wilder Entschlossen erfüllt. Ihr Gesicht, welches mit dem Blut meiner Mutter verschmiert war. Ich schauderte, als mir klar wurde, dass diese Allison vor mir, nichts mit mir gemein hatte. Sie schien eine ganz andere Person zusein als ich. Trotz dass sie aussah wie ich. Noch lange standen wir uns gegenüber und sahen uns an. Dann beugte sie sich vor und hob den Dolch auf, den meine Mutter weggeworfen hatte. Schloss diesen fest in ihre Finger. Ich konnte sie nur ansehen. War nicht fähig etwas zusagen oder zudenken. Zu gebannt war ich, von der Frau vor mir, die mir bis aufs Haar glich und doch eine andere war. Da erschien hinter ihr ein dunkler Schatten. Er hob sich deutlich von der anderen Dunkelheit um uns herum ab und schien in Reglosigkeit zuverweilen. Ich spürte, wie mir kalt wurde, als ich so den Schatten ansah und glaubte, dass er auch mich anschaute. „Ich verlasse dich nicht!“, hörte ich plötzlich wieder. Diesesmal war es nicht die meiner Mutte, die das sagte. Sondern eine andere. Eine dunklere und zugleich sanfte Stimme. Sie kam mir bekannt vor. Doch noch ehe ich richig begreifen konnte, was das zubedeuten hatte und woher ich sie kannte, schälte sich auch schon aus dem Schatten eine Gestalt oder besser gesagt ein Mann, den ich nur allzugut kannte. Erik! Reglos stand er hinter meinem Ebenbild. Legte dann die Hand auf dessen Schulter, als wollte er ihr zeigen, dass er da war. Seine andere ging zu der, die den Dolch hielt. Schloss seine Finger um dieihrigen. Es war ein seltsames Bild, was sich mir da zeigte. Die Andere schien sich nicht stören, dass Erik hinter ihr war und sie berührte. Ich glaubte in ihrem Blick sogar etwas wie Erleichterung zusehen. Dass sie froh war, ihn bei sich zuhaben. Oder konnte es sein, dass ich es eigentlich war, die sich über Eriks Gegenwart freute? Zugegeben. Erik hatte mir mehr als einmal das Leben gerettet und als er mich bei den letzten Malen in die Arme gnommen hatte, fühlte ich mich so geborgen, als wäre es meine Mutter, die mich da umarmte. Konnte es daran liegen, dass ich von ihm nun träumte? „Ich verlasse dich nicht!“, sagte er nun wieder und etwas an seinen Worten ließen mich nicht daran zweifeln. Auch wenn es zuerst die Worte meiner Mutter waren. „Niemals!“ Dann erwachte ich. Eine Zeit lang lag ich nur da und schaute in Leere. Fragte mich ob dass alles nicht doch zuviel war und dass es der Grund war, für diesen Traum. Aber irgendwie glaubte ich das nicht. Wenn ich so recht überlegte war alles, was bisher passiert war, wohl nicht der ausschlaggebende Grund, dass ich nun so einen Traum hatte. Da sich dieser nicht um die Zukunft, sondern um die Vergangenheit drehte. Seltsam. Und da gab es noch etwas, was mich stutzig machte. In diesem Traum schien Erik es wirklich ernst zumeinen, mich zubeschützen. Ob das auch in der Realität zutraf? Und konnte er mich wirklich beschützen? Etwas tief in mir sagte, dass er das konnte. Dafür muss ich ihm aber vertrauen. So schwer mir das auch fiel und auch wie groß mein Unbehagen war. Erik war vermutlich der einzige, der mich beschützen konnte. Nur wie machte ich das meinem Vater und Daroga klar. Sie schienen nicht gerade von ihm begeistert zusein. Konnte ich auch irgendwie verstehen. Ich meine, wer will schon, dass die Tochter von einem wie ihm beschützt wurde? Aber was blieb mir für eine andere Wahl. So holte ich also tief Luft, um ihnen zusagen, was ich von der ganzen Sache hielt und ging auf den Flur. Da hörte ich die Stimmen meines Vaters und von Daroga, wie sie mit einander diskutierten. „Sie…sie wollen mich auf den Armen nehmen?!“ „Ich wünschte es wäre so!“ Dann herrschte lange beklemmendes Schweigen. Ich hielt dabei die Luft an, weil ich zu gespannt war, als dass ich atmen konnte. Mein Vater war der erste, der weitersprach. „Was können wir dagegen tun?“ „Wir müssen einen Weg finden, Erik loszuwerden. Wie, muss ich mir selber noch überlegen!“ Das wird nie klappen, schrie es in mir. Selbst wenn Daroga einen Weg fand. Erik schien nicht jemand zu sein, den man loswird. Zumindest nicht für eine lange Zeit. Zumal ich ihn nicht loswerden wollte. Wie gesagt, er war der einzige, der mich beschützen konnte. Und das einzige Bindeglied zu meiner Mutter und deren fragwürdiger Vergangenheit. „Das müssen sie nicht!“, sagte ich und sah, wie mich Papa und Daroga überrascht anschauten. Als hätten sie nicht damit gerechnet, dass ich sie belauschen würde. Vermutlich hatten sie das auch. „Was meinst du damit?“, fragte Papa daraufhin, kam auf mich zu und hielt mich an den Schultern, da er füchtete, dass ich umkippen würde. In Wahrheit fühlte ich mich wirklich nicht gut, jetzt da ich daran dachte, was ich sagen würde. Musste. „Ich meine, dass ich nach London gehen werde. Wenn es stimmt, was Erik gesagt hat, wird es dort jemanden geben, der mich ausbilden kann!“, erklärte ich. Für einen kurzen Moment herrschte drückendes Scweigen und ich sah erst zu Papa und dann zu Daroga, der wohl am liebsten laut und unter Protest augeschrien hätte. „Das hat er gesagt?“, fragte er stattdessen und erhob sich. Ich nickte nur. „Stimmt das Daroga. Kennen Sie jemanden, der ihr helfen kann?“, fragte nun Papa und ich hörte deutlich in seiner Stimme soetwas wie Hoffnung, aber auch Furcht. Ich ahnte, was er dachte. London war weit weg und wenn ich dorthin gehen würde, würde er den Teufel tun und mich alleine nach London gehen lassen. „Nunja, ich persönlich nicht. Aber Erin hat dort wirklich Verbündete gehabt. Sehr mächtige Verbündete sogar!“, sagte er und sah dann mich an. Ernst und auch irgendwie skeptisch. „Bist du sicher, dass Erik das sagte?“ „Ja, ich…genau das hat er gesagt!“, erklärte ich hilflos und spürte, wie ich mich immer mehr in etwas verstrickte, was ich selber nicht wollte. Es fiel mir schon so schwer genug, die beiden zu überreden, dass es das Beste wäre, wenn ich nach London ginge. Aber Darogas Misstrauen in Bezug auf Eriks Rat machte dies noch schlimmer und ich fragte mich, was zwischen den Beiden vorgefallen sein muste, dass sie wie Hund und Katz zueinander waren. Doch das war jetzt erstmal nebensächlich. „Und igrendwas muss ja dran sein, wenn Mama dort jemanden hatte, wie Sie sagen!“, sagte ich nachdrücklich. Das ließ Daroga in ein tiefes nachdenkliches Schweigen verfallen. Offenbar musste er sich die nächsten Argumente überlegen, um mich von meinem Entschkluss abzuhalten. Dann sah er mich ernst an und seine nächsten Worte trafen mich wie ein Faustschlag. „Du vertraust ihm?“ Darauf konnte ich keine Antwort. Mir war das alles ebsnso nicht geheuer, wie den beiden aber… Ich musste wieder daran denken, wieoft er mich schon gerettet hatte und wie seltsam wohl ich mich gefühlt hatte, als er mich an sich gedrückt hatte. Ob man deswegen einem vertrauen kann? Ohne zuwissen, was ich darauf denken oder tun sollte, nickte ich einfach. „Ja, er…wenn er mir schaden wollte, hätte er mich gleich angegriffen. Er wusste schließlich wo ich arbeitete und wo ich wohne!“, sagte ich dann und dies schien wirklich erstmal zureichen. Doch dann folgte der nächste Schlag von Daroga. „Das kann auch eine Täuschung gewesen sein. Erik ist dafür bekannt, dass er einem als Freund erscheint, aber dann doch im nächsten Moment demjenigen in den Rücken fällt, der ihm vertraut!“, sagte er und eine Sekunde später hörten wir etwas klirren. Wir fuhren herum und sahen, dass der große Spiegel im Flur in tausend Scherben zersprungen war. Oder vielmehr zerschlagen war. Ich wusste sofort, wer das gewesen war. „Offenbar ist Erik anderer Meinung!“, murmelte ich. „Er war schon immer jemand, der schlechte Kritik nicht mochte!“, erwiederte Daroga und war wohl bemüht ungerührt zuklingen, aber der Blick mit dem er den Spiegel ansah, sprach eine ganz andere Sprache. „Wie auch immer. Ich vertraue Erik in diesem Punkt. Wenn er sagt, dass ich nach London gehen sollte, um zulernen, wie ich mich verteidige, dann werde ich nach London gehen!“, sagte ich dann um wieder seine volle Aufmerksamkeit zu bekommen. „Allison…!“, wollte Papa gerade einwenden doch ich schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Papa. Aber ich…ich tue das nicht nur für mich. Sondern auch für dich!“, begann ich und sah wie er mich verwirrt anschaute. Er schien offenbar nicht zuverstehen. „Das, was mit Marie passiert war, war kein Unfall. Kein Herzversagen. Ein…ein Dämon hat sie getötet. Vielmehr hat er sie als Köder benutzt um mich zubekommen. Und ich habe Angst, dass das bei dir genauso sein wird!“, erklärte ich. Und Papa verstand nun. Er nickte, doch er lächelte matt und umfasste meine Schultern mit seinen Händen. „Das verstehe ich, aber ich werde schon auf mich acht geben!“, sagte er und ich seufzte. Papa gab wohl niemals auf. Konnte ich auch nachvollziehen, aber er musste auch einsehen, dass, egal wie gut er sich auch gegen die Dämonen behaupten würde, keine Chance hatte. Sie würden ihn kriegen. Wobei… Auch wenn ich weggehen würde, würden sie das. Egal wie ich es drehte und wendete. Er würde immer eine gute Chance sein, um mich zu ködern. Da konnte ich genauso gut hierbleiben. Aber dann würde ich nicht lernen, wie ich mich zur Wehr setzte. Es war wirklich verzwickt. Und was blieb mir anderes übrig. „Versprichst du es mir?“, fragte ich und Papa nickte. Lächelte dabei. Es steckte irgendwie an. Doch mein Lächeln verschwand. „Dann kann ich nach London gehen!“, sagte ich dann und brach damit Papas Herz in tausend Stücke. „Alle Passagiere des Fluges 645 nach London bitte begeben Sie sich zu Gate 7. Die Maschine startet in dreißig Minuten!“ Das war mein Aufruf. Mein Magen spielte aufeinmal völlig verrückt und ich war versucht, wieder in das Taxi zusteigen, mit dem ich und Papa zum Flughafen gefahren sind und nachhause zugehen. Doch jetzt wo ich hier stand und an meinem Entschluss festhalten wollte, zwang ich mich nun zum angekündigten Gate zugehen und in das Flugzeug zusteigen, dass mich nach London bringen würde. Mein Vater legte mir due Hand auf die Schulter und ich drehte mich um. Offentsichtlich wollte er mich immernoch dazu bewegen, es mir doch noch anders zu überlegen. Ich lächelte nur schwach und umarmte ihn. „Ich melde mich, wenn ich angekommen bin!“, sagte ich leise. „Mir wäre es lieber, wenn du erst gar nicht fliegen würdest, sondern hierbleibst!“, erwiederte er dumpf und drückte mich noch etwas fester an sich. Ich seufzte. Typisch, Papa. Eben ein richtiger Polizist. Er würde niemals kleinbei geben. „Papa, darüber haben wir doch schon zigmal diskutiert!“, sagte ich. Und wie wir das hatten. Nach dem Daroga gegangen war, nicht ohne mich eindringlich zuwarnen natürlich, dass ich einen großen Fehler machte, hatten wir noch den ganzen lieben Tag darüber gesprochen. Beziehungswweise wollte er darüber reden. Doch ich bat ihn, es gut sein zulassen. Es fiel mir sowieso schon schwer genung und wenn ich daran dachte, dass ich noch zu meinem Chef gehen musste, wurde mir noch flauer im Magen. „Was du willst Urlaub haben? Jetzt? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, kam es von Jaque und er sah mich an, als hätte ich wirklich den Verstand verloren. Ich schüttelte nur den Kopf. „Nenn mir den Grund. Ich würde den zugerne wissen!“, forderte er. Und ich sprach den Satz aus, den ich mir sorgfältig zurechtgelegt hatte. „Das hat private Gründe. Eine Verwandte von mir in London ist schwer krank geworden, und außer mir gibt es niemanden, der sich um sie kümmern kann!“, erklärte ich. Zugebeben ganz schön altbacken diese Ausrede, aber was Besseres fiel mir wirklich nicht ein. „Eine Verwandte in London und keiner, der sich um sie kümmert. Abgesehen von dir?“, fragte er nach und hob die Brauen. Ich rutschte nervös hinundher, da ich irgendwie ahnte, dass er mir das nicht abkaufen würde und ich sollte rechtbehalten. „Willst du mich für blöd verkaufen!“, kam es dann und ich wollte schon ja sagen, doch dann hielt ich mich doch zurück und schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine das ernst!“ „Achja. Dir is schon klar, dass du mehr Fehltage in letzter Zeit hast, als gut ist!“, meinte er gleichgültig. Wieder nickte ich. Mir war schon klar, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Aber wie sollte ich sonst nach London können. Ich könnte auch einfach so gehen, ohne bescheidzusagen. Doch dann würde ich meinen Job verlieren. „Bitte. Es ist wichtig!“, bat ich ihn und versuchte einen Hundeblick aufzusetzen, der selbst Jaque weichkochen würde, der bekannt dafür war, dass ihn die privaten Probleme seiner Angstellten kalt ließen. „Nagut. Ich will mal nicht so sein. Du kannbst den Urlaub haben!“, sagte er und ich atmete erleichtert auf. „Danke. Ich denke, zwei Wochen werden reichen, bis sie wieder gesund ist!“, sagte ich und Jaque winkte ab. „Du kannst solange Urlaub haben, wie du willst!“, meinte er und das verwunderte mich etwas. So spendabel, wie mit dem Urlaub, war er noch nie. Das war schon seltsam. „Wirklich?“, fragte ich nach, weil ich mir nicht sicher war. „Ja. Du bist gefeuert!“ Tja, nun stand ich da. Am Flughafen mit Sack und Pack und ohne Job. Man könbnte meinen, dass man deswegen jetzt in Tränen ausbrechen sollte, weil man keine Existenz mehr hatte. Aber irgendwie war ich froh, nicht mehr bei Jaque zuarbeiten. Das Cafe weckte in mir sowieso viele schmerzliche Erinnerungen, als das ich dort noch länger arebiten konnte. Außerdem war der Job sowieso schlecht bezahlt gewesen. „Letzter Aufruf für die Passagiere des Fluges 645!“, erklang die Stimme einer Frau und ich schaute zu dem besagten Gate. Dann zu Papa. Er lächelte mich schwach an. Drückte mich nochmal. „Pass auf dich auf!“, bat er. Es war mehr eine Aufforderung als eine Bitte und ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Du bitte auch!“ Dann löste ich mich von ihm und ging zum Gate 7. Zeigte der Frau, die dort stand, meine Ticktes und ging dann weiter. Eine Stewardess zeigte mir meinen Platz und schon saß ich am Fenster des Flugzeugs und sah hinaus. Und während ich das tat, kämpfte ich darum, bei meinem Entschluss zu bleiben und nicht aus dem Flugzeug zurennen, in die Arme meines Vaters. Mich packte jetzt schon ein schreckliches Heimweh und ich wollte nicht daran denken wie es wäre, wenn ich in London bin. Nur selten, fast gar nicht, fuhr oder flog ich von zuhause weg. Man konnte mich wirklich als ein Nesthäckchen bezeichnen. Ich musste dabei lächeln und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Sagte mir stattdessen, dass ich schon sehr bald wieder nachhause kommen würde. Da ertönte die Stimme einer der Stewardessen. „Sehr geehrte Damen und Herren bitte legen Sie ihren Sicherheitsgurt an. Wir werden in Kürze starten!“, sagte sie und während sie die Sicherheitsvorkehrungen und die Notausgänge mithilfe ihrer Kollegin, die das ganze in Gebärdesprache übersetzte, erklärte sah ich hinaus und nahm still und leise Abscheid von Papa. Danach hörte ich schon die Triebwekre zum Leben erwachen und wir fingen an, langsam dann immer schneller über die Rollbahn zufahren. Bis der Pilot die Maschine in die Lüfte erhob. Es war bereits Abend, als ich die Türen des Heathrow Airport aufstiess und zum ersten Mal die englische Luft einatmete. Sie roch anders, als die, die ich aus Paris kannte. Sie war voller Smoke und mit Lärm erfüllt, der mir in den Ohren dröhnte. Ich schob es darauf, dass ich neu hier war und fragte mich sogleich, was ich mir dabei gedacht hatte. Ich hätte Papa bitten sollen, dass er mit kommt. Denn dann wäre ich nicht allein in dieser großen fremden Stadt, in der ich keinen kannte und auf mich allein gestellt war. Ich fühlte mich, jetzt, wo ich hier so dastand, einsam und verloren. So als ob ich gar nicht hierhergehören würde. Und vermutlich tat ich das auch. Aber ich hatte allen ernstes geglaubt, dass ich damit alleine klarkommen würde. Jetzt bereute ich es. Allerdings hier dumm rum zustehen und es zu berueren, würde nichts mehr bringen. Immerhin war ich hier, um nach den Bekannten meiner Mutter zusuchen und ich hatte keine Zeit um zuzweifeln. Dennoch blieb das dumpfe Gefühl des Zweifels. Ich fragte mich, ob es diese Bekannte wirklich gab. Konnte ich Erik denn wirklich trauen? „Ist mal was Neues, oder?“, hörte ich plötzlich eine Stimme und sprang zur Seite. Erik stand neben mir und schaute mich belustigt an. Ich jedoch konnte mich nicht freuen. Sondern sah ihn für einen kurzen Moment wütend an. „Musste das sein?“, fragte ich und hielt mir die Brust, weil mein Herz einige schmerzhafte Schläge tat. „Nein, aber du solltest dich daran gewöhnt haben!“, bemerkte er. Ich verbiss mir eine scharfe Antwort und suchte nach einem Taxi. Als ich eines fand, winkte ich dem Fahrer zu und er hielt an. Er wünschte mir einen guten Abend. Erik beachtete er erstmal nicht, sondern half mir die schweren Koffer in den Kofferraum zu wuchten. Erik saß schon und schien ungeduldig auf uns zuwarten. Der Fahrer warf einen flüchtigen Blick in die Rückscheibe und deutete mit einer Kopfbewegung zu ihm. „Your Lover?“, fragte er mich und mein Englisch reichte noch soweit um ihn zuverstehen und den Kopf schütteln. „Your Father?“, fragte er weiter und ich schüttelte noch heftiger den Kopf. Gott bewahre, dachte ich nur und stieg ein. „Wohin soll es denn hingehen, Miss?“, fragte er mich dann. Ich schaute nun Erik fragend an. Erik lächelte nur und sagte ihm dann die Adresse. Dieser nickte nur und startete den Wagen. Ich warf Erik einen verwunderten Blick zu. Er lächelte immernoch. „Ich habe ein sehr gutes Gedächtniss!“, meinte er nur, als ob das alles erklären würde. „Ahja!“, kam es nun von mir und ich sah ihn skeptisch an. Die Fahrt führte hinaus aus der Stadt. Die Häuser, die sich dicht an dicht drängten und die vielen Autos, die an uns vorbeifuhren, wurden weniger und schon bald fuhren wir auf einer einsamen Landstrasse, die sich wand, wie eine Schlange. Nur hierundda zeigten sich ein Baum oder ein Haus, das von einem hohen Zaun umgeben war. Dies mussten die alten Herrenhäuser sein, für die London berühmt war und ich fragte mich, ob diese Menschen, die meine Mutter kannten, in ebenso einem lebten. Der Fahrer versuchte mit mir ein Gespräch an zu fangen. Woraufhin Erik auf seine Fragen antwortete. Und immer wenn er das getan hatte, warf der Mann mir im Rückspiegel einen fragenden Blick zu. Offenbar spinnte er sich was zusammen, was nicht auf Freundschaft basierte und ich konnte mir gut vorstellen auch was. Nämlich dass Erik mich entführt haben musste und nun nach einem geeigneten Versteck suchte. Bei diesem Gedanken rutschte ich auf meinem Sitz hinundher. Die Fahrt schien ewig zudauern und ich fragte mich, warum diese Mensche soweit wegwohnten. An der Hektik in London allein konnte das nicht liegen. Irgendwann war ich so müde, dass ich die Augen kaum offen halten konnte. Ich musste wirklich tief eingeschlafen sein, denn irgendwann rüttelt Erik an mir und sagte, dass wir dawären. Ich blinzelte schlaftrunken. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte ich müde. „Gut eine Stunde und ziemlich tief wenn ich das bemerken darf!“, sagte er. „Könntest du bitte deinen Kopf von meiner Schulter nehmen. Er wird langsam zuschwer!“ „Wie?“, fragte ich mich und begriff zuspät, dass mein Kopf wirklich auf seiner Schulter lag. Schnell richtete ich mich auf und haute mir dabei den Kopf an der Scheibe an. „Ouch!“, wimmerte ich und hörte Erik leise kichern. Sofort warf ihm einen bösen Blick zu. Dann stieg ich aus. Meine Knochen fühlten sich müde an. Ich musste ein Gähnen unterdrücken und fror erbärmlich. Nie hätte ich gedacht, dass es so kalt sein würde und ich wollte schon ins Taxi zurückklettern. Erik hatte allerdings schon dem Fahrer das Geld gegeben und der Mann war von dannen gefahren. Zurück blieben Erik und ich. „Und was jetzt?“, fragte ich. Schaute mich um. Doch ich sah weitundbreit nichts, was auf ein Haus oder so hindeutete. „Wohin jetzt?“ „Dreh dich um!“, sagte er und ich tat es. Und prompt klappte mir die Kinnlade hinunter. Wenn ich schon die voerherigen Herrenhäuser für groß und elegant hielt, so stellte dieses die bisherigen in den Schatten. Auf einem sanften ansteigenden Hügel, stand ein Haus, das gut aus einem alten Filmklassiker stammen konnte. Es war eines dieser alten viktorianischen Häuser, die für die man ein ganzes Vermögen ausgeben musste, um nur den Zaun bezahlen zu können. Ein meterhoher Zaun umgab das Haus mitsamt Gelände. In einigen der Fenster brannte Licht. Es war jemand daheim. Ich fragte mich augenblicklich, wer hier wohnen könnte. Etwa eine alte Grafenfamilie? Passen würde es. Dieses Haus war alt und noch hochheitlich, dass hier keine normalen Menschen wohnen konnten. Zumindest keine normalverdienen Menschen. „Wo wohnt hier?“, fragte ich irgendwann nach einer langen Weile und hörte etwas Quietschen. Ich drehte mich um und sah, dass Erik das Tor geöffnet hatte. Grinste dabei breit und frech. „Finde es heraus!“, sagte er und ging vorraus. „Hey, warte mal. Sollten wir nicht vorher klingeln?“ „Warum? Sie wissen doch, dass wir kommen. Sie haben uns schon längst gehört!“, erklärte er daraufhin und ich runzelte die Stirn. Kurz blieb ich stehen, als ich ihm folgte. Gehört? Haben die hier Kameras oder sowas aufgestellt. Bei so einem Haus wäre es kein Wunder. Ich schaute mich um, sah aber nichts dergleichen. Okay, keine Kameras. „Woher sollen die uns gehört haben?“, murmelte ich und folgte Erik wieder. Dieser schien sich nicht daran zustören, dass er soeben ein Privatgelände ohne Erlaubniss betreten hatte. Der Kerl hatte wirklich die Ruhe schlechthin. Irgendwie schon bewundernswert, aber wenn wir erwischt werden, dann haben wir ein großes Problem. Was wohl auf Hausfriedensbruch bei den englischen Polizisten stand? Ich versuchte mir darum keine weiteren Gedanken zumachen und ging weiter. Bis wir vor der Tür standen. Es gab keine Klingel, nur einen Messingklopfer. Ein täuschendechter Krähenkopf hielt den Ring. Schon etwas unheimlich. Ich sah Erik an, der wiederum eine Handbewegung zu dem Klopfer machte. Mich damit aufforderte zuklopfen und ich tat es. Auch wenn etwas zörgernt. Es dauerte einige Minuten, bis jemand die Tür öfnete und eine junge Frau, mit rötlichschimmernden Haaren und rehbraunen Augen stand vor mir. „Ja, bitte?“, fragte sie mich und schaute mich erstmal von oben bis unten an. „Hey, ich…ich bin Allison. Allison Adea. Ich bin aus Paris…und…!“, begann ich und sah Erik unschlüssig an. Doch Erik war weg! Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wie vor den Kopf gestossen und die Versuchung war wirklich groß gewesen zusagen, dass ich mich an der Adresse geirrt hätte. Einfach zu gehen. Und ich wollte dieser schon nachgeben. Scheiss darauf, ob man mir hier helfen konnte. Wenn diese Frau mich nicht kannte, und sie gehörte hundertpro zu den Leuten, die meine Mutter kannten, dann wüsste ich keinen Grund, warum ich noch länger hier rumstehen sollte. Es würde ewig dauern und Nerven kosten, bis ich ihnen erkärt haben würde, wer ich war und warum ich hier war. Zeit, die ich nicht hatte und Nerven ebenso. „Tschuldige. Ich hab mich geirrt. Ich dachte, Sie kennen mich!“, sagte ich und drehte mich um, um zugehen. „Ich kenne dich, Allison!“, sagte sie plötzlich und ich blieb stehen. Drehte mich um. Sah sie verwundert an. Vorhin sah sie mich noch so an, als würde sie mich nicht kennen. Und nun…! Die Frau lächelte nun wissend. „Wie bitte? Was sagten Sie gerade?“ „Ich sagte, dass ich dich kenne!“, sagte sie ruhig und machte einen Schritt zurück. Deutete in das Hausinnere. „Komm rein. Draußen ist es kalt!“ Ich blieb einige Minuten stehen, wusste nicht, was ich machen sollte. Doch da meinte ich die Stimme von Erik zuhören, die mir sagte, ich solle ruhig reingehen. Ich schaute mich nach ihm um. Sah ihn aber nicht. Typisch! Doch darüber konnte ich später noch nachdenken. Zunächst wollte ich erstmal ins Warme. Es war wirklich kalt. In der ganzen Aufregung hatte ich das völlig vergessen. Nun aber wurde ich mir das wieder bewusst und ich begann erneut zuzittern. „Danke!“, sagte ich und ging hinein. „Schon gut!“, erwiederte sie und schloss die Tür. Wir standen in einer großen Eingangshalle, in der eine breite Treppe nach oben führte. Links und rechts waren Räume. Irgendwo hörte ich die sanften Klänge eines Klaviers. Sanftes Lampenlicht erhellte die Halle. Der Boden war mit weissen und schwarzen Fliesen gelegt. Alte und sehr kostbar aussehende Bilder hingen an den Wänden. Alles wirkte wie aus einem alten Hollywood-Klassiker. Richtig klassisch. Und ich hätte das alles noch weiter bewundert. Dann aber drehte ich mich zur Frau herum, die mir die Tür geöffnet hatte und die mich kannte. Ich sie aber nicht. Das machte mich wieder stutzig. „Woher kennen Sie mich eigentlich?“, fragte sie. Die Frau hob die Schultern. „Deine Mutter hat dich uns damals vorgestellt. Da warst du noch ein Kind!“, erklärte sie. Mir war wurde das alles noch suspekter. Ich stöhnte innerlich auf. Schon wieder eine Bekanntschaft, die ich in meiner Kindheit gemacht hatte. Hörte das denn nie auf? „Ohja, okay. Ähm…leider…hat mein Gedächtniss einige Lücken!“, sagte ich verlegen und schaute mich um, weil ich diese peinliche Situation überspielen wollte. „Macht nichts. Es ist ja schon eine Weile her!“, sagte sie mit einem charmanten Augenzwinkern. Ich musste dabei etwas lächeln. Aber dann war mein Lächeln wieder weg. Sie hatte mir gesagt, woher sie mich kannte, aber das änderte nichts. „Und wer…wer sind Sie?“, fragte ich sie dann. Sie lächelte immernoch. „Mein Name ist Esmeralda. Esmeralda Matthews!“, stellte sie sich mir vor und reichte mir die Hand. Ich ergriff sie, weil ich nicht unhöflich sein wollte. Okay, jetzt wusste ich, wie sie heisst und ich versuchte dabei angestrengt mich an eine Esmeralda Matthews zuerinnern. „Freut mich, sie kennen zulernen, Mrs. Matthews!“, sagte ich. „Lass das Mrs. Weg und auch das Matthews. Schlicht und einfach Esmeralda!“, bestand sie und ich war über die Offenheit dieser Frau erstaunt. Ihr machte es wohl nichts aus, dass ich sie nicht wirklich wiedererkannte oder dass sie mich behandelte, wie eine alte Freundin. Das verblüffte mich schon irgendwie, aber es gab mir auch ein gutes Gefühl. Ich nickte daher. „Okay!“, sagte ich und fügte nach späteren Minuten hinzu: „Esmeralda!“ Esmeralda schien das zufreuen, sie lächelte noch etwas mehr, nahm mich dann an die Hand und führte mich ins Wohnzimmer. Dort saßen auf einer Couch, die mit der Lehne zu uns zeigte, ein Mann und eine Frau. Sie drehten sich um, als wir eintraten. Biede sahen mich mit großer Neugier und ebneso großem Interesse an. „Fay. Lex. Das ist Allison!“, stellte sie mich ihnen vor. „Allison, das sind meine Tochter und mein Sohn!“ Ich nickte höflich. „Hallo!“, sagte ich. Da begann Fay nun zulächeln. „Hey, Allison!“, sagte sie und nickte mir freundlich zu. Schaute mich dann kurz von oben bis unten an, wie vorher ihre Mutter und stiess einen leisen Pfiff aus. „Man, du bist ja richtig groß geworden!“ „Das kannst du laut sagen. Sie ist eine richtige Granate!“, ergänzte nun der Mann, Lex, der mir keck zuwinkerte. Ich machte einen Schrtit zurück und schaute verlegen zu Boden. Okay, das war zuviel des Guten. Und eigentlich hätte ich darauf eine passende gepfefferte Antwort gehabt. Aber ich befand mich in einem fremden Land, in einem fremden Haus, von fremden Leuten, die mich angeblich kannten und ich wollte es mir nicht verscherzen. Zum Glück kam Esmeralda mir zur Hilfe. Sie räusperte sich. Und Fay gab ihm zusätzlich einen Schlag gegen die Schulter. „Blödmann!“, zischte sie. „Was denn?“, fragte Lex unschuldig und hob die Hände. „Du weißt schon was. Kaum ist sie fünf Minuten hier, schon willst du sie anbaggern!“, kam es empört von Fay. „Ich baggere sie doch gar nicht an!“ „Tust du doch!“ „Jetzt ist gut ihr beiden!“, sagte Esmeralda, die den Streit schlichten wollte. „Sie hat doch angefangen!“, sagte Lex und deutete dabei auf Fay. Ich musste dabei etwas lächeln. Das war also der typische Streit zwischen Geschwistern. Ich war ein Einzelkind, daher kannte ich das nicht. „Doch nur weil du, du deine große Klappe nicht halten kannst!“, konterte Fay scharf. „Was spielst du dich eigentlich als die Beschützerin auf. Sie kann sich sicher selber verteidigen!“, gab nun Lex zurück. Das stimmte, aber ich kam ja nicht dazu. „Was ist das für ein Theater hierunten?“, rief nun eine vierte Person und wir schauten alle in die Eingangshalle, wo in der Tür zum Wohnzimmer ein hochgewachsener Mann stand, dessen Gesicht, sobald er mich sah, schlagartig zu einer wütenden Grimasse wurde. „Was macht sie hier?“ Ich schluckte sofort. Ich konnte mir nicht anders helfen, aber er machte mir Angst. Sowie es Erik getan hatte. Dieser aber schien nicht aus Schatten zubestehen. Er war aus Fleisch und Blut und auch wenn er das Gesicht eines Menschen hatte, hatte er die Augen eines Tieres. Sie waren dunkel. Beinahe schwarz und dennoch glühten sie, wie Kohlen in der Nacht. Ich wich einen Schritt zurück. Wollte Abstand zwischen mich und ihm bringen. Doch Esmeralda hielt mich an der Hand und zog mich wieder nahe an sich. Wollte mir so sagen, dass ich mir keine Sorgen zumachen brauchte. „Allison, das ist Brian. Mein Mann!“, sagte sie sanft, wohl sicher um ihn zu beruhigen und als sie meinen Namen sagte, sah ich, wie durch Brian ein Ruck ging. „Brian, das ist…!“, wollte sie mich vorstellen, doch ihr Mann fiel ihr derbe ins Wort. „Ich weiss, wer sie ist!“, sagte er und sah mich wieder an. In seinen Augen sah ich etwas wie Verachtung oder Zorn. Ich spürte, wie ich schrumpfte. „Was machst du hier?“, fragte er wieder feindselig und kam ein Schritt auf mich zu. Nun sah mich auch Esmeralda an und ich hatte ganz vergessen, dass ich den Grund meines Besuchs noch nicht gesagt habe. „Ich…ähm…ich bin hier um zu trainieren!“, sagte ich dann und versuchte ruhig zu bleiben. „Wenn du trainieren willst, geh in ein Fitnessstudio!“, kam seine trockene Antwort. „Äh, nein…ich will lenern, wie man sich wehrt. Gegen…Dämonen!“, wiedersprach ich und Brians Augen glimmten einen kurzen Augenblick auf. Sahen mich nun fragend an. Doch dann zeigte er sich wieder ungerührt und drehte sich halb weg. „Ich weiss nicht, woher du das hast, aber ich kann dir nicht helfen!“, sagte er und drehte sich ganz um, um zu gehen. Womöglich um mich noch rauszuschmeissen, doch da legte sich etwas wie eine dunkle Wolke über die Lampen und der Raum verdunkelte sich. Und noch bevor einer von uns begriff, was passierte, stand Erik plötzlich vor Brian. Die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem nicht minder drohendem Blick in den Augen. Brian schien ebenso überrascht zusein, ihn zusehen, wie wir. Vermutlich noch mehr. Denn er machte einen Schritt zurück und sah Erik an, als sei er der Teufel persönlich. „Erik!“, kam es aus ihm. Er war wohl bemüht es ebenso verächtlich klingen zulassen, wie bei mir. Aber es klang wie ein Keuchen. „Ich habe ihr gesagt, dass sie hier Hilfe findet!“, kam es knurrend von ihm und schob sich an ihm vorbei. Stellte sich neben mich. Als wollte er klarmachen, dass, wenn Brian mir zukommen wollte, so musste er erstmal an ihm vorbei. Und auch wenn ich dankbar war, dass er nun endlich wieder neben mir stand, fragte ich mich wo er gesteckt hatte. Wenn Brian vorher von Eriks Erscheinen überrascht war, so verbarg er dies wieder und sah Erik mit herausfordernden Blicken an. „Ich hätte wissen müssen, dass das auf deinem Mist gewachsen ist. Es roch schon nach Hund, als ich hörte, dass jemand an der Tür klopfte!“, schnappte er. Ohje, selbst ein Blinder konnte sehen, dass die beiden nicht grün miteinander waren. „Oh, glaub nicht, dass du mich beleidigen kannst, Brian. Ich habe schon andere wie dich in Stücke gerissen und die waren wirklich ernstzunehmende Gegner. Das weißt du!“, knurrte wieder Erik und grinste, sodass jeder von uns seine Zähne sehne konnte, die scharf waren, wie Messer. Brian sog scharf Luft ein. Und ob er das wusste. Brian sah seinen einstigen Verbündeten mit zusammengekniffen Augen an. Er wusste von der Kraft von Erik und dass er ihn angrifen würde, wenn er ihn dazuzwang. Das Bündniss was er einst mit Erin geschlossen hatte, galt nicht für ihn. Er war nicht an den Friedensvertrag gebunden, den einst Erin und er schlossen. „Ja, und gerade deswegen will ich, dass du mein Haus verlässt!“, forderte er und sah kurz zu Allison. „Ihr beide!“ Mit diesen Worten drehte er ihm den Rücken zu und wollte gehen. Da aber hielt Erik ihn an der Schulter fest. „Brian. Sie braucht deine Hilfe!“ „Und was wenn ich mich weigere?“, fragte Brian. Deutlich war die Spannung zwischen dem Vampir und dem Wolfsdämon zuspüren. Und jeder hier im Raum fürchtete, dass die beiden sich gleich an die Grugel gehen würden. Erik lächelte nur und ihm nächsten Moment, schleuderte er Brian an die nächste Wand. Unter der Wucht des Aufpralls ging ein Tisch zubruch, als er zu Boden ging. Wütend fauchend rappelte sich Brian auf. Wollte Erik für diesen Angriff strafen. Doch bevor er nur einen Schritt machen konnte, war Erik schon hinter ihm und schlang seinen linken Arm um die Brust des Vampirs, während er seine rechte Hand an die Kehle Brians hielt und sich seine scharfen Krallen in seine Haut bohrten. „Dann, Brian, werde ich dir das Fleisch von den Knochen reissen!“ „Und wenn du das machst, Erik, schwöre ich dir, dass ich dich in ein Häufchen Asche verwandeln werde!“, sagte prompt Esmeralda und ließ in ihren Händen zweihelllodernde Feuerbälle erscheinen. Das Licht erhellte den Raum etwas und Erik wich zurück. Versuchte dem Schein zuentwischen. „Nur weil ich Erin gemocht habe, heisst das nicht, dass ich dich auch mag!“, waren ihre Worte und man konnte deutlich die Drohung darin hören. Erik ließ ihren Mann daraufhin los und Allison sah die beiden an, als würde sie in einem Traum stecken. Zuvor hatte sie gedacht, dass Esmeralda eine ganz normale Frau war. Doch nun, als sie sah, dass sie Feuer mir nichts dir nichts entfachen konnte, sah sie sie mit sprichwörtlich ganz anderen Augen. Was zum Teufel war sie? „Wie du willst!“, sagte Erik und trat von Brian weg. „Aber das ändert nichts daran, dass sie Eure Hilfe braucht!“ „Nenn mir einen guten Grund!“, forderte Brian, der sich von Eriks Attacke wieder erholt hatte und Erik bleckte kurz die Zähne. „Erik!“, warnte Esmeralda ihn und ließ das Feuer in ihren Händen etwas heller auflodern. Eine klare, letzte Warnung. Erik beruhigte sich daraufhin wieder und atmete tief durch. „Weil es Erins Wunsch ist…war!“, sagte er endgültig. „Oder glaubst du etwa, sie wollte, dass ihre einzige Tochter der Höllenbrut zum Opfer fällt. Ich kann sie nur bei Nacht schützen. Sie muss sich aber auch am Tage schützen können. Es gibt tausend andere, die stärker sind, als die, die ich vernichten konnte. Sie werden sie auch, wenn die Sonne scheitn, angreifen!“ Dann herrschte Stille. Keiner sagte etwas, sondern sah die beiden nur an. Erik und Brian hingegen schienen wahrlich ein Duell mit ihren Blicken auszufechten und Brian war er es, der das Schweigen dann brach. „Warum ist dir das so wichtig? Was kümmert es dich, ob sie lebt oder stirbt?“, fragte er und Erik sah man deutlich an, dass er wieder kurz davor war, Brian anzugreifen und ihm gar das Genick zu brechen. Weil Erin mich darum gebeten hat und weil ich es ihr schuldig bin!“, kam es gepresst von ihm und er deutete dann mit den Finger auf ihn. „Ebenso wie du es ihr schuldig bist!“ „Ich habe meine Schuld schon lange getilgt. Ich habe ihr im großen Kampf beigestandne, wie sie es gewollt hatte. Ich schulde ihr gar nichts mehr!“ Da musste Erik laut auflachen und sein lachen war so bitter und laut, dass die Glasscheibenklirrten und zu springen drohten. „Denk was du willst. Aber das ändert nichts daran, dass sie was bei dir gut hat!“ Brian wollte daraufhin etwas erwiedern, doch da mischte sich nun Esmeralda ein. „Brian, lass sie doch erstmal hier schlafen. Es ist schon spät und wir können auch morgen darüber reden!“, bat sie ihren Mann, weil sie nicht wollte, dass das ganze eskalierte. Sie sah deutlich, noch viel besser als die anderen, dass Erik und Brian nur darauf warteten, aufeinander loszugehen. Brian sah sie kurz an, dann zu Erik und zum Schluss zu Allison, die sich alles andere als wohl fühlte. Dann nickte er. „Also gut. Heute Nacht kann sie hier schlafen und morgen reden wir weiter!“, sagte er. Wandte sich dann zu Erik. „Allein!“ Dann ging er. Erik gab nur ein Knurren von sich. Damit war das Gespräch beendet. Ich stand da und konnte mich nicht rühren. Nicht mal denken konnte ich, da das, was ich eben gesehen hatte, mich zusehr verwunderte und Angst machte. Ich sah Esmeralda mit geweiteten Augen an. Ich konnte es einfach nicht glauben. Esmeralda schien gespürt zuhaben, wie ich sie ansah, denn sie senkte die Hände und schaute mich mit einem zaghaften Lächeln an. Fast so, als wollte sie sich entschuldigen, dass ich es sehen musste. Dann wandte sie sich zu Fay. „Fay, wärst du so lieb und zeigst Allison das Gästezimmer?“, bat sie dann ihre Tochter und Fay nickte. Nahm mich beim Arm und führte mich hinaus. Ich sah Esmeralda, Brian und Lex noch einmal an. Versuchte das eben passierte richtig einzuordnen und es mir zu erklären. Zwecklos! Auch wenn ich schon einiges gesehen hatte, was nicht natürlich war, überraschte mich dies jedoch sehr. Zuvor hatte ich noch gedacht, sie sei eine normale Frau. Aber welche normale Frau konnte Feuer in ihren Händen entfachen. Ohne ein Feuerzeug oder sonst etwas, was jemand zum Feuer machen brauchte. Solangsam fragte ich mich, ob das hier nicht irgendwie in eine Art Freak-Show war. Wenn, dann eine, die sich Leben nannte. Und ich war ein Teil davon. Dieser und noch weitere Gedanken gingen mir durch den Kopf und nahm gar nichts um mich herum wahr. Irgendwann hatten wir die Treppe, die hochführte, hinter uns gelassen und bogen dann links ab. Wir gingen durch einen Flur und blieben vor einer Tür stehen. Fay öffnete sie und zeigte mir das Zimmer, in dem ich die erste Nacht schlafen würde. Es war klein aber gemütlich eingerichtet. Ein Bett groß genug, dass zwei Personen darin schlafen konnten. Ein großer Schrank aus dunklem Ebenholz, ein Sekretär aus demselben Holz und der ziemlich alt aussah und jeweils ein Tischchen auf beiden Seiten des Bettes. Feine weisse Vorhänge hingen vor der Tür, die zu einem kleinen Balkon führte. Eine schlichte und dezente Lampe, mit einem milchigen Schirm hing an der Decke. Die Tapette war bordeauxrot und war mit klassischen Mustern bedruckt. Die Decke war weiss gestrichen. Der Boden war mit einem weichen Teppisch ausgelegt. Ich kam mir schon fast vor, wie in einem alten vornehmen Hotel. Und hier sollte ich wirklich schlafen? „Geh ruhig rein und fühl dich wie zuhause!“, sagte Fay ermutigend und ich gehorchte, wie eine Puppe. Noch immer ließ mich das, was ich im Wohnzimmer erlebt hatte nicht los. Ich hatte noch deutlich Augen, wie Erik und Brian miteinander gekämpft hatten. Wie es Erik ein leichtes war Brian gegen die Wand zuwerfen und ihn dann in den Schwitzkasten zunehmen. Und vorallem Esmeralda. Dieses Bild blieb mir noch deutlicher vor Augen, als alle anderen und ich fragte mich, was sie für ein Mensch war. War sie überhaupt einer? Fay holte mich aus meinen Grübelein, stiess mich mit dem Ellenbogen an. Wie aus einem Traum erwacht sah ich sie an und sie lächelte. „Mach es dir gemütlich. Ich wecke dich dann morgen zum Frühstück!“, sagte sie und schon hatte sie die Tür hinter sich geschlossen. Ich blieb erstmal nur dastehen und schaute vor mich hin. Tja, nun war ich hier. In London. Hatte eine Unterkunft gefunden und die Leute schienen aus sehr nett zu sein. Zumindest Esmeralda und Fay. Bei Lex, naja war ich mir nich so sicher. Und Brian, wie soll ich es sagen: Er machte mir Angst und die Feindseligkeit, die er mir offen zeigte war alles andere als aufbauend. Aber vielleicht würde sich das ändern, wenn ich erstmal eine Nacht geschlafen hatte. Das hoffte ich zumindest. Mit einem Seufzer legte ich die schweren Taschen auf den Boden und machte mich daran, für die Nacht fertig zumachen. Dabei fragte ich mich immer wieder, wie der morgige Tag aussehen würde. Ob ich doch noch bleiben würde oder morgen schon abreisen musste. Immerhin war das ihr Haus und wenn sie mich wegschicken wollen, musste ich mich damit abfinden. Trotz meiner Bitte um Hilfe oder vorallem Eriks Drohung. Inständig hoffte ich, dass sie sich, oder vielmehr Brian, erweichen, ließen mich bei sich zuhaben. Aber da steckte ich natürlich nicht drin und so war ich auf deren Entscheidung angewiesen. Ich ließ mich aufs Bett plumpsen und war zugleich angenehm überrascht, wie weich es war und wie gut sich die Bettwäsche anfühlte. Nun kam auch die Müdigkeit doppelt und dreifach und ich gähnte laut. Schlug die Decke zurück und legte mich hinein. Erleichtert darüber mich endlich auszuruhen und neue Kraft zutanken. Papa würde ich morgen anrufen müssen, da ich, kaum dass ich die Augen geschlossen hatte, in einen tiefen Schlaf gefallen war. Doch bevor ich einschlief dachte ich noch ein letztes Mal:„ London!“ Kapitel 7: Aller Anfang ist schwer ---------------------------------- Die ganze Nacht hatte Brian kein Auge zugetan. Als er gesehen hatte, dass die Tochter Erins in seinem Haus war, hatte er ein düstertes Deja’-vu. Und sein erster Gedanke war, sie rauszuschmeissen. Doch Esmeralda, die wie immer der ruhige Pol war und die einzige, die ihn beruhigen konnte, was oft ein Fluch sein konnte, hatte sich an ihre Seite gestellt und damit gezeigt, dass er sich zurückhalten sollte. So hatte er erstmal geduldig, wenn auch es ihm schwerfiel, zugehört und hätte am liebsten laut aufgelacht, als sie ihn darum bat, sie zu trainieren. Er hatte nichts gegen sie. Er kannte sie ja kaum. Aber wenn er eins wusste, dann das Erin immer Ärger bedeutete, sobald sie irgendwo auftauchte und als er in Allisons Gesicht und ihre Ähnlichkeit mit ihr gesehen hatte, hatte er geahnt, dass ihr Erscheinen auch Ärger bedeuten konnte. Und als Erik vor ihm auftauchte und ihn unter Druck setzte, war es gänzlich mit seiner Fassung vorbei. Ich und Erin etwas schulden. Das ist doch wohl das Letzte, dachte er grollend und seine Augen loderten auf, wie die Flammen, die Esmeralda in ihren Händen entfachte, um Erik davon abzuhalten, ihn zu töten. Und damit auch dafür gesorgt hatte, dass er sich beruhigen und sie erstmal hier nächtigen lassen sollte. Doch seine Anspannung war nicht schwächer geworden. Hatte ihn beinahe um seinen Schlaf gebracht. Als es nun zum Morgen dämmerte, stand er auf dem Balkon, der zum Schlafzimmer von ihm und seiner Frau gehörte und schaute mit düsterer Miene vor sich hin. Sah, wie die Sonne sich langsam in den Himmel erhob und diesen in einen glutroten Schein tauchte. Glühte, wie ein Omen und Brian fragte sich sogleich, ob es nicht dich ein Fehler war, sie hier zulassen. „Du machst dir Sorgen, oder?“, fragte plötzlich eine sanfte Stimme und er spürte die zarte Hand auf seinem Arm. Drehte sich herum und sah seine Frau neben sich stehen. Wieder einmal hatte sie seine Gednken gelesen, nur mit einem Blick und er nickte. Wandte sich dann wieder dem Sonnenaufgang zu. „Dass sie hier ist, kann nichts Gutes heissen!“ „Sie ist nicht so wie unsere Kinder, Brian. Sie weiss nichts davon!“ „Das ist es nicht. Ich würde sie schon trainieren. Aber ich fürchte, dass uns das zur Zielscheibe machen könnte. Sie ist die Tochter der schwarzen Wölfin!“ „Selbst wenn sie die Tochter des Teufels ist. Sie kann nichst dafür. Sie ist da hineingeboren. Ebenso wie Fay und Lex damals. Sie mussten auch lernen, wie sie sich zu wehren hatten!“ „Nur mit dem feinen Unterschied: Dass sie nicht die Kinder vom Höllenfeind Nr.1 sind!“ „Achja. Soviel ich weiss, wollte die weisse Schlange auch dir an den Kragen!“ „Im Gegensatz zu Erin bin ich ein kleiner Fisch!“ „Ein kleiner Fisch, der sie am Ende vernichten konnte!“ „Erin hat sie vernichtet, falls du das vergessen hast!“, kam es prompt von Brian, weil er sich davon nicht einwickeln lassen wollte. Ohne seine und die Hilfe von Esmeralda, hätten sie sie nicht besiegen können. Esmeralda hatte in diesem Punkt recht, aber es war auch Erins Verdienst gewesen. Dabei erinnerte er sich daran zurück, wie Erin mit der riesigen schwarzen Sense den Schädel des Schlangendämons gespalten hatte. Da hatte er gesehen, zuwas sie in der Lage war und musste sich eingestehen, dass sie mächtiger war, als er. Und dass er immernoch etwas wie Freundschaft für sie hegte. Wenn diese auch zum größten Teil aus einer gesunden Portion Respekt bestand. Doch das schob er weit hinter sich. „Ich habe es nicht vergessen!“, kam es von Esmeralda, die ihn nicht so einfach vom Hkalen lassen wollte. „Und du solltest nicht vergessen, dass es immer jemanden geben wird, der uns nach dem Leben trachtet. Ob sie hier ist oder nicht!“ Das war wahr. In der Vergangenheit waren sie oft Ziel von Angriffen durch andere Dämonen geworden, die ihnen an den Hals wollten. Unabhängig, ob sie Erin halfen oder nicht. Dennoch blieb das ungute Gefühl, dass durch Allisons Anwesenheit alles noch schlimmer werden konnte. „Ich weiss!“, murmelte er und schaute noch eine Weile Richtung Sonnenaufgang. Sah, wie die Sonne langsam immer mehr aufstieg und ihre ersten Strahlen auf die Dächer Londons warf. Ein neuer Tag brach an und er wusste, dass er jetzt eine Etnscheidung trefen musste. Und er wusste auch, dass das, was er jetzt sagen würde, gegen seine Zweigel und vorallem gegen seinen Entschluss sprach. „Also gut. Sie kann bleiben!“, sagte er und bevor Esmeralda erleichtert aufatmen konnte, setzte er mit Nachdruck hinzu:„ Fürs erste!“ Ein sanftes Klopfen holte mich aus meinem Schlaf und ich rollte mich murrend auf die andere Seite. Ich hatte so gut geschlafen und wollte einfach nicht aufstehen. Doch das Klopfen verstummte nicht und ich richtete mich müde auf. „Ja?“, fragte ich halb verschlafen halb frustiert und Fay steckte den Kopf hinein. „Morgen!“, sagte sie freundlich. Ich aber brachte nur ein Murren zustande. Ich hatte definitiv zugut geschlafen. Das Bett war weich und ich war wirklich wie auf Wolken darin eingeschlafen. Hatte sogar keine Alpträume gehabt. Naja, bis zu dem Punkt, als Fay an der Tür klopfte. „Ohje, du siehst ganz schön geplättet aus!“, sagte sie dann mit einem etwas bekümmerten Gesichtsaussdruck und im ersten Moment wäre ich ihr an den Hals gesprungen. Mich erst aus den Federn holen und dann solch einen Satz von sich geben. Doch ich dachte mir, dass das vermutlich ihre Art war. So wie es Maries Art war, mit ihrer fröhlichen Laune zuversuchen, mir ein Lächeln aufs Gesicht zuzaubern. Bei der Erinnerung meiner verstorbenen Freundin wurde mir kurz schwer zumute und ich hob nur die Schultern. „Hast du gut geschlafen?“, fragte sie mich dann wieder und ich nickte. „Ich wollte dir nur sagen, dass Mum das Frühstück soweit zubereitet hat. Wir warten in der Küche auf dich!“, meinte sie und kaum hatte sie Frühstück gesagt, schon knurrte mir der Magen. Verlegen schaute ich hinunter und hielt mir die Hände davor. Wirklich schlechtes Timing! Und da war noch etwas, was mich noch mehr verlegen machte. Ich hatte seit vorgestern nicht geduscht oder mich sonst irgendwie gesäubert und das Resultat war, dass ich entsetzlich nach Schweiss stank. „Danke. Ich..ich komme gleich. Aber vorher wollte ich duschen. Wo ist denn das Bad!“, sagte ich und verzog angewidert das Gesicht, als ich auch noch festellen musste, dass ich Mundgeruch von der übelsten Sorte hatte. Fay lächelte wieder. Deutete dann auf den Flur. „Zweite Tür rechts!“, sagte sie gleichdarauf. „Hast du was dabei. So Duschzeug meine ich. Wenn nicht, kann ich dir von meinem was geben!“ Ihr Angebot rührte mich wirklich sehr. Sie kannte mich kaum vierundzwanzig stunden und sie bot mir trotzdem ihr Shampoo an. Wäre ich an ihre Stelle gewesen, hätte ich das nicht angeboten. Ich traute keinem Fremden. Von Natur aus nicht. Bei Fay schien es jedoch was anderes zu sein. Ob es an der englischen Gastfreundschaft lag? „Ich…ich habe was dabei. Danke trotzdem!“, sagte ich und kletterte aus dem Bett. „Okay, Handtücher liegen auf dem kleinen Hocker, neben der Duschkabine!“, sagte Fay zum Schluss und war auch schon weg. Ich hatte mir noch soviel Zeit genommen, um meinen Papa anzurufen und ihm zusagen, dass ich gut angekommen bin. Dass er außer sich vor Soprge war, weil ich gestern schon nicht angrufen hatte, war ja klar gewesen und ich brauchte ungelogen eine halbe Stunde, um ihm beizubringen, dass wirklich alles in Ordnung war und wie nett die Matthews waren. Für Papa musste es wirklich eine Qual gewesen sein, mich in ein fremdes Land gehen zulassen, dass so weit weg war. Nie war ich so weit weg gewesen als jetzt und och konnte ein gewisses Gefühl von Heimweh nicht unterdrücken. Mit einem Seufzer legte ich auf. Nicht aber ohne mich von Papa zuver abschieden und ihm viele Küsse in den Ohr zu schmatzen. Dann schnappte ich mir mein Duschzeug. Zeit für eine ordentliche Dusche. Bad hatte Fay dazu gesagt. Ich fand diese Beschreibung als untertrieben. Dass, was mich da hinter der Tür erwartete, war eine Wohlfühl-Oase. Die Wanne. Riesig. Bot genug Platz für drei Personen und das bei einer Eckbadewanne. Eine verglaste Duschkabine sporgte dafür, dass man in Ruhe duschen konnte, während der andere ein Bad nehmen konnte. Dazu gab es natürlich eine Toilette, die von einer Bambus-Wand abgetrennt wurde. Ein großes Waschbecken aus weissem Porzellan, über dem ein ovaler Spiegel hing, mit kunstvollen Verzierungen, in dem Glas eingeritzt. Man, da konnte man ja richtig neidisch werden. Der Boden und die Wände waren mit cremefarbenen Kacheln gefliesst, die wirklich rundum die Uhr geputzt werden mussten. Weiche Teppische lagen auf diesen und fühlten sich gut an unter meinen nackten Füssen. Soviel Luxus konnte einen wirklich überwältigen. Und so schwer es mir auch fiel, ich musste mich von dieser Pracht abwenden. Die Dusche rief. Wie Fay es gesagt hatte, lagen Handtücher auf einem kleinen Hocker und meine Stimmung hob sich. Welches durch die Dusche und das Waschen meiner Harre noch mehr wurde. Dabei musste ich immer wieder an Fays Freundlichkeit denken, die mich zum einen freute aber auch stutzig machte. Sie und ihre Mutter schienen nichts gegen mich zuhaben. Beide behandelten mich wirklich wie einen Gast. Brian, Fays Vater, allerdings nicht. Irgendwie hatte er etwas gegen mich. Ich wusste beim besten Willen nicht warum. Hatte er was gegen mich, weil Erik bei mir war. Oder war er immer gegenüber von Fremden misstraurisch? Noch lange fragte ich mir das und vieles andere auch, als ich mich abtrocknete und frische Klamotten anzog. Die alten warf ich in eine Tüte, die ich extra für die Schmutzwäsche mitgebracht hatte und stopfte diese in meine Reisetasche. Bis jetzt, da ich nicht wusste, ob ich bleiben konnte oder nicht, hatte ich noch nicht ausgepackt. Ich hoffte immernoch, dass Brian mir erlaubte, hier zu bleiben. Denn sonst müsste ich wieder nach Paris zurück und mir was anderes einfallen lassen. Als ich mich einigermassen frisch gemacht und frisiert hatte, ging ich auf den Flur und lief dann die Treppe hinunter. „Küche. Küche!“, murmelte ich vor mich hin und schaute abwechselnd nach links und rechts. Im nächsten Moment hätte ich laut gelacht. Ich hatte keinen blassen Schimmer wo die Küche war! Fay hätte es mir ruhig sagen können. Beziehungsweise beschreiben. Zielos durch das große Haus irren wollte ich auch nicht. Hilflos hob ich die Schultern und wollte mich wieder umdrehen um auf mein Zimmer zugehen. Als ich Fay rufen hörte. „Allison!“ Minutens päter kam sie zu mir. „Sorry, ich habe vergessen dir zusagen, wo die Küche ist!“, sagte sie und schaute verlegen drein. Ich winkte nur ab. „Kann jedem passieren!“, sagte ich noch und gemeinsam gingen wir zur Küche, wo wir schon erwartet wurden. Lex und sein Vater saßen am Tisch. Ich grüßte sie vorsichtig, weil ich nicht wusste, wo ich bei ihnen stand. Lex nickte knapp, während Brian mich wieder so ansah, als sei ich unerwünscht. Esmeralda stand am Herz und breit etwas in der Pfanne was verdächtig nach Speck roch. Als sie mich bemerkte, grüßte sie mich mit ihrer offenherzigen Freundlichkeit. „Morgen, Allison. Du kommst gerade recht zum Frühstück. Setz dich doch!“, bat sie mich und ich folgte ihrer Bitte. „Hast du gut geschlafen?“, fragte sie dann und tat die ersten Speckstreifen zu einer kräftigen Portion Rührei mit Schnittlauch hinzu. Mhhh, wie bei Mama, dachte ich wehmütig und vermisste Paris. Vermisste meinen Papa. Dabei fiel mir ein, dass ich ihn noch nicht angerufen hatte und sicherlich machte er sich Sorgen. Dachte vermutlich, dass ich nicht heil angekommen bin. „Ja, aber ich sollte Papa anrufen. Sicherlich fragte er sich, was aus mir geworden ist!“, sagte ich und wollte aufstehen. „Erstmal isst du was!“, meinte Esmeralda und legte mir den Teller vor mir ab. Gerne wollte ich wiedersprechen, doch Esmeralda kam mir in diesem Moment wie Mama vor. Sie hatte ebenso darauf beharrt, dass ich erstmal was aß, bevor ich irgendwas andere machte, wie sie. Bei der Erinnerung an meine Mutter zog sich mein Magen zusammen und ich versuchte, nicht länger daran zudenken. Daher schob ich mir was von dem Essen in den Mund und kaute darauf herum. Es schmeckte wunderbar, aber der ausgebliebene Anruf an meinen Vater sorgte immernoch für ein schlechtes Gewissen. Nun aßen auch die anderen. Saßen alle am Tisch, wie es eine Familie tat und ich fühlte mich immer mehr, wie das fünfte Rad am Wagen. Auch wenn Esmeralda und Fay mich dies nicht spüren ließen. Die Blicke, die mir Brian entgegen warfen um so mehr. Lex hielt sich da eher raus und wenn er mich ansah, dann neugierig. Wenn auch etwas zu neugierig. Checkte er gerade ab, ob er bei mir Chancen hatte? Das Schweigen welches über uns lag, war alles andere als auszuhalten und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. „Wie…wie sieht es denn aus? Kann ich hierbleiben?“, fragte ich und schaute jeden einzelnen an. Mein Blick blieb bei Brian hängen, dessen Gesicht düster wie immer war und kurz sah er so aus, als wollte er laut:„ Raus!“, brüllen. Aber da schien Esmeralda ein Laut von sich gegeben zuhaben, das ihn zurückhielt und ihn dazu zwang tief Luft zuholen. „Ja, du…kannst blieben. Aber ich sage dir schonmal im Vorraus, dass das Training nicht leicht sein wird. Wenn du das wirklich durchziehen willst, musst du dir das bewusst sein!“, sagte er. Ich nickte nur. Mehr konnte ich nicht machen. Ich war dankbar und auch zugleich beunruhigt, dass er es sich anders überlegt hatte. So wie er das sagte, klang es so, dass er mich jetzt so lange tritzen würde, bis ich auf dem Zahnfleisch dahin kroch. Was würde mich erwarten? Was für eine Art Training würde ich absolvieren müssen? „Nun mache ihre keine Angst!“, rückte Esmeralda ihn zurecht und zwinkerte mir verschweörisch zu. Igrendwas sagte mir, dass sie zu mir stand. Definitiv. Ich zwinkerte instintiv zurück und konnte ein leises Grinsen nicht verkneifen. „Erstmal wird gefrühstückt und dann tut Allison ihre Sachen auspacken!“, fuhr sie fort und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. „Schließlich wohnt sie jetzt hier!“ Setzte dann die Tasse ab und das Geräusch klang wie als wäre das Gespräch damit beendet. Fay half mir meine Sachen in die richtigen Schränke zu packen, auch wenn ich das gut allein konnte, aber Fay hatte, bevor ich etwas sagen konnte, schon meine Kleider genommen und in den großen Schranmk verstaut. Eigentlich sollte mich soviel Eindringlichkeit ärgern. Aber sie war nur gastfreundlich zu mir. Waren alle Engländer so? Dabei musste ich an Brians Feindseligkeit denken und ich nutzte dies, um sie darauf anzusprechen. „Ähm, Fay. Mal eine Frage: Ist dein Vater immer so…so misstraurisch, oder ist das nur so, weil Erik hier aufgetaucht ist?“, fragte ich und mit einem Male war Fays stetiges Lächeln verschwunden. Ein nachdenklicher, fast schon bekümmerter Ausdruck lag in ihnen und sie schien etwas verlegen zu sein. „Ähm, nunja…ja. Er ist jedem gegenüber misstraurisch, den er nicht kennt und bei dem er den Eindruck, dass es sich um potenzielle Feinde handelt. Es liegt nicht an dir. Aber Dad ist…wie jeder Familienvater. Immer besorgt und bei ihm ist das zehnfach so hoch!“, sagte sie. Aber irgendwas sagte mir, dass das nur die halbe Wahrheit war. Ich wollte meine Skepsis aussprechen, doch ich hielt mich zurück. Ich musste wieder an Papa denken und musste dabei etwas lächeln. Ich konnte es schon irgendwie verstehen, dass Brian sich so verhielt. Welcher Vater wäre nicht misstraurich, wenn aufeinmal eine Fremde vor ihm steht und noch dazu in Belgeitung von jemanden, der nicht ganz koscher war. Selbst mein Vater war, wenn ich mit einem Jungen schwätzte und das war in der Grundschule, wo es nur um Hausaufgaben ging, auf der Lauer und hatte mich dann gleich in ein Kreuzverhör genommen. Da kam mir natürlich Mama immer zur Hilfe und sagte, dass er sich beruhigen sollte. Dass das nichts war. Wie sehr ich sie vermisse. Ich zwang mich, nicht mehr daran zudenken. „Und deine Mutter? Sie scheint das krasse Gegenteil zusein!“, sagte ich. Fay lächelte da wieder. „Ja, sie ist das Herz in der Familie. Sie hält uns zusammen. Beziehungsweise meinen Bruder und meinen Vater!“ Dabei musste sie verschmitzt grinsen und ich verstand. „Soll das heissen, dein Bruder und dein Vater fetzen sich?“, fragte ich, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Fay pfiff. „Und wie. Die Möbel bleiben dabei manchmal nicht davon verschont. Wenn die sich prügeln, dann richtig!“ „Wow, so schlimm?“ „Wenn du wüsstest!“, bemerkte sie. „Und woher kennt dein Vater Erik. So wie er auf ihn reagiert hat, war er nicht gerade erfreut gewesen!“, kam es nun von mir wie von selbst, als ich mich daran erinnern musste, wie sich Erik und Brian an die Gurgeln gegangen sind. Und an den Tisch, der zerbrach, als Brian auf ihn fiel. „Das kann ich dir auch nicht so genau sagen. Da müsstest du ihn selber fragen!“, sagte sie und schaute nun etwas zweifelnd drein. Und ich wüde mich hüten, Brian darauf anzusprechen. „Ich glaube kaum, dass er mir das verraten würde!“ „Dad ist zwar etwas launisch, aber wenn du ihn näher kennen lernst, wirst du sehen, er ist nicht so übel!“ Ich war mir da nicht so sicher. Das musste sie mir angesehen haben, denn sie lächelte aufmunternt. „Ganz ruhig. Das wird schon!“, sagte sie. Ich nickte nur. Da fiel mir noch etwas ein, was mir unter den Nägeln regelrecht brannte. „Sag mal, habe ich das gestern eigentlich nur geträumt, oder hat deine Mutter wirklich Feuer in ihren Händen auflodern lassen?“, fragte ich sie und Fay wirkte nun etwas ratlos und unwohl. „Nein, hast du nicht. Ähm…wie soll ich das erklären…!“, begann sie und suchte nach den richtigen Worten. Aber dann hörten wir Esmeralda rufen. „Fay, Allison. Kommt runter. Wir wollen mir dem Training anfangen!“, hörten wir und bei der Erwähnung des Trainings wurde mir etwas flau im Magen. Brian hatte ja angekündigt, dass das Training kein Spaziergang werden würde und ihm glaubte ich das. „Ohje!“, sagte ich leise. Fay legte mir die Hand auf die Schulter. Wollte mir damit Mut machen. „Hey, positiv denken!“ Das positiv denken erwies sich schwer, wenn man durch die Luft geschleudert wurde und dann hart auf dem Boden aufschlug. Brian übernahm die erste Trainingsstunde. Wir waren in einen etwas größeren Raum gegangen, der als Fitness-Raum diente. Überall standen Geräte. Bein-und Brustpresse, Ruderzugmaschine, schwere Handeln und ein Laufband. Dazu noch andere, die ich nicht richtig beschreiben konnte. Etwas weiter hinten waren blaube Matten auf dem Boden ausgelegt. Dort standen wir. Ich hatte mir bequemere Klamotten angezogen. Als wir uns gegenüber standen, forderte Brian mich auf, mich zuwehren greifen. Ich hatte mich gefragt wie und bevor ich es aussprechen konnte, griff er mich schon an. Er stürzte sich wahrlich auf mich und noch ehe ich richtig überlegen konnte, was ich machen konnte, hatte er mich schon an meinem linken Arm ergriffen, presste seine andere Hand auf meinen Bauch und wuchtete mich, als würde ich nichts wiegen, über sich hinweg. Ich flog für einige Sekunden durch die Luft, ehe ich brutal auf den Matten aufschlug und die Sterne tanzen sah. „Ouch!“, sagte ich und richtete mich auf. Wenn das heute so weiterging, kann ich mir gleich ein Zimmer im Krankenhaus reservieren. „Das hat wehgetan!“, sagte ich mehr zu mir selbst und rieb mir meine Nasenspitze. „Im Vergleich zu dem, was die Dämonen mit dir anstellen, ist das nichts!“, erklärte Brian rüde. „Los, nochmal!“ Das ging bis um achtuhr abends und ich hatte mehr blaue Flecken als ein Blaubeerkuchen. Mir tat alles weh und ich fragte mich, ob Brian das nicht mit Absicht machte. Ich frage mich, was das für einen Sinn macht, wenn ich ständig von ihm auf die Matte geworfen werde? Mit einem schmerzerfüllten Gesicht betrachtete ich mich im mannshohen Spiegel und tippte auf einen der zahlreichen blauen Flecken. Nicht nur genug, dass er mich durch die Luft warf. Nein. Zusätzlich schlug und trat er mich. Um den Kampf realistisch zu machen, wie er meinte. Ich dachte nur: Von wegen! „Aua!“, jammerte ich und hörte sogleich ein leises Lachen. Ich drehte mich um und sah, wie kann es anders sein, Erik auf meinem Bett sitzen. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. „Wie schön, dass dich meine Schmerzen so sehr amüsieren!“, zischte ich und schaute wieder in den Spiegel. „Wo warst du eigentlich, als ich gestern ins Haus gegangen bin. Du warst einfach weg!“, sagte ich dann, weil ich noch mit ihm etwas zubereden hatte. „Ich war weg, weil es innendrin zuhell war. Licht ist nicht gerade gut für mich. Ich kann nur im Schatten oder in der Nacht nützlich sein!“, erklärte er beiläufig. „Das müsstest du aber wissen!“ „Was, du kannst nützlich sein?“, fragte ich sarkastisch und warf ihm einen bösen Blick zu. Erik erwiederte diesen prompt. Oh, ist der Herr empfindlich. „Pass auf, was du sagst!“, knurrte er nur. „Wer sind diese Leute eigentlich? Und warum hat Brian bitteschön so einen Hals auf dich?“, hackte ich nach. Erik gab einen frustierten Seufzer von sich. Ihm schien meine Zweifel auf den Geist zugehen. Dabei wollte ich nur wissen, woher er sie kannte. „Freunde von deiner Mutter, wie ich bereits sagte!“ „So wie Brian aber gestern auf dich reagiert hat, sah es aber nicht so aus!“ „Er kann nur mich nicht ausstehen. Weiss auch nicht, was ich ihm getan habe!“ „Vielleicht sieht er in dir eine Bedrohung, für seine Familie!“, warf ich einfach so in den Raum. Im Spiegel sah ich, wie er die Schultern hob. „Kann sein. Aber ich habe nicht den Wunsch mich mit ihnen anzulegen!“, sagte er. „Viel wichtiger ist, dass sie dir beibringen zu kämpfen!“ „Lerne ich da auch, Feuer einzusetzen?“ „Wenn du damit meinst, mit einem Flammenwerfer umzugehen, vielleicht!“ „Ähm, nein. Ich meine, so wie es Esmeralda getan hat. Sie hat einfach so Flammen in ihren Händen aufgehen lassen. Ohne irgendwas zur Hilfe zunehmen!“, sagte ich daraufhin und sah wieder, wie Esmeralda mit dem Feuer dagestanden und Erik gedroht hatte. „Nein. Sowas nicht. Solche Fähigkeiten haben nur ganz besondere Wesen, wie sie es ist. Ebenso wie Brian. Beide haben Kräfte, die einzigartig sind!“ „So wie es deine sind?“, fragte ich. Darauf sagte Erik nichts. Und sein Schweigen deutete ich als nichts Gutes. „Mein Kräfte sind…zwar auch einzigartig, aber nicht dazu da um zu schützen. Da ich niemanden hätte, den ich schützen müsste!“, sagte er nach einer Weile. „Du hast doch mich!“ Zugegeben, es war ein blöder Satz, da wir uns zumal nicht so nahe standen, dass dies meine Worte rechfertigen konnte, aber Erik war doch dafür da, dass mich beschützte. Dass hatte er selber gesagt. Eriks Augen wurden kurz groß, zeigten, dass ihn meine Worte erstaunt hatten, doch dann lächelte er matt und schüttelte den Kopf. „Ich beschütze dich, ja. Aber es ist nicht dasgleiche, wie bei Brian und seiner Frau. Sie beschützen sich, weil sie sich einander haben!“, erklärte er und in seiner Stimme lag Schmerz. Ich sah ihn nur an und ahnte, was er damit meinte. Doch noch bevor ich etwas sagen konnte, war der schmerzliche Ausdruck in seinen Augen verschwunden und er straffte seine Schultern. „Wie auch immer. Ich kann dich, wie gesagt, nur bei Nacht schützen. Brian lehrt dich, dass du dich bei Tag zur Wehr setzt!“ „Ich glaube eher, dass er mich mehr verprügelt, als mich zutrainieren!“ Erik grinste etwas. „Du musts eben lernen, nicht halsüberkopf lozurennen. Brian wird sich ja wohl dabei denken!“, sagte er mir. „Da bin ich mir nicht so sicher!“, murmelte ich und sah mir noch einmal meine blauen Flecken an. So wie ich die Sache sah, würde ich in den nächsten Tagen noch schlimmer aussehen, als jetzt. Und wie ich es mir gedacht hatte, bestätigte sich meine Vermutung. Brian unterwies mich hauptsächlich in der Kunst des Fliegens. Nur das Landen funktionierte nicht und nach wenigen Minuten hatte ich genug. „Das reicht. Ich…ich kann nich mehr!“, sagte ich und richtete mich auf. „Stell dich nicht so an!“, schnauzte Brian. „Ich sagte dir, dass es nicht leicht werden würde!“ „Ja, aber davon, dass du mir sämtliche Knochen brechen willst, war nicht die Rede!“, gab ich zurück. „Hat dir niemand gezeigt, wie du jemanden richtig angreifen sollst?“, fragte er dann vorwurfsvoll und ich musste mich wirklich beherrschen. „Nein, meine Mutter starb, bevor ich für die Dämonen zur Zielscheibe wurde!“, giftete ich zurück. Brian knurrte etwas. Da kam Esmerala dazwischen. „Vielleicht solltest du ihr zeigen, wie sie sich wehren soll!“, schlug sie vor und das war wirklich eine gute Idee. „Nagut. Dann eben so!“, sagte er. Esmeralda warf mir einen vielsagenden Blick zu. Zwinkerte und sie stellte sich nun an die Stelle, wo ich stand. Gespannt stellte ich mich an die Seite. Einen kurzen Moment sahen sie sich an. Dann stürmte Brian vorran und wollte sie packen, so wie er es mit mir gemacht hatte, doch da machte ihm Esmeralda einen Strich durch die Rechnung. Mit einer Schnelligkeit, die ich nicht für möglich hielt, packte sie ihn am Hemd, ließ sich fallen. Zog ihn dabei auf ihre Füsse und hievte ihn mit voller Eucht über sich hinweg. Es passierte so schnell, dass ich das ganze nicht richtig verfolgen konnte und staunte nicht schlecht. Esmeralda stand wieder auf und grinste mich an. „Die beste Methode einen Angriffen abzuwehren, ist sich den Schwung des Gegner zunutze zumachen!“, erklärte sie. Das hörte sich ja schön und gut an. Aber wenn meine Gegner so schnell waren, wie Brian, was würde mir das noch nützen. Ich nickte nur. „Willst du es nun auch versuchen?“, fragte sie und ich hätte gerne nein gesagt. Ich warf Brian einen nervösen Blick zu. „Diesesmal mit mir!“, sagte sie darauf und ich atmete erleichtert auf. Mit Esmeralda würde ich es vielleicht leichter haben. Hoffte ich zumindest. Wir stellten uns wieder auf und als Brian das Zeichen gab, anzufangen, rannte Esmeralda schon auf mich zu. Leider war sie ebenso schnell wie ihr Mann und hatte mich schneller umgeworfen, als ich kucken konnte. Mir drehte sich der Schädel. „Bist du okay?“, fragte sie überflüssigerweise und ich brachte nur ein Nicken zustande. Wobei alles andere als okay bei war. „Ich glaube, das war etwas zuviel des Guten!“, sagte sie. Wenn sie wüsste wie unterttieben das war. Das ging gut eine Woche so und ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich zublöd war, um einen Angriff abzuwehren. An einem dieser Tage, wo ich mich fragte, ob ich es jemals schaffen würde, saß ich in der Küche an dem Tisch und nippte an einem Glas mit Wasser. Esmeralda und Brian führten ein Gespräch und ich konnte sie deutlich im Nebenzimmer hören. „Sie ist eben noch ein Neuling, was das Monsterjagen angeht!“, sagte sie. „Schon, aber dass es sie einfach nicht schafft uns abzuwehren und es immernoch weiterversuchen will, ist wirklich reine Zeitverschwendung!“ „Nun gib ihr schon eine Chance!“, bat sie ihn, worauf hin Brian nur frustiert nach Luft schnappte und diese ebenso ausstiess. „Wieviele braucht sie noch, ehe sie es richtig begreift?“, fragte er dann. Genau das fragte ich mich auch. Wieoft würde ich mich noch auf die Nase legen, ehe ich Brian oder Esmeralda auf die Matte schicken konnte? Vermutlich nie, so dämmlich wie ich mich anstellte. Ich seufzte schwer und nahm einen Schluck. „Na, so niedergeschlagen?“, fragte plötzlich jemand und ich schaute auf. Zum meiner Überraschung war es nicht Fay, die da in der Küche stand, sondern ihr Bruder Lex. Mit ihm hatte ich kaum ein Wort gewechselt. Nicht nachdem ich hier angekommen war. Habe ihn nur paarmal gesehen. Doch das war es schon. Dass er mich direkt ansprach, wunderte mich etwas. Ich hob nur die Schultern. „Das Training schafft dich ganz schön, wie?“, bohrte er weiter und so langsam wurde es mir unangenehm. Soll das hier ein Verhör werden? „Hm, nunja…ja!“, druckste ich herum und schaute auf die Tischplatte. „Hm!“, gab er nur von sich und ich konnte mir nicht anders helfen, aber so wie er das von sich gab, hörte es sich an, als würde es ihn amüsieren, dass eine Anfängerin wie ich, ständig auf die Nase fiel und nichts packte. Und das ärgerte mich. Es war bescheuert das zudenken, aber Lexs Fragen gingen mir auf den Keks und seine Aroganz ebenso, die er hier an den Tag legte. Auch wenn ich ihn nicht lange kannte. Ich meine, was erwartete der von mir. Dass ich das gleich von anfang an beherrschte. Ich war nicht Wonder Woman! „Was Hm? Ich brauche eben so meine Zeit!“, verteidigte ich mich, weil ich nicht wollte, dass er mich für ein wortkarges Dummchen hielt, dass sich nicht wehren konnte. „Jaja, schon klar!“, meinte er nur. „Für jeden Neuen ist es schwer!“ Dann war es still und ich hoffte, dass es sich damit hatte. Aber dann schien er weiter bohren zuwollen. „Und was ist deine besondere Begabung?“, wollte er wissen und mir drehte sich augenblicklich der Magen um. Besondere Begabung! Ich schaute ihn an, als würde ich ihn nicht richtig verstehen. Ich musste ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich in die Zukunft sehen konnte. „Was meinst du?“ Lex zuckte die Schultern. Schien selber nicht zuwissen, was er eigentlich damit meinte. „Keine Ahnung. Irgendeine. Fliegen, durch Wände gehen. Mit einem Fingerschnippen Feuer entfachen?“, fragte er und ich musste schon beinahe lachen. Was hatte der nur für Vorstellungen? Ich schüttelte den Kopf. Sagte mir aber wieder, dass ich meine Gabe geheimhalten sollte. Nicht dass Brian aufgrund meiner Gabe noch mehr Misstrauen und Angst hatte, dass ich seine Familie in Gefahr bringen würde. „Ich bin leider kein X-Men!“ „Na, irgendeine Gabe musst du doch haben. Oder warum bist du hier?“, mutmaßte Lex und solangsam dämmerte mir, warum er mich ausfragte. Er war neugierig. „Ich bin hier, um mich gegen die Dämonen zuwehren, die mir an den Kragen wollen!“, erklärte ich und bemühte mich, mir nichts anmerken zulassen. Offensichtlich war Esmeralda nicht die einzige, die etwas Besonderes an sich hatte. Ihre Kinder mussten sowas auch haben. Warum sonst wäre Lex so daran interessiert, meine Gabe zu erfahren. „Komm schon. Das kann doch nicht alles sein. Deine Mutter hatte ja auch das eine oder andere Talent. Da wird davon doch auch etwas auf dich übergegangen sein!“ „Ich weiss nicht, wovon du sprichst!“, kam es aus mir, wobei ich ihn natürlich gerne gefragt hätte, warum und woher er von den Talenten meiner Mutter wusste. Schön, wenn seine Eltern schon meine Mutter kannten, kannten sie sie auch. Aber woher wusste er von ihren Talenten und vorallem was für Talente waren das…? Lex schien nach meiner Aussage erstmal nachzudenken, denn seine Stirn legte sich in tiefe Falten und schaute mich an, als würde er in mich hineinsehen wollen. Ein unangenehmes Gefühl, wie ich fand und er ähnelte dabei ziemlich seinem Vater. „Du musst für die Dämonen ja eine große Gefahr sein, wenn du keine besondere Eigenschaft hast und deswegen hier bist, um nur kämpfen zulernen!“, stellte er dann fest. „Bist du Hobby-Detektiv, oder sowas?“, fragte ich halb amüsiert, halb beeindruckt von dem Scharfsinn von Lex. Er traf mit seiner Vermutung mitten insSchwarze. Ich musste eine Gefahr für diese Dämonen darastellen, sonst würden sie nicht so versessen sein, mich umzubringen. Gerne hätte ich gesagt, dass er recht hatte. Aber ich wollte nicht damit nicht rausrücken. Sie würden sicherlich schon früh genug davon erfahren. Spätestens wenn ich einen Anfall bekam. „Kann sein!“, gab ich zurück, wollte wieder einen Schluck nehmen. Als ich plötzlich rasende Kopfschmerzen bekam und mir der Schweiss ausbrach. Ich begann am ganzen Körper wie verrückt zuzittern. Gerade noch hatte ich daran gedacht und nun würde ich die Antwort darauf bekommen. Wie ein Blitzlicht, tauchte es vor meinen Augen auf. Ein dunkler langer Gang. Links und rechts waren Türen. Der Boden glatt und poliert. Es war still und niemand war zusehen. Ich fragte mich natürlich, warum ich das sah? Es schien hier nichts Gefährliches oder Bedrohliches zugeben. Aber dann tauchte etwas in dem dämmrigen Licht auf, was ganz und gar nicht harmlos aussah. Eher erschreckend und ich konnte ein Würgen nur tapfer unterdrücken. As da vor mir in dem Gang entlang schwebte war ein Kopf. Ein menschlicher Kopf. Mir wurde übel, als ich sah, wie dieses Ding durch den Gang schwebte. Wie die Därme träge über den Boden schleiften. Von den anderen Organen will ich erst gar nicht reden. Von denen ging ein phosphoreszierendes Leuchten aus. Ekel überkam mich und ich wich einen Schritt zurück. Das Ding schien mich nicht bemerkt zuhaben, denn es schwebte weiter und schien dann zu einer der vielen Türen zuwollen. Blieb dann davor stehen und die Tür öffnete sich. Es schwebte hinein und ich folgte. Zu meinem Entsetzen erkannte ich nun, wo ich war. In einem Krankenhaus. Genauer gesagt auf der Geburtsstation. In den Bettchen schliefen die Babys und rührten sich nicht. Dieses Etwas schwebte heran, ließ suchend den Blick von einem Baby zum anderen schweifen, dann hielt es inne und ging dann zu einem der Säuglinge und verharte kurz in der Luft. Dann beugte sich hinunter. Ich konnte nicht sehen, was es tat, weil es mit dem Rücken zu mir gedreht schwebte. Aber ich brauchte es nicht zusehen, als ich hörte, wie das Baby kurz aufschrie, zuckte und dann wieder erschlaffte, ahnte ich, was gerade vor sich ging. Dennoch stürmte ich voran. „Sofort aufhören!“, schrie ich und blieb dann stehen, als ich sah, dass dieses Ding mit der Zunge den Brustkorb des Kindes durchstossen hatte und nun in gierigen Zügen das Blut aus ihm heraussaugte. Ich fühlte, wie eine bleiende Taubheit mich plötzlich erfasste. Wieder fühlte ich mich hilflos angesichts dieses Grauens. Auch wenn ich wusste, dass ich in meinen Vision nicht eingreifen konnte, wollte ich es hier in dieser mehr als in meinen vorherigen. Dieses Ding saugte dem Kind das Blut aus dem Leib, würde es damit töten. Und ich konnte nichts dagegen tun. Nur zusehen. Als das Ding mit dem Kleinen fertig war, richtete es sich auf und drehte sich um. Die lange Zunge, welche bluttriefend aus dem Mund des Ungeheuers hing, zog sich langsam wieder zurück. Die Därme, die wie Schläuche runterbaumelten waren geschwollen, hatten eine gesunde rosige Farbe. Ebenso wie das Gesicht dieses Monsters und ich hatte große Lust es mir zuschnappen. Was dachte es sich, und tötete ein Baby. Dieses elene Scheusal. Ich bekam eine mordswut und einen unbedändigen Hass auf dieses Monster. Ich wünschte mir in diesem Moment eine Waffe zur Hand zuhaben, damit ich darauf einstechen oder schlagen konnte. Plötzlich hörte ich Lexs Stimme und die Vision verblasste. „Allison…Hey Allison!“, hörte ich ihn und spürte, wie er mich an der Schulter packte und an mir rüttelte. Ich blinzelte und ich war wieder in der Küche. Lex musste meine Vision als eine Art Anfall gehalten haben, denn er sah mich besorgt an. Ich schüttelte nur den Kopf. Wollte ihm sagen, dass es nichts sei. Doch mir fehlte die Stimme. Trotz der Wut fühlte ich mich elendig. Ich hatte mit ansehen müssen, wie ein Monster ein kleines Baby tötete. Ich hatte schon so manches Schreckliches gesehen, aber das schlug dem ganzen den Boden aus. Minutenlang saß ich da, konnte mich nicht rühren. Aber dann holte mich etwas aus dieser Starre. Brian und Esmeralda. Ich musste ihnen davon erzählen. „Wo…sind Brian und Esmeralda!“, kam es stockend von mir und Lex sah mich für einen kurzen Moment fragend an. So als würde er wirklich darüber nachdenken müssen. Dann aber wies er mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer und ich stand auf. Meine Schritte waren ungelenk und ich schwangte, als ob ich einen zuviel getrunken hätte. Fing mich aber wieder und ging weiter. Esmeralda und Brian mussten weiterhin über mich gesprochen haben. Aber als sie mich sahen, schwiegen sie sogleich und Esmeralda stand auf und kam auf mich zu. „Allison, was ist los? Du bist ja blass wie der Tod!“, sagte sie besorgt und lenkte mich zur Couch. Zwang mich mit sanften Nachdruck, mich zusetzen. Brian hatte sich nicht gerührt, sah mich nur an. Offensichtlich musste er gesehen haben, was passiert war. Wusste er von meiner Gabe etwa? „Ich…ich habe etwas gesehen!“, kam es aus mir, weil ich es für unnötig hielt, meine Gabe zverheimlichen, wenn er es schon wusste. Esmeralda runzelte die Stirn. Schaute dann zu Brian, der sich nun rührte und sich uns gegenüber setzte. „Was hast du gesehen?“, fragte er und beugte sich vor. Ich schloss die Augen und suchte nach den richtigen Worten. „Ich…ich war in einem Krankenhaus. Auf der Geburtenstation. Ich habe da etwas gesehen, was ein Baby getötet hat. Es war ein Kopf. Ein Menschenkopf!“, begann ich zuerklären und mir wurde wieder schlecht, als ich mich daran erinnern musste. „Ein Menschenkopf?“, hakte Esmeralda nach, die nun selber hellhörig geworden war und sah mich gespannt an. Ich nickte. „Ja, nur ein Kopf und die Organe baumelten über dem Boden…!“ Ich musste aufhören zu erklären, da ich merkte, wie es an mir zerrte. Esmeralda legte ihre Arme um mich und zog mich an sich. Strich mir beruhigend über den Kopf. „Schhhh. Ganz ruhig. Es ist gut!“, flüsterte sie. Doch ich konnte mich nicht beruhigen. „Hast du gesehen in welchem Krankenhaus du warst?“, fragte Brian, worauf er von Esmeralda einen bösen Blick einheimste. Ich schüttelte den Kopf. „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zuwarten!“, meinte Brian und ich fühlte mich noch schlechter als vorher. Wollte er mir damit ein schlechtes Gewissen machen? „Brian!“, zischte Esmeralda. Und damit war es erstmal gut. Kapitel 8: Die Feuertaufe ------------------------- (Ja, endlich mal wieder ein neues Kapitel. Es tut mir sooooo leid, dass ich solange gebraucht habe. Aber leider hatte ich keine Motivation, weiterzumachen, und wenn dann hatte ich Probleme, meine Ideen zu Papier zu bringen. Liest das überhaupt einer?!) Laura Shane arbeitete schon gut zehn Jahre im St. Mary Hospital und kannte alle Gänge und Winkel wie ihre Blusentasche. Die Vierzigjährige Krankenschwester war für die Geburtenstation verantwortlich und nahm ihren Job sehr ernst. Sie wusste um die Sorge der frischgebackenen Eltern und dass sie ihr vertrauten. Und dieses Vertrauen wollte sie nicht enttäuschen. So machte sie wie jeden Abend einen Kontrollgang. In Gedanken ging sie nochmal alles durch, was sie über die kleinen Würmchen wissen musste, als ein Geräusch sie innehalten ließ. Hatte sie sich verhört? Oder hatte sie etwas gehört, was wie ein Klagelaut klang? Laura Shane schaute sich um. Außer ihr und der anderen Schwester, die an der Rezeption beschäftigt war, war niemand hier. Die anderen hatten ihre Schicht schon längst beendet. Sie war die einzige auf der Geburtenstation.Sie dachte schon, sie hätte es sich eingebildet, als dieser Laut wieder erklang. Diesesmal war es näher. Als käme es direkt hinter ihr. Laura drehte sich um und blickte in den Gang hinter ihr. „Jennifer? Bist du das?“, fragte sie und sie erschrack, wie ihre Stimme zitterte. Sie glaubte, dass es einer ihrer Kolleginnen war, die sich einen Spass machen wollten. „Wenn ja, kannst du was erleben!“, rief sie und versuchte, ruhig zu bleiben. Nichts passierte. Weder hörte sie ein Kichern noch zeigte sich ihre Kollegin. Laura wurde das langsam unheimlich. „Komm auf der Stelle raus. Das ist nicht komisch!“ Und endlich sah sie einen Schatten auf dem Gang auftauchen. Ein Kopf lugte hervor und Laura atmete erleichtert auf. „Wusste ich es doch!“, sagte sie und wollte gerade zu einer Predigt ansetzten. Doch im nächsten Moment gefor ihr Blut in den Adern. Wo sie zuerst geglaubt hatte, dass man ihr einen bösen Streich spielte, glaubte sie nun, dass es ihr Verstand tun würde. Was sie da im Gang sah, konnte es unmöglich geben. Ein menschlicher Kopf, der frei in der Luft schwebte. Ein klagender Laut drang über die bleichen Lippen und es lief Laura kalt über den Rücken. Es war also dieses Ding gewesen, was sie so erschreckt hatte und sie nun vor Angst lähmte. Gebannt blickte sie zum Kopf, der auf sie zuschwebte. Ihr Blick fiel auf die Därme, die hinunterbaumelten, wie Schläuche und von einer Flüssigkeit glänzte, die zischte als sie auf den Boden tropfte. Ein phosphoreszierendes Leuchten ging von ihnen aus. Laura wich zurück, als der Kopf näher kam und die dunklen Augen sie anschauten. Der Mund öffnete sich und wieder war dieser Laut zu hören, der sie schüttelte. Sie wischte sich über die Augen. Hoffte damit, dass dieses Ding, welches nur aus ihrer Einbildung entstanden war, verschwinden würde. Doch als sie wieder hinschaute, musste sie feststellen, dass dieses Ding immernoch da war und diesesmal war es ihr näher gekommen. Die Krankenschwester holte tief Luft und sah ihm ins Gesicht an. „Was…was bist du?“, stammelte sie und für einige Minuten schien das Ding sie nicht zuverstehen. Aber dann lächelte es und im nächsten Moment spürte sie einen entsetzlichen Schmerz in ihrem Gesicht und auf ihrem Hals. Laura stiess einen schrillen Schrei aus und hielt sich ihr Gesicht. Torkelte nach hinten. Der Schmerz war kaum zuertragen. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihr in die Nase und als sie weitertaumelte, nahm sie die Hände vom Gesicht und schaute in eine spiegelnde Glassscheibe. Ihr Schrei war schrill und blankes Entsetzen lag darin, als sie sah, wie sich tiefe Verbrennungen durch ihre Haut zogen. Wie sich die Haut an den Rändern rollte, dunkel wurde und das Fleisch darunter feucht glänzte. Laura glaubte den Verstand zuverlieren. In blinder Panik stürmte sie davon, hatte das Monster ganz vergessen und wollte nur noch eins: Zu ihrer Kollegin und Hilfe! Collete war bis jetzt mit einem Telefongespräch beschäftigt gewesen und war zuerst erschrocken über die Schreie ihrer Kollegin. Sofort eilte sie zu dem Gang, in den sie gangen war und da kam auch schon Laura ihr entgegen. Collete war entsetzt, als sie das Gesicht der älteren Krankenschwester war und wie hysterisch sie war. „Laura…um Gottes willen, was ist passiert?“, reif sie aufgebracht, doch Laura konnte nicht antworten sondern deutete mit zitternen Händen in die Richtung aus der sie gekommen war. „Was ist da? Ist da jemand? Hat er dir das angetan?“, hackte sie nach. Doch Laura stammelte nur:„ Das Monster…das Monster!“ Collete wusste beim besten Willen nicht, was sie damit anfangen sollte. Aber was oder wer auch immer ihr das angetan hatte. Er war bestimmt schon längst über alle Berge. Und das wichtigste war, dass sie sich um ihre Kollegin kümmerte. So griff sie zum Telefon und rief die Polizei und den Arzt. „Und Sie sind ganz sicher?“, bohrte ein Beamter, Sergant Jones, von Scotland Yard und schaute die traumatisierte Krankenschwester skeptisch an. Bis jetzt hatte er sich alles ordentlich aufgeschrieben. Und eigentlich klang es wie ein heimtückischer Angriff mit Säure. Wäre da nicht die Erwähnung von diesem Monster ohne Körper gewesen. Jetzt glaubte der Mann, dass die Krankenschwester sich, durch ihre eigene Unvorsichtigkeit die Verletzung selber zugefügt hatte und das Monster eine Folge von dem Schock war. Doch Laura beharrte darauf, dass sie sich das nicht eingebildet hatte. „Ja…ja ja ja. Ich habe mir das nicht eingebildet!“, wimmerte Laura, dessen Gesicht von einigen Mullbinden umwickelt war. Sie glich nun einer Mumie. Einer sehr verzweifelten Mumie. „Das müssen Sie mir glauben!“ Der Mann seufzte schwer. In seinen Beruf hatte er schon einige Zeugen vernommen, die sich die verrücksten Geschichten ausdachten, weil sie von ihrer eigenen Dummheit ablenken wollten. Oder einfach nur Aufmerksamkeit haben wollten. Bei der Krankenschwester tippte er auf das erste. „Das würde ich gerne. Aber Sie müssen zugeben, dass Ihre Aussage sehr verrückt klingt!“, sagte er nachdrücklich und die Schwester biss sich auf die Unterlippe. Nachdem sie den Schock und den Schmerz überwunden hatte, hatte sie der Polizei, die eingetroffen war, alles erzählt und wusste selber, dass sich das alles viel zu unglaublich klang, als wirklich ernstgenommen zuwerden. Gerne hätte sie sich das als eine Ausgeburt ihrer Phantasie gehalten, die durch den Stress entstanden war, aber die Verletzungen und der dumpfe pochende Schmerz, sprachen eine andere Sprache. „Ich habe mir das nicht eingebildet!“, sagte sie und wischte sich die Tränen weg. Wielange würde das noch dauern und wie oft musste sie noch darauf bestehen, dass sie die Wahrheit sagte? Jones seufzte erneut. Es würde nichts bringen noch weiter die Zeugin zu befragen. „Wir werden der Sache nachgehen!“, erklärte er. Die Untersuchungen dauerten noch einige Minuten, dann gingen die Beamten. Der Fall im St. Mary Hospital wurde untersucht. Doch die Ermittlungen verliefen sich im Nichts. Niemand, abgesehen von der verletzten Schwester, konnte genug Hinweise liefern, um den Täter zuüberführen. So wurde der Fall zu den Akten gelegt und beinahe vergessen. Bis zum nächsten Vorfall. Und bis zum übernächsten. Und schon bald berichtete die Zeitung von den Vorkommnisen. Oder zumindest über die mysteriösen Todesfällen der Säuglinge. Ich wurde kreidebleich, als ich den Artikel sah. „Nicht zu klärende Todesfälle von insgesamt zehn Babys im St. Mary Hospital. Polizei ratlos. Eltern verzweifelt!“ In meinem Hals bildete sich ein fetter Kloss. Meine Vision hatte sich wiedermal bestätigt. Und wiedermal konnte ich nichts dagegen tun. Esmeralda und Brian, die den Zeitungsartikel ebenso entdeckt hatten, tauschten Blicke. Offenbar war die Zeit des Wartens vorbei. Aber darüber freuen konnte ich mich nicht. Zehn. Zehn Babys waren tot und schuld war dieses Ding. Dass die Polizei dagegen nichts tun konnte, war klar. Sie glaubten sicherlich an plötzlichen Kindstot. Aber so häufig mussten auch sie einsehen, dass das nicht normal sein kann. Aber wie sollte man den Beamten das klarmachen. „Ein Kopf hatte die Kinder getötet, in dem er ihnen das Blut ausgesaugt hatte?“ Nein, die würden mich auslachen oder schlimmstenfalls einweisen lassen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich geknickt und las mir immer wieder den Artikel durch. Mir zog sich immer mehr der Magen zusammen. „Ich sage Lex und Fay bescheid. Sie sollen der Sache nachgehen!“, erklärte Brian. „Esmeralda, ruf bei Sir James an. Verlange nach der Akte dieses Falls!“, wies er seine Frau knapp an. Sie nickte. Dann, bevor sie aufstehen wollte um anzurufen, schaute sie mich an. „Und Allison? Soll sie hier dumm rumsitzen und Däumchen drehen?“, fragte Esmeralda und ich schaute auf. Wollte sie mich wirklich mit dabei haben? Irgendwie freute ich mich schon. Aber wenn man bedenkt, dass ich noch nicht soweit war, um gegen einen von diesen Dämonen persönlich zukämpfen, dann war ich nicht so glücklich darüber. Brian schien meine Meinung zuteilen. „Bist du sicher? Sie kann noch nicht gerade viel. Um ehrlich zusein, gar nichts!“ Danke, das hätte wirklich nicht sein müssen. Mir war klargewesen, dass ich noch ein blutiger Anfänger war, aber dass er mir das so hart ins Gesicht sagen musste, war wirklich zuviel des Guten. „Mag sein. Aber immerhin sieht sie dann, wie man sich wehren kann. In Aktion. Sie muss ja nicht mittendrin sein. Sondern sich etwas abseits halten!“, sagte Esmeralda und zwinkerte mir dabei zu. Okay. Jetzt fragte ich mich, auf wesen Seite sie wirklich stand. Brian versuchte in diesem Moment mich aus dieser Gefahr rauszuhalten. Ein Punkt für ihn. Während Esmeralda darauf pochte, dass ich mich mit Fay und Lex auf Dämonenjagd machte. Hm, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass sie mich ins kalte Wasser schubsen wollte. Und Brian wollte mich wohl noch etwas auf der Reservebank haben. Brian sah erst sie, dann mich an. Schien kurz nachzudenken. Dann nickte er. „Also gut. Aber halte dich raus, verstanden!“, sagte er mit Nachdruck und ich nickte. Fay und Lex staunten nicht schlecht, als wir ihnen erzählten, dass es einen neuen Fall gab und vorallem dass ich diesen Fall schon vorhergesehen hatte. Ihre Gesichter sprachen Bände, während sie mich ansahen, als sei ich ein Alien. Mir war, zugebeben, alles andere als wohl dabei. Ich hatte immer gewollt, dass meine Gabe nicht so schnell bekannt wurde. Zumindest nicht hier. Nun aber war es raus. „Heisst das, du kannst in die Zukunft schauen?“, fragte mich Fay dann staunend und ich nickte. Lex schien im Gegensatz zu ihr begeistert zusein, denn er grinste breit. „Wow, dann sollten wir beide Mal nach Las Vegas gehen!“ Dabei zwinkerte er mir verschwörerisch zu. Ich verzog das Gesicht. Sehr witzig, dachte ich nur. „Das ist nicht komisch, Lex!“, rückte ihn Esmeralda zurecht und ich setzte nach:„ Leider sehe ich nicht, welche Farbe beim Roulette gewinnt, oder welche Maschine den Jackpot ausspukt. Sondern nur Katastrophen!“ „Oh!“, gab Fay zurück und ihr Gesicht spiegelte nun Betroffenheit. Auch Lexs breites Grinsen verschwand. Offensichtlich weil er seine Gewinnchancen schwinden sah. „Und du denkst, dass deine Vision etwas mit diesen Todesfällen zutun haben?“, fragte Fay dann. Ich nickte. „Ich denke es nicht nur. Sondern ich weiss es!“ „Aus diesem Grund werdet Ihr Euch das mal anschauen!“, sagte nun Brian. „Wo sollen wir anfangen?“, fragte Lex, der nun seine lässige Art abgelegt hatte und klang, wie jemand, der ganz bei der Sache war. Nun war es an mir, nicht schlecht zustaunen. Wow, so schnell konnte man sich in jemanden irren. „Ihr solltet erstmal zu dem Hospitel gehen, in dem der erste Todesfall war. Fragt nach, ob jemand was gesehen hatte!“, erklärte Brian und hörte sich auch wie jemand an, der wusste, was zutun war. Deutete dabei auf die aufgeschlagene Zeitung, die vor ihm auf dem Tisch lag. „Welches Hospital wäre das?“, kam es wieder von Lex. „St. Mary Hospital!“, sagte er. „Ich weiss nicht, was sie von mir wollen? Ich habe nichts mitbekommen und habe auch schon meine Aussage, die das beinhaltet, schon gemacht!“, antwortete die Stationsschwester schroff und sah sie uns mit genervten Blicken an. „Sie kommen doch von Scotland Yard oder etwas nicht?“ „Doch. Aber wir würden es trotzdem gerne von Ihnen hören. Es kann sein, dass die Kollegen nicht alles aufgeschrieben haben!“, erklärte Lex, der sich selber zum Sprecher erklärt hatte, während Fay und ich hinter ihm standen und das ganze beobachteten. Nachdem ich ihnen von meiner Vision erzählt hatte und wir uns einen Plan zurechtgelegten hatten, wie wir vorgehen, hatte Esmeralda noch zur späten Stunde im Büro eines gewissen Sir James angerufen* und nach der Akte über den Fall im St. Mary Hospital verlangt. Diese kam auch am nächsten Morgen sogleich und wir lasen uns den Bericht durch. Es stand drin, dass die Betroffene, eine Laura Shane, wohl sich selber aus reiner Ungeschicklichkeit die Verbrennung zugefügt hatte und sich das Monster, welches ihrer Meinung nach angegriffen hatte, nur durch den Schock der Verletzung entstanden war. Doch ich glaubte das nicht. Und Fay und Lex ebenso wenig. So besuchten wir das Hospital und wollten mit der Verletzten reden. Aber Larua Shane war nicht da. Nur ihre Kollegin, die am selben Abend dagewesen war und die Polizei und den Arzt gerufen hatte. Offenbar musste sie zigmal befragt worden sein. Von der Polizei und von der Presse, denn sonst würde sie uns nicht so ansehen, als würden wir ihr noch den Rest geben. „Soviel und oft wie wir Steuer zahlen, schlampen Sie auch noch?“, fragte sie wieder und schüttelte den Kopf. Ich musste mir eine grantige Bemerkung verbeissen. In Krankenhäusern wird noch viel mehr geschlampt, wollte ich sagen. Instrumente in den Patienten zuvergessen ist doch schon Tagesordnung. Aber ich hielt mich zurück. „Bitte. Es ist sehr wichtig!“, bat Lex nun und setzte einen Hundeblick auf, die selbst das härteste Frauenherz zum schemlzen bringen würde. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Fay die Augen verdrehte. Anscheinend kannte sie diese Masche. Und die Krankenschwester auch, denn sie gab einen entnervten Seufzer von sich und klappte die Krankenakte, die sie gerade eingehend studiert hatte zu. „Ich weiss nichts!“, sagte sie und ich hörte deutlich heraus, dass sie mit dieser Aussage hoffte, uns loszuwerden. „Da müssen sie schon Mrs. Shane fragen. Sie hat ja angeblich dieses Monster gesehen!“, erklärte sie. „Wo wohnt sie?“, fragte Lex und die Krankenschwester hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt. „Die Adresse finden Sie in der Akte, die Ihre Kollegen erstellt haben!“, raunzte sie und wandte sich der nächsten Akte zu. Lex nickte und drehte sich um. „Dann schauen wir eben in die Akte!“ Ich und Fay nickten auch und folgten ihm. Noch bevor wir aber das Hospital verließen, drehte Le den Kopf herum und sagte zu der Schwester höflich „Danke!“, worauf sie nur ein „Auf nimmerwiedersehen!“, murmelte. Laura Shane wohnte mitten in der Großstadt, die Londen hieß. Es war ein Altbau, der schon mal bessere Tage gesehen haben musste. Die Wände waren mit Grafitie beschmiert, die Wörter bildeten, die alles andere als Jungendfrei waren. Ich seufzte. Das soll London sein? Ich habe mir London irgendwie anders vorgestellt. Viel eleganter und vor allem sauberer. Vermutlich war das hier nur ein Teil davon, in dem es so aussah und der Rest war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Zumindest hoffte ich das. Wir stiegen die Eigengsstufen hoch und suchten auf dem Klingelschild nach Shane. Den fanden wir auch und Lex drückte. Ein leises Surren war zu hören und erstmal passierte nichts. Dann knisterte es im Lautsprecher und eine schwache weibliche Stimme meldete sich. „Ja, bitte?“ „Mrs. Shane? Wir sidn von Scotland Yard. Wir hätten einige Fragen an Sie!“, sagte Lex, nach dem er sich geräuspert hatte und wir hörten einen Wimmern. „Ich habe doch schon alles gesagt!“ Ratlos sahen wir uns an. Natoll. Sackgasse! Aber Lex wollte nicht so schnell aufgeben. „Das wissen wir. Aber wir würden trotzdem gerne zu Ihnen raufkommen und alles von Ihnen persönlich erfahren!“ Dann herrschte kurzes Schweigen. „Bitte lassen Sie mich in Ruhe. Ich will nichts mehr davon hören, noch dazu etwas sagen!“ „Wir können Ihnen helfen!“, platzte es nun auch mir und ich war selber erstaunt, dass ich das gesagt hatte. Konnten wir das wirklich? Es war schließlich schon passiert! Lex und Fay sahen mich mit einer Mischung aus Verblüffung und Skepsis an, die ich mit ihnen teilte. „Niemand kann das!“, erklang wieder die Stimme von Shane und wir hörten deutlich, dass sie weinte. „Niemand glaubt mir!“ Lex wollte daraf etwas sagen, doch Fay hielt ihm an Arm fest und schob mich zu der Sprechanlange. Ich sah sie verwirrt an. Hob nur ratlos die Schultern. „Überrede sie. Versuche es zumindest!“, forderte sie und ich überlegte krampfhaft, wie ich der verzweifelten Frau Mut zusprechen kann. Dann holte ich Luft und begann zusprechen. „Wir glauben Ihnen. Sie haben Recht, dass Ihnen niemand mehr helfen kann. Trotzdem. Sie müssen uns nunhelfen, damit das nicht nochmal passiert. Dieses Ding, was sie da angegriffen hat, saugt den Neugeborenen das Blut aus. Und nur wenn Sie uns sagen, wie es aussah und was es wollte, können wir das verhindern. Bitte!“, flehte ich. Ich wusste ja eigentlich schon, wie es aussah. Dieses Bild würde ich nicht mehr vergessen, aber irgendwas musste ich sagen, um sie dazu zu zubewegen. Fay klopfte mir auf die Schulter. Wollte mir damit sagen, dass ich das gut machte. Als dann aber nichts passierte, hegte ich Zweifel, ob mir nun die Frau glaubte. Die Minuten dehnten sich wie Kaugummi und wir befürchteten schon, sie habe aufgelegt. Aber dann passierte das Wunder und die Türöffnung summte. Das Treppenhaus, welches nur von einigen gelblichen Glühbirnen erhellt wurde, brachten wir schnell hinter uns. Zum Glück. Denn es roch widerlich nach Pisse. Laura Shane erwartete uns im vierten Stock. In der Tür stehend und einem Morgenmantel bekleidet. Darunter trug sie eine ausgeleierte Jogginghose. Wir begrüßten sie höflich und sie erwiederte den Gruß. Ließ uns dann ein. Laura führte uns in das Wohnzimmer und bat uns Platz zu nehmen. „Kann ich Ihnen was zutrinken anbieten?“, fragte sie und ich sah, wie sie zitterte. Sie tat mir leid. Die Narben auf ihrem Gesicht sprachen deutlich Bände von ihrem Leid und von dem Schrecken, den sie erlebt hatte. Fay und Lex schüttelten den Kopf. Ich nickte. „Gerne!“ Irgendwie fühlte ich mich schuldig und ich wollte nicht unhöflich sein. Laura nickte, stand auf und ging in die Küche. Währenddessen sagten wir nichts. Lex und Fay vermutlich, weil sie sich die passenden Fragen zurescht legeten und ich, weil ich mich unwohl fühlte. Ich rutschte etwas auf dem Sofa hinundher. „Was ist los?“, fragte Fay leise. „Ich weiss auch nicht. Aber ich habe ein echt mieses Gefühl. Wenn ich es eher gesehen hätte…!“, begann ich, doch Fay fuhr mir über den Mund. „Du kannst doch nichts dafür!“, sagte sie und strich mir über die Schulter. Ich sagte daraufhin nichts, denn auch wenn ihre Worte mich aufmuntern sollten, konnten sie es nicht. Und ob ich etwas dafür konnte, schrie es in mir und ich wollte schon etwas sagen, doch da kam schon Laura Shane wieder. Trug ein Tablett mit einer dampfenden Teekanne und einer Tasse. Beides im alten Stil gemustert. Rose Blüten und aus weissem Porzellan. „Hier bitte!“, sagte sie und reichte mir die Tasse. Ich nickte und bedankte mich. Nahm einen Schluck. Dann herrschte langes Schweigen. Lex war es, der es brach. „Mrs. Shane ich weiss, dass es nicht leicht sein wird für Sie. Aber ich biete Sie: Erzählen Sie uns, was Sie gesehen haben!“, bat er sie und ich konnte der Ärmsten ansehen, dass es ihr nicht leichtfiel. Sie blickte mich an, als ob sie bemerkt hätte, dass ich sie ansah und ich lächelte aufmunternt. Nickte. Laura schluckte schwer, dann leckte sie sich über die Lippen und holte tief Luft. Als sie ausatmete, begann sie zu berichten. Wir hörten aufmerksam zu und mit jedem Satz zog sich mein Hals mal zumal enger zusammen. Alles passte. Es war kein Irrtum gewesen. Trotz der Gewissheit, die ich durch die Vision und dem Zeitungsausschnitt hatte, hatte ich dennoch die schwache Hoffnung gehabt, dass das alles nur ein Zufall war. Ein verrückter Zufall. Nun aber wusste ich es besser. „Können Sie es uns aufzeichnen. Dieses Ding, was Sie da angriffen hat?“, fragte Lex, der immernoch die Rolle des Sprechers innhehatte. Laura nickte. Nahm dann ein Stück Papier und kritzelte mit einem Kulli eine grobe Skizze. Dabei zitterten ihre Finger. Als sie fertig war, schon sie die Skizze hnüber. Ich nahm diese an mich und als ich sie mir ansah, wurde mir wieder schlecht. Fay beugte sich zu mir. Schaute sich ebenso die Zeichnung an und ein Schauern ging ihr durch Mark und Bein. „Ist es das?“, flüsterte sie und ich nickte. Lex nahm mir die Zeichnung ab und steckte sie sich in die Hemdtasche. „Danke, das wär soweit alles!“, sage er und stand auf. Auch ich und Fay erhoben uns. Er ging und wir wollten ihm folgen. Doch ich blieb stehen und schaute zu Laura. Sie saß da, ihr ganzer Körper zitterte. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich hatte Mitleid mit ihr. Nicht nur dass sie den Schock ihres Lebens hatte. Sie war auch schrecklich entstellt. Gezeichnet für den Rest ihres Lebens. Mir wurde das Herz schwer. So wollte ich sie nicht allein lassen. Behutsam legte ich dir Hand auf die Schulter. Als sie aufschaute, lächelte ich. „Es wird alles wieder gut!“, sagte ich, auch wenn ich wusste, dass diese Worte mehr als überflüssig waren. Aber ich wollte sie nicht einfach so hier sitzen lassen. Laura Shane sah mich bekümmert an und wollte erst den Kopf schütteln, doch dann nickte sie. Tätschelte dann meine Hand mit ihrer. „Danke!“, sagte sie. „Egal was es ist. Lassen Sie nicht zu, dass es weiter mordet!“ Ich nickte wieder. „Das werden wir. Versprochen!“ „Hier, ich glaube ich habe etwas!“, rief Lex und wir unterbrachen unsere Suche. Gespannt hörten wir zu. „Das Ding nennt sich Penanggalan. Ein weiblicher Vampir aus Malaysia. In den alten Legenden heisst es, dass sie ihren Kopf des Nachts von dem Rest des Körpers löst und so auf die Suche nach Blut geht. Vorzugsweise tötet sie Säuglinge. Aber auch gebärende Frauen stehen bei ihr auf der Speisekarte!“, erklärte Lex, der in einem alten Buch blätterte und klang dabei ziemlich nüchtern. Mich machte das allerdings ziemlich fertig. Gut drei Stunden hatten wir die Bibiliothek von Brian, der jedes Buch über Dämonen, Hexen und andere Schattenwesen hatte, durchstöbert und nichts gefunden. Bis jetzt. Ich schluckte, als ich mir das bildlich vorstellte. Auch Esmeralda und Fay schien es nicht anders zu gehen. Ihre Gesichter wurden kreidebleich. Brian hörte nur zu. „Und weiter!“, sagte er dann und Lex blätterte weiter. Suchte wohl nach einem Satz, der ihm weiteres über dieses Ding, diesen Penanggalan, sagte. Doch er schien nichts zu finden, sodass er nur mit den Schultern zuckte. „Da steht nicht drin, wie man ihn aufhält!“ „Etwas wie man ihn abwehren kann?“, hakte er nach. „Hmm!“, machte Lex, suchte weiter. Dann hielt er inne. „Äh…Ja, hier. Um den Penanggalan vor einer gebärenden Frau zuschützen, muss man die Hauswand mit dornigen Zweigen ausstatten. An denen bleibt sie hängen, solange bis die Sonne aufgeht und sie dabei ihre Macht verliert!“ „Das hört sich doch gut an!“, meinte Fay. Ich konnte deutlich aus ihren Worten hören, dass sie das sarkastisch meinte. Und ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Wie sollten wir gegenso ein Ding ankommen, wenn wir nicht genau wissen, wie man es aufhalten konnte? „Besser als nichts!“, erwidere Lex darauf und schlug das Buch zu. Brian sagte jedoch nichts. Schien selber nachzudenken. Es schien ewig zudauern, bis er weitersprach. „Ich vermute mal, dass dieser Penanggalan, jetzt wo er entdeckt wurde, sich ein neues Jagdrevier suchen wird!“, sagte er und mir wurde bei dem Wort „Jagdrevier“, schlecht. Soll das heissen, dass dieses Monster weiter morden wird? Lex nickte. Schien die Meinung seines Vaters zuteilen. „Fragt sich nur welches Krankenhaus er sich als nächstes aussucht?“ „Darum werdet Ihr, du, Fey und Allison undercover in die Krankenhäuser gehen, um dieses Ding ausfindig zumachen!“ „Und welche wären das?“ Da wandte sich Brian an Esmeralda. „Esmeralda kannst du noch einige Akten anfordern, die sich ebenso um Kindstode in Krankenhäusern, drehen?“, fragte er. Esmeralda hob die Schultern, nickte dann. „Kann ich machen. Ich denke, da wird es noch einige geben, über die nicht berichtet wurde!“, sagte sie und stand auf um zu telefonieren. Wie es Esmeralda prophezeit hatte, kamen einige weitere Akten, in denen dieselben Vorfälle dokumentiert waren. Nur handelten diese nicht von dem Penanggalan. Zumindest nicht direkt. Ich zählte ungefähr zwanzig Kindestode. Und ich fragte mich, ob meine Vision viel viel zuspät kam, als ich es vorher schon gedacht. Wenn es schon soviele Opfer gab, wievele Babys würde es noch holen? Ich schüttelte mich dabei und versuchte diesen Gedanken loszuwerden. Brian breitete auf dem Tisch einen Stadtplan aus und nahm sich die Akten vor. Warf kurz einen Blick hinein und nahm sich einen Stift. Systematisch kreuzte er dann mit diesem die Krankenhäuser an, die dem Dämon als Futterkrippe dienten. Es waren fünf Krankenhäuser. Und diese waren so verstreut, sodass sich dabei kein Muster ergab. Dieser Penanggalan konnte sich entweder nicht entscheiden wo er sich einen Snack gönnte oder aber er war clever genug, um keine Spuren zu hinterlassen. Ließ man dabei die Narben von Laura Shane außer Acht. „Das macht es uns nicht gerade leicht!“, sagte Fay und ich teilte ihre Meinung. Wo sollten wir nur anfangen zusuchen? Brain selber schien ebenso darüber zudenken. Er blickte auf den Stadtplan, als könnte er ihm sagen, wo und wann der Penanggalan zuschlug. „Ich sage es nicht gern. Aber uns bleibt keine andere Möglichkeit, als zu warten, bis Allison wieder eine Vision hat!“, mischte sich nun Lex ein und er klang dabei genauso wenig begeistert, wie wir uns fühlten. Ich warf ihm daraufhin einen entsetzten Blick zu. „Was?“, kam es erstickt aus mir. „Machst du Witze?“ „Fällt dir eine bessere Idee ein?“ Ich schüttelte den Kopf. Nicht nur, weil ich keine andere Lösung sah, sondern weil ich nicht abwarten wollte. Nocheinmal zusehen, wie der Dämon ein unschuldiges Baby umbrachte, würde ich ertragen. „Dann bleibt uns keine andere Wahl!“, raunzte er. Ich wollte gerade schon sagen, dass er wirklich unsensibel ist und wie er nur konnte. Doch Fay legte mir die Hand auf den Arm und als ich sie anschaute, schüttelte sie nur den Kopf. Plötzlich erfasste mich Wut. Wut darüber, dass ich jetzt schon die Chance hatte, etwas dagegen zu unternehmen, und es doch nicht konnte. Dass wir nichts tun konnten und auch dass sie nichts tun wollten. Außer warten. Ich riss mit einem wütenden Fauchen meinen Arm aus ihrer Hand und stürmte dann davon. Hinauf die Treppen und zu meinem Zimmer. Mittlerweile kannte ich mich gut genug aus. Mit einem Fluch stiess ich die Türe zu meinem Zimmer auf und warf mich aufs Bett. „Verdammt!“, rief ich in die Kissen. Schlug mehrmals darauf ein. Warum konnten meine Vision nicht noch etwas mehr nützlicher sein? Wieso zeigten sie mir nicht gleich, wo wir als nächstes suchen mussten? Waren sie wirklich nur dafür da, um mir zu zeigen, dass es in dieser Welt nur Grauen und Tod geben konnte? „Hör auf, dich darüber aufzuregen. Sondern denk nach. Gebrauch dein Köpfchen!“, hörte ich plötzlich eine Stimme und schaute auf. Auf dem Bett, mit übereinander geschlagenen Beinen und vor der Brust verschränkten Armen saß Erik, der mich mit einem tadelnden Blick ansah. Ich hatte nicht bemerkt, wie es darußen dunkel geworden war. Natoll, der und seine neunmalklugen Sprüche haben mir gerade noch gefehlt. Ich knurrte und richtete mich auf. „Wofür soll ich mein Köpfchen gebrauchen? Um zu akzeptieren, dass wir keinen weiteren Anhaltspunkt haben und deshalb warten müssen, bis dieses Ding wieder zuschlägt!“, fauchte ich und meine Finger gruben sich in das Bettlaken. Eriks Miene, die vorher ausdrucklos, beinahe schon weltfremd war, wurde nun düster und seine Lippen wurden zu einem blassen Strich. „Nein! Denk nach. Du müsstest selber darauf kommen. Du hast gesehen, wie dieses Ding aussah. Hast sein Gesicht gesehen. Dass müsste dir eigentlich schon reichen!“, konterte er scharf und ich zuckte etwas zusammen. Seine Stimme war wie die eines Lehrers, der einem dummen Schüler, der ich war, das einfachste beibringen wollte und es zum hundertsten Mal erklärte. Aber dann straffte ich wieder meine Schultern und sah ihn herausfordernt an. „Tut mir leid, aber ich habe mehr auf die heraushängenden Organe geachtet, als auf das Gesicht dieses Monsters!“ Erik knurrte etwas, was wohl wie „Wie kann man nur so dämlich sein?“, klang woraufhin ich ihn ebenso beleidigen wollte, kam aber nicht dazu, da er mich direkt an sah und ich glaubte in die Finsterniss zu sehen. „Deine Mutter hätte sofort, als sie das erste Mal des Gesicht des Dämon gesehen häte, gewusst, wo sie suchen musste. Sie wusste immer was zutun war!“, kam es prompt und versetzte mir damit einen Stich. Meine Mutter hätte es gewusst, dass bestritt ich nicht. Aber ich war nicht wie sie! Ich war…ich war ich! Dennoch tat es weh. Ich schluckte und wandte mich von ihm ab. „Sie mag zwar so gewesen sein, aber ICH bin nicht so!“, kam es mir kaum über die Lippen und mehr an mich, als an ihn gerichtet. „Nein, das bist du nicht!“, hörte ich seine kalte Stimme und seine Worte schnitten noch tiefer. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Erik mich anschaute. Dann seufzte er. „Aber du hast einen Teil ihrer Gabe geerbt. Mach dir das zunutze!“, sagte er und diesesmal war es ein guter Rat. Ich schaute auf, weil ich ihn fragen wollte, wie ich das genau anstellen sollte. Doch Erik war verschwunden. Ich schnaubte nur. Danke auch für diesen tollen Tipp. Aber irgendwie schien er damit recht zuhaben. Ich hatte das Gesicht des Dämons gesehen. Hatte aber wie gesagt nicht darauf großartig geachtet, weil ich zu entsetzt von seinem Erscheinen war, als dass ich mir diese genauer einprägen konnte. Nun aber meinte ich mich deutlich daran zuerinnern und mir wurde sogleich übel. Dennoch zwang ich mich weiter daran zuerinnern. Und je mehr ich das tat, desto deutlich sah ich es. Die dunklen, eigentlich schönen Mandelaugen. Der wohlgeformte Mund, die etwas flache, dennoch zierliche Nase. Das rabenschwarze Haar. Ein jugendhaftes Gesicht eben, in das man sich verlieben würde. Wäre dieses Ding kein Dämon, so hätte ich meinen können, dass der Penanggalan ein schönes Mädchen oder eine schöne Frau war. Doch das war wohl nur Fassade. Zur Täuschung um auf die Jagd zugehen. Und mit dieser Erinnerung hatte ich nun doch einen Anhaltspunkt. Mit schnellen Schritten verließ ich das Zimmer. Eilte die Treppe und in da Wohnzimmer. Brian, Esmeralda, Fay und Lex schienen gerade weiter zu diskutieren, was nun als nächstes getan werden muss, als ich mittendrin reinplatzte. Ihre Blicke waren nun auf mich gerichtet. „Was ist los, Allison?“, fragte Esmeralda. Mehr besorgt als neugierig, weil ich eben noch halsüberkopf davongestürmt war. „Ich…ich weiss jetzt, wonach wir suchen müssen. Oder eher nach wem!“, brachte ich hervor und war selber ertaunt, wie außer Atem ich war. „Eine Krankenschwester aus Malaysia? Warum fragen Sie das?“, kam es von der Stationsschwester. Es war das vierte Krankenhaus, dem wir einen Besuch abstatteten. Und bisher hatten wir keinen Erfolg. Die Dame sah uns an, als zweifelte sie an unserem Verstand. „Wir…wir ermitteln in dem Fall des St. Mary Hospitals. Wir gehen von der Möglichkeit aus, dass diejenige, die für die Kindstode verantwortlich ist, in einem anderen Krankenhaus abreitet. Leider wissen wir nicht in welchem. Darum müssen wir jedes Krankenhaus, bezwiehungsweise, das Personal befragen!“, erklärte Lex und ich bewunderte ihn dafür, dass er klang wie ein waschechter Polizist. Papa hätte ihn sicher gemocht. Dabei musste ich etwas lächeln. Die Frau sah ihn mit gehobener Braue und skeptischer Miene an. Offensichtlich glaubte sie ihm nicht. Und wäre ich sie, würde ich das auch nicht glauben. „Tut mir leid. Ich kann mich nicht an eine Krankenschwester aus Malaysia erinnern!“, sagte sie nach langem Überlegen. Ich seufzte innerlich frustiert. Natoll, wieder Sackgasse. Es war später Mittag und für London, das bekannt war für Regen, Nebel und kalten Wind, war es warm und sonnig. Wir saßen auf einer Bank im St. James Park und gönnten uns eine Pause. Lex war so freundlich gewesen und hatte mir und Fay ein Eis spendiert. Er selber begnügte sich mit Fish and Chips. Dem typisch englischen Lieblingessen. „Und was jetzt?“, fragte ich während ich an meinem Eis schleckte und auf den See schaute, auf dem Enten schwammen. Fay schaute zu Lex, der wiederum vor sich hinfutterte, und mit seinen Gedanken weit war. Lange Zeit sagte er nichts, dann aber wischte er sich mit der Serviette den Mund ab und warf die Pappschale in den Mülleimer. „Ich werde wohl Mum und Dad anrufen müssen und ihnen sagen, dass wir nichts gefunden haben!“, sagte er und holte sogleich sein Handy raus. Tippte die Nummer ein und legte das Mobiltelefon ans Ohr. Es klingelte eine Weile, ehe sich jemand am anderen Ende meldete. „Mum…ja…ich bin es. Wir haben jetzt alle in Frage kommenden Krankenhäuser abgeklappert. Bis jetzt noch keine Spur. Kannst du Sir James anrufen und fragen, ob er uns nicht etwas unter die Arme greifen kann?“, fragte er und einige Minuten lang schien Esmeralda selber nachzudenken. Gespannt sahen ich und Fay zu ihm. Dann nickte Lex, bedankte sich und legte auf. „Tja, jetzt müssen wir doch noch warten. Bis Sir James sich meldet!“, erklärte er und setzte sich wieder. Diesesmal fühlte ich mich nicht so niedergeschlagen. Immerhin wussten wir nun, wie nun dieses Ding aussah. Und so viele malaysische Krankenschwestern gab es in London ja wohl nicht. Zumindest hoffte ich das. Das warme Wetter schlug am Abend in einen heftigen Regenschauer um. Draußen donnerte es und alle fünf Sekunden blitze es. Nie hatte ich so ein heftiges Gewitter gesehen. Und es fesselte mich. Ich konnte es mir selber nicht erklären, aber ich konnte nicht anders, als aus dem kleinen Balkon zuschauen und mitzuverfolgen, wie die Blitze einschlugen und ihr Donnern darauf folgten. Es erinnerte mich daran, wie ich auf der Brücke stand und mich umbringen wollte. Und dann wie mich Erik davor bewahrte, er war einfach da gewesen und hatte mich davor bewahrt einen Fehler zumachen. Es war irgendwie komisch. Ich hatte mich vorher vor ihm gefürchtet. Er selber hatte es ja wunderbar geschafft, mir eine heidenangst zumachen und nun stellte er sich als der Retter aus großer Not heraus. Ich fragte mich wirklich, was ich von ihm halten sollte. Er schien ein Wesen mit zwei Gesichtern zusein, Vermutlich auch eins, mit vielen. Und jedes war anders. Auf seine Weise. Man konnte fast schon sagen, dass er irgendwie wie ein Mensch war. Doch dann musste ich mich daran erinnern, wie er sich in einen Schatten verwandelt hatte und mit der Finterniss verschmolzen war. Wie er diesen Ghoul gefressen und diesen Parasiten vernichtet hatte. Er war kein Mensch. Etwas in mir sträubte sich daran zuglauben, dass er etwas Menschliches hatte. Wobei er wie ein Mensch sprach und wie einer aussah. Trotzdem. Erik war kein Mensch. „Reizend dass du mich als ein Monster siehst!“, hörte ich sagen und machte einen Satz nach vorn. Drehte mich dabei um die eigene Achse und sah, wie kann es anders sein, Erik da stehen. Völlig in der Dunkelheit verborgen und nur durch das Aufleuchten des Blitzes zusehen. „Mach das nie wieder, kapiert!“, rief ich und griff mir an die Brust, weil ich fürchtete mein Herz wäre stehen geblieben. Erik schmunzelte. Das konnte ich selbst in der Dunkelheit sehen und wünschte ihn zum Teufel. „Da war ich schon. Ist nicht gerade witzig da unten beim Gehörnten, glaub mir!“, sagte er lässig und schlenderte zum Bett. Grrr! Musste der immer das letzte Wort haben? „Ja!“, sagte er und setzte sich. Ich verbiss mir die nächste Antwort. „Sehr gute Idee!“ „Lass das gefälligst!“ „Was denn?“ „Meine Gedanken zu lesen. Das nervt!“ „Dann lern deine Gedanken für dich zubehalten!“, grunzte er zurück. „Und wie?“ „Benutzt die Matschbirne, die auf deinen Schultern sitzt!“ „Was hast du gesagt?“ „Matschbirne. Bist wohl taub!“ „Du mieser, kleiner…!“ „Sag ja nichts Falsches!“ „Willst du mir drohen?“, fragte ich wütend und auch entsetzt. Was dachte sich dieser Scheisskerl eigentlich. „Dieser Scheisskerl denkt sich, dass du dich wie ein Kleinkind benimmst!“, sagte er und das reichte. Mit einem Schrei warf ich mich auf ihn und wir beide gingen zu Boden. Rauften miteinander wie wirklich kleine Kinder. Dabei war es mir egal, wie lächerlich ich mich dabei verhielt. Ich hatte einfach die Naae voll von Eriks Besserwisserei. Sie verkeilten wir uns immer mehr ineinander und waren nur noch ein Knäuel aus Armen und Beinen. Ich schaffte es irgendwie, mich auf ihn zu rollen. Wütend versuchte ich ihm eins auf die Nase zu geben. Der wich jedoch geschickt aus. Packte meine Hand mitsamt Arm und drehte sie so, dass ich schmerzhaft aufschrie. Dann folgte ein harter Schlag seiner flachen Hand auf meine Wange und ich rollte wie betäubt von ihm runter. Kurz drehte sich alles und ich versuchte mich wieder aufzurichten. Doch da war schon Erik über mir und presste mich mit seinem ganzen Körpergewicht auf den Boden. „Werde endlich erwachsen, Allison. Die heile Welt, die du zu haben glaubst, ist nur Schein. In Wahrheit ist sich jeder selbst der nächste!“, zischte er. Das war nicht nötig mir das zu sagen. Ich wusste schon, dass es keine heile Welt gab. Man musste ja nur Nachrichten sehen. Nur Mord und Totschlag. Entführungen und Vergewaltigungen. Doch das war allerdings hilflos, wenn man bedachte, dass es neben dieser noch eine andere Welt gab, die noch viel schlimmer war. Eriks Worte waren wirklich nicht nötig um mich daran zuerinnern. Oder glaubte ich doch noch daran, dass das alles nur ein böser Traum war? War ich wirklich so naiv? „Willst du wirklich darauf eine Antwort haben?“, knurrte Erik über mir und wieder war diese Wut da. Ich schrie auf. Drückte mich gegen ihn und schaffte es wirklich, mich von ihm zubefreien. Selbst Erik war darüber erstaunt, wenn nicht sogar entsetzt. Denn kurz wusste er nicht, was er tun sollte. Und das war meine Chance. Ich griff mir seinen Arm. Zog ihn über mich, so wie es Brian im Training gemacht hatte und hievte ihn über mich hinweg. In dem Moment als er gegen die Wand prallte, ging meine Zimmertür auf und Esmeralda stand m Rahmen. „Was ist denn hier los?“, fragte sie als schon Erik, wie zur Antwort gegen die Wand donnerte und sich erstmal nicht rührte. Still war auch Esmeralda, als sie die zusammengesunkene Gestalt Eris sah und mich dann anschaute. Ich atmete heftig und durch das Adrenalin konnte ich erst nicht richtig begreifen, was eigentlich passiert war. Doch dann sah ich es und konnte ein erstauntes Keuchen nicht unterdrücken. Wow! „Wow!“, gab Esmeralda ebenso von sich. Der Hunger trieb das Ungeheuer aus seinem Versteck. Seit gut drei Wochen hatte es keine Nahrung mehr zu sich genommen. Die Ratten und die Obdachlosen, waren kein Ersatz für die Sepise, die es für gewöhnlich zu sich nahm und es fühlte, wie es immer schwächer wurde. Es musste bald zu Nahrung, zu richtiger Nahrung kommen, sondern würde es aus mit ihm sein. Doch in ein Krankenhaus konnte es nicht gehen. Man hatte es entdeckt und als es mal in eines hineingesehen hatte, hatte es ein Mädchen gesehen, dass für die zweite Welt nicht blind war. Den Weg mit diesem zukreuzen würde alles andere als klug sein. So musste es sich einen anderen Weg suchen, um an Kraft zu kommen. Doch bevor er sich an dem Blut eines Säuglings laben konnte, musste es sich erstmal am Leben halten. So löste der Penanggalan seinen Kopf vom Leib und schwebte in die Nacht dahin. Auf der Suche nach Nahrung. Was sich in meinem Zimmer abgespielt hatte, schwieg Esmeralda tot, wofür ich ihr sehr dankbar war. Denn auch wenn es irgendwie ein kleiner Sieg war und ein Fortschritt, dass ich mich gegen Erik behaupten konnte, war es mir dennoch unangenehm. Was würde ich sagen, wenn sie mich fragen würden, wie und warum es dazugekommen war. Werde endlich erwachsen, hatte Erik gezischt und mich damit so richtig wild gemacht und je mehr ich mir das sagte, desto sicherer war ich mir, dass er Recht hatte. Irgendwie war ich immer noch ein Kind. Ich glaubte an etwas, was es nicht gab. Ein normales leben und glaubte nicht an das, was war. Das Böse! Es war überall. Jetzt, nach all diesen Jahren, wenn ich so darüber nachdenke, muss ich gestehen, wie blind ich dafür gewesen war, auch wenn ich die Schattenwelt sah und mithineingezogen wurde. Offensichtlich war da was dran. Wenn man älter wird, sah man manche Dinge wirklich anders. Die Tage dehnten sich wie Kaugummi und ich wurde immer unruhiger. Ich hatte auch keine Vision mehr von diesem Monster. Was entweder bedeuten konnte, dass es irgendwie zu Tode kam, was ich bezweifelte oder aber, dass dieses Ding vorsichtiger geworden war. Dass es gemerkt hatte, dass ich es gesehen hatte oder was auch immer. Jedenfalls saß ich auf heissen Kohlen. Während Fay, Lex, Brian und Esmeralda die Ruhe weg hatten. Oder waren sie genauso nervös, ließen sie es sich aber nicht anmerken. Ich beneidete sie dafür. Draußen regnete es und ich schaute aus dem Fenster. Ich war im Wohnzimmer aufundabgelaufen. Fay saß in einem bequemen Sessel und las ein Buch. Lex schien wohl was anderes zu machen und ihre Eltern waren ausgegangen. Wohin haben sie nicht gesagt. Das ging mich auch gar nichts an. Mich machte es schon verrückt genug, nichts mehr von dem Penanggalan zu hören oder zusehen, als dass ich mich überflüssigerweise fragte, wohin sie noch in so später Stunde und vorallem bei solch einem Wetter noch hingehen wollten. Der Anruf kam wie aus heiterem Himmel und beendete mein Warten. Er kam am Morgen und Esmeralda ging ran. „Matthews…Sir James, haben Sie was rausgefunden…das ist ja interessant…ja…ja…ich schicke Fay und Lex zu Ihnen!“, sagte sie und schaute dann mich an. „Und noch eine Freundin…keine Angst, Sie können Ihr vertrauen!“, versichterte sie ihm am Telefon und legte dann auf. Dann wandte sie sich an uns. „Sieht so aus, als wäre der Penanggalan wieder aktiv. Sir James möchte dass du, Fay und auch Allison zu ihm fahrt. Alles andere wird er euch in seinem Büro erklären!“, sagte sie. Sir James war ein mitfünfziger Mann. Auf seiner Nase saß eine Brille und sein Haar, das Mal schwarz gewesen, war ergraut. Dennoch hatte er genug Energie um als Leiter von Scotland Yard zuarbeiten. Man konnte es ihm deutlich ansehen. Als wir in sein Büro kamen, grüßte er Fay und Lex mit einem Nicken und einen knappen „Guten Tag!“, während er mich neugierig anschaute. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte er dann, als sich eine peinliche Stille breitmachte. „Das ist Allison Adea. Eine Freundin der Familie!“, erklärte Fay. „So?“, fragte Sir James und nun wurde sein Blick misstraurisch. Ich nickte. „Ja, sie hat uns auf diesen Fall gebracht. Der, der im St. Marys-Hospital!“, sagte sie schnell und dabei wurde sein Blick noch misstraurischer. Ich warf Fay einen flüchtigen Blick zu. Doch sie schien sich keiner Schuld bewusst geworden zusein. Nun hoben sich die Brauen des Mannes, der hinter dem Schreitbtisch saß. „Wie das?“ „Sie hat eine Freundin, die in dem Krankenhaus gearbeitet hat und bei diesem einen Vorfall verletzt wurde!“, sagte nun Lex und wurde nicht mal rot im Gesicht als er log. „Sie meinen Laura Shane?“ „Ja. Sie hat uns davon erzählt und wir hörten uns um. Wollten das ganze auf eigene Faust herausfinden. Als wir jedoch nichts herausbekamen…!“, wollte er sagen und Sir James beendete den Satz:„ Baten Sie mich um etwas Unterstützung!“ „So ist es!“ „Ihnen ist schon klar, dass Sie, auch wenn Sie hervorragende Ermittler sind und Ihre Mutter eine noch viel bessere war, nicht alle Sonderechte geniessen können, die Sie gerne hätten. Sie hätten mir etwas sagen sollen!“ Nun blickte Lex betroffen ein, doch ich und Fay wussten sofort, dass das gespielt war. „Das stimmt und ich bitte um Verzeihung. Beim nächsten Mal werde ich Ihnen bescheid sagen, wenn ich gegen die Regeln verstosse!“, scherzte Lex, wobei Sir James nur ein Grummeln nur von sich gab. „Sie sagten am Telefon, dass Sie etwas herausgefunden haben!“, wechselte Lex schnell das Thema und Sir James holte eine Akte hervor. „Ja. Wir haben indirekt einen Aufruf an Paare und ledige Frauen gestartet, die Kinder bekommen haben. Wir haben um ihre Mithilfe gebeten und dass, wenn ihren Kindern etwas zugestossen ist, uns bitte bescheid sagen. Da es der öffentlichen Sicherheit dient!“, erklärte und Lex musste bei diesem Begriff etwas schmunzeln. Sir James verstand es wohl genauso gut wie Lex die Sache unter einem flaschen Deckmantel zuhalten. „Und haben Sie was rausgefunden?“, fragte Lex und Sir James nickte. „Ja. Einige Paare haben sich daraufhin gemeldet. Offenbar sind bei diesen auch Kinder verstorben, die außerhalb von einem Krankenhaus zur Welt kamen!“, erklärte er. „Sie meinen, bei Geburten im eigenen Haus. Durch einen Hausarzt!“, kam es prompt von ihm und der Mann ihm gegenüber nickte. Um dann gleich etwas den Kopf zuschütteln. „Das schon. Aber da war das Kind noch bei bester Gesundheit. Erst als das Kindermädchen die Stelle antrat, verstarb das Kind!“ „Sieh mal einer an!“, murmelte Lex und auch ich wurde etwas hellhörig. „Das Beste kommt ja noch: Alle Neugeborene, die durch sie zur Welt kamen, verstarben nach kurzer Zeit!“ Mit stockte der Atem und ich versuchte erst gar nicht mir auszurechen, wieviele es waren. So wie er es sagte, reichte es schon, zudenken, dass es viele waren. „Es war immer die eine und dieselbe!“ Daraufhin reichte er ein Foto rüber. Kaum hatte es Lex in die Hand genommen, schon sahen ich und Fay über seine Schulter auf dieses. Auf dem Foto war eine Frau mittleren Alters zusehen. Hatte asiatische Gesichtszüge und zuerst fragte ich mich, ob sie das wirklich war. Das Gesicht dieses Penanggalan war wesentlich jünger gewesen. War fast mädchenhaft. Aber vielleicht hatte er sich auch älter gemacht, nur damit ich ihn nicht wiedererkenne. Lex merkte, wie ich das Bild anschaute und hielt es mir hin. „Ist sie das?“, fragte er und ich nickte. „Ja, wir hatten ein Kindermädchen aus Malaysien. Warum fragen Sie das?“, fragte Cassandra Mc John und sah uns mit gehobenen Brauen an. Deutlich konnte man ihr ansehen, dass der plötzliche Tod ihres Kindes sie sehr belastete. Sie trug schwarz und hatte ihr blondes Haar, was wohl einmal wunderschön war, zu einem strengen Knoten zusammen gebunden. Ihre Hände zitterten schon jetzt und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Angestrengt versuchte sie ruhig und gefasst zu wirken, was jedoch bei der Frage gründlich daneben ging. Ihre Hände zitterten dadurch noch mehr und sie krallte sie in den dunklen Stoff ihres Rockes. Lex schien für solche Reaktionen aber blind zusein. Er nickte und beugte sich vor. „Wir haben erfahren, dass Ihre Tochter einen Tag nach ihrer Geburt gestorben ist!“, erklärte Lex und ich gratulierte ihm für seine taktvolle Art. Ich hätte es anders, ruhiger ausgedrückt. Tja, aber Lex… War eben nur ein Mann. „Ich weiss nicht, wie ich Ihnen dabei helfen kann!“, kam es sogleich heiser von Mrs.Mc John und schaute sich unsicher um. Ihr war es wirklich unangenehm und ich konnte es ihr nicht verbeln. Ich hätte ebenso reagiert. „Darum haben wir Sie gefragt, ob sie ein Kindermädchen aus Malaysien hatten. Wir nehmen stark an, dass das Kindermädchen irgendwas den Babys antut. Sie und ihr Baby waren die nicht einzigen!“, sagte er und klang dabei sehr betroffen. Wollte wohl seinen Tritt ins Fettnäpfchen wieder gut machen. Mrs. Mc Johns Augen wurden groß, als sie das hörte und ihr Gesicht wurde kreidebleich. Als ob sie eine Offenbarung hätte. Eine schreckliche Offenbarung. Panisch blickte sie von einem zum anderen und ihr Gesicht wurde noch blasser. „Sie meinen,… dass sie eine…Serienkiller ist?“, fragte sie und ihre Stimme zitterte. Fay, Lex und ich sahen uns an. Dann blickte Lex wieder zu der gebeutelten Frau und nickte. „Das ist stark anzunehmen!“, meinte er und Mrs. Mc John schnappte hörbar nach Luft. Ich konnte mir gut vorstellen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Eine Mörderin freiwillig ins Haus geholt und bei der Geburt des eigenen Kindes nach dessen Hilfe verlangt zu haben, musste sie wirklich schockieren. Sicherlich machte sie sich schreckliche Vorwürfe. Und fragte mich, wie ihr Mann dazustand. Er hatte die ganze Zeit neben ihr gesessen und nichts dazugesagt. Sondern nur den Arm um ihre Schulter gelegt und vor sich hin gestarrt. Er war ebenso weggetreten wie sie. „Warum?“, flüsterte er. „Warum unsere kleine Elisbabeth?“ In seinen Augen standen Tränen und ich fühlte wie sich mir der Hals zuschnürrte. Ich hörte Lex räuspern. „Mr. und Mrs. Mc John, ich weiss, dass es schwer für Sie ist, aber wir brauchen den Namen des Kindermädchens, um ihr das Handwerk zulegen. Bitte helfen Sie uns!“, bat Lex nun und seine Stimme war eindringlich. Ich verstand einfach nicht, wie er so kalt und unemfpindlich sein konnte. Ihn müsste es genauso nahe gehen, wenn er nur ein bisschen Menschlichkeit in sich hatte. Wäre ich er, so hätte ich das ganze abgebrochen. Ich sah Fay an, diese schien meine Gedanken bemerkt zu haben, denn sie schlug die Augen nieder und schien sich für ihren Bruder fremdzuschämen. Mrs. Mc John überlegte einen Moment. Schien selber mit sich zu kämpfen. Ob sie es wirklich sagen sollte oder uns trauen konnte. Die Minuten schienen sich lang hinzuziehen, dann nickte sie und holte einen Zettel und einen Stift schrieb etwas darauf auf. Gab dann den Zettel Lex und irgendwie schien sie davon erleichtert zusein. „Das hier ist der Name der Frau. Mehr kann ich Ihnen leider nicht geben!“, sagte sie. „Das reicht aus. Ich danke Ihnen!“, sagte Lex und steckte den Zettel ein. Diesesmal lang es wirklich ehrlich gemeint. „Du hättest ruhig etwas taktvoller sein können!“, warf ich ihm vor während wir wieder nachhause fuhren vom Rücksitz aus und sah ihn dementsprechend grimmig an. Lex hingegen hob nur die Brauen und sagte in einer unschuldigen Tonlage:„ Ich weiss nicht, was du meinst?“ „Und ob du das weißt. So blöd bist nicht mal du!“, konterte ich scharf. Fay hörte ich einen Glukser unterdrücken und sah wie Lex mich nun mit seinen Augen erdolchte. Oh, habe ich den Guten gekränkt. Das tat mir jetzt aber wirklich leid. „Das sie ihren Mann und dann das Kind verloren hat, ist tragisch ich weiss. Aber wir müssen auch an die anderen denken. Wenn wir nicht schnell handeln, dann werden noch weitere Neugeborene sterben und wenn ich mich noch gut erinnern kann, dann, dass du es warst, die auf biegen und brechen darauf bestanden hat, gleich jetzt was dagegen zu unternehmen!“, sagte er und ich sah, wie sich seine Hände auf dem Lenkrad verkrampften, so dass seine Knöchel weiss hervorstachen. Okay, vielleicht geht es ihm doch nicht so an den Arsch vorbei. Ja, ich war es gewesen, die unbedingt sofort etwas dagegen machen wollte und damit nahm er mir eindeutig den Wind aus dem Segeln. Ich schloss den Mund und schaute dann hinunter. Nickte nur. „Also dann hör auf, auf mir rumzuhacken und lass uns darauf konzentieren, wie wir dieses Miststück finden!“, schnaufte er und lenkte den Wagen in eine Seitenstrasse. Das Kindermädchen ausfindig zumachen war leichter als gedacht. Wir gaben die Adresse an Sir James weiter und diese leitete alles in die Wege um sie ausfindig zu machen. Zu unserem Entsetzen, war sie wieder von einer Familie ins Haus geholt worden, um der Frau bei der Geburt behilflich zu sein. Und sie war im neunten Monat. Uns rannte also die Zeit davon. Das Haus lag etwas abseits, wie das von Esmeralda und Brian und war nicht minder elegant. Es stand auf einer künstlichen Lichtung und eine Alee von Linden säumte die Strasse, die eine kleine Kurve machte und hinter der schon das Haus erschien. Es war zweigeschossig und wirkte ebenso alt, wie das in dem ich lebte. Doch kein Zaun umgab das Haus. Offensichtlich fühlte man sich hier sicher. Zumindest was die Bedrohung eines Menschen anging. „Was sagen wir eigentlich? Hast du dir schon was überlegt?“, fragte ich Lex während auf das Haus zufuhren. „Was soll ich schon grossartig sagen? Ich sage, dass wir ihr Kindermädchen für die Morde im Krankenhaus und bei den anderen Familien verantwortlich machen und dass sie sie schnell loswerdenn sollten, wenn sie ihr Baby nicht sterben lassen wollen!“, erklärte er. „Meinst du wirklich, das haut hin?“, fragte ich wieder. „Das muss es. Sonst können sie ihr Baby gleich beerdigen!“ „Unser Kindermädchen soll eine Mörderin sein?“, fragte Claudia Jankins und ihre gezupften Brauen hoben sich. Sie war einer dieser Frauen, die sich mit jungen Jahren einen reichen Mann geangelt hatten. Bei ihr war es wohl ein Rechtsanwalt, so wie man das an den Auszeichnungen sehen konnte, die die Wand zierten. Und so wie die sich aufführte. Uns mit ihren Blicken anschaute, als wären wir Nichts im Vergleich zu ihr, passte das Klischee der verzogenen Anwaltsfrau wirklich. Doch ich versuchte darüber hinweg zusehen. Sondern blickte auf ihren Bauch. Man konnte ihr deutlich ansehen, dass sie bald ihr Kind zur Welt bringen würde. Ihr Bauch war kugelrund und ihre Augen wirkten alles andere als wach. Auch das ließ mich ihre hochnäsige Art vergessen und verzeihen. Doch sie wie das sagte, klang es mehr als würde sie uns nicht glauben. Kein Wunder, ihr Mann war Anwalt und der, glaubte garantiert nicht an Geister und Dämonen. Es würde also nicht leicht werden. Ich begann unruhig auf meinem Platz, eine bequeme Ledercouch hinundher zurutschen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie uns nicht glauben und uns stattdessen für Geisteskranke halten würde. Ich schaute deshalb zur Tür. Um abzuschätzen, wie lange wir brauchen würden, bis wir hier raus waren, bevor sie die Männer in Weiss holte. „Nun, die anderen Paare, bei denen die Säuglinge gestorben waren, haben die Frau eindeutig erkannt. Es war die einunddieselbe!“, erklärte Lex sachlich. Er schien sich nicht aus der Ruhe bringen zulassen. „Und warum ist kein Steckbrief oder etwas in den Nachrichten gekommen? Wie kann Scotland Yard sowas denn einfach so durchgehen lassen?“, fragte Mrs. Jankins empört und ich schaute Lex an. Bin mal gespannt, was für eine Antwort er dafür parat hat. Sie hatte ja Recht. Wenn etwas dran wäre, wenn es wirklich ein Mensch gewesen wäre, wäre Scotland Yard schon längst aktiv geworden und hätte die Bevölkerung, beziehungsweise die schwangeren Frauen warnen sollen. Dass nun aber drei komische Gestalten vor der Tür standen und behaupteten, dass das Kindermädchen eine Mörderin sei, muss ihr wirklich suspekt vorkommen. „Scotland Yard wollte eine Massenpanik vermeiden. Ich hoffe Sie verstehen das!“, sagte er ohne rot zuwerden und ich staunte nicht schlecht. Der hatte wirklich für jede Frage eine passende Ausrede. Doch Mrs. Jankins schien sich damit nicht zufrieden zugeben. Sie schnaubte und setzte sich in eine bequemere Position. „Verständniss habe ich zwar ehrlich gesagt nicht dafür!“, sagte sie und sah uns grimmig an. „Aber Sie sind jetzt leider hier…!“ „Befindet sich das Kindermdächen momentan hier?“, fuhr Lex unbeirrt fort und Mrs. Jankins schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Sie wartetb, bis das Kind da ist und dann tritt sie ihre Stelle an!“, antwortete sie schroff und ich fragte mich, ob es wirklich nur die Schwangerschaft ist, die sie so fertig macht. Ich hatte schon gehört, dass Frauen, die kurz vor der Entbindung standen, etwas, naja, angesäuert waren. Selbst Papa hatte es mit Mama nicht leicht, als sie mit mir schwanger war. Aber was Mrs. Jankins da machte, war schon Zickenterror pur. „Und wissen Sie, wann es soweit sein wird?“ „Natürlich, weiss ich das. Übermorgen. Sieht man das nicht!“, giftete sie und atmete paarmal tief durch. Ich schluckte. An dieser Frau würden wir uns die Zähne ausbeissen. Lex muste das wohl auch erkannte haben, denn er stand auf, richtete sich seine Klamotten und reichte ihr eine Karte. „Wenn Sie dennoch Zweifel haben und unsere Hilfe brauchen, bitte rufen Sie uns an!“, sagte er. Mrs. Jankins nahm die Karte mit einem abfälligen Schnauben und knäulte diese sogleich zusammen. Okay, die Frau würde den Teufel tun und uns anrufen. „Nadas da war wohl nichts!“, bemerkte ich, als wir zurück fuhren. Lex sagte darauf nichts. „Und was machen wir jetzt? Hast du einen Plan?“, fragte Fay. „Und ob. Wir kommen übermorgen wieder. Legen uns auf die Lauer und warten ab, bis dieses Ding auftaucht!“, erklärte er kurz und knapp. „Wird die nicht die Polzei rufen und uns wegen Hausfriedensbruch verklagen?“, fragte ich mittendrin. Der Plan war an sich wirklich nicht schlecht. Denn ich bezweifelte, dass Mrs. Jankins uns nocheinmal die Tür öffnen wird. Aber bammel hatte ich trotzdem. Und das lag nicht nur an meine bevorstehende Begegnung mit dem Monster. Da grinste Lex mir in den Rückspiegel zu. Frech und so, als würde die Lösung so offensichtlich sein. „Hey, wir sind doch die Polizei!“ „Euch ist schon klar, dass das auch in die Hose gehen kann. Wir haben bisher nur Vermutungen und keine Gewissheit, dass dieses Kindermädchen auch wirklich der Dämon ist!“, sagte Esmeralda, als Lex ihr von seinem tollen Plan erzählte. Sie klang wenig überzeugt davon, dass das wirklich klappen würde und ich teilte ihre Skepsis. Lex schien sich bei ihren Worten nun auch unsicher zusein und er hob die Schultern. „Naja…ein Versuch ist es zumindest wert!“, kam es von ihm. Esmeralda hob eine Braue. Eine wirklich beeindruckende Gabe. Damit sah sie noch schöner aus, als sie es schon vorher war. „Und was, wenn Ihr Euch damit ins eigene Fleisch schneidet?“, fragte nun Brian. Er hatte bisher nur zugehört. Nun mischte er sich ein. „Dann werde ich mich selber dafür verantworten!“, sagte Lex aufrichtig. Aber Fay rollte mit den Augen. Ein Zeichen dafür, dass er übertrieb und das nicht ernst meinte. Na grossartig. „Lex, hör auf mit den blöden Witzen!“, sagte nun Brian, der wohl dassselbe dachte, wie ich und Fay. Lex hob nur schuldbewusst die Schultern. „Esmeralda hat recht. Bis auf einige Berichte und Verhöre, die ihr selber durchgeführt habt, haben wir praktisch nichts!“, begann er und meine Hoffnung, diesem Ding den Garaus zumachen, sank ins Bodenlose. „Trotzdem müssen wir es versuchen!“, flüsterte ich innerlich. „Trotzdem müssen wir es versuchen!“, sprach Fay meine Gedanken aus, wofür ich wirklich dankbar war. Wenn jemand ihn umstimmen könnte, dann sicherlich Fay. „Mal angenommen, ihr habt Erfolg und erwischt es. Was dann? Wie wollt Ihr es auslöschen? In dem Buch steht nichts, wie man es vernichten kann!“, sagte dann Brian, der wohl einsah, dass man mit Logik und Vorsicht nicht weit bei seinen Kindern kam. Fay wollte darauf etwas sagen, hielt aber inne und sah Lex dann fragend an. Ich war es sowieso. Und Lex zu meiner Überraschung auch. „Habe ich es mir doch gedacht!“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Das ist doch kein Problem!“, warf Lex plötzlich ein und klang dabei mehr als nur optimistisch. Ich fragte mich nun, was jetzt kommen würde. „Wir nehmen einfach ein paar Dornenranken, wie es im Buch steht, mit. Tun sie um das Bett des Babys verteilen und sobald dieser Dämon aufkreuzt und sich an das Kind rann machen will, bleibt er daran hängen und wir schnappen ihn uns!“ Für einen langen, langen Moment schwiegen wir und sahen ihn entgeistert an. Okay, nichts gegen seinen Vorschlag. Er war wirklich besser als nichts. Aber das klang wirklich etwas zu einfach. So nach guter Spruch: Yeah, wir marschieren einfach rein, killen den Dämon und spazieren wieder raus! Total easy! „Also ich habe Zweifel, ob das wirklich so einfach sein, wie du das sagst!“, meinte Brian. „Was ist zum Bespiel, wenn der Penanggalan sich auch noch die Mutter holen will!“ Damit hatte Brian Recht. Dieser Dämon saugt auch gebärenden Frauen das Blut aus. Warum also nur den Hauptgang nehmen, wenn man das Dessert haben kann? Und diese Frage schien Lex erstmal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dann aber sagte er:„ Dann werden wir wohl schneller sein müssen!“ Und ich fragte mich, woher er diesen Optimissmus hernahm. Wir fuhren wieder zu dem Haus von Mr. und Mrs Jankins. Einen Tag nach der Geburt. Denn sicherlich würde der Penanggalan es sich nehmen lassen, gleich das Kind zuverspeisen.Und ich hoffte, wir kamen nicht zuspät. Denn wie Mrs. Jankins ja sagte, würde das Kindermädchen kommen, wenn das Baby da ist. Die Dornen, die wir für dieses Ding als Falle verwenden wollten, hatten wir in einen Rucksack verstaut, den ich mir über die Schulter geworfen habe. Es stach durch den Stoff, sobald ich mich falsch bewegte. Als wir schon das Haus aus der Ferne sehen konnten, parkte Lex nicht direkt vor dem Tor. Sondern hielt etwas einige Meter an und wir stiegen aus um den Rest liefen zufuss zugehen. Es dämmerte bereits und ich fragte mich, ob wir nicht doch zuspät kamen. Immerhin hatte sie nicht gesagt, wann genau, also welche Uhrzeit, das Baby kommt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der Penangallan sich in diesem Moment über die Wiege des Neugeborenen beugte, um ihm das Blut auszusaugen, war groß. Ich betete, dass wir noch rechtzeitig kommen würden. Wir liefen statt zum vorderen, zum hinteren Teil des Haus. Lex schien dann kurz zu prüfen, ob es hier versteckte Auslöser von Alarmanlagen gab. Fay und ich warteten, dann drehte er sich zu uns herum und sein Gesicht spiegelte höchste Konzentration. „Okay, hier wimmelt es nur so von Auslösern. Wir müssen extrem vorsichtig sein, wenn wir nicht erwischt werden wollen!“, sagte er. Fay nickte. Ich hatte keine Ahnung, wir wir das machen sollen. Wenn hier überall Auslöser waren und die bei Nacht nicht zusehen waren, sie wollten wir da aufpassen? Fay bemerkte mein Zaudern. „Kannst du mir sagen, woher du das weißt? Ich sehe nichts!“, murmelte ich. Lex grinste und das konnte ich selbst in der Dunkelheit sehen. „Ich habe eben gute Augen!“ Gute Augen, naklar. Irgendwie konnte ich ihm das nicht glauben. Aber darüber konnte ich mir noch später Gedanken machen. Fay unterdrückte ein Kichern. „Keine Sorge, ich lotse dich schon sicher durch!“ „Jetzt sag bloss, du kannst sie auch sehen?“, brachte ich staunend hervor. Fay hob die Brauen. „Kann sein!“, sagte sie und zog es dabei in die Länge. Ich runzelte nur die Stirn. „Also, legen wir los!“, sagte Lex dann. „Tretet dahin, wo ich hintrete!“ Dann drehte er sich um und lief los. Ich und Fay folgten ihm. Buchstäblich Schritt auf Schritt. Lex machte fünf Schritte geradeaus und bog dann nach links. Wir machten es ihm nach. Dann lief er nach rechts. Wir klebten förmlich an seinen Fersen. Nach ewigen Minuten, hatten wir dann die Alarmauslöser hinter uns gebracht und drückten uns gegen die Hauswand. „Okay, wo denkst du ist das Kinderzimmer?“, fragte Lex dann Fay. Diese stellte sich auf die Zehenspitzen und linste ins Fenster. „Wird schwierig werden!“, sagte sie. „Am besten, wir arbeiten usn von unten nach oben vor!“ Lex schien damit einverstanden zu sein. Ich jedoch fragte mich, ob das wirklich gut gehen kann. Ich kam mir wie eine Einbrecherin vor. Und ehrlich gesagt, waren wir ja das auch. Wir brachen in ein Haus ein. Ich versuchte mir einzureden, dass es einem guten Zweck diente. Nämlich dass wir so ein neues Leben retteten. Und diesen Penanggalan zurück in die Hölle zu schicken. Aber wenn wir scheiterten und dabei erwischt werden, können wir uns auf eine satte Portion Ärger gefasst machen. Ich vorallem. Da mein Papa ja nicht wusste, was ich hier trieb. Wie würde er wohl reagieren, wenn er erfuhr, dass seine Tochter kriminell geworden ist. Er würde vom Glauben abfallen. Sagen, dass er mich dazu nicht erzogen hatte und seine Kollegen würden ihn auslachen. Ihn damit aufziehen, dass seine Tochter, die Tochter eines Polizisten zur Einbrecherin geworden ist. Ich schüttelte den Kopf. Versuchte mir darüber nicht weiter den Kopf zuzerbrechen. Es gab schließlich größere Probleme. Und dieses war in einem der Zimmer in diesem Haus und wollte das Leben des neugeborenen Babys aussaugen. Fay hatte, während ich mir Sorgen um meine Zukunft machte, mit Hilfe eines Glasschneiders ein faustgroßes Loch in das Glas geschnitten und ihre schmale Hand reingesteckt. Blind suchte sie nach der Verriegelung und als sie sie fand, rüttelte sie daran und versuchte sie zu öffnen. Als es dann klickte, legte sie die Hände auf die Fensterbank und zog sich auf das Fensterbrett hoch. Schob dann das Fenster auf und kletterte hinein. Ich und Lex blieben draußen stehen und warteten, bis sie sagte, dass die Luft reinwar. Es schien Stunden zu dauern, ehe sie sich aus dem Fenster lehnte und die, aus der kaum auszuhaltenden Warterei, erlösenden Worte aussprach:„ Okay, ihr könnt reinkommen!“ Erst half sie mir durch das Fenster, dann ihren Bruder. Wir waren im Abreitszimmer der Jankins. Es war schwer etwas zuerkennen, da das Arbeitszimmer auf der Seite lag, auf der kaum Licht fiel. Weder Tages-noch Mondlicht und ich musste mich wirklich anstrengen, um etwas zuerkennen. Ich sah die beiden Ledersessel vor dem Schreibtisch stehen, auf dem sich Papiere, Bücher und noch anderen Büromaterialien türmten. Dahinter ein weiterer Ledessessel. Ein Glas, in dem ein Rest Gin war und eine Leselampe. Die beiden Wände, links und rechts, wurden von zwei enormen Bücherschränken dominiert, die vollgestopft waren, mit dicken Welzern und Ordnern. „Wohin jetzt?“, fragte ich soleise, wie möglich und versuchte genug zuerkennen, um nicht gegen einen Stuhl, Hocker oder sonst was zu treten. Auf keinen Fall wollte ich, dass wir durch meine Ungeschicktheit aufflogen. „Raus auf den Flur und dann nehmen wir uns jedes Zimmer vor!“, sagte Lex ebenso leise. „Abgesehen von dem Schlafzimmer der Jankins!“ Wir schlichen uns zur Tür. Dabei war ich so konzentriert leise zusein, dass ich nichtd arauf achtete, wo ich meine Füsse lenkte und stiess mit dem Knie gegen irgendwas an, was rumpelte, polterte und etwas ging klirrend zu Boden. Ich unterdrückte einen Schmerzenslaut. „Pass doch auf!“, zischte Lex vom anderen Ende des Zimmers und ich musste mich beherrschen, ihn nicht ebenso anzufauchen. „Jaja!“, murmelte ich daher nur und machte einen Bogen um das, gegen das ich gelaufen war. Die Tür öffnete sich ohne ein Geräusch zu verursachen und wir traten auf den Flur. Auf diesem waren die Lampen angeschaltet. Doch statt helles warfen sie gedämpftes Licht und machten es uns so leichter, etwas zusehen. Ich atmete erleichtert auf, da wir nicht mehr blind durch das Haus stolpern mussten. Der Flur war mit einem dicken Läufer ausgelegt war und dämpfte unsere Schritte. Wir liefen an jeder Tür vorbei und lauschten dann. Wir gingen dann weiter, als wir nichts hörten und dann die Treppe hoch. Vorbei an einigen teueraussehenden Gemälden und kamen dann in den ersten Stock. Dieser lag jedoch im Dunkeln. Ich warf Fay und Lex einen etwas nervösen Blick zu. Ich ahnte schon jetzt, dass ich wieder gegen etwas stoßen und uns schließlich doch noch verraten würde. Lex verstand und ging vor. Ich bemühte mich, ebenso einen Bogen über die umherstehenden Dinge zu machen wie er und ich fragte mich wirklich, ob es daran lag, dass er bessere Augen hatte als ich. In ersten Stock gab es nur zwei Türen. Die eine, gehörte zu dem Schlafzimmer der Jankins, hinter der wir das laute Schnrachen eines Mannes, Mr. Jankins hören konnten. Ich musste mir ein Grinsen unterdrücken. Ob Rechtsanwalt oder Richter. Er ist auch nur ein Mann und das Schnarchen würde selbst dieser Frau mächtig auf die Nerven gehen. Wir schlichen weiter. Das nächste Zimmer gehörte wohl dem Kindermädchen, hinter deren Tür wir nichts hörten. Das berunruhigte mich schon etwas. Ich sah Lex an und deutete auf die Tür. Doch Lex schüttelte den Kopf. „Das Baby ist wichtiger. Sollte das Kindermädchen der Penangallan sein, würde er/ sie / es in das Kinderzimmer gehen. Wir gingen weiter daher und meine Nerven waren allmählich bis zum Zerreissen angespannt. Mein Atmen schien in der ganzen Stlle doppelt so laut zusein und in meinen Schläfen pochte es. Angestrengt versuchte ich mich zu beruhigen und mir zusagen, dass wir es bald hinter uns haben. Ich tastete nach dem Riemen des Rucksacks, wollte sicher sein, dass ich ihn nicht verloren hatte, als ich im Arbeitszimmer über, was auch immer das war, stolperte. Als ich den Riemen unter meinen Fingern fühlte atmete ich erleichtert auf. Er gab mir ein kleines Gefühl von Sicherheit. Ich schaute dann auf meine Uhr. Wir hatten achtuhrdreiunddreisig. Meine Güte war schon soviel Zeit vergangen. Das kam mir gar nicht so vor. Als wir an der dritten Tür ankamen, hörte ich gedämpft eine Spieluhrmusik und ein glückliches Glucksen. Bingo! Und mir fiel ein kleiner zwar, aber immerhin, ein Stein vom Herzen. Wir kamen nicht zuspät. Das kleine Würmchen lebte noch. Vorsichtig legte Lex die Hand auf den Türknauf und drehte ihn. Öffnete ebenso leise die Tür und betrat als erster das Kinderzimmer. Dann ich und Fay. Dunkelheit umgab uns und ich rührte mich nicht von der Stelle. Zwar lebte das Baby noch und wir kamen rechtzeitig, doch das hiess nicht, dass wir laut sein können. Wir müssen vorsichtig sein, um nicht erwischt zuwerden. Weder von den Jankins noch von dem Penangallan, wenn er hier aufkreuzte. Da die Vorhänge dick und vor das Fenster zugezogen waren, war es dunkel. Noch dunkler, als im Arbeitszimmer. Lex holte daher eine kleine Bleistifttaschenlampe hervor und schaltete sie ein. Leuchtete damit auf den Boden, ließ den kreisrunden Licktkegel über den Boden wandern und blieb dann an der Wiege stehen, in der das Baby schlief. „Okay, beeilen wir uns!“, sagte er, streckte die Hand aus und ich reichte ihm den Rucksack. Sogleich öffnete er diesen und verteilte die Dornenranken um die Wiege. Im Buch stand zwar, dass man diese um das Haus verteilten musste, aber hier war das Haus eindeutig zu groß und wir mussten umdisponieren. Lex wies mich an, Wache zuhalten und an der Türe zulauschen, falls doch noch jemand in das Zimmer kommt. Fay leuchtete mit der Taschenlampe Lex, der die Dornen rund um die Wiege legte und dabei ganz versunken in die Arbeit war. Ich versuchte mich ganz und gar auf die Türe zu konzentieren. Legte das Ohr an das Holz und lauschte. Nichts rührte sich. Also schaute ich zu Lex, der schon fast fertig war und sich erhob. Aus reiner Neugier schaute ich auf meine Uhr. Wir hatten nun kurz vor neun. Als Lex fertig war, ging er zu Fay, der er etwas zu flüsterte und sie nickte. Auf leisen Sohlen schlich sie sich in die Zimmerecke, die dunkel dalag und Lex kam zu mir. „Versteckt dich hinter den Vorhängen!“, flüsterte er und ich tat, was er mir sagte. Wie immer hatte er das Kommando und es störte mich nicht, da er wusste, was zutun war. Ich ging zum einem der Vorhänge und schlüpfte dahinter. Zog sie aber etwas bei Seite, so dass ich noch etwas sehen konnte. Lex selber versteckte sich gleich hinter der Tür. Wir alle drei hatten Verstecke, die einen guten Blick auf die Wiege ermöglichten und aus diesen wir angreifen konnten. Ich schaute durch den Schlitz, zwischen den beiden zugezogenen Vorhängen zu Fay, die sich, wie ein Schatten an die Wand drückte und keinen Mucks von sich gab. Still und ruhig schaute sie zur Tür. Ich bewunderte sie darum, dass sie sich ruhig und lautlos zuverhalten konnte. Mein eigener Puls schien dagegen noch heftiger in meinen Schläfen zu wummern und ich fürchtete, dass ich nur einen Muskel rühren musste, um laut zuwerden. Als sich kurz unsere Blicke trafen und das konnte sehen, trotz dass es dunkel war, schenkte sie mir einen mutmachendes Lächeln und ich lächelte, nicht ganz so optmisstisch zurück. Nun hiess es warten und ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich auf meine Uhr schaute und feststellte, dass die Zeit sich nun dahin zog, wie Kaugummi. Neunuhr. Viertelnachneun. Halbzehn. Viertelvorzehn. Zehnuhr. Zwanzig nach. Halbzehn. Inzwischen war ich jenseits von Nervösität und Angst erwischt zu werden. Ich glaubte, wenn nicht bald etwas passierte, würde ich hinter dem Vorhang springen und aus der Tür rennen. Ich hielt es einfach nicht aus. Wo war eigentlich Erik? Warum war er nicht da? Es war doch schon Nacht draußen und er hatte gesagt, dass er mich unterstüzen würde. Also warum ließ er mich hier jetzt allein stehen? Und während ich mich das fragte, begann ich über seine Unzuverlässigkeit zufluchen. Beschützer, dass ich nicht lache, fluchte ich und hörte prompt seine Antwort. „Ich bin doch hier!“, nicht minder giftig als meine Vorwürfe ihm gegenüber. Ich drehte mich um und wirklich. Hinter mir sah ich einen Schatten, der nicht meiner und um einiges größer war. Trotzdem war ich sauer. „Wo hast du gesteckt?“ „Ich war die ganze Zeit da!“ „Achja und warum habe ich dich dann nicht gesehen?“ „Weil es überall Licht gab und wie du weißt, ich bei Licht nicht keinen festen Körper habe!“ „Ach, aber im Arbeitszimmer war kein Licht. Wo warst du da?“ „Bist du schwer von Begriff? Ich sagte doch, dass ich die ganze zeit bei dir war, auch wenn du mich nicht gesehen hast!“, zischte er. „Außerdem soll diese Missgeburt gleich wissen, dass ich hier bin. Ich dachte, es wäre nützlicher, wenn ich ihn überrasche!“ „Weißt du denn, wie du ihn besiegen kannst?“ „Ähm, nein. Aber fällt bestimmt schon was ein!“ „Natoll, und wann? Wenn er das Baby ausgesaugt hat?“ „Anstatt mit mir hier rumzustreiten, wann und wie ich den Dämon beseitige, solltest du lieber den Mund halten und dich bereit halten!“ Gerade wollte ich sagen, dass ich nicht meinen Mund halten werde und dass ich ihm erst vertraue, wenn er mir sagt, wie er es machen will, als ich plötzlich Schritte hörte. Schritte, die näher kamen. Auch Lex und Fay schienen das zuhören, denn sie machten sich bereit. Ich konnte deutlich sehen, wie sie ihre Muskeln anspannten und in ihre Jacken griffen. Vermutlich hatten sie darin Waffen, wie Dolche oder Schusswaffen versteckt, um den Penanggalan erstmal festzuhalten. Ich schaute zu ihnen. Fay sah mich an und nickte. Ein Zeichen, dass es losging. Ich erwiederte das Nicken nur. Fühlte, wie die Anspannung und Ungeduld immer mehr zu nahm und mich förmlich elektresierte. Kurz ging mein Blick zu den Dornen. Bitte lass es klappen, dachte ich. Da merkte ich, wie sich etwas auf meinen Arm legte. Eine Hand. Zuerst zuckte ich zusammen, doch dann fühlte ich, wie ich mich etwas entspannte. Die Berührung fühlte sich gut und beruhigend an. Fast so wie bei meiner Mama, wenn sie mich tröstete. Ich schaute hinunter und sah sie. Sie war schwarz und schemenhaft. Ich wusste, wessen Hand das war. Es war Eriks Hand und ich war erstaunt, dass er nun versuchte mir Mut zumachen. Ich drehte den Kopf herum, versuchte sein Gesicht in der Dunkelheit zuerkennen. Doch ich sah es nicht. Konnte nur seine Anwesenheit spüren. Mit einem Mal hatte ich einen dicken Kloss im Halse. Wo ich zuvor dachte, dass er mit verdeckten Karten spielte und ich ihm niemals vertrauen könnte, hatte ich nun ein schlechtes Gewissen. Mochte er undurchschaubar sein und seine eigenen Ziele haben. Wenn es darauf ankam, konnte ich mich auf ihn verlassen. Dass er mich beschützte und mir das Leben gerettet hatte, sprach eindeutig dafür. Auch wenn er sich bedeckt hielt und offenbar Dinge von meiner Mutter wusste, die mir verschlossen waren. „Schau auf die Tür!“, hörte ich Erik sagen, als mir bewusst wurde, dass ich nur ihn angesehen habe. Schnell wandte ich mich der Tür zu. Sah wie unter dem Schlitz ein Schatten auftauchte und sich der Türknauf dann drehte. Lansam, als wollte derjenige, der die Tür öffnete, verhindern, dass man ihn bemerkte. Ich atmete tief ein, machte mich bereit, einzugreifen, sollte es der Penanggalan sein. Die Tür wurde geöffnet. Ebenso leise, die der Türknauf gedreht wurde und als die Tür aufschwang, tauchte eine Gestalt in dieser auf. Mein Atem setzte kurz aus. Da das Licht von hinten auf sie fiel, war ihr Gesicht im Dunkeln. Doch ich ahnte, dass es sich hier bei um das Kindermädchen handelte. Mrs. Jankins war fiel zu hager und zu groß, als dass es sie sein konnte. Ich machte mich klein und lugte durch den Schlitz. Angestrengt versuchte ich zuerkennen, ob es wirklich die war, die wir suchten. Zwar hatte ich keine Zweifel, da alles so gut zusammenpasste, dennoch wollte ich nicht halsüber Kopf rausstürmen und diejednige sein, die alles vermasselte. Wenn ich so heute darüber nachdenke, überrascht es mich, dass ich dennoch so ruhig und vorallem bei Verstand sein konnte. In Anbetracht, dass ich meinen ersten Dämon zur Strecke bringen sollte. Doch vermutlich lag es daran, dass Fay und Lex bei mir waren. Zwei erfahrerne Jäger. Und Erik, der mir den Rücken stärkte. Ein „Pst!“, holte mich aus meinen Gedanken und ich schaute zu Lex, der die Hand hob und auf seine Finger zeigte. Dann krümmte er den ersten Finger. Damit zeigte er mir den Conutdown. Ich nickte. Mittlerweile war die Gestalt eingetreten und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Eigentlich hätte sie das Licht einschalten sollen, um etwas zusehen. Doch das tat sie nicht und alles in mir spannte sich bis zum zerreissen an. Meine Muskeln schrien förmlich vor der nahenden Konfrontation und ich spürte das Adrenalin in meinen Adern, dass mein Herz schneller schlagen und meinen Puls rasen ließ. So musste man sich fühlte, wenn man mit der Achterbahn auf den höchsten Punkt fuhr und kurz davor war, in die Tiefe zurasen. Ich blickte zu Lex. Nun hielt er nur noch drei Finger hoch. Das Kindermädchen, der Penanggalan, war näher an die Wiege herangetreten. Ich versuchte ruhig zubleiben und tastete dann in meiner Jacke nach dem silbernen Dolch, den mir Esmeralda in weiser Vorrausicht gegeben hatte. Auch wenn ich nicht wusste, wie ich mich damit wehren konnte. „Wenn er dir zunahe kommt, stichst du einfach zu!“, hatte sie mir geraten. Dies wollte ich mir als festen Vorsatz nehmen. Als meine Finger den Dolch fanden und ihn umschlossen, merkte ich, wie sie zitterten. Ich schloss die Augen und zwang mich, ruhig zu bleiben. Scheisse! Wenn wir nicht bald zuschlugen, würde ich noch vor lauter Zitterei alles ruinieren. Ich schaute flehend zu Lex und sah mit einer Mischung aus Erleichterung und Aufregung, wie nur noch zwei Finger ausgestreckt waren. Dann krümmte sich der zweite und es war nur noch einer. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Fay sich etwas vorbeugte. Sie sah dabei aus, wie eine Raubkatze, die gleich loschlagen würde. Ihre Augen schienen nun unheilvoll zu leuchten an und sie schien die Zähne zu blecken. Täuschte ich mich, oder waren ihre Eckzähne spitzer, als sie es eigentlich bei Menschen sein sollten? Kurz trafen sich unsere Blicke und etwas in ihrem Blick sagte mir, dass es gleich so weit war. Da hörte ich, wie das Baby einen wimmernden Laut von sich gab und ich schaute schnell zu der Wiege. Das Kindermädchen hatte sich über die Wiege gebeugt und griff hinein. Flüsterte dem Kind etwas zu. Schien es wohl beruhigen zuwollen. Ich verzog das Gesicht angewidert und wütend darüber, dass sie es auch noch in Sicherheit wiegen wollte. Ehe sie ihm das Blut aussaugte. Schnell schaute ich zu Lex. Ein Finger, der Daumen, und wenn dieser ihn senkte, würden wir angreifen. Ich zählte innerlich bis zehn, dann krümmte er auch schon den Daumen und als dieser unten war, stürmten wir gleichzeitig aus unseren Verstecken und zu dem Kindermädchen. Dieses schrie entsetzt auf, als Lex sie packte und zu Boden riss. Fay und ich hielten sie an den Armen fest. „Haben wir dich, Miststück!“, knurrte Lex und zog etwas hveror, dass meinem Dolch entfernt glich, dessen Klinge aber wesentlich länger war. Er hob es hoch und setzte die Spitze über die Brust des Penanggalan an. Obwohl es dunkel war, konnte ich das Entsetzen sehen, welches sich in dessen Augen spiegelte und hörte ihr Flehen, das in einem gebrochenen Englisch über ihre Lippen sprudelte. Sie versuchte sich aus unserem Griff zubefreien. Doch Fay hielt sie so fest, dass sie wie ein Käfer auf dem Boden zappelte. Presste ihre Hand auf den Mund der Mörderin, um ihre Hilferufe zu dämpfen. Ich hatte hingegen Mühe, sie am Boden zuhalten. Ich sah zu Lex, fragte mich, worauf er wartete. Wir hatten ihn doch? Haben verhindert, dass er das Kind tötete? Warum also zögerte er. „Lex?“, fragte ich. Lex schie mich erstmal nicht zuhören, doch dann schüttelte er den Kopf. „Etwas stimmt nicht!“ „Was meinst du damit?“, flüsterte ich. Auch Fay schien es nicht zuverstehen. „Wenn sie es wirklich ist, warum löst sie ihren Kopf vom Rumpf?“, fragte Lex und einen kurzen Moment zögerten wir. Er hatte Recht. Warum floh sie nicht, in dem sie ihren Kopf abtrennte? Ich und Fay tauschten verwirrte Blicke. Und noch ehe wir zu einer Antwort kommen konnten, ging die Tür ein weiteres Mal auf und das Licht ging. In der ganzen Hektik und unsere Verwirrung, ließ uns eine Stimme zusammen zucken. „Was zum Teufel machen Sie hier?“ Unsere Köpfe ruckten gleichzeitig hoch und sahen Mrs. Jankins, die ihren Morgenmantel trug und verschlafen und vorallem wütend ansah. Ich fühlte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich und ich kreidebleich wurde. Wo cih vorher voller Adrenalin war, war ich voller Panik. Scheisse! Scheisse! Scheisse! Lex schien erstmal ebenso paralyisert zusein, als er die Hausherrin, in Begleitiung ihres verschlafenen Mannes sah. Das Messer, welches er immernoch in der Hand und über der Brust der Frau hielt, verharte und erweckte wahrhaftig den falschen Eindruck. Bei der ganzen Stille, die sich nun über uns gesenkt hatte, schaffte es das Hausmädchen, ihren Mund von Fays Hand zubefreien und flehte ihre Arbeitgeberin an, dass wir von ihr weggehen. „Lassen Sie gefälligst unser Kindermädchen los!“, herrschte sie uns an und wir standen gleichzeitig auf. Lex steckte das Messer ein und machte eine mehr als betretrende Miene. Das Kindermädchen, froh darüber, dass sie nun nicht mehr bedroht wurde, richtete sich auf und eilte an die Seite von Mrs. Jankins. Mrs. Jankis sah uns, zu Recht an, wie gemeine Einbrecher und ich ahnte schon, dass sie bald, sehr bald, die Polizei rufen würde. Ich blickte zu Lex, und betete, dass er auch diesesmal eine gute Ausrede hatte. „Was machen Sie hier?“, blaffte sie uns an. Lex räusperte sich und trat vor. „Ich weiss, dass das alles einen falschen Eindruck hat. Aber ich kann Ihnen versichern, dass das alles Ihrer Sicherheit dient!“, erklärte er. Ich und Fay tauschten Blicke und wir beide wussten, dass Mrs. Jankins uns das niemals abkaufen würde. Das wäre auch wirklich reines Narrenglück. Ich meine, was macht das denn für einen Eindruck, wenn die Leute, die vorher noch, aus ihrer Sicht, reinen Unsinn erzählten und plötzlich wieder auftauchten, und das im Kinderzimmer, um das Kindermädchen zuerstechen? Ich an ihrer Stelle würde auch außer mir sein. „Verschonen Sie mich mit Ihren Gewäsch. Ich will wissen, warum Sie mein Kindermädchen umbringen wollen?“ „Nun, wie ich Ihnen bereits sagte, halten wir Ihr Kindermädchen für die Mörderin und wollten das schlimmste verhindern!“, sagte er ruhig. Ich hätte ihm das locker abgekauft. Denn Polizisten, durften durchaus schiessen oder sich anders zurwehr setzen, wenn der Verdächtige sie oder andere bedrohte. Allerdings war das ein Warnschuss, in dem ein Beamter die Waffe hoch hielt und in die Luft schoss. Das wusste ich von Papa. Als ich an ihn dachte, zog sich mein Magen zusammen. Ich sah mich schon in einer Untersuchungzelle und meinen Vater, der extra aus Paris hierherflog, um seine straffällige Tochter abzuholen. Ich hoffte inständig, dass dies Mrs. Jankins zufriedenstellen würde. Aber sie schien ihm das nicht glauben zuwollen. Und ich spürte, wie mein Magen immer mehr zu einem Eisblock wurde. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Schatz, ruf die Polizei!“, keifte sie und ihr Mann schlurfte davon. Nun war deutlich zusehen, wer hier die Hosen anhatte und er tat mir schon etwas leid. Doch ich sagte nichts. Lex seufzte. „Mrs. Jankins. Sie müssen uns glauben. Diese Frau ist gefährlich. Sie…!“ „Halten Sie den Mund!“, schrie sie hysterisch. „Ich habe keine Lust mehr, mir das anzuhören. Dass können Sie der Polizei erklären. Wobei ich bezweifle, dass man Ihnen glauben wird!“ Ich sah Lex an, dass er noch etwas agen wollte, doch kaum, dass er den Mund aufmachen wollte, fuhr sie ihm wieder über den Mund, mit nur einem einzigen Wort:„ Raus hier!“ Irgendwie schaffte es Mrs. Jankins uns aus dem Kinderzimmer zujagen und die Treppe hinunter. Währenddessen versuchte Lex es weiterhin, sie zuberuhigen und sie davon zuüberzeugen, dass wir die Guten waren. Doch Mrs. Jankins wollte nichts mehr hören und schimpfte, wie ein Rohrspatz. Wir waren schon in der Eingangshalle, als ihr Mann uns entgegenkam. „Die Polizei ist in zehn Minuten da!“, sagte er und versuchte zu lächeln. Aber angesichts der Wut seiner Frau, verging ihm dieses. Sie drehte sich zu und herum und sie brauchte uns nur anzusehen, um uns klarzumachen, dass wir es nicht mal versuchen sollten, abzuhauen. „Dafür werden Sie ziemlich lange sitzen. Einbruch. Ruhestörung und Körperverletzung!“, sagte sie und grinste nun triumphierend. Wenn mir nichts an ihrem Baby liegen würde, würde ich den Penanggalan zugerne auf sie loslassen. „Sie machen einen Fehler!“, sagte Lex mit Nachdruck. Mrs. Jankins hatte jedoch nur eine abfällige Handbewegung und ein Zischen durch die Zähne dafür übrig. „Das einzige, was ich bereure ist, dass ich monatlich meine Steuern an solche Stümper wie Sie zahle!“, sagte sie und es lag mir wirklich auf der Zunge, ihr deswegen die Meinung zugeigen. Dass sie sich nichts darauf einbilden sollte, dass ihr Mann Anwalt ist. Als jä ein schriller Schrei uns zusammenfahren ließ und uns alarmierte. Unsere Köpfe ruckten allesamt gleichzeitig nachoben, zu der Treppe, in den ersten Stock und sahen, wie das Kindermädchen, mit blanker Panik im Gesicht rücktwärts hinauskroch. Auf allen Vieren und als Mrs. Jankins sie ansprach, was los sei, deutete das Kindermädchen nur mit zitterndem Finger zu der Tür. In diesem Moment erklang ein erneuter Schrei. Das eines Säuglings. Und ich, Fay und Lex rannten sofort hoch. Hiner uns hörten wir Mrs. Jankins wütend rufen, dass wir auf der Stelle hierbleiben sollten, ehe sie uns auch hinterrannte. Wir drei stürmten in das Kinderzimmer, ich voran und blieb mitten auf der Schwelle stehen. Ich hatte das Gefühl als würde jemand einen Eimer mit Eiswasser über mich schütten, als ich den Penanggalan sah, der sich über die Wiege beugte. In meiner Vision sah dieses Ding schon abartig hässlich aus. Aber jetzt in Natura schien es dreifach so schlimm zusein. Der Kopf schwebte einige Zentimeter über dem Boden und aus dessen abgetrennten Hals baumelten die Organe. Lunge, Herz, die verschiedenen Därme, der Magen, ecetera. Ich musste krampfhaft ein Würgen unterdrücken, wobei ich spürte, wie mir das Mittagessen wieder hochkam. Ich machte einen Schritt zurück und stiess prompt mit Fay zusammen. Diese schrie kurz überrascht auf und fragte mich, was los sei. Als ich auf den Penaggalan zeigte, hörte ich sie nach Luftschnappen. „Ach du Scheisse!“, flüsterte sie. Ich nickte. Genau das gleiche habe ich mir auch gedacht. „Man ist dieses Ding hässlich!“, kam es von Lex. Der Penanggalan, der sich nun zu uns umwandte, funkelte uns wütend an. Offenbar kamen wir gerade rechtzeitig um ihn den Snack zu ruinieren. Mit einem Fauchen rollte er seine dolchenähnliche Zunge wieder ein und bleckte die Zähne. Noch ehe wir uns richtig überlegen konnte, was als nächstes zutun war, hörten wir einen neue Schrei und dieser kam von Mrs. Jankins. Sie war uns gefolgt und sah nun, was das Kindermdächen so in Angst versetzt hatte. „Was ist das zum Teufel?“, hörte ich sie und ich drehte mich kurz um. Zusagen, dass sie eigentlich wegbleiben, oder erst gar nicht hierherkommen sollte, hätte keinen Zweck gehabt, da sie es sah und irgendwie freute ich mich. Denn nun sah sie es mit eigenen Augen und würde uns glauben. Doch ich wagte auch gar nicht daran zudenken, was das für ein Träume in ihr auslösen würde. Ihr Mann kam nun auch und als er hinter ihr stand und ihre Frage wiederholte, verdrehte sie ihre Augen und kippte nachhinten. Wurde ohnmächtig. Ihr Mann fing sie auf. Schüttelte dabei ungläubig den Kopf, als er unentwegt zu dem Penanggalan starrte. „Was ist das bloss?“, fragte wieder und Lex befehlte ihm:„ Schaffen Sie Ihre Frau weg. Und bleiben Sie weg. Wir kümmern uns drum!“ Mr. Jankins konnte nur nicken und schleifte seine bewusstlose Frau hinaus. Lex und Fay drehten sich um. Und ich ebenso. Der Penanggalan hatte sich bis jetzt nicht gerührt, sondern uns nur angesehen. Das Baby schien er völlig vergessen zuhaben. Ein Glück! „Allison. Schnapp du dir das Baby und schaffe es weg. Ich und Fay werden uns dieses Mistvieh kaufen!“, sagte er und ich nickte. Was sollte ich auch anderes tun? Fay und Lex tauschten kurz einen Blick, dann gingen sie nach Links und nach rechts. Wollten so den Penanggalan einkesseln. Und sobald Lex mir das Zeichen gab, würde ich so schnell wie möglich zu der Wiege rennen, dass Baby rausholen und und wieder zurück rennen. In Sicherheit. Dadurch würde der Penanggalan abgelenkt sein und damit ein leichtes Ziel für die beiden werden. Ich machte mich bereit, schaute zu Lex und Fay, die sich nun in Position gebracht hatten. Der Penanggalan ahnte wohl, was wir vorhatten. Denn der Mund, der vorher voller Wut verzogen war, grinste nun boshaft und wieder schon sich die Zunge aus seinem hässlichem Maul. Wand sich wie eine Schlange, langsam und lockend, als wollte sie mich damit auffordern, den ersten Schritt zutun, dann aber stiess sie vor. Geradewegs in die Wiege. „Nein!“, schrie ich und stürzte nachvorne. Alles passierte wie in Zeitlupe. Ich sah, wie ich mich auf den Penanggalan bewegte, ihn zur Seite stossen wollte. Da zog Lex sein Messer und warf es. Wirbelnt und durch die Luft sirrend drehte es sich im Flug und bohrte sich, mit der Klinge voran in das Geflecht der Därme. Daraufhin schrie der Penanggalan und ließ seine Därme sogleich nachvorne zucken, sodass die ätzende Flüssigkeit, die seine Organe benetzte, zu Lex spritzte. Ich schrie ihm zu, dass er aufpassen solle. Schneller, als ich es für möglich hielt, wich Lex der Säure aus und ging dabei zu Boden. Nun war es an Fay, sich ihn zuholen. In dem Moment, als der Penanggalan für einen Bruchteil einer Sekunde abgelenkt war, schnappte ich mir das Baby und schaffte es aus dem Zimmer. Draußen lief die Zeit wieder ganz normal. Ich drückte das Kind in die Arme von Mr. Jankins. Rannte dann wieder zurück. Es war, als wäre ich niemals aus dem Zimmer gegangen. Fay sprang nachvorne, griff in ihre Jacke und holte eine Schusswaffe hervor. Mit dem Lauf zielte sie genau auf den Kopf des Penangallans. Doch noch ehe sie andrücken konnte, schoss die Zunge des Penangallans auf sie zu und die Spitze bohrte sich mit einem widerwärtigen Schmatzen und mit dem Geräusch durchbrochener Knochen in Fays Schulter. Ich hörte die Schreie meiner Freundin tausendfach und ich glaubte, meine Trommelfelder würden platzen. Fay ging zu Boden, hielt sich ihre Schulter. „Argh, verdammt!“, fluchte sie, wollte sich aufrichten. Doch der Schmerz in ihrer Schulter war zugroß, als dass sie sich aufrichten konnte. Nun lag es an mir und ich schaute mich panisch um. Mit einer Waffe, egal ob Dolch oder Schusswaffe konnte ihm nichts anhaben. Ich suchte den Boden nach etwas ab, was ich werfeb konnte. Doch der Revolver von Fay und das Messer von Lex lagen viel zuweit entfernt, als das ich schnell genug daran herankommen könnte. Meine Gedanken überschlugen sich. Wäre es doch dunkel hier, dann könnte Erik… Ich kam nicht dazu meinen Gedanken weiterzudenken, da ich Lex rufen hörte. „Vorsicht Allison, sie kommt genau auf dich zu!“ Und als ich im nächsten Moment nachvorne schaute, sah ich auch schon in das hässliche Gesicht des Penangallans. Ich schnappte nach Luft. Ich hatte ihn nicht bemerkt und das war mein Fehler. Ich war starr vor Angst und spürte, wie mir kalter Schweiss ausbrach. Der Penangallan wusste wohl, von meiner aufkommenden Panik und meiner Unfähigkeit etwas zu unternehmen. Denn er grinste nur und zeigte mir damit seine hässlichen Zähne, hinter denen die Zunge unruhig und gierig nach Blut, meinem Blut, umherzuckte. „Stirb wohl, kleine Allison!“, hörte ich es dann aus seinem Mund krächzend. Da schoss auch schon die Zunge hervor und wollte sich in meine Kehle bohren. Plötzlich schienen alle Lampen gleichzeitig auszugehen. Mit lauten gläseren Platzen, erloschen sie und es wurde dunkel im Raum. Für einen kurzen Moment, herrschte Schweigen. Selbst die Zunge des Penangallans hielt mitten in der Bewegung inne. Offenbar hatte er selbst nicht erwartet, dass das passiert. Als dann doch wieder Leben in sein verdutztes Gesicht kam, wollte er seine Zunge zurück-und wieder vorschnellen lassen. Doch das ging nicht. Verwirrt und mit einem fluchenden Würgen riss er den Kopf zurück, versuchte seine Zunge aus der Starre zuholen. Zuerst verstand ich nicht, was das zubedeuten hatte. Aber dann spürte ich einen eisigen Hauch in meinem Nacken und ich sahe eine Bewegung, in der Höhe, in der die Zunge erstarrt war. Oder besser gesagt, sah ich den Schatten, der sich um diese gewickelt hatte und sie somit festhielt. Ich erkannte sofort, wer dieser Schatten war. „Erik!“, keuchte ich dankbar und erstaunt, dass er soschnell reagiert hatte. Ich wagte es aber nicht, den Kopf zudrehen. Die Augen des Penangallan weiteten sich nun. Auch er schien nun zusehen, wer ihn da im Griff hatte. „Lass gefälligst deine Zunge von meinem Partner!“, knurrte er und riss an der Zunge. Der Kopf des Dämons wurde dadurch nachvorne gezogen und im nächsten Moment, versetzte Erik ihm solch einen harten Schlag in sein Gesicht, sodass er im hohen Bogen aus dem Fenster flog. Das Glas zerbrach unter der Wucht und der Kopf des Penangallan verschwand in der Dunkelheit. Perplex und erleichtert, dass ich erstmal davon gekommen war, atmete ich aus, und ich spürte, wie meine Knie weich wurden und nachgeben wollten. Doch bevor ich in mich zusammensackte, packte mich Erik an dem Arm und zerrte mich auf die Füsse. „Reiss dich zusammen!“, blaffte er mich an und ich wollte ihm sagen, dass das nicht gerade leicht ist, wenn man einen fliegenden körperlosen Kopf gesehen hat, mit einer Zunge, die Knochen durchstossen konnte. Doch Lex funkte mir dabei dazwischen. „Los, wir müssen hinterher. Sonst entkommt er uns noch!“, rief er und rappelte sich wieder auf. Auch Fay erhob sich. Griff nach ihrem Revolver und steckte ihn sich wieder ein. Dabei zuckte sie nichtmal zusammen, als sie den Arm bewegte, dessen Schulter von dem Penangallan verletzte wurde. Entweder verwechselte ich ihre Schultern oder aber sie ließ sich den Schmerz nicht anmerken. Ich hob nur, wie betäubt den Kopf. Mich erfasste eine plötzliche Müdigkeit und ich konnte mich grad so auf den Beinen halten. „Was?“, brachte ich nur hervor. Doch anstatt mir zuantworten, sprangen Fay und Lex gleichzeitig zum Fenster und verschwanden, mit einem Satz aus diesem. Ich blinzelte. Von einem Moment waren sie weg. War ich nun so müde, dass ich Dinge sah, die gar nicht sein konnten. Um sicherhzuesein lauschte ich und hörte tatsächlich ihre gedämpften Stimmen von draußen, durch das zersprungene Fenster. Wie war das möglich. Wir waren hier im ersten Stock! Ich rappelte mich auf und ging zum Fenster. Blickte hinaus. Nur um ganz sicher zusein, da ich es immernoch nicht glauben konnte und kaum dass ich hinaus sah, stockte mir der Atem. Dort unten standen Fay und Lex und sahen ungeduldig wartend zu mir hoch. Ich brachte nur ein Stirnrunzeln zustande. Wie ging das denn bitteschön. Warum hatten sie nicht einen Kratzer? „Allison. Beeil dich!“, rief Fay. „Schlaf da oben nicht ein!“, kam es weniger freundlicher von Lex und ich schüttelte den Kopf. Wie auch immer sie das geschafft hatten, ich würde mir jeden einzelnen Knochen einzeln brechen. Ich wich von dem Fenster zurück. Anstatt rauszuspringen, würde ich wohl auf dem normalen Weg aus dem Haus kommen müssen. Nämlich über die Treppe, durch die Einganghalle und durch die Haustür. Und das war mir wesentlich lieber. Doch kaum, dass ich mich zur Tür umdrehte, stellte sich mir Erik in den Weg, schlang den Arm um mich und noch ehe ich etwas zum Protest äußern konnte, hetzte Erik zum Fenster und sprang ebenso hinaus, in die Nacht. Ich stiess einen schrillen Schrei aus. Für einen kurzen Moment schwebten wir einfach in der Luft, dann ging es abwärts und mein Schrei zog sich in die Länge. Als wir dann unten heil, wie ich erleichtert feststellen musste, ankamen, fühlte ich, wie wieder meine Knie weich wurden. Aber Erik ließ nicht zu, dass ich schwach wurde, sondern packte mich am Arm und zerrte mich weiter. „Mach jetzt ja nicht schlapp!“, zischte er. Der hatte gut reden. Für ihn und Fay und Lex schien ein Sprung aus dem Fenster und aus der Höhe kein Problem zusein. Aber für mich war das eine neue Lebenserfahrung. „Jaja!“, gab ich von mir und musste mich wirklich dazu zwingen weiterzugehen. Wir rannten in den Wald hinein, der mehr einem Park glich und ich schaute mich suchend nach Fay und Lex um. Doch von den beiden fehlte jede Spur. Ich sah zu Erik, der die Führung übernommen hatte und mich mehr mit sich schleifte, als dass ich selber lief. Auch er schien sich zufragen, wo die beiden steckten und stiess einen insittlichen Fluch aus. Auf französich zwar, aber ich verstand ihn. Nach einer Weile des ziellosen Rennens machten wir dann doch eine Pause und ich ließ mich auf einen Baumstumpf nieder. Ich fühlte mich so müde und schlapp, dass ich mich gleich am liebsten hingelegt hätte, um zu schlafen. Aber die Anspannung, das Adrenalin und der Dämonn, den aufzuhalten gildete, ließ das nicht zu und trotz, dass ich mich so gerädert fühlte, war ich dennoch irgendwiehellwach. Ich hatte sogar noch den Rucksack dabei. Dabei dachte ich, ich hätte ihn in dem ganzen Stress verloren. Der Dolch, den mir Esmeralda gegeben hatte, hatte ich ebenso noch in meiner Jacke. Komisch! „Was…was machen wir jetzt?“, fragte ich und rieb mir die Augen. Erik schien erstmal selber sich ein Bild der Lage machen zuwollen, ehe er mir antwortete. Schaute sich in alle Richtungen um und versuchte etwas zuhören. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Erstmal nachdenken und abwarten, was als nächstes passiert!“ „Sollten wir nicht versuchen, Fay und Lex zufinden. Sie brauchen sicherlich unsere Hilfe“, murmelte ich. Hier rumzusitzen und nichts zutun, war noch schlimmer, als das Gefühl von Müdigkeit, was mich erfasste. Es kam einer Ohnmacht gleich. „Die beiden kommen schon klar. Mach dir deswegen keine Sorgen!“ Etwa in mir schrei bei diesen Worten auf. Wie soll ich dabei ruhig bleiben. Ich habe doch gesehen, wie gefährlich dieser Dämon war. Was wenn er wirder versucht einen der beiden mit seiner ekelhaften, spitzen Zunge zudurchbohren? Ich wollte es mir nicht vorstellen, doch das Bild von Fay oder Lex, die durch Penanggalan das Leben verloren, ließ mich zu Eis erstarren. „Aber was wenn…?“, fragte ich, doch da drückte mir Erik die Hand vor den Mund und zischte mir ins Ohr. „Schtt, da kommt etwas!“ Im ersten Moment dachte ich, es seien Fay und Lex, die nach uns suchen wollten, doch dann hörte ich den warnenden Ton in seiner Stimme und wusste, dass der Penanggalan in der Nähe war. Ich spürte es förmlich. Konnte seine dunkle und bedrohliche Anwesenheit fühlen, als würde ich genau gegenüber stehen. Mein Magen rebellierte und ich musste ein Würgen unterdrücken. Minuten lang blieb Erik so. Dicht neben mir und mit der Hand auf meinem Mund, dann nahm er diese langem weg. „Steh ganz langsam auf und geh zum Haus zurück. Warte da auf mich!“, wies er mich an. „Was ist mit dir?“ Ich kontne kaum sprechen, so beklemmend war das Gefühl, welches der Dämon in mir verursachte und ich wagte es nicht den Blick von den Bäumen vor mir zu nehmen. Versteckte er sich hinter diesen und belauerte er uns. Verfolgte jeden unserer Schritte und lauschte jedem Wort, das ich und Erik wechselten. Ich glaubte sogar eine Bewegung hinter den Bäumen und in den Schatten zusehen. Ich schaute zu Erik, wollte ihm sagen, was ich zu sehen glaubte. Ihm sogar wiedersprechen. Ihm sagen, dass er es abhacken konnte, wenn er glaubte, ich würde davon laufen. Ich war schon zuoft davongelaufen. Ein verrückter Gedanke, ich weiss. Aber er war einfach da. Und je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir und entschlossen, ihn nicht allein zulassen. Gerade wollte ich ihm das sagen, als sein Gesicht plötzlich einen, mir bisher unbekannten, entsetzten Ausdruck annahm und mich, in nächster Sekunde zur Seite stiess. Hart prallte ich auf den Boden und wusste erst nicht, was in ihn gefahren war. Als ich plötzlich seinen Schrei hörte und aufschaute. Mir gefror zum wiederholten Male an diesem Abend das Blut in den Adern. Der Penanggalan hatte aus dem Hinterhalt angegriffen. Wie ich es mir gedacht hatte, hatte er sich in den Bäumen vor uns versteckt und beobachtet und nur darauf gewartet, dass wir, beziehungsweise Erik nicht aufmerksam war, und angegriffen. Wie bei Fay zuvor, hatte er nun auch Erik seine Zunge in den Körper gestossen. Diesesmal mitten in die Brust, wo sein Herz sah. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde und ich fühlte, wie mich eine lähmende Angst ergriff. In diesem Momen konnte ich nur an eines denken. Erik durfte nicht sterben! „Erik!“, schrie ich und meine Stimme hallten von den vielen Bäumen wieder. Der Penanggalan schaute zu mir und in seinen schwarzen Augen glänzte es boshaft. Seine Zunge steckte noch immer in der Brust von Erik und saugte das Blut auf. Sein geöffneter Mund verzog sich zu einem grausamen Lachen. Deutlich, auch wenn er nichts sagte, konnte ihn die Worte hören. „Du bist als nächstes dran!“ Dann begann er immer mehr Blut aus Eriks Wunde zusaugen und ich sah, wie mein Beschützer immer schwächer wurde. Ich schüttelte den Kopf. Obwohl es die logischste und beste Möglichkeit ihn von ihm zureissen, den Dolch nach ihm zuwerfen, konnte ich es nicht. Ich war völlig starr. Konnte nur zusehen. Ich schaute dann zu Erik, der das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse verzog. Doch dann wisch der Schmerz aus seinen Gesichtszügen und Wut machte sich darin breit. Aber auch etwas anderes. Etwas, wie siegessicherheit. Mit einem wilden Knurren packte er dann die Zunge und riss an ihre. Der Penanggalan, der sich schon als Sieger sah, öffnete überrascht die Augen soweit, dass man glauben könnte, die Augäpfel würden aus den Höhlen fallen. Dann schrie er, voller Qualen, auf, wand sich und versucht sich aus Eriks Griff zubefreien. Ich verstand nun gar nichts mehr. Für mich sah es aus, als würde Erik die meisten Schmerzen haben, aber das tat er nicht sondern der Dämon und noch bevor ich richig begreifen konnte, was das eigentlich zubedeuten hatte, hörte ich Eriks Stimme:„ Greif in den Rucksack und hol das Feuerzeug und die Spraydose raus!“ Und ich tat, was er sagte. Es passierte alles os schnel und wie in einem Film. Zwar waren es meine Händen, die in den Rucksack langten, doch ich hatte das Gefühl, nicht ganz ich selbst zusein. Wie von selbst, fanden meine Fingern die beiden Gegenstände und als ich sie rausholte, schrie Erik, ich solle dieses Ding in Brand setzen. Auch dies tat ich. Entzündete eine kleine Flamme, die aus dem Feuerzeug zuckte und hielt die Dose dahinter. Als ich auf den Druckknopf drückte, entbrannte das Gas des Sprays und eine gut einmeterlange Stichflamme schoss hervor. Direkt auf den Penanggalan zu. Und steckte ihn in Brand. Ein grässliches Kreischen und Heulen kam aus dem Dämon und er wehrte sich noch mehr. Versuchte sich in Sicherheit zubringen. Doch das Feuer begann bereits, den Großteil seines Kopfs zuverschmoren und der ekelhafte Geruch vom verbrannten Fleisch stieg mir in die Nase. Irgendwann, ich glaubte, es wären Stunden, war es vorbei. Der Penanggalan, der sovelen Babys den Tod gebracht hatte, ging brennend zu Boden und war nichts weiter, als ein verbrannter Klops aus Fleisch und Knochen. Die Organe glimmten noch etwas und erinnerten an verbrannte Pflanzen. Ich würgte und hielt mir die Hand vor den Mund. Gott, war das widerlich! Danach herrschte Schweigen und ich versuchte meinen hochkommenden Mageninhalt wieder runter zupressen. Da hörte ich Schritt und ich schaute auf. Lex und Fay kamen zu uns. Mit vor Ruß geschwärzten Gesichtern und genauso, wie ich ziemlich fertig. Dennoch grinsten sie bis über beide Ohren. „Na, alles klar bei Euch?“, fragte Lex lässig. Ich brachte erstmal keinen Ton raus. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich aus diesem Dämmerzustand befreien konnte. Dann aber, kam mir wieder in den Sinn, dass es Erik schlimm erwischt hatte und ich war mit einem Schlag wach. Mein Gott, der Penanggalan hatte ihn mitten in der Brust erwischt. Was wenn er? „Ja, mit mir schon. Aber Erik…!“, wollte ich herausbringen und schaute zu ihm. Ich erwartete, dass er immernoch auf dem Boden lag und sich seine verwundete Brust hielt. Doch Erik stand da, als wäre nichts gewesen. Selbst das Blut auf seinem Hemd war verschwunden. „Nichts aber Erik. Ich bin zwar angekratzt, aber es geht mir gut!“, sagte er und ich fragte mich wirklich, ob ich noch alle beisammen hatte. Die Verletzung sah schlimm aus. Selbst für einen wie ihn. „Nadann ist ja alles Bestens!“, mischte sich Lex in meine Gedanken ein und unterbrach mich in diesen. Ich wollte schon sagen, dass nicht alles Bestens war, als er mir wieder dazwischen funkte. „Gratuliere! Du hast deine Feuertaufe erfolgreich bestanden!“, sagte er und schlug mir auf den Rücken. Es mochte zwar gut gemeint und als Gste von Glückwunsch gemeint sein, aber bei mir sorgte es nur dafür, dass mein Mageninhalt wieder hochkam und ich mich lautstark übergab. Dann wurde ich ohnmächtig. Doch bevor ich in tiefste Schwärze hinabglitt, höte ich Lex leicht angewidert sagen: „Ich nehme alles zurück!“ Kapitel 9: Die kleine Meerjungfrau ---------------------------------- Es war warm. Und sonnig. Keine einzige Wolke bedeckte den Himmel. Die Luft war erfüllt von dem üblichem Strassenlärm Roms und von den lautstarken Auseinandersetzungen von Menschen, an denen wir vorbeiliefen. Touristen, die Rom besuchten, um sich die alten Bauten anzusehen. Einschließlich des Vatikans. Mamas Zuhause. Oft hatte sie davon erzählt, wie sie dort aufgewachsen war, als man sie vor den Toren, als Säugling ausgesetzt, gefunden hatte. Mehr jedoch erzählte sie davon nicht und überließ mich so meiner eigenen Fantasie. Mehr als einmal haben wir die alten herrlischen Hallen besucht und uns die alten Geschichten angehört. Ich konnte davon nie genug bekommen. Da diese Hallen einst meine Mama bewohnt hatte. Auch an diesem Tag, hatten wir einen ausgedehnten Besuch am Vatikan unternommen. Uns dann in ein Eiscafe gesetzt und kaltes, süßes Eis gegessen. Danach sind wir an den Fontana di Trevi gegangen, um uns dann was zuwünschen. Mama warf ein Münzstück hinein. Ebenso wie ich und wir beide wünschen uns was. „Und was hast du dir gewünscht, Allison?“, fragte sie mich, während wir sahen, wie das Wasser von den Fontänen zitterte. Unsere Münzen lagen auf dem Grund. Eine große, die meine Mama geworfen hatte und eine kleine, die meine war. Damals wusste ich nicht, dass man seine Wünsche nicht laut ausprechen durfte, sonst gehen sie nicht in Erfüllung. Und ich wusste auch nicht, was ich mir geanau gewünscht hatte. Aber ich erinnere mich noch genau an die Worte. „Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama!“ Damit hatte ich eigentlich ihre Stärke, Schönheit und ihr helles Köpfchen gemeint. Nicht aber, dass, was sie wirklich in sich hatte. Und ironischer weisse, war mein Traum doch noch in Erfüllung gegangen. Obwohl ich es laut ausgesprochen habe. Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama! Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama! Immer wieder hörte ich diesen einen verhängnissvollen Satz, bis ich die Augen aufmachte. Statt in Rom, war ich in London, in einem Zimmer, dass mit Freunde meiner Mutter zur Verfügung gestellt hatten. Weiter wollte ich nicht nachdenken, da ich zum einen viel zu müde war, um mich überhaupt an das was gewesen war zu erinnern und zum anderen, weil ich nicht wieder den bitteren Geschmack von Galle in meinem Mund haben wollte. Doch die Jagd und der Kampf mit dem Penangallan blieben mir dennoch gut vor Augen und ich sah es wieder vor mir. Wie es grinste und seine Zunge aus dem Mund kroch. Wie eine Schlange, die gleich zuschlagen wollte und hörte die Worte noch immer, als seien sie ebengesprochen worden. „Stirb wohl, kleine Allison!“ Ein kalter Schauer rann mir über den Rücken. Dieses Ding wusste, wie ich heisse. Ebenso wie der Parasit, der meine Freundin auf dem Gewissen hatte. Konnte das alles Zufall sein? Oder hatte wirklich meine Mutter solche mächtigen Feinde, die wussten, dass ich ihre Tochter war und es nun auf mich abgesehen hatten? Minutenlang saß ich in meinem Bett, in diesen düsteren Gedanken verankert. Wenn dem so wäre, überlegte ich bei der zweiten Möglichkeit und diese nahm immer mehr grauenhafte Gewissheit an, und ich würde nun auf die schwarze Liste der Dämonen stehen, würde mir noch einiges bevorstehen. Ich seufzte schwer und wollte mich ins Bett zurückfallen. Aus einem mir nicht erklärbaren Grund, fühlte ich mich noch müder als vorher und ich hatte den unstillbaren Wunsch, zu schlafen. Am liebsten den ganzen Tag oder auch die ganze Woche. Doch ein Klopfen verhinderte das und ohne dass ich „Herein“ oder „Ja“ sagte, öffnete sich die Tür und Fay steckte den Kopf durch den Spalt. „Good Morning, Sunshine!“, grüßte sie mich und auch wenn ich wusste, dass sie das nicht böse meinte, hätte ich für diesen Spruch am liebsten ein Kissen an den Kopf geworfen. Sie tat gerade so, als wäre ich nicht dem Tod knapp von der Schippe gesprungen. Aber vermutlich sagte sie das, um mich aufzumuntern. Dabei erinnerte sie mich an Marie. Mein elieb Marie, das Sonnenscheinchen von uns beiden. Die immer versucht hatte, mich zum Lächeln zubringen. Auch wenn mir nicht der Sinn danach standt. Es aber immer wieder und irgendwie schaffte. Ich brachte nur ein zaghaftes Lächeln und müdes „Morgen“ raus. Fay kam dann rein und auf ihrem einen Arm balancierte sie ein Tablett. Darauf war ein Teller mit Rührei, Speck, gerösteten Zweiebeln, Pfannenkucken, ein Flächschen Aronsirup und ein Glas mit Orangensaft, frisch gepresst muss ich dazusagen, dass konnte ich förmlich riechen und sogleich meldete sich mein Magen. Vergessen war die Übelkeit und der Gallengeschmack in meinem Mund. Mir lief bei dem Geruch und beim Anblick des Frühstücks das Wasser im Munde zusammen. Und um das ganze abzurunden, war das ganze noch von einer schmalen Vase darauf, mit einer herrlichen roten Rose darin, verschönert. Eigentlich hätte ich gesagt, dass das schon zuviel des Guten war. Aber ich freute mich über soviel Liebe und Aufmerksamkeit, dass ich die Hände ausstreckte und Fay das Tablett, was wohl doch etwas schwer war, abzunehmen. Vorsichtig, um nichts von dem guten Essen zuverschütten, setzte ich es auf meinem Schoss ab und begann sogleich daruflos zu futtern. Zuerst verputzt ich das Rührei, dann der Pfannenkuchen, wobei ich ordentlich Sirup drübergoss, sodass er fast schon darunter verschwand. Mein Magen und mein Gaumen jauchzten vor Freude auf, als ich die ersten Bissen zerkaute und runterschluckte. Und ich konnte nicht anders, als zuseufzen und zu kichern. Sogut schmeckte. Besser noch, als ich oder Papa es jemals hinbekommen hätten. Esmeralda war wirklich eine Spitzenköchin. Genauso so gut, wie meine Mama. Und bei diesem Gedanken verkrampfte sich mein Herz. Mit einem Male schien es nicht mehr so gut zu schmecken und ich kaute nur noch mühsam auf meinem Essen herum. Dabei musste ich wohl ein saures Gesicht machen, denn Fay beugte sich zu mir vor und fragte mich besorgt:„ Was ist denn? Schmeckt es dir nicht? Ist dir übel?“ Ich schüttelte den Kopf, griff nach der blütenweissen Serviette und wischte mir den Mund ab. „Doch, es schmeckt. Sehr gut, sogar. Aber…ich musste dabei an meine Mama denken. Sie hat ebenso gut gekocht und ich…!“ Mehr brauchte ich nicht zusagen, denn Fay legte mir die Hand auf die Schultern und lächelte tröstend. „Das kann ich verstehen. Mir ging es genauso. Damals konnte ich genauso wenig einen Bissen hinunterbringen, wenn ich nur an meine Mutter dachte!“, murmelte sie und furschte die Augenbrauen. Hä? Was soll das denn heissen? Esmeralda lebte doch noch. Sie sah alles andere als tot aus? Warum sagte Fay das? Doch noch ehe ich etwas in der Richtung fragen konnte, wechselte sie schon das Thema. „Übrigens: Du solltest Lex erstmal aus dem Weg gehen?“ „Wieso das denn?“ Nun machte Fay ein verlegendes, aber auch amüsiertes Gesicht. „Naja, weißt du nicht mehr. Nachdem du und Erik den Penangallan beseitigt habt, hat er dir auf den Rücken geschlagen und dabei hast du ihm auf die Schuhe gekotzt, wenn ich das mal so direkt sagen darf!“, sagte sie und mir fiel die Gabel aus der Hand. Ohweia! Stimmt ja! Da war was! Und ich habe gedacht, ich hätte mir das nur eingebildet. Schlagartig wurde ich rot und zog den Kopf zwischen die Schultern. „Waren die Schuhe teuer?“, fragte ich und hatte die verrückte Idee, dass ich ihm die Schuhe ersetzen würde. Egal was es mich kostet. Fay schien gemerkt zuhaben, was ich mit meinte und platzte nun vor Lachen. „Nein, waren sie nicht. Trotzdem war er etwas angefressen!“, sagte sie und schlug mir aufmunternt auf die Schultern und ich lachte trocken. Klar, wer wäre das nicht. Ich wäre auch ziemlich sauer, wenn mir einer auf die Schuhe reiert. Mochten sie teuer sein oder nicht. Sowas gehörte sich nicht. Nun war ich es, die das Thema wechseln wollte, oder zumindest den Versuch machte. „Wo wart Ihr eigentlich, als sie einfach so aus dem Fenster gesprungen und davon gelaufen seid. Wir, ich und Erik, haben Euch aus den Augen verloren?“, fragte ich. Fay schien erstmal selber nachzudenken, ehe sie antwortete. „Naja, ich und Lex hatten so die leise Ahnung, dass der Penangallan seinen Körper ja irgendwo liegen lassen hatte. Also haben ich und Lex ihn gesucht und gefunden!“ „Und was wann?“ „Naja, nicht weiter großartiges. Lex holte eine Thermokanne raus, in dem Benzin war, übergoss alles mit diesem und zündete den Körper mit einem Streichholz an!“ Und da wurde es mir klar. Der Penangallan hatte geschrien, als würde er Höllenqualen erleiden und ich hatte mich gefragt warum. Fay und Lex hatten den Körper von ihm in Flammenaufgehen lassen. Ich konnte über soviel Raffinesse nur blinzeln. Denn zum einen war der Körper vernischtet und zum anderen hatte so der Penangallan nicht mehr die Chance zu etnwischen. Soviel Köpfchen musste man haben. Von der Geduld, den Körper ausfindig zumachen ganz zuschweigen. „Wow!“, brachte nur hervor und Fay grinste stolz. „Aber ihr wart auch nicht schlecht. Wie du ihn angezündet hast. Respekt!“ „Naja, das war nicht meine Idee. Erik hat es zu mir gesagt, als er den Dämon im Griff hatte. Ich weiss immernoch nicht, wie ich das einfach so machen konnte. Dabei war ich am Anfang wie vor Angst erstarrt. Dass ich meine Finger überhaupt zu ruhig halten konnte, war wirklich wie ein kleines Wunder. Hätte ich nicht aufgepasst, hätte ich mich selber angezündet!“ „Das lag sicher an dem Adrenalin, dass du in dir hattest. Das sorgt schon dafür, dass man sich ganz anders verhält, wie man es eigentlich von sich kennt!“, erklärte sie und klang dabei, wie meine Biologie-Leherin. Ich musste lächeln. „Wielange habe ich eigentlich geschlafen?“ „Gut zwei Tage!“ „Und dein Vater wollte mich nicht aus den Federn schmeissen, um mich weiter zu drangsalieren?“ „Nein!“, sagte Fay mit einem leisen Lächeln und nicht böse über die Bemerkung. „Selbst er fand, dass du dich ausruhen solltest!“ Ich hob überrascht die Brauen. Sonst immer habe ich gedacht, dass Brian der Letzte wäre, der mir eine Ruhepause gönnte. Aber anscheinend war es in diesem Fall nicht so. „Das heisst aber nicht, dass du nicht denken brauchst, dass du wieder trainieren musst!“, sagte Fay mit einem verschmitzen Grinsen und blinzelte mir zu. Das habe ich auch nicht, doch ich fragte mich, wann und in was ich trainiert werden würde. Nachdem Frühstück gönnte ich mir eine Dusche. Schälte mich zuerst aus den alten, anch Schweiss stinkenden Klamotten und zog mir einen Morgenmantel über, den mir Fay geliehen hatte. Ich drehte den Knauf der Tür herum und kaum dass ich sie öffnete, kam mir schon Wasserdampf entgegen. Das hätte mich eigentlich stutzig machen sollen, doch meine Freude auf die Dusche war so groß, dass ich dieses Warnzeichen ignorierte. Als ich die Tür dann hinter mir schloss und den Mantel öffnete, sah ich, dass ich nicht allein war. Gerne hätte ich Esmeralda, Fay oder gar Brian in der Dusche überrrascht, doch nicht ihn. Lex stand da, mit tropfnassen Haaren und mit einem Handtuch in der Hand. Ich betone hier ganz groß, dass der das Handtuch in der Hand hielt, und es gerade sicherlich vor seine edelsten Teile wickeln wollte, wäre ich nicht reingeplatzt. Doch ich hatte ihn ebenso überrascht, wie er mich und so hielt er mitten in der Bewegung inne. Einen langen unangenehmen Augenblick, sahen wir uns an. Unfähig etwas zusagen oder zutun. Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und es rot, röter als eine Tomate, werden ließ, während ich ihn ansah und meinen Blick nicht von dem abwenden konnte, was einer Nonne ohnmächtig werden ließ. Sein Körper glänzte von dem Wasser, was vorher über seinen Körper geflossen war und der Dunst um uns herum, ließen das ganze mehr als verlockend wirken. In meinem Kopf herrschte nichts als gähnende Leere, während ich ihn so betrachtete. Gott, wie gut er aussah, dachte ich, obwohl das alles andere als passend war. Ich sollte mich eigentlich fragen, was er nun von mir dachte, in diesem Moment. In so einem Fall wäre eigentlich das Logischste gewesen, sich schnell zu entschuldigen, aus dem Badezimmer zustürmen und die Tür hinter sich zu zuknallen. Doch ich konnte mich nicht bewegen, geschweige denn den Blick abwenden oder an irgendwas denken, was ich in so einem Moment machen konnte. Das einzige woran ich denken konnte, war, dass Fay mir den Rat gegeben hatte, Lex erstmal nicht über den Weg zu aufen. Und doch sah ich mich ihm gegenüber. Nackt, wie Gott ihn schuf und gut bestückt. Was mir noch mehr Minuspunkte bei ihm einbringen würde. Es vergingen Minuten, ehe Lex der peinlichen Stille ein Ende setzte. „Hättest du bitte die Güte, dich umzudrehen und zuwarten, bis ich mich angezogen habe?“, fragte er mich in einem zu Recht barschen Ton. Ich nickte nur, drehte mich um und wartete, bis er sich das Handtuch um die Hüfte geschwickelt hatte. Dann hörte ich, wie die Türe geschlossen wurde und ich war allein. Die Dusche konnte ich nun nicht mehr so sehr geniessen, denn immer wieder hatte ich das Bild von Lexs nacktem Körper vor Augen und mir schoss immwieder die Röte ins Gesicht. Oh man, warum muss mir das passieren? Den Rest des Tages verbrachte ich auf meinem Zimmer. Zumindest wollte ich das. Aber dann meldete sich zur Mittagszeit doch mein Magen und als ich das Klopfen und Fays Stimme hörte, die sagte, dass das Mittagessen fertig sei, fügte ich mich meinem Schicksal. Auch wenn ich mich verkroch, ich würde doch irgendwann Lex nochmals über den Weg laufen. Ich konnte dabei nur hoffen, dass er meinen kleinen Fehltritt in der Dusche für sich behielt und es sich nicht anmerken ließ. Als ich runterkam, wartete schon das Mittagessen auf mich. Braten, mit dunkler Soße, Rotkohl und Klößen. Lecker! Ich setzte mich an den Tisch und Esmeralda trug mir etwas davon als erste auf. Fay und Lex folgten. Über den Tisch konnte ich, auch wenn ich nicht wirklich aufschaute, sehen, wie er mich mit seinen Augen fürmlich durchbohrte und ich wünschte mir ein Mäsueloch, in das ich mich verkriechen konnte. Etwas ungelenk und mit Lex Blicken auf mich, stocherte ich im Essen herum und mochte es auch so gut aussehen und schmecken, ich würde sicherlich nun keinen Bissen mehr hinunterbekommen. Dennoch wollte ich nicht unhöflich sein und schob mir etwas von dem Essen in den Mund. Kaute darauf herum. Und nippte an dem Glas mit Wasser. Esmeralda und Brian tranken als einzige Rotwein. Über den Mittagstisch breitete sich eine Stille aus, die mich an die, in der Duscher erinnerte, als ich Lex in seiner ganzen Pracht gesehen hatte und musste mir das rotwerden mit Gewalt verkneifen. Dann aber sagte Fay, während ich aß. „Sag mal, Allison. Hast du nicht Lust mit mir später London anzusehen? Du hast kaum, wenn nicht sogar gar nichts, gesehen. Ich würde dir gerne die ganzen Sehenswürdigkeiten zeigen. Big Ben zum Beispiel!“ Auch wenn mir bewusst war, dass Fay eigentlich den berühmten Glockenturm meinte, schoss mir gleich das Bild von Lexs Genetailien durch den Kopf und ich verschluckte mich heftigst. Trotz dass ich mich abmühte ruhig zu blieben und dabei selber meinen eigenen Puls in den Ohren hören konnte, glaubte ich ein Glucksen von der anderen Seite des Tisches zuhören und ein rascher Blick verriet mir, dass es Lex war. Ein leises, und vorallem heimtückisches Grinsen, zierte nun sein Gesicht. Das war ja so klar. Ich schüttelte hastig den Kopf. Hustete dabei und schluck mir in den Nacken, damit der Bissen, der mir im Hals stecken geblieben war, verschwand. Fay deutete dies natürlich falsch. Wie konnte sie auch wissen, dass ich an was anderes denken musste und wie peinlich es war. „Wirklich nicht? Schade! Kennst du schon den Big Ben. Oder lieber den Londoner Tower. Dort wurden die Gefangenen hingebracht, ehe sie hingerichtet wurden. Wie Lady Anne Boleyn, die zweite Frau von König Heinrich, dem VIII. Jetzt ist der Tower eine Museum, in dem die Schätze der Königsfamilie untergebracht sind. Willst du die Kronjuwelen anschauen. Ich sage dir, es lohnt sich!“, schwärmte mir Fay und bei dem Wort Kronjuwelen musste ich wieder an, ihr wisst schon, denken. Mein Husten wurde dabei immer stärker und mir kamen schon Tränen in die Augen. Ich schüttelte wieder den Kopf. Fay, nun ganz und war verwirrt und nicht wissen, warum ich so reagierte, hob die Brauen. „Sag bloss, du interessierst dich nicht für englische Geschichte?“, fragte sie leicht pikiert. „D-Doch schon…aber…!“, brachte ich verzweifelt hervor, weil ich nicht wollte, dass Fay was flasches von mir dachte, als Lex mir über den Mund fuhr. „Den Big Ben und die Kronjuwelen hat sie schon gesehen!“, sagte er feixend und grinste dabei dermassen frech und überheblich, dass ich nicht übelst Lust hatte, ihm mein Messer an den Kopf zuwerfen. Es war offensichtlich, dass er es genoss, mich so zusehen. Mich um Kopf und Kragen redent und ich konnte dabei nur an eines denken: Boah Männer! So beeindruckend groß war er nun auch wieder nicht Lex! Fay, Esmeralda und Brian sahen uns beide nur an und ich würde den Teufel tun, um das ganze aufzuklären. Zumindest ihren Eltern. Fay wollte ich es nicht vorenthalten. So verkrümmelten wir uns nach dem Essen auf ihr Zimmer, dass um einiges größer war als meines, aber genauso schick ausgestattet war und erzählte ihr, warum ich kurz davor war mein Essen über den gesamten Esstisch auszuspucken. Zuerst sah sich mich sprachlos an, doch dann platzte sie förmlich vorlachen und hielt sich den Bauch. „Achso, deswegen…!“, lachte sie und konnte nicht mehr. Mir war alles andere als lachen zumute. Gott, war das peinlich. „Wie schön, dass du dich so gut amüsierst!“, knurrte ich und grub mein Gesicht in beiden Händen. Fay schüttelte den Kopf, wischte sich die Tränen ab und strich mir tröstend über die Schulter. „Sorry, doch das ist wirklich zu komisch. Natürlich ist es auch peinlich. Mir wäre es nicht anders ergangen!“, sagte sie und musste ein Glucksen unterdrücken. Doch ich fühlte mich dadurch nicht besser. „Der hat es richtig genossen, mich klein zumachen!“ „So ist mein Bruder eben!“ „Hm, hoffentlich hat der einen Durchhänger, wenn er mal eine Freundin hat und das meine ich nicht, wenn er mal fertig mit den Nerven ist!“ Daraufhin mussten wir beide lachen. Da gab Fay mir einen Fausthieb gegen die Schulter. „Du bist echt´ne Nummer, Allison Adea!“ Später, es war eigentlich schon abend, gingen ich und Fay zur Eigangshalle. Jetzt, wo alles geklärt war, wollte ich mir doch nun London ansehen. Doch Fays Vater wollte sie einen Dämpfer verpassen. Kaum dass wir unsere Mäntel angezogen hatten, tauchte er auf und fragte Fay, wohin wir jetzt noch so spät gehen wollten. Fay sagte ihm, dass sie mir London zeigen wollte, wie sie es versprochen hatte und Brian runzelte nur skeptisch die Stirn. Als würde er denken, dass wir gleich eine Bank ausrauben wollten. Offenbar schien er seiner Tochter nicht zutrauen. Oder er machte sich einfach Sorgen, wie es jeder Vater tat, wenn seine Tochter noch zu so später Stunde rauswollte. Doch Fay war ja noch gerade das, was man hilflos nannte. Sie konnte schließlich kämpfen. Das einzige wehrlose Opfer wäre ja wohl ich. Doch darüber machte ich mir auch keine Sorgen. Da es ja bald Nacht war und ich Erik rufen konnte, sollte mir Gefahr drohen. Das sagte ich ihm auch, auch wenn ich wusste dass er wenig auf mich hören würde. Erst als Fay ihm versprach um zehn wieder dazusein und das Handy anzulassen, ließ er uns gehen. Kaum dass wir draußen waren, warf ich der geschlossenen Tür einen Blick zu und Pfiff leise. „Hui, dein Daddy macht sich ja wirklich Sorgen um dich. Ich dachte schon, der lässt niemals locker!“, sagte ich, wobei ich das nicht böse meinte. Und Fay lächelte entschuldigend. „Ja, er kann manchmal schon richtig anstrengend sein. Aber er meint es ja nur gut!“ Und damit hatte es sich. Wir gingen zur Garage und stiegen in den Wagen ein. Fay steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Wagen. Wie es Fay angekündigt hatte, klapperten wir alle möglichen Touristenziele ab. Der Beckingham Palace, der Big Ben, die Londoner Towerbridge. Sogar das Madame Tussauds schauten wir uns an und ich war erstaunt, wie lebensecht die Wachsfiguren wirkten. Wir machten einige Fotos von und mit ihnen, in dem wir uns neben sie stellten und posierten. Besonders wollte ich neben Johnny Depp stehen. Mindestens fünf Fotos verschossen wir mit ihm, wobei Fay mich damit aufzog, wie sehr ich in ihn vernarrt sein musste, wenn ich soviele Fotos von ihm haben wollte. Ich musste dabei grinsen. „Ja, ich liebe diesen Mann. Dabei sah er in jungen Jahren, wie ein Milchbubi aus. Aber jetzt ist er richtig heiss. Außerdem sieht er meinem Vater irgendwie ähnlich!“ „Sieh an, das ist es also. Hast nicht zufällig einen Vaterkomplex?“, fragte sie und ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. Ich sagte ja auch, irgendwie und nicht defintiv!“ Ich und Vaterkomplex. Soweit kommt es noch! „Wenn findest du denn heiss?“ Fay überlegte kurz, dann grinste. „Da halte ich es lieber mit den älteren Herren. Hugh Jackmann und George Clooney!“ „Naja, so alt sind die auch nicht!“ „Aber ein anderer Jahrgang!“ „Auch wieder wahr!“, stimmte ich zu. „Welchen Schauspieler mag eigentlich Lex?“ Ich hatte keine Ahnung, warum ich diese Frage stellte. Sie war mir einfach so herausgerutscht. „Keinen. Zumindest keinen Schauspieler. Es gibt nur einen, denn er gern hat!“, erklärte sie. „Und wen?“ „Sich selber!“ „Na super!“ Daraufhin musste sie lachen. „Nein, war ein Witz. Er ist manchmal ein Idiot, aber man kann sich auf ihn verlassen, wenn es darauf ankommt!“ Und das sagte sie mit solcher Ehrlichkeit und schwesterlicher Liebe, dass ich mich fragte, ob ich ihn nicht doch Unrecht getan habe. Wenn sie das schon sagte, dann musste es ja so sein. „Hm!“, gab ich nur von mir. Ich war ein Einzelkind und kann mich nicht in die Lage eines Geschwisterparres hineinversetzen. Was ich manchmal verfluchte. Gerne hätte ich ein Schwesterchen oder ein Brüderchern. Aber Mama kam ja nicht dazu, um noch mal ein Kind zu bekommen. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn ich die große Schwester gewesen wäre, ob das Kind jetzt ein Junge oder ein Mädcehn war, war egal. Und ich malte mir für einen kurzen Moment aus, wie ich mich um mein Geschwisterchen kümmerte. Darauf aufpasste und es von dem Kindergarten abholte. Mich mit ihm stritt, über Kleider, Bücher oder sonst was. Und musste dabei etwas lächeln. Wie schön wäre es, wenn ich noch jemand anderen hätte, mit dem ich das schwere Los teilen konnte. Das Los, die Dinge zusehen, bevor sie passierten und dabei wurde mir aufeinmal übel. War es wirklich so toll, wenn ich eine Schwester oder einen Bruder hätte? Würde er vielleicht ein normales Leben führen können oder war er ebenso wie ich dazu verflucht, Visionen vom Tod zuhaben. Würde er oder sie ebenso auf der Flucht sein und lernen müssen, sich zuwehren? Mir graute ehrlich gesagt davor, mir das weiterhin vorzustellen und ich versuchte an was anderes zudenken. „Wie geht es eigentlich den Jankins? Hat sich Mrs. Jankins wieder einigermaßen erholt?“ Fay hob die Schultern. „So genau weiss ich es auch nicht. Ich habe nur gehört, von Sir James, dass sie, nach dem sie sich von ihrer Ohnmacht erholte, eingeredet hatte, sich das alles nur eingebildet und einen Seelendoktor aufgesucht hat. Sir James meinte, dass wir froh sein können, dass ihr Mann uns nicht wegen Hausfriedensbruchs angezeigt hatte. Sich sondern noch extra bedankt hatte!“ Mir war es schon irgendwie klargewesen, dass Mrs. Jankins erstmal bei so einem Schock professionelle Hilfe brauchte. Wer konnte schon von sich behaupten, dass solch ein Anblick eines Dämons einen ungerührt lassen konnte? Wenn mir schon die Galle hochkam. Dennoch war ich erleichtert, dass die ganze Sache doch gut ausgegangen war. Für uns und für das Baby, dass sicher nun nicht mehr in Gefahr schwebte. „Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich und Fay fragte sich erstmal, was ich genau damit meinte. Doch dann lächelte sie. „Naja, so wie ich Dad kenne, wird er uns nicht wenig Zeit lassen, um zuverschnaufen. Denk dran, du hast ein Training vor dir!“, sagte sie und ich seufze schwer. „Wie könnte ich das vergessen!“ „Da du bei deinem ersten Auftrag Schwierigkeiten hattest aus einem Fenster zu springen, werden wir heute Springen und Abrollen aus großer Höhe üben!“, erklärte Brian und schon allein bei diesen Worten sträubte sich alles in mir. Irgendwas sagte mir, dass Lex, der neben seinem Vater stand, etwas damit zutun hatte. Dass er ihm gesteckt hatte, dass ich Schiss hatte. Zumindest würde es das fiese Grinsen erklären, welches er hatte. Grrr! Irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich dir das heimzahle, Lex Matthews, dachte ich und versuchte es mir nicht zusehr ansehen zulassen. Sondern nickte. „Klettere da die Leiter hoch und springe dann!“, wies er mich an und ich machte, was er sagte. Diskuttieren würde nichts bringen, da ich A, wenn ich es nicht tat und wiedermal aus einem Fenster hüpfen musste, mir sicherlich die Knochen brechen würde und B. weil Brian keine Widerrede durchgehen ließ. Zumindest nicht was mich anging. So kletterte ich die Sprossen der Kletterwand hoch, wobei ich mir wie im Sportunterricht vorkam und wartete auf der, für mich höchsten, Sprosse auf Brians Zeichen. Doch kaum dass ich mich bereitmachte, sagte Brian schroff, dass ich noch höher klettertn sollte. Dass ich aus einer Höhe spingen müsse, die einem ersten oder zweiten Strock eher nahe herankam. Ich schluckte als ich gut zehnmeter über den Boden war und einen Blick nachunten riskierte. Mein Magen drehte sich sogleich und kurz wurden meine Hände um die Holzsprossen schwach. Drohten diese loszulassen. Ich riss mich zusammen. Das letzte was ich wollte, war, wie ein Stein runterzufallen und mir dabei doch noch etwas zu brechen. Ich atmete paarmal tief ein und aus. Versuchte mich zuberuhigen. Dann hörte ich Brian sagen, dass er bis drei zählt und ich dann springen sollte. Ich nickte. Machte mich bereit, während er zählte. Doch ich hörte ihn nicht. Sondern ein ganz anderes Geräusch. Es war dumpf und hörte sich erstmal wie das Rauschen des Windes. Bis ich erkannte, dass es sich um das Rauschen von Wasser handelte und ich furschte die Augenbrauen. Warum zum Teufel hörte ich Wasser rauschen? Doch kaum dass ich mir wirklich Gedanken darüber machen konnte, erfasste mich ein heftiger Schwindel und mir wurde kalt. Mit einem Male schienen die Matten unter mir zu verschwimmen. Ihre Oberfläche kräuselte sich, wie Wellen und ich sah mich plötzlich über einem Meer schweben. Sah wie das Wasser unter mir wogte und Wellen schlug. Man hätte meinen können, dass as wirklich ein wunderbarer Anblick war. Wäre da nicht diese Bewegung unter dem Wasserspiegel gewesen, die mich an die einer Seeschlange erinnerte. Kurz tauchte ein schuppiger Körper hervor, der in dem Licht unter dem Wasser schimmerte und wieder verschwand. Ich runzelte die Stirn. Was war das? Es erinnerte mich irgendwie an einen Fisch, aber welcher Fisch war bitteschön solang? Und noch ehe ich mir darauf eine Antwort geben konnte, schoss es aus dem Wasser auf mich zu. Es passierte erst ganz schnell, doch dann sah ich es in Zeitlupe. Es hatte den Oberkörper einer Frau und den unteren eines Fisches. Eine Meerjungfrau! Ihr Mund war weit aufgrissen. Wie Dolche ragten ihre Zähne aus diesem hervor und wollten sich schon in mein Gesicht bohren. Doch da verblasste die Vision, löste sich auf und ich spürte, wie meine Finger die Sprossen losließen. Und ich fiel. Etwas fing meinen Fall jedoch auf und als ich wieder einigermassen zu mir kam, sah ich Brian über mir. Dazu kam Lex und Fay, die mich besorgt ansahen. Zumindest Fay. „Allison, alles okay?“, fragte sie mich und ich brachte nur ein Nicken zustande. Langsam konnte ich mich aufsetzen und wischte mir über die Stirn. An meinen Fingern klebte kalter Schweiss. Und mein Atmen war zittrig und unkontrolliert. „Ich…ich denke schon!“, keuchte ich. „Was war denn los?“, fragte Fay. „Sie hatte eine Vision!“, kam es von Brian. Alle, einschließlich mir, sahen zu ihm hoch, der mich wiederum mit einem wissenden Blick ansah. „Hab ich Recht?“ Ich nickte wieder. Woher wusste er das? „Was hast du gesehen?“ „Eine Meerjungfrau!“ „Eine Meerjungfrau?“, hakte Lex nach und klang nicht dabei so, als würde er mir glauben. Ich würde es ja auch nicht glauben. Wenn man das Wort „Meerjungfrau“, hörte, dachte man an eine Frau, mit rosiger Haut, weich wie ein Pfirsich. Einem Gesicht eines Engels. Vollen Haaren und einer lieblichen Stimme. Ich jedoch hatte ein Monster gesehen, dessen Haut kaltschimmernder Schuppen war und ein Gesicht, dass man nur in seinen Alpträumen sah. Groteks und abscheulich. Erinnerte mich an die Monsterfratzen aus alten Horrorschinken, wie zum Beispiel das Monster aus „Der Schrecken des Amazonas“. Mit kalten Reptillienaugen und einem Mund mit spitzen Zähnen. Noch jetzt lief es mir kalt den Rücken hinunter. „Ja. Ich…es war eine Meerjungfrau!“, stammelte ich und versuchte all meine Überzeugungskraft in meine Stimme zulegen. „Ich weiss, das hört sich bescheuert an, aber ich weiss doch, was ich gesehen habe!“ „Wir glauben dir, Allison!“, sagte Fay beruhigend und umarmte mich. „Hast du gesehen, wo diese Meerjungfrau war?“, fragte sogleich Brain, der alles andere als einfühlend war. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe nur Wasser gesehen!“, sagte ich und ahnte schon, was er damit bezweckte. Ich war irgendwie froh, dass er nun versuchte diesem Scheusal zuvor zu kommen. Aber ich konnte nichts dazubeitragen. Es konnte sogut wie ein See oder sogar das Meer sein und selbst wenn die Meerjungfrau dort war, wie sollten wir sie finden. Das Meer war groß. Viel zu groß. Und Brian wusste das auch. Ich sah, wie er die Lippen zusammenpresste und sein Gesicht sich verdüsterte. Er schien enttäuscht zu sein, dass meine Aussage so hilfreich, wie ein Tropfen Wasser auf einem heissen Stein war und ich fühlte mich dadurch noch mieser. Na großartig! Wiedermal war meine Gabe nützlich. „Was…was machen wir jetzt?“, fragte ich und meine Stimme war brüchig wie Glas, das gleich zerspringen würde. Brian seufzte. „So wie es aussieht, werden wir wohl warten müssen!“, sagte er und sprach das aus, was mir durch den Kopf ging und mich lähmte. Müssen wir das wirklich, fragte ich und wollte es schon lautausprechen. Verbiss es mir jedoch. Es würde nichts bringen. Wir mussten warten. In den Cottages bei den Kreidefelsen von Sussex in Südengland hielt früher die Küstenwache Ausschau. Der Strand in der Mündung des Cuckmere galt als Terrian der Schmuggler. Große Mengen an Brandy und Gin, Wolle und Tee schipperten von hier aus illegal in Richtung europäisches Festland. Heute jedoch ist es der Liebelingsort für Touristen, die die herrliche Sicht auf das Meer geniessen wollten. Und auch ein Ort für nächtliche Treffen einiger junger Paare, die die Nacht und die Abgeschiedenheit nutzen wollten, um das eine oder andere Abenteuer zu erleben. So auch Joan und Rick. Die beiden hatten sich, besonders Jaon trotz des Verbots der Eltern zu so später Stunde, aus dem Haus geschlichen und waren zu dem Strand gegangen. Zusammen auf einer Decke liegend blickten sie zum nächtlichen Horizont, während ein kleines Lagerfeuer brannte und das nötige Licht und die ebenso benötige Wärme spendete. Wobei keiner eigentlich die Wärme eines Feuers brauchte. Beide lagen engumschlungen da und tuschelten und küssten sich. Dabei machten sich die Hände von Rick natürlich selbstständig und mehr als einmal verlief sich seine Hand zu den Knöpfen der Bluse seiner Freundin. Joan jedoch war das ein wenig zu schnell, sie schlug die Hand von weg. Zu anfang mit einem Lachen und dem höflichen Bitten, es sein zulassen. Doch dann, als Ricks Finger nun zum zehntenmal, an ihren Knöpfen zsuchaffen machen wollten, wurde sie etwas säuerlich. Als es ihr schließlich reichte, richtete sie sich auf und zupfte sich ihre Bluse zu Recht. „Verdammt nochmal Rick. Ich sagte nein!“ Rick setzte sich auf und wirkte dabei etwas verwirrt. Er verstand nicht, warum seine Freundin so reagierte. Immerhin waren sie schon zwei Monate zusammen und er dachte, dass sie nun einen Schritt weitergehen konnten, als nur Küssen und Händchen halten. „Man, was ist daran so falsch? Ich wird doch mal noch fummeln dürfen!“, warf er ihr vor. „Nicht, wenn du mir die Klamotten vom Lebe reissen willst!“ „Also vom reissen kann wirklich nicht die Rede sein!“, sagte er. „Außderm, sidn wir schon lange zusammen. Warum also das Gezicke?“ „Ich zicke nicht. Ich habe nur keine Lust hier und jetzt meine Unschuld zuverlieren!“ „Wir können auch in meinen Wagen gehen, wenn es dir hier zufrisch ist!“, witzelte Rick und erntete dabei einen bösen Blick von Joan. „In deinen Wagen will ich auch nicht. Sondern einfach nur hier mit dir liegen und diese Ruhe geniessen!“, giftete sie und Rick verdrehte die Augen. Mädchen! Wer soll aus ihnen schlau werden? Egal was man macht, es ist immer falsch, dachte er. „Man, was ist schon dabei, wenn ich ein paar Knöpfe aufmache!“, grummelte er in seinem Stolz als Mann und vorallem in seinem Recht als Freund gekränkt. „Was schon dabei ist?“, platzte es empört aus Joan raus und sie sprang auf die Beine. „Ich werde es dir sagen: Kaum hast du die Bluse auf, schon willst du mehr und darauf habe ich keinen Bock. Ist mir außerdem zu kalt. Ich weiss ja nicht, was für Mädchen du vor mir hattest, aber mich kriegt man nicht soleicht ins Bett!“ „Wer sagt denn, dass ich dich ins Bett kriegen will. Ich will doch nur etwas Fummeln!“, sagte Rick, dem das ganze langsam auf die Nerven ging. Er wollte nicht zugeben, dass die Mädchen, die er vor ihr hatte, nicht so zimperlich, wie sie es jetzt ist, waren und dass er deswegen leichtes Spiel hatte. Aber auch wenn seine Hormone Achterbahn fuhren und er gerne etwas mehr von ihr sehen wollte, so wollte er es sich nicht mit ihr verderben. Nicht nur weil er sie in gewisserweise liebte, sondern auch weil ihr Dad Polizist ist und wenn er nicht aufpasste, brauchte sie brauchte nur etwas sagen und er würde Probleme haben. „Und ich sagte, dass ich das nicht will!“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Nun reichte es Rick. Er hatte Verständniss, wenn seine Freundin noch nicht soweit war. Aber warum glaubte sie, dass er gleich mehr wollte. Jedes Paar fummelte herum und küsste sich. War das so abnormal? „Warum kannst du mir nicht vertrauen?“, fragte er. „Ich vertraue dir. Aber ich bin noch nicht soweit!“ Joan versuchte ihren Freund wieder zuberuhigen. Sie konnte sich ja denken, dass sie vermutlich die erste war, die nicht gleich die Hüllen fallen ließ. Rick war ihr erster Freund und es war die übliche Nervösität, die sie so zögern ließ. Wie mochte er bloss von ihr denken. Sie waren zwei Montae zwar erst zusammen, aber wenn sie so von ihren Freundinnen hörte, wie weit sie schon in dieser kurzen Zeit gegangen waren, kam sie sich wie eine verklemmte Kuh vor. Unschlüssig biss sie sich auf die Unterlippe. Sollte sie es wirklich riskieren und damit den Ärger ihres Vaters auf sich ziehen. Er hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass sie noch viel zu jung für eine Liebelei sei. Doch sie so sehr sie auf die Worte ihres Vaters hören wollte, war sie auch neugierig. Wie jede Jungendliche, bei ihrem ersten Date. „Bitte verstehe das!“, sagte sie. „Ich…hey…hörst du mir überhaupt zu!“ Während Joan versuchte ihm ihr Zögern zu erklären und sich zuentschuldigen, hatte Rick aufs Meer hinausgesschaut und dabei ausgesehen, als würde er ihr nicht wirklich zuhören. Zuerst hatte sie gedacht, dass er das nur machte, weil er schmollte. Doch dann sah sie, wie geistesabwesend sein Blick wurde. Joan hob die Brauen. Rüttelte an seiner Schulter, doch er reagierte nicht. Auch als sie ihn ansprach schien er nicht darauf zu achten. Stattdessen stand er auf und ging aufs Meer zu. Joan, immer mehr über das seltsame Verhalten ihres Freundes verunsichert, sprang auf und lief ihm nach. Rief nach ihm:„ Rick? Rick, was ist denn?“ Wo sie vorher dachte, er würde nur schmollen, machte ihr nun das Verhalten von Rick große Angst. Was war nur los mit ihm? Auf ihre Rufe reagierte er nicht und dieser Blick. So leer. Als hätte man ihm hypnotesiert. Joan verstand es einfach nicht. Wollte aber nicht aufgeben. Sie ergriff seinen Arm, wollte ihn zurückhalten. Doch Rick entriss ihn ihr und ging weiter. Tat so als sei nicht gewesen. Immer weiter. Bis er fast im Wasser stand. Joan kämpfte darum ruhig zubleiben. Wobei sie allerdings guten Grund gehabt hätte, am verzweifeln zu sein. Ihr Freund, mit dem sie sich ebenoch gestritten hatte, beachtete sie nicht, egal was sie auch machte. Ging stattdessen zum Wasser und hatte dabei diesen unheimlichen Ausdruck. Hatte er zuvor irgendwas genommen? Zwar konnte sie sich das bei ihm nicht vorstellen, aber eine andere Erklärung für sein Verhalten hatte er nicht. Aber welche Droge konnte einen so beeinflussen, dass er nichts mehr hörte oder sah? Joan wollte schon ihren Vater anrufen und ihn bieten hierher zukommen. Doch dann drehte er sich um, und nun schien er sie doch zu bemerken, denn er sie sah mit einem strahlendem Lächeln an. So als habe er im Lotto gewonnen. „Ich habe sie gefunden!“, sagte er und klang wie ein Schlafwandler. Lallend und mit einer Freude in der Stimme, sodass sie sich fragte, ob er nicht doch eine Droge intus hatte. Joan runzelte die Stirn. „Gefunden? Wen?“, fragte sie, weil sie es einfach nicht verstand. Statt einer richtigen Antwort, sagte Rick nur. „Ich habe sie endlich gefunden!“ Und dann rannte er los. In die Fluten, bahnte sich einen Weg durch sie und verschwand für einen kurzen Moment. Joan konnte nicht so schnell reagieren, geschweige denn kucken, als ihr Freund sich ins Meer stürzte. Sie schrie nur und eilte ihm nach. Zumindest wollte sie das, bevor sie in das kalte Wasser trat und inne hielt. Immer wieder schrie sie nach ihrem Freund, versuchte ihn in der Finsterniss zusehen. Und sie fürchtete schon, da sie ihn nicht mehr sehen konnte, dass er ertrunken war. Umso erleichterter war sie, als er wieder auftauchte. Aber dies hielt nicht lange an, da sie sah, wie ihr Freund nach ihr, um genauer zu sein nach Hilfe rief und wild um sich schlug. Als würde ihn jemand im Wasser festhalten. Was sollte das nun wieder? So langsam fragte sich, ob Rick das alles nur inzenierte, um sich an ihr zurächen. Aber etwas sagte ihr, dass das kein Scherz war und dass sie schleunigst Hilfe holen sollte. Wenn nötig sogar ihren Vater. Dass sie ihm erklären müsste, warum und wie sie zu so später Stunde es aus dem Haus geschafft hatte, wäre das kleinere Übel. Also nahm sie ihr Handy aus der Tasche und wählte mit zittrigen Händen die Nummer ihres Vaters. Als er abnahm, rief sie förmlich ins Handy:„ Daddy…Daddy komm schnell. Rick…er…er…!“, stammelte sie und konnte nicht den Blick von ihrem Freund abwenden, der immernoch darum kämpfte von dem, was auch immer ihn festhielt, freizukommen. Dann schoss etwas aus dem Wasser, schlängelte sich blitzschnell um den Hals von Rick und drückte zu. Trotz dass er so weit wegwar, konnte sie sein Gurgeln und Würgen hören und es ließ ihr einen wahren kalten Schauer über den Rücken laufen. Die Worte ihres Vaters hörte sie nicht. Nur die Schreie und das verzweifelte Würgen ihres Freundes, der um sein Leben kämpfte. Joan zitterte am ganzen Leib, als sie das mitansehen musste und brachte nur ein Wimmern zustande. Nichtmal als ihr Vater lauter wurde und sie aufforderte sich zuberuhigen. Dafür war sie viel zu außer sich und irgendwann entglitt ihr das Handy und fiel zu Boden. Während ihr Vater weiterhin versuchte aus seiner Tochter herauszubekommen, was eigentlich los war, sah Joan weiterhin zu ihrem Freund, der sich immernoch zuwehren schien, aber deutlich an Kraft verlor. Unkontrolliert begann sein Körper zu zucken und trotz der Dunkelheit konnte sie seine Todesangst im Gesicht sehen. Das Wasser, welches zu anfang wild getost hatte, schien wieder ruhiger zuwerden und eine gespenstische Stille legte sich über die Bucht. Diese jedoch wurde schnell wieder gestört durch ein Grollen, was tief unter ihren Füssen zu kommen schien und sich nach oben grub. Fast wie ein nahender Vulkanausbruch. Doch statt das sich der Boden auftat, barst die Wasseroberfläche auseinander und etwas anderes kam nun aus dem Wasser. Derjenige, der ihren Freund gefangen gehalten hatte und ihm nun den Rest geben wollte. Joans Augen wurden groß, als sie es sah. Zuerst dachte sie, es sei eine Frau. Doch dann bemerkte sie, dass ihre Hüfte nicht in Beine überging, sondern in einen langen schuppigen Schwanz. Joan sah, wie dieses Wesen den Mund öffnete und sich mit einem lauten Kreischen auf Rick stürzte. Dabei die Hände, die wie Klauen gekrümmt waren nach ihm ausstreckte und ihn mit ihrem Körper begrub. Ihn so unter das Wasser drückte und mit ihm in der Tiefe verschwand. Wenig später traf Joans Vater, mit einigen Kollegen ein. Joan selbst stand wie erstarrt immernoch vor dem Meer und blickte hinaus. Das was sie zuletzt gesehen hatte, konnte sie einfach nicht fassen. Das was da Rick unter Wasser gezogen hatte, sah aus wie eine Meerjungfrau. Doch so etwas konnte es nicht geben! Oder? Joan erschienen die letzten vergangenen Minuten wie ein Traum, aus dem sie ihr Vater kaum holen konnte. Trotz dass er seine Tochter an den Schultern packte und rüttelte. Sie reagierte einfach nicht. Zu geschockt war, als dass sie etwas sagen konnte. Ihr Vater musste das einsehen, denn er gab einen resegnierten Seufzer von sich und schleppte seine Tochter erstmal zum Auto. Sobald er sie daheim abgeliefert hatte, würde er zu Scotland Yard fahren und ihm erzählen was los war. Sir James Reaktion mich wiederzusehen war deutlich anzusehen und er sah mich kurz mit misstraurischen Blicken an, als Lex ihm erzählte, dass wiedermal dabei sein werde. Wie wir uns schon gedacht hatten, ließ der nächste Fall nicht lange auf sich warten. Diesesmal hat es ein junges Päarchen erwischt. Zumindest dein Freund. Das Mädchen hatte zum Glück keinen Schaden davongetragen. Sah man von dem Schock ab, den es hatte. Ihr Name war Joan Wilson. Und ihr Dad war Beamter von Scotland Yard. Er war es auch, der bei Sir James Meldung gemacht hatte und dieser hatte sich bei uns gemeldet. Nach allem was ein Psychologe aus seiner verstörten Tochter herausbekommen konnte, hatte wohl eine als Fisch verkleidetete Frau ihren Freund ins Meer gelockt und ihn dann anschließend ertränkt. Dass es sich hierbei wirklich um eine Meerjungfrau handelte, hielt er für eine Folge des Schocks den sein Töchterchen hatte und wollte seine Tochter nicht weiter damit quälen. Doch wir mussten mit ihr sprechen und so standen wir einige Tage später vor dessen Tür. Zuerst ließ er uns rein und fragte uns, was wir wollten. Als Lex ihm sagte, dass wir mit seiner Tochter über das, was in jener Nacht passiert ist, reagierte er ungehalten. „Sie können doch nicht ernsthaft verlangen, dass meine Tochter nochmal dieselben Fragen beantwortet?“, fragte Komissar Wilson aufgebracht. Fay und Lex tauschten einen Blick, während wir bei den Wilsons im Wohnzimmer auf der Couch saßen. „Bitte, es ist sehr wichtig!“, setzte sich Fay ruhiger und auch einfühlsamer ein, als es ihr Bruder getan hatte, während ich wiedermal nur daneben stehen konnte. Trotz allen Einwänden war Joan auch dabei. Sie saß neben ihrem Vater und blickte ins Leere. Ich sah mir die klägliche Gestalt, die wohl mal ein fröhliches Mädchen gewesen und vor kurzem noch mit einem Jungen zusammen gewesen war, an. Sie war nicht älter als ich. Vielleicht sogar noch jünger. Aus Gesprächsfetzen hatte ich mitbekommen, dass das ihr zweites Date mit ihrem Freund war und dass sie es sich bestimmt romantischer vorgestellt hatte, als mit ansehen zu müssen, wie ihr Freund von einer Nixe ermordert wurde. Das konnte wohl jedes Mädchen aus der Bahn werfen. „Was wollen Sie eiegtnlich noch. Meine Tochter hat schon alles gesagt, was sie weiss. Und außerdem sollte sie sich jetzt ausruhen!“, kam es von Wilson und ich konnte ihn verstehen. Papa hatte mich auch immer in Schutz genommen, wenn man mir, nachdem ich einen Anfall hatte, zunahe rückte und wissen wollte, was los war. Doch es war wichtig, dass wir es von ihr hörten und nicht von irgendeinen Quacksalber. „Wir verstehen Ihre Sorge ja, aber es ist wichtig, dass sie uns genau beschreibt, was sie gesehen hat!“, bemerkte Fay eindringlich und ich nickte nur. Wie sehr ich es hasste, den passiven Part zu spielen. Wilson wollte dazu etwas erwidern, doch Lex fuhr ihm über den Mund. „Wenn Sie uns nicht mit ihr reden lassen, werden weitere Menschen sterben. Wollen Sie dafür verwantwortlich sein?“ Das saß. Wilson, der vorhin entschlossen war, seine Tochter mitzunehmen, zögerte nun kurz und blickte seine Tochter skeptisch an. So als zweifelte er daran, dass sie ein vernünftiges Wort zustande bringen könnte. Dann nickte er, wenn auch schwer. „Gut, ich gebe Ihnen fünf Minuten. Mehr nicht. Dann gehen Sie und lassen uns in Ruhe!“ Damit war Lex einverstanden. Und Mr. Wilson ging ins Nebenzimmer. Fay setzte sich ohne Aufforderung zu Joan Wilson und nahm behutsam ihre Hand. „Joan!“, sprach sie sie im ruhigen Ton an und die Augen des Mädchens wanderten zu Fay. Blieben kurz auf sie gerichtet, dann gingen sie wieder ins Leere. „Wir möchten dir helfen!“, fuhr Fay sanft fort und strich mit dem Daumen über den Handrücken. „Niemand kann mir helfen. Und auch nicht Rick!“ „Lass es und doch wenigstens versuchen!“ „Wie wollen Sie mir helfen?“ „Wir sind es, die hier Fragen stellen!“, platzte Lex. „Schtttt!“, kam es prompt von Fay, die ihrem Bruder einen erbosten Blick zuwarf. „Hör nicht auf den, das ist eine Dumpfbacke!“, sagte sie milder zu Joan und kurz huschte ein Lächeln über das Gesicht des Mädchens. „Das war Rick auch immer wenn es um Gefühle ging!“ „Du mochtest ihn sehr, nicht wahr?“ Joan nickte und nun kamen ihr die Tränen. „Ja, er…er war mein erster Freund!“ „Joan, ich weiss, dass es jetzt sehr schwer für dich ist, aber…bitte hilf uns. Du musst uns alles erzählen, was du gesehen hast!“ „Könnt Ihr, wenn ich es Euch sage, Rick retten?“ Fay schien kurz selber nachdenken zu müssen und ich deutete ihr Schweigen schon als nein. Auch ich und Lex wussten nur zugut, dass ihr Freund schon lange tot war, doch Fay wollte ihr dies nicht so offen ins Gesicht sagen. Sondern das nächstbeste dazusagen. „Wir werden unser möglichstes tun!“, versprach sie. Joan schien das nicht zureichen. Ich sah ihr das deutlich an. Doch dagegen etwas sagen wollte sie nicht. Sondern nickte nur. Dann begann sie zu erzählen und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Dann war es still, während Joan leise weinte. Ehe das Schweigen, welches sich über uns legte, noch beklemmender werden konnte, kam ihr Vater wie auf ein Zeichen und verkündetete, dass die fünf Minuten um waren und wir verabschiedeten uns von ihnen. „Fay, meinst du wirklich, dass wir ihren Freund finden werden. Lebend?“, fragte ich und betonte das letzte Wort. Fay, die vorne saß, während ich wiedermal auf dem Rücksitz verbannt wurde, schaute stumm vor sich hin und es schien ewig zudauern, bis sie sagte:„ „Nein. Ich gebe zu. Es war eine dreiste Lüge, aber was Besseres fiel mir nicht ein!“ „Wie wäre es mit der Wahrheit!“, meinte Lex und Fay sah ihm mit einer Mischung aus Bestürzung und Zorn an. „Und ihr damit den nächsten Schock versetzen?“, schnaubte sie. „Es war schon schlimm genug für sie, dass sie zusehen musste, wie ihr Freund, ihr erster Freund, stirbt. Ich glaube, sie hat genug durchgemacht. Das reicht für ein ganzes Leben!“ Wohl wahr! „Jaja, hast ja redcht!“ „Was machen wir jetzt?“, fragte ich. „Wir fahren nach Sussex und schauen uns mal an, was wir da finden!“, erklärte Lex und bog bei der nächsten Ausfahrt ab. Ich hatte einige Fotografien von den berühmten weissen Kreidefelsen gesehen und schon da, sahen sie beeindruckend aus. Nun aber sah ich sie in Natura und war hinundweg. Die Landschaft hatte etwas Malerisches. Diese Ruhe, in der nur das Rauschen des Meeres, welches sich unendlich vor mir ausstreckte, zuhören war. Die Abgeschiedenheit, wenn man von den Häusern absah, die etwas weiter weg standen. Alles in allem wirkte das ganze hier sehr ruhig und ich fluchte, dass ich keine Kamera dabei hatte, um ein paar Schnappschüsse zu machen. Um einige schöne Erinnerungen an England zuverewigen. Papa hätte sich sicherlich gefreut, wenn ich ihm einige davon geschickt hätte. Da fiel mir ein, dass ich mein Handy dabei hatte. Ohne zu zögern und ganz vergessen, warum wir hier eigentlich waren, zückte ich es aus meiner Hosentasche und machte ein paar Fotos. „Was treibst du da?“, fragte mich Lex irritiert. „Wonach sieht es denn aus. Ich mache ein paar Fotos für meinen Papa!“, murmelte ich und machte das sechste Foto aus einem anderen Blickwinkel. Ich hörte Lex grummeln. „Ist dir entgangen, dass wir hier aus einem anderen Grund sind, als die schöne Aussicht zu fotografieren!“ „Jaja!“, sagte ich, knippste noch ein paar Fotos und steckte das Handy ein. Fay lächelte etwas. Sie teilte wohl meine Meinung und als sie mir zuzwinkerte, sah ich in ihr wieder mal eine Verbündete. Wir könnten fast Schwestern sein. „Und wonach sollen wir suchen?“ „Nun, da diese Merrjungfrau wohl noch nie was vom recycling gehört hat, wird sie ihn wohl wieder auf den Strand geworfen haben!“, sagte Lex, der mich wohl für bescheuert hielt. „Und wo sollen wir anfangen? Der Strand ist riesig, wie sollen wir da was finden!“ „In dem wir uns aufteilen und die Augen offenhalten!“, sagte Lex und wir machten uns daran, die Leiche des Jungen zufinden. Doch das glich der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die Sonne ging schon beinahe unter, als ich und Fay den Strand abliefen und nach dem Toten Ausschau hielten. Ich blickte auf meine Uhr. Kurz vor neun. „Du, Fay, glaubst du wirklich, dass wir den heute noch finden werden?“, fragte ich skeptisch und Fay zuckte die Schultern. „Tja, ich würde auch gerne daran glauben, aber irgendwie…!“, sagte sie und ließ den Blick über den strand umherwandern. „Der kann überall sein!“ „Dann sollten wir zu Lex gehen und ihm sagen, dass wir es morgen nochmal…aua!“ Ich war irgendwo gegengetreten und habe mich mit dem Fuss darin verheddert. Unsanft fiel ich auf den Boden. „Allison, alles okay?“, fragte sie mich und half mir hoch. „Nein, ich muss über irgendwas gestolpert sein!“ „Bestimmt Treibholz oder sowas!“, sagte sie und half mir, meinen Fuss aus diesem rauszubekommen. Aber wir sahen auch, dass das vermeintliche Treibholz viel zu bleich war, um wirklich Holz zusein und auch irgendwie weich und aufgeschwemmt war. „Ich weiss nicht, dass sieht mir nicht wie Holz aus!“, murmelte ich mit einem unguten Gefühl im Magen. Weil die Sonne untergegangen war und wir kaum etwas sehen konnten, musste Fay ihre Taschenlampe rausholen, um zusehen, was da vor uns lag. Und kaum dass wir es richtig erkannten, wünschte ich mir, ich wäre über was anderes gestolpert. Da lag er. Rick. Joans Freund. Oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben war. Er war wohl mal ein gutaussehender Junge gewesen sein, aber nun war er nichts weiter, als dessen angefressene Überreste. Aus ihm waren große Fleischstücke herausgerissen. Einige Körperteile, wie ein Arm und beide Beine fehlten. Ich konnte in dem Licht der Taschenlampe die Knochen sehen, die aus den Wunden hervorkamen. Gegen einen Brechreiz ankämpfend, wandte ich mich ab. Fay holte das Handy raus, drehte sich ebenso um und rief bei Sir James an. „Sir James, wir haben ihn gefunden!“, sagte sie und ich konnte deutlich ein Würgen in ihrer Stimme hören. „Und, was meinen Sie, Doc?“, fragte Lex, dem der Anblick des angefressenen Ricks wohl nichts ausmachte. Der Mann, den er Doc nannnte, war ein Pathologe, der die Leiche untersuchte und uns dann zusich rufte. Er war noch recht jung. Wohl in dem gleichen Alter wie Lex. Er zog sich gerade seine Gummihandschuhe aus und deckte den Kopf des Toten mit dem grünen Tuch wieder ab. „Naja, wäre das ein normaler Fall würde ich sagen, dass der arme Kerl das Opfer eines Hais wurde. Aber da wir ja hier in England keine Haie haben und das das alles andere als ein normaler Fall ist, würde ich sagen, etwas muss ihn erst erwürgt und dann angeknappert haben. Sehen Sie…!“, sagte er und hob erneut das Tuch hoch, deutete auf den Hals, um den sich ein dunkelblauer Strich zog. „Das Würgemal spricht deutlich dafür!“ „Das dürfte mit der Aussage seiner Freundin zutreffen. Sie hatte erzählt, dass dieses Ding ihn erwürgt hatte und dann unter Wasser zog!“, meinte ich. Doc, so nannte ich nun auch, nickte. „Mit was auch immer er gewrgt wurde, es musste so dick wie eine Anaconda gewesen sein!“, schloss Doc und ich beugte mich zu Fay und raunte:„ Oder so dick, wie ein Fischschwanz!“ Fay nickte. „Eine merrjungfrau! Ich dachte immer, das seien schöne Mädchen, die einem nur den Kopf verdrehen und nicht einen erwürgen!“, sagte Lex. Nachdem wir beim Doc waren, sind wir zurück gefahren und durchstöberten nun, schon wieder, die Bibliothek. „Naja, in den alten Märchen und Legenden der Seefahrt bezirzten die Meerjungfrauen, auch als Sirenen bekannt, mit ihrem Gesang die Seemänner und lockten sie, mit den Erfüllungen ihrer verborgensten Wünsche, zu sich. Dabei verloren sie Kontrolle über das Schiff, fuhren gegen Klippen oder Felsen und das Schiff erlitt Schiffbruch. Dabei kamen die meisten ums Leben!“, erklärte Brian. „Oh!“, meinte nur Lex. „Auch nicht gerade besser!“ „Deswegen solltest du dir was in die Ohren stopfen, damit du ihrem Bann nicht erliegst!“, riet ihm seine Mutter. Ich und Fay tauschten Blicke. Das war nicht das Bild, was ich von einer Meerjungfrau hatte. Als Kind hatte ich einmal „Arielle, die kleine Meerjungfrau“, gesehen und habe mich der Illusion hingegeben, dass diese Fabelwesen wirklich friedlich waren. Und sangen und tanzten. Nun aber schienen wir Arielles böser Schwester nach zujagen. Ich schauderte. „Und was jetzt?“, fragte ich, mehr zu mir selbst. Dennoch hörten sie sie und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Frage Lex und Fay schon etwas nervte. Wie musste ich in ihren Augen dastehen? Sicherlich wie eine Dumpfbacke. Und wenn, dann verstanden es Lex und Fay, dies wunderbar zuvertuschen. „Ganz einfach. Wir nehmen uns morgen ein Boot der Küstenwache und schauen nach!“, erklärte Lex lässig. „Lasst uns hoffen, dass solange nichts passiert!“, meinte Fay, doch wir wussten alle, dass das nur ein unerfüllter Wunsch war. Hungrig durchstreifte sie im Wasser umher. In der Hoffnung endlich was zusessen zufinden. Doch seit ihrem letzten Happen Menschenfleisch hatte sich keine fette Beute mehr in die Nähe des Meeres gewagt, welches sie nun als ihr Jagdrevier benutzt. Und sie hatte schon befürchtet, dass sie verhungern würde, bis sie aber diesen lecker aussehenden Mann gesehen hatte, der in Begleitung dieser beiden Frauen war. Sie hatten den Strand nach etwas abgesucht. Sie wusste auch wonach. Nach ihr. Doch sie würden sie nicht finden. Es gab tausend Schlupfwinkel, in denen sie sich verstecken konnte. Und sie kannte jede einzelene. So ließ sie sich dadurch nervös machen, sondern schaute aus sicherer Entfernung zu, wie diese drei, vergeblich suchten. Wobei sie ein ganz besonderes Auge auf den Mann geworfen hatte. Er sah wirklich köstlich aus und der Gedanke an ihn, ließ ihr wahrlich das Wasser im Munde zusammen laufen. Gerne hätte sie ihn jetzt gleich zusich gelockt, doch sie hatte gespürt, dass es nicht soleicht sein würde. Nicht wenn die beiden anderen bei ihm waren. Sie musste sich also noch gedulden. Kaum dass sie an ihn dachte, spürte sie den Hunger in sich aufkommen und ihr Magen zog sich zusammen. Sie brauchte so schnell wie möglich frische Nahrung. Edward „Richie“, Jackson und seine Clique, die aus drei Mädchen und vier Junge, mit ihm eingeschlossen, bestand, fuhren mit der Jacht seines Vaters hinaus. Sie wollten sich einen schönen Tag machen. Und das bedeutete Feiern, alles trinken, was Alkohol beinhaltete und rummachen ohne Ende. Sie nutzten die Abschiedenheit, die die englische Küste bot. Keiner würde sie stören. Als sie weit genug gefahren waren, schaltete Edward den Motor des Bootes ab. „Okay, Leute. Hier sind wir ungestört!“, verkündete er und seine Freunde johlten. Bobby legte seinen Arm, um Jenni, die kicherte. „Endlich!“, rief er und griff sich eine Bierflasche aus der Kühltruhe. Mit einem lauten Zischen öffnete er sie und nahm einen kräftigen Schluck. Michael ging zur Musikanlage und drehte auf die höchste Stufe auf. Laute, schrille Musik kam aus den Boxen und wären sie bei sich daheim, wäre binnen von fünf Minuten die Polizei, wegen Ruhestörung dagegwesen. Doch hier störten sie niemanden und so konnte sie munter feiern. Jason schnappte sich Linda und begann mit ihr zutanzen. Mary stieg die Leiter zu Edward und grinste ihn an. Er erwiederte das Grinsen. Und ein tolles Gefühl des Sieges überkam ihm. Schon immer wollte er sie beeindrucken und hatte nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Nun konnte er es und das genoss er. Es hatte durchaus Vorteile einen Vater zu haben, der eine gut laufende Firma führte, dachte er. „Eine spitzenidee war das, Richie!“, rief nun Michael, der vierte Junge der Clique. Edward machte eine vornehme Verbeugung. „Aber findet Ihr, dass wir hier sicher sind?“, fragte Linda nun und brachte so die gute Stimmung zum platzen. „Was meinst du damit?“, fragte Michael wiederum und nahm das Bier, mit einem Grinsen entgegen, welches ihm Bobby reichte. „Na, ich rede von dem, was hier vor zwei Tagen passiert ist!“, erkklärte sie. Damit meinte sie natürlich Rick. Es hatte überall in den Zeitungen gestanden und die Presse ging von einem Irren aus, der sich als Meerjungfrau verkleidete, um Opfer ins Wasser zu locken. Natürlich hielt das jeder für zu verrückt, aber dennoch hatte man die Sorge, dass da was Wahres dran war und bisher hatte sich niemand mehr an den Strand der Kalksteinküste gewagt. Bis jetzt. Linda schaute besorgt auf das Wasser, das ruhig an die weiße Bootswand schlug und auf dem sich Wellen kräuselten. Sie schauderte, wenn sie daran dachte, dass da jemand unter dem Wasser war und sie in die Tiefe ziehen wollte. „Ach was, die Presse übertreibt mal wieder. Und selbst wenn! Wie will dieser Irre denn solange unter Wasser bleiben ohne eine Taucherausrüstung?“, fragte Jason munter. Dieses eine Argument schien auszureichen, denn vergessen war die Sorge vor einem möglichen Mörder und die fröhliche Runde feierte weiter. Nur Linda schien nicht mehr in Feierlaune zusein. Immer wieder schaute sie zum Wasser. Als Mary zu ihr kam, reichte sie ihr eine Dose Cola. „Bleib ganz ruhig. Sicherlich ist das bloss ein Gerücht und der arme Kerl ist ertrunken und die Presse pusht das wieder hoch, weil sie nichts anderes zu berichten hat!“, erklärte sie. „Also, ich weiss nicht!“, bemerkte Linda. „Komm schon, Süße. Was soll hier schon passieren?“, mischte sich Bobby ein. „Entspann dich. Hier ist niemand, außer uns!“ Linda brauchte einen Moment. Nippte an der Dose und versuchte sich zuberuhigen. Der Tag neigte sich dem Ende zu und nichts war vorgefallen, was Linda bei ihrer Befürchtung bestätigt hätte, daher wurde sie locker und feierte nun genauso wie ihre Freunde. Es dämmerte bereits, doch die Clique dachte nicht daran, nachhause zugehen. Sie feierten, bis es dunkel war und nur noch die Lampen der Jacht für Licht sorgten. Alle, bis auf Eddy und auf Linda hatten die anderen schon einiges intus und johlten und gröllten herum. Bobby und Jenni hatten sich in eine stille Ecke und machten miteinander rum. Jason und Michael sangen laut einen Rap nach, der sich um Weiber und ihre (körperlichen) Vorzüge drehte. Mary stand neben Eddy. In ihrer Hand eine Dose Bier, die vierte, und sie schwankte etwas. Eddy bemerkte dies und stützte sie einwenig. Dabei legte er den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Mary ließ es zu und lächelte. Doch so sehr sich Eddy wünschte, dass sie nur wegen ihm so lächeln würde, wusste er, dass es am Bier lag. Er seufzte schwer. „Hey, was ist denn los, Eddy?“, fragte Mary angetrunken und es klang beinahe schon wie ein schlechter Witz. Eddy schüttelte nur den Kopf. „Nichts nichts!“, sagte er und lenkte die Jacht etwas näher heran an das Ufer. Es hatte keinen Sinn weiter darauf zuhoffen, dass sie von sich aus, ihn mochte oder gar seinem Werben nachgab. „Hey, was wird denn das?“, fragte Bobby, deutlich höbar darüber enttäuscht, dass die Party schon vorbei zu sein schien. „Was wohl. Es wird Zeit, dass wir wieder nachhause gehen!“, sagte Eddy. „Was jetzt schon? Ach, komm sei kein langweiler!“, sagte nun Jason. „Es ist schon spät und ich habe mir die Jacht nicth unbedingt geliehen!“, erwiederte Eddy schroff. „Mein Alter killt mich, wenn er spitzkriegt, dass ich mit Euch ohne seine Erlaubniss rumschippere!“ „Naund? Was ist schon dabei? Selber schuld, wenn er die Schlüssel einfach so rumliegen lässt!“, frotzelte Bobby nun wieder und grinste feist. „Du kennst meinen Alten nicht!“ Daraufhin gab es eine alberne Diskussion, wer eigentlich sagt, wann es mit dem Feiern aus ist und die Mädels konnten darüber nur den Kopf schütteln. Egal wie alt sie sind, Jungs blieben eben immernoch Kleinkinder, dachten sie allesamt. „Oh man, das darf doch nicht wahrsein!“, murmelte Jenni und trank den letzten Schluck aus der Bierflasche. „Hey, jetzt kommt mal wieder runter!“, rief Linda. Die Jungs dachten jedoch nicht daran, aufhzuhören und stritten munter weiter. Irgendwann hörten sie aber auf. Aber anstatt das Eddy das Boot zur Küste steuert, blieb er wie angewurzelt stehen und schaute irgendwohin in Leere. Auch die anderen Streithähne hatten wohl etwas entdeckt, denn sie blickten alle in die gleiche Richtung. Nur die Mädchen rätselten, was das sollte. Mary ging zu Eddy und tippte ihn an der Schulter an. „Hey, was ist denn?“ Er antwortete nicht. Mary schaute in die gleiche Richtung, wie es Eddy tat, versuchte herauszufinden, was da war. Doch sie konnte nichts erkennen. Auch die anderen Mädchen schauten nun in die dunkle Nacht hinaus. Ohne Erfolg. Besorgt schauten sich die Mädchen an. Jenni ging zu Bobby rüttelte an seiner Schulter. Gab ihm sogar eine kräftige Ohrfeige, um ihn wieder zu sich zuholen. Sinnlos. „Was ist mit ihnen?“, fragte Jenni verzweifelt. „Ich habe keine Ahnung. Versuch es weiter!“, meinte Linda nur. Da stiess Mary einen spitzen Schrei aus. Die beiden Mädchen drehten sich zu ihr herum. „Was ist los Mary?“ „Da…da war eben gerade etwas!“, stammelte sie und deutete auf die dunkle, beinahe schon schwarze Wasseroberfläche, deren Wellen sanft gegen die Bootaußenwand schlug. Die beiden Freundinnen kamen zu ihr und beugten sich über die Reling. „Wo hast du was gesehen?“, fragte Linda, als sie nichts sah. „Mary, wenn du uns verarschen willst, lass es!“, keifte Jenni, die schon jetzt nervös und ängstlich war. „Nein, ich will euch nicht verarschen. Ich habe da wirklich was gesehen. Es…es sah aus, wie ein Gesicht. Ein Gesicht von einer Frau!“, verteidigte sich Mary panisch und schüttelte den Kopf. „Sicherlich bildest du dir das nur ein, weil du einen über den Durst getrunken hast!“, kam es von Linda, sie sich ebenso unwohl fühlte. „Nein, ich…ich habe mir das nicht eingebildet!“, schrie Mary nun außer sich. Noch bevor einer von den beiden etwas sagen konnten, hörten sie, wie etwas ins Wasser fiel und kaum dass sie sich umdrehten und zum Bug schauten, sahen sie, dass Bobby fehlte. „Bobby!“, kreischte Jenni und stürzte vor. Wäre beinahe selber ins Wasser gesprungen, wenn ihre Freundinnen sie nicht rechtzeitig gepackt hätten. „Jenni, nicht, Bist du irre?“, rief Linda. „Was hast du vor?“, kam es von Mary. „Lasst mich los. Bobby, er…er ertrinkt!“, schrie Jenni wie am Spieß und versuchte sich von ihren Freundinnen zubefreien. Doch die beiden dachten nicht daran, den Griff auch nur ein wenig zulockern. „Der ertrinkt schon nicht. Und außerdem hast du ebenso was getrunken. Wie willst du ihn da bitteschön reden?“ „Das ist mir egal. Lasst mich los!“ „Nichts da. Linda, ruf die Küstenwache. Die sollen helfen!“, wies Mary sie an. Linda nickte und eilte zu Eddy, der immernoch hinaus auf das Wasser blickte und versuchte sich am Funkgerät. „Hallo, kann uns jemand hören?“, rief sie ins Funkgerät und schaltete und drückte jeden Schalter. Doch es kam nur ein Rauschen aus dem Gerät. „Hallo…hallo, wir…wir brauchen Hilfe!“, rief sie dennoch hinein, in der Hoffnung, dass jemand sie hören würde. „Hier die Küstenwache. Wie ist Ihre Position?“, erklang es endlich durch das Rauschen aus dem Lautsprecher. Linda atmete erleichtert auf und begann dem Mann alles zuerklären. „Wir…wir sind sieben. Vor der Küste der Kreidefelsen. Die Jungs, sie…sie…etwas stimmt nicht mit ihnen!“, stammelte sie außer sich in das Funkgerät und achtete nicht darauf, wie seltsam das klang. „Was ist mit Ihnen. Sind Sie verletzt?“, fragte der Mann wieder. „Das weiss ich nicht. Sie…sie sind wie weggetreten!“ „Wo genau befinden Sie sich!“ „Keine Ahnung. Ein Freund hat uns mit der Jacht hierhergefahren. Ich kann nicht sehen, wo wir sind!“ „Dann bleiben Sie, wo Sie sind, wir…!“ Mehr kam nicht mehr, da Eddy plötzlich aus seiner Starre erwachte und das Funkgerät zu Boden warf. Dies ging mit lautem Krachen zu Bruch und das Rauschen verklang. „Eddy, bist du noch ganz dicht?“, schrie Linda wütend, doch bevor sie ihn noch weiter dafür anschreien konnte, legte er die Hände um ihren Hals und begann zu drücken. Lindas Augen weiteten sich. Sie fasste nach seinen Hangelenken, um sich aus seinem Griff zubefreien. Doch so sehr sie auch daran zog, sie schaffte es nicht, sie von sich zu reissen. „E-Eddy…sp-spinnst du?“, fragte sie würgend. Mary lief zu ihm. Wollte ihrer Freundin helfen. Da wurde sie von Jason geschnappt und mit brutaler Kraft gegen die Wand des Führerhauses geschleudert. Mary verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. Als sie zu Boden hinterließ ihr Kopf eine blutige Spur. Jenni schrie entsetzt auf. „Was ist bloss in Euch gefahren?“, rief sie und sah zu den Jungs. Jason und Michael hatten sie umzingelt und jedem konnte sie ansehen, dass diese nicht mehr bei klarem Verstand waren. Dass sie womöglich umbringen würden. „Hey, Leute. Kommt wieder zu Euch. Ich bin es Jenni!“, rief sie verzweifelt und ihre Blicke huschten von einem zum anderen. Sah in ihre Gesichter. In ihre Augen, in denen blanke Mordslust zu sehen war. Jenni fragte sich, was in ihre Freunde gefahren war. Warum sie sie und die anderen Mädels angriffen? Zu viel hatten sie doch auch nicht getrunken. Jenni wich immer weiter zurück, bis sie gegen die Reling stiess und ihr damit der Fluchtweg versperrt war. Nach links und rechts, geschweige denn nach vorne konnte sie nicht, da Jason und Michael sie umzingelt hatten. Kurz schaute sie über die Schulter, blickte zum Wasser hinunter und überlegte, ob sie es wagen und ins Wasser springen sollte. Doch als sie sah, wie weit es bis zum Ufer war, versagte ihr der Mut. Was machte sie jetzt? Ihr Handy lag in einer Tasche auf einem Stuhl, hinter den drein Jungs. Also außer Reichweite. Kurz schaute sie zu Mary und Linda. Mary war tot. Gestorben an der Kopfverletzung, die ihr Jason zugefügt hatte, als er sie gegen die Wand warf. Und Linda wurde immernoch von Eddy gewürgt. Ihr Gesicht war schon blauangelaufen und ihre Versuche, sich aus Eddys Griff zubefreien, waren schwächer geworden. Eddy würgte sie immermehr und sie röchelte und verdreht die Augen. Dann erschlaffte sie und ihre Arme hingen an den Seiten hinab. Jenni wusste sofort, dass ihre Freundin tot war. „Nein!“, schrie sie. Da barste das Wasser hinter ihr auf und etwas schoss aus der Fontäne hervor. Ein feiner Nieselregen ging auf sie nieder. Einige Sekunden späer erklang ein Fauchen über ihr und Jenni begann vor Angst zuzittern. Gegen jede Vernunft schaute sie nach oben und blickte in das grässliche Gesicht der Meerjungfrau, die ihren Mund geöffnet hatte und ihr ihre Fangzähne entblößte, die sich wie Dolche ihr entgegen streckten. Fauliger Gestank stieg aus ihrem Rachen hervor und Jenni glaubte bei diesem Anblick den Verstand zuverlieren. Mit ihrer letzten Kraft, stiess sie einen Schrei aus. Ehe sich die Meerjungfrau auf sie stürzte. In allerherrgottfrühe machten wir uns auf den Weg zum Hafen und stiegen auf ddas Boot der Küstenwache, welches die dort angestellten Beamten zur Verfügung stellten. Zusammen mit ihnen fuhren wir auf das Meer hinaus. Weisse Wassertropfen spritzten auf, als der Buck das Wasser teilte und zu beider Seiten in schäumende weisse Streifen aufstiegen ließ. Fay und ich hatten es uns auf dem unteren Deck bequem gemacht, während Lex mit den beiden Männern sprach. Durch das Röhren des Motors konnten wir natürlich kein Wort verstehen. Es dauerte eine Weile, ehe Lex zu uns kam und sein Gesicht verriet uns, dass er schlechte Nachrichten hatte. „Gestern ging ein Funkspruch bei der Küstenwache ein. Irgendeine Gruppe von Jugendlichen musste wohl gestern einen Ausflug gemacht haben. Es waren sieben. Das Mädchen, was da sprach war außer sich. Als man sie fragte, was lossei, brach der Kontakt ab!“, erklärte er. Ich und Fay tauschten Blicke. Das klang gar nicht gut. „Weiss man, wo genau diese Jugendlichen zur Zeit des Notrufs waren?“, fragte Fay dann. Lex schüttelte den Kopf. „Nein. Gerade als sie es sagen wollte, riss der Kontakt wie gesagt ab. Sie könnten überall sein. Sicherlich auch schon tot!“ Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Eine Weile fuhren wir umher. Versuchten etwas zu entdecken. Eigentlich wollten wir nach Hinweisen zum Versteck der Meerjungrau suchen, doch auch nach den Jugendlichen wollten wir Ausschau halten. Wenn sie wirklich tot waren, was ich eigentlich nicht hoffte, wollten wir ihre Überreste finden und sie zurück bringen, damit ihre Familien sie beisetzten konnten. Ich fragte mich, was uns erwarten würde, wenn wir das Boot fanden? Vermutlich ein Massaker. Und ich wollte nicht weiterdaran denken. Wir fuhren eine Weile weiter, bis einer der Männer das Tempo drosselte. „Was ist los?“, fragte Lex über das Tosen und Röhren und der Mann deutete schräg in die Richtung vor uns. Jeder von uns musste die Augen zusammenkneifen, um etwas zusehen. Gut und gern Fünfzehn Meter schwimmte etwas Weisses auf dem Wasser. Das konnte nur eines sein: Das Boot der Jugendlichen! Es brauchte keine weiteren Worte. Wir nahmen Kurs darauf und hielten dann neben diesen an. Wie zuerwarten war, war keiner zusehen. Zuerst dachte ich, sie hätten sich vielleicht versteckt, doch es genügte ein Blick zu Fay. Sie schien meine Gedanken gelesen zu haben und ihre Miene verdüsterte sich. Sicherlich war niemand unter Deck. Geschweige denn am Leben. Die Männer verteuten das Boot mit dem anderen und Lex kletterte als erster an Deck. Dann kamen ich und Fay. Zum Schluss die beiden Beamten. Die eine Seite, auf der wir standen war leer und wie gingen auf die andere Seite. Wir alle hielten inne, sobald wir auf der anderen Seite waren und mir lief es kalt den Rücken runter. Es war überall. Blut. Wie ekelhaftes Gravity war es auf dem weiss des Bodens gespritzt. In mitten dieses Blutbades sah ich die Leiche eines jungen Mädchens. Sie war nicht älter, als ich. Sie musste mit dem Kopf gegen die Wand geknallt sein. Die Blutspur sprach deutlich dafür. Ich wandte mich ab. Okay, eine Leiche haben wir schonmal gehört. Blieben nur noch sechs. „Suchen Sie alles ab. Vielleicht sind die anderen noch am Leben!“, wies Lex die Männer an und die Beamten machten sich an die Arbeit. Doch das was sie fanden, war eine weitere Leiche. Auch von einem Mädchen. Leiche Nummer 2. Doch von den Jungs war nicht zusehen und wir drei, Lex, ich und Fay, wussten wer oder was sie geholt hatte. Aber warum mussten die beiden Mädchen sterben? Schmeckten sie ihr nicht? Wieviele Jungs und Mädchen wwaren es überhaupt gewesen? Ratlos blickte ich mich um. Die Beamten suchten weiter, fanden jedoch niemanden. „Sollen weitersuchen?“, fragte ich. Lex überlegte. „Naja, es könnte gut sein, dass es nur zwei Mädchen und fünf Jungs waren. Wenn dem so wäre, hätten wir die beiden gefunden und müssten uns nur noch…!“, da hielt Lex inne und schaute zu der Tür, die in die Kabine unter Deck führte. „Was ist?“, fragte Fay. „Schtttt!“, zischte er und zog seine Waffe, als er auf die Tür zuging. Dann hörten wir es auch. Ein Rumpeln und Poltern, als würde sich jemand oder etwas darin verstecken. Gespannt hielten ich und Fay die Luft an. Beobachteten wie Lex die Hand auf den Knauf legte und langsam daran drehte. Mit einem kleinen Klicken ging diese auf und mit einem heftigen Ruck riss er die Tür auf. Nur um im selben Moment zurück zweichen und so knapp dem Angriff eines wildschwingenden Küchenmessers zu entgehen. Wild schreiend vor Angst stolperte das Mädchen hinaus und versuchte sogleich die Flucht zuergreifen. Doch Lex erwischte sie am Unterarm und wollte sie zu sich drehen. Das verstand sie wohl falsch, denn sie fuchtelte wild mit dem Messer und wollte ihn verletzen. Lex reagierte blitzschnell und schlug ihr mit einem heftigen Schlag das Messer aus der Hand. „Nein, lasst…lasst mich los!“, schrie sie wie am Spiess. Lex hatte Mühe und Not sie festzuhalten und sie zu beruhigen. Was auch immer sie erlebt hatte, es war schrecklich. „Ganz ruhig. Wie wollen dir nichts tun!“, sagte Lex eindringlich. Alles gut zureden, nützte aber nichts. Das Mädchen war außer sich vor Angst und es würde lange dauern, bis sie sich beruhigt hatte. Am Abend trafen wir ein. Die Suche war nur zum Teil von Erfolg gekrönt. Wir hatten zwei Tote und eine vollkommen verstörte gefunden. Von den Jungs fehlte jede Spur. Man konnte sich denken, dass die Eltern völlig aufgelöst waren. Besonders die, der beiden toten Mädchen. Von denen der verschwunden Jungen will ich gar nichts erst reden. Nur die Eltern des verstörten Mädchens, namens Jenni, waren erleichtert, dass ihre Tochter in einem Stück und wohlauf wieder da war. Sah man von dem seelischen Schaden ab. Den Rest überließen wir erstmal den Beamten. Was wichtig war, ist, dass wir mit der einzig Überlebenden sprachen, sobald es ihr wieder gut ging. Es vergingen gut und gern fünf bis sechs Tage, ehe wir mit ihr sprechen konnten. Das Problem war, dass sie es nicht konnte. Oder eher wollte. Kaum das wir im Haus der Familie waren und ihre Eltern ihr sagten, dass wir mit ihr reden wollten, sagte sie, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte.Verständlich. Aber uns rannte auch die Zeit weg. Wir mussten wissen, was passiert ist. Konnten aber auch nicht darauf bestehen, mit ihr zureden. Geschweige denn sie dazu zuzwingen. Also blieb uns nichts anderes übrig, als ihr eine Visitenkarte dazulassen und darum zubieten, dass sie uns anruft, oder aufsucht, falls sie sich in der Lage sieht, mit uns zureden. Danach herrschte erstmal Funkstille und wir befürchteten schon, dass sie niemals mit uns sprechen wollte. Dann aber bekamen wir Besuch. Jenni Grave stand in der Eingangshalle und wirkte mehr als eingeschüchtert. Esmeralda nahm sie mit einem freundlichen Lächeln, wie sie es bei mir getan hatte, am Arm und führte sie ins Wohnzimmer. Bot ihr eine Tasse Tee an, die sie aber dankend ablehnte. Als Jenni sich setzte und wir uns auch, schaute sie sich unsicher um. Offenbar war e sihr unangenehm umgeben von Fremden zu sein, ohne die Stütze ihrer Eltern. Doch Fay wusste, wie sie ihr, wenigstens, einen Teil von ihrem Unbehagen nehmen konnte. Eine Eigenschaft, die sie von ihrer Mutter haben musste. Mit einem Lächeln, streckte sie die Hand aus und berührte ihre zitternen Hände. „Danke, dass du mit uns sprechen willst!“, sagte Fay. Jenni lächelte schwach. Schaute dann zu Esmeralda und Brian, die sich dazugesetzt hatten. Während Esmeralda schon von allein einen herzigen Eindruck machte, hatte Brian eine Austrahlung an sich, die einem Angst machte. Ich konnte sie verstehen, dass sie ihn für einen Menschfresser hielt. Hoffte aber auch, dass sie trotzdem bereit war, uns zuerzählen, was passiert war. „Es…es ging alles so schnell!“, begann sie leise und sie zitterte. Mir fiel auf, dass sie immer wieder zu Lex schaute. Ich fragte mich warum? Ich versuchte nicht weiter daran zudenken. „Zuerst war alles ganz okay. Wir feierten, lachten. Tranken auch ein wenig. Und dann plötzlich waren die Jungs wie ausgewechselt. Sie waren vollkommen ruhig und blickten aufs Wasser. Wir konnten machen, was wir wollten. Sie wirkten wie…naja Zombies. Als hätte man sie hypnotesiert!“, sagte sie und wir alle schauten uns an. Ganz klar: Die Meerjungfrau! Sie hatte sich den nächsten Snack gegönnt. „Wieviel Jungs waren es?“, fragte Fay. „Vier. Eddy, Micheal Jake und Bobby. Bobby war der erste, der ins Wasser ging. Er sprang einfach rein. Und dann gingen aufeinmal die anderen auf uns Mädels los. Linda wurde von Eddy erwürgt. Und Mary…Jason…er…er hat sie einfach gegen die Wand geworfen!“ Jennis Stimme versagte und kurz brach sie in Tränen aus. Ich biss mir auf die Unterlippe. Wie sehr es sie belastete, an den Tode ihrer Freunde zudenken, konnte ich mir gut vorstellen. Es muss die Hölle für sie sein! „Schon, gut du musst nicht weiter erzählen, wenn du nicht willst!“, sagte Fay. Doch Jenni schüttelte den Kopf. „Nein, ich….ich muss…das schulde ich ihnen!“, sagte sie, auch wenn ihre Stimme immernoch zitterte. „Mir hat keiner geglaubt, als ich es der Polizei und dem Psychiater das erzählt habe. Sie dachten, ich stehe unter Schock und hätte mir das alles nur eingebildet. Und da ich was getrunken habe, dachten die das umso mehr. Selbst meine Eltern dachten, ich spinne. Auch wenn sie mir versichterten, dass sie mir glaubten. Aber ich habe es deutlich an ihnen gesehen!“ Dann folgte Schweigen. „Hast du was gesehen? Ist dir irgendwas komisch vorgekommen?“, fragte nun Lex und war ganz in seinem Element Ermittlungen anstellen. Papa hätte ihn gemocht. „Nein, ich nichts. Aber Mary. Sie sagte, sie hätte etwas in dem Wasser gesehen. Was genau? Keine Ahnung. Egal aber was es war. Es hat sie wirklich erschreckt!“ „Das kann ich mir vorstellen!“, raunte ich. „Was pasierte dann?“ „Ich war als einzige übrig. Michael und Jason wollten mich auch erledigen, doch bevor sie dazu kamen, schoss etwas aus dem Wasser und als ich sah, was sich da über mich beugte, da…!“ Jenni machte nur eine flüchtige Handbewegung und jeder von uns wusste, was sie uns damit sagte. Sie hatte sich gerade noch retten können und hatte sich mit dem Messer bewaffnet. Sollte die Meerjungfrau auf die Idee kommen, sie auch noch holen zuwollen. Nur leider wollte sie Lex versehentlich mit dem Messer angreifen. „Du hast es gesehen!“, stellte Brian fest, der als einzige bisher geschwiegen hatte und in seiner Stimme schwang dunkle Gewissheit mit. Jenni nickte. Wir sprachen noch einige Minuten mit ihr, versuchten herauszufinden, was ihr noch aufgefallen war. Jenni aber schüttelte auf jede Frage von uns, den Kopf. Aber das machte auch nichts. Wir wussten, was wie wissen wollten und daher war es in Ordnung, wenn wir sie nachhause brachten. Ins Taxi wollte sie aber nicht. Sie wollte nicht allein sein. Dafür hatten wir Verständniss und beschlossen, dass entweder Lex oder Fay sie nachhause fahren sollten. Lex erklärte sich bereit. Und das mit solch einer Inbrunst, dass Fay daraufhin die Brauen hob. Sie sah ihn misstraurisch an. Scheinbar hatte sie das Gefühl, dass er dabei gewisse Hintergedanken hatte. Und was für welche, konnte ich mir auch denken. Irgendwo hatte ich mal gehört oder gelesen, dass traumatessierte Mädchen leicht zuhaben seien. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass Lex zu der solche Sorte von Männern gehörte, die das ausnutzen würden. „Dann komme ich mit. Ich habe sowieso noch was in der Stadt zuerledigen!“, sagte Fay und Lex warf ihr einen Blick zu, der deutlich machte, dass er damit überhaupt nicht einverstanden war. Doch er sagte nichts weiter, sondern gab sich geschlagen. Schluss endlich fuhren wie alle drei Jenni nachhause. Sie saß neben mir auf der Rückbank, während Fay ihren angestammten Platz neben ihrem Bruder hatte. Während wir fuhren schaute ich immer wieder zu ihr hinüber. Und sie zu mir. Doch kaum dass sich unsere Blicke trafen, schaute sie schnell wieder weg. Das machte mich schon etwas misstraurisch. Die ganze Zeit über hatte sie weder mich noch die anderen angesehen. Nur Lex hatte sie hinundwieder einen Blick zugeworfen. Zu Anfan dachte ich, es sei Schuldbewusstsein, weil sie ihn für die Meerjungfrau hielt. Nun aber war ich mir nicht mehr so sicher. Könnte es sein, dass sie sich an ihm ranmachen wollte. Lex war ohne Frage nicht gerade hässlich und er hatte schon diese üblicke Bad Boy- Masche an sich, die jedes Mädchen begeistern ließ. Aber würde er sich wirlich auf so ein tiefes Niveu hinablassen und sich mit ihr…? „Wo genau wohnst du?“, fragte Fay und unterbrach mich bei meinen Überlegungen. Sie warf durch den Rückspiegel ihr einen forschenden Blick zu und ich konnte deutlich sehen, dass sie ebenso misstraurisch war, wie ich. Nur war das auf diese typische schwesterliche Art. Auch Lex unterzog sie einer gründlichen Untersuchung und schaute dann wieder nachvorne. Nach dem Weg zufragen, war überflüssig, da wir ihre Adresse kannten. Und als wir vor ihrer Türe hielten, stieg sie langsam, beinahe zögernt aus. Kaum dass sie das Auto verlassen, stieg auch Lex aus und begleitete sie zur Tür. Ich und Fay waren zugleich überrascht. „Ist das normal. Für deinen Bruder, meine ich?“, fragte ich leise, aus Angst sie könnten uns hören. Fay gab nur einen unwirschen Laut von sich und stützt ihr Gesicht mit der Hand ab. Beobachtete Lex und Jenni ganz genau und ich hatte das Gefühl, dass sie jedem Wort lauschte, das die beiden miteinander sprachen. „Eigentlich nicht. Er ist nicht der Typ für sowas. Flirten ja, aber nicht so!“, meinte sie dann und ich konnte deutlich in ihrer Stimme hören, dass das Benehmen ihres Bruders höchst befremdlich war. „Was für eine Art Flirt hat er denn?“, fragte ich, weil ich es wirklich wissen wollte. Lex schien kompleziert zusein. Auch wenn er sich manchmal wie ein Arsch benahm. Er hatte schon das gewisse etwas. Daraufhin warf Fay mir einen Blick zu, der ebenso neugierig war. „Warum willst du das wissen?“ Ich wurde schlagartig rot, weil ich ahnte, dass sie das falsch interpretieren würde. „Ach, nur so!“, sagte ichn schnell und schaute wie starr aus dem Fenster. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie dachte, ich würde mich für ihren Bruder interessieren. Ich und Lex. Das war wirklich absurd. Als die beiden da draußen immernoch miteinander sprachen, weiss der Teufel über was, drückte Fay ungeduldig auf die Hupe. Kurbelte dann das Fenster hinunter und schrie ihrem Bruder zu. „Hey, beweg endlich deinen Hintern hierher, ich will heute noch nachhause!“ Lex rief etwas zurück, was ich hier nicht wirklich wiedergeben will und beugte sich zu ihr vor. Uns beiden war klar, was das zubedeuten hatte. Fay schnappte hörbar nach Luft, hupte dann nochmals, diesesmal länger und schrie in einem etwas brutaleren Ton, er solle endlich machen, dass er ins Auto kam. Lex knurrte. Selbst ich konnte das aus dieser Entfernung sehen und machte sich dann auf den Weg zum Wagen. Kaum dass er eingestiegen war, warf er Fay einen tödlichen Blick zu. Doch sie beachtete ihn nicht. Ohne ein weiteres Wort schaltete er den Motor ein und ließ den Wagen aufheulen. Dann brausten wir auch schon los. „Die Kleine hat dir aber ganz schön den Kopf verdreht!“, bemerkte Fay trocken am nächsten Tag. Lex warf ihr nur einen grimmigen Blick über den Rand seiner Kaffeetasse. Langsam setzte er sie ab und ich kontne deutlich beim Aufsetzen hören, dass er Fays Worte zu überhören versuchte. „Naund. Was geht dich das an?“, fragte er tonlos. Fay sah ihn bitter an. Ich wusste natürlich nicht, wie eng das Band zwischen den beiden war, aber ich konnte ihr ansehen, dass die schroffen Worte ihres Bruders sie mächtig anfrassen. Sogar vielleicht verletzten. „Eine ganze Menge: Das Mädchen hat eine Menge mitgemacht und du machst dich an sie ran, als sei sie Freiwild!“, sagte sie bissig. Esmeralda und Brian, die mit uns am Frühstückstisch saßen, aber nur ihren Kaffee tranken, achteten nicht darauf. Es schien Gewohnheit zusein, dass die beiden sich sogar am frühen Morgen und am Frühstückstisch zankten. „Ich mache mich überhaupt nicht an sie ran. Ich versuche nur dafür zusorgen, dass sie sich wieder erholt!“ „Ach, und deswegen musst du ihr fast gleich einen Gute-Nacht-Kuss geben?“ Da horchte Esmeralda auf und sie warf ihrem Sohn einen verdutzten Blick zu. „Wie?“ Lex zog den Kopf zwischen die Schultern und der Blick, den er seiner schwester zuwarf war ein ganzes Stück schlimmer, als der, den er ihr im Wagen zugeworfen hatte. „Ich…ich dachte, es würde ihr nicht schaden!“ „Lex, das ist zwar lieb von dir. Aber ich kenne dich schon, seit du in den Windeln lagst und nie hast du auch nur einmal daran gedacht, einem Mädchen einfach so einen Kuss zugeben!“, sagte Esmeralda und Lex stieg die Schamesröte ins Gesicht. Das war ihm sicherlich sehr peinlich. „Ja und? Damals war ich ja noch ein Kind. Jetzt aber habe ich endlich ein Mädchen gefunden, was ich…!“, sagte Lex schnell, dem das ganze sichtbar auf de Nerven ging. „Mag sein, aber dass es ausgerechnet bei einem Mädchen ist, dass Zeuge des Mordes an ihren Freunden wurde?“, hakte Esmeralda nach und tauschte einen Blick mit ihrem Mann. Der schien die gleiche Meinung wie sie zuteilen. Da reichte es wohl Lex. Wütend schlug er mit der Handfläche auf den Tisch und sprang auf, sodass der Stuhl nachhinten auf den Boden schlug. „Meine Fresse! Könnt Ihr Euch damit nicht abfinden, dass ich endlich mal ein Mädel gefunden habe. Sei sie eine Zeugin und traumatiesiert oder nicht!“, schrie er. Für einen sekundenbruchteil sahen seine Eltern und seine Schwester ihn völlig verdattert an. Aber dann verfinsterte sich Brians Gesicht. Oh-oh! Ich kenne so einen Blick. Den hat mir Papa auch immer zugeworfen, wenn ich ihm zufrech wurde oder wenn er von meinem Verhalten nicht begeistert war. Doch bei Brian wirkte dieser noch bedrohlicher, als bei Papa. „Lex, kannst du mir sagen, was in dich gefahren ist. Was fällt dir ein, so mit uns zureden?“ „Mir geht es einfach auf die Nerven, dass Ihr immer alles hinterfragen müsst, was ich für richtig halte!“, kam es von Lex, nicht minder gereizt. „Aber wir hinterfragen doch nicht. Wir finden es nur seltsam!“, sagte Esmeralda ruhiger, als ihr Mann, die den nahenden Streit vermeiden wollte. „Findet es seltsam oder nicht. Ist mir egal. Ich habe, für meinen Teil die Nase voll, von eurer dummen Fragerei. Ich verschwinde!“, sagte Lex und verließ mit diesen Worten die Küche. „Alexander Matthews!“, schrie sein Vater aufgebracht und wollte ihm hinterher. Doch Esmeralda hielt ihn zurück. Es hatte wohl keinen Sinn mit Lex zu diskutieren. „Das war alles andere als normal!“, sagte Fay zwischen dem Abbeissen ihres Schokokekses und machte dabei eine nachdenkliche Miene. „Streiten dein Bruder und dein Vater sich denn nie?“, fragte ich und knabberte ebenfalls an einem Keks. Nach dem Frühstück hatten wir uns beide auf Fays Zimmer verkrümmelt. Es war doppelt so groß wie mein eigenes und hatte einen Balkon, von dem man aus einem tollen Ausblick auf London hatte. Ein dunkelroter Baldchin zierte das Kopfende ihres Bettes und der Boden war mit einem weichen cremefarbenen Teppisch ausgelegt. Die Tapette war rot und je nachdem wie das Licht darauffiel, sah man elegante Muster daraufschimmern. Die Zimmerdecke war weiss gestrichen und weisse Bordüren verliefen um das Zimmer rundherum. Eine Deckenlampe in Form von einer Blume hing über uns. Die Möbel sahen alt, aber edel aus. EinSchreibtisch aus Mahagonie und ein Kleiderschrank, der gut und gern die halbe Wand dominierte, in demselben Holz. Über den Stuhl lagen einige Klamotten. Die ebenso viel Geld gekostet hatten, wie die gesamte Inneneinrichtung. Ein wenig wurde ich neidisch auf den Luxus, den Fay hier hatte. Doch ich sagte mir, dass ich erstens kein Recht dazuhatte und zweitens, dass ich auch kein schlechtes Leben hatte. Ich hatte zwar kein Pony, so wie manch andere meiner ehemaligen Freunde, aber dafür wusste ich, dass meine Eltern immer Zeit für mich hatten, wenn ich Probleme hatte. Und allein das zählte für mich. Fay schüttelte auf meine Frage hin den Kopf. „Das meine ich nicht!“, sagte sie. „Sondern das Lex gleich die Stimme gegen Mum und Dad hebt!“ „Heisst das, dass er die Füsse still hält?“ „Hm naja…auch nicht das. Lex hat schon Respekt vor unseren Eltern. Und klar streiten sich Dad und er. Aber sie kriegen sich auch wieder ein!“, sagte sie. „Dass Lex aber so ausflippt macht mir Sorgen!“ „Das wird sicher wieder!“, sagte ich, um sie wieder aufzumuntern. Ich konnte mich zwar nicht in ihre Lage versetzen, aber ich konnte mir trotzdem gut vorstellen, dass sie sich wirklich ernste Sorgen machte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte aber keine von uns, dass diese Sorge berechtigt war. Nach diesem Streit am Frühstückstisch ließen es Esmeralda und Brian darauf beruhen und vermieden es, Lex mit ihren Fragen zulöchern. Das bedeutete aber nicht, dass sie nicht weiterhin ein Auge auf seine Beziehung mit Jenni hatten. Wann immer es möglich war, lauschten sie, wenn er mit ihr telefonierte. Zugegeben, etwas übertrieben. Und auch Fay spielte Mäuschen, sobald er sich mit ihr in der Eingangshalle traf. Doch wer war ich schon, mich da einzumischen. Außerdem war ich mir sicher, dass die drei einen guten Grund dazu hatten. Wenn man noch nie eine Freundin hatte, wie Lex, dann war es nur logisch, dass Eltern und Schwester nach schnüffelten und die Ohren spitzten. „Hatte er wirklich noch nie ein Mädchen gehabt?“, fragte ich mal und Fay schüttelte den Kopf. Hob dann die Schultern, als sei sie sich doch nicht so sicher. „Naja, hinundwieder flirtet er schon mit einem Mädel und tauscht auch Nummern mit ihr, aber sich mit ihr getroffen hatte er sich noch nie. Ich frage mich manchmal auch, was das soll. Und mehr als einmal habe ich ihn darauf angesprochen!“, sagte sie und ich wurde immer neugieriger. Okay, ich gebe es ja zu. Lex ist nicht gerade hässlich unf es gibt sicherlich haufenweise Frauen, die ihn nicht über die Bettkante schubsen würden. Dass er aber noch nie etwas Ernsthaftes mit einer hatte, war doch etwas komisch und ließ meine Neugier und die damit verbundenen Fragen in eine bestimmte Richtung gehen. „Ist er etwa schwul?“, fragte ich und Fays Brauen hoben sich, sodass sie beinahe bis zum Haaransatz reichten. Dann aber platzte sie vor Lachen und schüttelte sich. Kriegte sich fast nicht mehr ein. „Was? Schwul? Nein!“, sagte sie zwischen einigen Lachern und ich kam mir in diesem Moment zielich blöd vor. Gott, hoffentlich bekam das Lex niemals mit. Der würde mich zu Kleinholz verarbeiten, wenn er hörte, dass ich ihn für eine Lexi hielt. „Lex ist nicht schwul!“, sagte Fay immernoch etwas prustens, dann aber wurde sie wieder ernst. „Ich habe ihn, wie gesagt mal darauf angesprochen und er meinte, dass er keine Beziehung gebrauchen kann, weil sein Leben ja ziemlich gefährlich ist und zumal unsere Feinde, jede schwache Stelle nutzten würden, um ihm zuschaden. In diesem Punkt verstehe ich ihn schon!“ Das leuchtete schon irgendwie ein. Ich hatte ja gesehen, was für Feinde sie hatten und ich wusste selber, dass diese Feinde jedes Mittel ergreifen, um jemanden zu kriegen. „Und jetzt wo er eine Freundin hat, scheint es anders zusein?“, fragte ich leise, worauf Fay wieder die Schultern hob. „Vielleicht denkt er jetzt, dass er sie beschützen kann!“ „Komisch oder? Wenn er schon solange überzeugter Single ist, aus gutem Grund, und plötzlich mit jemanden zusammen sein will?“ Fay nickte. „Ja, komisch ist es auf jeden Fall. Deswegen behalten Dad und Mom ihn und sie sogut im Auge!“, sagte sie und ich horchte auf. „Wie meinst du das?“ „Ist nur reine Vorsicht!“ „Moment, Fay. Willst du mir sagen, dass sie sie für eine Art Lockvogel halten?“, fragte ich. Fays Gesicht verdüsterte sich. „Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Lex scheint wie besessen von ihr zusein und das gibt mir zudenken. Vielleicht liegt das aber auch nur an der ersten Verliebtheit, dass mein Bruder so abhebt!“ Das konnte ich mir wiederum irgendwie nicht vorstellen. Lex schien nicht der Typ von Mann zusein, der bei der ersten großen Liebe fröhlich über eine Blumenwiese tanzt und singt, wie schön die Welt doch ist. „Sicher? Lex scheint nicht so der Typ zusein!“ „Stimmt. Da ist was dran. Und ich hoffe dennoch, dass es so ist!“ Es war spät, als ich mich fürs Bett fertig machte und mir ein T-Shirt überzog. Ich lag noch stundenlang da. Hatte mich noch nicht zugedeckt, da mir nicht der Sinn danach stand, schon zu schlafen. Konnte ich sowieso nicht. Es ließ mich nicht los. Noch lange musste ich darüber nachdenken, was ich und Fay miteinander besprochen hatten. Ich fragte mich, ob es bei Lex wirklich nur Verliebtheit war oder nicht doch irgendwie feindliche Mächte dahintersteckten? Irgendwie war ich mir in diesem Punkt mehr sicherer, als beim ersten. Ich konnte mir selber nicht erklären, warum? Es war einfach ein Gefühl. Eine dunkle Ahnung. So wie wenn ich eine Vision hatte. Und ich schauderte. Was, kam mir der Gedanke, was wenn in meiner nächsten Vision Lex starb? Mir wurde übel bei diesem Gedanken und versuchte diesen zuverdrängen. Nein, Lex würde sicherlich selber auf die Idee kommen, dass seine Freundin eine männermordende Arielle ist. „Sei nicht dumm! Selbst bei einem wie ihn, ist die Gefahr groß, dass er zum Dessert wird!“, sagte Erik plötzlich und ich machte einen Satz gen Zimmerdecke. Beinahe wäre ich dabei aus dem Bett gefallen. Ich wusste zwar, dass er wie aus dem Nichts erschien. Aber es war dennoch schlimm, jedesmal, wenn man dachte, kurz mal Ruhe zu haben, ihn plötzlich neben sich zu haben. Vorallem, wenn man nicht mehr am Leib trug, als ein Shirt und ein Höschen. Erik ließ sich davon wohl nicht aus der Ruhe bringen. Sondern lag entspannt auf der anderen Bettseite und sah mich nur mit gehobenen Brauen an. „Ich dachte, du hast dich daran schon längst gewöhnt?“, sagte er. „Nein, wie denn? Sich daran zu gewöhnen, dass jemand einfach so auftaucht und jemanden zu Tode erschreckt, ist ein Ding der Unmöglichkeit!“, schnauzte ich und zog nun doch die Decke bis zum Kinn. Mir war es unangenehm, dass er meine nackten Beine sah. Klingt bescheuert, aber ich hatte immernoch so etwas wie Schamgefühl. Außerdem war er mir immernoch nicht ganz geheuer. Erik seufzte entnervt. „Meine Güte, du bist noch misstraurischer, als deine Mutter!“, murmelte er und ich überhörte sein Kommentar gefliesentlich. „Was willst du hier?“, fragte ich immernoch angefressen und wunderte mich zugleich auch, dass er sich gerade jetzt zu Wort meldete. Die ganze Zeit herrscht Funkstille. Das war mir bisher noch gar nicht wirklich aufgefallen, aber nun… Normalerweise tauchte er immer dann auf, wenn neue Gefahr drohte. Hatte er sich eine kleine Pause gegönnt oder was? „Das nicht, aber ich wollte sehen, ob du allein darauf kommst!“, meinte er. „Auf was denn bitteschön?“, fragte ich gereizt. Warum sagte er mir einfach nicht, was er damit meinte? Dachte er wirklich, dass ich Gedankenlesen kann? Erik schloss kurz die Augen, schüttelte den Kopf und murmelte wieder etwas, was den Satz „Begriffstutzig, wie ein Stück Brot!“, behinhaltete und und unterdrückte ein bissiges Widerwort. Blödes Nachtgespenst, ging es mir nur durch den Kopf. Darauf hin sah Erik mich beleidigt an. Die erste Gefühlsregung, die er zeigte und ich lobte mich, für diesen kleinen Triumph. Doch dieser hielt nicht lange, da Erik sich aufsetzte und mich mit verschränkten Armen ansah. „Du solltest langsam lernen, dass vieles nicht so ist, wie es aussieht!“, sagte er und ehe ich etwas sagen konnte, verschwand er auch wieder. Na super! Und wiedermal ließ er mich im Dunkeln zurück. Wortwörtlich. Am Morgen saß ich am Frühstückstisch und grübelte nach, was Erik mir gesagt hatte. Vieles ist nicht so, wie es aussieht! Das klingt nach einer Metapher aus einem billigen Science Fiction Film. „Es gibt mehr da draußen, als wie es uns vorstellen können!“, sagte ich in schauriger Tonlage und musste dabei etwas kichern. „Oh, so gute Laune? Was ist denn der Grund?“, fragte Brian, der plötzlich in die Küche kam und sich mir gegenüber setzte. Ich verstummte sofort und schaute auf die Tischplatte. Schön poliert. „Ähm, ach nichts. Ich habe nur über einen Witz gelacht!“, meinte ich kleinlaut. „Achja?“, sagte er nur und in seiner Stimme hörte ich deutlichst, dass er mir das nicht abkaufte. „Erzähl mir den Witz doch mal!“ „Äh, habe ihn vergessen!“ „Kam der Witz zufällig von Erik?“, fragte er und er hörte sich nicht freundlich an. „Ging es dabei um meine Familie?“ Ich zögerte erstmal, bevor ich etwas sagte. Dann holte ich Luft und sagte:„ Ja, zum ersten. Jein zum zweiten!“ Kaum hatte ich das gesagt, verfinsterte sich sein Gesicht und ich schrumpfte auf Zwergengröße. „Nicht, was du denkst. Erik meinte, dass da was nicht ganz koscher ist!“ „So?“, meinte er und sein Gesicht machte einen nachdenklichen Eindruck. „Interessant!“ „Was denn?“, fragte ich, weil ich nicht wusste, was er damit meinte. Er winkte nur ab. „Nichts nichts!“ Da kam Lex in die Küche, fröhlich pfeifend und mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das schon wehtun musste. „Guten Morgen allerseits. Na, gut geschlafen?“, fragte er und ich und Brian sahen ihn gleichermassen an, als hätte er nicht nur eine Schraube locker. „Ähm, ja. Denke schon!“, sagte ich. „Woher die gute Laune?“, fragte sein Vater wiederum. „Ich treffe mich gleich wieder mit Jenni!“ „Schon wieder?“, fragte ich wiederum. Das war schon das fünftemal, diese Woche. Die beiden hockten wirklich aufeinander. „Was dagegen?“ „Nein, aber mich wundert es, dass es dir nicht langweilig wird!“ „Das liegt wohl daran, dass du Single bist!“, gab er giftig zurück. Ouch! Das tat wirklich weh. Mag ja sein, dass ich das Leben als Single schon genoss, aber dass er es mir so unter die Nase reiben musste, war wirklich unter der Gürtellinie. „Immerhin benehme ich mich nicht wie ein verliebter Fünfklässler!“, murmelte ich. Lex schnaubte nur und drehte sich um und ging wieder. „Ich komme spät nachhause. Also wartet nicht auf mich!“ „Wir sollen was?“, fragte ich und ich sah Brian mit offenem Mund an. „Ihn beschatten!“, sagte Brian so, als wäre es das natürlichste der Welt. Ich konnte das nicht glauben. Okay, Verdacht auf feindlichen Angriff oder nicht. Das ging aber wirklich zuweit. Ich blickte zu Fay. Ihr erging es wohl nicht anders. „Dad, ist das wirklich nötig?“ „Ja, ich habe ein mieses Gefühl bei der Sache und will, dass ich euch das mal anschaut!“, sagte Brian nur. Ich und Fay tauschten daraufhin Blicke. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es etwas mit der kurzen Unterhaltung zwischen mir und ihm und der Erwähnung Eriks zutun hatte. Fay wollte noch etwas sagen, doch dann seufzte sie und erklärte sich bereit. Und mir blieb keine andere Wahl. So beschatteten wir die beiden seit dem Vormittag und der Tag zog sich in die Länge. Folgten ihnen auf Schritt und Tritt. Ich kam mir dabei irgendwie komisch vor. So als würde ich jemanden ausspionieren, den ich nicht kannte. Fay schien sich ebenso alles andere als wohl dabei zu fühlen, aber ich sah ihr auch an, dass sie ebenso wissen wollte, was da eigentlich vor sich ging. Dass sie dem Frieden nicht traute. So folgte sie ihnen und ließ sie nicht einmal aus den Augen. Der nächste Halt, den die beiden ansteuerten war ein Cafe. Wir folgten ihnen im gemesenen Abstand und setzten uns in eine Ecke. Nah genug, dass wir sie belauschen konnten, aber dennoch einen guten Abstand hatten, dass sie uns nicht sahen. Wir bestellten uns was, nur um nicht Verdacht zuerwecken und schauten zu den beiden hin. Lex und Jenni steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Hinundwieder kicherte Jenni und Lex grinste breit. Offensichtlich hatte er einen Witz gerissen. Das ging noch gut eine halbe Stunde. „Wie lange soll das noch so weitergehen?“, fragte ich aus reiner Neugier. „Solange bis er wieder nachhause kommt!“, raunte sie mir zu und ich seufzte innerlich. So wie sie das sagte, klang das so, als würden wir noch laaaange unterwegs sein. Und ich sollte recht behalten. Es war schon Abend, als die beiden die letzte Staion ihres Dates ansteuerten und in ein Kino gingen. Wir natürlich hinterher. Gleich nachdem Lex die Karten besorgt hatte, nahmen wir uns Karten, für die gleiche Vorstellung. Zwei Reihen hinter den beiden. Fay hatte aufgeschnappt, wo sie sich setzten und hatte gleich geschaltet. Zu unserer, und vorallem zu Fays Überraschung, waren wir in einem Liebesfilm. Wir achteten nicht auf den Inhalt des Films, sondern behielten Lex und seine Freundin sogut es eben in der Dunkelheit ging, im Auge. Ich musste hinundwieder blinzeln, weil ich in dem Wechsel von Licht und Schatten, kaum etwas erkennen konnte. Fay jedoch schien damit keine Probleme zuhaben. Ihr Blick blieb auf den beiden haften, als würde sie sie bei Tageslicht beobachten und ich fragte mich, wie sie das machte. Schon als wir den Penanggalan im Kinderzimmer eine Falle stellten und im Schatten auf ihn warteten, fiel mir auf, wie gut sie in der Dunkelheit sehen konnte. Und auch jetzt schien sie diese bemerkenswerte Gabe einzusetzen. Keine Minute ließ sie den Blick von ihnen und ich fragte mich, ob sie genauso begabt ist, wie ich. Irgendwann war der Film zuende und wir warteten noch einen Moment, dann gingen wir ihnen nach. Verließen das Kino und schritten dieselbe Gasse entlang, wie die beiden. Ich sah Fay fragend an. Wir dachten, dass sie sich nun voneinander verabschieden würden. Doch weit gefehlt. Sie hatten nicht vor, sich so schnell wieder zutrennen. Im Gegenteil: Sie liefen weiter die Strasse entlang. Arm in Arm und unterhielten sich noch. Ich blickte zu Fay. Wollte sie mit meinem Blick fragen, was wir jetzt machen sollten. Sie machte nur mit dem Kopf eine Bewegung zu den beiden. Ein Zeichen dafür, dass wir ihnen weiter nachspionieren sollten. Ich seufzte innerlich. Ganz ehrlich. Ich hatte die Nase voll davon. Selbst wenn etwas nicht mit ihr stimmen würde, würden wir es sicherlich nicht gleich heute erfahren. Mit diesen und weiteren Gedanken war ich so beschäftigt, dass ich nicht wirklich merkte, wie ich Fay langsam hinter mir ließ, sondern nur den beiden vor mir folgte und um dieselbe Ecke bog, wie sie. Und dann geradewegs in die Arme von Lex lief. Ich war zuerst so perplex, dass ich gar nichts sagen konnte. Sondern konnte ihn nur ansehen. Sein Gesicht war grimmig und ich ahnte, warum. Schnell machte ich einen Schritt zurück. „Was tust du hier?“, fragte er mich zwischen zusammengebissenen Zähnen und ich schluckte. Oh Fuck! Das konnte nichts Gutes bedeuten. Meine Gedanken überschlugen sich und ich fragte mich, warum er hier stand und nicht weitergegangen war. Doch dann kam mir in den Sinn, dass er sicherlich bemerkt hatte, dass wir ihn verfolgten. Klar, irgendwann musste es ja einem auffallen, auf Schritt und Tritt verfolgt zuwerden. Und Lex war jemand, der sowas bestimmt sofort merkte. Meine Kehle wurde plötzlich ganz trocken und ich brachte nicht den Mut, ganz zuschweigen die Kraft auf, ihm zuantworten. Lexs Miene verfinsterte sich daraufhin immer mehr und er sah mich nun an, als wollte er mich ungespitzt in den Boden rammen. „Ich habe dich gefragt, was du hier machst?“ Zu meiner Rettung und noch ehe Lex mich weiterhin mit seinen Blicken durchbohren konnte, kam Fay gerade um die Ecke und war ebenso überrascht ihren Bruder zusehen. Vermutlich hatte sie gedacht, dass er schon längst weg wäre. So wie ich. Doch wenn sie überrascht gewesen war, so verging das wohl schnell. Denn sie musste gesehen haben, dass Lex mich einschüchterte und ging auf ihn zu. Mit nicht minder sanfter Miene. „Was soll der scheiss?“, blaffte sie ihn an. „Dasgleiche könnte ich dich fragen? Was fällt Euch dummen Hühner ein, mir nach zuspionieren?“, keifte er und ich musste einen Protestlaut unterdrücken. Dumme Hühner! War der Kerl etwas Old-School, was Beleidigungen anging? „Was hier machen, kann ich dir gerne sagen. Dad wollte, dass wir dich und deine neue Freundin beschatten!“, erklärte sie locker und es verschlug mir glatt die Sprache, dass sie so cool sein konnte. „Mich beschatten? Habt Ihr sie noch alle?“, platzte es aus ihm heraus. „Was hat sich der Alte bloss dabei gedacht?“ „Dieser Alte ist unser Dad und er macht sich nur sorgen um dich, klar!“ „Der soll sich aus meinem Leben raushalten. Ich bin kein kleines Kind mehr!“, sagte Lex wütend. Drehte sich auf dem Absatz um und rauschte mit seiner Freundin davon. Ich stiess einen leisen Pfiff aus. „Oh man. Das war aber wirklich heftig eben gerade!“, sagte ich leise und hielt mir den Kopf. Von dem kurzen hitzigen Wortgefecht klingelten mir ganz schön die Ohren. Ich schaute zu Fay und bemerkte, wie sie zitterte. Ihre Augen hatten einen merkwürdig, beinahe schon beängstigenden Ausdruck. Ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte, zitterten und ihre Lippen waren nichts weiter, als ein dünner Strich. Ich sah sofort, dass etwas mit meiner Freundin nicht stimmte. „Fay, alles in Ordnung?“, fragte ich besorgt und berührte sie am Arm. Fay entzog mir diesen und ging in die andere Richtung. „Wir müssen nachhause. Sonst werden Dad und Lex sich gegenseitig umbringen!“, sagte sie, als ich sie einholte und ich hörte deutlich in ihren Worten, dass dies der Wahrheit entsprach. Wir kamen gerade rechtzeitig, als der Streit zwischen Lex und seinem Vater den Höhepunkt erreichte. Wir hörten, wie sie sich anschrien und wie etwas zerbrach. Womöglich ein Stuhl. Dann hörten wir Esmeralda verzweifelte Versuche, die beiden zuberuhigen. „Lex, dein Vater meint es doch nur gut!“ „Meint es nur gut?“, fragte er wütend. „In dem er mich und Jenni ausspioniert. Von meiner eigenen Schwester?“ „Ich hatte eben meine guten Gründe!“, wehrte sich Brian im nicht leiserern und auch nicht ruhigerenTon. „Deine Gründe gehen mir am Arsch vorbei!“, schrie Lex nun. „Lex, geht’s noch!“, mischte sich Fay ein. Ich hielt mich lieber im Hintergrund. Nennt mich feige. Aber ich war wirklich nicht scharf darauf, in eine Familienstreitigkeit zugeraten. „Halt dich da raus, dumme Kuh. Das ist eine Sache zwischen mir und dem hier!“ Dann wandte er sich seinem Vater zu. „Ich sage dir das zum ersten und letzten Mal: Halte dich aus meinem Leben raus. Sonst wirst du das noch bereuen!“ Kaum hatte er das gesagt, wurde Brians Miene zu einer Maske des Zornes. Aber auch der Fassungslosigkeit. Ich wusste nichts über die Beziehung der beiden, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass Lex niemals so etwas zu seinem Vater gesagt hätte. Zumindest wenn er klar im Kopf gewesen wäre. „Du wagst es mir zudrohen?“, schrie Brian wütend. „Was glaubst du, wen du vor dir hast. Ich bin dein Vater verdammt nochmal!“ „Als ob das was bedeuten würde!“, höhnte Lex. Esmeralda war fassungslos, als sie das hörte, das sah ich ihr an. „Lex, wie kannst du so etwas sagen?“, fragte sie ihn. Ich fragte mich das auch. Nie und nimmer würde ein Kind das zu seinen Eltern sagen. Nicht mal im Streit. Da bemerkte ich, dass ich nicht die einzige Zuhörerin, dieses Streites war. Jenni stand nur wenige Armlängen von mir entfernt und… Lächelte sie etwa? Ich konnte nicht begreifen, was das zubedeuten hatte. Freute sie sich etwa, dass sich Lex so mit seinen Eltern verkrachte? Doch noch ehe ich sie darauf ansprechen konnte, wandte Lex seinen wütenden und ratlosen Eltern den Rücken zu und ging. Mit Jenni im Arm. Seit dem hörten wir nichts mehr von ihm. Lex war wie vom Erdboden verschluckt und ich fragte mich, was nun werden würde? Zuerst dachten Esmeralda, Brian und Fay, dass er sich doch nocmal melden würde. „Er wird sich schon wieder einkriegen!“, sagte Esmeralda um Fay zuberuhigen. Und sich ebenso. „Er ist nicht jemand, der einfach sich davon macht!“ Doch dem war nicht so. Lex meldete sich nicht, noch schaute er vorbei. Fay stand die Sorge um ihn deutlich ins Gesicht geschrieben. Nur Brian schien immer noch wütend über das Benehmen seines Sohnes zusein. Klar, wer wäre das nicht. Er hat ihm praktisch vor den Kopf gestossen und ich glaube, wäre ich an seiner Stelle, würde ich genauso drauf sein. Trotzdem konnte ich es nicht ertragen, wie Fay sich die Schuld gab. „Du kannst doch nichts dafür!“, sagte ich ihr und legte die Hand auf die Schulter. „Doch, wenn ich nicht gesagt hätte, dass Dad uns geschickt hat, wäre er geblieben!“ „Aber dann hättest du es allein abbekommen!“ „Das wäre mir noch viel lieber, als dass sich Dad und Lex so streiten!“, wimmerte sie. Ich nahm sie in den Arm. Fay tat mir unendlich leid. Ich hatte ja gesehen, wie sehr sie an ihm hing. Was mochte sie sich nun für Sorgen um ihn machen. Sicherlich würde sie keine ruhige Nacht mehr haben. Zumindest solange nicht, bis er wiederzurück kam. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. „Los, Fay zieh dich an!“, sagte ich als ich ihr Zimmer ohne Anklopfen betrat und warf ihr ihre Jacke zu. „Was hast du vor?“ „Wir suchen deinen Bruder!“ Ich wusste selber nicht, was mich dazu getrieben hatte. Aber was es auch war, es sorgte für ein schwaches Lächeln auf Fays Gesicht. Offenbar war das so etwas wie ein Anstoss dafür, dass sie endlich aus ihrer Traurigkeit kam. So machten wir uns gemeinsam auf die Suche nach ihnen. Zuerst gingen wir zu Jennis Eltern, doch sie wussten auch nicht, wo sich ihre Tochter aufhielt. „Suchen wir an Lexs Lieblingsplätzen. Ich kenne einige!“, sagte sie und wir stiegen in den Wagen. Ich war überrascht, dass Lex überhaupt soetwas wie Lieblingsplätze hatte. Und zuerst dachte ich, es sei wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch wie ich feststellen musste, hatte er nicht so viele Orte, wo er sich gern aufhielt. Und an keinem einzigen war zufinden. Offenstichtlich wusste er, dass Fay ihn an diesen zuerst suchen würde. Das machte die Suche natürlich nicht gerade einfach. So waren wir bis zum Abend unterwegs und mit jeder Stunde erfolgloser Suche, wurde Fay immer niedergeschlagener. Wir wollten schon nachhause fahren, als ich aus dem Fenster schaute und rief. „Halt an, Fay. Ich habe ihn gesehen!“ Fay trat so schnell und heftig auf die Bremse, dass ich in die Gurte gepresst wurde und der Stoff mir scharf in die Haut schnitt. Kaum hatten wir angehalten und die Autofahrer wütend hinter uns gehubt, schon waren wie aus dem Wagen gesprungen. Es war nur ein kurzer Moment und zuerst dachte ich, ich hätte mir das eingebildet. Doch dann war ich mir ganz sicher. Ich hatte Lex gesehen! Und als wir ihm nachliefen und Fay seinen Namen rief und er stehenblieb, sich zu uns umdrehte, war ich erleichtert, dass die Suche ein Ende hatte. Fay ging es nicht anders. Sie fiel ihrem Bruder um den Hals und gab deutlich kund davon, dass sie froh war ihn gefunden zuhaben. Doch Lex wirkte alles andere als erleichtert seine Schwester wiederzusehen. Beinahe schon kalt und genervt. Dennoch ließ er ihre Umarmung zu. Neben ihm stand auch Jenni und sie wirkte genauso kalt. Mit finsterer Miene sah sie zu Fay. Als würde sie was dagegen haben, dass Fay ihren Bruder umarmte. Ich musterte sie argwöhnich. Etwas stimmte nicht mir ihr. „Was macht ihr hier?“, fragte er frostig und Fay war erstmal wie vor den Kopf gestossen. „Wie, was wollen wir hier? Wir suchen dich. Ich möchte, dass du wieder nachhause kommst. Mom macht sich schreckliche Sorgen um dich!“ „Ich werde nicht zurückkommen!“, sagte Lex und seine Worte waren wie Dolche. Fay wich zurück, sah ihren Bruder an, als wäre er ein Geist der übelsten Sorte. Doch dann fing sie sich wieder. „Dad tut es auch leid, dass er dich ausspionieren wollte. Aber er meinte es nur gut…!“ „Hör auf damit, diesen Mistkerl in Schutz zu nehmen!“, keifte Lex und Fay wurde aschfahl. Jenni grinste nun und bei mir schrillten Alarmglocken. Krampfhaft versuchte ich ruhig zu bleiben. Arme Fay! Zuerst machte sie sich Vorwürfe, und Sorgen um ihren Bruder und nun das. Wie gerne hätte ich ihm in diesem Moment den Marsch geblasen. „Er ist unser Vater!“, rief Fay aufgebracht. Ein Glück, dass nicht soviele Leute auf der Strasse waren. Denn so blieben uns neugierige Zuschauer erspart. „Mir egal, wer er ist. Er ist für mich gestorben. Ihr alle. Sag das den beiden und jetzt haut ab!“, sagte Lex hart und drehte sich um. Fay schüttelte den Kopf. Ich wusste, dass sie das nicht glauben wollte. „Lex, warte!“, rief sie und ergriff ihn an der Schulter. Doch kaum hatte sie das getan, drehte sich Lex herum und schwang seinen Arm umher. Zwar traf er sie nicht mit der Hand im Gesicht, dennoch schaffte er es, sie auf den Boden zuschicken. Fay schrie auf und schaute ihren Bruder entsetzt an. Deutlich sah ich in ihren Augen, dass sie damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Und das breite Grinsen auf Jennis Gesicht wurde breiter. Jetzt reichte es aber. Wütend stürmte ich auf ihn zu. Packte ihn mir, bevor er weitergehen konnte und ließ all meine Wut raus. „Sag mal hast du sie noch alle? Wenn es hier einen Mistkerl gibt, dann bist du das, du Arschgeige. Deine Eltern und Fay machen sich Sorgen um dich, weil du dich nicht meldest und du behandelst sie, wie den letzten Dreck!“, fauchte ich und kurz wirkte er eingeschüchtert. Dann aber wurde sein Gesicht wieder hart wie Stein. „Misch da nicht ein. Das ist eine Familienangelegenheit!“ Mit diesen Worten ging er. Ich sah ihm und Jenni nach. Sie drehte sich um und grinste noch breiter, als es möglich war. Zeigte mir dabei ihre Zähne und ich glaubte zusehen, dass ihre Zähne spitz wie Nadeln waren. Fay und ich fuhren nachhause zurück. Wenn Fay schon vorher gebrochen war, war sie nun am Boden zerstört. Versuche sie aufzumuntern, würden nichts bringen, da sie dafür taub und viel zu aufgewühlt war. Stumm rannen ihr Tränern die Wangen hinunter. Ich fühlte mich nicht besser. Immer wieder musste ich daran denken, wie ihre Zähne ausgesehen hatten. Aber das konnte unmöglich sein. Gerne hätte ich gesagt, dass ich mir das alles nur eingebildet hatte. Doch kaum, dass ich mir das sagte, sah ich die Nixe und Jenni nebenbeinander stehen. Als gäbe es eine Verbindung zwischen ihnen. Doch welche? Fay hatte es schwer ihren Eltern zuerzählen, was passiert war. Immer wieder musste sie eine Pause machen, weil ein Schluchzen sie schüttelte. Esmeralda saß neben ihr und drückte ihre Hände, während ihr selber zum Weinen zumute war. Brian hingegen wirkte so, als wollte er am liebsten durch die Decke gehen. Ich konnte ihn deutlich mit den Zähnen knirschen hören. Seine Hand hatte er zur Faust geballt, während er den anderen Arm auf dem Kaminssims legte und mit den Fingern trommelte. Seine Kiefer bewegten sich. Seine Blicke… Ich dachte immer, noch tödlicher konnten sie nicht werden. Doch nun sah ich, dass ich mich getäuscht hatte. Brians Blick wurde mörderisch. „Was glaubt er, wer er ist?“, knurrte er, als Fay zuende erzählt hatte. Esmeralda stand auf und legte die Hand auf seinen Arm. Wollte ihn beruhigen. Doch Brian entzog ihr den Arm und ging einen Schritt weiter. Blieb vor dem Kamin stehen, in dem die Flammen züngelten. „Dieser Dummkopf wird sich noch umbringen, in seinem blinden Liebeswahn!“, knurrte er und die Flammen schlugen höher. „Er weiss nicht, was er tut!“, mischte sich Esmeralda. „Eben. Und genau das wird ihn den Kopf kosten!“, fuhr Brian auf und die Flammen fauchten auf. Ich wich zurück und drückte mich in die Polster des Sofas. Fay, tastete nach meiner Hand und umfasste sie. Drückte sie, wie es Esmeralda vorhin getan hatte. Der Anruf kam um die Mittagszeit und Esmeralda ging ran. Ich und Fay hörten zufüllig zu, als wir in die Küche gingen, um uns etwas zu Mittag zuholen. „Ja? Verstehe? Hmh, ja! Was? Aber wie ist das möglich?“, hörten wir sie sagen und wir tauschten Blicke. Was war denn nun wieder? Esmeralda redete weiter und sie klang immer nervöser. Als sie dann auflegte, war sie kalkweiss. „Das waren die Beamten aus der Bucht. Sie haben die letzten Leichen gefunden!“, sagte sie. „Ja und weiter?“, fragte Fay und sie klang nun ebenso nervös. Etwas an dem Gespräch am Telefon hatte sie hellhörig werden lassen. „Sie haben bstimmt doch noch mehr gefunden. Sonst wärst du nicht so aufgewühlt?“ Esmeralda biss sich auf die Lippen. Rang nach den richtigen Worten. „Und ob sie das haben!“, sagte sie und ihre Stimme klang brüchig. So als fiele es ihr schwer, weiterzusprechen. „Neben den Jungen, haben sie auch noch eine weibliche Leiche gefunden. Und zwar die von Jenni Grave!“ Mir klappte die Kinnlade runter. Hatte ich richtig gehört? Jenni Graves Leiche wurde gefunden? Aber mit wem war dann bitteschön Lex zusammen? Ein schlimmer Verdacht kam mir und ich erinnerte mich wieder daran, wie spitz die Zähne der Frau waren, die sich für Jenni Grave ausgab. Gott, bitte lass das nicht wahrsein! „Die Meerjungfrau!“ Lex befand sich ganz und gar in der Umarmung der Meerjungfrau, die den Platz der verstorbenen Jenni Grave eingenommen hatte. Ließ sich von ihr Küssen und merkte nicht, wie er sich immer mehr in ihrem Zauber verlor, nur um dann von ihr verschlungen zuwerden. Zu sehr hatte er sich von ihr verhexen lassen, als dass er auf die Stimme in seinem Inneren hören würde. Hatte sich sogar gegen seine Schwester gestellt, Hand an sie gelegt. Ausgerechnet an ihr, die er sich zu beschützen geschworen hatte. Doch was bedeutete das schon, wenn er mit dieser Frau zusammen sein konnte, sie ihm sein Herz und den Verstand geraubt hatte. Sie hatten sich bei Anbruch der Nacht ein Boot gemietet und waren auf das Meer hinausgefahren. Dort würde sie ihn fressen. Der Meerjungfrau fiel es schwer, ruhig zu bleiben. Solange musste sie darauf warten, ihn endlich in die Finger zubekommen. Und war auch enttäuscht, dass es so einfach. Sie hatte gespürt, dass er anders war. Etwas Geheimnissvolles haftete an ihm. Ließ ihn dunkel und fremd erscheinen. Und seine Familie, besonders seine nervige Schwester schienen für sie eine Bedrohung darzustellen, weil sie mit allen Mitteln versuchten, ihn ihr zurauben. Dennoch war er nur ein Mann und wie bei jedem Mann, brauchte sie nur ihren magischen Blick auf ihn zuwerfen und schon war es um ihn geschehen. Und hatte es geschafft, dass er sich gegen seine Sippe wendete. Doch die andere, die Schwarzharrige war ihr nicht geheuer. Sie hatte deutlich in ihr eine Gefahr gesehen. Ein Auta der Finsterniss umgab sie, wie es nur bei mächtigen Schattenblütlern der Fall war. Trotzdem war sie nur ein Mensch und die Meerjungfrau wollte nicht weiter an sie denken. Jetzt wo sie ihn gänzlich von seiner Familie getrennt hatte, würde ihr niemand in die Quere kommen. Und wenn sie aufgefressen hatte, würde sie weiterziehen. Sich ein neues Jagdrevier suchen. Auch wenn ihr dieser Ort gut gefiel. Doch es war zuviel Aufmerksamkeit für die Morde erregt worden, als dass sie weiterhin ungestört jagen konnte. Mit einem beinah sehnsüchtigen Blick schaute sie aufs Meer und seufzte. Eine Schande um das schöne Jagdrevier, dachte sie. Da schaltete Lex den Motor ab und unterbrach so ihre Gedanken. „So da wären wir!“, sagte er überschwenglich und setzte sich zu ihr. Jenni lächelte und wirkte wieder ihren Bann. Sie ging zu ihm und setzte sich rittlinks auf den Schoss. Legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Lex schnurrte und der Hunger der Meerjungfrau wurde immer größer. Sie musste sich wirklich beherrschen. Dabei war es so schwer. Der Mensch schmeckte gut. So gut! Lange würde sie es nicht mehr aushalten können. „Lex, komm mehr. Ich will dich schmecken!“, raunte sie und zog ihm das T-Shirt hoch, bis seine Brust freikam. Leckte gierig über seine Haut und entlockte ihm damit einen Schauer. Lex bebbte in freudiger Erwartung und schloss die Augen. Das war die Gelegenheit. Genug mit dem Vorgeplänkel. Sie wollte endlich essen. So öffnete sie den Mund und entblösste ihre scharfen Nadelzähne. Gleich würde sie sie in den Hals des Mannes rammen und sein Fleisch reissen. Doch kaum, dass ihre Zähne seine Haut anritzen konnte, ertönte ein lauter Knall. Gefolgt von einem entsetzlichen Schmerz, der in ihrer Seite aufflammte. Die Meerjungfrau schrie auf und blickte zu ihrer Linken. Sah die Harpune, die tief in ihrem Körper steckte und durch den Schuss noch leicht vibrierte. Was zum, dachte sie und noch ehe sie nach der Waffe greifen konnte, um sie sich rauszuziehen, flammte gleißend helles Licht auf und blendete sie. Wir kamen gerade noch rechtzeitig. Und es war reines Glück, dass wir sie gefunden haben. Die Meerjungfrau wollte gerade Lex mit Haut und Haar verspeisen. Brian reagierte schnell und feuerte die Harpune ab. Zugegeben, eine etwas übertriebene Methode, sie von Lex fernzuhalten, aber was eignete sich besser bei einem Fischfang als eine Harpune. Kaum hatte sich die Harpune in den Leib der Meerjungfrau, schon schaltete Fay den Scheinwerfer ein, der sogleich sein Licht auf das Monster warf und sie für einen kurzen Moment erstarren ließ. Dann aber schwenkte Fay den Scheinwerfer ein wenig weg, sodass die Meerjungfrau nicht mehr ganz im Schein stand und wir sie uns ansehen konnte. Von Außen her sah sie aus wie ein Mensch. Aber die Augen… Sie waren schwarz und glänzenten feucht. Mal abgesehen von den Zähnen, die wie spitze Nadeln aus ihren Kiefern ragten. Mir wurde es kalt bei diesem Anblick. Die Meerjungfrau, durchfuhr es mich. Ich hatte sie zwar schon in meiner Vision gesehen, aber dieser Anblick ließ mich zusammenzucken. Dieses Geschöpf mit dem Gesicht eines jungen Mädchens, was mal nur mit den Freunden etwas Spass haben wollte, war nun die Hülle eines Monsters, welche Männer als Essen sah. Ich konnte nicht sagen was ich am meisten empfinden sollte. Angst, Wut oder Hass. Vielleicht von jedem etwas. Schließlich hatte dieses Ding dafür gesorgt, dass Lex sich gegen Fay stellt und ihr damit das Herz bricht. Und ich konnte mir gut vorstellen, dass Fay es ihr heimzahlen würde. Brian fixierte die Kette, die mit der Harpune verbunden war, damit die Meerjungfrau uns entwichen konnte. Zog einmal kräftig an der Trommel, um die die Kette gewickelt war und es ging ein Ruck durch die Meerjungfrau. Sie war fürs erste erstmal festgenagelt. Doch das hielt sie nicht davon ab, uns wütend anzufauchen. Riss an der Harpune, die so fest drinsteckte, so dass sie es schwer haben würde, sie aus sich rauszuziehen. Fay sprang von dem Boot, mit dem wir hergekommen waren auf das, von den beiden und ging zu ihrem Bruder. Ohne nicht jedoch den Blick von der Meerjungfrau zulassen. Lex hatte wohl das Bewusstsein verloren. Denn sie schlug ihm sanft gegen die Wangen und redete auf ihn ein. Aber Lex hatte das Bewusstsein verloren. Rührte sich nicht. Schien auch irgendwie nicht mehr zu atmen. Fay drehte sich um. Ihr Gesicht steinern, finster. Mit festem Schritt ging sie auf die, an der Harpune aufgespiesten, Meerjungfrau zu, hob die Hand und verpasste ihr einen solchen harten Schlag, dass ihr Kopf sich beinahe um hundertachtziggrad drehte. „Was hast du mit ihm gemacht, du widerliches, schleimiges Miststück?“, fragte sie sie voller Hass in den Augen. Die Meerjungfrau kicherte nur. Zeigte ihr ein grausames Lächeln. Fay platzte der Kragen. Ihre Traurigkeit und Niedergeschlagenheit war wie weggeweht und sie packte die Hexe am Hals. Drückte ihren dünnen Hals zusammen und zog einen Dolch. Das Metall blitzte kalt auf, als das Licht des Scheinwerfers darauf fiel. „Was hast du mit ihm gemacht, habe ich dich gefragt!“, schrie sie wütend. Da versetzte ihr die Meerjungfrau einen Stoss gegen die Brust, so dass Fay nachhinten fiel und wild mit den Armen ruderte. Esermalda rief nach ihrer Tochter. Brian sprang mit einem gewaltigen Satz zu der Meerjungfrau. Wollte ihr mit dem Dolch, den er sich aus der Jacke gezogen hatte, den Garaus machen. Aber die Meerjungfrau war schneller. Mit einem Ruck, begleitetet von ihrem barbarischen Schrei, riss sie sich die Harpune aus dem Leib und bevor Brian sie erreichte, machte sie einen Hechtsprung und tauchte im dunklen Wasser unter. „Verflucht!“, fauchte Brian. „Fas, schnapp dir Lex und bring ihn her!“, rief er dann laut. Mit was für einer Leichtigkeit sie ihn über ihre Schultern wuchtete, erstaunte mich wirklich. Nie im Leben hätte ich Fay solche Kräfte zugetraut. Aber vermutlich hatte es auch an der Sorge und die Wut, die sie gepackt hatte, gelegen. Auf jeden Fall schulterte sie ihn und trug ihn zu uns auf Boot. Esmeralda half ihr, ihn auf den Boden zu legen. Besorgt strich sie ihm über die Wange. Seine Brust hebte und sengte sich kaum und hätte man keine besonders guten Augen, würde man denken, er sei tot. Brian sah mit steinerne Miene auf seinen Sohn und ich meinte mir einzubilden, so etwas wie Sorge in seinen Augen zusehen. Ich musste etwas lächeln. Trotz dass sie sich so angeschrien hatten und Brian den Eindruck machte, kleine Kinder zum Frühstück zuessen, war er nicht anders, als jeder Familienvater auch. „Kümmert Euch um ihn!“, wies er sie an und wandte sich dann an mich. „Allison!“ „J-Ja?“, brachte ich unsicher hervor, weil er wieder den gewohnten Befehlston annahm. „Rufe Erik. Sag ihm es gibt Arbeit!“ „Nicht nötig. Ich bin hier. Ich mag zwar ein Wolfsdämon sein, aber man muss mich nicht rufen, wie eine dumme Töhle!“, sagte Erik, der, wie immer, wie aus dem Nichts auftauchte und sich neben mich stellte. Deutlich hörte ich in seinen Worten, wie sehr es ihn wütend machte, dass Brian über ihn herzog. Aber machte er dasgleich nicht bei Brian. Die beiden waren wirklich wie Feuer und Wasser! Ich sah deutlich an Brians Mundwinkel, dass er sich ein Kommentar in Bezug auf Eriks Worte verkneifen musste. Doch ich konnte in seinen Augen lesen:„ Was gibt es da für einen Unterschied?“ Laut sagte er:„ Allison, schnapp dir den Scheinwerfer und leuchte damit auf das Wasser. Wäre möglich, dass das Miststück wieder zuschlägt und sich Lex schnappen will!“, sagte er und ich nickte. Machte mich an dem Scheinwerfer zuschaffen und schaltete ihn an. Fay hatte mir gezeigt, wie es ging und ich schwengte ihn umher, sodass der Schein über dem Wasser schwebte und hinundhertanzte. Esmeralda und Fay kümmerten sich um Lex. Während ihre Mutter die Stirn von Lex kühlte, redete Fay auf ihn ein. Strich über seine Wange. Brian stellten Backbord und Erik Steuerbord. Schauten auf das Wasser, was dunkel, beinahe schon schwarz zu sein schien. Alles um uns herum war in tiefste Schwärze getaucht und es würde schwer werden, etwas zuerkennen. Ich ließ ebenso wachsam den Blick über das Wasser wandern. Gleichzeitig glitt das Licht des Scheinwerfers umher. Folgte meiner Kopfbewegung und immer wenn ich glaubte, eine Bewegung unter der Oberfläche zusehen und kaum dass ich den Scheinwerfer darauf richten konnte, war nichts zusehen. Ich dachte, ich hätte mir das nur eingebildet. Schaute zu Erik. Und da trafen sich unsere Blicke. Und auch ohne ein Wort, das er aussprach, verstand ich, was er mir sagen wollte. „Lass dich nicht täuschen. Du kannst mehr sehen, als jeder andere Mensch!“ Ich schluckte, weil ein kleiner Teil von mir wusste, dass er Recht hatte. Ich schaute erneut in das Wasser. Doch durch das Licht des Scheinwerfers konnte ich kaum etwas erkennen. Es stach mir aufeinmal so entsetzlich in die Augen, trotz dass ich nicht direkt reinschaute. Ich blinzelte. Versuchte die Tränen loszuwerden, die es mir schwermachten, etwas zu sehen. So geht das nicht, dachte ich und ehe ich wusste, was ich da eigentlich tat, schaltete ich das Gerät aus. „Allison was machst du da?“, fragte Brian, der nicht begriff, was ich mir dabei gedacht hatte. Ich konnte es selber nicht, doch ich zischte nur. „Schhhht. Ich glaube, ich höre etwas!“, sagte ich. Brian und Erik tauschten einen Blick. „Wie soll sie etwas hören?“, formten Brians Lippen. Erik schaute ihn eine Weile mit ausdrucksloser Miene an. Dann lächelte er wissend. Er weiss etwas, schoss es Brian durch den Kopf. Wie als wenn Eriks stumme Worte einen Schalter in mir umgelegt hatten, waren beine Sinne, was das Sehen und Hören anging, aufs feinste geschärft. Mit einem Male, glaubte ich alles zu hören. Zu sehen. Wie war das möglich? Ich versuchte nicht länger darüber nachzudenken, da es mich den Kopf kosten konnte, wenn ich nicht ganz bei der Sache war. Also schweifte mein Blick weiterhin über die Wasseroberfläche. Saugte sich an der schwappenden Oberfläche fest und es kam mir vor, als würde nichts meinem neuen Sehsinn entgehen. Da! Ich es gesehen. Nur kurz aber deutlich genug. Das Auftauchen eines geschuppten Schwanzens. Ich drehte mich um, wollte es den anderen sagen. Doch da schoss Lex wie von einer Tarantel gestochen hoch und schlug um sich. Fegte Fay und Esmeralda weg, als seien sie Nichts und stürmte auf mich zu. Mit wilder Wut in den Augen und einem Schrei, der mir wahrlich Schauer über den Rücken laufen ließ, ging er auf mich los und wollte mich packen. Ich wich aus. Schneller, als ich es mir zugetraut hätte und entging so seinem Angriff. Lex prallte gegen die Reling, verharrte kurz an Ort und Stelle, dann drehte er sich zum mir herum und wieder blitzte diese Wut in seinen Augen auf. Was hatte er nur gegen mich, fragte ich mich. Zwar hatten wir unsere Differenzen, aber dennoch traute ich ihm nicht zu, dass er mir was antun wollte. Nein, es musste etwas anderes sein, das ihn zu solch einer blinden Wut brachte. Die Meerjungfrau! Dieses Miststück hatte immernoch Macht über ihm. Lex warf sich erneut auf mich, noch ehe ich weiter nachdenken konnte. Aber bevor er mich erreichte, war Erik zur Stelle und knockte ihn mit einem gezielten Schlag seines Ellenbogens in dessen Nacken aus. Lex brach zusammen wie eine Puppe. Rührte sich nicht. Ich sah von ihm auf Erik, der sich keiner Schuld bewusst war. Brian hingegen warf Erik einen wütenden Blick zu. Und ich kontne mir gut vorstellen, dass das berechtigt war. Wenn es schlecht aussah, hatte Erik Lex mehr als nur K.O geschlagen. Um sicher zusein ging ich zu ihm und legte die Hand auf seinen Rücken. Zu meiner Erleichterung hob und senkte sie sich sich. Schwach zwar. Aber sie bewegte sich. Ich schaute zu Brian und nickte. Er schien sich etwas zu entspannen. Sah Erik aber dennoch missbilligend an. Schüttelte dann den Kopf und ging zu seiner Frau und zu Fay. Half ihnen hoch. „Was…was war das? Ich hatte das Gefühl ein Lkw würde mich niedermähen!“, murmelte Fay, wo Esmeralda nichts sagte, sondern einfach nur aufstand und zu ihrem Sohn sah. Welche Höllenqualen sie bei seinem Anblick erdulden musste, konnte ich in ihren Augen sehen und vielleicht nicht mal wirklich erahnen. Lex steht immernoch unter dem Einfluss der verdammten Nixe!“, knurrte Brian und drehte sich um. „Aber fürs erste keine Gefahr!“, sagte Erik beiläufig, woraufhin er einen weiteren erbosten Blick von Brian erntete. Ich musste etwas lächeln. Wie die kleinen Kinder, dachte ich. „Dann sollten wir uns dieses Miststück endlich schnappen!“, sagte Esmeralda und ich erschrack, als ich den Hass und die Wut in ihren Worten hörte. Etwas in ihrem Gesicht, welches sanft war, ließ mich erschauern. In ihren Augen glomm soviel Wut, dass ich glaubte, Feuer in diesen lodern zusehen. Ich schluckte. Und bildete ich mir das nur ein, oder war es hier plötzlich sehr sehr heiss geworden? Ich konnte mir nicht erklären, woher diese kam. Wir waren mitten auf dem Meer und es gab hier nichts, was solch eine Wärme ausstrahlen konnte. Ich schaute zu Esmeralda, die immernoch vor Wut kochte und… Diese Wärme. Ich hätte schwören können, dass sie der Ursprung dieser Hitze war. Die Luft um sie herum filmmerte, als würde sie brennen. Aber das war doch nicht möglich! Brian musste bemerkt haben, wie ich sie ansah. Er legte die Hand auf ihre Schulter und die Hitze, das Flimmern, wurde schwächer. „Wir müssen jetzt ruhig bleiben!“, ermahnte sie mit sanfter, aber fester Stimme. Esmeralda nickte. Ich war verwundert. Diesesmal schien Brian seine Frau zur Ruhe bewegen zuwollen. „Du hast recht!“, murmelte sie. Ich tauschte einen Blick mit Erik. Er war anscheinend genauso baff von Esmeraldas kurzen Ausbruch. Dann aber wandte er sich wieder dem Wasser zu. Und kaum hatte er das, barste die Wasseroberfläche auseinander und die Meerjungfrau schoss auf ihn zu. Hatte die Arme ausgestreckt und wollte ihn packen. Ihn mit sich in das Wasser ziehen. Doch Erik reagierte schnell und wich ihr aus. Schwang dabei den Arm und… Spielten mir die Augen einen Streich, oder hatte sich an der Unterseite seines Unterarms ein Sensenblatt gebildet? Es war plötzlich dagewesen, als wäre es aus ihm herausgewachsen. Mit einer tödlichen, elegentanmutenden Bewegung seines Armes, fügte er ihr eine tiefe Wunde am Bauch zu, aus dieser ein dicker Schwall schwarzen Blutes hervorquoll. Die Meerjungfrau schrie auf und hielt sich den Bauch. Dann tauchte sie wieder unter Wasser und verschwand. Erik blieb stehen wo er war. Den Arm, mit dem Sensenblatt, zum nächsten Angriff erhoben und schaute mit grimmiger Miene aufs Wasser. Ich ging zu ihm hin. Sah mir das Sensenblatt genauer an. Schwarzes Blut klebte daran und ich musste Schlucken. Erik musste bemerkt haben, wie ich ihn und seine „Waffe“, ansah, denn er senkte sie ein wenig und sah mich mit einem schwachen Lächeln an Offenbar war es ihm unangenehmen, dass ich ihn mit solch einem Ding sah. „Ziemlich einschüchternd, oder?“, fragte er. Ich nickte bloss. Was sollte ich auch dazu schon sagen? „Schicke Sense, Alter?“, oder „ Hey, woher kriegt man sowas her? Ich will auch so ein Teil!“ Nein, ich würde mich hüten, etwas dergleichen von mir zugeben. Da es zumal nicht der richtige Zeitpunkt, über selbsterschaffene Waffen zu sprechen. Dennoch brannt mir schon die eine oder andere Frage unter den Nägeln. Aber das musste erstmal warten. Wir mussten die Meerjungfrau aufhalten. Nur war sie wieder unter dem Wasser und wer weiss, wann und wie die wieder hochkam. So warteten wir und warteten. Die Zeit schien sich zuziehen wie Kaugummi und ich wurde immer unruhiger. Selbst das Wasser umuns herum schien sich in etwas verwandelt zu haben, was uns gefährlich werden konnte. Es war leiser geworden. Die Wellen bewegten sich langsam, lauernd, als hätten sie ein eigenes Bewusstsein. Ich schauderte, als ich mir vorstellte, wie die Meerjungfrau unter der Wasseroberfläche umherschwamm und uns beobachtete. Wie sie darüber nachdachte, wie sie uns erwischen kann. Aus irgendeiner mir nicht zuerklärenden Furcht, aber vermutlich war es auch Vorsicht, nahm ich etwas Abstand von der Reling und schaute zu den anderen. Jeder war hoch konzentiert, suchte im Dunkeln der Nacht nach einem Hinweiss, der die Meerjungfrau verriet. Sie schienen mich ganz vergessen zu haben. Nur Erik nicht. Immer wieder blickte er zu mir hinüber. Versuchte wohl in mich zuschauen. Ich konnte deutlich fühlen, wie seine dunklen Augen durch mich hindurch gingen und einen Teil in mir berührten. Ein komisches und auch unangenehmes Gefühl. Ich drehte mich weg von ihm und ging zur anderen Seite des Bootes. Schaute über die Reling und blickte in das grausamlächelnde Gesicht der Meerjungfrau. Keine zwanzigzentimeter von mir entfernt. Noch ehe ich den Mund aufmachen konnte, um den anderen bescheid zugeben, wickelte sich auch schon ihr langer Schwanz um meine Kehle, wie eine zuschlagende Peitsche und mit einem brutalen Ruck riss sie mich in die Tiefe. Das Letzte, was er von Allison noch sah, waren ihre Beine, die über die Reling rutschten und das Wasser, das auspritzte, als sie hineinfiel. „Allison!“, schrie Erik alarmierend und stürzte an die Stelle, an der Allison über Bord gegangen war. Brian, Esmeralda und Fay folgten ihm. Doch es war zuspät. Allison war bereits verschwunden. Hinuntergezogen in die Tiefen des Wassers. Erik verharte mit ausgestrecktem Arm über die Reling gebeugt und starrte aufs Wasser. Seine Gedanken überschlugen sich. Allison! Er hatte Allison nicht rechzeitig retten können. Nun war sie verloren. Große Luftblasen stiegen an die Oberfläche und zerplatzten, als sie diese durchstiessen. Luftblasen, die aus Allisons Lunge kamen. Erik grub die Finger in das Holz der Reling, bis es splitterte. Warum war er nicht wachsamer gewesen? Er hätte wissen müssen, dass sowas passieren würde! Er kannte die dunklen Wesen doch besser, als jeder andere. Er war schließlich selber eins. Und dennoch war es ihm nicht gelungen, den Feind rechtzeitig zudurchschauen. Ihn zuspüren und einzugreifen, ehe etwas mit ihr passiete. Dabei hatte er doch versprochen, sie zu beschützen. Aber er hatte versagt und er verfluchte sich selbst für seine Nachlässigkeit. „Verdammt!“, fauchte er und trat gehen die Reling. Das Wasser brach über mich zusammen, wie ein Haus und begrub mich unter sich. Ich versuchte mich aus dem Griff der Meerjungfrau zu befreien. Doch das einzige, was ich damit erreichte, war, dass mir die Luft knapp wurde. Ich öffnete die Augen. Sah, wie das Boot, auf dem ich ebennoch war, immer mehr und mehr verschwand. Und damit auch die Wasseroberfläche. Sie rückte immer weiter von mir weg, bis das matte Licht verschwand mich nur noch tiefste Dunkelheit umfing. Ich hörte auf, mich zuwehren, da ich spürte, wie mir erst die Luft und dann die Kraft ausging. So hing ich wie eine Puppe in dem Griff der Meerjungfrau und wurde schwächer und schwächer. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit ergriff mich. Mein Körper, der vorher schwer, voller Leben war, wurde ganz leicht. Soleicht wie eine Feder. Soleicht, dass es die Strömung leicht hätte, mich wegzutragen. Mein Haar tanzte in dem Wirbeln des Wassers hinundher. Kleine Luftblasen entwischen aus meiner Nase und trieben nach oben. Ich zählte sie. Eins… zwei…drei…vier fünf…sechs…sieben…acht…neun…zehn Es wurden immer mehr. Mit jeder Luftblase, die nach oben entwich, wurden auch meine Augenlider schwerer und ich verlor mich immer mehr in der Dunkleheit, die nicht nur um mich, sondern sich auch in mir breitmachte und mich lähmte. Irgendwann veror ich das Bewusst sein. Hörte nur noch die Schläge meines Herzens, die mit jedem Zucken, das es tat, schächer und leiser wurden, bis es gänzlich verstummte. Doch kaum, dass ich richtig starb, presste sich etwas auf meinem Mund und pumpte mir mit solcher Wucht Luft in die Lungen, dass ich glaubte, sie würden platzen. Ich riss die Augen auf, schrie auf, als der Schmerz in meiner Brust ins unerträgliche stieg und blickte in die dunklen Augen der Meerjungfrau. Sie war es, die mir die neue Luft gab. Sie presste mir ihren Mund auf meinen. Ekel wich meinem Schmerz und ich versuchte mich aus ihrer Umklammerung zuebefreien. Scheiss darauf, dass ich wieder meine neuegewonnene Luft verlor und ertrank, wie eine Ratte. Von diesem Miststück wollte ich geküsst werden. Dieser Nixe erging es wohl nicht anders. Ich sah ihr deutlich an, dass es ihr zuwider war, dass sie mir neue Luft in die Lungen pumpte. Also fragte ich mich warum? Warum tat sie das, wenn ich schon ohnehin sogut wie tot war? „Glaubst du, ich mache es dir soleicht?“, hörte ich plötzlich eine krächzende Stimme und erschauderte. Sie war so kalt und scharf, wie Eis, das zersprang. Und ich wusste sofort, dass es nur die Meerjungfrau sein konnte, die da mit mir redete. Wer sollte es sonst sein. Wir waren allein hier! „Was hast du mit mir vor?“, fragte ich und die Meerjungfrau lächelte, so dass ich ihre spitzen Zähne sehen konnte. „Normalerweise sind mir leckeraussehende Männer lieber. Aber bei dir machte ich eine Ausanahme!“ Mir gefror das Blut in den Adern. Mit irgendwas hätte ich schon gerechnet, aber nicht damit. Und zuerst dachte ich, sie wollte mich verarschen. Mit mir spielen. Doch ein Blick in die Augen der Meerjungfrau und ich wusste es besser. Dieses Ding wollte mich wirklich fressen. „Willst du das wirklich? Ich schmecke ganz schrecklich!“, versuchte ich es, auch wenn ich wusste, dass es wenig bringen würde. Die Meerjungfrau grinste und zischelte, was wohl ein Lachen sein sollte. „Es wird schon gehen!“ Dann öffnete sie den Mund und ihre Zähne regten sich mir entgegen. Ich regte wiederum den Kopf weg. Wollte den Moment hinauszögern, in dem sie mir den Kopf abbeissen wollte. Trotz mit dem sicheren Wissen, dass es mir nichts bringen würde. Selbst wenn ich ihr entwichte, so würde ich es nicht rechtzeitig an die Oberfläche schaffen. Ich würde ertrinken, noch ehe ich die Wasseroberfläche durchbrach. Aber ertrinken schien mir ein weitaus schönerer Tod, als von ihr verspeist zuwerden. Ich ergriff daher ihre Handgelenke und versuchte sie von meinem Hals zubekommen. Drosch auf diese, aber durch das Wasser waren meine Bewegungen viel zulangsam und zu kraftlos, als dass ich etwas damit erreichen konnte. Naja, etwas erreichte ich schon. Nämlich dass sich die Meerjungfrau vor Lachen bog und es noch mehr genoss, mich zappeln zulassen. Ihr Mund näherte sich dabei immer mehr meinem Gesicht und auch die Luft wurde mir wieder langsam knapp. Aber diesesmal nicht schnell genug, als dass ich den ersten Biss nicht spürte. Dafür hatte sie ja gesorgt. Angst erfüllte mich, wie es die neue Luft tat und machte mich zugleich schwer wie Blei. Meine Bewegungen waren zäh und langsam. Genauso gut hätte ich es sein lassen können. Es würde nichts bringen. Ich würde als Snack für dieses Monster enden. Fay, Erik, Brian und Esmeralda werden mir nicht helfen können. Sie würden nicht mal wissen, wie ich zu Tode kam. Ich würde einfach sterben. So wie Mama gestorben war. Ohne großes Tam-Tam und ohne die Musik, die man in den Filmen zuhören bekam, wenn der Held starb. Einfach so. Als würde man eine Kerze ausblasen. Ich spürte schon, wie sich die Zähne der Meerjungfrau in das Fleisch meiner Wange bohrten, als sich plötzlich etwas in mir meldete. „Reiss dich zusammen!“, hörte ich eine Stimme, in meinem Kopf mich anfauchen und ich runzelte die Stirn. Diese Stimme kam mir seltsamerweise bekannt vor. Ich hatte sie schon mal gehört. Mehrmals sogar. Doch mir fiel nicht ein, woher. Statt mich weiter zufragen, wem diese Stimme zugehören schien, lauschte ich ihr trotzdem weiter. „Lass dich nicht von diesem Biest kleinkriegen. Wehr dich verdammt!“, keifte sie mich an. „Aber soll ich das?“, fragte ich und noch ehe die Stimme mir antworten konnte, schien sich meine Hand selbstständig zu machen. Sie griff langsam in das Innere meiner Jacke, suchte in dieser, ehe sie etwas kaltes, hartes spürte und die Finger darum schloss. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was das sein konnte. Aber dann blitzte ein Bild vor meinen Augen auf und ich sah was meine Hand hielt. Einen Dolch. Den Dolch, den mir Esmeralda gegeben hatte, damit ich mich wehren konnte. Wie war er denn in meine Jacke gekommen? Ich konnte mich nicht daran erinnern ihn eingesteckt zuhaben. Oder hatte ich ihn doch eingesteckt und es nur wieder in der Hektit vergessen. Es war auch eigentlich egal. Denn jetzt hatte ich etwas, womit ich mir diese Bitch vom Halse schaffen konnte. Noch ehe sie weiter ihre Zähne in meine Wange graben konnte, schnellte mein Arm nach oben. Vergessen war die bleiernde Schwere und das Gefühl der Angst. Meine Kraft war wie durch Knopfdruck wiedergekommen und ließ meine Hand mit den Dolch zu der Brust der Meerjungfrau hochschnellen. Tief bohrte sich die Klinge in ihr Fleisch und die Meerjungfrau kreischte auf. Entließ mich dann aus ihren Griff. Und ich nutzte diese Chance. Mit kraftvollen Bewegungen begann ich loszuschwimmen und bewegte ich mich der Wasseroberfläche entgegen. Die Kraft, die mich ergriff, war wie ein Motor, der mich immer weiter vorantrieb. Ich schaute nicht nach unten, aus Angst, dass ich langsamer werden und die Meerjungfrau mich doch noch wieder in die Finger bekommen würde. Stattdessen konzentrierte ich mich nur darauf, dass ich in Bewegung blieb und mich so weit wie möglich von ihr entfernte, wie es mir möglich war. Schon sah ich die Wasseroberfläche und das Boot, was oben auftrieb. Nur wenige Meter von mir entfernt, aber nahe genug, dass ich es sehen und auch erreichen konnte. Neue Hoffnung kam in mir hoch, ließ die Kraft noch stärker werden und ich zwang mich weiter zuschwimmen. Weiter, immer weiter. Nicht aufhören. Du hast es bald geschafft! Plötzlich wurde mir die Luft knapp. Ich hatte ganz vergessen, dass die Luft nur begrenzt war und nun wieder aus meinen Lungen entweichen würde. Sie blubberte bereits als Bläschen aus meinen Nasenlöchern und sie wurde immer weniger, bis ich kaum noch welche hatte und meine Lungen brannten, als stünden sie in Feuer. Doch ich gab nicht auf. Sondern beeilte mich nur noch mehr, an die Oberfläche zu kommen. Nur noch wenige Meter dann hätte ich es geschafft. Ich begann die Entfernung zu zählen. Drei Meter, zweiundhalb Meter. Zwei meter. Ein Meter. Ein halber Meter. Noch während ich weiterhoch schwamm, riss ich den Mund auf und Wasser strömte mir in die Luftrörhe. Dann durchstiess ich die Wasseroberfläche und das erste, was ich tat war, Luft in meine brennenden Lungen zu saugen. Dabei hustete ich und meien Brust schmerzte. Doch ich froh, es geschafft zu haben. „Da! Da ist sie!“, hörte ich wie aus weiter Ferne und ich drehte mich um. In die Richtung, aus der ich die Stimme glaubte und ein Licht flammte auf. Blendete mich, doch dann wurde es weggedreht, wurde etwas schwächer, sodass ich was erkennen konnte. Ein Scheinwerfer! Sanftes Motorbrummen ertönte und die Wellen um mich wurden stärker, schoben mich etwas weg. Dann tauchte eine Bootswand neben mir auf und ehe ich richtig begreifen konnte, was eigentlich passierte, packten mich zwei Arme und zogen mich aus dem Wasser. Eine warme Decke wurde um mich gewickelt und erst da bemerkte ich, wie kalt mir war. Ich klapperte mit den Zähnen und zog die Decke enger um mich. Arme umfingen mich, spendeten mir zustätzlich Wärme und ich lehnte mich an dem warmen Körper an. „Geht es ihr gut?“, fragte eine aufgeregte Stimme und so langsam erkannte ich sie. Fay! Ich schaute nach rechts, wo sie neben mir stand und mich besorgt anschaute. Ich lächelte. „Ja, es…es geht wieder!“, sagte ich atmelos. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, weißt du das!“, sagte Brian, der zu uns trat. „Sorry, war keine Absicht!“, brachte ich schwach heraus und dämmerte für einen kurzen Moment weg. Doch dann schreckte ich hoch. „Die Meerjungfrau!“, entfuhr es mir. „Sie…sie wollte mich fressen. Aber ich konnte ihr entwichen!“ „Wie das?“, fragte Erik nun. Er hatte sich bis jetzt zurückgehalten. Aber nun schien er neugierig zusein. Ebenso auch die anderen. Sie sahen mich fragend an. Und warteten darauf, dass ich ihnen davon erzählte. „Ich habe ihr meinen Dolch in die Brust gerammt. Dadurch ließ sie mich los und ich konnte ihr entwichen!“ „Dann ist es vorbei?“, fragte Fay hoffnungsvoll. „Sieht ganz so aus. Ich kenne keine Dämonenkreatur, die einen Stoss in die Brust überlebt!“, sagte Brian sachlich, der auch erleichtert war, dass dieser ganze Spuk vorbei war. „Da die Klinge des Dolches aus geweihtem Silber war. Und Silber tötet ja alles, was schwarzes Blut hat!“ Bei diesen Worten blickte er Erik an. Ich folgte seinem Blick und Erik drehte sich um. Der Ausdruck in seinen dunklen Augen war mörderisch. Ich konnte deutlich spüren, dass ihm diese Andeutung nicht gefiel und dass er ihn deswegen zugerne eine verpasst hätte. Doch da schoss eine Wasserfontäne in die Höhe und die Meerjungfrau tauchte auf. Wütend fauchend und mit gebleckten Zähnen. Mir schnürte sich die Kehle zu. Ich dachte, ich hätte sie mit dem Dolch erwischt. Aber wie es aussieht, habe ich nicht gut genug zugestossen. Nun würde sich das rächen. Blitzschnell umrundete sie das Boot und war auch schon über mir und Esmeralda. Ihre dunklen Augen sahen mich rasend vor Hass an. Ich konnte deutlich erkennen, dass sie vor nichts halt machte, um mich für die Verletzung büßen zulassen. Dass Esmeralda neben mir war, störte sie nicht. Sie würde ebenso dafür zahlen müssen. Weil sie in meiner Nähe war. In blinder Wut vergass man alles. Das sah ich der Meerjungfrau deutlich an. Mit einem widerlichen Grinsen, baute sie sich vor uns auf und schnellte im nächsten Moment, wie eine angreifende Kobra vor. Doch bevor sie uns erreichen konnte, warf sich Erik dazwischen und das nächste, was ich sah, war, wie sich ihre Klauen tief in seine Schultern gruben und sie die Zähne fletschte. Sie hätte sie in sein Gesicht geschlagen und es zerfetzt, wenn er nicht schnellgenug reagiert hätte. Mit aller Kraft stemmte er sich mit seinen Händen gegen ihre Schultern und hielt sie sich so vom Lein. In ihrer Raserei schnappte sie mit ihren Kiefern, hieb mit ihren Klauen nach ihm. Fügte ihm dabei tiefe Wunden zu. Erik knurrte. „Verdammtes Miststück!“ „Hey, ich könnte etwas Hilfe gebrauchen!“, rief er laut zu Brian und dieser zögerte kurz. Überlegte wirklich ob er ihm helfen wollte. Ich wollte schon etwas sagen, als es Erik tat und er klang mehr als wütend. „Brian, beweg endlich deinen Arsch hierher!“, keifte er und schrie im nächsten Moment auf, als er kurz nicht aufpasste und sie ihre Zähne in seine Schultern schlug. Daran riss und zerrte. Blut strömte aus seiner aufgerissenen Schulter und floss über die Bodenbretter des Bootes. Ich schrie und sprang auf. Wollte auf ihn zuhechten. Ihm helfen. Doch Esmeralda hielt mich zurück. „Nicht, sie wird dich zerreissen!“, rief sie. „Aber er stirbt, wenn wir nichts unternehmen!“ Wieder hörte ich Erik schreien. Und es wurde mir eiskalt. Wo ich mich vorher wie betäubt gefühlt hatte, packte mich nun die kalte Angst. Machte mich schwer wie Blei. So wie als der Penanggalan seine Zunge in die Brust Eriks gestossen hatte. Damals hatte ich mich genauso hilflos gefühlt. Und jetzt war es nicht anders. Erik schrie und schrie. Kämpfte verbissen darum, dass sie nicht noch mehr ihre Zähne in ihn hineingrub. Gab ihr einen satten Hieb gegen das Kinn und kurz war sie benommen. Plötzlich peitschte ein Schuss auf und ein Pfeil bohrte sich in die Seite der Meerjungfrau. Sie schrie gellend auf, so wie es Erik getan hatte. Erik nutzte diese kurze Ablenkung und stemmte seine Füsse gegen ihre Brust. Riss dabei den Dolch aus dieser, sodass schwarzes Blut hinausströmte und drückte die Knie durch. Schubste sie so weg und kroch ruckwärts zurück. Hielt sich dabei seine verwundete Schulter. Nur langsam kam er wieder auf die Beine. „Verdammt!“, spie er und in seinem Gesicht spiegelte sich Wut und Schmerz. Die Wunde machte ihm schwer zu schaffen. „Tut´s weh?“, fragte Brian überflüssigerweise, woraufhin Erik ihm wütendeden Blick zuwarf. „Natürlich tut es weh. Denkst ich stehe darauf!“, konterte er scharf. Die Meerjungfrau war ebenso angefressen. Denn kaum dass sie sich den Pfeil hatte raus gezogen hatte, versuchte sie es nun anders. Mit ihrem Fischwanz versuchte sie das Boot zum Kentern zubringen und uns damit ins Wasser zuwerfen. Es schwankte und knarrte bedrohlich. Die Seitenwände neigten sich soweit zur Seite, dass das Wasser schon hineinschwabte und den Boden rutschig machte. Ich schlitterte hinundher und hatte Mühe mich auf den Beinen zuhalten. Esmeralda packte mich am Arm und hielt sich wiederum an der Reling fest. Fay eilte zu ihrem immernoch bewusstlosen Bruder, legte sich auf ihn. Verhinderte so, dass ihr Bruder über die Reling rutschte und doch noch in die Klauen der Meerjungfrau fiel. Brian lief, wie immer er das auch schaffte, zum Abschussstelle der Harpune und rief nach Erik. Erik ging zu ihm. Schwangend und sich immernoch die Schulter haltend. Aber dennoch glitt er nicht aus und erreichte ihn schnell. Durch das Toben des Wassers und dem wütenden Peitschens des Fischschwanzes, konnte ich kaum etwas hören. Doch ich brauchte auch nicht hören, was sie sagten, um zu wissen, was sie vorhatten. Aus einer Belchkiste holten sie einen langen, silbernen Stab, mit einer tödlichen, und an den Rändern gezackte, Spitze. Eine Harpune. Etwas sagte mir, dass sie sie diesesmal wirklich erwischen würden und ich freute mich schon, dieses Miststück am Haken zappeln zusehen. Mit einem Nicken gab Erik Brian zuverstehen, dass alles bereit war. Brian nickte ebenso. Lief dann zu uns zurück und noch bevor er sagen konnte, was nun kommen würde, packte er mich und schleifte mich einmal quer über das ganze Deck. Dann drückte er mich gegen die Reling. Beugte meinen Oberkörper mit brutaler Kraft, dass ich fürchtete, er würde mit die Wirbelsäule brechen, soweit zurück, bis ich beinahe auf der anderen Seite runterfiel. Ich war zu überrascht und dann zu entsetzt, um wirklich zubegreifen, was das sollte. Im Hintergrund hörte ich Esmeralda und Erik gleichzeitig aufschreien. „Brian, bist du wahnsinnig?“ „Was soll das, du verammter Bastard?“ Doch Brian hörte nicht auf sie. Weder auf seine Frau, noch auf Erik, der vor Wut schäumte und dessen Stimme sich überschlug. Unfähig mich zurühren oder mich gar zuwehren, blieb ich so, wie er mich festhielt. Ich konnte nichts anderes tun, als ihn anzusehen. In sein Gesicht und in seine Augen, in denen soviele Gefühle, negative Gefühle, sich spiegelten und abwechselten, dass es mir den Atem raubte. Ich verstand einfach nicht, was in ihn gefahren war. Dann aber erinnerte ich mich plötzlich wieder daran, wie er mich zum ersten Mal angesehen hatte und wie sehr es ihm gegen den Strich ging, mir zu helfen. War nun die Chance für ihn gekommen, um mich loszuwerden? Hasste er mich so sehr, dass er mich der Meerjungfrau opfern wollte? Möglich ist es. Ihm lag schließlich genauso viel, sie zuschnappen, wenn er so seinen Sohn retten konnte? Aber würde er wirklich soweit gehen? War ich dafür der passende Köder? War ich nur ein Kollateralschaden, den man leicht verschmerzen konnte? In meinem Kopf gab es ein heilloses Durcheinander von Fragen und deren Antworten, die mich zusehr schockierten, als dass ich sie genauer erfahren wollte. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass er sehr wohl soweit gehen würde. Immerhin wurde er nicht nur die Meerjungfrau so los, sondern auch mich. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Wie als wenn er meine Gedanken gelesen hätte, lächelte er schwach. „Nimm es nicht persönlich!“ Das Gefühl der Lähmung, hervorgerufen durch das Ensetzen, verblasste und machte Wut platz. So plötzlich, dass mir der Kopf schwirrte. Nimm es nicht persönlich? Pah, was dachte sich der Scheisskerl? Das ich es einfach so hinnehme. Am Arsch! „Bastard!“, fauchte ich und gab ihm einen Tritt dorthin, wo es richtig wehtut. Brian zuckte. Verzog das Gesicht. Fluchte. Doch er ließ nicht los. Dabei hätte so ein Tritt einem Mann locker in die Knie gezwungen. Aber anscheinend war er so dermassen in seinem Wahn, mich zum Frass vorzuwerfen, dass ihn das nicht mal kratzt. Ich schaute zu Erik. Hilflos und ohne ein Wort über die Lippen bringend. Blanke Wut und fassunglosigkeit war in seinem Gesicht gezeichnet und ich konnte mir gut vorstellen, was in ihm vorging. Damit hätte er nicht gerechnet, dass Brian mich einmal umbringen wollte und dass er es bereute, diesem falschen Hund zuvertrauen. Seine Hände krümmten sich zu Klauen, seine Fingernägel verlängerten sich und glichen an Messer, die im dämmrigen Licht blitzten. Er wollte schon auf ihn zuhetzten, um ihn von mir zureissen. Doch Brian vereitelte dies. „Bleib wo du bist, oder ich breche ihr das Genick!“, schrie er und nichts an seinen Worten ließ den Zweifel zu, dass er es wirklich tun würde. Erik hielt inne, kämpfte mit sich. Brian beachtete das nicht weiter, sondern wandte sich an das Wasser und rief:„ Los, worauf wartest du? Hol sie dir!“ Mehr brauchte er nicht zurufen, denn es dauerte keine zwei Sekunden, als sie aufhörte, dass Boot zum Kentern zubringen und sich aus dem Wasser zuerheben. Mit einem irrem Funkeln und einer Gier, die mich würgen ließ, in den Augen, beugte sie sich zu uns hinunter und riss ihr widerliches Maul auf. Ich stöhnte, als ihr ekelhafter Geifer auf meine Stirn tropfte. Langsam, als wollte sie es geniessen, senkte sie den Kopf, bis sie dicht mit ihrem Gesicht über meinen war und ihr fauler Mundgeruch mir in die Nase kroch. Wäre ich nicht so wütend und voller Angst, hätte ich ihr ins Gesicht gekotzt. Die Zeit schien still zustehen, während ich der Meerjungfrau in den weitgeöffneten Rachen schaute und glaubte, es sei nun vorbei. Mein Kopf war wie in Watte gepackt. Nur schwach hörte ich, was sich um mich herum abspielte. Eine gespenstische Ruhe ergriff mich und ließ für mich alles nebensächlich, unwichtig erscheinen. War das die Ruhe, die jeden ergriff, wenn man starb? Vor meinen Augen verschwamm alles, wurde zu einem Wirbel aus Schatten und ich schloss die Augen, weil es nicht sehen wollte. Nicht die lange Zähne, die sich meinem Gesicht entgegen streckten und der Schlund, durch den ich gleich rutschen würde. Stück für Stück. Dann hörte ich wie aus weiter Ferne, eine Stimme schreien. Das Wort, was sie sagte dehnte sich wie Kaugummi. „Jjjjjeeeeetttzzzttttt!!!“ Dann ein Schrei. Der Griff, der mich noch vor wenigen Minuten noch gepackt hielt, verschwand. Ein dumpfer Laut und ein Schrei, der mir in den Ohren schrillte, sodass ich fürchtete, mir würde das Trommelfell platzen. Dann klatschte mir etwas Feuchtes mir in das Gesicht. Hände rissen mich zurück, zogen mich weg von der Meerjungfrau, die mich eben noch gierig anschaute und sich nun die Brust hielt.Noch immer fühlte ich mich, wie benommen und nicht wirklich da. Dennoch konnte ich sie sehen. Sie steckte tief in ihrer Brust und diesesmal würde es wirklich aus mit ihr sein. Eine Harpune! Die Harpune, die Erik und Brian ebenoch gemeinsam vorbereitet und in Position gebracht hatten. Sie hatte sich tief durch den Leib der Meerjungfrau gebohrt und es brauchte keiner genuer hinzusehen um zuerkennen, dass sie wie ein Fisch am Haken nun zappelte. Vor Wut und großen Schmerzen schrie sie, warf sich hinundher. Versuchte die Harpune aus sich heraus zuziehen, doch die Zacken an der Spitze machten dies unmöglich, gruben sich noch tiefer in ihr Fleisch. Eine Kette quietschte und ächzte, als sie sich wehrte und ich sah, wie Brian auf sie zu kam, etwas Wütendes sagte und die Kette berührte. Kaum hatte er das getan, begann die Kette zuglühen, als würde man sie auf Höchste erhitzen. Dann explodierte sie in einem hellen Schein, der sich rasend schnell zu Feuer entwickelte. Fauchend und wie als wenn es eineiegenes Leben hätte, kroch es blitzschnell die Kette enlang und verschwand in der Harpune. Minuten vergingen, in dene nichts passierte. Doch dann begann die Meerjungfrau, wie von Sinnen zu schreien und um sich zuschlagen. Niemand wusste genau, was sich abspielte. Bis die erste Stichflamme aus ihr hervorschoss und sich dann mit rasender Geschwindigkeit über ihren gesamten Körper ausbreitete. Nach ersten, folgte eine zweite, eine dritte, eine vierte. Ich konnte nicht so schnell schauen, geschweige denn zählen, um noch zuerkennen, wie viele es waren. Sie umhüllten, bis sie eine brennende lebende Fackel war. Das Feuer frass sie von innen auf. Langsam und doch schnell genug, dass sie Schmerzen hatte. Keine Chance hatte, sich dagegen zuwehren. Mir wurde übel. Und so gern ich den Blick abgewendet hätte, ich konnte es nicht. Zu sehr hielten mich die Flammen in ihren Bann. Es war als zwangen sie mich, zu zusehen. Wo vorher schon das Geheule der Meerjungfrau laut und kaum zu ertragen war, glaubte ich nun, taub bei diesem Kreischen zu werden. Ich presste mir daher die Hände auf die Ohren, doch ich hörte ihre Schreie noch immer. Ich sah, wie sie verzweifelt versuchte das Feuer mit Hilfe des Wassers, in dem sie sich befand, zu löschen. Doch sooft sie auch Wasser auf sich spritzte. Sich darin wälzte. Das Feuer erlosch nicht, Im Gegenteil: Es wurde immer stärker, als wollte es ihr zeigen, dass es, und nur es, als Sieger in diesem Todeskampf hervorgehen würde. Schon bald lösten sich ver kohlte Haut und verschmorrte Fleischbrocken von ihrem Körper und fielen dampfend ins Wasser. Noch immer wehrte sich die Meerjungfrau, als wollte sie nicht wahrhaben, dass sie schon längst verloren hatte. Irgendwann verstummten ihre Schreie und auch ihre Bewegungen erschlafften. Das Feuer hatte nicht viel von ihr übrig gelassen. Zumindest nicht viel. Nur einen verkohlten Haufen, von etwas, was mal annährend daran erinnerte, was sie mal war. Ich war immernoch unfähig den Blick von de verbrannten Meerjungfru zu nehmen. Von einem Moment auf den nächsten war sie Vergangenheit und die letzten Sekunden, in denen ich dachte ich würde sterben, schienen wie in weiter Ferne gerückt zusein. Aus dem Augenwinkel sah, wie Erik auf mich zurannte. Brian dabei einen Stoss versetzte, der ihn kurz schwanken ließ und sich dann vor mich setzte. Seine Lippen bewegten sich, doch ich konnte nicht verstehen was er sagte. Ratlos und weil ich ihm eine Antwort schuldig war, öffnete ich den Mund versuchte etwas zusagen. Doch es kam nur ein heiseres Flüstern aus mir heraus. Dann, wie als wenn ein Knopf in mir betätigt wurde, wurde alles schwarz um mich herum und ich fiel tief in eine Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in meinem Zimmer. In meinem Bett. Der Morgen war schon lange vorbei und die Mittagssonne, war gewandert, sodass lange Schatten sich über den Boden zogen. Ich musste ganz schön lange geschlafen haben. Und fühlte mich so schwach, dass es mir wirklich schwerfiel, die Augen offenzuhalten. Die letzte Nacht und der Kampf blieben mir noch lange in Erinnerung und hatten an mir gezerrt. Mein Körper fühlte sich schwer wie Blei an und ich spürte, wie es in meinen Fingerspitzen und Fusszehen, eigentlich überall, kribbelte. Ein Zeichen, dass jeder Muskel in mir eingeschlafen war. Doch das war nebensächlich. Die Erinnerung an die letzte Nacht ließ mich erschauern. Auch wenn ich eigntlich froh sein sollte. Wir hatten die Meerjungfrau schließlich besiegt. Aber es war sehr eng gewesen. Nicht nur für Lex, sondern auch für mich. Ich war knapp dem Tode entkommen. Wiedermal. Ein schwerer Seufzer kam mir über die Lippen. Ich hoffte sehr, dass nicht zur Gewohnheit wurde. Immer wieder dem Tod gegenüber zustehen, war wirklich nicht lustig. Man konnte es sich so vorstellen, dass man mit der Achterbahn rauf und runter fuhr. Immer wieder und dass im neunziggradwinkel. Sowohl aufwärts, als auch hochwärts. Kein schönes Gefühl. Allem vorran, weil Brian es war, der mich bereitwillig in Gefahr brachte. Ich spürte noch deutlich seinen Griff an meinen Schultern und sah den Ausdruck in seinen Augen wieder. Mir wurde es noch kälter. Wie wild entschlossen er war. Er hatte keine einzige Minute gezögert um mein Leben herzugeben. Warum nur hasster er mich so sehr? Es klopfte an der Tür und ich war froh darüber, so aus meinen dunklen Gedanken geholt zuwerden. Ich richtete mich etwas auf und rief „Herein!“ Es war Fay, die hinein kam und mich mit einem Lächeln begrüßte. „Hey! Na? Endlich ausgeschlafen?“, fragte sie und schloss hinter sich die Tür. Ich nickte. „Ja, wie spät ist es denn eigentlich?“ „Kurz nach vier. Du hast fast den ganzen Tag geschlafen!“, sagte sie mit einem Schmunzeln, doch dann wurde sie ernst. „Kein Wunder, was gestern passiert ist!“ Ich nickte nur und musste wieder daran denken. Mein Magen knotete sich zusammen. Danach herrschte langes Schweigen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Immer wieder tauchte das Bild vor meinen Augen auf, in dem er mich über die Reling drückte und die Meerjungfrau sich über mich beugte. Ich glaubte, mir würde die Luft wegbleiben. Es ließ mich einfach nicht los. Zuerst kämpfte ich dagegen an, etwas zusagen, was sie womöglich vor den Kopf gestossen hätte. Irgendwann konnte ich es aber nicht mehr aushalten und platzte mit meiner Frage hinaus. „Warum hat dein Vater das getan?“ Fay wusste anscheinend sofort, was ich meinte, denn sie fragte nich nach, sondern sagte monton. „Er wollte dich nicht wirklich in Gefahr bringen!“ „Ach nein? So sah es aber nicht aus. Ich dachte wirklich, dass er mich diesem Miststück überlassen wollte!“ „Zugegeben. Es war nicht richtig und er hätte uns ruhig einweihen können. Aber er war der Meinung, dass es echt aussehen musste, um die Meerjungfrau in Sicherheit zuwiegen!“, sagte sie und ich musste kurz einen Anflug von heiser Wut unterdrücken. Es sollte echt aussehen!? Was dachte sich Brian eigentlich? Wenn meine Mutter noch am Leben wäre, hätte sie ihm mächtig in den Arsch getreten. „Ich weiss, was du jetzt von ihm denkst. Aber glaube mir, und dafür lege ich die Hand ins Feuer, er würde niemals auch nur daran denken, dir wirklich zuschaden!“ „Hm naja…!“, murmelte ich. Dass sie das sagte, war klar, da sie seine Tochter war. Und jede Tochter würde ihren Vater in Schutz nehmen. Egal was er tat. „Da hoffe ich mal, dass du dich nicht verbrennst!“, sagte ich in Gedanken. Kaum hatte ich das gesagt, sah ich die Flammen wieder vor mir. Hell und wild zuckend. Und mit einem Male erinnerte ich mich an die ganze Nacht. Wie als wenn mein Unterbewusstsein nach und nach die Ereignisse der letzten Nacht wiedergab. Ich schloss kurz die Augen und das Bild wurde schärfer. Sah die Harpune, die sich in die Meerjungfrau gebohrt hatte und die Flammen, die sie umhüllten und einäscherten. Und ich begann, in der Gewissheit, dass Brian mich loswerden wollte, zu schwanken. Was wenn das alles wirklich ein Teil des Plans gewesen war? Hatte ich ihm vielleicht Unrecht getan? Mit einem Male fühlte ich mich echt mies. Was hatte ich mir dabei gedacht? Immerhin lebte ich noch. Und Brian hatte mich weggezogen, bevor die Meerjungfrau dazu kam, mich zu essen. Es hätte schlimmer kommen können. Der Knoten in meinem Magen wurde dicker und ich schaute Fay an. Ich wusste nicht genau, was sie in meinem Blick gesehen hatte, aber sie lächelte mild und klopfte mir über die Schultern. „Er wird dir schon nicht den Kopf abreissen!“ Damit meinte sie wohl, dass ich das mit ihm klären sollte und auch wenn sie mir versicherte, dass ich nichts zu befürchten hatte, hatte ich dennoch ein mulmiges Gefühl. „Meinst du?“, fragte ich und Fay lachte. „Ich kann dir ja Rückendeckung geben!“ „Ja, bitte!“ Wir gingen gerade die Treppe hinunter und wollten in die Küche, da Fay meinte, dass ihr Vater dort sein würde. Doch kaum dass wir in der Tür standen, hielten wir inne. Ich war nicht die einzige, die mit Brian reden musste. Lex stand seinem Vater gegenüber und wirkte dabei ziemlich geknickt. Ich war froh, dass er noch stehen konnte. Geschweige denn, dass es ihm gut ging. Dennoch blieb ich an Ort und Stelle stehen, da ich sah, dass die beiden unter sich sein wollten. Lex und sein Vater sprachen in gedämpfter Stimme. Wobei Lex derjenige war, der am meisten redete, während Brian nur zuhörte und sich seine Miene hinudnwieder verdüsterte oder etwas milder wurde, was ich mir bei ihm nicht vorstellen konnte. Er nickte, hob die Hand, wie als wollte er ihm zeigen, dass es gut war. Ich sah an Lexs Haltung, dass ihm sein Verhalten, als er mit der falschen Jenni zusammen war, leidtat. Schließlich entließ er seinen Sohn und Lex ging. Dabei sah er kurz an. Kurz blieb sein Blick an mir hängen, dann sah er zu seiner Schwester und er senkte den Kopf. Ein Zeichen dafür, dass er sich auch bei ihr entschuldigen wollte. Fay lächelte wiedermal ihr sanftes Lächeln, was jeden entwaffnete und umarmte ihn. Blieben so einige Minuten stehen und lösten sich dann voneinander. Lex stieg die Stufen hoch und verschwand aus unserem Blickfeld. „Na, auch wieder wach?“, fragte Brian mich in seinem gewohnten kühlen Ton und ich straffte die Schultern. „Ja, ich…ich bin gerade eben aufgestanden!“, sagte ich nur und wusste nicht, wie ich weitersprechen sollte. Doch da fühlte ich Fays Hand auf meinem Rücken. Sie stärkte mir wirklich den Rücken und ich war ihr dafür dankbar. Sonst wäre ich gleich wieder in mein Zimmer geflüchtet. „Wir hätten da was zuklären, Dad!“, ergriff sie das Wort und ich dankte ihr tausendmal. „So und was?“, fragte er und sah mich mit gehobenen Brauen an. „Das mit gestern. War das geplant oder wolltest du mich umbringen?“ Ich wagte es nicht das Wort Wirklich auszusprechen und stellte die Frage, ob das geplant war als erstes, denn so, so hoffte ich, würde er nicht glauben, dass ich ihm die zweite Vermutung eher zutraute. Brian sah mich für einen langen Moment mit empörten Blicken an. Deutlich sah ich ihm, dass er nicht darüber glücklich war. Er ahnte trotz meinen Bemühung, mir nichts anmerken zulassen, dass ich von der zweiten Möglichkeit mehr überzeugt gewesen war, als von der ersten. Dann gab er einen missgünstigen Laut von sich. „Natürlich war das geplant. Denkst du ich würde dich tatsächlich umbringen lassen!“, sagte er vorwurfsvoll und ich seufzte erleichtert. Also hatte ich mich doch in ihn gettäuscht. Zumindest was sein angebliches Vorhaben betraf. Doch dann sagte er noch etwas und es verschlug mir die Sprache. „Wenn deine Mutter noch leben würde und das erfahren hätte, hätte sie mir in den Arsch getreten. Oder gar noch schlimmeres!“ Fay lachte verhalten und schlug mir auf den Rücken. „Siehst du. Ich habe es dir doch gesagt!“ Kapitel 10: Freddy Krügers kleine Schwester ------------------------------------------- Es begann mit einer kleinen unbedeuten Flamme. Das Ergebniss von menschlicher Unachtsamkeit. Zuerst war sie klein und schwach. Nicht mehr als ein Flackern und Zucken. Doch dann kam ein Windstoss und ließ sie tanzen und überspringen. Auf einen Kittel, der nur wenige Meter daneben hing und sogleich als Nahrung der kleinen Flamme diente. Dieser wurde augenblicklich größer. Mit jedem Stück den sie vom Kittel verzerrte. Schon brannte der Kittel licherloh. Niemand bemerkte etwas. Die Menschen, die draußen auf dem Gang hinundherliefen, bekamen nichts mit. Zu beschäftigt waren sie mit dem, was zutun war. Die Flamme, gestärkt durch den Kittel und somit größer geworden, wanderte die Wände hinauf. Leckte gierig mit ihren tausend Zungen darüber. Wollte damit weitere Nahrung zusich nehmen um größer zuwerden. Sie bedeckte schon die ganze Wand, die unter ihren Berührungen schwarz wurde. Zielstrebig zog sie weiter hoch. Zu den abgeschlossenen Glasschränken, in denen Fläschchen, jeglicher Größe und Form, standen. Allesamt mit einem Etikett beklebt auf dem eine kleine schwarze Flamme aufgemalt war und darunter ein Wort stand. „Hochexpolsiv!“ Es dauerte nicht lange, ehe die Flammen de Glasschränke erreichte und sich durch das Holz frass. Es splittern und ächzen ließ, bis die erste Feuerzunge sich hindurch schob und an der der Flasche leckte. Sie dann immer mehr einschloss und das Glas, welches die Flüssigkeit einsperrte unter der Hitze nachgab und die Flüssigkeit erhitzt wurde. Es gab eine schreckliche Explosion und nun wo die erste Flasche in tausend Scherben zerplatzte, folgten nun die anderen. Eine nach der anderen und immer mehr hochentzündliche Flüssigkeit ergoss sich in die Flammen, die sie zum Wachsen und zum immer größer werden verhalf. Bis schließlich der ganze Raum mit Rauch und giftigen Dämpfen erfüllt war. Erste Rauchschwaden krochen durch den Türschlitz und verflüchtigten sich in dem langgezogenen Flur, in dem reges Treiben herrschte. Wurden zu dünnen Fäden und zogen durch die Luft. Noch bemerkte keiner den strengen Geruch. Erst als es schon zuspät war und ein unachtsamer Angestellter die Tür zu dem Raum öffnete, der lichterloh brannte. Vor Überraschung und Entsetzen aufschreiend, wich er zurück und versuchte den Flammen auszuweichen, die sogleich nach ihm griffen. Doch es war zuspät. Er war bereits zunahe an das Inferno gekommen und die ersten Flammen hatten sich auf seinen Arm festgesetzt. Zerrten an dem Kittel, den er am Leibe hatte und der Mann schrie auf. Versuchte, die Flammen zu löschen. Die Umstehenden, erschrocken darüber, was mit dem armen Mann egrade passiert, blieben wie angewurzelt stehen und begriffen erst, was passiert war, als der Mann tot zusammenbrach. Die Flammen frasen noch weiter an ihm, während das Feuer, welches sich noch mit dem kleinen Raum begnügt hatte, nun über den Rahmen der Türe wanderte und auf die mit Holzverkleidete Decke überging. Binnen von Sekunden stand die Decke in Flammen und dicker Rauch machte sich im Flur breit. Alarmglocken schrillten. Und Panik brach aus. Die Türen zu den Zimmern flogen auf und Patienten eilten hinaus. Irrten umher. Durch den Rauch, der sie husten ließ und Tränen in ihre Augen trieb. Einige der Schwestern, nicht gänzlich von ihrer Panik ergriffen, sodass sie nur an sich dachten, eilten zu den umherirrenden Patienten und halfen ihnen, aus dem Rauch zukommen. In das Freie. Während die Luft immer dünner wurde, wurde der Rauch immer dicker und es dauerte nicht lange, bis die ersten Menschen durch den Mangel an Sauerstoff keine Kraft mehr hatten, zusammenbrachen und durch die giftigen Dämpfe und erstickten. Immer weniger Menschen kamen noch rechtzeitig aus den Flammen. Nur eine Hanvoll von ihnen schaffte es. Verletzt von schweren Verbrennungen und schmerzenden Lungen zwar, aber dennoch am Leben. Sie hatten sich weit genug von dem brennendem Gebäude entfernt, um nicht in die Reichweiter des giftigen Rauches und den Flammen zukommen. Hockten, lagen oder standen einfach nur da und blickten zu dem Gebäude, was für sie zur Todesfalle geworden war. Einige von ihnen weinten, weil sie nicht glauben konnten, dass sie nur knapp dem Tode entkommen waren oder dass sie mit anhören mussten, wie andere Patienten, mit denen sie ihr halbes Leben geteilt hatten, nun quallvoll starben. Minuten vergingen, die sich wie Stunden anfühlten, während sie zusahen, wie das Feuer immer mehr das Gebäude zerstörte. Es hörte nicht mehr auf zubrennen. Flammen tobten hinter der Fassade des Hospitals und dicke Rauchwolken, die durch das Dach quollen, schraubten sich in den nächtlichen Himmel. Schon sehr bald war in dem Tosen und Donnern des Feuers, das Brechen von Holz und Stein zu hören. Das Gerüst konnte dem Feuer nicht mehr standhalten und das Gewicht nicht mehr tragen. Lautkrachend brach ein Teil davon in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Wie geborstene Knochen ragten die verkohlten Balken heraus. Hoben sich bizarr von dem grellen Feuerschein ab. Glas zersprang und Feuer loderte aus diesen. Die Menschen schrien, drängten sich aneinander und zitterten. Blickten unentwegt zu den Flammen und zu dem Gebäude, das immer lauter ächzte und Teile davon zusammenbrachen. Nur ein kleiner Teil davon, schien noch etwas gegen die Flammen entgegen zusetzen. Doch es war nur eien Frage der Zeit, bis auch dieser unterlag. Lange Zeit war das Tosen und Brüllen der Flammen das einzige, was zu hören war. Doch dann hörten sie das Schrillen von Sirenenen und als sie in die Dunkelheit der Nacht blickten sagen sie, aufblitzendes blaulicht. „Wir sind gerettet!“, rief einer der Ärzte heiser, dessen Gesicht Rusgeschwärzt war und sprang auf. Schon bald kam der erste Rettungswagen die Auffahrt hoch. Gefolgt von einem ganzen Zug von Feuerwehrwagen. Sogleich machten sich die Feuerwehmänner daran die Flammen zu löschen und das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Aufgeschreckt durch das Kreischen der Feueralarmanlage war sie erwacht und wusste zunächst nicht, was los war. Doch dann bemerkte sie den Rauch, der sich in ihrem Zimmer ausgebreitet hatte und die Schreie auf dem Gang. Durch das trübe Milchglasfenster sah sie hecktisch aufflackernen Lichtschein, huschende Schatten, und kletterte aus dem Bett. Kaum aber dass sie die Türe zu ihrem Zimmer aufmachte, musste sie einen heftigen Hustanfall unterdrücken und die Augen abwenden, als das Feuer ihr entgegen schlug und sie für einen kurzen Moment blendete. Dann hörte sie die Rufe, inmitten dieses Chaos aus Flammen, schrillender Alarmanlagen und Rauch. Die Hand auf den Mund gerepsst, um so nicht noch mehr Rauch einzuatmen, torkelte sie durch den mit Rauch erfüllten Flur und sah schemenhaft vor sich Gestalten und lief auf diese zu. Streckte die Hand nach ihnen aus. Rief nach ihnen, so laut sie konnte. Doch mit jedem Schritt, den sie machte, schienen sich die Gestalten immer mehr von ihr zuentfernen, bis sie kaum noch in dem Dunst auszumachen waren. Das Feuer und das Brüllen schluckten ihre Schreie. Machten die Gestalten vor ihr taub dafür. Verzweiflung und Angst ergriff sie. Ließ sie inmitten dieses Infernos frieren. Ohne stehen zu bleiben ging sie weiter. Schaute dabei um sich. Ihr Blut gefror in den Adern. Alles brannte. Die Wände, die Decke, sogar einige Teile des Bodens. Eine unerträgliche Hitze umgab sie. Machten es ihr schwer, richtig zuatmen, sodass ihre Lungen schmerzten, als würden tausend glühende Nadeln in diese hingebohrt werden. Mehr als einmal musste sie husten und krümmte sich dabei. Es war wahrlich die Hölle und sie mitten drin. Ignorierte den Schmerz, der mit jedem stärkerwerdenden Husten ebenso schlinmmer wurde. Immer weiter lief sie. Nur nicht stehen bleiben, sagte sie sich und es dauerte nicht lange, als sie an der ersten Leiche vorbeilief. Ein älterer Mann. Sie kannte ihn. Er hatte nur zwei Türen weiter von ihr gewohnt. War immer nett zu ihr gewesen. Hatte ihr stets ein paar Süßgikeiten geschenkt, die er von einem Verwandten bekommen hatte, die er aber nicht wollte. Oft hatte er sie für seine Enkelin gehalten. Weil er einfach nicht mehr gescheit im Kopf war und Dinge durcheinander brachte. Samantha, kurz Sam, hatte ihn dennoch gern gehabt, weil er der einzige war, der sie verstand und ein offenes Ohr für sie hatte. Nun aber war er tot. Tränen brannten ihr die Augen. Ob die Tränen durch den Rauch hervorgerufen worden waren oder ein Ausdruck ihrer Trauer waren, konnte sie nicht sagen. Vielleicht beides. Sie trübten ihre ohnehin schon schlechte Sicht. Machten sie beinahe blind. Ziellos und mit der Hoffnung, doch noch jemanden zufinden, der sie hier rausholen konnte, lief sie weiter. Vermied es dabei, stehen zubleiben. Sie wusste, dass es tödlich sein konnte, wenn sie zuoft und zulange stehen blieb. Sagte sich stattdessen immer wieder: Weitergehen. Geh weiter. Nicht stehen bleiben! Es schienen Stunden zuvergehen, in denen sie umherirrte. Sam blieb stehen, in mitten dieses Rauches, der immer dichter wurde und ihr kaum noch Luft ließ. Ihre Augen fühlten sich geschwollen an und ihr Gesicht war nass und salzig, von Tränen und Schweiss. Wielange lief sie hier schon durch die zugerauchten Gänge? Warum suchte sie niemand? War den anderen entgangen, dass sie noch hier drin war? Eine eisige Angst ergriff sie, ließ ihre Beine schwer werden. Wieder musste sie husten und ihre Lungen schrien dabei nach Sauerstoff. Kraftlos, nicht mehr in der Lage, sich von alleine aufrecht zuhalten, stützte sie sich an der Wand ab. Ging dann in die Knie. Ein letztes Mal sah sie um. Wie als wenn sie hoffte, dass doch noch jemand kam, der sie aus dieser Hölle retten würde. Doch keiner kam. Keine sie retten! Die Angst nahm Oberhand und ließ sie schluchzen. Sie spürte, dass sie hier ihr Ende findet. Es war unausweichlich. Dennoch wollte sie es nicht wahrhaben. Sie blickte in den Rauch, der sich dicht wie eine Mauer vor ihr aufgebaut hatte. Unüberwindlich war. Lange Zeit blickte sie zu diesem und hatte schon mit ihrem Leben abgeschlossen. Sie wollte schon die Augen schließen und sich ihrem Ende ergeben. Als plötzlich ein Luftzug kam und den Rauch auseinandertrieb. Für einen kurzen Augenblick zwar, aber dennoch lange genug, um sie sehen zulassen, was sich da hinter dem Rauch verborgen hatte. Eine Türe mit der Aufschrift NOTAUSGANG. Sam gab einen Laut von sich, der eigentlich ein freudiges Aufseufzen sein sollte, aber zu einem heisseren Röcheln wurde. Sie hatte es geschafft. Wie, war ihr egal. Nur eines war nun wichtig. Dass sie hier rauskommen würde. Sie musste nur wieder auf die Beine kommen und die Türe öffnen. Doch kaum dass sie sich aufraffen konnte, hörte sie ein Knirschen über sich. Sah feinen Staub hinunterrieseln. Sie blickte nachoben. Sah, wie die Decke Risse bekam und einen Sekundenbruchteil später, krachten schwere Brocken hinunter. Sam schrie auf, sprang nachvorne. Doch es war zuspät. Die Brocken begruben sie zum Teil unter sich. Hielten sie so gefangen. Sam versuchte sich zu befreien, stemmte sich mit aller Kraft gegen diese, wollte sich so rausschieben. Aber es half nichts. Zu sehr war sie geschäwcht vom Rauch und der Hitze, als dass sie noch etwas dagegen tun konnte. Mit einem Wimmern ließ sie sich zu Boden sinken und blickte zur Türe. Verzwweifelt und trotz mit dem Wissen, dass sie sterben wird, streckte sie die Hand aus. Zur Türe, die so nahe und doch so fern war. Die Flammen, die sich noch eben zurückgehalten hatten und sich mit dem größten Teil des Gebäudes begnügt hatten, griffen nun auf den Rest zu und frasen sich durch den Flur, in dem Sam unter dem Schutt gefangen war. Glitten wie Schlangen von hinten auf sie zu. Erhitzen den Boden und ließen ihn schmelzen. Blasen bildeten sich und zerplatzten. Sam schrie auf, als heisse Plastiktropfen auf ihre Haut trafen und darauf kleben blieben. Es schmerzte entsetzlich und sie wünschte sich, dass es endlich vorbei sein würde. Solange es ihr möglich war, hielt sie den Blick auf die Türe gerichtet. Immernoch mit der Hand nach ihr ausgestreckt. Bis sich ihre Augen schlossen und sie nichts mehr wahrnehmen konnte. Nicht mal die Hitze und das Toben der Flammen. Alles rückte in weite Ferne, bis es verstummte und das einzige, was sie hören konnte, ihr eigener Herzschlag war. Aber auch dieser wurde mal zumal schwächer. Ein dumpfes Pochen. Hohl und unbedeutend. Dann hörte es auf. Sie starb, inmitten der Flammen. Allein. Der Film war fertig und wir verließen das Kino. Lex hatte es uns spendiert. Als Wiedergutmachung dafür, dass er noch vor wenigen Wochen sich wie ein Arsch benommen und nicht auf uns gehört hatte, als wir ihm weissmachen wollten, dass seine Freundin böse war. Und zwar wirklich böse. Sie war nämlich eine Meerjungfrau und hatte ihn auf ihre Speisekarte gesetzt. Zum Glück konnten wir das Schlimmste noch verhindern. Dennoch hatte Lex ein schlechtes Gewissen und das nutzten ich und Fay schamlos aus. Wir schleiften ihn in einen Liebesfilm hinein. Nur um ihn eins reinzuwürgen. Doch der Film, in dem wir waren, hätten wir uns schenken können. Ich verstand nicht, was die anderen so toll an ihm fanden. Wenn ich mir so die Kritiken durchlese, frage ich mich wirklich, ob die Kritiker und die Zuschauer vor uns, nicht etwas zuvor geraucht hatten. Schon allein die Geschichte war gewöhnungsbedürftig. Ein Vampir, der sexuell enthaltsam war, verliebt sich in ein Mädchen, das den Eindruck machte, als sei es rundum die Uhr bekifft und war ingesamt eine richtige Trantüte. Von den Dialogen ganz zu schweigen. Sowas von lahm. Und dass Vampire in der Sonne glitzern, war wirklich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Als wir rausgingen, ließ Fay ihren Frust freien Lauf. „Oh man, was für Schrott. Ich hatte schon wirklich schlechte Filme gesehen, aber der da ist wirklich in den Top Five, der schlechtesten Filme aller Zeiten auf dem ersten Platz!“ „Ihr wolltet doch unbedingt darein!“, sagte Lex locker. „Ja, aber wenn wir gewusst hätten, was das für ein Schund war, hätten wir uns einen anderen Film ausgesucht!“, gestand Fay mürrisch. „Ganz meine Rede. Weiss sowieso nicht, was Euch dazu getrieben hatte, mich in diesen Film zuschleifen!“, meinte Lex. „Weil wir wegen dir eine echt schlimme Zeit hatten!“, konterte Fay. „Jaja!“, murmelte Lex. „Schade um das Geld!“ Nach einer Weile sagte er dann aber:„ Aber wisst Ihr was? Diese Alice hat mich irgendwie an unsere Allsion erinnert!“ Ich hob die Brauen. Wie bitte? Ich soll wie die Figur aus dem Film sein? Okay, zugegeben. Diese Alice sah mir wirklich ähnlich. Die gleichen kurzen Haare. Zierliche Figur und noch dazu diegleiche Gabe. Doch einen feinen Unterscheid gab es: Ich war echt und sie eine Figur aus einem Film. Sie hatte ihre Mutter nicht verleren. Zumindest nicht ihre Adoptivmutter. Sie war ausgeglichen und fröhlich. Ich nicht. „Stimmt. Jetzt wo du es sagst!“, sagte Fay und sah mich an, als würde sie mich zum ersten Mal sehen. Ich zog den Kopf zwischen die Schultern. Das war mir mehr unangenehm. Ich wollte nicht mit einer Fantays-Figur verglichen werden. „Jetzt hört aber mal auf!“, sagte ich beschämt. Für die beiden klang es wohl so, als sei ich geschmeichelt. Dabei war es das Gegenteil. „Naja. Du musst schon zugeben, dass ihr euch ähnelt!“, sagte Fay und bohrte weiter. „Jaja!“, murmelte ich. „Hey, was ist denn? Sei doch froh, dass noch jemand solch eine tolle Gabe hat!“ „Tolle Gabe? Was soll daran toll?“, platzte es aus mir heraus. Es reichte mir nun. Zwar mochten Lex und die anderen es vorteilhaft finden, dass ich die Zukunft sehen kann, ich aber nicht. Wie gesagt: Ich sah in dieser Gabe, einen Fluch. Und daran würde sich niemals was ändern. „Weißt du, wie das ist mit anzusehen, wie Menschen, die man nicht kennt, sterben?“ Ich klang dabei so aufgebracht, dass sich meine Stimme überschlug. Lex hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich so aus der Haut fahren würde. Er sah mich mit gehobenen Brauen an und hob die Hände. Eine abwehrende Geste. „Allison, beruhige dich. Er hat es sicherlich nicht so gemeint!“, mischte sich nun Fay ein und legte mir die Hände auf die Schultern. Nur schwer konnte ich mich beruhigen. Ich war auch selber ein wenig entsetzt darüber, dass ich so schnell ausflippte. Aber es hatte mich einfach so wütend gemacht. Ich atmete tief durch und versuchte, mich wieder zu entspannen. „Ja, ich weiss. Tschuldige!“, sagte ich und strich mir durch das Haar. Schaute dabei zu Boden. Beschämt. Es war mir nun unangenehm, dass ich ihn so angeschrien hatte. Er hatte es sicherlich nicht böse gemeint und ich schnauzte ihn gleich so an. Lex lächelte und klopfte mir auf die Schulter. „Mir tut es auch leid!“, sagte er und ich schaute auf. Blickte in sein Gesicht und sah in seinen Augen, dass er das ernst meinte. Könnte es sein, dass ich gerade eine andere, weichere Seite an ihn entdeckte? Ich lächelte schwach. Schön wäre es. Denn dann wäre er mir wesentlich sympatischer. Fay, die sah, dass der nahende Streit wieder abgewendet wurde, seufzte erleichtert und rief ein Taxi. Zeit nachhause zu fahren. Nachhause. Komisch, dass ich es so nannte. Dabei wohnte ich bei Menschen, die mir nur helfen sollten, mich zuwehren. Eigentlich waren sie Fremde für mich. Aber mittlerweile waren sie Freunde geworden. Gute Freunde. Nie hätte ich gedacht, dass ich jemals wieder Freunde finden würde. Nach Maries Tod dachte ich immer, dass ich allein bleiben würde. Niemanden hätte, der mich verstand. Abgesehen von Papa natürlich. Aber ich merkte, dass mir etwas fehlte. Etwas, was nicht mal Papa mir geben konnte. Und nun hatte ich es. Freunde. Wie schön es sich anfühlte. Doch von allen war Fay meine beste Freundin. Ich beneidete sie. Für ihre Stärke, die sie besaß und sich jedem Feind entgegen stellte, währen mir die Knie schlotterten. Ich sah sie lange an, während wir in dem Taxi saßen und durch die verlassenen Strassen Londons fuhren. Ich konnte nicht leugnen, dass sie wunderschön war. Wie ihre Mutter. Das feingeschnittene Gesicht, das lange rötlich schimmernde Haar, diese Augen, die alles sehen konnten. Selbst in der Dunkelheit. Die vollen Lippen. Sinnlich und zu jeder Schandtat verlockend. Wie gesagt, ich war ein kleines bisschen neidisch auf sie. Wie gern wäre ich auch so stark. „Das bist du, Kätzchen!“, flüsterte plötzlich eine Stimme und ich zuckte zusammen. Erik! Mit ihm hatte ich nicht gerechnet. So komisch es klingt, aber ich hatte ihn für einen kurzen Moment vergessen. Nun aber erinnerte ich mich wieder an meinem Beschützer. Dabei wurde mir bewusst, wie er mich genannt hatte. Kätzchen! Ich spürte, wie ich rot wurde. Wie kam Erik nur auf solch einen Kosenamen? Aber bevor ich ihn fragen konnte, hielt das Taxi und wir stiegen aus. Wir waren angekommen. Shelly rannte. Rannte um ihr Leben. Sie war gefangen in einer Welt, die nicht dieihrige war. Und dennoch hatte sie ein seltsames Gefühl der Vertrautheit. Wie war sie hierher gekommen? Das Letzte, an das sie sich noch erinnern konnte, war, dass sie eingeschlafen und im nächsten Augenblick hier aufgewacht war. In einer Gegend, die verlassen und nicht wirklich war. Abgestorbene Bäume ragten in einen Himmel hinauf, der giftgrün war und die Luft war schwer wie Blei. Machte es ihr unmöglich, zu atmen. Eine dichte Nebelsuppe lag über den Boden und sie hatte Mühe zuerkennen, wohin sie trat. Der Boden war staubig und rissig. Einige Steine schnitten ihr in die blossen Füsse und sie schrie schmerzhaft auf. Außer den Bäumen, des Nebels und des giftgrünen Himmels, gab es nichts. Kein Zeichen, dass jemand anderes hier war. Der ihr helfen konnte. Aber das war es nicht, was ihr Angst machte. Sie spürte es. Es war ihr dicht auf den Fersen und wenn sie sich nicht beeilte, würde es sie kriegen. Sie würde sie kriegen. Sie konnte deutlich ihre Nähe spüren. Ihren Atem in ihrem Nacken. Und die Wut, die sie in sich trug. Mörderische Wut. Eiskalte Schauer rannen ihr den Rücken hinunter und tieben sie weiter. Immer weiter. Bis sie vor einem Tümpel stehen blieb. Es blubberte und rumorte darin, als würde das trübe Wasser kochen. Dicke Blasen tauchten auf der Oberfläche auf und zerplatzten mit einem lauten „Plop“ Um den Tümpel herum standen Bäume, deren Wurzel teilweise im Wasser versanken und deren Äste in die Höhe ragten, wie Arme, die nach Halt suchten. Dünne Rauchschaden stiegen aus dem Wasser und es lag ein Geruch wie von Schwefel in der Luft. Etwas Bedrohliches ging von diesem See aus. Shelly schauderte. Wollte weitergehen. Nicht länger als nötig, wollte sie vor diesem See stehen bleiben. Also ging sie weiter. Doch kaum dass sie einen Schritt machen konnte, hörte sie hinter sich ein Blubbern. So als würde etwas aus dem Wasser kommen wollen. Und trotz jeglicher Vernunft, blieb sie stehen und drehte sich langsam um. Schaute zum See, dessen Oberfläche sich kräuselte. Ein Schatten tauchte unter dieser auf und schob sich langsam hoch. Ein dunkler Haarschopf tauchte aus dem Spurdeln auf. Gefolgt von einer bleichen hohen Stirn. Dann sah sie Augen, schwarz wie die Nacht. Eine Nase, ein Mund, der zu einem grausamen Grinsen verzogen war. Ein Hals, so dünn, als würde ein Windstoss reichen, um ihn entzwei zubrechen. Schultern. Bis auf die Knochen abgemagert. Dann der Brustkorb, eine Taille, die Hüfte und schließlich die Beine. Shelly wollte schreien. Allein schon das Aussehen des Wesens, was aus dem Sumpf gestiegen war, war zum fürchten. Doch es war nicht das Gesicht oder das Erscheinen, was sie vor Angst starr werden ließ. Sondern die Hände des Wesens. Die Hände, die dürr, beinahe schon skellettartig, waren. Die Fingernägel, die lang, unnatürlich lang waren und spitz zuliefen. Glichen mörderischen Klauen. Shelly wollte den Mund öffnen, wollte schreien. Aber sie hatte keine Kraft, geschweige denn eine Stimme. Langsam stieg das Wesen, was einmal eine Frau, eine sehr junge Frau gewesen war, aus dem See und bewegte die Finger ihrer Händer so, dass die Nägel aneinander rieben und klirrten, als seien sie aus Stahl. Ein schreckliches Geräusch. Shelly lief es kalt den Rücken hinunter. Sie machte einen Schritt zurück. Noch einen. Immer wenn das Wesen einen Schritt auf sie zumachte. Wollte nicht, dass es ihr zunahe kam. Sie fürchtete sich zu Tode. Und kniff die Augen zusammen. Sagte sich, dass das nur ein Traum war und sie aus diesem erwachen musste. Dabei ging sie immer weiter nachhinten. Bis ihr Fuss ins Leere trat und sie stürzte. Endlich fand sie ihre Stimme und schrie auf. Der Sturz schien ewig zu dauern, bis sie aufschlug. Doch statt auf harten Boden unter sich zu spüren, tauchte sie unter Wasser und wusste zunächst nicht, wo oben und unten war. Dann ruderte sie mit den Armen und Beinen. Mit einem Laut, der ein Keuchen und zugleich ein Schrei war, kam sie aus dem Wasser hervor, in das sie gefallen war und wollte ans Ufer schwimmen. Raus aus diesem Sumpf klettern, der entsetzlich nach Schwefel und noch was anderem stank, über das sie lieber nicht nachdenken wollte. Der Sumpf, der zu anfang leicht zudurchschwimmen war, wurde nun zäher und sie hatte das Gefühl sie würde durch zähen Brei schwimmern, der immer fester wurde. Shelly keuchte und stöhnte, versuchte weiter zu kommen. Nur noch wenige Meter und sie könnte endlich aus diesem Sumpfloch rauskommen. Ihre Muskeln schmerzten und ihr Atem wurde schwer. Ging in ein Rasseln über. Dennoch gab sie nicht auf. Sie wusste, wenn sie auch nur einmal aufhören würde, sich durch den zähen Sumpf zu kämpfen und seien es nur einige Sekunden, würde sie stecken bleiben. So wühlte sie sich weiter durch den Morast und als ihre Hände, die voller Schlamm waren, endlich das Ufer berührten, seufzte sie erleichtert auf. Hielt sich an den Grasbücheln fest und zog sich raus. Es schmatzte widerlich, als sie ihre Beine als letzt rauszog und die Böschung hochkroch. Weg von dem Sumpf. Erst als sie sicher war, weit genug von ihm entfernt zusein, ließ sie sich auf den Boden sinken und atmete tief durch. Wollte wieder zu neuen Kräften kommen. Minutenlang blieb sie so liegen, blickte hoch zum Himmel, der immer noch dieses unnatürliche Grün hatte und fragte sich, wie lange sie schon hier war? Waren es Minuten, oder schon sogar Stunden in denen sie durch diese alptraumhafte Gegend umherirrte? Shelly richtete sich auf. Wollte weitergehen. Egal wie lange sie hier schon war, sie wollte nicht noch länger hierbleiben, sondern nach einem Ausweg suchen, wie sie wieder zurück kam. Gerade drehte sie sich um und wollte gehen. Da schloss sich plötzlich etwas um ihren Knöchel und brachte sie mit einem heftigen Ruck zum Fallen. Shelly stiess einen spitzen Schrei aus, als sie zu Boden ging und zunächst nicht wusste, was sie da umklammert hatte. Als sie jedoch einen Blick nach hinten warf, gefror ihr das Blut in den Adern. Eine Hand. Eine Hand mit Klauen. Shelly hatte diese Hand schon einmal gesehen. Nur wenige Minuten, bevor sie in den Sumpf gefallen war. Es war die Hand, die dem unheimlichen Wesen gehörte. Und dieses kam nun aus dem Sumpf. Langsam und mit einem grausamen, wissenden Lächeln, dass sie ihr diesesmal nicht entkommen würde, schob sie sich aus dem Dumpf. Schien sich dabei so zustrecken, dass ihr Rumpf doppelte Länge annahm und ihr damit sehr nahe kam. Den Griff um ihren Fuss nicht einmal locker werden ließ. Shellys Augen weiteten sich, als sie sah, wie der Kopf des Wesens immer näher kam, bis sich ihre Stirne berührten. Widerlicher Gestank schlug ihr entgegen. Nicht weniger schlimmer, als der Geruch, der aus dem Sumpf kam und betäubte sie. Shelly kämpfte vergebens dagegen an, um nicht die Besinnung zuverlieren. Doch dieser Gestank war einfach zu schrecklich, als dass sie dagegen ankommen und die nahende Dunkelheit zurückhalten konnte, die so gierig ihre Finger nach ihr ausstreckte. Shellys Augen schlossen sich schon und sie drohte wegzudämmern, als ein brennender Schmerz durch ihren Schenkel jagte und sie aus der Ohnmacht riss. Shelly schrie auf und blickte zu ihrem Bein. Tief hatten sich die Nägel des Wesens in ihr Fleisch gebohrt und rissen es auf. Hinterließen tiefe Furschen, aus denen stossweise Blut strömte und den Boden aufweichten und rot färbte. Shelly schrie und schrie. Glaubte vor Schmerzen wahnsinnig zuwerden. Mit einem widerlichen Schmatzen riss sie ihre Klauen, aus dem Bein ihres Opfers. Nur um sie dann wieder in eine andere Stelle ihres Körpers zuschlagen. Riss an der Haut und an dem darunterliegenden Fleisch und fügte ihr erneut eine grässliche Wunde zu. Diesesmal am Bauch. Und tiefer. Nach dieser folgten eine dritte, dann eine vierte und eine fünfte. Immer wieder jagte sie brutal ihre Klauen in den Körper des sich windenden Mädchens. Shellys Schreie nahmen kein Ende. Schallten über den toten Wald und über die Sümpfe hinweg. Als Shellys Körper von unzähligen Wunden übersat war und sie kaum noch am Leben war, richtete sich das Wesen zu seiner vollen Größe auf und hob die mit Blut verschmierte Klaue. Um ihr den Gandenstoss zugeben. Shelly öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Doch dazu kam es nicht mir. Mit einer blitzschnellen Bewegung, schlitzte sie ihr die Kehle auf. Ein nasses Gurgeln war aus der zerfetzten Luftröhre zu hören und Blut sprudelte wie aus einer makaberern Quelle aus der klaffenden Wunde und spritzte auf das bleiche Gesicht des Wesens. Nach all den Schreien, herrschte Stille. Nichts rühte sich mehr. Sogar das Blubbern und Schmatzen der Sümpfe war verstummt. Mit grimmiger Genugtuung blickte das Wesen auf den zerschundenen Leichnam des Mädchens. Gerne hätte es sich noch weiter gefreut, dass sie ihr erstes Opfer für ihre Rache gefunden hatte. Doch dann spürte sie die Gegenwart von Jemandem. Einem Menschen. Aber das konnte doch nicht sein! Verwirrt schaute es sich um. Und erblickte sie. Ein junges Mädchen, mit kurzen schwarzem Haar, das ungebändigt in allen Richtungen abstand. Es schaute sie geradewegs an und war ebenso überrascht hier zusein, wie sie selbst. Ein leichtes Zittern hatte von ihr Besitz ergriffen und sie blickte mit ihren ängstlichen Augen zu ihr. Ihre Augen. Sie waren ungewöhnlich. Das eine war braun, das andere blau. Wobei das blaue zu leuchten schien, wie ein Stern am nächtlichen Nachthimmel. Das Wesen spürte, dass dieses Mächen nicht gewöhnlich war. Etwas umgab sie. Eine Aura. Es war wie ein feiner Nebelhauch von Schatten und Kälte. Der Schatten, der um sie tanzte, schien selbst einen eigenen Willen zu haben. Zog sich zusammen zu einer Wolke, um sich dann auszubreiten, wie ein Seidentuch und das Wesen sah, wie sich aus dem dunklen Nebel Klauen bildeten, die sich nach ihr regten oder aber das Mädchen schützend umfingen. Machten ihr so klar, dass sie es nicht mal versuchen sollte, den unerwünschten Gast anzugreifen. Lange standen sie sich so gegenüber, blickten sich an. Dann öffnete das Mädchen den Mund und ein entsetzter Schrei drang ihr aus der Kehle.Dann verblaste die Umgebung und Allison riss die Augen auf. Keiner meiner Träume, war so dermassen intensiv, dass ich wirklich glaubte ein Teil davon zusein. Sonst immer hatte ich es als eine Art Gottperspektive gesehen. Sah es zwar, konnte aber selber nicht eingreifen. Geschweige denn schreien. Aber anscheinend schien es in diesem Fall anders zusein. Wiedermal hatte eine Vision und diese war, wie gesagt, intensiver, als die vorherigen. Ich meinte wirklich in dieser sumpfigen Alptraumlandschaft zusein. Hatte die Luft gerochen, die widerlich nach Schwefel oder etwas anderem stank, das ich nicht genauer definieren wollte. Stand auf dem feuchten Morast, in dem meine Füsse bis zu den Knöcheln versanken und ich fühlte die schwüle Luft um mich herum, die sich auf meine Haut legte, wie ein feuchtes klebriges Spinnennetz. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. Igitt! Von all den Träumen/ Visionen, die ich hatte, war das der/ die schlimmste. Doch alles, der Gestank, der sumpfige Morast und die schüle Luft war nichts im Vergleich zu dem zerschlitzten Leichnam zu den Füssen dieses Alptraumwesens, dass zwar ein Mädchen, nicht älter als ich, war, mich aber auch irgendwie an die Horror-Kult-Figur Freddy Krüger erinnerte. Man bedenke nur die Länge der Fingernägel, mit denen sie dem anderen Mädchen diese grässlichen Wunden zugefügt hatte. Doch statt einer Hackfresse, war ihr Gesicht unversehrt. Nur etwas blass, sodass die Adern blau hervorstachen und ihr Hals, spindeldürr war. Eigentlich war ihr ganzer Körper unnatürlich dürr. Fragte mich daher, woher sie diese Kraft hatte, um ihr Opfer derartig zuverletzen. Aber da es sich herbei (wiedermal) um einen Dämon handelte, ahnte ich schon, dass diese Kraft nichts mit ihrem schmächtigen Körperbau zutun hatte. Ich schaute zum Wecker. Viertel vor Sechs. Sicherlich schliefen Fay und Lex noch. Ganz zuschweigen von ihren Eltern. Ich würde wohl bis zum Frühstück warten müssen. Mit einem Seufzen legte ich mich wieder hin. Doch statt die Augen zu schließen, blieb ich noch eine Weile wach. Ich würde garantiert nicht mehr so tief und fest schlafen können, wie eben. Nicht nachdem ich diesen Alptraum hatte. Stattdessen döste ich vor mich hin. Hatte die Augen zwar geschlossen, doch es wollte sich einfach nicht der ersehnte und fortzuführende Schlaf einstellen. Zumindest bis die Uhr sieben uhr morgens anzeigte. Dann glitt ich in einen, sanften, und zum Glück, traumlosen Schlaf. Ein Pochen weckte mich und ich vergrub, mit einem Murren, mein Gesicht in den Kissen. Sagte etwas von, ich will schlafen. Doch die Tür ging schon im nächsten Moment auf und Fay kam freudestrahlend ins Zimmer. Weiss Gott woher sie diese gute Laune hernahm. Ich hatte auf jedenfall miese Laune, weil ich von Natur aus ein Morgenmuffel war. „Morgenstund hat Gold in Mund!“, sang sie überschwenglich. „Noch ein Spruch Kieferbruch!“, erwiderte ich, worauf sie mit der Zunge schnalzte. „Meine Güte. So mies drauf?“, fragte sie mich diesesmal etwas vorsichtiger. „Habe schlecht geschlafen!“ „Ich nehme an, dass es sich hierbei wieder um eine deiner Visionen ging?“, fragte sie sachlich und ich fuhr hoch. Natürlich! Mein Traum! Wie konnte ich das vergessen? „Wieso steht etwas in der Zeitung?“, fragte ich und Fays Gesicht sah man deutlich an, dass sie schon irgendwie damit gerechnet hatte, dass ich sie sowas fragen würde. „Zieh dich erstmal an und komm runter frühstücken. Du wirst es nötig haben, wenn wir zu Scotland Yard fahren!“, sagte sie bloss und ging dann wieder. Ich vergeudete keine einzige Minute und machte schnell, mich um zuziehen. Kaum war ich unten, lockte auch schon der Duft von frischen Orangensaft und geröstetem Speck. Ich setzte mich und begann zu essen. Ich fragte, was passiert sei und Brian erklärte, dass es in einem Hospital zu einem schweren Angriff, mit Todesfolge auf eine Patienten gegeben hatte. Mehr wollte er wohl nicht sagen. Das brauchte er auch nicht. Da ich mir denken konnte, um welche Art von Angriff es sich handelte. Dennoch war ich neugierig und beeilte mich umso mehr mit dem Frühstücken. Auch wenn ich wusste, was mich dort erwartete. Aber irgendwie wollte ich mir auch sicher sein. Sicher sein, dass es wirklich das Mädchen war, dass ich meinem Traum sterben sah. Wie naiv von mir, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. Ich saß unruhig auf der Rückbank und konnte es kaum erwarten, bis wir in der Pathologie ankamen. Ich musste mich echt zusammenreissen, um nicht gleich loszurennen. Als wir dann durch die schwere Doppeltmetalltür kamen, erwartete er uns schon der Doc. „Morgen!“, grüßte er uns kurz und knapp und wandte sich wieder dem Seziertisch. „Morgen!“, erwiederte Lex trocken und stellte sich neben ihn. Fay ging auf die andere Seite des Tisches. Ich gesellte mich zu ihr. „Und was haben wir diesesmal?“, fragte Lex. „Tja, weiss ich auch nicht. Das Opfer stammt aus einer Nervenklinik. Über Nacht muss sich irgendjemand Zutritt zu ihr verschafft haben und sie mit einem Messer oder etwas anderem scharfen, tiefe Schnittwunden zugefügt haben, die zum Tode führten!“ „Nervenklinik?“, fragte ich. In meinem Traum hatte ich weder weisse Gummizellen noch irgendwie was anderes gesehen, was einer Klinik gleichkam. Stattdessen hatte ich diese Sumpflandschaft gesehen, die es nur in Horrorfilmen gab. Oder gab es die doch. In irgendeinem Teil von London, der verwildert und fernab der Zivilisation war. Das ergab doch keinen Sinn. Doch dann sagte er etwas, was mir kalte Schauer über den Rückenlaufen ließ. „So würde ich es sehen. Aber die Überwachungskameras zeigten nichts, was auf einen Angriff hindeutete. Dafür sah man aber was anderes. Das Zimmer, in dem das Mädchen lag, wurde mit einer Kamera überwacht und die zeigte auf, was sich da abgespielt hatte!“ „Und was?“ Da grinste Doc. „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber die Herren von der Auswertung für Videobänder können das sicherlich!“ „Okay okay. Ähm…können wir mal die Schnittwunden sehen?“, fragte Lex und ich merkte, wie mir flau im Magen wurde. Oh Gott. Hoffentlich war mein Magen stark genug, das zu ertragen, sonst würde der Doc sehen, was ich zum Frühstück hatte. Doc wollte schon nach dem Tuch greifen, was die Leiche bedeckte, doch dann sah er mich in diesem Moment mit gehobenen Brauen an, so als wenn er es bemerkt hätte, wie mir gerade übel wurde, und schien abzuwägen, ob er das Tuch wirklich zurückschlagen sollte. Aber ich nickte. Immerhin wollte ich auch wissen, ob mein Traum sich bewahrheiten würde. Doc schlug das Tuch zurück, sodass wir einen Blick auf den ganzen Körper der Toten werfen konnten und ich musste einen Brechreiz unterdrücken. Die Schnittwunden, dessen Ränder sich gewölbt hatten, waren über dem ganzen Körper verteilt, wie ich es im Traum gesehen hatte. Das Blut, was aus ihnen geströmt war, war vertocknet. Nur die Wunde an ihrer Kehle glänzte noch feucht. Die Verletzungen waren jedoch nicht der Grund warum mir schlecht wurde. Sondern die Erkenntniss, das es wirklich das Mädchen war, das ich habe sterben sehen. Ich wandte den Kopf ab, weil ich es nicht mehr ertragen konnte sie anzusehen. Mich durchfuhr ein verrückter aber auch schmerzlicher Gedanke. Ich hätte das verhindern können. Ich hätte sie retten können, bevor dieses Ding sie umbrachte. Ich war dagewesen. Wirklich da. Mit Körper und Seele. Habe es mit angesehen und dennoch nichts unternommen. Ich fühlte mich in diesem Moment mies. Das Schuldgefühl grub sich wie Stahlklauen in meine Seele. Machten es mir schwer zu atmen. Wieder fragte ich mich, warum? Warum besaß ich diese Gabe, wenn es meinstens zuspät war, wenn ich jemanden retten wollte. Es war einfach zum heulen. „Sieht aus, als wäre Freddy Krüger am Werk gewesen!“, bemerkte Lex und ruhig. Der musste offentlich Nerven wir Kruppstahl haben, und ebenso einen starken Magen. „Nur das der gute Freddy ein Fantasy-Produkt ist!“, sagte Fay würgend. Ihr war anzuhören, dass dieser Anblick sie genauso schockierte, wie mich. Lex gab nur ein „Hm!“, von sich, dann sagte er:„ Danke Doc!“ Als nächstes gingen wir in den Raum in dem die Videobänder ausgewertet wurden. Ein buntgemischter Haufen erwartete uns. Die meisten Mitglieder des Teams waren Männer, die sich hinter Bildschrime gesetzt hatten und mit großem Interesse anschauten, was die Videobänder hergaben. Ob es sich dabei wirklich um Überwachungsvideos oder nicht doch eher um Filme für die Unterhaltung handelten, war fraglich. Einer von ihnen hob den Kopf und grinste breit. Dann stiess er seinen Tischnachbarn an und als dieser aufschaute, deutete sein Kollege auf mich und flüsterte etwas, was der andere mit einem feisten Grinsen beantwortete. Ich versuchte mir meinen Ärger nicht anmerken zulassen. Ich wusste, dass ich nicht hässlich war. Da meine Mutter eine schöne Frau war, war es nur logisch, dass ich auch etwas von ihrer Attraktivität hatte. Dennoch störte es mich, wie ich auf manche Männer wirkte. Gerade auf solche, die das Hirn in der Hose trugen und von denen gab es leider genug. Sie sahen einigermassen gut aus. Zugegeben. Dennoch waren sie nicht mein Geschmack. Ich hatte mich bisher noch nie für Männer interessiert. Ich wusste daher also nicht, welchen Typ Mann mir gefiel. Ich schaute zu Fay, die sich nicht daran störte. „Sieh dir die schwarzharrige an. Ist die nicht heiss?“, fragte der erste und sein Grinsen wurde breiter. „Und wie. An der würde ich mich gerne verbrennen!“, feixte der andere. „Jungs, haltet Euch zurück klar. Denkt lieber daran zu arbeiten!“, wies Fay sie zurecht, als sei sie die Chefin von den beiden. Prompt waren sie still. Die Blicke gehorsam auf die Bildschirme geheftet. Ich warf Fay ein Lächeln zu, das sie erwiederte. Sie zwinkerte. „Der Doc sagte, dass Ihr Bänder von dem Mord habt!“, sagte Lex und einer von ihnen, ein etwas älteraussehender Mann mit einer randlosen Brille nickte, winkte uns zu sich heran. „Ja, wir haben es heute Morgen von den Kollegen bekommen, als sie die Leiche in den Yard brachten. Es uns auch schon angesehen und eins sage ich Euch: Das ist besser, als jeder Horrorfilm!“ Ich spürte, wie sich mein Körper versteifte. Fay spürte, dass mir alles andere als wohl war, und legte mir die Hand auf die Schulter. Als ich sie anblickte, lächelte sie sanft und nickte mir ermutigend zu. „Dann zeig mal her!“, forderte Lex lässig und der Mann schob das Band in den Rekorder. Auf dem Bildschirm war erstmal nur Schnee zusehen, ein Rauschen, dann sprang das Bild auf eine Szene in der wir ein Mädchen schlafen im Bett ligen sahen. Das Mädchen, was nur wenige Türen weiter nun tot auf einem Tisch lag. Das Zimmer war karg eingerichtet. Das Bett, ein kleiner Tisch daneben auf dem einige Medikamente standen. Ein Waschbecken mit Zahnbürste und anderen Hygieneutensilien. Ein weiterer Tisch, mit zwei Stühlen vor einem Fenster, das mit einem stabilen Gitter versehen war. Hinundwieder wälzte sich das Mädchen und bewegte stumm den Mund. Gebannt blickten wir auf den Bildschirm. In Erwartung irgendwas Interessantes zu entdecken. Es schien ewig zudauern. Ich blickte abundzu zu der Zeitangabe in der Ecke des Monitors und beobachtete, wie sich die Zeit quälend langsam in die Länge zog. Ich wurde immer Ungeduldiger, wobei ich mich auch fragte, ob ich das wirklich sehen wollte, was sich da abspielen würde. Aus einem Instinkt, den ich mir nicht erklären konnte, ahnte ich irgendwie, was sich da abspielen würde. Es war wie bei meinen Visionen. Ein Kribbeln in der Magengegend. Ein Ziehen, als würde ich in eine tiefe Achterbahnschlucht rasen. Dazu der Schwindel. Ich schwangte etwas, fasste mich aber wieder. Fay warf mir einen besorgten Blick zu. Ihre Lippen formten stumm die Worte: „Alles in Ordnung?“ Ich nickte. Versuchte mich an einem Lächeln. Meine Hände begannen zu zittern, als wollten sie mein Nicken Lügen strafen. Ich verschränkte die Arme, um sie still zuhalten. Ich wollte nicht, dass jemand sah, wie nervös ich wurde. Die Zeit schritt weiter voran, bis sie fünf uhr anzeigte. Und dann passierte etwas. Das Bild, was ebenoch noch scharf war, sodass man alles gut erkennen konnte, begann zu flackern. Zu Zucken. Und ich fürchtete schon, dass das Band an der entscheidenen Stelle den Geist aufgeben würde. Aber dann ließ das Zucken und Flackern nach und das Bild war wieder gestochen scharf. „Was war das denn?“, fragte Lex. Der Mann, der das Band eingeschoben hatte, wandte sich kurz an ihn. „So hat es auch bei uns angefangen, bis es passiert ist!“, sagte er und sprach die letzten vier Worte mit einem gewissen Unterton aus, sodass ich eine Gänsehaut bekam. „Bis was passiert?“, hakte Lex nach. Doch der Mann deutete nur auf den Monitor. „Schauen Sie selber hin. Mr Matthews!“ Und Lex schaute hin. So wie ich und Fay. Mittlerweise war es auf dem Band viertelnach fünf. Nichts passierte. Nur dass das Mädchen aufeinmal anfing zu strampeln, wie ein Baby und die Decke vom Bett schob. Sie schien etwas zu wimmern. Wir hörten es nicht, da der Ton fehlte. Aber wir brauchten den Ton auch nicht. Es reichte schon, es zusehen. Das Strampeln wurde immer hecktischer panischer. Sie warf ihre Arme umher, ruderte strappelte. Es sah aus, als würde sie durch irgendwas schwimmen. Ihr Gesicht wurde dabei immer panischer. Ängstlicher. Als sei der Teufel hinter ihr her. Ich schauderte. Das Ziehen in meinem Magen und der Schwindel wurden immer schlimmer. Sagten mir, dass das, was wir da sahen, auf ein baldiges entsetzliches Ende zusteuerte. Mein Blick blieb auf dem sich windenden Mädchen haften. Ich ahnte, was für Ängste dieses arme Ding durchleben musste. Ich hatte sie ja selber gespürt, als ich in dieser Landschaft gelandet war. Die Zeit war nun auf halb sechs gesprungen und das Mädchen windete sich immer mehr. Und dann passierte es. Ein Kratzer, tief und brutal zugefügt, klaffte in ihrer Haut auf. Genau an der Stelle, die ihr im Traum zugefügt wurde. Nach dieser Wunde, folgten weitere. An den gleichen Stellen, wie in meinem Traum. Verstand ich sofort und es lief mir kalt den Rücken runter. Diese Landschaft, war keine, die es wirklich gab. Nicht London. Oder sonst wo. Sondern im Traum. Das Mädchen wurde von diesem Wesen in einem Alptraum getötet. Genau wie es Freddy Krüger getan hatte. Ich blickte zu Lex, dessen Gesicht hart wie Stein war. Er hatte es selbst gesagt. Die Wunden hätten gut von der Horrorgestalt aus dem Film „Nightmare on Elmstreet“, stammen können. Doch sie stammen von einem Wesen, dass es wirklich gab und dieses tötete gerade ein Mädchen. Langsam und quallvoll. Ihre Kehle wurde mit einem unsichtbaren Hieb zerfetzt. Blut spritzte in einer unnatürlichen Fontäne heraus und klatschte auf alle sämtlichen Flächen, die sich in der Nähe des Bettes befanden. Dann stoppte das Band. Es war viertel vor sechs. Die Zeit, in der ich erwacht war. Mir wurde eiskalt. Ich schlang meine Arme noch fester um mich. Fay atmete neben mir kaum hörbar und ich schaute kurz zu ihr. Ihr Gesicht war leichenblass und ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet. Sie hatte sicherlich schon vieles Grauenhaftes gesehen, aber das schien alles zu topen. Lex sagte nichts. Sein Gesicht war eine ausdruckslose Maske. Blickte nur auf den Bildschirm, auf diesem das Bild eingefroren war und wir immernoch die Tote sahen, wie sie in ihrem eigenen Blut lag. Dann wandte er sich ab. Sprach mit belegter Stimme:„ Danke, wir haben gesehen, was wir sehen wollten!“ Und gemeinsam verließen wir den Raum. „Das hört sich wirklich übel an!“, kommentierte Brian, als wir ihm erzählten, was wir im Yard erfahren und gesehen hatten. Esmeralda schluckte. Ihr Gesicht war ebenso kalkweiss, wie das von Fay. „Das ist noch schmeichelhaft ausgedrückt!“, kam es von Lex. „Und die Tote war aus einer Nervenklinik?“, fragte Brian und wir drei nickten. „Hm!“, machte er nur und schien erstmal zu überlegen. Dann sagte er:„ Egal was da um sich geht. Wir müssen es soschnell herausfinden!“ „Und wie?“, kam es von Fay. „Wir schleusen jemanden hinein. Dieser soll sich, naja, ich drücke es mal jetzt so aus, als geistig gestört ausgeben, um an Infomationen heranzukommen und herauszufinden, was da los ist!“ „Gute Idee, und wer soll Undercover als Irre herhalten?“, fragte Lex und kurz fühlte ich die Blicke aller auf mich gerichtet und ich machte mich ganz klein. Innerlich seufzte ich frustiert auf. Natoll! Es wunderte mich ehrlich gesagt nicht, dass sie dafür mich in Betracht zogen. Von allen, die hier saßen, war ich diejenige bei der man es wirklich abkaufen würde, wenn ich mich einweisen lassen wollte. Irgendwie gefiel mir dieser Gedanken nicht. Ich fragte mich, in welcher Abteilung das Mädchen umgekommen war. Hoffentlich war es nicht die geschlossene gewesen. Auf Gitterstäbe und Zwangsjacken konnte ich gut verzichten. Mochte ich wie eine Zicke klingen. Das war mir egal. Wir mussten etwas dagegen unternehmen. Und das ginge nur so. „Okay, ich mache es!“, sagte ich und nun ruhten wirklich alle Blicke auf mich. „Bist du sicher?“, fragte Fay und ich wollte schon nein sagen, doch ich nickte. Einer musste es ja machen und ich fühlte mich nebenbei noch dazu verpflichtet. Das Mädchen war gestorben, weil ich nicht eingegriffen hatte und ich wollte nicht, dass sich das wiederholte. Oh man. Was müsst Ihr nun von mir halten? Allison Adea, die unfreiwillige Heldin, die sich stets bemüht, es allen und jedem Recht zumachen und soviel Menschenleben zu retten, wie es nur geht! Ironie komm raus! Sobald die Sonne verschwunden war und die Nacht eingebrochen war, rief ich Erik. Ich wollte ihm von dem Plan erzählen, den wir ausgetüffelt hatten. Damit er sich darauf einstellen kann, mich in der Nervenklinik bei meiner „Mission“, zu unterstützen. Gott! Was er wohl davon halten würde? Sicherlich würde er sich wirklich fragen, ob ich wirklich noch alle Latten am Zaun hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Schon bei dem bloßen Gedanken musste ich verbittertes Lachen unterdrücken. Ich in einer Nervenklinik. Was mochte Papa davon halten. Sicherlich wenig bis garnichts. Schon damals, als ich durch den Tod meiner Mutter traumatiesiert war, wollten meine Lehrer mich zu einem Kinderpsychologen schicken. Damit ich wieder normal im Kopf werden werde. Doch mein Vater hatte sich geweigert und wortwörtlich gesagt, dass er lieber Gift schlucken würde, als mich zu einem Seelenklempner zuschicken, der vermutlich noch mehr kaputtmachen würde. Sondern stattdessen mit mir getrauert und zugleich mich mit seiner Liebe getröstet. Das hatte mir all die Jahre geholfen. Besser als es eine Therapie machen konnte. Jetzt aber würde ich wohl oder übel doch noch in die Psychoklinik kommen. Sei es auch nur, um einen Fall zu lösen. Trotzdem machte es mich nervös. Und ich fragte mich, was mich da erwarten würde. „Und du willst da wirklich reingehen? In eine Nervenklinik?“, fragte Erik, der neben mir aufgetaucht war und mich aus meinen Gedanken und Erinnerungen holte. Ich brauchte eine Weile, ehe ich wieder in die Gegenwart zurückkehren konnte und nickte. „Ja. Wer könnte denn besser darin passen als ich?“, fragte ich und zwang mir ein Lächeln ab. Doch Eriks ernstes Gesicht ließen meine Gesichtszüge erschlaffen. „Das ist kein Spiel, Allison. Diesesmal wirst du den Dämon alleine gegenüber stehen müssen. Ich kann dich nicht beschützen, wenn du im Traum angegriffen wirst!“, sagte er und es lief mir kalt den Rücken hinunter. Was sagte er da? Er konnte mich nicht beschützen, wenn ich träumte? „Aber wie kann ich dann…wieso, denn nicht?“, fragte ich. „Weil der Zustand des Schlafens und des Traumes eine ganz andere Ebene ist. Ich kann deswegen nicht geistig oder körperlich dort sein. Geschweige denn dir helfen, wenn es zu gefährlich wird!“ „Dann…bin ich ganz allein?“, fragte ich. „Ja!“, war seine Antwort. Ich merkte, wie mir der Mut schwand. Wenn Erik mir wirklich nicht helfen konnte, wenn ich im Traum angegriffen wurde, dann war ich leichte Beute. Ich schauderte und wollte schon aufstehen, zu Brian und Esmeralda gehen und sagen, dass ich es doch nicht machte. Doch etwas hielt mich zurück. Ich sagte mir, dass es das Schuldgefühl war, das mich davon abhielt einen Rückzieher zu machen. Dennoch wurde mir bei dem Gedanken, allein mich diesem Horrorwesen zu stellen, flau im Magen. „Wie kann ich mich dann wehren?“ Erik antwortete nicht sofort, sondern schaute erstmal vor sich in, als wäre er mit den Gedanken ganz woanders. Mir wurde das einwenig unheimlich und ich rüttelte an seiner Schulter. „Erik?“, fragte ich und er schien wieder ganz bei sich zusein. Er blinzelte und sah mich mit einem schwachen, wissenden Lächeln an, das mir die Sprache verschlug. „Ich lasse mir was einfallen. Keine Sorge!“ Dann war er verschwunden. Erik hatte sich zurückgezogen. Saß auf dem Dach des Hauses und hatte die rechte Hand ausgestreckt. Konzentierte sich und murmelte leise Worte vor sich hin. Zuerst tat sich nichts, doch dann tauchten schwarze Schattenfäden. Tanzten umher und verflochteten sich ineinander. Eriks Worte wurden zu einem fließenden Fluss, riefen noch mehr Schatten herbei, die sich in seiner Hand sammelten und sich zu etwas vereinten, was ein Ring zu sein schien. Schweissperlen bildeten sich auf der Stirn von Erik, da es ihn große Anstrengung kostete, einen Teil seiner Kraft in etwas zuverwandeln, was Allison helfen konnte. Er fühlte, wie er schwächer wurde. Dennoch musste er weitermachen. Koste es was es wolle. Und als er fertig war, fühlte er sich schwächer denn je, aber auch erleichtert. Mit einem letzten kritischen Blick betrachtete er das Hilfsmittel. Und hoffte, dass es funktionierte. „Und was hat Sie dazu veranlasst, hierher zukommen?“, fragte Doktor Higgens, Leiter der Nervenheilanstalt, und sah mich mit einem dezenten skeptischen Blick an. Ich versuchte mir meine Nervösität nicht anmerken zulassen und setzte eine niedergeschlagene Miene auf. „Seit einiger Zeit leide ich an schrecklichen Alpträumen, die mich nicht schlafen lassen. Zuerst fing es ganz harmlos an. Nur einmal in der Woche, doch jetzt wurden es immer mehr und wie gesagt: Ich kann deswegen schon gar nicht mehr richtig durchschlafen!“, sagte ich. Diesen Satz hatte mir Brian eingeschärft, als wir auf dem Weg zur Nervenheilanstalt waren. Diese befand sich weit auserhalb von London. Beinahe schon im Nirgedwo. Überall wo man hinsah, nur Bäume und auch einige Felder. Um die Patienten ruhig zuhalten und sie nicht dem Stress der Großstadt auszusetzen. Hiess es in einer Broschüre. Die Nervenklinik an sich erinnerte mich irgendwie an ein altes Herrenhaus aus dem achtzehntem Jahrhundert. Zweigeschossig und sah aus wie eine umgedrehte Kucheform. Das Dach war mit roten Ziegeln ausgelegt gewesen. Die Außenfassade war weiss gestrichen und die Fenster sahen uns wie tausend kleine Augen an. Als erwarteten sie, dass wir eintraten. Ich blieb vor dem Haus stehen und blickte zu dem Haus hinauf. Irgendwie sah es für mich nicht so aus, wie eine Nervenheilanstalt. Sondern eher wie ein Gutshof, in dem Gäste einundausgehen konnten. Das Grundstück, auf dem es stand war ein großangelegter Park, der von einem hohen, eleganten Zaum umgeben war, der sicherlich mit einigen Sicherheitskrimskrams bespickt war. Kameras und sicherlich auch etwas wie Starkstrom. Doch das war wirklich übertrieben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man die Menschen, die hier eingewiesen waren, wie Gefangene behandelte. Zumindest hoffte ich das. Das Innere, naja, erinnerte mich nun mehr an eine Nervenheilanstalt. In den Ecken links und rechts waren Sitzecken eingerichtet, mit Zeitschriften. In der Mitte, an der gegenüberliegenden Wand der Türe, war die Rezeption. Zu beider Seiten führten Glastüren zu jeweils einem Korridor, der sich in einem weissen Nichts verirrte. Hinundwieder huschten Schwestern in weissen Kitteln umher, wie Geister und verschwanden wieder hinter Türen, die schwer und massiv wirkten. Alles war weiss gestrichen und alles wirkte ziemlich steril. Es hingen einige Bilder, bunte Farbkleckse, die irgendwelche Formen darstellen sollten, an den Wänden. Der einzige farbliche Ton in dieser weissen Leere. Wohl ein schwacher Versuch, die Besucher von der weissen Wand abzunklenken. Und hier würde ich eine Zeit lang bleiben!? Mir wurde kalt bei diesem Gedanken. Esmeralda legte mir ihre Hand auf den Rücken und lächelte mich aufmunternt an. Schob mich dann mit sanften Druck nachvorne. Eine Schwester, jung und mit dunkelgelockten Haaren, die sie unter ihr Häubschen gesteckt hatte, begrüßte uns mit einem Lächeln. „Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“ „Wir hatten heute einen Termin. Mit Doctor Higgens. Fünfzehnuhr!“, erklärte Brian förmlich und die Schwester schaute nach. „Ahja. Mr. und Mrs. Crow!“, sagte sie und grinste um so breiter. Dann sah sie mich an und ihr Grinsen wurde mir nun etwas unheimlich. „Und du musst Alice sein?“ Ich nickte. Und verfluchte zugleich Lex, da er es war, der mir diesen Namen aufs Auge gedrückt hatte. Warum nicht ein anderer Name? Warum ausgerechnet dieser Name von dieser Filmfigur? Doch jetzt deswegen zu jammern, brachte nichts. Da musste ich jetzt durch. Ich verkniff mir daher eine Bemerkung und nickte. „Schön dich zusehen!“ Dann wandte sie sich wieder an Esmeralda und Brian. „Doctor Higgens erwartet Sie schon!“, sagte die Schwester und kam hinter der Rezeption hervor. „Bitte folgen Sie mir!“ Wir folgten ihr durch die eine Tür und gingen den langen Flur entlang, die ziemlich lang war. Und von dem einige Türen und weitere Gänge abzweigten. Allesamt graugestrichen und mit Schildern geschriftet. Die Türe zum Büro des Arztes befand sich am Ende des Flures und als die Schwester anklopfte, rief eine Männerstimme, dass wir eintreten konnten. Tja, da saß ich nun. Und würde bald hier wohnen. Doctor Higgens sah mich einen Moment lang an. „Wielange haben Sie diese Träume schon?“, fragte er mich wieder und nahm sich einen Kuli und ein Blatt Papier. Noch ehe ich richtig nachdenken konnte, entglitten mir die Worte schneller als mir lieb war. „Seit meiner Kindheit!“ Ich erntete sowohl von Esmeraldal als auch von Brian verblüffte Blicke. Wobei Brians Blick nicht sehr viel preisgab, was er dachte. „Sie waren bis zu einem gewissen Punkt harmlos. Aber jetzt…!“ Ich hob hilflos die Hände und ließ sie wieder in meinen Schoss fallen. Eine klare Geste, dass ich nicht mehr wusste, wie es weitergehen sollte. Ich hoffte, dass das reichen würde. Doctor Higgens notierte sich etwas, dann schaute er auf und sah mich ein letztes Mal prüfend an. Dann nickte er. „Gut, ich werde Anweisungen geben. Kommen Sie morgen wieder. Bringen Sie mit, was Sie brauchen!“, sagte er. „Dr. Rayne wird sich mit Ihnen befassen!“ Und damit war das Gespräch beendet. „Was? Morgen schon?“, fragte Fay und ich nickte. „Ja, offenbar war ich so überzeugend, dass sie mich gleich morgen bei sich haben wollten!“, erklärte ich und ließ mich in das weiche Sofa sinken. Ich fühlte mich total erledigt. Nie hätte ich gedacht, dass es so an den Kräften zerren würde. Aber vermutlich lag es auch an der Aufregung. Die Aufregung, in die Nervenklinik zu kommen und dann allein mich auf die Suche nach diesem Wesen zu machen, um mich dann ihm entgegen zustellen. Allein! Ohne irgendwelche Hilfe. Weder von Fay und Lex, noch von Erik. Und ich begann mich zufragen, was ich machen sollte, wenn ich es nicht schaffte. Wenn das einfach eine Nummer zugroß war. Ich will hier wirklich nicht als Jammerlappen gelten, aber der bloße Gedanke, mich mit diesem Ding, in meinen Träumen anzulegen, ohne eine Möglichkeit mich zu wehren, versetzte mich in leise Panik. „Ich lasse mir was einfallen. Keine Sorge!“ Das waren Eriks Worte und kaum, dass ich daran dachte, fühlte ich mich irgendwie beruhigt. Ich wollte mich nicht fragen warum. Sondern einfach daran glauben und ihm vertrauen. „Ich war erstaunt, dass du das mit deiner Kindheit angesprochen hast!“, sagte Esmeralda. „Ich weiss selber nicht, was mich da geritten hat. Es ist mir einfach so rausgerutscht!“ „Auf jeden Fall hat es funktioniert!“, sagte Brian wiederum unbeeindruckt. „Du solltest wirklich Schauspielerin werden!“ Ich verzog das Gesicht, weil ich deutlich an seinem Ton hörte, dass er das ironisch meinte. Es war Abend und ich hatte gepackt. Ich hatte den Koffer schon gepackt und schaute eine lange Weile auf diesen nieder. Morgen würde ich eingewiesen werden. Und ich fragte mich (wiedermal) in welche Abteilung ich kam und was man versuchen würde, mich von meinen Alpträumen zu heilen. Ob man mich mit Drogen zudröhnen würde, bis ich nicht mehr wusste, wie ich hiess, oder ob ich männlein oder weiblein war. Oder mich solange bequatschen, bis ich freiwillig aus dem Fenster hüpfte? Auf jeden Fall würde das, was mich im Schlaf erwartete, sicherlich ein reiner Spaziergang werden. Hoffte ich zumindest und ich kam wieder an den Punkt, wo ich mich zufragen begann, was ich eigentlich dagegen machen sollte. Wie ich mich wehren konnte. Erik war noch nicht hier, oder hatte mir eine Botschaft dageleassen, die mir versicherte, dass er mich nicht schutzlos alleine ließ. So langsam machte ich mir Sorgen. „Na, alles gepackt?“, fragte Erik und ich zuckte etwas zusammen. „Hör endlich auf, wie aus dem Nichts aufzutauchen und mich erschrecken!“, bat ich ihn angesäuert. „Du müsstest dich eigentlich daran gewöhnt haben!“, kam es von ihm und setzte sich auf das Bett. „Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf!“, wollte ich beinahe schon sagen, verkniff es mir aber. „Hast du denn etwas, womit ich mich wehren kann?“, fragte ich und schloss den Koffer. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er mich für einen langen, langen Augenblick anschaute und ich glaubte so etwas wie dunkle Gewissheit in seinen Augen zu sehen. Doch noch ehe ich richtig hinschauen konnte, wandte Erik den Kopf ab und krammte in seiner Jacke herum. Suchte nach etwas und reichte es mir. Ein schwarzer Armreif, dessen ring in dreiweitere aufgetreilt war und sich ineinander verschlungen hatten. Es sah aus, als wäre der Armreif aus schwarzen Ranken oder so geflochten. In der Mitte, als Schmuckstück sozusagen, war ein Edelstein eingefasst. Er schimmerte, je nach Lichteinfall in den unterschiedlichsten Rottönen. Von leuchtend bis blutrot. Das Farbwechselspiel hypnotesierte mich für einen kurzen Moment. Wie gebannt schaute ich auf den Stein. Doch dann riss ich mich los und sah Erik an. „Kann mir das wirklich helfen?“, fragte ich. Ich weiss nicht, was ich erwartet hatte. Eine Art Waffe vielleicht. Ein Schwert oder sowas in der Art. Ich hatte keine Zweifel daran, aber ich wollte es trotzdem wissen. Und ich wollte wissen, wie? „Natürlich, vertraust du mir etwa nicht?“, fragte Erik und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er ernst enttäuscht war, dass ich ihm solch eine Frage stellte. „Doch schon, aber ich weiss nicht, wie mich ein Armreif beschützen soll?“ „Leg ihn doch einfach an!“, sagte er und klang ein wenig gereizt. Ich war immernoch nicht überzeugt, dennoch streifte ich den Armreif über. Kaum hatte ich das getan, spürte ich einen entsetzlichen Schmerz in meinem Handgelenk. „Au, was ist das?“, rief ich und griff nach dem Armreif. Wollte ihn abziehen, doch das Ding blieb auf meiner Haut, als hätte es sich mit kleinen Zähnen in meine Haut verbissen. Und als ich auf mein Handgelenk schaute, sah ich wie etwas Blut unter dem Armreif hervorquoll. „Was…was?“, keuschte ich entsetzt. Ich schaute zu Erik, der die Ruhe weg hatte und mich abwartend anschaute. „Was… was…was soll der Scheiss?“, fragte ich ihn entsetzt und wütend. „Ganz ruhig. Das ist normal!“, sagte er und ich wollte schon Luft holen, um ihn anzuschreien. „Wie soll ich dir sonst helfen? Ich habe dir gesagt, dass ich dich im Traum nicht beschützen kann. Also erschurf diesen Armreif mit hilfe meiner Kraft. Er ist ein Teil davon und dieser verbindet sich mit dir. Über dein Blut wird meine Kraft auf dich übertragen und kann jegliche Form einer Waffe annehmen, die du willst!“ Für einen kurzen Moment drehte sich alles. Ich blickte auf den Armreif. Eriks Worte sickerten nur langsam in meinen Verstand. Dieser Armreif war ein Teil seiner Kraft und und diese erhielt ich über mein Blut. Schon irgendwie gruselig. „Und werde ich es auch nicht verlieren?“, fragte ich. „Nein. Wie gesagt, es ist nun ein Teil von dir!“, sagte er und lächelte. „Es ist schwer, dich davon zutrennen!“ Ich schaute auf das Armband, das mein Handgelenk zierte und versuchte etwas darin zusehen, was es zu etwas Besonderem machte. Doch auf den ersten Blick sah es aus, wie ein Armreif. Modisch und elegant. Auf eine unheimliche Art und Weise. Aber ich ahnte, dass in diesem Armreif etwas innewohnte, was ich erst später erkennen würde. Ich blickte noch einmal zu Erik und noch immer lächelte er dieses wissende Lächeln. Mein Einzug in die Nervenklinik verlief ohne großes Tam-Tam. Brian und Esmeralda begleiteten mich. Zusammen mit einer stämmigen Oberschwester gingen wir durch die Türe mit der Aufschrift „Offene Abteilung“ Wir kamen an einigen Türen vorbei, die mit Nummern und Namen beschriftet waren. Ich las einige davon. Es waren sowohl Mädchen als auch Jungen hier untergebracht. Einige kamen uns entgegen und sahen uns und mich am meisten, mit neugierigen Blicken an. Ich ging einfach weiter. Achtete nicht darauf. Während wir durch den Flur gingen, der zu meinem neuen Zuhause führte, schaute ich mir die Türen, die links und rechts von uns befanden. Sie waren mit Namen und Nummern beschriftet. Ich las einige davon. Es waren sowohl Mädchen als auch Jungen hier untergebracht. Und ich fragte mich, warum sie hier waren. Welche Krankheiten sie hatten? Aber vermutlich würde ich das bald herausfinden. Als wir an der Tür ankamen, hinter der mein neues Zuhause lag, schloss die Schwester diese auf und ich es betrat als erstes. Es war karg eingerichtet. Schreibtisch, ein Bett, das aussah wie aus einem Gefängniss, ein Schrank und ein kleiner Tisch. Die Fenster waren zum Glück nicht vergittert. Aber was anderes hatte ich eigentlich nicht erwartet. Immerhin war das eine Nervenheilanstalt und nicht das Hilton. „Frühstück gibt es um acht. Mittagsessen um zwölf und Abendessen um acht!“, sagte die Schwester mit barscher Stimme. Sie musste diesen Satz sicherlich mindest einhundertmal gesagt haben, so wie sie den runterleierte. Esmeralda umarmte mich. „Wir werden dich besuchen. Versprochen!“, sagte sie. Für die Schwester klang es nach den üblichen Besuchern von Verwandten. Doch ich wusste dass diese Besuche dazu dawaren, sie über meine Recherchen aufzuklären. Ich nickte. Erwiederte die Umarmung. Brian hatte nur ein Schulterklopfen für mich übrig. „Pass gut auf dich auf!“, riet er mir noch, dann gingen sie. Die Schwester blieb noch einen Moment, schaute mich an. Ich erwiderte nur ihren Blick. Dann sah sie auf mein Handgelenk und runzelte missbilligend die Stirn. Mir entging das nicht und ich bedeckte schnell das Armband mit meiner anderen Hand. „Schmuck ist hier nich erlaubt!“, sagte sie mit dergleichen barschen Stimme und ich schluckte. „Ich…bitte! Es ist ein Erbstück meiner Mutter!“, versuchte ich die Frau weichzuklopfen. Doch diese streckte nur die Hand aus. „Schmuck ist nicht erlaubt!“, widerholte sie und ihr Gesicht verfinsterte sich. Gott, das musste wohl der Drache des Hauses sein. Mein Griff um den Armreif wurde fester. Das Metall begann unter meiner Berührung warm zu werden und ich überlegte krampfhaft, was ich noch sagen konnte, um den Schwesterdrache weichwerden zulassen. „Aber…!“, begann ich und machte einen Schritt zurück. „Was ist denn hier los?“, fragte eine Männerstimme und ein Mann im weissen Kittel kam ins Zimmer. Er war jung. Sehr jung. Und sehr gutaussehend. Er schaute erst mich, dann die Schwester an und machte betroffenes Gesicht. „Schwester Greta. Darf ich fragen, warum dieses Mädchen so eingeschüchtert aussieht?“, fragte er und ich war dankbar dafür, dass er zur rechten Zeit dawar. So versuchte ich noch eingeschüchterte zu wirken. Zog den Kopf zwischen die Schultern und machte ein Gesicht, als würde ich gleich anfangen zu weinen. Drachenschwester Greta wirkte nun etwas ertappt und verunsichert. Sie suchte nach den richtigen Worten. Dann straffte sie die Schultern und zeigte auf mich. „Ich wollte ihr gerade klarmachen, dass sie das Armband abgeben muss!“, sagte sie herrisch und sah mich dabei mehr als finster an. Ich versuchte nun nicht weniger nachgebend ausszusehen und sagte:„ Es gehörte meiner Mutter. Das einzige, was ich noch von ihr habe!“ Ich legte dabei alles Flehen und Entsetzen in meine Stimme, um meinen Willen durchzusetzen. Dass ich dabei wie eine fünfjährige klang, blendete ich aus. Der Arzt legte den Kopf schief und überlegte. Die Drachenschwester hingegen wäre es lieber gewesen, mir den Reif gleich vom Arm wegzureissen. So wütend war ihr Blick. Ich blickte zum Arzt und betete, dass er auf meiner Seite stand. Was er auch tat. „Wenn es ihr soviel bedeutet, lassen Sie ihr den Armreif!“, sagte er gönnerhaft und ich dankte ihm tausendmal. Nur die Schwester schien nicht so begeistert davon zusein. Wütend, dass man ihre Autorität in Frage gestellt hatte, stapfte sie davon. Ich musste dem Drang wiederstehen, ihr spöttisch nach zuwinken. „Ich hoffe, Sie haben keinen falschen Eindruck von unserer Anstalt?“, sagte der Arzt und lächelte sanft. Ich schüttelte den Kopf. „Nein!“ „Da bin ich beruhigt!“, sagte der Mann wieder und reichte mir die Hand. „Ich bin Doctor Rayne. Ich werde mich während Ihrer Zeit hier bei uns, mit Ihnen befassen!“ Das war also Doctor Rayne. Er war ungefähr einssechsundsiebzig, braun gebrannt, nicht zustark, als würde er Werbung für ein Solarium machen, und hatte gewelltes braunes Haar. Seine Statur konnte man gut als athlethisch bezeichnen. Seine Augen waren dunkel, so dass man sich in ihnen leicht verlieren konnte. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten müsste, dass er nicht gut aussieht. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er die eine oder andere Verehrerin ist. Und wenn ich nicht aufpasste, würde ich eine von ihnen werden. Ich brachte kein Wort heraus, sondern ergriff seine Hand. Sie war warm und weich. Fast so wie die von Erik. Bei dem Gedanken an ihn, fragte ich mich, wo er sich nun befand. War er schon hier oder wartete er bei Brian und Esmeralda auf meinen Hilferuf? Ich kam mir aufeinmal ziemlich verloren vor, jetzt wo ich hier war. Ohne die anderen, die bisher immer da gewesen waren, um mir zu helfen. Ich schaute auf den Armreif. Hoffentlich würde er mir auch wirklich helfen. „Vertrau mir!“, hörte ich Erik plötzlich sagen und kurz schaute ich hinter mich. Die Stimme war deutlich hinter mir zu hören gewesen. Aber da war niemand. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet. „Einen schönen Armreif hast du da!“, sagte er und ging gleich aufs perdu über. Ich schaute auf diesen nieder. „Ja, meine Mama gab ihn mehr, bevor sie…!“ Da es sicherlich kein Geheimniss war, das meine Mutter tot war, da sich Esmeralda und Brians als meine Zieheltern ausgegeben hatten, konnte ich das Spiel weiterspielen. Dennoch fühlte ich mich dabei schlecht. Es war irgendwie falsch. Ich konnte es mir selber nicht erklären. Aber ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass meine Mama Esmeralda und Brian wirklich mal gebeten hatte, auf mich achtzugeben. Mag es nur zur Täuschung dienen. Mama hätte mich niemals zu Fremden geschickt. Die mir dennoch zu Freunden geworden waren. Gute Freunde. Aber Erik hatte gesagt, dass ich zu ihnen gehen sollte. Kannte er sie etwa gut? Ich wollte nicht länger darüber nachdenken. Sondern mich auf das konzentrieren, was vor mir lag und das war, dieses Alptraumding, Freddys Tochter, aufzuhalten, ehe sie/ es weitermordete. „Schon gut. Ich weiss bereits bescheid!“, unterbrach er mich und ich hob die Brauen. „Woher…?“ „Ich habe es in deiner Akte gesehen. Du hast sicherlich viel durchmachen müssen. Da wundert es mich nicht, dass du solche Alpträume hast!“, sagte er und legte mir eine Hand auf die Schulter. Sein Gesicht war voller Mitleid und trostspendent zugleich. Ich blickte ihn nur an und wollte sagen: „Wenn Sie wüssten!“, doch ich verkniff es mir. Da hellte sich die mitleidige Miene auf und er drückte meine Schulter ermutigend. „Aber jetzt bist du ja hier. Und wir werden alles versuchen, dir diese Träume zu nehmen!“, sagte er und ich hatte den stillen Wunsch, dass er mir wirklich helfen konnte. Ich nickte nur. Meine erste Nacht in der Nervenklinik war so, als sei ich kilometerweit von Zuhause entfernt. Was ziemlich verrückt klang, ich weiss. Da ich nicht wirklich in London zuhause war, sondern in Paris. Aber ich hatte schreckliches Heimweh. Hier zuliegen kam mir fremd und auch beängstigend vor. Der Raum glich mehr einer Zelle, als ein Patientenzimmer. Mit seiner weisslichen, schon ins schwache grau übergehende Farbe und der Inneneinrichtung, die kaum mehr Platz für etwas wie Klamotten oder Pflegeuntensilien hergab, als gedacht und das Fenster, hinter der schwarze Nacht lag. Wie gern wäre ich jetzt bei meinen Freunden. Ich vermisste es, mit Fay zusammen zusitzen und mich mit ihr zu unterhalten. Bis in die späteste Stunde. Die Geräusche des Hauses. Wenn jemand zum Beispiel über den Flur ging und die Dielen unter seinen Schritten knarrten. Das Heulen des Windes und das Rascheln der Bäume, die hinter dem Anwesen standen. Ich vermisste es. Und ich wünschte mir, dass ich schnell hinter das Geheimniss komme, damit ich wieder hier rauskam. Mein erster Tag in der Nervenklinik begann um achtuhr morgens. Zwar wollte ich noch etwas ausschlafen, weil ich eine unruhige Nacht hatte, aber bevor ich das Frühstück verpasste und bis zum Mittag hungern musste, stand ich lieber jetzt gleich auf. Denn so konnte ich mir auch die Nervenklinik genauer anschauen. Ebenso auch ihre Patienten. So verrichtete ich die üblicke Kartenwäsche, sprich Gesicht waschen, Zähne putzen und Haare kämmen. Zog mich um und ging aus dem Zimmer. Kurz blieb ich vor der Türe stehen und schaute nach links und nach rechts. Wohin ging es wohl zu dem Speisesaal. Gab es hier ein Schild, was einem den Weg zeigte? Ich hoffte es. Denn hier rum zuirren wollte ich wirklich nicht. Am besten wäre es, wenn ich zur der Rezeption gehe und nach dem richtigen Weg fragte. Sicherlich würde die Schwester mir helfen. „Guten Morgen!“, begrüßte ich die Frau, die uns schon bei unserem Termin mit dem Klinikleiter empfangen hatte und sie lächelte freundlich zurück. „Morgen! Kann ich dir helfen?“ „Ja, ich suche den Speisesaal. Können Sie mir sagen, wo ich den finde?“ „Aber natürlich!“, sagte die Schwester und kam hinter der Rezeption hervor. „Komm mit!“ Während ich der Schwester folgte, erzählte sie mir vieles von der Klinik. Wie lange es diese schon gibt. Wieviele Patienten es hier gibt und wie viele schon geheilt wurden. Und ich wollte schon fast fragen, was mit dem Mädchen war, das ermordert wurde. Doch ich hielt mich zurück. Nicht auffallen, sagte ich mir. Wir kamen an einem großen eingerahmten Gemälde vorbei, das mir sofort auffiel und ich blieb stehen, um es mir anzusehen. Es war die Klinik. Aber etwas war anders. Die Fassade war nicht so strahlend weiss und auch die Umgebung wirkte irgendwie anders. Als ich auf das kleine Messingschild schaute, wusste auch warum. In ordentlichen Lettern stand: „St. Katharina-Hospital, 1981“ Das Gebäude wirkte zwar wie neu, aber dabei war es schon so alt. Irgendwie seltsam. Ich blieb vor dem Bild stehen und schaute wie gebannt hin. Ich konnte mir nicht helfen. Aber etwas stimmte damit nicht. Und ich meine nicht damit, dass es so anders aussieht. Sondern dass ich darauf etwas zu sehen glaubte, was eigentlich nicht da war. Meine Augen huschten unruhig hinundher. Ich meinte in den Augenwinkeln einen Schatten zu sehen, doch immer wenn ich hinschaute, verschwand er wieder und tauchte in einen anderen Teil des Bildes auf. Nach einer Weile wurde mir schwindelig und ich hielt mir den Kopf. „Alles in Ordnung?“, fragte die Schwester besorgt und berührte mich an der Schulter. Ich hatte ganz vergessen, dass sie neben mir stand und mich eigentlich in den Spesiesaal begleiten wollte. Ich schüttelte den Kopf, um wieder einigermassen klar zu werden und nickte dann. „Ja, ich…ich…habe mich nur gefragt, wie alt dieses Gebäude wirklich ist!“, sagte ich und deutete auf das Bild. „Laut den Zahlen ist es schon einige Jahre alt, aber das Haus sieht aus wie neu!“ „Ja, das liegt daran, dass es neu hergerichtet und aufgebaut wurde!“, erklärte sie mir. „Warum?“, fragte ich aus reiner Neugier. „Es war nicht gerade im besten Zustand und man wollte es nicht riskieren, dass die Klinik irgendwann über den Köpfen zusammenbrach!“ Es sollte wohl als ein Scherz gemeint sein, aber ich zuckte unmerklich zusammen. Etwas bei diesen Worten ließ mich erschauern. Sagte mir, dass da mehr dahinter steckte. Doch bevor ich dazu kam, weiter zufragen, ging die Schwester weiter und sagte mir, dass ich mich beeilen müsse, wenn ich noch warme Brötchen haben wollte. Und wie als wenn mein Magen ihr geben wollte, begann er zu knurren und so folgte ich ihr. Dabei warf ich noch einmal einen Blick über die Schulter zu dem Bild und sah, wie sich dunkle Schattenarme aus dem Bild schlängelten und mir zuwinkten. Ich drehte schnell den Kopf herum und versuchte die Schwester nicht zuverlieren. Doch das ungute Gefühl blieb und ließ mich nicht mehr los. Der Speisesaal war so etwas, wie eine Kantine. Bot genug Platz für fünfzig Menschen, oder mehr und hatte auch genug Sitzgelegenheiten. Meterlange Tische, die der Länge nach in regelmässigen Abständen standen. Eine große Glasfront, die einen Ausblick zu einem hübschen gartenähnlichen Park ermöglichte und eine Theke auf der gegenüberliegenden, die gut besucht war und hinter der einige Frauen in weissen Küchenklamotten ihnen das Essen reichten. „Worauf wartest du? Schnapp dir ein Taplett und hole dir was zuessen!“, sagte die Schwester und klopfte mir auf den Rücken. Dann ging sie und ließ mich erstmal stehen. Einige der Patienten hatten mich bereits bemerkt und schauten mich neugierig an. Einige tuschelten und zeigten mit den Finger auf mich. Mir wurde das zu blöd und ich wollte mich schon umdrehen und gehen. Lieber verhungerte ich, als dass ich mich von diesen Irren anstarren ließ, als sei ich eine Zooattraktion. Doch mein Magen machte mir wieder einen Strich durch die Rechnung und knurrte noch lauter als vorher. „Verräter!“, murmelte ich und stellte mich an. Nahm mir ein Taplett und schlurfte den markierten Gang entlang. Warf dabei einen Blick auf die heutige Auswahl. Brötchen, mit oder ohne Körner. Croissant, mit Schokofüllung. Muffins. Dazu noch eine reiche Auswahl an Aufstrichen, von A bis Z. Ich merkte, wie mein Magen bei diesem Anblick jubelte und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Im Kopf stellte ich mir schon eine Liste auf, was ich gerne haben möchte, ohne dabei darauf zuachten, dass das meiste davon auf meinen Hüften landen würde. Als ich dran war, ratterte ich meine Liste hinunter und die Küchenhilfe sah mich mit ungläubigen Blicken an, während sie mir Zwei Mohnbrötchen, ein Schokocroissant und zwei kleine Glässchen mit Erdbeer-und Apfelmarmelade auf mein Taplett stellte. Deutlich konnte in ihren Blicken die Worte ablesen:„ Und das willst du wirklich alles essen, du zwartes Püppchen?“ Ich grinste nur und nahm mir das Taplett, was, zugebeben, ziemlich schwer war und machte noch bei den Getränken halt, um mir eine Tasse furchtbarsüßen Kakao zuholen. Dann schlenderte ich zu einem freien Tisch und machte mich über das Frühstück her. Ich fing mit den Brötchen an und arbeite mich bis zum Schokocroissant vor. Gelegentlich trank ich auch meinen Kakao und musste mich schütteln, so gut schmeckte er. Dabei hatte ich mir das Essen in einer Klappsmühle irgednwie schlimm vorgestellt. Aber vermutlich legte man hier noch wert, dass es den Patienten gut ging. „Entschuldigung, darf ich mich setzen?“, fragte mich jemand und ich schaute hoch. Vor mir stand ein rotharriges Mädchen, mit einem verlegenen Lächeln. Sie war ganz schön blass. Zu blass für meinen Geschmack. Und als ich auf ihr Taplett schaute, sah ich, dass sie kaum etwas zum Frühstück hatte. Nur einen Apfel, ein Brötchen und eine Tasse. Ich merkte erst zu spät, dass ich sie anstarrte und sie auf meine Antwort wartete. Und da ich nicht unhöflich sein wollte, nickte ich. Das Mädchen lächelte zaghaft und setzte sich mir gegenüber. „Du bist neu hier, oder?“, fragte sie und ich nickte wieder. Knabberte auf meinem Brötchen herum. „Und wie gefällt es dir hier?“ „Ist ganz nett!“, gab ich zwischen zwei Bissen zurück. Dann herrschte erstmal Schweigen und ich war irgendwie dankbar darüber. Ich hatte nichts gegen dieses Mädchen. Aber ich wollte für mich sein. Und in Ruhe essen. „Sorry, wenn ich nerve, aber…ich könnte schwören, dass ich dich schonmal gesehen habe!“, sagte sie nachdenklich. „Ich denke nicht!“, sagte ich knapp. Das Mädel legte die Stirn in Falten und schien ernsthaft zu überlegen. Dann hellte sich ihr Gesicht auf und sie klatschte begeistert in die Hände. „Aber natürlich. Du bist Alices. Alices Cullen. Die Schwester von Edward Cullen. Wie geht’s deinem Bruder so?“ Ich verzog das Gesicht. War ja klar, dass sie damit kam. Herr Gott nochmal. Warum musste ich bloss dieser Alice so ähnlich sehen. Ob die hier Gesichtschirugie anbieten? Wenn ja, zahle ich das gerne aus eigener Tasche. „Ich bin nicht die Schwester von Edward Cullen. Sondern in Einzelkind!“, erklärte ich kurz und knapp. „Und mein Name ist nicht Alice Cullen, sondern Alice Crow!“ „Aber du siehst ihr so ähnlich. Sicher, dass du es nicht bist?“ „Ja, bin ich!“, grummelte ich. Wenn nicht dieses Mädel bald damit aufhörte würde ich… „Lucie, lass doch das Mädchen. Du siehst doch, dass sie es nicht ist!“, mischte sich eine Schwester ein und holte das Mächen von mir weg. „Aber sie…sie ist es doch!“, wandte Lucie ein und schaute mich an, als erwartete, dass ihr Recht gab. Dass ich es wirklich bin. Doch ich senkte den Kopf und widmete mich meinem Frühstück. Die Schwester nahm Lucie mit und setzte sie an einen anderen Tisch. So hatte ich wieder meine Ruhe. Doch das hiess nicht, dass ich von den Blicken der anderen verschont blieb. Immer wieder sah ich, wie sie die Köpfe drehten und zu mir hinüber schauten. Was um alles in der Welt war an mir so besonders? Ich versuchte die Blicke nicht zubeachten und für mich selbst zusein. Ich trank den letzten Rest Kakao leer und wollte mir überlegen, wie ich diesem Apltraum-Ding auf die Schliche kommen könnte. Leicht würde es nicht werden, dass wusste ich. Und Sicherlich würde auch dieses Ding alles versuchen, um mir zuvor zukommen und mich in meinen Träumen um die Ecke zu bringen. Mein Blick schweifte auf mein Handgelenk, wo ich Eriks Armreif trug und wieder hatte ich Zweifel. Würde mir dieses Ding wirklich helfen? Irgendwie konnte ich es mir nicht vorstellen. Aber Erik hätte es mir nicht gegeben, wenn es nicht etwas Nützliches wäre. Ich musste ihm in diesem Fall wirklich vertrauen. Ich drehte mein Handgelenk, sodass der Armreif etwas im Licht funkelte. Die rötliche Farbe wechselte auf ein mattes Lila und dann in ein tiefes Blau. Ähnlich wie ein Stimmungsring. Zuschade das er mir keine Gebrauchsanweisung gegeben hat. Wie sollte ich zum Teufel wissen, wie ich den Armreif einsetzen konnte? „Alice!“ Eine Stimme holte mich aus meinen Gedanken und ich wollte schon sagen, dass ich nicht Alice bin. Doch ich konnte mich gerade noch zurückhalten, da zumal der Arzt, der mich untersuchen würde, vor mir stand und ich außerdem meine Deckung nicht auffliegen lassen durfte. „Ich würde gerne bald mit deiner Therapie anfangen!“, sagte er freundlich und ich nickte. Was anderes blieb mir auch nicht übrig. Ich musste da mit spielen. Zwei Tage später, sollte ich meine erste Sitzung haben. Doctor Raynes Therapiezimmer war recht elegant eingerichtet. Ein Schreibtisch aus schwarzem Holz, der auf Hochglanz poliert war und ordentlich gehalten war. Eine ganze Wand wurde von einem Bücherschrank dominiert und auf dem Bodenw ar ein ziemlich teueraussehnder Teppisch ausgelegt. Eine Liege, die bequem aussah und daneben ein Stuhl. Das war also die typische Psychologencoach. Ich blieb eine Weile davor stehen und fragte mich, ob ich mich auch woanders hinsetzen kann. „Du kannst ruhig auf der Liege platznehmen. Du brauchst dich auch nicht hinlegen!“, sagte Doctor Rayne, der wohl bemerkt haben musste, dass ich die Liege ziemlich skeptisch anschaute. Das war es, was ich hören wollte. Ungern wollte ich mich auf diese Coach legen, da ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden konnte, mich darauf zulegen. Es war einfach wie eine Blockade. Also setzte ich mich nur. „Möchtest du einen Kaffee?“, fragte er und mit dieser Frage hatte dieser Mann wirklich einen Pluspunkt bei mir gesammelt. „Ja, bitte!“ „Mit Milch und Zucker?“ „Schwarz!“, war meine Antwort. Und schon hatte ich einen leckeren schwarzen Kaffee in der Hand. Doctor Rayne setzte sich mir gegenüber. Ebenso eine Tasse Kaffee in der Hand. „Also!“, begann er. „Ich möchte gerne wissen, wie diese Träume aussehen!“ Ich hätte mich beinahe am meinem Kaffee verschluckt. War ja klar, dass er auf dieses Thema zusprechen kam. Immerhin war das der Grund, warum ich hier war. Und als Arzt war er verpflichtet, mir zuhelfen. Er konnte ja nicht ahnen, dass das alles Show war. „Sie…es sind nicht immer die gleichen. Und es sind auch nicht Träume. Zumindest nicht solche, die man für gewöhnlich hat. Ich sehe Menschen, die ich nicht kenne. Sie sterben. Immer und immer wieder!“, erzählte ich. So wie vorletzte Nacht, wollte ich sagen, doch ich behielt es für mich. Nippte an meinem Kaffee. Fühlte, wie er mich ein wenig beruhigt. Etwas von der Nervösität nahm, die mich ergriff, als ich an den letzten Traum denken musste. Doctor sagte erstmal nichts, sondern machte ein nachdenkliches Gesicht. Suchte wohl nach den richtigen Worten. Dass musste ich auch. Es dauerte eine Weile, ehe er weitersprach:„ Und wielange hast du diese Träume schon?“ „Seit meiner Kindheit!“, antwortete ich mechanisch. Irgendwie störte es mich nicht, dass ich dieselbe Frage noch mal beantworten musste. Als der Leiter mich danach fragte, schien er wenig Interesse saran zuzeigen. Aber bei Doctor Rayne hatte ich das Gefühl, dass er meinen Fall wirklich ernst nahm. Mochte dies alles nur Fassade sein. Es gab mir dennoch ein gutes Gefühl. „Und weißt du warum du diese Träume hast? Woher die kommen könnten?“ „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht!“ „Du hast es einfach hingenommen?“ Ich zuckte die Schultern. Und nickte. Es stimmte ja. Ich habe mich zwar gefragt, warum ich diese Gabe…diesen Fluch hatte, aber ich habe es auch einfach hingenommen. Vielleicht war das ja mein Fehler gewesen. Doctor Rayne gab nur ein nachdenkliches „Hm!“, von sich und schrieb sich etwas auf. Ich versuchte auf den Block zuschielen. „Keine Sorge. Ich schreibe schon nichts auf, was dich in Probleme bringt!“, sagte er mit einem beruhigenden Lächeln. „Oder dich beleidigt!“ Ich setzte mich wieder zurück. „Was könnte denn die Ursache sein?“, fragte ich aus reiner gespielter Neugier. „Nunja…etwas Traumatisches. Ein Unfall oder ein Verlust einer geliebten Person!“ Bumm! Damit brachte er eine Bombe in mir zu platzen. Ich musste sofort daran denken, wie sich meine Mutter damals umgebracht hatte. Ich hatte es ja gesehen und jedes einzelne grausige Detail war tief in meiner Erinnerung eingebrannt. Ein traumatisches Erlebnis?! So hatte ich das noch nicht gesehen. Klar, es war schlimm gewesen und von da an hatte es angefangen, aber ich hätte die nie gedacht, dass der Selbstmord meiner Mutter der Auslöser gewesen war. Ich biss mir auf die Unterlippe und zögerte etwas. Fragte mich, ob es eine gute Idee wäre, ihm davon zu erzählen. Oder einfach zu schweigen. Es gab einige Punkte, die dagegen sprachen. Zum einen wollte ich mich nicht so sehr auf diese Sache einlassen, da ich nicht wirklich hierher gehörte. Aber eine Stimme sagte mir, dass ich es dennoch tat. Dass ich die Hilfe, die er mir bot, annehmen sollte. Dass es mir dabei vermutlich ein wenig besser ging. Schließlich siegte das Contra und sagte schnell:„ Nein, sowas gab es nicht. In meiner Familie war alles Bestens!“ Es war am Abend, als ich, gut gesättigt nach einem sehr kalorienreichen Abendessen, ins Bett gehen wollte. Doch kaum dass ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir geschlossen hatte und das Licht anschalten wollte, blieb ich wie angwurzelt stehen. Eine dunkle Gestalt hockte auf meinem Bett und sah mich an. Ich fühlte deutlich ihren Blick auf mich und ein Schauer rann mir über den Rücken. Das Wesen, durchfuhr es mich. Wie war das möglich? Ich träumte doch gar nicht! Meine Hand glitt automatisch zu dem Armreif und ich kniff die Augen zu. Versuchte mir vorzustellen, wie es mir helfen würde. Doch nichts tat sich. Verdammt! Hilflos und unfähig etwas zu machen blickte ich vom Armreif zu der Gestalt, die sich keinen einzigen Milimeter gerührt hatte. Ruhig blickte sie mich an, als würde sie auf irgendwas warten. Ich blieb ebenso ruhig stehen. Es schien ewig so zudauern, bis die Gestalt sprach. „Willst du mich weiter so anstarren oder nicht doch lieber das Licht anschalten?“ Ich stiess einen erleichterten aber auch ungläubigen Laut aus. „Erik?“ „Nein, der böse schwarze Mann. Natürlich ich. Wen hast du denn erwartet?“, raunzte er mich an. Meine Verwunderung schlug in Ärger um. „Willst du wirklich eine Antwort darauf haben? Ich dachte, du wärst dieses Apltraumding!“ „Tut mir leid, dich enttäuschen zumüssen!“, war seine frostige Antwort. „Was willst du hier?“ „Ich dachte, ich schaue mal vorbei und frage dich, wie dein Besuch beim Seelendoctor war?“ „Danke, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Ich lebe noch, wie du siehst!“ „Ja, das sehe ich!“, sagte Erik und ich hörte deutlich in seiner Stimme, dass er grinste. „Haben dich Brian und Esmeralda geschickt?“ Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er nur hier war, um zu erfahren wie weit ich schon mit meinen Ermittlungen bin. „Nein. Ich bin nur hier, weil ich dich im Auge behalten will!“ „Ach was?“, fragte ich und grinste breit. „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“ „Nein, aber ich weiss nicht, ob damit zurecht kommst!“, erklärte er und deutete dabei auf den Armreif. „So wie du danach gegriffen hast und die Augen zugepetzt gehabt hast, habe ich da so meine Zweifel!“ „Du hättest mir ruhig eine Bedieunungsanleitung geben können!“, murmelte ich kleinlaut. „Wie funktioniert das Ding überhaupt?“ „Dieses Ding wird durch deinen Willen akteviert. Stelle dir einfach vor, welche Waffe es annehmen soll und es nimmt diese an!“, erklärte er und hörte sich an, als würde er mir erklären, wie ein Toaster zu bedienen ist. „Wie das ist alles?“ „Willst du es lieber kompliziert?“, war seine Gegenfrage und ich schüttelte den Kopf. „Na also!“ „Mal angenommen, ich stehe diesem Ding gegenüber und habe eine Waffe. Wie soll ich es besiegen. Einfach Kopf abschlagen und fertig, oder wie soll es gehen?“ Ein kurzes Lächeln huschte über Eriks ernstes Gesicht. „Nein, so einfach wird es nun auch wieder nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Ding nur durch etwas Spezielles getötet werden kann!“ „Und was sollte das sein?“ „Tja, das musst du rausfinden!“ „Na, grossartig!“, seufzte ich niedergeschlagen. Warum um alle sin der Welt muss manches so schwer sein? Das Licht der Neonröhren flackerte und zuckte, als würden sie darum kämpfen nicht gänzlich zu erlöschen. Die Wände, die einst strahlend weiss waren, waren nunr ergraut und alt. An manchen Stellen hatte sich Schimmel gebildet, der sich ausgebreitete hatte, wie eine gefährliche Krankheit. Hier und da standen alte verrotete Rollstühle, Rolltragen und andere Requisten eines Krankenhauses. Die Türen zu den jeweiligen Stationen öffneten sich mit einem ohrenbetäubenden Quietschen und fielen dann wieder krachend zu. Eine erdrückende Stille lag überall dem ganzen und verlieh diesem Ort etwas Unheimliches. Chloe konnte nicht sagen, wielange sie schon durch die verlassenen Flure dieses zerfallenen Krankenhauses umherirrte. Für sie fühlte es sich wie Stunden an. Sie war aufgewacht und hatte sich allein in ihrem Krankenzimmer gefunden. Es war kein anderer Mensch hier gewesen. Nur sie. Und dennoch spürte sie die Anwesenheit von jemand anderen. Spürte ihn hinter sich, vor sich, von beiden Seiten. Überall. Als sei er ein Geist, der sie beobachtete. Chloe begann sich zu fürchten. Mit jedem Schritt den sie machte. Und das Gefühl, dass jemand sie beobachtete, wurde immer stärker. Irgendwann blieb sie stehen und schaute sich um. Dieser Ort macht ihr Angst und sie wollte von hier weg. Nach einem Ausweg suchend ging sie weiter. Und auch wenn sie wusste, dass sie keiner hören würde, rief sie nach Hilfe. „Hallo? Hört mich jemand?“, rief sie und erschrack wie ihre Stimme von den Wänden wiederhallte. Dann herrschte wieder Stille. Legte sich wie ein schweres Leichentuch über sie und ließ sie kaum atmen. Diese jedoch wurde rasch von einem Geräusch durchbrochen. Und es lief Chloe kalt den Rücken runter. Dieses Geräusch. Es hörte sich an, wie Fingernägel, die über eine Tafel kratzten. Das Geräusch schien von hinten zu kommen und sie drehte sich langsam um. In dem matten Licht der Neonröhren, die immer flackerten, konnte sie kaum etwas erkennen. Nichts, was dieses Geräusch verursachen könnte und Chloe wollte sich schien sagen, dass sie sich das nur eingebildet hatte. Aber dann tauchte etwas in dem Licht der flackernen Neonröhren auf und verschwand auch sogleich wieder. Doch Chloe konnte erkennen, was es war. Eine Gestalt. Die eines Menschen. Vermutlich einer jungen Frau. Aber wie konnte das sein. Sie war doch ganz allein hier. Oder etwas doch nicht? Das Geräusch wurde nun lauter und Chloe sah, wie sich auf einmal fünf Kratzspuren der Wand entlang zogen. Und mit dem nächsten Flackern, das diesesmal etwas länger anhielt und kaum dass das Licht erlosch, sah sie auch wieder die Gestalt. Sie hatte den Arm zu Seite ausgestreckt und riss mit ihren Fingernnägeln die Wand auf. Funken stoben dabei auf. Die einzigen Lichtpunkte in dieser Dunkelheit. Chloe spürte, wie sich ihre Kehle vor Angst zuschnürte. Während sie auf sie zu kam, schien sie irgendwie am Schlafwandeln zusein. Langsam setzte sie einen Fuss vor den anderen und hielt den Kopf gesenkt. Dennoch schien sie sicher genug auf den Beinen zu sein, um nicht einmal zuschwanken oder innezuhalten. Zielstrebig ging sie auf Chloe zu und kratzte immer weiter mit ihren Fingernägel die Wand entlang. Chloe hielt den Blick auf sie gerichtet und konnte sich nicht rühren. Sie war wie ein Reh, das starr vor Angst war und einem heranrasenden Lastwagen entgegen blickte. Die Gestalt kam immer näher. Wenn das Licht nur ganz kurz wieder heller wurde, verschwand die Gestalt. Doch kaum dass es wieder dunkel war, war sie wieder da und näher, als vorher. Für Chloe wurde dies zu einer wahren Zerreisprobe. Sie spürte innerlich, dass sie weglaufen musste. Dass sie hier nicht bleiben sollte. Doch ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. Es trennten sie nur noch wenige Schritte, dann würde sie vor ihr stehen und… Chloe schloss die Augen. Wollte nicht sehen, wie dieses Wesen ihr näher kam und wollte auch nicht weiterdarüber nachdenken, was passieren würde, wenn sie sie erreichte. Sie zählte innerlich schon das Auftreten der nackten Füsse des Wesens auf dem Fussboden. Als plötzlich das Licht wieder richtig funktionierte und das Kratzgeräusch verstummte. Chloes Herz setzte kurz einen Schlag aus und wartete noch einen kurzen Moment. Dann öffente sie wieder die Augen. Sie atmete erleichtert aus. Das Wesen war fort. Doch hier zubleiben wäre ein Fehler und so begann sie zu rennen. Bog um eine Kurve, die in einen weiteren Gang führte und rannte an einigen Türen vorbei. Verschlossen. Eine von diesen war jedoch offen und stand einen Spaltbreit auf. Chloe nutzte dies und schlüpfte hinein. Wenn dieses Ding immernoch hinter ihr her war, musste sie sich verstecken. Was sie dann machen würde, um von hier wegzukommen, würde sie sich noch überlegen. Erstmal musste sie sich in Sicherheit bringen. Die Türe führte zu einem der Krankenzimmer. In dem nur ein Bett stand, dessen Laken verschmutzt und alt aussahen. Ein schwacher süßlicher Geruch hing in der Luft. Chloes Magen drehte sich um. Doch sie irgnorierte diesen Gestank und kroch unter das Bett. Beachtete dabei auch nicht, dass der Boden mit irgendwas schmierigen bedeckt war, dass Chloe lieber nicht genauer wissen wollte. Kaum dass sie unter dem Bett war, hörte sie Schritte auf dem Flur und schaute zur Türe, hinter dessen milchglasfenster ein Schatten auftauchte. Ihr stockte der Atem. Der Schatten war nur unscharf zuerkennen, doch sie ahnte, dass es das Wesen war, was sie schon im Flur gesehen hatte. Erst dachte sie und hoffte, es würde weitergehen, doch dann sah sie, wie es vor der Tür innehielt und den Kopf drehte. Durch das Glas in den Raum schaute, in dem sie sich versteckt hatte. Instinktiv wich sie weiter zurück. Kroch in den Schatten. Hoffte dass dieses Ding sie nicht gesehen hatte. Die Zeit schien kurz stehen zubleiben und als sich das Ding wieder bewegte, hatte sie die stille Hoffnung, dass es weitergehen würde. Dann aber hörte sie die Klinke, die nach unten gedrückt wurde und musste den Impuls unterdrücken, aus ihrem Versteck zu springen und die Türe zu blockieren. Wie vorher schon im Flur, spürte sie, wie sie sich vor Angst nicht mehr rühren konnte. Und wie gebannt auf die Klinke schaute, die sich quälend langsam drehte und die Türe dann aufschwang. Sie konnte aus ihrem Versteckt die nackten Füsse und die Waden sehen, die für einen kurzen Moment im Türrahmen stehen blieben und sich erstmal nicht rührten. Dann aber setzte das Wesen erst den Linken, dann den rechten Fuss vor und schritt ins Zimmer. Chloe machte sich ganz klein. Versuchte keinen Mucks von sich zugeben. Sie presste ihre Hand auf den Mund, weil sie fürchtete, der kleinste Laut könnte sie verraten. Ihr Herz klopfte so stark in ihrem Herzen, dass sie das Pochen in ihren Ohren zu hören glaubte. Sie hatte Angst, dass es auch das Wesen hören würde. Sie presste die Augen zu und betete, dass dieses Ding gleich wieder gehen würde, wenn es sie hier nicht entdeckte. Dass es woanders suchen würde. Für Chloe wurde dies zu einer wahren Qual. Unendlich langsam durchschritt das Wesen den Raum, atmete laut und röschelnd, als würde es schwer haben zu atmen. Geh weg, geh doch endlich weg, flehte sie innerlich und ihr Körper begann zu zittern. Sie würde es nicht länger aushalten können, mit dieser Angst, entdeckt zuwerden, in ihrem Versteck ausharrent, solange dieses Alptraumwesen hier herum schlich. Mit diesem schrecklichen Röcheln. Und dann als sie glaubte, schier wahnnsing zuwerden, war das Röcheln plötzlich verstummt. Ebenso die Schritte. Chloe wagte es, die Augen einen Spalt breit zu öffnen und nachzusehen, was nun war. Als sie aber sah, dass die Füsse des Wesens nicht mehr zusehen war, weder auf der einen noch auf der anderen Seite, und auch nicht vor ihr, war sie sich sicher, dass es weg war. Und es hatte die Türe offen gelassen. Chloe dankte dem Himmel tausendfach und nutzte diese Gelegenheit zur Flucht. Wer konnte schon sagen, wie schnell dieses Ding wieder kommen würde, wenn es sie nicht woanders findet? Und Chloe wollte es wirklich nicht darauf ankommen lassen. So krabbelte sie schell unter dem Bett hervor und wollte zur Türe rennen. Doch da packte sie etwas mit brutaler Kraft an den Haaren und riss sie hoch. Chloe schrie vor Schmerzen und Entsetzen und wollte sich aus dem Griff befreien, aber kaum, dass sie die Hände hob, um die Hände, die sie gepackt hielten, aus ihren Haaren zureissen, schnitten scharfe Messer in diese. Rissen sie förnlich auf und heisses Blut floss über ihre zerschundene Hände. Troff auf ihre Schultern. Der Schmerz war unerträglich. Glühend heiss, wie ein Stück Stahl, dass zulange im Feuer gewesen war. Machte sie beinahe besinnungslos. Sie blickte hoch, wollte wissen, was sie da so gepackt hielt und erstarrte. Sie hing in den Klauen des Wesens. Aber wie war das möglich? Sie war sich doch sicher gewesen, dass es nicht mehr da gewesen war. Oder hatte sie sich geirrt und es war die ganze Zeit dagewesen. Hatte darauf gewartet, bis sie aus ihrem Versteck kommen würde. Warum war sie so unvorsichtig gewesen? Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie würde nicht mehr die Chance haben, um zu entkommen. Immer mehr zog das Wesen aus aufs Bett, bis sie unter ihm lag und hieb sogleich ihre Klauen in den Körper des Mädchens. Riss es auf. Chloe schrie schrill auf und ihre Schreie halten von den Wänden wieder. Laut krachend fiel die Tür zu. Und als das Blut auf die Milchglasscheibe spritzte, verklangen nach und nach ihre Schreie. Ich war schweissgebadet aufgewacht. Noch immer hatte ich den Geruch von altem Krankenhaus und frischem Blut in der Nase. Ich hatte es wieder gesehen. Hatte von oben zugesehen. Ich wollte das Mädchen, welches unter das Bett gekrochen war und nun vorhatte rauszukommen, warnen, doch meine Stimme war wie ein Lufthauch gewesen. Flüchtig und ohne die Chance bis zu ihr hinzureichen. Wiedermal war ich zum Zeugen geworden und ich fragte mich, ob es mich bemerkt hatte. Anscheinend nicht. Denn es blickte nicht einmal hoch, sondern machte weiter. Bia das Mädchen tot war. Erst da schien es zu merken, dass ich auch hier war. Denn sein Kopf ruckte hoch und unsere Blicke trafen sich. Es durchfuhr mich eiskalt und ich erwachte. Minutenlang blieb ich im Bett liegen und versuchte mich zu beruhigen. Doch ich sollte keine Gelegenheit ruhig zuwerden. Zumindest nicht für diesen Tag. Einige Bewohner und auch ein paar Angestellte vom Pflegepersonal hatten sich vor einem Zimmer, das nur drei Türen weiter von meinem lag, versammelt und schienen in heller Aufruhr zusein. Ich ahnte bereits schlimmes, als ich raustrat und sie sah. Dennoch ich ging hin. „Was ist los?“ Als ob ich das nicht schon längst wüsste. „Ein Mädchen wurde angegriffen!“, sagte eine der Patienten. „Wie angegriffen?“ Ich reckte meinen Hals um besser sehen zu können. „Keine Ahnung. Einer der Pfleger hat sie gefunden!“ Getuschel machte die Runde, während alle versuchten gleichzeitig einen Blick zuerhaschen. Einige der Pfleger versuchten die Umherstehen ein wenig auseinander zu scheuchen, was ihnen jedoch nur halbwegs gelang. Zwei andere hatten eine Trage geholt und…soviel ich erkennen konnte, wuchteten sie das, was von dem Mädchen pbriggeblieben ist hoch und zogen eine Decke darüber. Blutige Flecken machten sich darauf breit. Vorsichtig schafften die beiden die Trage mitsamt der Leiche aus dem Zimmer und die Neugierigen bildeten eine kleine Gasse. Mit betrettener Miene blickte sie den Männern mit der Trage nach. „Wie furchtbar!“, murmelte ein junges Mädchen, das von einem Jungen in den Arm genommen wurde. „Die Ärmste!“ „Das ist ja nicht das erste Mal!“, kam es von einer anderen, mit vor Hand gehaltetenen Mund. Ein Nicken ging durch die Gruppe. Ich hingegen spitzte die Ohren. Vielleicht erfuhr ich ja so etwas Wichtiges. „Das stimmt. Shelly hatte es ja auch erwischt!“ „Und keiner hat gesehen wer es gewesen ist. So wie auch jetzt!“ „Das war sicherlich irgendso ein Irrer!“ „Und wer bitteschön?“, fragte ich, da ich ja die Neue war. Darauf kam erstmal keine Antwort. Die anderen sahen sich an, als würden sie sich nicht sicher sein, ob sie es wirlich laut aussprechen wollten. Da meldete sich Lucie mit ängstlich leiser Stimme:„Sam!“ „Wer ist das?“, fragte ich nun wirklich gespannt. „Eine aus der geschlossenen?“ Lucie schüttelte den Kopf. Doch bevor sie weitersprechen konnte, schlug ihr jemand mit der flachen Hand auf den Hinterkopf und sie zuckte zusammen. Presste die Lippen aufeinander. „Sei still!“, zischte eine Stimme und ein Mädchen mit strähnigen schwarzen Haaren tauchte hinter ihr auf. Ihr Gesicht ausgemergelt und blass. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen und waren beinahe schwarz. Sie warf mir einen Blick zu und meine Kehle schnürte sich mit einemmale zu. Dieses Gesicht! Tief in mir regte sich etwas. Eine Erinnerung, die schon lange verloren geglaubt war und doch wieder auftauchte. Noch bevor ich sicher sein konnte, dass es wirklich sie war, wandte sie sich um und ging. Ich wollte ihr nach gehen, doch Lucie packte mich am Arm. „Nicht, lass sie!“, raunte sie mir zu. In ihren Augen sah ich die Angst und die Warnung, die sie mir damit mitteilen wollte. Wenig später holten uns die Pfleger und versammelten uns in einen Raum. Wir setzten uns, auf die Stühle, die in einem Kreis aufgestellt waren. Einer der Ärzte, eine Frau im vorrangeschrittenen Alter setzte sich zu uns. „Das was passiert ist, ist schlimm. Aber ich möchte Euch versichern, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Scotland Yard wurde bereits verständigt und man wird sich dieser Angelegenheit annehmen!“, sagte sie und einige die Mädchen atmtete erleichtert auf. Ich hingegen dachte nur: „Von wegen! Wie sollen sie etwas aufhalten, dass nicht mal menschlich ist?“ Lucie schien meine Meinung zuteilen, denn sie schüttelte den Kopf und murmelte etwas wie:„ Sam kann man nicht aufhalten!“ Doch keiner schien sie gehört zuhaben. „Warum hat man nicht schon eher was unternommen?“, fragte ich. Die Ärztin sah mich an, als wäre ich ein bunter Hund. „Wie?“ „Naja, das war doch nicht der erste Vorfall. Was ist mit der anderen?“, fragte ich. Die Ärztin wusste wohl nun, wen ich meinte, denn sie zwang sich ein Lächeln ab. „Es war ein Unfall. Ein schlimmer, bedauernswerter Unfall!“, wich sie mir aus. „Ein Unfall?“, wiederholte ich und musste aufpassen, dass ich nicht sagte, woher ich wusste, wie sie zugerichtet war. Die Ärztin nickte. „Ja, das arme Ding. Aber woher weißt du das?“ Sie wollte aussehen als würde sie sich wirklich wundern, doch ich konnte den misstrauischen Ausdruck nicht übersehen. „Ich habe es aufgeschnappt. Aus der Zeitung!“ In der Tat. Die Presse hatte sich auf diesen Fall gestürzt wie die Geier auf Aas. Und auch berichtet, wie das Mädchen umkam. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Ärzte und auch der Leiter es allerdings wie einen Unfall darstellen wollten, der von der Presse hochgepusht wurde. Doch ich kannte die Wahrheit. Und sie auch. Nur wollten sie es vertuschen. „Soso!“, gab die Ärztin von sich. Nickte langsam und bedächtlich. Als würde sie mir nicht so wirklich glauben. „Nun der Zeitung sollte man nicht glauben. Wer auch immer das getan hat, er wird dafür zu Rechenschaft gezogen!“ Irgendwas an ihren Worten ließ mich wissen, dass sie zu possitiv dachte. „Erzähl mir etwas von deiner Mutter!“, forderte Dr. Rayne. „Was wollen Sie denn von ihr wissen?“, erwiderte ich. Wieder saß ich auf der Couch und trank starken Kaffee. Dr. Rayne saß mit gegenüber und sah mich mit aufmerksamen Blicken an. Trotz des Mordes heute morgen wollten man die Therapien nicht aufschieben. Sondern lieber zum Altag überwechseln. Doctor Rayne hob die Schultern. „Nun wie sie war. War sie ein guter Mensch oder eher jemand, der in seiner eigenen Welt lebt!“, kam es von ihm. Kurz überlegte ich. Ich wollte bei meinem Entschluss bleiben, und nichts von meiner Familie preisgeben. Außerdem musste ich so Zeit gewinnen um hinter die Anschläge zu kommen. Aber an erster Stelle stand, dass niemandem etwas anging, wie meine Mutter war. „Sie war eine von vielen. Eine gute, aber auch strenge Mutter. Dennoch liebte sie mich und ich liebte sie. Als sie starb, war es so, als würde eine Welt zusammenbrechen!“ „Und wie bist du damit fertiggeworden. Wie hast du dich gefühlt?“ „Ich war am Boden zerstört. Es hat lange gedauert, bis ich darüber hinwegkam. Oft, wenn ich aufgewacht war und in die Küche ging, fragte ich nach Mama und mein Vater begann zuweinen. Für mich war das alles wie ein böser Traum. Irgendwann aber begriff ich, dass Mama für immer fort war und ich sonderte mich von meinen Freunden ab!“ Mein Magen fuhr Achterbahn, als ich dies alles erzählte. Ich hatte mehr verraten, als mir lieb war und gab mir eine geistige Ohrfeige. „Und von da an, hattest du diese Träume?“ Ich nickte. Nippte an meinem Kaffee. „Hast du mit jemanden darüber gesprochen?“ „Nein!“ „Warum?“ „Ich hatte Angst, dass man mich Papa wegnimmt und in eine…!“, ich musste darum kämpfen, die nächsten Worte auszusprechen. Verstohlen schaute ich zu Doctor Rayne. „Psychatrie stecken würde!“ Doctor Rayne lächelte. „Tja und trotzdem bist du jetzt hier!“ „Ja!“ „Was hat dich dazu gebracht, doch noch hierher zukommen?“ Ich zuckte nur die Schultern. Suchte nach den richtigen Worten. „Ich glaube, ich konnte es nicht mehr aushalten und wollte endlich diese Träume loswerden!“, gestand ich. Etwas in mir sehnte sich wirklich danach, dass es aufhörte. Dass diese Träume verschwanden. Aber würde es so leicht werden. Ich bezweifelte es irgendwie. Diese Träume waren schließlich Visionen und diese waren ein Erbe meiner Mutter an mich. „Das ist gut. Das ist der erste Schritt um diese Träume loszuwerden!“ Ich hätte wirklich gerne daran geglaubt. So sehr. Einige Tage später bekam ich Besuch. Von Fay und Lex. Sie warteten bereits auf mich und ich war zuerst etwas verwundert. Doch ich freute mich auch. „Hey, ihr zwei!“, grüßte ich sie und setzte mich zu ihnen auf die gegenüberliegende Seite. „Na, wie geht’s dir so?“, fragte mich Fay grinsend. „Mal abgesehen davon, dass in meinem Lebenslauf ein Aufenthalt in einer Psychatrie stehen wird, geht es mir gut!“, erwiderte ich trocken, musste aber dennoch grinsen. „Hast du denn schon was herausgefunden?“, fiel Lex gleich mit der Tür ins Haus. Zum Glück waren wie die einzigen hier, denn sonst würden wir nicht so offen sprechen können. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Nur dass dieses Ding wohl Sam heisst!“ „Sam? Sehr furchterregend klingt dieser Name ja nicht!“, kam es von Lex. „Sehr komisch!“, schnauzte Fay. „Noch irgendwas?“ „Nein, leider nicht!“, gab ich kleinlaut zurück. „Es gab einen zweiten Mord!“ „Ja, das wissen wir. Scotland Yard benachrichtigte uns!“ „Und was jetzt?“ „Naja, viel können wir nicht machen. Nur du!“, sagte Fay und klang so, als würde es ihr schwerfallen mich damit zubelasten. „Du musst unbedingt herausfinden, was das alles zu bedeuten hat und was dieses Ding will!“ Ich nickte und schute kurz die Tischplatte. Ich wusste nicht genau was, was aber ich hatte das Gefühl, dass ich schon lange den Grund für all diese Morde kannte. „Naja, kann sein, dass ich mich irre. Aber könnte Rache nicht dahinter stecken?“ Daraufhin sahen Lex und Fay mich mit großen Augen an. „Rache? Wie kommst du auf diese Idee?“, fragte Lex, der wohl ein wenig skeptisch war. Ich hob die Schultern. „Könnte doch sein! So wie sie diese Mädchen masakriert hatte, so wie sie hinter denen herwar, kann ich mir das schon gut vorstellen!“ Das brachte die beiden erstmal selber zum Nachdenken. „Das wäre eine Möglichkeit!“, gab Fay grübelnd zu. „Aber dann ist die Frage, warum sie sich rächen will und wer noch auf ihrer Liste steht!“, fügte Lex hinzu. „Und da wären wir wieder am Anfang. Es kann jeder sein!“, seufzte Fay. „Ich kümmere mich darum!“, versprach ich. Ich kümmerte mich darum. Warum musste ich die Klappe nur so weit aufreissen. Ich weiss ja nicht mal selber, wo ich suchen musste. Wie soll ich da etwas herausfinden? Oh, Allison, du musst wirklich nachdenken, bevor du redest, sagte ich mir selber, während ich den Flur entlang lief. Mittlerweile war es Abend und ich wollte in mein Zimmer mich schlafen legen. Ich kam dabei auch wieder an das Bild vorbei, dass ich an meinem ersten Tag gesehen hatte und blieb davor stehen. Beim letzten Mal hatte ich diese Schattenflecke gesehen. Ob ich sie da wieder sehe würde? Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Ich schaute auf das Bild und wartete, bis ich etwas sehen würde, dass nicht dahingehörte. Ich wusste nicht, wie lange ich darauf schaute. Zehn Minuten oder vielleicht länger. Die Schatten blieben jedenfalls aus. Auch wenn ich so sehr auf das Bild schaute. Sie kamen einfach nicht. Verdammt, fluchte ich und wollte schon gehen. Da bemerkte ich, wie aufeinmal das Bild zu verschwimmen schien. Die Konturen des gemalten Hauses zerflossen ineinander. Ebenso auch die Umgebung. Als würde die Farbe schmelzen und in dicken Schlieren ineinanderfließen. Vermischten sich zu einem einzigen Brei aus Farben und es war schwer überhaupt noch etwas zuerkennen. Ich blinzelte paarmal. Nein, ich täuschte mich nicht. Ich sah wirklich, wie das Bild zerfloss und irgendwie war ich froh darüber. Denn so würde ich vielleicht erfahren, was es mit dem Bild auf sich hatte. Ich wartete. Sah zu, wie kleine Wellen die ölige Fläche, die mal ein Bild gewesen war, hinwegzogen und die Schlieren sich bewegten. Etwas neues daraus entstanden ließen. Es dauerte, bis die verschwommene Farbe sich wieder festigte und einige Konturen sichtbar werden ließ. Zusehen war nun ein ganz neues Bild und es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Zwar sah man wieder die Klinik darauf, aber nun schien diese während eines schlimmes Brandes gemalt worden zusein. Flammen züngelten aus den Fenstern und dicker Rauch quoll aus sämtlichen Öffnungen. Sammelte sich oben zu einer dicken Wolke, in der… Ich kniff die Augen zusammen, um sicher zusein, dass ich mich nicht versah und schaute nochmals hin. Nein, ich täuschte mich nicht. In der Rauchwolke war das Gesicht eines Mädchens zusehen. Dasselbe Mädchen, was in den Träumen die anderen Beiden ermordet hatte. Das war es also! Ein Brand! Und ich musste nicht lange überlegen, was bei diesem Brand geschah und wer umgekommen war. Ein Puzzlestück hatte ich schon mal. Blieb nur die Frage, warum will sie sich rächen? Keines der Mädchen hatte etwas mit dem Brand zutun gehabt. Das war schon lange her. Warum also will sie sie umbringen? Und warum jetzt? Das machte keinen Sinn! Aber vermutlich brauchte so ein Wesen keinen Sinn oder eine Erklärung, um zu morden. Es reichte wohl, wenn andere leiden mussten. Wie auch immer. Ich musste Fay und Lex davon bErikhten. Sie mussten erfahren, was ich gesehen habe. Vielleicht konnten sie etwas herausfinden, was es mit diesem Brand auf sich hatte. Dann wären wir einen Schritt weiter. Aber zuerst wollte ich ins Bett. Lex und Fay konnte ich erst morgen anrufen. Es war schon spät und ich war müde. „Und du bist sicher, dass du das wirklich gesehen hast?“, fragte Fay mich am Telefon. „Ja, ich habe mir das nicht eingebildet. Ich habe gesehen, wie die Klinik brannte!“, sagte ich mit belegter Stimme. Ich hatte letzte Nacht nicht gerade gut geschlafen. Immer wieder musste ich an das Bild denken, was sich gewandelt hatte und es verfolgte mich bis in meine Träume. Aber zum Glück hatte ich nicht dieses Horrording gesehen. Nur den Brand. Ich konnte noch deutlich die Hitze auf meiner Haut fühlen. Und wie das Feuer, so brannte auch meine Ungeduld und ich konnte es kaum erwarten, Fay und Lex anzurufen, um es ihnen zuerzählen. Als ich dann Fays Stimme hörte, fühlte ich mich wesentlich leichter. Als hätte ihre Stimme mich einwenig beruhigt. Mir etwas von meiner Nervösität genimmen. Aber als sie fragte, ob ich das wirklich gesehen hatte, fühlte ich mich verraten. Sie sollte doch wissen, dass ich mir das nicht einbildete und dass meine Visionen wahrwaren. Meine Kehle trockenete aus und ich merkte, wie mir kalt wurde. Ich schob das auf den Schlafmangel und auf die Anspannung. Aber auch auf den Frust. Ich versuchte letzteres zuverdrängen und leckte mir einmal über die Lippen. „Ihr müsst der Sache nachgehen!“, drängte ich. „Vielleicht findet ihr auch etwas heraus, über dieses Schreckgespenst!“ Ich dämpfte meine Stimme, als eine Gruppe von Schwestern an mir vorbeikam. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie mitbekamen, was ich da sagte. Ich sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren. Fay schien gemerkt zuhaben, dass ich mich nicht verraten wollte und wartete, ehe sie weitersprach. „Das werden wir. Beruhige dich!“, sagte und fügte mit sanfter entschuldigender Stimme hinzu:„ Sorry, wenn ich etwas zweifelnt klang!“ Der Frust nahm ab. Schrumpfte in sich zusammen und ich atmete tief durch. „Sagt mir bescheid, wenn ihr etwas herausgefunden habt!“ „Machen wir!“, versprach sie und ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme. „Wir melden uns dann, wenn wir etwas haben! Hast du noch etwas, was uns helfen könnte?“ „Ja!“, schoss es aus mir heraus und ich könnte mich selber ohrfeigen, weil ich das wichtigste beinahe vergessen hätte. „Der Brand war im Jahre 1981 gewesen!“ „Gut, dann werden Lex und ich uns mal umhören!“, sagte sie und wollte noch etwas sagen, doch da hörte ich die Stimme von Doctor Rayne und ich drehte mich um. Er stand hinter mir und sah mich wartend an. Oh Shite. Zeit für meine Therapie-Stunde! „Ich…ich muss jetzt schluss machen. Bis dann!“, sagte ich schnell und legte auf. „Hast du mit deinen Freunden telefoniert?“, fragte er mich lächelnd und ich nickte. Er lächelte, drehte sich dann um und öffnete die Tür zu seinem Büro. „Erzähl mir doch etwas von deinen Freunden!“, sagte er und ich suchte schnell nach der richtigen Antwort. „Naja, ich habe nicht gerade viele Freunde. Diese Träume sind nicht gerade Freundschaftsfördernt. Ich war immer alleine!“, sagte ich und es schnitt mir tief in mein Herz. Ich hatte ohne es zuwollen die Wahrheit gesagt. Schon wieder. „Aber jetzt hast du Freunde?“, fragte er nach. „Ja, und es sind wirklich gute Freunde. Sie verstehen mich. Wissen, was ich durchmache!“ „Und worüber unterhaltet ihr Euch so?“ „Naja, nicht viel. Typischer Mädchenkram eben. Welche Band ist die Beste ist, welche Jungs, die süßesten und was die neueste Mode ist!“, log ich, sodass sich die Balken biegten. Ich hatte mich nie für Jungs interessiert und es fiel ehrlich gesagt schwer, das Gegenteil zu behaupten. „Hast du denn eine Lieblingsband?“, fragte er. Da konnte ich ruhig wieder die Wahrheit sagen. Ich hatte eine. „Ja, Evanescence!“ „Eine ungewöhnliche Lieblingsband!“, murmelte er. „Warum?“ „Naja, diese Band hat einen Hang zu etwas düsteren!“ „Ich mag es düster. So kann man darüber nachdenken. Weil sie die Wahrheit singen und nicht alles verschönern!“, sagte ich. Ich hörte diese Band seit ich denken konnte. Immer wenn ich traurig war, und das war sehr oft der Fall, hörte ich sie und stellte mir vor, wie meine Mutter diese Lieder sang. Mir damit Trost geben wollte. Zwei Lieder davon, die ich am allerliebsten hörte, waren „Bring Me to Life“ und „Immortelle“. Bring Me To Life, weil ich mich manchmal wie tot fühlte. Ich hörte und fühlte nichts und das machte mir Angst und Immortelle, weil ich mir wünschte, meine Mutter wäre bei mir. Oder weil ich sie noch bei mir spürte. Als wäre sie wirklich da. „Soso!“, mrumelte er und schrieb sich etwas auf. „Warum wollen Sie das wissen?“ „Weil es sein kann, dass deine Vorliebe für diese Musik, ein weitere Grund sein könnte, warum du diese Träume hast!“ „Wie kann Musik solch Träume auslösen?“, fragte ich skeptisch. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Musik solche Schreckensbilder erschaffen konnte. „Es gibt viele verschiedene Auslöser für solche Träume. Wie ich bereits sagte ist ein traumatisches Erlebniss nur eines davon. Und wenn man Musik hört, die einen noch mehr trauern lösst, dann vervielfacht sich das!“, erklärte er. „Wenn Sie jetzt sagen, ich solle mir Britney Spears anhören, oder noch schlimmer Justin Bieber, werde ich auf Durchzug schalten!“, drohte ich, woraufhin Dr. Rayne nur lachte. „Nein, zu solch drastischen Mitteln musst du nun wirklich nicht greifen!“, versprach er mir. Und ich atmetete erleichert auf. „Aber du solltest wirklich darüber nachdenken, ob du nicht doch in eine andere Musikrichtugn wechslen willst!“, sagte er. „Wie wäre es mit klassischer Musik. Bethoven oder Mozart zum Beispiel?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nee, das erinnert mich nur immer mehr an meine Mutter. Sie liebte klassische Musik. Sehr sogar. Sie kannte jedes Stück und den Komponisten!“ „Oh, eine Liebhaberin der alten Künste!“, rief er aus, sah mich über seine Brille an und ich musste grinsen. „Ja, kann man so sagen!“, pflichtete ich ihm bei. „Sie nahm mich, wann immer es möglich war, in die Konzerte und Opern mit, die es in Italien gab!“, sprudelte es aus mir heraus. „Die von Faust, mochte sie am meisten!“ „Faust? Das ist doch das Stück, in dem ein Mann seine Seele an den Teufel verkauft!“, sagte er erstaunt. Offenbar verwunderte es ihn, dass eine junge Frau, wie meine Mutter, solch eine Oper mochte. „Ja, ich habe auch nie begriffen, warum diese. Dabei gab es viel schönere!“, erklärte ich. „Ich habe sie mal gefragt und sie sagte, dass mehr dahinter steckte, als man dachte!“ „Ich habe nie verstanden, was sie damit meinte!“ „Hatte deine Mutter irgendwie seltsame Freunde?“, fragte er mich und fast wäre mir:„ Ich wohne bei denen!“ Doch ich hielt den Mund. „Nein, was sollte sie für seltsame Freunde haben!“ „Nunja, ich habe den Verdacht, dass sie vielleicht in irgendwelche Kreise geraten sein könnte, die, in der Öffentlichkeit nicht gern gesehen sind!“ „Sie meinen doch nicht etwa, dass meine Mutter eine Satanisten war!“, platzte es aus mir heraus. Ich hätte auch fragen können, dass er meine Mutter für eine fleißige Gängern eines Sado-Maso-Clubs hielt. Aber diese war mir einfach so über die Lippen gekommen. Und sie lag auch ehrlich gesagt wirklich nahe. Wenn ich so zurückdenke, hatte Mama immer etwas Seltsames an sich. Etwas was nicht normal war. Sie sprach hinundwieder mit sich selbst oder stritt auch. Ich erinnerte mich wieder daran, wie ich die Zeichnung in meinem Kinderschrank entdeckt hatte, die Mama da aufgemalt hatte. Dr. Rayne lachte. „Nein, das nicht. Aber sie muss ja eine gewisse Neigung gehabt haben, wenn sie solch eine Oper mochte!“ „Sie war eben anders!“, wich ich schnell aus. Mit einem Male war es mir unangenehm über meine Mutter zusprechen. Etwas sagte mir, dass ich mich hüten sollte. Dass Mama ein Geheimniss hatte, dass ich nicht verraten durfte. „Hast du ein Foto von ihr?“, fragte er stattdessen und das wunderte mich. „Ja, wieso möchten Sie das wissen?“ „Ich möchte es mir mal ansehen!“, sagte er nur und die Verwunderung wurde größer. „Vielleicht sehe ich ja eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dir und ihr!“ Und wie Sie die sehen werden, dachte ich. Behielt es aber für mich. „Ich kann schauen, ob meine Freunde es mir bringen können!“, sagte ich und der Doc schien damit einverstanden. Wir unterhielten uns noch eine Weile, bis die Sitzung vorbei war und ich in mein Zimmer gehen konnte. Ich fühlte mich seltsam ausgelaugt, als hätte es mich alle Kraft gekostet, darüber zusprechen. Ich ging duschen. Zum Glück hatte ich ein Zimmer, mit einer eigenen, kleinen Duschkabine, sodass ich mich nicht in keiner Gemeinschaftdusche waschen musste. Ich genoss diesen kleinen Luxus lange und ausgibig und als ich fertig war, fühlte ich mich wesentlich wohler und vorallem, frischer. „Du solltest aufpassen über was du mit deinem Doktor redest!“, sagte Erik und ich zuckte zusammen. Das wurde langsam lästig. Sein ständiges unerwartetes Auftauchen und wie ich dabei immer erschrack. Nicht zuvergessen die Tatsache, dass ich nur mit einem Badetuch bekleidet war. „Kannst du nicht anklopfen?“, schnauzte ich und wickelte das Handtuch enger um mich. „Anklopfen?“, fragte er und ich hörte das Grinsen in seiner Stimme. Okay zugegeben, war eine dumme Frage. Jemand wie er brauchte nicht anzuklopfen. „Okay okay, vergiss es!“, sagte ich. „Was meinst du denn damit, dass ich aufpassen sollte, was ich meinem Doktor sage?“ „Na, einige Dinge, die ihn eigentlich nichts angehen. Wie zum Beispiel, wie deine Mutter war und wie seltsam sie war!“, sagte er. „Ach, das meinst du!“, sagte ich und versuchte es so gut wie es ging runterzuspielen. „Das war nur Smaltalk. Ich werde schon nichts ausplaudern!“ „Sicher?“, fragte er und ich konnte ihm deutlich anhören, dass er mir das nicht so richtig glaubte. „Ja. Ich bin doch nicht verrückt!“, versprach ich. Okay, dieser Satz war alles andere als angebracht in einer Nervenheilanstalt. Aber was Besseres fiel mir nicht ein. Erik schien dies genauso zusehen, denn er grinste kurz. Dann schaute er wieder ernst drein. „Trotzdem. Sei vorsichtig!“, riet er mir und ich nickte. Zwar schloss ich aus, dass Dr. Rayne etwas mit diesem Alptraumding zutun haben konnte, aber Vorsicht war immer besser als Nachsicht. „Aber wenn ich ihm nichts erzähle, wird er doch irgendwann merken, dass was faul an mir ist!“, sagte ich und setzte mich auf das Bett. Erik lächelte ein schiefes Lächeln. „Es ist was faul an dir. Aber nicht das, was ein Seelenklempner richten könnte!“ „Du weißt, was ich damit meine!“, sagte ich trotzig. „Ich versuche wirklich, mich bedeckt zuhalten!“ Dann seufzte ich und setzte mich auf den Stuhl ihm gegenüber wobei ich darauf achtete, dass meine Beine verschränkt waren. „Aber der Doc schafft es immer wieder mich zum Reden zubringen!“ „Das klingt fast schon so, als wärst du ein kleinwenig erleichtert!“, sagte er und ich zuckte zusammen. Fast wollte ich ihm sagen, dass das nicht stimmte. Doch als ich Eriks Blick sah, wusste ich, dass es stimmte. Das ich ein kleinwenig wirklich froh, dass er mich zum Reden brachte. Auch wenn ich dadurch wohl Gefahr lief, enttanrt zuwerden. Ich senkte dne Kopf und zupfte an meinem Handtuch. „Nunja…!“, murmelte ich. „Darüber zureden ist nicht verkehrt. Aber achte darauf was und wieviel du davon verrätst!“, riet Erik mir und nun wollte ich ihm sagen, dass das wirklich leichter gesagt als getan ist. Aber kaum dass ich den Kopf hob und schon den Mund geöffnet hatte, um es laut auszusprechen, war Erik auch schon weg. Meine Ratlosigkeit verwandelte sich Frustration. Typisch, Erik. Verschwindet einfach und lässt mich hier zurück! So wie er, möchte ich es auch gerne hinundwiedermachen. Mich einfach in Luft auflösen. Lucie erschauderte. Sie stand mitten auf einem weiten Feld, über dessen Boden ein dicker Nebel kroch. Schwarze Steinplatten rackten aus diesem hervor. In einem akkuraten Abstand von einander standen sie ab. Kein einziger Stern, nicht mal der Mond schien. Eine Totenstille lag über der Lichtung. Sie konnte ihren eigenen Herzenschlag hören. Und noch etwas anderes. Schritte, das Rascheln von Gras unter auftreten Füssen. Das Atmen eines anderen, der jedoch verborgen blieb. Lucie schaute sich um, versuchte etwas zuerkennen. Doch die Bäume ringsumsie herum warfen viel zu dunkle Schatten, als das sie etwas sehen konnte. Wo war sie bloss? Wie war sie hierher gekommen? Und vorallem wie kam sie von hier weg? Ratlos stand sie da und überlegte. Gab es vielleicht einen Pfad auf dem sie gehen und hier weg kommen konnte? Lucie hoffte es inständig. Suchend schaute sie sich um. Versuchte zwischen den Steinblöcken um sie herum und durch den Nebel etwas zuerkennen, was einem Pfad oder einem Weg gleichkam. Nur ein wenig lichtete sich dieser und sie konnte das abgestorbene Gras sehen. Aber keinen Pfad. Lucie gab einen wimmernden Laut von sich. Es musste doch einen Weg von hier weg geben. Irgendwann beschloss sie einfach loszulaufen. Es würde nichts bringen hier rum zustehen. So lief sie einfach los, in der Hoffnung einen Weg zu finden, der sie aus diesem unheimlichen Wald führen würde. Doch kaum, dass sie die Bäume erreichte und sie sich einen Weg hindurchbahnen konnte, bogen sich die mächtigen Stämme. Wurden zu einer Mauer. Lucie keuchte entsetzt auf und wich einen Schritt zurück. Lief dann in eine andere Richtung. Wollte da ihr Glück versuchen. Aber auch da ließen die Bäume sie nicht gehen. Erneut bildeten sie eine unüberwindbare Mauer. Als würde etwas verhindern wollen, dass sie von hier verschwand. Lucie spürte, wie ihr kalt wurde. Sie kauerte sich auf dem Boden und begann wie ein kleines hilfloses Kind zu weinen. „Oh, Gott. Bitte hilf mir!“, wimmerte sie und umschlang ihren Oberkörper mit den Armen. Wiegte sich vor und zurück. „Dir wird kein Gott mehr helfen können!“, zischte plötzlich eine Stimme und Lucie zuckte zusammen. Die Stimme schien von überall herzukommen. Brach sich an den Bäumen und hallte als hohles Echo wieder. Diese Stimme hörte sich an, wie das Splittern von Glas oder das Kratzen von Fingernägeln auf einer Schiefertafel. Einfach schrecklich und noch ehe Lucie sich von diesem Schrecken erholen konnte, sah sie, wie aus dem Nebel eine Gestalt auf sie zu wankte. Sie konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Dafür war der Nebel einfach zu dicht. Doch sie spürte, wie ihr kälter wurde. Wie als wenn die kalte Luft wie eine welle von der Gestalt auf sie zurollen würde. Wie eine zweite Haut legte sich die Kälte auf sie und machte es ihr schwer zu atmen. Mit jedem Schritt, den die Gestalt auf sie zumachte, wurde der Nebel nun etwas dünner und schon bald konnte Lucie sehen, wer da auf sie zukam. Ein erstickter Schrei entrang sich aus ihrer Kehle. „Nein!“, keuchte sie, als sie Sam erblickte. Obwohl sie den Kopf gesenkt hatte und den Eindruck machte, als würde sie schlafwandeln, wusste Lucie, dass sie sie anschaute. Sie förmlich riechen konnte. Lucie spürte die Gefahr, den Tod, der von ihr ausging und machte einen Schritt zurück. Noch einen. Und noch einen. Plötzlich trat ihr Fuss ins Leere und Lucie schrie auf. Konnte sich gerade noch fangen und schaute dann über die Schulter. Ihr gefror das Blut in den Adern, als sie das tiefe quadratische Loch sah. „Ein Grab!“, schoss es ihr durch den Kopf und solangsam begann sich der Nebel zu lichten. Verzog sich, als würde jemand ihn zurückrufen und gab das preis, was er vorhin noch verborgen hatte. Lucie glaubte den Verstand zuverlieren, als sie nun erkannte um was es sich bei den Steinplatten handelte. Grabsteine! Sie war auf einem Friedhof. Wie gebannt blickte sie auf die Gräber, die vor ihr lagen. Jeder Grabstein war mit einer Inschrift versehen. Nur einer nicht. Es war der Grabstein, der vor dem leeren Loch aufgestellt war und Lucie spürte, wie ihr Hals trocken wurde. Eine eisige Luft schlug ihr entgegen. Modrig und feucht war. Tief klaffte es vor ihr in der Erde auf und musste mehr als zwei Meter tief gewesen sein. Sie konnte nicht den Boden sehen und wich zurück, weil sie nicht hineinfallen wollte. Plötzlich hörte sie ein Kratzen und Knirschen und schaute wieder auf den Grabstein. Langsam zogen sich Linien durch den grauen Stein, wurden breiter und schließlich zu Buchstaben. Mit schockgeweiteten Augen sah Lucie zu den Buchstaben, die nun auf dem Grabstein prangten und einen Namen bildeten. Lucie. „Nein!“, keuchte sie und wollte vom Grab weggehen. Da traf sie ein harter Stoss und schleuderte sie in das dunkle Loch. Lucie schrie gellend auf, ruderte mit den Armen und wollte sich abfangen, doch da war es schon zuspät. Sie fiel in die Grube. Konnte sich aber noch an dem Rand festhalten. Hilflos baumelte sie in der Luft und versuchte sich hochzuziehen. Doch kaum dass sie es versuchte, schossen lange, dünne Schlingen aus dem Boden und wickelten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit um ihre nackten Waden. Zogen an ihr. Lucie schrie und kämpfte dagegen an, in die Tiefe gerissen zuwerden. Der Boden, an dem sie sich festhielt, war weich und bot kaum Halt. Bröckelte unter ihren Händen weg. Dafür wurde der Zug der Schlingen fester und riss sie immer tiefer hinab. „Oh Gott, hilfe…. wieso hilft mir niemand!“, schrie sie und Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen. Sie blickte hoch. Die Tränen verschleierten ihr den Blick. Sie konnte kaum etwas sehen. Doch kurz meinte sie die Gestalt von Samantha zusehen, die sie aus mitleidslosen Augen anschaute und dann verschwand. Und mit dem Verschwinden Samantha wusste Lucie, dass sie verloren war. So gab sie es auf, sich gegen die Schlingen zu wehren und wollte schon loslassen. Denn egal wie sehr sie es versuchte: Sie würde es nicht schaffen, um sich zu befreien. Langsam ließen ihre Hände den Boden los und schwebte für Sekunden in der Luft. Aber bevor sie in die Tiefe stürzte, packte aufeinmal zwei Hände ihre rechte und zogen sie hoch. Lucie wollte sich schon aus diesen befreien, weil sie glaubte, die Alptraumgestalt sei zurück gekommen um sie nun selbst zu töten, doch da sah sie die schwarzen Haare und das unterschiedliche Augenpaar, dass sie voller Sorge anschaute. Diesesmal fand ich mich weder in einer heruntegekommenden Klinik, noch in einem Sumpf wieder, sondern in einem Waldstück, das ziemlich unheimlich aussah. Die Bäume sahen aus, wie abgestorben und wirkten grotesk. Waren entweder verkrüppelt oder krümmten sich, als würde sie vor irgendwas in Deckung gehen. Ich sah die tiefen Furschen in dem Holz. Glaubte darin menschliche Gesichtszüge zusehen, die mir nachstarrten, sobald ich an ihnen vorbeigegangen war. Mehr als einmal drehte ich mich um, weil ich mir einbildete, ein Knarzen zuhören. Doch nichts hatte sich bewegte. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Ich schüttelte mich. Versuchte dieses Gefühl zuignorieren. Sondern lenkte meine Gedanken darauf, was mir bevor stand. Dass ich wiedermal in einem Traum gelandet bin, in dem dieses Ding wieder ein unschuldiges Mädchen ermorden wollte, daran hatte ich keinen Zweifel. Fragte sich nur, wo ich dieses Mistding finden konnte. Kaum dass ich mich das gefragt habe, hörte ich einen Schrei und stürmte los. Brach mir einen Weg durch den Wald durch und sprang über die Wurzeln. Mein Blick streifte während dem Rennen mein Handgelenk mit dem Armreif und ich betete, dass hier mir helfen würde. Ich hatte den Wald bald schon verlassen und fand mich auf einer freien Lichtung wieder. So frei war sie allerdings nicht. Denn aus dem Boden erhoben sich graue, bis schwarze Steinplatten, die ich schon bald als Grabsteine erkannte und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Friedhof. Na, klasse. Hätte es nicht ein altes Schloss ein können. Ich hatte eine Abneigung gegen solche Orte. Warum, muss ich euch wohl nicht sagen. Aber es hatte einen Grund warum ich hier war und dieser hatte ebengerade geschrien. Fragte sich nur, wo das Mädchen war, das geschrien hatte. „Oh Gott, hilfe…. wieso hilft mir niemand!“, hörte ich und schaute nach links. Da sah ich das Loch, ein offenes Grab und die Hände, die sich am Rand festhielten. „Oh Fuck!“, stiess ich hervor und hetzte zum Grab. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Mädchen in die Tiefe stürzte. Ich konnte sie im letzten Moment noch an ihrer Hand erwischen. Mit aller Kraft zog ich sie hoch. Zum Glück arbeitete das Mädchen mit. Und so dauerte es nicht langer, bis ich sie aus dieser Grube rausgezogen hatte und wir auf dem feuchten Boden saßen und nach Luft rangen. Wir stützten uns auf unseren Armen ab. Zwischen einigen tiefen Atemzügen, fragte ich:„ Alles okay?“ Und schaute hoch. Erst da bemerkte ich, dass es ich bei dem Mädchen um Lucie handelte. Doch ich ersparte mir und ihr die Frage, was sie hier machte. Sie allerdings schien wirklich erstaunt darüber zusein, mich hier zusehen. „Ja, ich…Du? Was machst du denn hier?“, fragte sie ungläubig und ich wollte schon eine bissige Antwort geben, schluckte sie aber runter und sagte:„ Ich bin genauso überrascht wie du!“ „Danke, dass du mich gerettet hast!“, sagte sie dann und lächelte. Ich erwiederte es, wenn auch etwas schwach und stand dann auf. „Noch sind wir nicht in Sicherheit. Wir müssen zusehen, dass wir von hier wegkommen!“, sagte ich schnell, half ihr hoch. „Und wie? Wie sollen wir einen Ausweg von hier finden?“, fragte sie mich. Gute Frage! Ich schaute mich um und musste ein schweres Seufzen unterdrücken. Ich selber wusste nicht, was wir tun konnten. Überall nur Bäume und dieser verdammte Nebel. Ganz zu schweigen von diesen Grabsteinen. „Erstmal sollten wir von diesem Friedhof wegkommen!“, schlug ich vor, weil mir nichts Besseres einfiel. „Aber…was wenn Sam aufeinmal auftaucht?“, fragte sie und kaum hatte sie mich das gefragt, schon lief es mir kalt über den Rücken. Schon allein bei dem Gedanken wurde mir übel. Ich ließ mir meine Nervösität aber nicht anmerken, sondern versuchte locker zublieben. „Dann werde ich diesem Miststück mächtig in den Arsch treten. Glaub mir ich habe etwas, was uns sicher helfen wird!“, sagte ich und hielt dabei mein Handgelenk mit dem Armreif hoch. Lucie schaute dieses mit einer Mischung aus Sorge und Skepsis an. Ich konnte sie gut verstehen… Wie sollte dieses Armband uns helfen? „Vertrau mir!“, flüsterte plötzlich eine Stimme und ich könnte schwören, dass es die Stimme von Erik gewesen war. Aber Erik war nicht hier. Dennoch hatte ich nun das Gefühl, dass wir nicht alleine waren. Aber ich wollte nicht daran denken, dass es vermutlich dieses Alptraumding war. Und auch nicht, dass es jeden Moment angreifen konnte. So schnappte ich mir Lucie am Handgelenk und zog sie mit mir. Wir gingen zu den Bäumen, wollten uns einen Weg durch sie hindurchsuchen. Wenn ich durch sie zu der Lichtugn gelangen konnte, dann sicherlich auch von dieser weg. Doch kaum, dass wir eine Armlänge nahe an sie herankamen, erwachten die Äste zum Leben und reckten sich uns bedrohlich entgegen. Lucie stiess einen schrillen Schrei aus und auch ich wich zurück. Sah mit geweiteten Augen zu den Ästen, die nach uns griffen. Wie Hände und ich musste wieder schaudernd daran denken, wie sehr diese verkrüpelten Bäume Menschen ähnelten. Nun hatte ich die Gewissheit und wich noch einen Schritt zurück. Drängte Lucie dabei nachhinten. Kaum dass wir zurückgingen, zogen sich auch die Äste zurück. Offensichtlich wollten sie uns hier festhalten. Shite! Ich begann fieberhaft nachzudenken. Mein Blick huschte zu dem anderen Waldrand. Dachte kurz daran, es dort zuversuchen, doch da würde es sicher genauso laufen. Egal wo und wie, wir mussten hier weg. So ging ich wieder auf die Bäume zu und kaum, dass ich nahe genug dran war, streckten sie ihre Äste wieder nach mir aus. Doch diesesmal wich ich nicht zurück, sondern blieb einfach stehen. Die Äste kamen näher griffen schon fast nach mir, doch da wichen sie plötzlich zurück. Als hätte sie etwas verletzt. Oder verbrannt. Ich runzelte die Stirn. Fragte mich, was sie davon abhielt, mich anzugreifen. Da spürte ich plötzlich, wie sich mein Handgelenk erwärmte und ich schaute hinunter. Das Armband, das welches bisher nur ein schickes Modeschmuckstück war, glühte nun in einem matten Rot. Es reagierte auf die Äste, die mich bedrohten. In dem schickte ich Erik ein Dankgebet und streckte meinen Arm in Richtung der Bäume und….siehe da, die Bäume schoben sich beseite. Zum Glück! Sogleich ging ich weiter, zog Lucie erneut hinter mir her und gemeinsam durchschritten wir den Wald, dessen Bäume sich immer mehr zur Seite schoben, sobald ich mit meinem Arm nahe genug an sie heran kam. Ich schwenkte ihn hinundher, wie eine Fackel. Schon bald lichtete sich der Wald vor uns und wir traten hinaus. Diesesmal war es aber keine Lichtugn mit Grabsteinen, sondern ein Pfad, der zu einem schwarzen gusseisernen Tor führte. In eleganter Schrift war das Wort Ausgang geschrieben. Und das Tor stand weit geöffnet. Blasser Nebel wabberte darin. „Nee oder!“, brachte ich ungläubig hervor und war erstaunt, dass es so einfach war. Aber wenn da schon stand, dass das ein Ausgang war, dann warum nicht. „Komm schon, Lucie. Lass uns von hier verschwinden!“, sagte ich und wollte weitergehen. „Ihr geht nirgendwohin!“, kreischte eine Stimme und aus dem Nebel trat eine Gestalt. Lucie schrie auf und klammerte sich an mich. Ich wusste sofort, wenn wir da vor uns hatten. Sam! Das Armband glühte noch mehr, brannte förmlich auf meiner Haut. Doch ich spürte es nicht, sondern blickte zu ihr und versuchte ruhig zubleiben. In mir gingen so viele Empfindungen umher. Angst, Wut, Hass und viele andere, die nicht benennen konnte. Ich umschloss das Armband mit meiner anderen Hand und versuchte ruhig zubleiben. Lucie an meiner Seite, krallte sich immer mehr an mich und zitterte. „Was machen wir jetzt?“, flüsterte sie mir mit bebender Stimme. „Ich werde versuchen sie abzulenken. Renne du schnell zum Ausgang!“, sagte ich. Und noch bevor Lucie etwas sagen konnte, stürmte ich auf Sam. Schaute nocheinmal zum Armband und stellte mir etwas vor, mit dem ich gegen sie kämpfen konnte. Das Armband glühte und ich fühlte, wie die Wärme in meine Handfläche floss, sich zu etwas festen formte. Meine Hand schloss sich automatisch und kaum dass ich nahe genug an sie herankam, schwang schon ich meinen Arm. Es machte laut „Klong“ und Sam wurde regelrecht von den Füssen gerissen und blieb erstmal liegen. Ich drehte mich zu Lucie herum, die wie angwurzelt dastand. „Worauf wartest du noch? Los, mach das du hier verschwindest!“, rief ich gehetzt und Lucie rannte los. Da sprang Sam auf und griff an. Mit einem wilden Schrei und erhobenen Klauen fiel sie mich an und ich konnte nur mit Mühe ihren Angriff abwehren. Schlug mit dem was ich hatte nach ihr. Erst da bemerkte ich, dass ich eine Bratpfanne l aus schwarzem Metall herbeigewünscht hatte und hätte mich darüber ärgern können. Ich meine, hallo? Eine Bratpfanne? Konnte es kein Schwert oder etwas anderes sein. Wie sollte ich mit einer Bratpfanne gegen sie ankommen? Aber mir blieb keine Zeit, mich weiterdarüber zuärgern, da sie sogleich wieder angriff. Wie eine Irre schlug sie nach mir und ich versuchte so gut es ging ihre Angriffe abzuwehren. Mehr als einmal streiften mich ihre Klauen und strichen über meine Haut. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lucie in der Nebelwand verschwand. Ich atmete erleichtert auf. Gut, sie war in Sicherheit. Jetzt musste ich nur noch zusehen, dass ich hier wegkam. Und für diesen einen kurzen Augenblick war ich unaufmerksam. Mit einem brutalen Stoss, fegte sie mich zur Seite und schlug mir dabei die Bratpfanne aus der Hand. Ich sah ihr nach und als sie auf den Boden fiel, zerfaserte sie wie Rauch. Nein, keuchte ich und wollte aufspringen. Plötzlich tauchte Sam über mir auf, mit einem grausamen triumphierenden Grinsen. Sie warf sich auf mich, mit ihren Klauen nachvorne gestreckten. Ich kontne sie gerade noch rechtzeitig mit meinen festhalten und somit verhindern, dass sie sich in mein Gesicht gruben. Doch das schien sie nicht weiterzukümmern, denn sie wehrte sich heftig und versuchte ihre Hände aus meinen rauszureissen. Ich nahm all meine Kraft zusammen, um das zu verhindern. Wie eine Furie riss und zerrte sie an ihnen und keifte. Schnappte mit ihren Zähnen nach mir. Was für ein Biest! So langsam merkte ich, dass meine Arme unter ihrem Gewicht und Gegenwehr immer schwerer wurden. Und so auch meine Hände. Mist! Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Ich versuchte angestrengt, den Griff beizubehalten, ihn nich schwächer werden zulassen. Doch mit der Zeit wurde das immer unmöglicher. Meine Hände schlingerten, bei jeder Bewegung, die sie machte und meine Hände wurden immer kraftloser. Verdammt, wenn ich mir nicht schnell etwas einfallen ließ, würde ich drauf gehen. Mit dem Mut der Verzweiflung stemmte ich mich gegen sie und hob mein Knie. Rammte es dann mit voller Wucht in ihren Bauch, sodass sie sich krümmte und für einen kurzen Moment in sich zusammen sackte. Das nutzte ich sofort und stiess sie von mir. Sprang schnell auf die Füsse und rannte los. Doch kaum dass ich zwei Schritte gemacht hatte, fühlte ich, wie sich etwas Scharfes in meine Wade grub und das Fleisch aufriss. Ich schrie auf und fühlte sogleich, wie warmes Blut aus der Wunde, über mein Bein floss. Ich strauchelte kurz, fing mich aber wieder und rannte weiter. Auf den Ausgang zu und tauchte schon bald in den Nebel. Ich schlug die Augen auf und sah an die graue Decke meines Zimmers. Ich hatte es geschafft! Nicht nur dass ich Lucie retten konnte, sondern ich sleber war nochmal heil davon gekommen. Erleichtert schloss ich die Augen und atmete tief durch. Da merkte ich aufeinmal, wie das Lacken unter mir klitschnass und warm war. Ich runzelte die Stirn. Was war das? Ich richtete mich auf und musste dabei mein Bein bewegt haben, denn ich zuckte zusammen, als sich ein brennender Schmerz meldete, der mir bis in den Rücken hochjagte. Autsch, was war das bloss. Mit einem unguten Gefühl im Magen, griff ich nach der Decke und schlug sie zurück. Sofort wich mir alles Blut aus dem Gesicht. Das Laken unter meinem Bein war mit Blut durchtränkt. Blut, das aus vier tiefen Schnitten, die in meinem Bein klafften hinausströmte. Für einige Sekunden blieb ich reglos sitzen, schaute mit schickgeweiteten Augen auf die Wunde und begriff nicht, woher ich diese hatte. Aber dann erinnerte ich mich, was ich in meinem Traum erlebt hatte und mir wurde eiskalt. Ich dachte, sie hätte mich bloss im Traum nur erwischt. Doch mir kam auch in den Sinn, dass es nicht bei Verletzungen lieb. Dass sie einen im Traum töten konnte. Das hatte ich völlig vergessen, da Lucie ja das Ziel ihres Angriffs war. Dass ich auch dabei hätte daraufgehen können, sorgte für einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Mein Blick schweifte zum rmband, dass nun völlig unverändert an meinem Handgelenk war und ich dankte Erik für dieses kleine nützliche Hilfsmittel. Doch dann erinnerte mich mein schmerzendes Bein wieder und ich drückte den Knopf, der die Schwester rief. Am nächsten Tag zierrte ein dicker Verband meine Wade und natürlich wollte jeder wissen, was mir da passiert ist. Ich log, bis sich die Balken biegen. Erzählte, dass ich einen schreklichen Traum gehabt hatte, was ja auch stimmte, und dass ich mir dabei selber die Wade aufgerissen hatte. Zwar hatten die Ärzte Zweifel, dass ich mir mit blossen Fingernägeln solche tiefen Wunden zufügen konnte, beließen es aber dabei. Sicherlich dachten sie, ich sei in dem Moment so in Angst oder Wahnsinn verfallen gewesen, dass sie es für möglich hielten. Die Schnitte mussten genäht werden und die Ärzte sagten, es könnten Narben bleiben. Grossartig. Achtzehnjahre alt und schon die erste OP-Narbe. Leider stand ich durch meinen kleinen Unfall im Mittelpunkt. Kaum dass ich die Kantine betrat, waren alle Blicke auf mich gerichtet und es wurde getuschelt bis zum Geht-nicht-mehr. Mit zwischen die Schultern gezogenen Kopf, ging ich zur Essensausgabe und schnappte mir ein Tablett. Ich suchte mir ein paar Süße Croissant, dazu noch einige Stückchen mit Marzipan und einen Kaffee. Als ich zum meinem Tisch gehen wollte, hielt mich die Dame von der Essensausgabe nochmal zurück und ich sah sie fragend an. „Ja, was gibt es?“, fragte ich. Da grinste sie mich freundlich an und legte etwas auf mein Tablett. „Damit es dir wieder besser geht!“ Ich schaute auf das, was sie mir hingelegt hatte. Es war eine, in rosafarbenes Papier gewickelte, Praline. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich war überrascht, aber auch gerührt. „Äh, danke!“, brachte ich nur hervor und ging, wobei humpelte das richtige Wort wäre zu, meinem Platz und wollte mich über das Frühstück hermachen. Als sich Lucie vor mir stand. Mit ihrem Tablett in ihren Händen und den gesenktem Blick wirkte sie verunsichert und ich konnte es ihr nicht verübeln. Immerhin wäre sie beinahe gestorben. Dass ich mich dabei schwer verletzt hatte, machte es nicht besser. „Darf ich…darf ich mich zu dir setzen?“, fragte sie unsicher und schaute nur flüchtig zu mir auf. „Ja, klar, setz dich ruhig!“, sagte ich und Lucie schien sich etwas zuentspannen. „Geht es dir gut?“, fragte ich leise, weil ich nicht wollte, dass man uns zuhörte. Lucie nickte und knabberte an ihrem Rosinenbröttchen. Sie war blass, noch blasser als zuvor und ich sah, wie ihre Hand zitterte. Von wegen. Ihr geht es überhaupt nicht gut. Aber konnte man es ihr übelnehmen. Eine Nahtoterfahrung, und das noch im Traum, konnte man nicht soleicht wegstecken. Ich weiss, wovon ich da spreche. Lucie aß wortlos weiter. Als sie fertig war, nippte sie an ihrer heissen Schokolade und stellte sie langsam und bedächtig ab. Mit einer ebenso langsamen Bewegung, drehte sie den Kopf zu mir herum und fragte in erstaunter, aber auch nervöser Stimme:„ Wie bist du denn…?“ Ihre Stimme brach, doch sie brauchte auch nicht weitersprechen, da ich wusste, was sie mich fragen wollte. Ich zuckte die Schultern. „Das kann ich dir auch nicht sagen. Ich bin eingeschlafen und fand mich in diesem Alptraum!“, sagte ich und biss in mein Marzipanstückchen. „Naja. Auf jeden Fall: Danke, dass du mir geholfen hast!“, bedankte sie sich und lächelte mich schwach an. Ich lächelte zurück. „Keine Ursache!“ Plötzlich fühlte ich einen Anflug von Kälte. Sie kroch von meinem Steissbein bis hinauf zu meinem Nacken und ließ mich frösteln. Alles in mir zog sich zusammen. Verdammt, woher kam bloss diese Kälte her? Ohne zuwissen warum, schaute ich mich um und mein Blick glitt in die Richtung, aus der die Kälte am stärksten war und mein Blick traf sich mit dem des Mädchens, dass aussah, wie tot. Ihr Blick war durchdringend und voller Groll. Als hätte ich ihr etwas getan. Meine Gednaken überschlugen sich. Moment mal. Könnte es sein, dass sie…diese Samantha war. Äußerlich würde das passen. Sie sah nicht gerade gesund aus. Aber wie war es ihr möglich, in die Träume anderer einzudringen? Ich muss Erik fragen. Vielleicht weiss er ja was. Am Nachmittag besuchten mich Fay und Lex. Und sie schienen etwas herausgefunden zuhaben. „Dein Tipp war goldwert. Wir mussten einige alte Zeitungen durchsehen, aber wir haben etwas. Hier sieh dir das mal an!“, sagte sie und schob eine ziemlich altaussehnde Zeitung über den Tisch zu mir. Sie war schon aufgeschlagen und darauf war ein schwarzweissfoto zusehen, von einem brennendem Gebäude. Darüber stand in großen Buchstaben:„ Tragischer Brandunfall in der Heilanstalt!“ Unten drunter stand. „Zahlreiche Verletzte entkamen nur knapp dem sicheren Flammentod.Es gab viele Todesopfer zu beklagen, darunter auch ein junges Mädchen. Über die Brandursache wird noch ermittelt. Wahrscheinlich….blablabla…!“ Ich überflog die restlichen Zeilen und schaute mir noch einmal das Foto von der brennenden Klinik an. Danaben war auch eine Fotografie von einem jungen Mädchen, das in die Kamera schüchtern lächelte und ich hatte das Gefühl, als würde mich jemand mit Eiswasser übergießen. Es war Sam. Die Sam, die mir in der letzten Nacht im Traum diese Wunde verpasst hatte. Es war ein Unterschied zwischen Tag und Nacht. Während das Mädchen auf dem Foto lächelte und in ihren Augen, die reinste Lebensfreude zusehen war, schien die Sam, die nun Amok lief, das genaue Gegenteil zusein. Es fiel mir ehrlich gesagt schwer, zuglauben, dass die beiden die eine und dieselbe sind. „Und kann es sie sein?“, fragte Fay mich und riss mich aus meinen Gedanken. Ich nickte. „Ja, das ist sie hundertprozentig. Konntet ihr etwas über sie herausfinden?“ „Nein, dazu müssten wir usn die Akten ansehen und die meisten sind bei dem Brand vernichtet worden. Außerdem unterliegen diese Akten der Schweigepflicht und nicht mal Sir James schafft es, sich die Akten bringen zulassen!“, erklärte Lex. „Und wie können wir dann etwas herausfinden über sie?“, fragte ich. „Nun, da kommst du zum Einsatz!“, sagte er und ich begriff nicht, was ich da machen sollte. „Wie denn?“, sagte ich. Solangsam hatte ich ein ungutes Gefühl. „Du musst in das Büro des Arztes reinkommen und nach der Akte suchen. Vielleicht haben die Kopien!“, sagte Fay im leisen Flüstern und ich dachte, die veralberte mich. „Ich soll da einbrechen?“, platzte es mir viel zu laut heraus und ich schlug schnell die Hände vor den Mund und schaute mich schnell um. Zum Glück waren wir allein. „Naja, nicht wirklich einbrechen. Nur schauen, was du findest!“, antwortete Fay unbeholfen. „Also doch einbrechen!“, murrte ich und fragte mich, wie ich das anstellen sollte. „Niemand hat gesagt, dass es leicht wird!“, gab Lex zurück und da musste ich ihm recht geben. Aber das mit dem ins Büro einbrechen wollte mir nicht wirklich in den Kopf. „Oh man…!“, seufzte ich. „Was ist denn eigentlich mit deinem Bein passiert? Das sieht ja übel aus!“, fragte Fay besorgt und ich verfluchte mich, weil ich keine lange Hose, sondern eine Kurze angezogen hatte. War ja klar, dass ihr das nicht entging. Ich schaute flüchtig zu dem Verband und sagte nur:„ Das ist ein lieber Gruß von Sami!“ Fay Mund klappte auf, während Lex nur die Braue hob. Dann fragten sie, wie aus einem Mund:„ Wie?“ Worauf ich nur mürrisch zurückgab:„ Fragt lieber nicht!“ Wenig später hatte ich meine Sitzung mit Doktor Rayne und diesesmal vermied ich es, mehr zu sagen, als eigentlich gut war. Sehr zum Jammer des Arztes. Als wir fertig waren, legte er seinen Block zur Seite und strich sich durchs Haar. Seufzte schwer. Als wäre er enttäuscht. „Gestern warst du westentlich offner und ich hatte den Eindurck, als würden wir der Lösung einen Schritt weiterkommen…!“, sagte er leise. Fast hatte ich ein schlechtes Gewissen. Er gab sich wirklich Mühe, mir zuhelfen. Doch dann sagte ich mir, dass es besser wäre, sich weiterhin in schweigen zu hüllen. Daher schwieg ich. Doktor Rayne schien zu überlegen. Dann, es kam mir vor, wie ewig, sagte er:„ Vielleicht hilft es ja, wenn du in eine Gruppentherapie gehst. Wenn du mit anderen zusammen bist, die auch…wie du sind, dann wirst du es leichter haben, dich zuöffnen!“, sagte er und schrieb etwas auf einen Zettel. Ich wollte schon sagen, dass ich nicht wie sie bin, dass ich anders war. Hielt aber meinen Mund. „Wenn Sie meinen, dass es was hilft!“, murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Erik lachte sich halbtot, als ich ihm erzählte, dass ich Sam mit einer Bratpfanne attackiert habe. Es war schon spät und ich war müde. Daher hatte ich auch miese Laune. „Ich weiss, nicht was daran so lustig ist?“, murrte ich. Erik gluckste und versuchte aufzuhören, zu lachen, doch das gelang ihm kaum. „Nunja, ich dachte, du würdest etwas Richtiges, Ernstzunehmendes, als Waffe entstehen lassen. Aber keine Bratpfanne. Mich wundert es, dass sich dieses Biest nicht kaputtgelacht hat, als du es angegriffen hast!“, sagte er im gespielten Ernst, presste aber die Lippen zusammen, um nicht wieder loszulachen. Ich überhörte das. „Ich hätte auch lieber etwas anderes gehabt, glaub mir!“, murrte ich und setzte mich aufs Bett. „Wie ist das eigentlich mit deinem Bein passiert?“, wechselte er das Thema, wofür ich ihm dankbar war und seufzte. „Sami hat mich erwischt, als ich nach Lucie aus diesem Alptraum entkommen wollte!“, erklärte ich lahm. Außer Fay, Lex und nun auch Erik wusste keiner die Wahrheit. Erik besah sich eine Weile den Verband. „Das hätte böse ausgehen können!“, sagte er. „Was du nicht sagst!“, grummelte ich und schlug die Decke beiseite. Gähnte laut. Ich wusste selbst, dass ich nur knapp davongekommen. Das musste mir keiner sagen. „Naja, dabei habe ich noch etwas anderes vor mir, was sicherlich noch gefährlicher sein könnte!“ „So? Was denn?“, fragte er ehrlich verblüfft. „Ich muss in das Büro des Arztes einbrechen, der mich therapiert, um etwas über Sami herauszufinden!“, erwiederte ich und merkte, wie ich immer müder wurde. Erik hob die Brauen, als wollte er nicht glauben, was ich da sagte. „Einbrechen? Kannst du das denn?“, fragte er und zu seinem Glück war ich viel zu müde, um ihm deswegen eine zuknallen. Natürlich kann ich das nicht. Ich bin noch nie irgendwo eingebrochen und ich traute es mir auch nicht zu. Aber naja…ich hatte zugestimmt, also würde ich es machen…müssen. „Frag mich was leichteres!“, murrmelte ich und legte mich ins Bett. Kaum dass ich lag, fielen mir auch schon die Augen zu. Am nächsten Tag sollte ich schon in die Gruppentherapie gehen. Ich fragte mich, mit welchen Leuten ich mich wohl zusammen setzen und über mein Problem aussprechen würde. Ich hoffte irgendwie, dass Lucie dabei sein würde. Immerhin ein bekanntes Gesicht. Auch wenn sie mich am Anfang etwas genervt hatte. Denn dann wäre ich nicht ganz so allein. Eine Schwester holte mich ab und führte mich in inen separaten Raum, wo schon eine Gruppe von Jugendlichen und auch älteren Leuten saß und mich neugierig anschaute. Eine etwas rundliche Frau, mit dicker Hornbrille und grossmütterlicher Kleidung schaute mich erwartend an. „Ahhh, Alice. Schön dich hier zusehen. Setz dich doch. Wir warten nur auf dich!“, sagte sie und deutete auf den einzig leeren Stuhl. Ich sagte nichts, sondern setzte mich einfach. „Liebe Freunde, bitte begrüßt mit mir Alice!“, sagte die Frau und die anderen sagte wie in einem Chor:„ Hallo, Alice!“ Okay, was war das hier für eine Gruppe? Wohin hatte mich Doktor Rayne nur hineingesteckt. Ich kam mir vor wie bei den anonymen Alkoholikern. Ich hob nur die Hand und lächelte verkrampft. „Alice ist heute bei uns, weil sie ein Problem hat, über das sie gerne reden möchte!“, sagte sie und schaute mich erwartend an. Nein, will ich nicht, dachte ich. „Welches Problem hast du denn?“, fragte eine spindeldürre Frau, die viel zugrell geschminkt war. „Ich…ich habe Alpträume!“, sagte ich. „Was sind das für Alpträume?“, hakte nun ein Junge nach, der ziemlich abgezerrt aussah. Ich sah ihn flüchtig an und sah die dunklen Einstiche in seiner Armbeuge. Junky, schoss es mir durch den Kopf. „Alpträume eben!“, erklärte ich. Ich schaute mir nun die anderen an und schrack zusammen. Da saß sie. Nur zwei Sitze weiter und sah mich mit finsteren Augen an. Das Mädchen, das mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Und wieder war ihr Blick bohrend. Kaum das sich unsere Blicke trafen, sah ich, wie sie ihre Hände ballten, sodass die Knöchel weisshervorstachen. Aber da gab es noch etwas, was mir an ihr auffiel. Auf der linken Seite ihres Gesichts war ein dunkler, blauer Fleck. An der Stelle, wo ich Sam mit der Schaufel getroffen hatte. Der Verdacht, dass sie Sam sein konnte, wurde immer härter. Ich musste schlucken, als sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. „Nichts…Besonderes!“, sagte ich mechanisch und konnte nicht den Blick nicht von ihr lassen. Wir starrten uns an, als wären wir die einzigen hier in diesem Raum. Ihr Blick, so voller Hass. Mein Hals war wie ausgetrocknet. Plötzlich erwachte mir etwas, was mich dazu anheizte, das Armband zu aktevieren und eine Waffe zuerschaffen, die ich ihr in den Kopf schlagen konnte. Es war wie eine schwarze, kochendheisse Flamme, die sich durch mich hindurch frass. Mein Blut kochen ließ. In meinem Kopf drehte sich alles. Und ich hörte ein Wort:„ Töte!“ Ich spürte, wie das Armband zuglühen begann. Und so gern ich diesem Wort, diesem Drang nachgegeben hätte, ich tat es nicht. Tief atmete ich ein und zwang die Stimme, ruhig zu sein. Jedoch konnte ich nicht den Blick von ihr lassen und ich fragte mich, wie schnell ich sein musste, um ihr beim nächsten Mal den Kopf abzuschlagen. Als die Gruppentherapie vorbei war, ging ich den Speisesaal und holte mir eine doppelte Portion des heutigen Hackbratens, der heute ausgegeben wurde. Lucie wartete schon auf mich. Sie hatte sich schon einen Stuhl geschnappt und sich an den Tisch gesetzt, wo ich auch saß. Fast schon wollte ich darüber lächeln. Da ich ihr Leben gerettet hatte, war wie wohl der Meinung, wir wären nun die dicksten Freunde und auch wenn es verrückt klang. Ich hatte sie schon etwas gern. Sie erinnerte mich an Marie. Bei der Erinnerung an sie wurde mir kurz flau im Magen und ich zwang mich, nicht mehr länger darüber nachzudenken. Ich hatte genug Probleme. „Hallo, Lucie. Na, alles okay soweit?“, fragte ich so locker ich konnte und setzte mich neben sie. Lucies Miene hellte sich auf. „Ja und bei dir?“ „Naja, geht so!“, sagte ich und ließ mich neben sie auf den Stuhl sinken. „Ich war heute in der Gruppentherapie!“ „Ohh, dann musst du echt ein harter Fall sein!“, sagte sie. Ich runzelte die Stirn. „Wieso das denn?“, fragte ich, weil ich ehrlich neugierig war. „Nunja…in die Gruppentherapie kommen nur die, die nicht so einfach zu knacken sind!“, erklärte Lucie und schaute sich dabei mit einem nervösen Blick um. Ich ahnte schon, warum sie so nervös war. „Gehört dieses bleiche Mädchen auch dazu? Dass dir auf den Kopf gehauen hatte, meine ich?“, flüsterte ich und beugte mich nahe an sie heran. Lucie nickte. „Ja, Felicitas!“, raunte sie und schaute sich nocheinmal um. „Warum ist sie hier?“, fragte ich. Begierig zuwissen, was sie hierher verschlagen hatte. Lucie aber hob nur die Schultern. „Das weiss niemand. Sie redet nich darüber, aber was es auch ist: Es muss schrecklich gewesen sein!“ Am Abend saß ich auf meinem Bett und grübbelte über das, was mir Lucie erzählt hatte. Felicitas war also ihr Name. Eigentlich ein hübscher Name, nur passte er nicht zu ihr. Und dass sie etwas Schreckliches erlebt haben musste, über das sie nicht sprechen wollte und was sie hierher gebracht hatte, ließ mich noch mehr wissen wollen, was es war. Da fiel mir wieder ein, dass ich einen nächtlichen Einbruch vor mir hatte und dass ich dabei auch mal einen Blick in ihre Akte werfen könnte. Vielleicht würde ich so etwas herausfinden, womit ich die beiden in Verbindung bringen konnte. Es war schon spät, als ich mich ins Bett legte. Komischerweise besuchte Erik mich an diesem Abend nicht, worüber ich ehrlich gesagt froh war. Ich war viel zu aufgekratzt, als dass ich einen überrschenden Besuch, bei dem ich wieder zusammenzuckte und eine Unterhaltung, bis spät in die Nacht, ertragen konnte. Ich machte mir im Kopf einen Plan, wie und wann ich meinen kleinen Einbruch starten sollte und schaute starr an die Decke. Ich fragte mich, wie lange ich schon hier war. Es fühlte sich an wie Monate, wobei ich nur Wochen hierwar. Aber die Zeit zog sich dahin wie Kaugummi und ich fragte mich, wielange es noch dauern würde. Mein Blick schweifte zu dem Fenster, hinter dem die letzten schwachen Sonnenstrahlen in mein Zimmer schienen und in ein dunkles Blau übergingen. Ich schaute noch eine Weile zu, solange bis es dunkel war und schloss dann die Augen. Ich wusste nicht, ob, und wielange ich geschlafen hatte, als ich die Augen aufschlug. Ein grässliches Geräusch ließ mich hochfahren und erstarren. Ich kannte dieses Geräusch. Es klang wie Metall, das über etwas glattem, ebenso metallischen, gezogen wurde. Klingen, schoss es mir durch den Kopf und blieb wie vom Blitz getroffen aufrecht im Bett sitzen. Lauschte dem Geräusch, das mir eisige Schauer über den Rücken laufen ließ. Verdammt! Das konnte nur Sam sein! Träumte ich etwa wieder? Um ganz sicher zusein, kniff ich mir in die Hand. Aua! Nein, ich träumte nicht, dachte ich und war für einen kurzen Moment froh darüber. Froh darüber, dass ich mich nicht wieder in einem schrecklichen Alptraum fand. Aber dies hielt nicht lange an, da ich mich nun fragte, woher dieses grässliche Geräusch kam. Wenn ich nicht wachwar, konnte sie es unmöglich sein. Oder etwa doch? Es gab nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden. Und diese gefiel mir überhaupt nicht. Etwas in mir flehte mich an, im Bett sitzen zu bleiben. Mich wieder hinzulegen und die Bettdecke über meinen Kopf zuziehen. Mich taub gegenüber dem Geräusch zumachen. Und ich wollte diesem Flehen nachgehen. Aber da war noch etwas. Ein innerer Impuls, der mich zwang, aus dem Bett zu steigen, die Tür zu öffnen und auf den Flur zutreten. Dieser Drang übertönte das Flehen und übernahm die Kontrolle über mich. Mit langsam, beinahe schon mechanischen Schritten, ging ich zur Tür, drückte die Klinke hinunter und lugte aus dem Türspalt. Der Korridor war leer, dennoch hörte ich das Geräusch, als würde neben mir jemand stehen und auf das Metall kratzen. Suchend ging mein Blick hinundher. Keine Spur von Sam oder irgendeinem anderen durchgedrehten Patienten. Doch statt die Tür wieder zuschließen und mich ins Bett zulegen, verließ ich mein Zimmer und folgte dem Geräusch. Als würde es mich leiten. Dabei hallte es aus allen Richtungen und unmöglich richtig zudeuten. Aber ich konnte es. Und ich fragte mich auch nicht warum. Es war, als würde etwas in mir, eine zarte Saite darauf reagieren und die Führung in meinen Handlungen übernehmen. Zu meinem zusätzlichen Erstaunen waren meine Schritte ruhig und mein Atem beherrscht, als hätte ich keine Angst. Dabei wäre ich beinahe vor Angst umgefallen. Mit jedem Schritt den ich machte, wurde das Kratzen lauter, dass mir fast die Ohren wehtaten und ich versuchte mir nicht vorzustellen, was mich um jede Ecke, die ich ging, erwarten würde. Da, ich bemerkte es nur nebenbei, wurde mir bewusst, dass ich den Gang lief, in dem das Bild hing. Das Bild, welches sich in ein brennendes Inferno verwandelt hatte. Nun verkrampfte sich mein Herz in ängstlicher Erwartung und ich blieb stehen. Das alles konnte kein Zufall sein. Und der Drang, mich umzudrehen, in mein Zimmer zurückzugehen, wurde größer. Größer noch als der Drang, der mich auf den Flur gezogen hatte. Minuten lang blieb ich stehen, hörte dem Kratzen zu, dass mich lockte und zugleich warnte, näher zu kommen. Dann aber, gegen jede Vernunft, ging ich weiter. Auf das Kratzen zu und als ich um die letzte Ecke bog, fuhr mir der Schrecken in alle Glieder, trotz das ich wusste, was mich dort erwarten würde. Da stand sie. Samantha! Dem Bild zugewandt und schien mich nicht zu beachten. Mit wildem Zorn kratzte sie mit ihren Fingernägeln über das Glas. Schrieb etwas darauf und wurde dabei immer rasender. Ihre Augen sprühten vor Hass. Das konnte ich von hier aus schon sehen. Ihre Haltung hatte insgesamt etwas agressives, was jemanden Warnung genug sein sollte. Ich spürte, wie mir kalt wurde und schlang die Arme um meinen Oberkörper. Ich fragte mich, wie jemand so voller Hass sein konnte, dass er zu so etwas wurde. Und was vorgefallen sein konnte. Ich sah das Bild der alten Zeitung, vor mir. Das Bild eines jungen Mädchens, das auf eine traurige Weise lächelte und doch das Leben geliebt hatte. Was war nur aus ihre geworden und warum? Als hätte sie meine Gedanken gehört, hielt Sam mitten in der Bewegung inne und ihr Kopf ruckte mit einem widerlichen Knacken herum. Drehte sich um hundertachtziggrad, als wäre ihr Genick aus Gummi. Mir wurde übel und ich wich zurück. Wir sahen uns an und mich packte eine Kälte, die alles in mir lähmte. Automatisch wanderte meine Hand zu dem Armband, wollte es aktevieren, eine Waffe daraus entstehen lassen. Doch es blieb kalt. Wiedermal wurde meine Hoffnung, dass dies ein Traum sei, zunichte gemacht und ich fühlte mich so hilflos, wie ein kleines Kind. Shite! „Was…was willst du?“, brachte ich stockend hervor und meine Stimme klang, als wäre sie schwach und brüchig, wie morsches Holz. Sam sah mich nur an. Ihr restlicher Körper folgte ihrem Kopf. Drehte sich langsam und mit einem knackenden Geräusch, das mich an eine kaputte Spieluhr erinnerte, herum, sodass sie wieder normal dastand. Dann zeichnete sich ein grausames Lächeln auf ihrem hageren Gesicht, was mich noch mehr frösteln ließ. „Was willst du?“, fragte, diesesmal mit etwas festerer Stimme. Wie zur Antwort, öffnete sie den Mund und stiess einen entsetzlich schrillen Schrei aus. Ich presste mir die Hände auf die Ohren, dennoch war es viel zu laut. Ich schloss die Augen und spürte, wie mich ihr Schrei zittern ließ. Es dauerte ewig, ehe ihr Schrei verklung und ich die Augen wieder öffnete. Sam war weg! Nur das was sie auf das Glas des Bildes geschrieben hatte, zeugte davon, dass sie hier war. Mit langsamen, weichen Knien ging ich hin und las die ins Glas gekratzten Worte:„ Brennen sollt Ihr!“ „Das klingt alles andere als gut!“, sagte Fay. Ich hatte am nächsten Tag bei ihnen angerufen und sie gebeten sofort zukommen. Nun saßen Lex und Fay in meinem Zimmer und ich hatte ihnen alle erzählt. „Das kannst du laut sagen. Als ich das sah, dachte ich, ich würde totumfallen!“, murmelte ich. „ Meinst du, dieses Ding will, dass sich der Brand von damals wiederholt?“ Kurz herrschte Schweigen, dann sagte Fay mit unheilverkündender Gewissheit:„ Möglich ist es! Warum sollte sie sonst so eine Nachricht hinterlassen!“ „Aber warum? Was hat sie davon?“, platzte es aus mir heraus, weil ich es nicht verstehen konnte. Fays Gesicht legte sich in tiefe Falten. Sie schien selber ratlos darüber zusein. Sie schaute Lex an, der die Schultern hob. Er schien auch nichts zuwissen. „Am besten rufe ich mal Dad an. Er kennt sich mit sowas besser aus, als wir beide!“, sagte sie nach einer Weile des Überlegens und holte ihr Handy raus. Tippte die Nummer ein und legte es an ihr Ohr. Es dauerte eine Weile, ehe ihr Vater ranging und sie ihm dann die Sache erklärte. Daraufhin schien Brian etwas gesagt zu haben, denn sie nickte und hielt mir das Handy hin. „Hier, er möchte mit dir reden!“, sagte sie. Kurz zögerte ich, doch dann nahm ich das Handy. „Ja, Brian?“, fragte ich vorsichtig in das Handy und Brian vergeudete keine Zeit. „Die Botschaft war wirklich, dass sie alle brennen sollen?“, hakte er nochmals nach. Brians Tonfall ließ mich versteifen. So wie er das sagte, klang es noch drohender, als es eigentlich schon war. Als würde er etwas wissen. „J-Ja. Es stand dort deutlich auf dem Bild!“, sagte ich und merkte, wie mein Hals trocken wurde. „Dann ist es mehr als nur eine Drohung. Es ist eine Warnung!“, sagte er sachlich. Ich fragte mich, wie er dabei so ruhig sein konnte? „Aber warum?“, brachte ich würgend hervor. Meine Hand, die das Handy hielt begann zu zittern. Ich spürte, wie ich langsam Angst bekam. „Manche Geister, die durch einen gewaltsamen Tod diese Welt verlassen haben, sind entweder verzweifelt oder traurig. Manche wissen es nicht einmal. Aber eines haben sie gemeinsam: Aus einem dieser drei Gründen, entsteht eine Wut, die alles vernichtet und auch keine Grenzen kennt!“, fuhr er und seine Stimme klang mehr und mehr unheilvoll. „Nicht mal den Tod!“, sagte er. „Sie wird erst aufhören, wenn sie ihre Rache bekommt!“ „Kann man sie denn nicht aufhalten?“ „Das ist schwer. Da sie verbrannt ist, gibt es keine Überreste, die man verbrennen kann, um sie zuerlösen!“ Mir wurde übel, als ich das hörte und sagte erstmal nichts. „Außer!“, kam es wieder von Brian und riss mich damit aus meiner Benommenheit, die, für meinen Geschmack, ewig gedauert hatte und ließ mich neue Hoffnung schöpfen. „Außer?“, fragte ich nach und wollte Brian anschreien, mich nicht so sehr auf die Folter zu spannen. „Außer du hörst ihr zu!“ Hä? Ihr zuhören? Was sollte das denn jetzt wieder heissen? „Ähm, wie soll das bitteschön gehen. Ohne taub zuwerden?“, fragte ich und musste mich schaudernd daran erinnern, wie ihr Schrei mir in den Ohren wehgetan hatte. Brian schien meine frage nicht wirklich gehört zu haben, denn er sagte, wieder mit diesem sachlichem Ton:„ Einige Geister wollen nichts Böses. Es ist ihr Schmerz, der sie dazutreibt. Aber sie wollen auch erhört werden. Wenn du ihr zuhörst, kannst du vielleicht so herausfinden, was du tun musst, um ihr zuhelfen!“ „Das ergibt doch keinen Sinn. Wieso wollte sie erlöst werden. Ich habe es doch gesehen. Sie liebt es zu töten. Was spricht dafür, dass sie wirklich ihren Frieden hat, wenn ich ihr zuhöre?“, sagte ich, weil es mir einfach nicht in den Kopf wollte. „Du solltest nicht immer alles glauben, was du siehst!“, sagte er in einem seltsamen Ton, der mich beinahe an Trauer erinnerte. Doch diese verflog schnell. „Wir werden der Sache nachgehen und herausfinden, wann genau der Brand war!“ Dann legte er auf. Natürlich war die Botschaft auf dem Bild für jeden anderen gut sichtbar und sorgte für Trubel in der Klinik. Einige sprachen von einem Terroranschlag, andere wieder von einem bösen Scherz. Dies kam von den Angestellten, die ihre liebe Mühe hatten, die aufgebrachten Patienten zu beruhigen. In der Gruppentherapie war dies leider nicht soleicht, weil einige sicher waren, dass einer von ihnen dahinter steckte. Verstohlen sahen sie sich einander an und ich konnte deutlich in ihren Blicken die Angst und das Wissen sehen. Ich versuchte locker zublieben, so gut es ging und setzte mich auf meinen Stuhl. Die Sitzung begann und jeder trug seine Geschichte und Probleme vor, wie auch am Vortag. Es war wie eine Endlosschleife, die sich immer und immerwiederholte. Auch ich erzählte, was ich gestern schon erzählt hatte und diesesmal mit mehr Langweile, als gestern. Da ich unruhig war und das alles für sinnlos hielt. Diese Leute hier in diesem Raum würden mich auch nicht dazubringen, zusagen, was man hören wollte. Es ging niemanden etwas an. Ich schaute dabei jeden einzelnen an und einige schauten zu Boden. Als würden sie sich fürchten, mich anzusehen. Dabei war ich das kleinere Übel. Mein Blick auf Felicitas haften. Und ich musste daran denken, was ich gestern auf dem Flur erlebt hatte. Sie sahen sich ähnlich. So ähnlich. Und dass ich gestern nicht geträumt hatte, ließ mich noch nachdenklicher werden. Wie konnte sie da real gewesen sein? Das war doch alles nicht logisch. Aber vermutlich blieb hier die Logik auf der Strecke und Brian hatte recht, was Geister, die Rache wollten und die Grenzen zwischen Leben und Tod anging. Man, wenn das so weiterging, würde ich noch eine Menge lernen müssen, was das Übernatürliche anging. Und ich hasste es zulernen. Während ich sie so anschaute und nachdachte, schien Felicitas ganz woanders mit ihren Gedanken zu sein, sodass sie mich nicht beachtete und ich fragte mich, was in ihrem Kopf vorging. Gedankenlesen müsste man jetzt, dachte ich. Du kannst es in ihren Augen sehen, flüstert eine Stimme und ich zuckte zusammen. Die rundliche Frau bermekte dies natürlich. „Stimmt, was nicht Alice?“, fragte sie. Ich brauchte eine Weile, bis ich reagieren konnte. Ich griff mir theatralisch an die Brust. „Ja, alles gut. Ich…ich hatte nur einen…ähm…ich dachte, ich hätte etwas gehört!“, murmelte ich und versuchte es runterzuspielen. Die Frau sah mich einen Moment noch an, dann schien sie sich nichts weiter dabei zu denken und fuhr fort, irgendwas zu faseln. Ich sah zu den anderen, die sich ebenso von mir abgewandt hatten und ihr zuhörten. Alle bis auf eine. Felicitas! Nun schien sie mich bemerkt zu haben und der Hass in ihren Augen stand mit dem von Sam nichts nach. Deutlich schienen ihre Augen zusagen:„ Du kannst mich nicht aufhalten!“ Fast schon wollte ich sagen, dass ich es kann. Doch verkniff es mir. So sah ich sie nur an. Das ging die ganze Sitzung so, bis diese fertig war und ich aufstehen konnte. Ich musste dabei feststellen, dass mich die Gruppentherapie heute etwas geschlaucht hatte und ich den Wunsch hatte, in mein Bett zukommen. Bevor ich aber den Raum verlassen konnte, packte mich eine Hand und riss mich zur Seite. Ich wollte aufschreien, mich losreisen und fragen, was das sollte, ich als in Felicitas Gesicht schaute, das mich wieder voller Hass anschaute. „Hör auf mich anzustarren!“, fauchte sie und verstärkte den Druch um meinen Arm. „Was meinst du damit?“, fragte ich leise und versuchte ebenso zu fauchen, was mir aber gründlich misslang. „Stell dich nicht dumm. Ich weiss, dass du mich die ganze anstarrst!“ „Selbst wenn. Ist doch normal, dass man angestarrt wird, wenn man aussieht wie eine frische Leiche!“ Das hätte ich nicht sagen sollen, da Felicitas Blick noch bohrender wurde und ihr Griff ebenso brutaler. „Ich weiss, der du bist. Du gehörst nicht hierher. Verschwinde, solange du noch kannst!“ Da versagte mir die Stimme und die Worte, die ich sagen wollte, entglitten mir. Minutenlang sah ich sie an. Wusste sie das wirklich oder sagte sie mir das nur, weil sie mir Angst machen wollte? Ich wusste es nicht und ich wollte es auch nicht. Aber ich wollte auch nicht, dass sie sah, dass sie Macht über mich hatte. Also riss ich mich von ihr los und sah sie wütend an. Legte all meinen Zorn in meine nächsten Worte. „Auch wenn du mir drohst. Ich bleibe. Glaub ja nicht, dass ich Angst vor dir habe, Feli. Ich werde dich aufhalten. Egal, was du auch vorhast!“, sagte ich und ging, ohne auch nur auf eine Antwort von ihr zuwarten. Dennoch spürte ich ihre Blicke im Rücken und hoffte nun, dass ich meine Worte nicht bereuen würde. „Das war sehr riskant, dass du das gesagt hast!“, sagte Erik mit sichtlicher Sorge. „Ich weiss, aber was sollte ich denn sonst sagen. Dieses Miststück hat mich proveziert. Wenn sie wirklich diese Sam ist, dann…!“, wollte ich weitersprechen hielt aber inne, als mir bewusst wurde, was er damit meinte und ich verzog bitter das Gesicht. „Ich habe sie gewarnt und sicherlich wird sie das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie wird jetzt aufpassen, wie sonst was!“, sagte ich. „Oh man. Warum konnte ich meine Klappe nicht halten?“ Ich ließ mich aufs Bett sinken und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Ich sollte wirklich aufpassen, was ich sage. Ich hörte Erik leise lachen und schaute auf. „Was ist denn so komisch?“ „Nichts, nichts!“, sagte er und winkte ab. „Es gibt nur jemanden, der manchmal genauso mit dem Kopf durch die Wand gegangen ist, bevor er nachgedacht hat!“, sagte er mit einem Grinsen. „Und sich mächtig dicke Beulen eingehandelt hat!“ „Achja, und wer?“, bohrte ich weiter, weil ich neugierig geworden war. Aber Erik schwieg beharrlich. „Nicht so wichtig!“, sagte er mit einem leisen Lächeln, wurde dann aber wieder ernst. „Was wichtig ist, ist, dass du auf der Hut bist und dieses Ding nicht an dich heran lässt!“ „Ich werde es versuchen!“ Ich ging weiterhin in die Gruppentherapie und egal wie sehr es die Frau, die die Gruppe leitete, versuchte. Sie schaffte es nicht mich zum reden zubringen. Natürlich hatte sie es Doktor Rayne gesteckt und irgendwann musste ich nicht mehr dahin. Ich war frog darüber. Aber wenn ich gewusst hätte, was kommen würde, wäre ich noch weiterhin dahingegangen. „Allison, ich bin langsam mit meinem Latein am Ende. Die Gruppentherapie sollte dir helfen, dich zuöffnen!“, sagte er, als ich Platz genommen hatte und wirkte dabei enttäuscht. Ich sagte erstmal nichts, sondern schaute einfach nur ins Leere. „Ich hätte es Ihnen ja gleich sagen können!“, sagte ich dann. Doctor Rayne sagte erstmal nichts, sondern sah mich mit einem Blick an, der deutlich zeigte, dass er nicht weiterwusste. Irgendwie tat er mir leid. Er machte auch nur seinen Job. Dennoch wollte ich mein Geheimniss nicht preisgeben. Doktor Rayne seufzte. „Nun gut. Ein anderes Thema. Ich möchte mich mit dir über deinen Freund unterhalten!“, sagte Dr. Rayne wobei ich erstmal nicht verstand, was er meinte. „Meinen Freund? Ich habe keinen Freund!“ „Wirklich?“, fragte er nach und hob die Brauen. „Die Schwester sagte etwas anderes, die letzte Nacht Dienst hatte!“ Ein kurzes Gefühl der Kälte erfüllte meinen Magen und ich musste ausgesehen haben, wie jemand, den man bei einem Verbrechen erwischt hatte. Doch ich versuchte ruhig zubleiben. „Es war niemand in meinem Zimmer. Ich war allein!“ „Ich spreche auch nicht von einem Freund aus Fleisch und Blut. Sondern von einem imaginären Freund!“ „Sie meinen soetwas, wie ein unsichtbaren Freund, den kleine Kinder haben?“, fragte ich und Dr. Rayne nickte. Normalerweise hätte ich darüber gelacht, aber dass man mitbekommen hatte, dass ich mich mit ihm unterhalten hatte, gefiel mir nicht. Ich rutschte nervös auf der Couch hinundher. „Hast du denn so einen?“, fragte er nach. „Selbst wenn, ist das so ungewöhnlich?“ „Eigentlich nicht. Nur wundert es mich, dass so einen hast. Immerhin bist du doch eine erwachsene junge Frau!“, sagte er und diese Gespräch ging in eine Richtung, die ich zugern vermieden hätte. „Kann es sein, dass du diesen unsichtbaren Freund hast, weil du dich einsam fühlst?“ „Wie kommen Sie denn darauf?“ „Nunja, wegen deinen Alpträumen und das etwas schlimmes geschehen sein musste, dass diese heruvorruft, lässt mich soetwas vermuten. Hast du dich denn jemals jemanden anvertraut?“ Jetzt nur keinen Fehler machen, ging es mir durch den Kopf. „Ja, meinem Vater!“, sagte ich, da es ja auch die Wahrheit war. Ich war nie allein mit meinen Sorgen. Aber dennoch fühlte ich, dass das mir aufeinmal nicht gereicht hatte. Dass ich mehr brauchte, als nur darüber zureden. „Und dennoch unterhälst du dich mit jemanden, der nicht da ist!“, murmelte Dr. Rayne. Ich hob nur die Schultern. „Hat denn dein Freund einen Namen?“ „Nein, weil ich keinen unsichtbaren Freund habe!“ Doktor Rayne seufzte schwer und massierte sich die Nasenwurzel. „Allison, so kommen wir nicht weiter. Ich versuche wirklich dir zuhelfen. Aber das kann ich nur, wenn du ein wenig offener wirst!“, sagte er. „Ich habe Ihnen doch schon alles gesagt. Was wollen Sie denn noch von mir?“, fragte ich, weil ich einfach nicht weiter darüber reden wollte. „Ich will, dass du mir sagst, was Grund sein könnte, für diese Träume. Denn dann können wir gemeinsam vielleicht eine Lösung dafür finden. Oder willst du etwa diese Träume behalten?“ Nein natürlich nicht, wollte ich schon sagen. Ich wünschte mir wirklich, dass diese irgendwann ein Ende haben würden. Aber wenn ich zuviel sagte, verriet ich mich vielleicht. Erik hatte mich ja gewarnt. Ich befand mich also in eine Zwickmühle. Mist, was mache ich bloß? „Glaub mir. Auch wenn es dir wehtut, du musst es mir erzählen. Nur so kann es ein Ende nehmen!“, sagte er und etwas in mir sträubte sich, ihm das zuglauben. Ich müsste es eigentlich auch besser wissen. Nichts und niemand kann mir helfen, diese Träume loszuwerden. Nicht mal Sie! „Nein, dass wird es nicht. Das kann es nicht!“, flüsterte ich und schloss die Augen. „Woher willst du es wissen, wenn du es nicht versuchst?“, fragte Doktor Rayne eindringlich. „Allison, denk doch mal nach. Je mehr du dich verschliesst, desto schwerer wird es, für dich, diese Träume loszuwerden!“ Ich sagte dazu nichts. Versuchte meinen aufkochenden Frust nicht nach draußen kommen zulassen. Ich weiss selber, dass ich nicht ewig darüber schweigen konnte. Aber ich wollte es einfach nicht, weil es zusehr schmerzte, mich daran zuerinnern. „Kann es sein, dass dein unsichtbarer Freund dich dazu brachte, dir diese Wunden zuzufügen?“, fragte er plötzlich und in dem Moment schien in mir etwas zu explodieren und die nächsten Worte flogen mir nur so aus dem Mund. „Nein, war er nicht, weil es ihn nicht gibt!“, schrie ich wütend, holte einmal tief Luft und rief einige Töne viel zuschrill:„ Sie wollen wissen, warum ich diese Träume habe? Ich werde es Ihnen sagen: Meine Mutter hat sich vor meinen eigenen Augen umgebracht. Hat sich ein Messer immer wieder in die Brust gestossen und ist elendig verblutet. Ich musste es mir mitansehen. Ich, ein kleines Mädchen. Sie ließ mich allein. Ließ mich mit diesen schrecklichen Träumen zurück!“ Doktor Raynes Augen wurden groß, als ich ihm das entgegen schleuderte und ich selber verstand nicht, was in mir gefahren war. Eigentlich wäre ich niemals so ausgerastet, aber etwas in mir hatte sich durch seine Worte einfach bedrängt und genervt gefühlt und dass wollte es deutlich zeigen. Zu meinem eigenen Entsetzung und Verwirrung merkte ich, wie ich zitterte und nach Luft schnappte. Zittrig versuchte ich ruhig zu atmen und mich zu beruhigen. Zwischen mir und Doktor Rayne machte sich nun eine beklemmende Stille breit und ich fühlte, wie mein Mund trocken wurde. Doktor Rayne sah mich immernoch an, wie als wenn ich ein Geist wäre, dann schaute er in seine Unterlagen. „Das…das ist wirklich schrecklich. Das habe ich nicht gewusst!“, stammelte er. Ich schnaubte. „Woher denn auch?“ Ich legte mich zurück auf die Couch und starrte zur Decke hoch. „Nun…zumindest wissen wir jetzt, wo wir suchen müssen!“, sagte er und klang nun nicht mehr ganz so eingeschüchtert. Wo wir suchen müssen! Sofort musste ich mich wieder daran erinnern, dass ich eine Aufgabe hatte. Nämlich in das Büro meines Doktors einbrechen, um nach eine Akte zusuchen. Fast schon könnte man darüber lachen. Wir beide waren auf der Suche. Während er nun nach der Ursache für meine Träume suchen wollte, würde ich nach einer Akte suchen. Hoffentlich würde einer von uns dabei Erfolg haben und ich ahnte irgendwie, dass es nicht er war. Bei dem Gedanken, hier einzubrechen, während alle schliefen, wurde mir fast übel. Und ich fragte mich erneut, wie ich das anfangen sollte. Es war schon spät, als ich mich aus meinem Zimmer schlich und auf den klangen Korridor trat. Es war ruhig auf dem Gang und auch in den Zimmern. Zu ruhig. Ich konnte die Stille förnlich greifen, so präsent war sie. Die Beleuchtung war bis auf ein schwaches Licht hinuntergeschaltet und verlieh dem ganzen eine unheimliche Atmosphäre. Die Wände waren nun nicht mehr weiss, sondern hatten ein ungesundes Grün und die Türen, die eigentlich am Tag völlig harmlos aussahen, schienen nun aus Stahl und unüberwindbar zusein. Da ich die einzige zu so später Stunde und allein auf dem Flur war, und vorallem aber nicht erwicht werden wollte, versuchte ich leise zusein. Das Auftreten meiner nackten Füsse aber verursachte einen, für mich, viel zulauten Laut und ich zuckte jedesmal zusammen, wenn ich zufest und zulaut auftrat. Blieb dann wie angewurzelt stehen und schaute mich vorsichtig um. Zum Glück jedoch, kam keiner aus den Zimmern links und rechts von mir, oder eine der Nachschicht schiebenden Schwestern. Die Anspannung und meine Konzentration, keinen Mucks von mir zugeben, wuchs ins unerträgliche und ich musste mich schließlich zwingen weiterzugehen, um nicht einfach stehenzubleiben. Nie hätte ich gedacht, dass es so schwer und schlimm werden würde, hier herumzuschleichen. Im Film sah das immer so leicht aus. Ach, verflucht nochmal. Warum konnte ich einfach nicht sagen, dass ich dafür viel zu dumm wäre. Fay oder Lex hätten keine Probleme. Von der Geschickheit ganz zuschweigen. Ich war dabei so sehr in meine Gedankenvertieft, dass ich zuerst nicht das rote Lämpchen bemerkte. Sondern erst, als ich es summen hörte. Ich schaute hoch und machte einen Satz zur Seite. Eine Überwachungskamera! Shite, warum habe ich nicht daran gedacht? Sicher war der ganze Gang mit diesen Dingern gespickt. Und sicherlich würde ich auf jeder Aufnahme zusehen sein. Ich fluchte erneut und drückte mich an die Wand. Wartete, bis sie sich wegdrehte, damit ich mich darunter vorbeischleichen konnte. Es schien ewig zudauern, bis sie sich auf die andere Seite zudrehen und ich ging weiter. Ließ dabei nicht die Kamera aus den Augen. Ich schlich weiter und bog um eine Ecke. Und war erleichtert. Die zweite Tür im Gang gehörte zu Doktor Raynes Büro und die nächste Kamera war erst an der nächsten Ecke. Also konnte ich mich weiterheran schleichen, ohne dass ich gefilmt werde. Als ich vor der Tür stand und das Extrasicherheitsschloss sah, schwand mir entgültig der Mut. Na grossartig und was jetzt? Ich griff mir die Klinke und drehte, rüttelte daran. Aber wie ich es schon gesehen hatte, war die Tür abgeschlossen. Natürlich, warum auch nicht. Immerhin hatte er wichtige Dinge in seinem Büro verstaut. Wieso sollte er es dann nicht abschließen? „Was mache ich jetzt?“, seufzte ich. „Frag doch einfach mich!“, flüsterte eine Stimme und ich zuckte zusammen. Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen, umzuwissen, dass Erik hinter mir stand. „Das nächste Mal verpasse ich dir eine!“, knurrte ich. Doch Erik überhörte meine Drohung und schob mich beiseite. „Lass mich mal!“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf das Schloss. Gerade wollte ich fragen, wie er das machen wollte, da sah ich, wie ein schwarzer Schatten, so dünn wie ein Faden, sich aus seinem Finger löste und in das Schloss eindrang. Zuckte und schlängelte hinundher, bis es klickte. Der Schattenfaden zog sich zurück, verschwand wieder in Eriks Finger. Erik ergriff die Klinke, drehte sie und die Tür öffnete sich. Erik trat beiseite und hielt mir galant den Arm hin. „Nach Ihnen Gnädigste!“, sagte er. Ich verbiss mir ein Kommentar und ging hinein. Vermied es aber, das große Licht anzuschalten und machte nur die Schreibtischlampe an. Ihr diffuses Licht reichte gerademal aus, um den Schreitisch, die Aktenschränke und einen Teil des Wandschranks zusehen. Zwar war die Tür zu dem Büro fensterlos, aber ich hatte Angst, dass man den Lichtstreifen unter der Tür sehen würde und ich mich dadurch verriet. Ich ging zu den Aktenschränken und stellte erleichtert fest, dass diese nicht verschlossen waren. Langsam zog ich die oberste Schublade auf und blätterte mich durch die Akten. Las jeden Namen sehr genau, doch die Akte von Samantha war nicht zusehen. Also schob ich die Schublade wieder zu und begann mit der nächsten. In der zweiten Schublade war auch nichts und ich schob sie mit einem frustrierten Seufzer zu. Okay, blieb nur noch die Dritte. Ich blätterte und las hecktisch, die Namen auf den Akten und rechnete schon gar nichtmehr sie zufinden, doch da sprang mir ein Name entgegen, die mich triumphierend aufschrein würde. Schnell schlug ich mir die Hand vor dem Mund. Holte die Akte heraus, ging damit zum Schreibtisch und schlug sie auf. Das erste Blatt war ähnlich wie ein Steckbrief geschrieben und ein Foto war mit einer Büroklammer daran befestigt. Der Rest waren Dokumentationen über die Behandlung und deren Erfolge. Über die Symptome der Krankheit und deren Verlauf. Und das weckte mein Interesse. „Erik, ich glaube, ich habe hier was. Hör dir das an!“, sagte ich und begann laut vorzulesen. „Bei der Patientin wurde festgestellt, dass sie eine Neigung zum Schlafwandeln hat. Die Ursachen sind bisher unbekannt. Dennoch geht man davon aus, dass der Grund für diese Störung, etwas mit der Familie zutun haben muss. Genaueres kann man nicht sagen, da die Patientin sich verschliesst und auch nicht die Möglichkeit besteht, an sie heran zu kommen!“ Als ich die letzten Zeilen las, wurde mir eiskalt. Ich glaubte, ich würde meine eigene Akte lesen. Genau wie Samantha litt sie auch an etwas, was einen schrecklichen Vorfall entstanden war. Nur gab es zwischen mir und ihr einen kleinen, aber nicht zuignorierenden Unterschied. Ich morderte nicht, im Gegensatz zu ihr. Nur was war der Grund dafür? Ich war so sehr dabei in die Akte und in meine fragenden Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie Erik mich anschaute. Erst als ich fühlte, wie seine Blicke mich förmlich durchbohrten, drehte ich den Kopf zu ihm und erschauderte bei dem Ausdruck, der in seinen Augen lag. Fast so als würde er etwas an oder in mir sehen, was ihm vertraut war oder erinnerte. Es machte mich irgendwie nervös, wie er mich so ansah. „Was?“, fragte ich versuchte meine Stimme ruhig klingen zulassen. Doch ich war nicht ruhig. Ich spürte, wie meine Hände zitterten und ich schaute schnell wieder weg. Dieser Blick, er machte mir Angst. „Nichts!“, sagte er matt, wie als wenn er schlafen würde. Und ich atmete erleichtert auf. Wollte mich wieder der Akte und meinen Fragen widmen. „Du siehst ihr nur so ähnlich!“ Ich zuckte zusammen, als hätte man mich geschlagen. Sah Erik an und er hatte immer noch diesen Blick. Meine Hände, die zu anfang gezittert hatten, verkrampften sich. „Red nicht so einen Blödsinn!“, sagte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder der Akte zu. Was mir schwerfiel, den etwas in seinen Worten war die Wahrheit. Aber ich wollte nicht jetzt darüber nachdenken. Zu sehr früchtete ich mich davor. Erik ging darauf nicht weiter ein, wofür ich ihm dankbar war. Nachdem ich gesehen hatte, was ich sehen wollte, legte ich wieder alles in die Akte zurück und wollte diese in den Schrank zurück tun, als ich plötzlich hörte, wie Schritte draußen auf dem Flur zu hören waren. Ich blieb wie festgefroren stehen und schaute zur Tür, dessen Klinke sich langsam bewegte. Oh Fuck! Hastig schaute ich mich um, suchte nach einem Versteck, doch außer dem Schreibtisch schien es nichts anderes zu geben. Also vergeudete ich keine Zeit und schlüpfte unter den Schreibtisch. Keine Sekunde zufrüh, denn schon öffnete sich die Tür und das Licht wurde eingeschaltet. „Das ist ja seltsam!“, hörte ich Doktor Rayne murmeln und seine Schritte, die näher kamen. Er war an den Schreibtisch getreten und hatte die Akte, die ich achtlos auf den Schreibtisch geworfen hatte, an sich genommen. Durch das Schieben und Schaben von Metall, wusste ich, dass er sie wieder in den Schrank getan hatte. Dann ging er zu seinem Stuhl, zog ihn ein wenig heran und setzte sich darauf. Ich machte mich ganz klein, als seine Beine unter der Platte verschwanden und mich beinahe berührten. Natoll, da habe ich mir ein tolles Versteck ausgesucht. Als Doktor Rayne noch näher rankam, drückte ich mich noch mehr gegen das harte Holz und versuchte mich so gut wie es ging nicht zurühren. Ich hielt sogar den Atem an. Als mir aber bereits schwarze Flecken vor den Augen tanzten, beschloss ich, weiter zu atmen. Allerdings flach und leise. Doktor Rayne schien mich bisher nicht bemerkt zuhaben, denn er zog eine Schublade auf und holte etwas hervor. Ein Klicken und er begann zu sprechen. „Dreizehnter Juli. Heute kann ich von einem halben Erfolg sprechen. Ich habe erfahren, dass sie damals als Kind mitansehen musste, wie ihre Mutter Selbstmord beging und dadurch diese Alpträume entstanden sein könnten. Ich werde versuchen noch weiter auf sie einzureden, um mehr zu erfahren. Was mich jedoch stutzig macht, ist dieser Erik. Sie bestreitet zwar, dass sie mit ihm spricht. Doch ich habe da so meine Zweifel. Ich werde dem weiternachgehen und versuchen, zu erfahren, was es mit diesem Erik auf sich hat!“ Ich versteifte mich sofort, als ich das hörte. Ich wusste sofort, dass er über mich sprach und wollte mir nicht ausmalen, wieoft er mich darauf ansprechen wollte. Und was er noch alles versuchen würde. Doktor Rayne legte das Diktirgerät wieder weg und schrieb etwas. Ich hörte das Kratzen eines Stifts über dem Papier, tausendfach unter dem Schreibtisch. Solangsam wurde ich nervös. In dieser zusammgekauerten Stellung war es nicht leicht, ruhig zu bleiben. Mir tat der Hintern weh und ich fürchtete, ein steifes Genick zu bekommen. Das Atmen fiel mir schwer und ich hoffte, dass er bald gehen würde. Mein Hoffen wurde erhört, denn Doktor Rayne stand auf und verließ das Büro. Als das Licht aus und ich mir sicher war, dass er nicht nochmal rein kommen würde, kroch unter dem Schreibtisch hervor. Mein Rücken schmerzte entsetzlich und ich streckte mich. Gab ein gequältes Autsch von mir, als einige Knochen wieder an die Stellen zurück gerückt wurden, an denen sie gehörten. „Das war knapp!“, murmelte ich. „Wir sollten auch gehen!“, sagte er Erik, der wieder plötzlich neben mir stand. Ich nickte und schlich zur Tür. Öffnete sie genauso leise und Erik schloss sie ab. Auf dem Weg zu meinem Zimmer, sagten wir keinen Ton. Ich hing meinen eigenen Gedanken nach. Eriks seltsame Blicke auf mir, seine Worte, dass ich ihr, meiner Mutter, sehr ähnlich sehe. Sie hatten mich mehr aufgewühlt, als ich zugeben wollte. Ich sollte es eigentlich gewöhnt sein, dass man mir sowas sagte. Aber das aus seinem Mund zuhören, hatte es Ungutes. Etwas was mich eigentlich warnen sollte. Und ein schrecklicher Verdacht kam in mir auf. Werde ich genauso wie sie, wenn ich den Verstand verliere? Was wenn ich genauso endete, wie meine Mutter? Ich begann wie verrückt zu zittern und versuchte nicht darüber nachzudenken. Das fiel mir auch nicht schwer, denn ich hörte plötzlich einen Schrei, der mir durch Mark und Bein ging und mich wie erstarrt stehen ließ. Er war schrill und schien aus allen Richtungen zu kommen, aber ich wusste, wer ihn ausgestossen hatte. Lucie! Ohne nachzudenken rannte ich los. Ich wusste zwar nicht, wo ihr Zimmer lag, aber etwas sagte mir, wo ich hinlaufen musste. Als würde mich etwas führen. Genauso, wie als ich zu dem Bild gegangen war, um zusehen was Samatnha da hineingekratzt hatte. Diesesmal aber war die Angst und die Furcht viel größer, als zuvor und ich hatte eine schlimme Ahnung. Nicht, Lucie. Oh bitte. Nicht sie! Ich sah die Tür. Eine von vielen. Doch ich wusste, dass sie zu Lucies Zimmer führte. Ich stürzte hin, riss sie auf und blieb mitten in der Tür stehen. Lucie wälzte sich auf dem Boden, schlug wild um sich und schrie wie am Spiess. Ihr ganzer Körper war schon mit Kratzern überzogen. Ich konnte mich nicht rühren und blieb stehen, wo ich war. Die Tür hinter mir fiel zu. Nur ein schmaler Streifen Licht fiel hinein. Und in der Dunkelheit sah ich eine Gestalt über Lucie, die sie immer wieder verletzte. In dem schwachen Licht, sah ich das Blitzen von Metall. Samantha! Ich stürmte auf sie los. Vergessen war der Schrecken und die Angst. Ich wollte nur eins: Lucie retten! „Lass sie in Ruhe. Geh weg von ihr!“, schrie ich und wollte sie wegzerren. Doch Samatnha stiess mich einfach weg, als wäre ich nichts und ich prallte hart gegen die Wand. In meinem Kopf drehte es sich kurz. Ich schüttelte den Kopf, um die Benommeheit loszuwerden und ging wieder auf Samantha los. Diesesmal stiess sie mich nicht weg, sondern ließ die Schläge, die ich ihr versetzte einfach über sich ergehen. Verletzte Lucie noch weiter. Irgendwann gab ich es auf, auf sie einzuprügeln, weil es keinen Sinn machte. Also schlang ich meinen Arm um ihren Hals und versuchte sie von ihr wegzuzerren. Samantha wehrte sich heftig. Fauchte und keifte, kratzte mich mit ihren Klauen. Ich versuchte nicht an den Schmerz zu denken und riss weiter an sie. Irgendwann ließ sie aber doch noch von ihr ab. Außer Atem schaute ich sie an und krabbelte dann zu Lucie. Sie rührte sich nicht, stöhnte und wimmerte nur. Blutete aus zahlreichen Wunden und ihre Augenlider zitterten unruhig. Hilflos, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, legte ich meine Hände auf die Wunden, die am stärksten bluteten. Redete dabei auf Lucie ein. „Lucie…Lucie. Halte durch. Ich…ich hole Hilfe!“, flüsterte ich und spürte, wie mir die Tränen kamen. Ich blinzelte und drückte meine Hände fester auf die Wunden. Dabei erkannte ich, dass die schlimmsten Wunden an den Hals und in die Brust geschlagen waren. Und mir wurde klar, dass ich sie nicht retten konnte. Das es bereits zuspät war. Doch ich wollte es nicht wahrhaben. „Lucie!“, wimmerte ich. Ich fühlte mich unendlich hilflos und auch nutzlos, weil ich nichts anderes tun konnte, als zu versuchen, die Blutungen zu stoppen. Da öffnete Lucie die Augen, schwach zwar, aber sie öffnete sie und ihre milchig, beinahe glasigen Augen, sahen mich an. Traurig und darum bittend, es gut sein zulassen. Schwach schüttelte sie den Kopf und ergriff mit zitterner Hand, die meinen. Wirkten einen schwachen Druck aus und ich zuckte zusammen. Ohne mich zu rühren, blickte ich auf sie nieder und wollte so vieles sagen. Dass es mir leid täte, dass ich nicht eher da sein konnte. Dass ich sie nicht sterben lassen würde. Aber es kam nur ein ersticktes Jammern hervor. Lucie lächelte, schüttelte kraftlos den Kopf, dann schlossen sich ihre Augen und der Griff auf meiner Hand, wurde schwächer. Mit einem leisen Platschen fiel ihre tote bleiche Hand auf den Boden. Als hätte mich dies aus einem tiefen Schlaf gerissen, schreckte ich hoch, und packte sie an den Schultern. Rüttelte an ihr. Ich schrie ihren Namen. Aber natürlich, würde sie nicht mehr aufwachen. Lucie war tot! Ein Geräusch ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich um. Samantha saß immernoch da, wo ich sie hingestossen hatte und sah mich mit einer Miene an, die meinen Schmerz vergessen und stattdessen Wut in mir hochkommen ließ. „Was hast du getan?“, schrie ich wütend und wollte mich wieder auf sie werfen, doch da hörte ich Schritte auf dem Flur und blickte flüchtig zu diesem. Sah Schatten an den Wänden, die sich näherten und als mein Blick wieder zu Samantha ging, sah ich ein böses Grinsen auf ihrem Gesicht, ehe sie verschwand und die Pfleger, gefolgt von einigen Ärzten, darunter auch Doktor Rayne, in das Zimmer kamen. Kaum dass sie in das Zimmer kamen, blieben sie in der Tür stehen und blickten mit Entsetzen auf die tote Lucie und dann zu mir. Ich saß da, als wäre ich aus Stein und fühlte, wie mir kurz schwindelig wurde. Ich schluckte, weil sich ein fetter Kloss in meinem Hals breitmachte und versuchte etwas zusagen. Doch meine Stimme versagte und ich konnte nur hilflos die Hände heben. Ein entsetzes Keuchen ging durch die Menge der Pfleger und Ärzte und ich verstand nicht, bis ich sie mir selber ansah und sah, was sie so entsetzt hatte. Meine Hände waren mit Blut beschmiert. Mit Lucies Blut! Endlich schaffte ich es, was zusagen. „Ich…ich war das…ich war das nicht…!“, stammelte ich wie ein schwachsinniges Kind. Aber anstatt etwas zusagen, stürzten zwei der Pfleger auf mich zu und ergriffen mich. Mit festen Griffen um meine Arme, zerrten sie mich auf die Füsse und von Lucie weg. Ich schrie und wehrte mich. Versuchte mich aus ihren Griffen zuwinden und schrie immer wieder, dass ich das nicht war. Trat sogar um mich, doch egal wie sehr ich mich wehrte, sie ließen nicht los. Zogen mich weiter. „Stellen Sie sie ruhig. Sie wehrt sich ganz schön!“, sagte ein Pfleger angestrengt und kaum hatte er das ausgesprochen, kam einer der Ärzte auf mich zu. Holte dabei etwas aus seiner Kitteltasche hervor. Etwas mit einer langen dünnen Nadel, aus der eine klare Flüssigkeit spritzte, als der Arzt auf den Kolben drückte. Mir wurde eiskalt und meine Augen weiteten. Stellen Sie sie ruhig, schoss es mir durch den Kopf. Die wollen mich betäuben?! Diese Erkenntniss ließ mich noch wilder wehren. Aber wie bei den ersten Versuchen, war auch dieser ohne Erfolg und den Pflegern schien es nun zu reichen, denn der rechte renkte mir meinen Arm soweit aus, dass ich schrie und mich zusammenkrümmte. Ohne eine Warnung, steckte der Arzt die Nadel in meine freigelegt Armbeugung und spritzte das Betäubungsmittel in meinen Körper. Ein unangenehmes Ziehen, worauf ein Brennen folgte, durchströmte meinen Arm, dass sich bald darauf in meinen ganzen Körper ausbreitete und ein wahres Karussell in meinem Kopf verursachte, dass alles schwarz vor meinen Augen werden ließ. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich in einen weissgetünchten Raum. Das Kissen, auf demm mein Kopf ruhte, war weich und schmiegte sich wunderbar an meine Wange. Fast schon wollte ich wieder die Augen schließen, weil das Betäubgunsmittel noch nicht ganz nachgelassen hatte. Doch da spürte ich einen kalten Luftzug an meiner Wange, die die Müdigkeit vergessen ließ und ich richtete mich auf. Zumindest versuchte ich es. Ich wollte mich mit den Armen abstützen, musste jedoch feststellten, dass ich sie nicht bewegen konnte. Verwirrt schaute ich runter. Was hatte ich denn da an? Eine Art Jacke, die mir allerdings verkehrtherum angezogen war und die Ärmel nachhinten geschlungen waren. Ich verrenkte mich, um nachhinten zusehen und sah die Verschlüsse an meinem Rücken. Komisch…solche Verschlüsse haben doch nur…Zwangsjacken! Man hatte mich wirklich in eine Zwangsjacke gesteckt. Und erst sah ich mir den Raum genauer an. Dass, was ich für ein Kissen gehalten hatte, war der gepolsterte Boden. Und auch die Wände, selbst die Decke waren aus dicken Polstern. Panik wallte in mir hoch. Ließ mein Herz rasen, dass ich fürchtete, es würde gleich stehenblieben. Machte es mir zugleich schwer ruhig zu atmen. Scheisse! Wohin hatte mich denn gesteckt? Was letzte Nacht passiert ist, war zwar durch das Betäubungsmittel von einem undurchdringenden Schleier verborgen, nun aber erinnerte ich mich und solangsam begriff ich. Zählte eins und eins zusammen und mir lief es kalt den Rücken runter. Sie hielten mich für den Mörder von Lucie und haben mich deswegen hier eingesperrt. Sicherlich hielten sie mich für lebensgefährlich. Unzurechnungsfähig. Eine Geisteskranke. Eine, die man nicht mehr auf die Menschheit lassen durfte. Ich begann unkontrolliert zu zittern. Die schlimmsten Ängste stiegen in mir hoch und ich ließ mich an die Wand sinken. Schloss die Augen und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwann rissen mich Stimmen hinter der Tür, die meine Gummizelle verriegelte, aus einem tiefen Schlaf, in den ich gefallen war. Erregte Stimmen. Eine davon erkannte ich. Es war die, von Doktor Rayne und die andere…war das etwa…Brian? Neugierig krabbelte ich auf den Knien zu der Tür und legte das Ohr an die Tür. Lauschte so gut ich konnte. „Das ist doch Lächerlich!“, hörte ich Brian rufen. „Sie können es ruhig so nennen, Mr. Matthews. Doch die Fakten sind eindeutig. Man hat sie in dem Zimmer des unglückseligen Mädchens gefunden. Sie hatte frisches Blut an den Händen, das von dem Mädchen stammt!“ „Und wie soll sie sie verletzt haben? Sie hatte nichts bei sich, womit sie sie verletzen könnte!“ „Vermutlich war sie so sehr nicht bei sich, dass sie sie mit ihren Fingernägeln verletzt hatte!“ „Mit ihren Fingernägeln? Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich habe mir die Leiche angesehen. Solche Wunden können keine Fingernägel hinterlassen!“ „Was, ihrer Meinung, wäre es dann gewesen. Ein Tier?“ „Auch nicht. Aber das ist Ihnen sicherlich zu hoch. Da Sie ein Mann sind, der rational denkt und blind für das ist, was ein menschliches Auge nicht sehen kann!“ „Was meinen Sie denn damit?“, fragte Doktor Rayne und ich musste grinsen. „Nicht weiter wichtig!“, sagte Brian trocken. „Ich möchte zu ihr!“ „Das ist unmöglich. Solange wir nicht wissen, was wir mit ihr machen sollen, darf keiner zu ihr!“ „Was Sie mit ihr machen sollen? Sie ist keine Verbrecherin!“ „Können Sie das Beweisen?“ „Besser, als Sie es können, Doktor!“, knurrte Brian. „Und jetzt lassen Sie mich zu ihr!“ „Aber, Mr. Matthews…!“, wollte Doktor Rayne weitersprechen, doch Brian schnitt ihm das Wort ab. „Schließen Sie die verdammte Tür auf und lassen Sie mich rein. Ehe ich sie aufbreche!“, befahl er und ich schrack von der Tür weg. Dass er diese Tür wirklich mit bloßen Händen aufbrechen würde, ließ mich nicht daran zweifeln. Doktor Rayne murmelte etwas und steckte den Schlüssel in das Schloss. Die Tür wurde aufgeschwungen und Brain trat ein. Ein kurzer Blick zum Doktor, der unschlüssig dastand. „Schließen Sie die Tür. Ich will mit ihr allein und ungestört sprechen!“, sagte er knapp und seine Stimme war eisig. Doktor Rayne zuckte kurz zusammen und schloss dann die Tür. Als ich und Brian dann allein waren, wandte er sich zu mir und hockte sich hin. Er schaute mich besorgt an. „Alles in Ordnung? Geht es dir gut?“, fragte er. „Man hat mich in eine Zwangsjacke gesteckt und ich hocke hier in eine Gummizelle. Wie soll es mir da gut gehen?“, fragte ich trocken. Brian lächelte schwach. „Das stimmt. Dass ist alles andere als eine schöne Situation!“, sagte er nachdenklich. „Was ist eigentlich passiert?“ „Samantha hat sie getötet!“, erklärte ich knapp und schon allein die flüchtige Erinnerung daran, drehte mir den Magen um. „Samantha?“ „Dieses Ding, was die anderen Mädchen getötet hat!“ „In einem Traum?“ „Nein, es war anders. Sie war wirklich da. Leibhaftig!“, erklärte ich. Brian runzelte die Stirn. „Ich weiss, wie verrückt das klingt, aber ich habe es deutlich gesehen. Das musst du mir glauben!“ „Ich glaube dir, Allison!“, sagte er sanft und ich war erstaunt, dass er so zu mir sprach. Aber vermutlich wollte er mich beruhigen. Ich wollte ihm beinahe schon danken, sagte aber stattdessen:„ Was jetzt? Wie komme ich aus dieser…dieser Gummiezelle raus!“ „Keine Angst, ich werde mir etwas einfallen lassen. Du wirst hier nicht lange in dieser Zelle bleiben!“, versprach er. „Und was wenn ich hier…?“ „Wenn du hier auf Samantha triffst?“ Ich nickte. Brian lächelte. „In der Hinsicht brauchst du dir keine große Sorge zu machen. Erik ist ja da!“, sagte er. „Ja, aber…letzte Nacht, da…da war er es nicht…!“ „Etwas muss ihn aufgehalten haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dich einfach im Stich lässt!“ „Und was sollte das sein?“, fragte ich skeptisch. Brian wusste darauf auch keine Antwort und hob die Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen. Eins steht aber fest: Diese Samantha muss mächtig sein, wenn sie ihn zurückhalten kann!“ „Aber kann Rache wirklich so mächtig sein?“, kam es aus mir, worauf Brian einen seltsamen Blick hatte. „Von allen Gefühlen, die einem Toten so viel Macht geben kann, dass er selbst seinem Grab entsteigen kann, ist Rache das mächtigste!“, sagte er und das mit solcher Selbstsicherheit, dass s mir kalt den Rücken runterlief. „Woher weißt du das?“ „Sagen wir, ich habe einige Erfahrung mit solchen ruhelosen Seelen gemacht!“, sagte er nur. „Wie steht es mit der Liebe?“, fragte ich und mir war bewusst, dass ich mich damit dumm anhörte. „Mit der Liebe?“, fragte er und hob die Brauen. Ich nickte. „So viel ich weiss, ist sie auch ein mächtiges Gefühl!“, sagte ich schwach. „Das stimmt. Aber wolltest du es wissen?“ „Nun ja, ich dachte, wenn schon Rache soetwas wie Samantha auferstehen lassen könnte, könnte nicht dann Liebe…meine…!“ „Deine Mutter auferstehen lassen?“, beendete Brian meinen Satz und ich nickte. „Wer weiss!“, sagte er. „Würdest du es dir wünschen?“ „Ich würde zumindest etwas ruhiger schlafen, wenn ich wüsste, dass meine Mutter über mich wacht!“, murmelte ich. Und ich würde mir nicht so einsam vorkommen, ergänzte ich in Gedanken. Du bist nicht einsam, Kätzchen, flüsterte Eriks Stimme sanft. Wieder nannte er mich so. Warum? „Du bist nicht einsam!“, hörte ich Brian dasselbe sagen. „Du hast doch noch uns!“ „Ja, das ist aber nicht dasselbe!“ „Du vermisst sie sehr?“ „Du etwa nicht?“, kam es von mir, wobei ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Brians Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an. Als wisse er selber nicht, was er sagen sollte. Dann aber sagte er nüchtern:„ Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich sie vermisse. Ich und deine Mutter hatten nie ein gutes Verhältniss. Wir respektierten und arrangierten und zwar, aber wir waren keine Freunde!“ Mir verschlug es glatt die Sprache. Erik hatte was ganz anderes behauptet. Doch ich verkniff es mir. Brian lächelte bitte. „Wobei…sie schaffte es immerwieder mich in Sachen reinzuziehen, die mich den Kopf kosten konnten!“ „Inwiefern?“, fragte ich nach, da ich nun doch neugierig wurde. „Nunja…als du noch gar nicht geboren wurdest, zwang sie mich, mit ihr einen mächtigen Dämon zubekämpfen, der eigentlich ihr Problem war. Aber sie behauptete, dass sie nicht in der Lage wäre, diesen zur Strecke zubringen!“ „Und womit hat sie dich gezwungen?“ „In dem sie mir prophezeite, dass der Dämon, sobald er sie getötet hat, sich auf mich und meine Familie konzentrieren würde, weil ich neben deiner Mutter, eine ebenso große Bedrohung war!“, sagte er und hob die Schultern. „Ich hielt das für ein Gerücht, doch ich wollte lieber auf Nummer sichergehen und erklärte mich bereit ihr zuhelfen. Aber nur unter der Bedingung, dass sie endgültig aus meinem Leben verschwindet. Tja, hat aber doch wohl nicht geklappt!“ Ich wusste nicht, was ich dazu sagen, geschweige denn denken sollte. Ich hatte mich immer gefragt, was Brian gegen meine Mutter hatte, nun wusste ich es. Sie hatte ihn erpresst und ihm mit dem Tod gedroht. Ob direkt oder indirekt, spielte keine Rolle. Und ich begann mich zufragen, was für ein Mensch meine Mutter war. Es wollte nicht so recht ins Bild passen, was er mir da erzählt hatte. So hatte ich meine Mutter nicht in Erinnerung. Die Vorstellung, dass sie jemanden unter Druck setzte, war so absurd, dass ich entweder gelacht oder ihn als einen miesen Lügner beschimpft hätte. Aber ich war zu geschockt darüber. Und irgendwie ergab das alles auch einen bitterschmeckenden Sinn. „Das kann ich nicht glauben!“, flüsterte ich. „Glaub es oder nicht. Es ist dir überlassen. Ich, für meinen Teil, wäre froh gewesen, wenn sie nicht immer darauf rumreiten würde, dass ich ihr was schulde!“, sagte er und stand auf. Mir klappte der Mund auf. Er war ihr was schuldig gewesen? Wenn ich mich so recht erinnere, hatte Erik so etwas auch erwähnt. Und Brian meinte, er hätte diese Schuld schon lange getilgt. Verdammt, was war da bloss los zwischen den beiden gewesen? Noch ehe ich Brian darauf ansprechen konnte, war er zur Tür gegangen und hatte an die kleine Schiebetür geklopft. Von außen hörte ich, wie Doktor Rayne wieder die Türe öffnete. Brian wandte sicher gerade um und mich erfasste eisige Angst. Er ging einfach so weg, ohne mich hier rauszuschaffen? Das konnte er doch nicht machen! „Wielange werde ich hier drinbleiben?“, fragte ich und wäre aufgestanden, doch leider hatte ich keinen Halt und plumpste wieder auf den gepolsterten Boden. Brian blieb stehen und sagte erstmal nichts, sondern schaute nur vor sich hin. Dann aber drehte er sich um und sagte mit monotoner Stimme: „Ich werde versuchen, was ich kann. Aber etwas Geduld wirst du wohl brauchen!“ Dann schloss sich hinter ihm die Tür und ich war allein. Es dämmerte bereits, als Brian zuhause war. Gerade ging die Sonne hinter den hohen Bäumen unter und er schritt gemächlichen Schrittes die Auffahrt hinauf. Seine Gedanken waren bei ihrem Gespräch, was sie geführt hatten und er konnte sich gut vorstellen, dass seine Worte bei der Kleinen für viele Fragen gesorgt hatten. Gerne hätte er etwas anderes gesagt, doch es wollte ihm nicht über die Lippen. Ja, er vermisste sie. Ein kleiner Teil in ihm hatte um sie getrauert und sich gewünscht, es hätte ein besseres Ende genommen. Er hatte sich sogar Vorwürfe gemacht, dass er nichts dagegen tun konnte. Doch was brachte das Ganze Kopfzerbrechen und das sich nach dem Was-Wäre –Wenn fragen? Es würde sie nicht lebendig machen. Nichts daran ändern. Und das schlimmste daran war, dass Allison nun in die Fusstapfen ihrer Mutter treten würde. Sogar muss, wenn sie überleben will. Er konnte es nicht leugen, das sie ihm leidtat. Ihr Leben war einmal normal gewesen, bis zu einem gewissen Zeitpunkt und nun sah sie sich Gefahren gegenüber, von denen sie bisher nichts gewusst hatte. Und vor denen sie keiner beschützen konnte. Abgesehen von Erik. Doch auch ihm waren Grenzen gesetzt. Die einzige, die es hätte tun können war ihre Mutter. Sie war erfahren und es wäre für Allison leichter gewesen, damit fertig zuwerden, als einfach ins kalte Wasser zu springen. Ein kaltes Wasser voll von fleischfressenden Ungetümen. Je mehr er darüber nachdachte, begann er eine Wut auf Erin zu haben. Es war nicht die Wut, die er verspürte, wenn ein Dämon seiner Familie ein Leid zufügte und ihn in eine Bestie verwandelte. Sondern die Wut eines enttäuschten Mannes, der sich fragte, warum… Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Hatte sie denn nicht gewusst, dss der Frieden, den es nach ihrem gemeinsamen Sieg über Agan gab, nicht lange währen würde? Vermutlich hatte sie es gewusst, aber die Augen davor verschlossen. Wie konnte sie nur so dumm sein. Und wie konnte sie verantwortungslos sein und ihre Tochter allein lassen. Kurz fragte er sich auch, was sie geritten hatte, überhaupt kein Kind zur Wel zubringen, doch dann sagte er sich, dass sie sich schon immer eine kleine Familie gewünscht hatte und sie ein kleines bisschen Glück verdient hatte, aber trotzdem machte es nicht, was sie getan hatte. Brian blieb stehen und ballte die Fäuste. „Verdammt, Erin. Was hast du dir nur dabei gedacht. Du hättest wissen sollen, dass sie dich braucht und du sie nicht allein lassen kannst!“ Wie als wollte er auf eine Antwort warten, die er natürlich nicht erhielt, blieb er einige Minuten stehen und schwieg. Von einem Moment auf den nächsten, war es totenstill. Nicht mal ein Windhauch war zu hören. Brian lauschte. Auch wenn es still war, hiess es nicht, dass er nichts hören würde. Brian konnte nicht sagen, was er zu hören hoffte. Vielleicht doch auf ein Zeichen, dass Erin hier war und ihm etwas sagen wollte. Aber es war nichts zuhören. Brian seufzte. „Natürlich sprichst du nicht zu mir. Du bist tot!“ Er hatte fast das Haus erreicht und holte die Schlüssel raus, um aufzuschließen, als ihn plötzlich ein Kältestoss erfasste und ließ ihn auf der Stelle erstarrten. Es war als habe man ihn eingefroren. Ihm jegliches Gefühl und Willen genommen. Sogar das Atmen. Brian versuchte sich aus dieser Lähmung zubefreien, doch er brachte nur ein Zittern in seinen Händen zustande. „Was…was ist das?“, fragte er und versuchte etwas oder jemanden zusehen, der diese Kälte heraufbeschworen hatte, um ihn gefangen zuhalten. Wer auch immer das war. Er verstand es, einen wie ihn zu lähmen. Derjenige ließ nicht lange auf sich warten. Mit langsamen lauernden Schritten kam er auf Brian zu und sah ihn mit dunkler Wut an. „Ich muss mich wirklich zusammenreissen, um dich nicht gleich hier und jetzt in Fetzen zu reissen!“, knurrte er Erik, der sich vor ihm aufbaute und seine Wolfzähne bleckte. Brian sagte nichts, sah ihn nur an. „Darf ich fragen warum?“, fragte er in seinen Gedanken und Eriks bleckte noch mehr die Zähne. „Weil du ihr ein falsches Bild von ihrer Mutter gegeben hast. Was soll sie nun denken? Dass sie eine skrupellose Erpresserin ist?“, fragte Erik und Brian ahnte, was er ihm damit sagen wollte. „Ich habe nur gesagt, was damals vorgefallen ist!“ „Und jetzt denkt sie, weiss der Teufel was, über sie!“, knurrte Erik. „Warum konntest du nicht einfach deinen Mund halten?“ „Willst du mich jetzt deswegen umbringen?“, fragte Brian finster. Erik sah ihn einen kurzen Moment und in seinen Augen sah er deutlich, dass er wirklich daran dachte, ihn hier und jetzt zu töten. Aber dann wandte sich Erik ab und entließ in aus der Lähmung. „Pass in Zukunft auf, was du sagtst!“, waren Eriks letzte Worte, ehe er in der Dunkelheit verschwand. Brians Worte beschäftigten mich noch lange. Ich fragte mich immer wieder, was für ein Verhältniss die beiden hatten. Offensichtlich kein Gutes, so wie ich es richtig verstanden habe. Aber gehasst hatte er sie auch nicht. Denn sonst hätte er mich nicht in sein Haus gelassen. Naja, wobei Esmeralda mich hingelassen hatte und er erst später dazukam. Und deutlich gezeigt hatte, dass ich nicht erwünscht war. Erst Erik hatte ihn in gewisserweise überreden können, mich nicht gleich rauszuschmeissen. Und auch da hatte ich gesehen, dass Brian Erik nicht sonderlich mochte. Dennoch duldete er ihn. Also was sollte ich davon halten? Es dauerte noch lange, ehe ich mich entschloss es gut sein zulassen und zuschlafen. Was auch nicht gerade einfach gesagt war, denn jetzt wo ich über meine missliche Lage nachdachte, musste ich mich daran erinnern, was mit Lucie geschehen war. Lucie! Obwohl sie nicht meine Freundin war, hatte ich sie dennoch irgendwie gern. Sie war unschuldig gewesen, genauso wie die anderen und trotzdem wurde sie ermordet. Ich bkam aufeinmal eine Stinkwut auf Samantha… Wenn ich sie das nächste Mal sehe und in die Finger kriege, werde ich sie zerlegen… Noch lange schwor ich mir, dass ich sie dafür büßen lassen ließ. Bis mir dir Augen zufielen. Ich schlief so gut wie es eben ging in meiner Zelle. Es war nicht gerade bequem mit diesem Ding zu schlafen. Immer wieder, wenn ich mich zur Seite legte, schlief irgendwas ein. Entweder meine Schulter oder mein Arm. So wälzte ich mich hinundher. Bis ich beschloss auf dem Rücken zu liegen. Denn so würde ich noch Luft bekommen und es würde mir nichts mehr einschlafen. Es mussten einige Stunden gewesen sein, ehe ich meine Augen aufriss und in die Dunkelheit starrte. Etwas hatte mich geweckt. Ein kalter Luftzug, der meine Wange gestreift hatte. Wie vorher, als man mich betäubt hatte. Nun aber war der Luftzug kälter gewesen als vorher. Müde richtete ich mich auf und versuchte etwas in der Dunkelheit zusehen. Ich blinzelte. Konnte die Dunkelheit jedoch kaum durchdringen. Dennoch glaubte ich Bewegungen in der Dunkelheit zusehen. Bewegungen, die an tanzenden Nebelschwaden erinnerten, die mal fest und deutlich zusehen waren und dann doch wieder zerfaserten. Für einen kurzen Moment glaubte ich sogar eine Gestalt zusehen. „Erik…bist du das?“, fragte ich leise und die Gestalt verharte kurz. Dann aber bewegte sie sich wieder. Kam auf mich zu. Langsam, lauernt. Als wollte er mich angreifen. Und dann wurde mir bewusst, dass das nicht Erik war. Erik war nicht spindeldürr und auch nicht klein. Hatte keine langen, strähnigen Haare. Und vorallem: Keine Klauen an den Fingern, die wie Dolche glänzten. Samantha! Sie war hier in meiner Zelle. Und kam immer näher auf mich zu. Ich kroch so weit nachhinten, wie ich konnte. Bis ich mit dem Rücken gegen die gepolsterte Wand stiess und somit keine Fluchtmöglichkeit hatte. Samantha war nun so dicht vor mir und beugte sich zu mir hinunter. Schob ihren Kopf dicht neben meinem, sodass ihr Atem meine Wange streifte. Ich versteifte mich und kniff die Augen zusammen. Angst erfasste mich. Lähmte mich. Vergessen war die Wut und die Entschlossenheit, sie für Lucies Tod büßen zulassen. Nun war ich erfüllt von Angst und in mir stiegen die schlimmsten Ahnungen auf. Würde sie mich jetzt auch noch töten? Immerhin war ich wehrlos! Es wäre ein leichtes, für sie. Aber statt ihre Klauen in mich zuschlagen, mich in Stücke zureissen, flüsterte sie nur mit leiser Stimme:„ Hilf mir!“ Nach einigen Tagen und vorallem dank Brians Beharrlichkeit und Einfluss, holte man mich aus der Gummizelle. Dennoch war die Sache aber noch lange nicht vergessen. Nach dem Angriff auf Lucie, den ich ja offensichtlich auf sie verübt haben sollte, sagte man mir, dass ich nun unter strenger Aufsicht stünde. „Soll das heissen, dass ich nun wie eine Straftäterin behandelt werde?“, fragte ich Doktor Rayne, er mich aufklärte. „Du musst verstehen, dass das, was passiert ist, nicht auf die leichte Schulter genommen werden kann. Ein Mädchen ist tot und die einzige, die da war, warst du!“, sagte Doktor Rayne beschwichtigend. „Ich war es nicht!“, sagte ich, auch wenn ich wusste, dass das nichts bringen würde. „Wer dann?“ „Samantha!“ „Welche Samantha?“ „Die Samantha, die beim Brand umkam!“ „Woher weißt du davon?“ „Habe es gelesen. In alten ZeitungsbErikhten!“, erklärte ich beiläufig. „Ich habe eine Schwäche für Tragödien!“ „Mh!“, Doktor Rayne nur von sich. „Ich dachte, Erik hätte es dir gesagt?“ „Wie kommen Sie denn darauf?“ „Er ist doch dein Freund? Und ich vermute mal, dass er es dir gesagt hat!“, sagte er. „Freunde erzählen sich doch oft etwas. Und geben sich auch gegenseitig Ratschläge, oder bitten um etwas!“ „Was wollen Sie damit sagen?“ Nun schwieg Doktor Rayne für eine kurze Weile und schien über seine nächsten Worte genau nachzudenken. Dann sagte er, mit einem ernsten Blick:„ Könnte es nicht sein, dass er dir zu dem Mord an Lucie geraten hat?“ „Wieso sollte er das, zum Henker?“, fragte ich, doch dann richtete ich mich auf und sah ihn wütend an. „Erik ist kein…kein Mörder. Er würde mir niemals befehl…sagen, dass ich jemanden töten soll!“ Fast wollte ich „befehlen“, sagen, doch ich schluckte das Wort hinunter. „Und was macht dich da so sicher?“ „Weil ich ihm vertraue!“, sagte ich insbrünstig. „Du vertraust Jemandem, den es nicht gibt?“ „Es gibt ihm. Er ist so echt, wie ich und Sie!“ „Dann dürfte es ja nicht schwer werden, ihn mir mal vorzustellen!“, sagte Doktor Rayne. „Wenn Sie dann Ruhe geben?“, sagte ich. „Wäre morgen Abend in Ordnung?“ Ich schaute mich in meinem neuen Zimmer um, sobal ich es betrat. Sah die Kameras in den Zimmerecken und die Gitter vor meinen Fenstern. Ich verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. Wo ich vorher schon den Eindruck hatte, in einem Gefängniss zu sein, wurde dieser nun auch noch verstärkt und ich fragte mich, ob ich einen eigenen Wärter haben würde. Verwarf diese Frage aber wieder und setzte mich auf mein Bett. Dort blieb ich auch. Bis der Abend anbrach. Ich konnte es kaum erwarten, da ich Erik vielzu erzählen hatte und vorallem wollte ich wisssen, wo er war, als Samantha in meiner Zelle auftauchte. Hatte er nicht gesagt, dass er mich beschützen würde. Es ist zwar nichts passiert, aber ich wollte mir nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn Samantha mir keinen Freundschaftsbesuch abgestattet hätte. Immer wieder schaute ich auf die Uhr, deren Zeiger immer langsamer wurden, je öfter ich hochschaute. Als es endlich dunkel war, schaltete ich das Licht aus und legte mich ins Bett. Schaute verstohlen hoch in die eine Zimmerecke. Sah das rötliche Leuchten der Kamera. Mein Magen machte sich schwer. Man bewachte mich also auch in der Nacht. Nun hatte ich doch das Gefühl in einem Gefängiss zu sein. Ich versuchte nicht noch auffälliger zu sein, als dass ich es ohnehin schon war. Tat so als würde ich schlafen. In Wahrheit aber wartete ich darauf, dass Erik auftauchte. Ich musste nicht lange warten. Schon gleich spürte ich etwas Kühles über meine Wange streichen und sah seinen dunklen Umriss in dem dämmrigen Licht. „Nettes Zimmer hast du hier!“, sagte er trocken. Ich sagte darauf nichts, weil ich mir gut vorstellen konnte, dass diese Kameras auch Lautsprecher hatten. „Was denn? Redest du nicht mehr mit mir?“ Doch schon, aber ich habe Angst, dass sie mich hören, ging es mir durch den Kopf. Eine Weile sagte Erik nichts, dann aber, nachdem er hochgeschaut und die Kamera entdeckt hatte, sagte er:„ Verstehe, sie überwachen dich. Dann machen wir es so: Antworte und rede mit mir mit deinen Gedanken!“ „Verstanden!“ „Was ist passiert?“ „Das müsste ich dich fragen!“ „Wie meinst du das?“ „Wo warst du, als Sam mich in meiner Zelle besucht hat?“ „Was?“ Ich zuckte kurz zusammen, als ich Eriks Stimme einige Oktaven höher in meinem Kopf und deutlich den Unglauben in seiner Stimme hörte. „Ja, sie war da gewesen!“ „Hat sie dir was getan?“ „Nein, zum Glück nicht. Aber…!“, sprach ich in Gedanken un mein Magen verkrampfte sich. „Aber?“, kam es von Erik nachdrücklich und er klang noch besorgter als vorher. „Aber sie hat etwas gesagt, was mich…ehrlich gesagt etwas aus der Bahn geworfen hat!“ „Und was?“ „Das sie mich um Hilfe bat!“ „Inwiefern?“ Seltsamerweise blieb er recht ruhig. Dabei hätte ich gedacht, dass es ihn das ebenso versunsichern würde, wie mich. Aber anscheinend hatte er in dieser Hinsicht ein dickes Fell. „Genau das frage ich mich auch. Aber jetzt zu dir. Wo warst du?“, fragte ich. „Das ist nicht weiter wichtig. Hat sie noch etwas gesagt?“, fragte Erik, als habe er meine Frage nicht gehört. Kurz ärgerte ich mich darüber, schluckte es aber runter und sagte:„ Nein, leider!“ Erik setzte sich auf das Fussende des Bettes. „Was jetzt?“ „Nun, ich nehme an, sie hat einen Grund, dich um Hilfe zu bitten!“ „Was soll das bitte für ein Grund sein?“ Ich schaute zu ihm, sah wie er die Schultern zuckte. „Das gilt herauszufinden!“ „Na, danke für diese hilfreiche Info!“ „Hast jemanden davon erzählt?“ „Nein, ich riskiere es doch nicht, dass sie mich für noch bekloppter halten, als das sie es jetzt schon tun!“ „Wie denn das?“ „Sie haben mitbekommen, wie ich mich mit dir unterhalte. Und jetzt denken sie, und vorallem Doktor Rayne, dass ich einen unsichtbaren Freund habe!“, erklärte ich bitte und wickelte mich enger in die Decke. Darauf hin hörte ich Erik glucksen und blickte wieder zu ihm. Sah seine Schultern zittern. „Sehr komisch!“, murrte ich soleise, wie es mir möglich war. „Also ich wurde schon oft als etwas gehalten, aber nicht als einen unsichtbaren Freund!“ „Das kannst du Doktor Rayne persönlich sagen!“ „Wie?“ „Er will dich kennenlernen!“ „Hast du ihm etwa von mir erzählt?“ „Das war nicht nötig. Wie gesagt man hat gehört, wie ich mit jemanden, mit dir, geredet habe!“ „Verstehe!“, murmelte Erik nur. Und dass in einer Art, die mich an einen enttäuschten Freund erinnerte, wenn man ein gut gehütetes Geheimniss verraten hatte und ich fing an, mich ein wenig zu winden. „Ja, ich konnte eben meine Klappe nicht halten. Er hat mich genervt!“ „Ach, und nur weil er dich genervt hat, musstest du mich mit dareinziehen?“, fragte er scharf. Ich verkroch mich tiefer in die Decke. Das war ihm Antwort genug. Erik seufzte. „Nagut, weil du es bist, werde ich mich zu diesem Treffen mit deinem Doc einlassen!“ „Danke! Wäre dir morgen recht?“ „Ja!“ „Dann morgen. Danke noch mal, und tschuldige!“ „Schon gut!“, seufzte er. „Du wirst deiner Mutter immer ähnlicher. Die hat mich auch alle Nerven gekostet!“ Ich sehnte den Abend, bei dem das Treffen zwischen Doktor Rayne und Erik stattfinden sollte, sehnlichst herbei. Zum einen, weil ich dann endlich den Verdacht, dass ich mir das alles nur zusammenspinnte aus dem Weg räumen konnte und zum anderen, würde Erik dann vielleicht Doktor Rayne auch davon überzeugen, dass wir alle in größter Gefahr schwebten. Und während ich so darüber nachdachte, fragte ich mich, wie wir das ganze abwenden konnten. Ihre Botschaft, dass wir alle brennen sollten, hatte ich nicht vergessen. Und ihre Bitte nach Hilfe, woraus ich immer noch nicht schlau wurde. Wie konnte ich ihr denn helfen? Brian sagte, dass ich ihr zuhören sollte, um zu wissen, was ich tun musste. Dass ich getan, aber ich verstand es nicht. Entweder war ich zu blöd dafür oder aber Samantha hatte eine gespaltene Persönlichkeit. Die gehörte einer mordgierigen Wahnsinnigen und die andere einer verzweifelten Seele. Verzweifelte Seele. Auch dazu hatte Brian etwas gesagt. Menschen die gewaltsam aus dem Leben gerissen werden, wissen es zu einem nicht oder sie wissen es und sind verzweifelt. Aber auch wütend. Das würde passen. Samantha hatte in den Alpträumen den Eindruck gemacht, als wäre sie wütend und wer wäre das nicht, wenn er in den Flammen umkam… Nur war die Frage warum sie wütend war…. Immerhin war sie nicht die einzige, die gestorben war und die anderen waren nicht wiedergekommen, um Unschuldige umzubringen. Also was steckte dahinter? Vielleicht, überlegte ich, weiss Gott, wie ich darauf kam, sollte ich nochmal irgendwie, Kontakt aufnehmen. Mir kam dabei das Hexenbrett in den Sinn, was ich mir gekauft hatte. Aber das war in Paris und es würde ewig dauern, es von Paris nach London schicken zulassen. Und soviel Zeit hatten wir nicht… Als es dämmerte, klopfte ich an Doktor Raynes Tür. Ich hatte ausnahmsweise die Erlaubniss mich frei zu bewegen, sonst wäre eine Schwester mir auf Schritt und Tritt gefolgt. Aber da ich schon am vorherigen Tag Doktor Rayne angekündigt hatte, dass er Besuch bekommen würde. Sowohl von mir als auch von Erik. Ich hoffte nur, Erik würde keinen Rückzieher machen und mich damit auflaufen lassen. Aber dann sagte ich mir, warum er das sollte. Ich konnte mich auf ihn verlassen. Da erinnerte ich mich aber wieder, dass er die eine Nacht nicht da war, um mich zubeschützen, weil er etwas zu erledigen hatte. Ich fragte mich sogleich wieder, was das war. Erik war mir manchmal wirklich ein Rätsel. Zum einen wollte er, dass ich ihm vertraute und zum anderen verschloss er sich, als habe er ebenso das eine oder andere dunkle Geheimniss. Zugegeben es berunruhigte mich. Wie sollte ich ihm vertrauen, wenn er… Noch ehe ich weiterdenken konnte, öffnete sich die Tür und Doktor Rayne stand vor mir. „Alice…zu bist etwas früh!“, begrüßte er mich. „Ich dachte, ich komme etwas eher, damit ich Sie darauf vorbeibereiten kann!“ „Daraufvorbereiten?“, fragte er, als würde er nicht damit rechnen, dass Erik kommt. „Ja, nicht dass Sie sich erschrecken. Er hat die Neigung, urplötzlich aufzutauchen!“ Wir warteten darauf, dass die Sonne ganz untergegangen war. Und ich dachte die Zeit würde sich dehnen wie Gummi. Doktor Rayne schien sich daran nicht zustören, da er die Ruhe selbst war und entspannt in seinem Sessel saß und immer mehr den Eindruck machte, als würde er schon wissen, dass das ganze nur Theater war. Und ich wurde dabei immer nervöser. Ich rutschte auf meinem Stuhl herum und begann an meinen Fingernägeln zu zupfen. Als die Sonne endlich untergegangen und es dunkel war, wuchs meine Nervösität. Ich sah weder einen Schatten noch etwas anderes, was darauf hinwies, dass Erik hier war. Die Zeit schritt weiter vorran und es war mittlerweile zappenduster draußen. Ich schaute kurz zur Uhr. Sah dass es schon neun war. Wo bleibt Erik? Auch Doktor Rayne schien langsam skeptisch zuwerden. Immer wieder sah zu zur Uhr und sah mich dann mit gehobenen Brauen an. Deutlich sah ich in seinen Augen die Frage: „Und, kommt er oder kommt er nicht!“ Fast wollte ich schon etwas sagen. Ließ es aber und blieb artig auf dem Stuhl sitzen, wobei ich Jenseits von Nervösität war. Irgendwann entschied Doktor Rayne, dass es reichte. Er stand mit einem Seufzen auf. „Wie ich sehe, scheint dein Freund nicht kommen zuwollen!“, sagte er und wollte zur Tür gehen. Ich drehte mich im Stuhl herum und sah ihn entsetzt an. Nein, nicht doch! „Warten Sie noch einen kleinen Moment…!“, rief ich verzweifelt und sprang auf. Doktor Rayne hielt inne, sah mich skeptisch an. Als erwartete er einen erneuten Versuch, ihn zu überzeugen, nachdem der erste missglückt ist. „Er…!“, wollte ich sagen, da fiel mein Blick auf die Zimmer-und die Schreibtischlampe, die brannten. Deswegen war er nicht hier. Es war zu hell. Schnell sprang ich vom Stuhl und schaltete die Schreibtischlampe aus. Wieso hatte ich nicht daran gedacht? „Alice, was…?“, wollte Doktor Rayne sagen, doch ich kam ihm dazwischen. „Bitte, vertrauen Sie mir!“, bat ich ihn. Doktor Rayne sah mich mit noch gehoberen Brauen an, als zuvor. Wollte schon verneinen, dann aber seufzte er. „Also gut. Aber fünf Minuten, dann brechen wir ab!“, sagte er und schaltete das Deckenlicht aus. Nun war es ganz dunkel. Abgesehen von der Beleuchtung von draußen. Fünf Minuten. Ich hoffte das Erik solangsam kam, denn sonst sah es für mich schlecht aus. Unruhig schaute ich in sämtliche dunkle Ecken, hoffte dass er endlich auftauchte. Das Ticken der Uhr wurde unerträglich. Tick Tack Tick Tack… Hämmerte mir wie ein Presslufthammer im Kopf und ich musste den Drang unterdrücken, mir die Hände auf die Ohren zupressen. Erik, komm endlich her, ging es mir durch den Kopf. Wurde zu einem stetigen Rhythmus, wie das Ticken der Uhr. Tick Tack Tick Tack Tick Tack… Irgendwann hielt ich mir doch die Ohren zu, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Ich blickte zur Uhr. Mittlerweile mussten drei oder schlimmstenfalls vier Minuten vergangen sein… Und von Erik immernoch keine Spur. Verdammt! Gerade wollte ich schwer seufzen, als es Doktor Rayne tat. „Wie ich sehe, hat es keinen Sinn zuwarten. Offentsichtlich wird dein Freund nicht kommen!“, sagte Doktor Rayne und wollte nun doch die Tür öffnen. Doch da wurde sie wieder zugeschlagen. Von einer Hand, die wie aus dem Nichts aus der Dunkelheit erschien war. Ich erkannte die Hand. Sie gehörte Erik. Am liebsten hätte ich gejubelt. Verkniff es mir aber. „Warum so schnell, Doktor?“, fragte er und kam gänzlich aus dem Schatten. Doktor Rayne wich sofort zurück, als Erik ihm gegenübertrat. Wo er sich vorher sicher war, dass ich mir das ganze eingebildet hatte, sah ich ihm nun an, dass er eines besseres belehrt wurde. Er sah ihn an, als wäre er ein Geist. Machte einen Schritt zurück. „Wo-woher…kommen Sie denn hier?“, fragte Doktor Rayne. Erik hob nur die Schultern. „Ich war die ganze Zeit hier. Nur das Licht hat mich bis jetzt zurückgehalten!“, erklärte er und schaute kurz zu mir. Zwinkerte mir zu. Ich verzog kurz verärgert das Gesicht. Verdammter Mistkerl! Noch ehe Doktor Rayne etwas sagen konnte, fuhr Erik fort:„Sie sollten Ihr glauben, Doktor. Es gibt durchaus Dinge auf dieser Welt, die man nicht mit Pillen und Therapien unterdrücken oder gar heilen kann!“ Er machte eine kleine Kunstpause, schritt zu mir und stellte sich neben mich. „Sowie auch das Ding, was die ganzen Mädchen umgebracht hat. Es war weder Alice noch irgendein anderer Insasse Ihres bescheidenen Heimes!“ „Und wer soll es sonst gewesen sein?“ „Das sagte ich doch gerade. Kein Mensch. Sobderb etwas, was hier gefangen ist und hier wütet!“ „Ich fürchte, ich verstehe nicht!“ „Es ist Samantha. Sie steckt dahinter!“, mischte ich mich nun ein, da ich es leid war, nur Zuschauerin zusein. Doktor Rayne hob die Brauen. „Samantha?!“, fragte er. „Das Mädchen, was vor Jahren bei dem Brand gestorben ist, den es hier gab!“, erklärte ich. Doktor Rayne schien nicht richtig zu verstehen, was ich da sagte. „Wie?“ „Samantha…sie…sie ist hier!“ „Aber sie ist tot!“ „Nicht so tot, wie Sie denken!“, sagte Erik ernst. „Wollen Sie mir erzählen, dass ein Geist diese Morde begangen hat?“, fragte Doktor Rayne kopfschüttelnt. Deutlich war ihm anzusehen, dass er uns kein Wort glaubte. Ich schaute zu Erik, der wiederum den Arzt toternst anschaute. „Genau das!“ „Verzeihen Sie, aber ich kann das nicht glauben!“, sagte er. „Und ich werde es auch nicht. Ich bin Arzt. Jemand, der…!“ „Jajaja. Arzt fein, wir haben es verstanden!“ unterbrach ihn Erik rüde und winkte ab. „Ob Sie es glauben oder nicht. Fest steht eines: Dieses Biest hat etwas vor!“ „Und was soll das sein?“ „Samantha will sicherlich den Brand von damals verursachen. Ihre Botschaft war ja mehr als deutlich!“ „Wie soll sie das anstellen?“ „Sie wird einen Weg finden. Wie ist nicht weiter wichtig. Nur dass sie es tun wird!“, sagte ich drängend. „Das ist doch verrückt!“ „Sie arbeiten hier in einer Irrenanstalt…da wundert Sie so etwas?“, fragte Erik mit leichtem Spott in der Stimme. Darauf sagte Doktor Rayne erstmal nichts und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Erik hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass Doktor Rayne es immernoch nicht glauben wollte. Seelische Krankheiten, die man mittels Therapien auskorieren konnte, sind eine Sache. Geister oder rachsüchtige Untote eine andere. Ich hatte ja selber Probleme es zu glauben… Da dürfte es bei ihm umso schwerer sein, es zu akzeptieren. Doktor Rayne schüttelte den Kopf. „Das eine hat mit dem anderem nichts zutun. Und ich halte es jetzt für das Beste, wenn Sie gehen und Alice in Ruhe lassen!“ Ich wollte schon etwas sagen, als ich Erik kalt lächlen sah. Es lief mir kalt den Rücken runter. So wie er aussah, erinnerte er mich an einen Wolf, der gleich angreifen würde. „Das geht leide rnicht. Bedaure. Man bat mich, sie zu beschützen!“ „Beschützen?“, platzte es aus Doktor Rayne, der langsam die Geduld verlor. „Beschützen vor was?“ Noch bevor Erik oder ich etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen und eine Schwester stürmte herein. „Doktor Rayne, kommen Sie schnell. Eine der Patienten…sie…!“, schrie sie außer sich. Mehr sagte sie nicht, sondern rannte wieder weg, um den nächsten Arzt zuholen. Ich warf einen Blick zu Erik, der wiederum meinen erwiederte und etwas darin verriet mir, dass es nichts Gutes war. Doktor Rayne lief vorraus, ich folgte ihm. Erik leider nicht, da er, sobald er in das Licht trat, verschwand. Aber ich fühlte seine Gegenwart, die wie ein kalter Lufthauch um mich strich. Schon von weitem hörten wir aufgeregte Stimmen und Geschrei. Sahen eine Gruppe von Ärzten und Schwestern, die sich aneinander drängten, dann aber unter panischem Ausruf auseinanderstoben. Ich sah flüchtig eine Gestalt, die umherwirbelte. Wie von Sinnen. Doktor Rayne sprach eine der Pflegerinnen an. „Was ist hier los?“ „Wir wissen es nicht. Eine der Schwestern hat sie beim herumschleichen gefunden. Sie..sie hat sie angegriffen. Mit einem Messer…!“, brachte diese nur hervor und wieder folgte Geschrie. Die Menge ging erneut auseinander und diesesmal sahen wir, wer da Amok lief. Felicitas! In ihren Händen ein Messer, dass mit Blut beschmiert war. Ihr Gesicht vor Wahnsinn verzerrt. In meinem Hals bildete sich ein Knoten, machte es mir schwer zu atmen und mir wurde kurz übel. Doch dann fühlte ich Eriks kalte Berührung und riss mich zusammen. Doktor Rayne schien noch etwas länger zu brauchen, um wieder klar denken zu können. „Versuchen Sie sie zuberuhigen. Ich bin gleich wieder da!“, sagte er und rannte los. Ich stand einfach nur da, und sah zu, wie das Personal versuchte die aufgebrachte Felicitas zu beruhigen, oder ihr zumindest das Messer abzunehmen. Ich fragte mich dabei, wie überhaupt sie daran gekommen ist. Aber ich hatte das dumpfe Gefühl, dass Sami etwas damit zutun hatte. Die Menge teilte sich, formte dann einen weiten Kreis, der verhindern sollte, dass Felicitas daran hindern sollte, abzuhauen und zum anderen weitere Verletzte zu verhindern. Ich drängte mich durch die Leute hindurch, beachtete dabei nicht wie sie mich ansahen und versuchten mich zurück zuhalten. „Was machst du hier, Mädchen. Verschwinde, bevor du auch noch verletzt wirst!“, grunzte eine Schwester. Ich hörte aber nicht. Sondern ging weiter. Bis ich am Rande des Kreises und ihr gegenüber stand. Als sie mich sah, hielt sie inne. Atmete schwer, als würde sie keine Luft bekommen und in ihren Augen blitzte blanke Mordlust. Ich glaubte, in ihren Augen und in ihrem Gesicht, Samantha zusehen. Wiedermal war ich wie erstarrt über diese Ähnlichkeit. Aber dann erfasste mich eine seltsame Ruhe. Als wüsste ich, dass mir nichts passieren würde. Mochte es daran liegen, dass Erik immernoch bei mir war, oder ob ich nun völlig den Vertsand verlor. Ich hörte eine winzig kleine Stimme schreien, ich solle es nicht herausfordern, doch diese wurde schnell von einer anderen übertönt, die mir befahl, weiterzugehen. Dass ich nicht stehen bleiben und mich nicht fürchten muss. Dass ich gegen sie eine Chance habe. Also ging ich weiter, bis ich vor ihr stand und nur den Arm ausstrecken musste, um sie zu berühren. Kaum dass sie mich sah, wurden ihre Atemzüge langsamer, beinahe ruhiger. Als würde ich der Grund für diese Aufregung sein. „Felicitas…!“, sagte ich leise. Ging näher heran und blickte sie an. Wo ich vorher so etwas wie Mordslust in der Gruppentherapie empfunden hatte, hatte ich nun das Gefühl, als würde sie selber nicht wissen, was sie da tat. Als wäre sie nicht sie selbst. Also versuchte ich es ruhig und streckte langsam die Hand nach dem Messer aus. Sah sie dabei unentwegt an. Sah dabei die Angst und die Verzweiflung in ihren Augen. „Es ist alles okay!“, flüsterte ich behutsam. Felicitas Augen zuckten herum, sah zu den Pflegern und Schwestern, die uns ansahen, als wären wir…naja verrückt und warteten auf die günstige Gelegenheit, sie zuergreifen. Ihre Hände zitterten, das Messer zuckte und ich wisch etwas zurück. Kurz schaute ich hinter mich, schüttelte den Kopf. Auch wenn ich wusste, dass sie mich nicht beachten würden geschweige den hören, wollte ich sie zurückhalten. Bis ich ihr zumindest das Messer abgenommen hatte. Ich machte wieder einen Schritt auf sie. Streckte erneut die Hand nach dem Messer aus. „Ich will dir helfen!“, flüsterte ich und ich meinte ein Aufblitzen in ihren Augen zusehen. So etwas wie Hoffnung. Sie öffnete den Mund, um etwas zusagen, schloss ihn aber wieder. „Hab keine Angst!“, sprach ich weiter. Kurz huschten meine Augen zu dem Messer. Nur noch wenige Zentimeter. Meine Fingerspitzen berührten fast schon die Klinge. Ich schaute zu Felicitas, die offensichtlich nichts merkte. Ihr Blick war starr auf mich gerichtet. In ihm sah ich nun wieder die Angst und die Verzweiflung. Und noch etwas anderes. Ein schwaches flackern, wie von…einer Kerze. Nein, von einer Flamme! Mir wurde schlagartig kalt. In meinem Kopf füghten sich Bilder zusammen, die vorher zwar zueinander passen würden, aber dennoch keinen Sinn ergaben. Nun aber sah ich es. Felicitas war Samantha. Und nun verstand ich auch ihre Bitte. „Hilf mir!“ Sie musste eine Gefangene sein. Eine Gefangene in ihrem eigenen Körper. „Alles wird gut, Samantha!“ Plötzlich, als hätte ich mit der Erwähnung ihres Namens einen Schalter betätigt, wich alle Angst aus ihrem Blick und das Flackern wurde stärker, bis ihre Augen förmlich brannten und mit einem Schrei warf sie sich auf mich. Hob dabei das Messer und wollte es mir in die Brust stossen, da packten die Pfleger sie. Felicitas schrie und keifte. Ein anderer Pfleger nahm ihr das Messer aus der Hand. In diesem Moment kam Doktor Rayne. Ich fragte mich, wo er die ganze Zeit gesteckt hatte. Er holte aus seinem Kittel eine Spritze und ich wusste, das sich in dieser befand. Ohne zu zögern steckte er die Nadel in den ausgestreckten Arm Felicitas und drückte den Kolben hinunter. Felicitas schrie dadurch umso mehr. Bis das Mittel begann zuwirken und sie langsam müder und schwächer wurde. Ich stand nur da und sah zu. Weitere Pfleger kamen den anderen und trugen die Bewusstlose weg. Ich hatte so eine Ahnung, wohin sie sie brachten. Nach dem das ganze Durcheinander und die Aufregung sich gelegt hatten, wollte man wissen, wie es Felicitas gelungen war, an dieses Messer zu kommen. Ich stand einfach nur da. Man hatte wohl nicht vor, mich zurück auf mein Zimmer zubringen. Doktor Rayne kam zu mir, legte die Hand auf meine Schulter. Ich zuckte etwas zusammen. „Geht es dir gut?“, fragte er. Ich nickte nur. „Was…was wird jetzt mit ihr passieren?“ „Sie wird erstmal in Sicherheitsverwahrung genommen!“, erklärte er knapp und mir zog sich der Magen zusammen, als ich mir vorstellte, was das hiess. „Was war da eigentlich los? Was hat dich geritten, ihr so nahe zu kommen. Sie hätte dich…?“, wollte Doktor Rayne wissen. Er war da und hat es gesehen? Ich hatte ihn nicht bemerkt. Offensichtlich war ich so sehr auf Samantha fixiert gewesen, dass ich alles andere um mich herum vergessen hatte. „Ich…ich weiss auch nicht…!“, murmelte ich. „Ich dachte, ich könnte helfen!“ Doktor Rayne sah mich mit einem zweifelnden Blick an. „Das ging jawohl in die Hose!“, bemerkte er trocken. „Geh jetzt ins Bett. Eine Schwester wird dich auf dein Zimmer bringen!“, sagte er. Nur schwer ließ ich mich von einer Schwester auf mein Zimmer bringen. Ich wollte, aus irgdendeinem Grund, ihr nachgehen. Doch eine Schwester schob mich schon den Flur entlang. Wir waren kaum zwei Schritte entfernt, da hörte ich eine Schwester schreien. „Einen Arzt. Schnell einen Arzt!“ Dann waren wir auch schon um die Ecke gebogen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Felicitas die Morde begangen hatte, hatte man mich wieder in mein vorheriges Zimmer gebracht. Ich war ehrlich gesagt froh, denn nun musste ich nicht mehr aufpassen, was ich machte, ohne nicht gleich verdächtig auszusehen. Wie Felicitas allerdings die Morde begangen haben sollte, ohne dass es jemand mitbekommen hatte, war ein Rätsel über das sich die Ärzte, die Schwestern und die dazugerufenen Polizisten die Köpfe zerbrachen. Ich kannte die Antwort, aber keine würde mir glauben, weil zum einen eine Patientin war und zum anderen, weil keiner an Geister oder soetwas glaubte. Die Ermittlungen waren abgeschlossen. Jetzt wo man die Täterin gefunden hatte. Aber nicht für mich. Am nächsten Tag erhielt ich einen Anruf von Lex. „Wir haben erfahren, wann der Brand war!“, sagte er, kaum dass ich das Telefon angenommen hatte. „Echt? Wieso hat es solange gedauert?“ „Weißt du wieviele Brände es in den letzten Jahren gegeben hat?“, blaffte er mich an. Ich hielt mir das Telefon etwas weiter weg. „Jaja, schon okay. Musst mich nicht so anschreien. Also wann war der Brand?“ „Am 18. Februar 1981!“ Mir fiel fast der Hörer aus der Hand. „Soll dass ein Witz sein?“ „Absolut nicht!“ „Morgen ist der 18!“ „Tja, dann wird morgen das Finale anfangen!“ „Und wie soll ich das verhindern?“, fragte ich, weil ich es mir ziemlich schwer vorstellte, die Ärzte und das Personal zu überzeugen, dass morgen die Klink brennen wird. „Lass dir was einfallen!“ Und schon hatte er aufgelegt. Na, klasse. Mir wird schon was einfallen. Der hatte gut Reden. Ich hängte ein und ging zu der Schwester, die einige Meter wartete. Ich ging zu ihr. Sagte ihr, dass ich fertig war. Sie nickte. Wollte mich wieder auf mein Zimmer begleiten, als Doktor Rayne uns entgegen kam. „Doktor Rayne. Ich muss mit Ihnen sprechen!“, rief ich und fasste nach seinem Arm. Doktor Rayne hielt inne, schien mich nicht gesehen zu haben und sah mich überrascht an. Doch dann blinzelte er und bemühte sich um ein Lächeln. „Natürlich, Allison. Aber jetzt gerade ist es etwas ungünstig!“, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht später. Ich muss sie jetzt sprechen!“, flehte ich außer mir und krallte meine Hände mehr in seinen Arm. Doktor Rayne gab einen überraschten Schmerzlaut von sich und ich lockerte meinen Griff. „Bitte…es ist dringend!“ „Doktor, soll ich sie ins Zimmer bringen lassen?“, fragte die Schwester. Ich warf kurz einen Blick zu der Schwester hinter mir, die wirklich vorhatte einige Pfleger kommen zulassen. Schnell sah ich zu Doktor Rayne. Einen flehenden Blick, der ihn vielleicht erwärmen würde. Lange Zeit sah er mich an und dann, zu meiner Erleichterung nickte er. „Also gut. Komm in mein Büro!“ Ich war erleichtert, aber auch ein wenig unsicher, als der Doktor Rayne nach mir die Tür schloss. Und sich, mit vor Brust verschränkten Armen, an die Tür lehnte. „Also, was willst du mir so dringend sagen?“, fragte er. Ohje, das war nicht gut, wenn er diesen ungeduldigen und zugleich erschöpften Ton in seiner Stimme hatte. Er musste eine kurze Nacht gehabt haben. Ich biss mir auf die Lippe, wusste nicht, wie anfangen sollte. Seit letzter Nacht würde es sicher noch schwerer werden, ihn davon überzeugen. Aber ich musste es versuchen. „Ich…ich habe die Befürchtung, dass die Klinik morgen brennen wird!“ „Wieso das?“, fragte er mich mit gehobenen Brauen. Ich ahnte irgendwie dass er den Verdacht hatte, ich würde diesen Brand auslösen. Ich schüttete hastig den Kopf. „Ich kann es Ihnen nicht sagen. Nur dass es geschieht. Bitte, glauben Sie mir!“, flehte ich inständig, wobei ich mir gut vorstellen konnte, dass das unmöglich war. Gestern hatte man schon gemerkt, dass er es niemals glauben würde. Und jetzt würde es nur noch schwerer werden. Aber ich musste ihn einfach überzeugen, dass wir alle in größter Gefahr schwebten. Doktor Rayne verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit schief gelegtem Kopf an. Deutlich sah ich in seinen Augen, dass ich schon überzeugender sein musste. Ich seufzte innerlich frustriert. Hatte er nicht als Arzt die Pflicht seinen Patienten zuglauben? „Ehrlich gesagt, fällt es mir als Arzt schwer, es zuglauben!“ Ich war kurz davor einen Schrei loszulassen. Was musste noch passieren, dass er mir endlich glaubte? „Haben Sie denn nicht Erik kennengelernt?“, fragte ich aufgebracht. „Ich dachte, wenn Sie ihn sehen, würden Sie ihre Meinung ändern!“ „Ich habe nur gesagt, dass ich dir glauben würde, dass dieser Erik wirklich existiert. Aber nicht, dass eine Tote diese Morde ausgeübt hatte!“ „Das sollten Sie aber, verdammt nochmal!“, platzte es aus mir heraus. „Wer, Ihrer Meinung nach, soll es sonst gewesen sein?“ „Du hast es doch selbst gesehen. Felicitas war es!“ „Felicitas ist Samantha!“, sagte ich aufgebracht. „Alice!“, sagte Doktor Rayne und hob die Hand. Er hatte offentsichtlich genug von meinen Warnungen. Meine Schultern sackten nachunten und ich verlor jegliche Hoffnung. „Es reicht jetzt!“, sagte er entschieden. „Ich habe es mir lange genug angehört und es reicht jetzt. Felicitas ist weggesperrt und schuld an den Morden. Keine Tote!“, wiederholte er. Ich wollte noch etwas sagen, doch da öffnete Doktor Rayne schon die Tür. „Geh jetzt!“ Wie ein Kind, das man auf sein Zimmer schickte, weil es ungezogen war, schlich ich zu meinem Zimmer. Öffnete die Tür, schloss sie hinter mir sogleich. Schlich zu meinem Bett, setzte mich darauf und seufzte schwer. Ich war niedergeschlagen und auch wütend darüber, dass Doktor Rayne mir nicht glauben wollte. Er hatte doch selbst gesehen, dass nicht immer alles zuerklären oder logisch war. Erik war einfach so aufgetaucht. Aber vermutlich gab er sich da für selbst eine Erklärung, wie zum Beispiel, dass Erik sich die ganze Zeit versteckt hatte und erst dann rauskam, als ich das Licht ausgeschaltet hatte. Praktisch als eine Art Zeichen. Dabei war es alles andere als ein abgekartetes Spiel. Es war mein und Eriks Versuch, den Doktor zuüberreden, uns zuglauben und die anderen zuwarnen. Aber leider ging das ganze nachhinten los und Doktor Rayne war taub für mein Flehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als hier sitzen zubleiben und zu warten, bis das ganze Inferno losging. In der darauffolgenden Nacht passierte nichts. Kein Alptraum, in dem ich jemanden sterben sah oder irgendwas anderes, was mit Samantha zutun hatte. Trotzdem lag ich war, weil ich keine Ruhe fand. Es war beinahe schon unheimlich. Fast wie die Ruhe vor dem Sturm. Ich spürte förmlich, wie sich das Unheil zusammenbraute und nur darauf wartete, zuzuschlagen. „Erik, bist du da?“, fragte ich leise. „Ja!“, kam sogleich seine Antwort und ich spürte, wie er mir sanft über den Rücken strich. Es hatte etwas Beruhigendes. „Kannst du nicht schlafen?“ „Nein!“, seufzte ich und wickelte mich in meine Decke ein. „Was sollen wir jetzt machen? Doktor Rayne will mir nicht glauben!“ „Wir müssen auf alles gefasst sein!“ „Um ehrlich zusein, habe ich Angst!“, gestand ich. „Angst ist gut. Angst macht einen vorsichtig!“, erklärte er. „Es ist nicht die Angst vor dem Kampf, sondern vor dem, was sein wird, wenn ich…es nicht schaffe!“, murmelte ich. „Was soll deiner Meinung nach sein, wenn du es nicht schaffst?“, fragte Erik. Ich spürte, wie mir kalt wurde bei dem Gedanken, an das was kommen würde. „Dass sie weitermachen würde. Immer wieder!“ „Die Angst zu Versagen. Die schlimmste Angst!“, murmelte er. „Du darfst sie nicht über dich bestimmen lassen!“ „Das ist nicht geradeleicht!“, flüsterte ich. Wieder strich Erik mir über den Rücken. „Du schaffst das. Ich weiss es!“, sprach er mir Mut zu. „Schlaf jetzt aber!“ Schlafen. Etwas was ich nicht konnte. Nicht mit dieser Bedrohung und der Angst in meinem Nacken. Ich schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht!“ Das Lacken raschelte und die Matraze gab ein wenig nach. Etwas schob sich unter mir hindurch. Ein Arm. Eriks anderer Arm legte sich über mich. Er zog mich an sich heran. Ich spürte, seine Brust hinter mir. Seinen Herzschlag. Seinen Atem, der mein Ohr streifte. Die Wärme, die von ihm ausströmte. In diesem Moment, war er so real für mich, wie es nur ein Mensch sein konnte. Ich kuchelte mich an ihn. „So dürfte es gehen!“, sagte er. Ich lächelte. „Danke!“, murmelte ich und mir fielen schon bald die Augen zu. Noch während ich dabei war, einzuschlafen hörte ich ein Summen. Nein, eine Melodie und sie kam mir bekannt vor. Ich brauchte eine Weile, bis ich sie erkannte. Es war die Melodie von My Immortelle. Ich fragte mich nicht, woher er davon wusste, sondern ließ mich von der Musik davontragen. Ich wusste selber nicht, wie ich es beschreiben sollte. Aber Eriks Melodie schaffte es, mich zuberuhigen und mich nicht mehr an das denken zulassen, was mich eben noch nervös gemacht hatte. So wie damals, wenn Mama mich in die Arme genommen hatte und mir ein Schlaflied vorgesungen hatte, wenn ich böse Träume hatte. Für einen kurzen Moment stellte ich es mir vor, wie es war, als sie noch lebte und mich tröstete. Dabei kamen mir die Tränen. Erik wischte sie mir weg. Hauchte mir einen Kuss aufs Haar. Dann schlief ich gänzlich ein. Das dumpfe Geräusch von Schritten und Stimmen holte mich aus dem traumlosen und tiefen Schlaf, in den Erik mich gleiten ließ. Ich blinzelte paarmale und richtete mich auf. Erik war nicht mehr da. Vermutlich, war er solange geblieben, bis ich eingeschlafen war und hatte sich dann zurückgezogen, um neue Kraft zu tanken. Nun war ich allein und verstand den Tumult da draußen nicht. Mein Gehör war wohl immernoch am schlafen. Doch je länger ich versuchte zu lauschen, desto wacher wurde es und ich bemerkte bald, dass es sich bei den Stimmen um die des Personals handelte. Und irgendetwas daran ließ mich schlimmes ahnen. Ich stieg schnell aus dem Bett und rannte zur Tür. Riss sie auf und mir wehte sogleich ein Geruch von Verbranntem entgegen. Ich glaubte sogar das Knistern von Flammen zu hören. Nein, schrie es in mir und mir wurde schlagartig kalt. Das konnte nicht sein. Ich trat raus, in den mit Raucherfüllten Flur. Sah nur noch schemenhaft Menschen umherirren, die schrien und versuchten einen Ausweg zu finden. Eine Schwester kam auf mich zugestolpert, ergriff mich am Arn. „Was stehst du hier so rum? Wir müssen so schnell wie möglich raus hier!“, schrie sie und zerrte mich mit sich. Doch ich rührte mich nicht von der Stelle. Stattdessen blickte ich zu den Flammen, von denen ich nur den Schein am Ende des Flures flackern sah und das Knistern hörte. Doch ich ahnte, dass diese bald schon hier sein würden. Und meine Gedanken überschlugen sich. Das Feuer war viel zu früh ausgebrochen. Sicherlich konnte es Samantha nicht mehr abwarten, ihre Rache zu bekommen. Und ich musste dabei an Felicitas denken, die sicherlich noch in ihrer Zelle saß und nichts von all dem mitbekam. Ich riss mich von der Schwester los und stürmte in die entgegen gesetzte Richtung. Hinter mir hörte ich noch die Schwester rufen: „Hey, wo läufst du denn hin!?“ Doch ich achtete nicht darauf, sondern rannte weiter. In das Inferno hinein. Überall wo sie hinsah war Feuer. Es kroch die Wände hinauf und frass sich über die Decke. Und es war heiss, unerträglich heiss. So wie damals, als sie aufgewacht war und feststellen musste, dass es brannte. Trotz dass es heiss war, fror sie. Sie durchlebte das, was schlussendlich mit ihrem Tod geendet hatte. Die Vorstellung erneut in den Flammen zu sterben, lähmte sie für einige Minuten. Sie wusste nicht wohin sie gehen sollte. Egal wohin sie schaute, war Rauch, machte es ihr unmöglich etwas zusehen. Nur schwach konnte sie die Umrisse von Türen und Gegenständen sehen, die im Flur standen. Vorsichtig wagte sie einen Schritt nachvorne. Tastete sich durch den Qualm, der immer dichter wurde. Nur schwach konnte sie die anderen Insassen hören, die riefen und nach einem Ausweg suchten und sie versuchte, diese zufinden. Sie hoffte, dass, wenn sie sie fand, auch hier rauskommen würde. Doch je weiter sie ging, desto leiser wurden die Stimmen und das Tosen der Flammen lauter. Der Rauch wurde dichter und nahm ihr jegliche Sicht und auch Orientierung. Irgendwann kam sie an einer Kreuzung an und blieb dann stehen. Wo lang sollte sie jetzt gehen? Ratlos und mit einem unguten Gefühl, wohl wissend, dass sie sicherlich den falschen Weg gehen würde, ging sie nach rechts. Lief den Korridor entlang, der mit noch mehr Rauch gefüllt war, als der vorherige. Felicitas musste husten, als der Rauch in ihre Lungen kroch und sie enger werden ließ. Nun fingen auch noch ihre Augen anzubrennen. Mochte es der Rauch sein, der ihre Augen tränen ließ oder vielmehr die Angst hier nicht wieder lebendig rauszukommen. Vermutlich beides, denn sie hatte bisher kein einziges Schild gesehen, dass ihr den Fluchtweg zeigte. Und war stattdessen wohl noch tiefer in das Inferno gelaufen. Felicitas blieb wieder stehen und schaute den Gang zurück, den sie gegangen war. Vielleicht sollte sie zurückgehen und nach einem anderen Weg schauen. Gerade wollte sie einen Schritt nachvorne machen, als sie plötzlich eine Gestalt aus dem dichten Rauchen auf sich zu kommen sah. Felicitas Herz machte machte einen Satz und in ihr wurde die Hoffnung geweckt, dass es sich herbie um jemanden handelte, der sie hier raus holen würde. Doch dann sah sie, dass sich die Gestalt schleichend auf sie zubewegte. Lauernd, beinah so, als wollte sie angreifen. Felicitas spürte, dass etwas Bedrohliches von dieser Gestalt ausging und es nicht gut war, hier noch länger an dieser Stelle zu bleiben. Also ging sie weiter. Schaute dabei immer wieder hinter sich. Zu ihrem Entsetzen schien die Gestalt sie nicht ein einziges Mal aus den Augen zulassen und hatte sich an ihre Fersen geheftet. Immer mehr hatte sie das Gefühl, dass diese Gestalt sie vor sich hertrieb undso sehr sie einen anderen Weg einschlagen wollte, zwang sie der Blick der Gestalt, wobei sie kaum ihr Gesicht sah, aber deutlich spürte, dass sie sie ansah, weiterzugehen. In die Richtung, in die sie getrieben wurde. Hinundwieder um sie zum weitergehen zuzweingen, hob sie die Hände und wackelte mit den Fingern. Ein schreckliches Klirren von Metall, das einander geschliffen wurde, war zuhören und ließ ihr eisige Schauer über den Rücken laufen. Felicitas spürte eine ohnmächtige Angst sie ergreifen, die sie den Rauch und die Hitze des Feuers vergessen ließ, sodass sie nichts weiter wahrnahm als die Nähe der Gestalt und die damit verbundene Bedrohung. Sie fühlte sich wie einVerurteilter, den man seiner Hinrichtung führte. Nicht in der Lage etwas dagegen tun zu können. Mit zitternen Schritten ging sie weiter, bis sie vor einer Tür stehen blieb, über dessen Rahmen ein Schild hing. „Notausgang“ Felicitas runzelte die Stirn fragte sich, was das zubedeuten hatte? Warum diese Gestalt sie hierher getrieben hatte, wo sie sie doch töten wollte? Felicitas drehte sich um, sah die Gestalt, bis dato immernoch kein wirkliches Gesicht zuhaben schien, an und fragte mit erstickter Stimme:„ Warum tust du das? Warum quälst du mich so?“ Doch statt zu antworten, hob die Gestalt nur die Hand. Zeigte zur Decke hoch. Felicitas folgte mit ihrem Blick und sah den tiefen Riss, der sich quer durch den Putz frass. Ihr war, als würde man sie mit Eiswasser übergießen. Sie stand genau unter der Stelle, wo die Decke runterkommen und sie unter sich begraben würde. Und da wurde ihr klar, wer da vor ihr stand. „Samantha!“, keuchte sie. Die Gestalt schüttelte sich und ein grässliches Krächzen war zuhören, was wohl ein Lachen sein sollte. Panisch schüttelte Felicitas den Kopf, als ihr bewusst wurde, was Samantha mit ihr vorhatte. „Nein, bitte nicht!“ „Dein Flehen wird dir nichts bringen. Du wirst sterben!“, hörte sie Samantha sagen und dann das Knirschen von brechenden Mürtel und Putz. Felicitas sah erneut nach oben. Sah, wie in Zeitlupe, wie ein großer Teil der Decke auf sie hinunterstürzte. Doch bevor sie darunter begraben wurde, packte sie eine Hand und riss sie zur Seite. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern dass Felicitas von dem herabstürzenden Brocken zerquetscht wurde. Ich wusste selber nicht, wie ich so schnell den Weg zu ihr gefunden hatte. Ich war einfach losgelaufen und war meinem Gefühl gefolgt. Es war, als würde mich etwas durch den Rauch leiten. Eine Spur, wenn man so will. Genauso, wie als ich dem Kratzen auf dem Flur folgte und dann Samantha sah. Ich wusste einfach, wo ich hingehen musste, Ein kleiner Teil zumindest, aber er war stark genug, um mich zu ihr zubringen und sie zur Seite zureissen. Ich schleuderte sie, leider etwas viel zu heftig, gegen die Wand. Sie schrie auf und sah mich aus entsetzten Augen an. Sie dachte wohl, ich wollte ihr etwas tun. Ich umfasste schnell ihre Schultern, damit sie nicht halsüberkopf wegrannte, und sprach ruhig auf sie ein. „Alles okay! Ich schaff dich hier raus!“ „Alice?“, keuchte sie, das sie mich wohl erst jetzt erkannte und nicht verstand, was ich hier machte. Ich hatte aber auch keine Zeit, es ihr zuerklären, sondern packte sie an der Hand und wollte losrennen. Da sah ich das Schild. Notausgang, las ich und dankte dem Himmel, dass wir nicht durch die Flammenhölle rennen mussten, um hier rauszukommen. „Feli, hör zu. Du musst hier raus. Gehe durch diese Tür da!“, rief ich und deutete auf die Tür. Felicitas schien erstmal nicht zubegreifen, was ich ihr damit sagen wollte. Sie sah mich immernoch vollkommen perplex an. „Was…aber wie…du?“, stammelte sie nur. Ich bedeutete ihr, nichts weiter zusagen, weil es erstmal wichtige war, hier rauszukommen. Also schubste sie zur Tür. „Los, verschwinde!“, rief ich noch. „Ihr geht nirgendwohin!“, krächszte Samantha plötzlich, die sich bisher zurückgehalten hatte und warf sich mit einem wilden Kreischen auf Felicitas, die daraufhin entsetzt aufschrie. „Nein!“, rief ich und sprang dazwischen. Ich hob die Hand und wollte sie wegschlagen, als plötzlich ein gewaltiges Sensenblatt vor mir auftauchte und die metallischen Klauen von Samantha mit einem lauten Klirren nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht zustoppen brachten. Zuerst dachte ich, es wäre Erik gewesen, der da eingeschritten war und die Sense geschwungen hatte. Aber dann erkannte ich verdutzt, dass ich die Sense hielt. Die Sense war pechschwarz, mit, wie gesagt, einem riesigen Sensenblatt, dessen Gewicht kaum spürte und mich an die des Todes erinnerte. Der Stiel, lang und knochig, fast so groß wie ich. Sie war wie aus dem Nichts erschienen. Minutenlang blickte ich zu der Waffe. Fragte mich, ob mir das nicht nur einbildete. Dann aber bemerkte ich die Wärme an meinem Handgelenk und ich schaute zu dem Armband. Der Stein darin leuchtete und nun wusste ich, woher die Sense kam. Eriks Armband hatte sie erschaffen. Erneut dankte ich. Aber diesesmal Erik. Endlich mal eine vernünftige Waffe. Samantha schien ebenso wie ich verblüfft zu sein. Verwirrt blickte sie zu der Sense und schien nicht zubegreifen, was passiert war. Das nutzte ich aus und holte nochmals mit der Sense. Durch den Schwung wurde Samantha nachhinten geschleudert und zu Boden geworfen. Gut zwei drei Meter. Ich stiess einen verblüfften, aber auch freudigen Laut aus und wiegte die Sense in meinen Händen. Sie wog immernoch als wäre sie federleicht. Einfach klasse! Doch ich konnte nicht lange meinen ersten Triumoh geniessen, denn Samantha rappelte sich auf und fauchte mich wütend an. Ich machte einen Schritt zurück und stiess gegen etwas. Hinter mir hörte ich Felicitas aufkeuchen. Ich blickte kurz nach hinten, sah, dass sie noch immer da stand, wohin ich sie geschubst hatte. Das durfte doch nicht wahr sein. „Felicitas? Was machst du hier noch? Hau endlich ab!“, schrie ich nun und schaute nachvorne. Gerade noch rechtzeitig, denn Samantha hatte meine Unachtsamkeit ausgenutzt, so wie ich ihre vorhin und hatte sich wieder auf mich gestürzt. Wieder hob ich die Sense. Doch diesesmal war mein Gegenangriff alles andere als elegant und gut gelenkt, denn ich merkte, wie ich das Gleichgewicht verlor. Ich strauchelte und wäre fast gestürzt. Doch ich konnte mich geradenoch abfangen und ihren nächsten Angriff abwehren, der mir sicherlich das Gesicht zerfetzt hätte. Ich schlug nach ihr, doch Samantha, nun wissend, dass ich mich wehren konnte, oder besser gesagt nur einigermassen, wich zurück und das Sensenblatt verfehlte sie nur wenige Zentimeter. Naja, zumindets konnte ich sie so zurücktreiben und mir vom Halse halten. Hinter mir hörte ich das Klicken von Metall und kalte Nachtluft strich über meinen Rücken. Na, endlich. Felicitas war außer Gefahr. Blieb nur noch Samantha, die wieder angriff und sich mit wilder Wut auf mich warf. Wie fliegende Messer sausten ihre Klauen durch die Luft und verfehlten mehr als nur einmal mein Gesicht oder meinen Hals. Ich konnte deutlich den Lufthauch spüren und wie dicht die Klingen über meine Haut vorbeiglitten. Was ich dabei nicht bemerkte war, wie es immer heisser wurde und wie stärker die Flammen wurden. Das Tosen und Knacken war nun solaut, dass es alles andere vershcluckte. Mein Keuchen und Samanthas wütende Schreie, die jeden ihrer Schläge nach mir begleiteten. Erneut sausten ihre Klingen, diesesmal von oben, auf mich nieder und ich hob den Stiel der Sense über meinen Kopf. Klirrend kamen sie da zum Stillstand und Funken sprühten. Ich keuchte auf, als die Sense unter dem Schlag zitterte und meine Arme einknickten. Zwar war die Sense leicht, aber Samanthas Schläge waren immer stärker und wütender gerworden, sodass ich nicht nur mit meinem Gleichgewicht, sondern auch mit ihrer Stärke zu kämpfen hatte. Hinzukam, dass, wenn ich mir nicht bald was einfallen ließ, ich noch am Ende hier zu Tode komme. Ich schaute hoch zur Decke, sah die Risse, die immer größer wurden und sah, wie schon die nächsten Brocken der Decke sich herauslösten, um herunter zufallen. Staub rieselte auf uns nieder, während wir miteinander kämpften. Mein Blick zuckte immer wieder zur Decke und dann wieder zu Samantha, die immer rasender wurde. Ich hatte wirklich Mühe ihren Angriffen noch zutrotzen, da ich langsam mekte, wie meine Arme kraftloser wurden. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Meine Gegenwahr war nichts weiter als ein Versuch noch etwas länger durchzuhalten. Der Rauch und die Hitze setzten mir dabei erheblich zu, Bald schon schmerzen meine Lungen und ich konnte kaum noch etwas sehen. Dann, es kam mir vor wie eine Ewigkeit, schaute ich wieder zur decke und sah einen ganz großen Brocken, der dabei war, runterzufallen. Und nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, Samantha. Plötzlich arbeitete es in meinem Kopf. Wenn es mir gelang, sie unter diesen Brocken zudrängen, bevor er runterstürzte, würde sie darunter begraben werden und ich müsste es nur noch hierrausschaffen. Mit der mir noch restlich verbliebenden Kraft holte ich nun zum Angriff aus und schwang meine Sense im hohen Bogen. Samantha, überrascht, dass ich wieder zu neuer Kraft gefunden hatte, taumelte zurück. Zwar verletzte sie das nicht, aber das war auch nicht weiterschlimm, sondern diente dazu, sie nachhinten zutreiben. Die Spitze der Sense bohrte sich in die gegenüberliegende Wand. Ich riss sie mit einem Ruck heraus und holte nochmals aus. Samantha wich erneut zurück. In ihrem Gesicht Überraschung, aber auch Wut, darüber das ich wieder angriff. Ich kümmerte nicht weiter darum, sondern schaute schnell nachoben. Der Brocken hatte sich sowie rausgelöst, aber etwas in mir bezweifelte, dass er im Recht Moment runterfallen würde. Ohne zuwissen warum, entwickelten meine Hände ein Eigenleben. Nein, mein ganzer Körper. Beide Hände schlossen sich fester um den Sensenstiel, all meine Muskeln pannten sich an, als würden sie wissen, was nun kommt und ich wäre nur das Medium, was sie benutzten. Dann rissen meine Arme die Sense hoch, schleuderten sie zur Decke. Wie ein wirbelnder Ring aus Metall sauste sie hoch und traf den Brocken. Solgeich löste er sich von den letzten bisschen Putz, der ihn gehalten hatte und stürzte auf Samantha. Begrub sie unter sich. Ich sprang schnell einen Schritt zurück, damit er mich nicht auch noch erwischte. Samantha schrie und heulte ungläubig. Schlug wild um sich und versuchte sich unter dem Borcken hervor zuarbeiten. Als sie feststellen musste, dass sie hier nicht mehr wegkam, warf sie mir wütende Blicke zu. Das ist deine Schuld, schien sie mir förmlich entgegen zuschleudern. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Eigentlich sollte ich froh sein, dass sie nun endlich das bekommt, was sie verdient. Aber ich hatte auch das Gefühl, das ich ihr ebenso helfen musste, wie Felicitas. Kurz hielt Samantha inne, sah mich an und in ihren Augen sah ich nun ein Flehen, das mir einen fetten Kloss im Halse verursachte. Ihre Augen waren wie die von Felicitas, als sie um ihr Leben fürchtete. Was hatte ich nur getan! Auch wenn sie so etwas, wie ein Rache dämon war, der unschuldige ermordet hatte, hatte sie sich dieses Schicksal nicht ausgesucht und wollte so nicht sterben. Meine anfängliche Genugtuung war wie weggeblassen und stattdessen wollte ich ihr nun helfen. Ich streckte meine Hand aus, wollte sie rausziehen. Doch da wandelte sich der Blick Samanthas wieder in blanken Hass und mit einem Kreischen schlug sie mit ihrer Klauenhand nach mir. Ich sprang zurück, doch sie erwischte mich am Arm und hinterließ vier tiefe Kratzer aus denen Blut sickerte. Ich fluchte und presste mir die andere Hand auf die Wunde. Für einen kurzen Moment hatte ich mich täuschen lassen. Dieses Biest hatte es wirklich geschafft, dass Mitleid mit ihr hatte und wäre fast draufreingefallen. Wie konnte ich so dumm sein. In ihr war nichts mehr, was an das Mädchen erinnerte, was gestorben war. Mit steinerner Miene ging ich zurück. Sah unentwegt zu ihr und sie mich. In ihren Augen lag soviel Hass, dass es mir fast die Luft abschnürte. Sie bleckte die Zähne wie ein wildes Tier, das einen gleich angriff und ihre Klauen schabten über dem Boden. Verursachten ein scheußliches Geräusch, das mir die Haare zu Berge stehen ließ. Das Knacken des Feuers wurde nun lauter, dröhnte in meinen Ohren und als ein Teil der Wand einriss, wurde ich endlich aus meiner Starre gerissen. In wenigen Minuten würde alles zusammenbrechen. Ich musste hierraus, wenn ich überleben wollte. Ich sah zu meiner Sense, doch die war weg. Offensichtlich hat sie sich aufgelöst, als sie nicht mehr gebracuht wurde. Also vergeudete ich keine Zeit und drehte mich um, wollte rausrennen. Doch dann sah ich nocheinmal zu Samantha. Sie war kaum noch zusehen, durch den Rauch und durch die Flammen, die sich nun ihren Weg zu ihr hinfrassen. Nur ihren Schatten sah ich und ich hörte ihre wilden, wütenden Schreie, die langsam von dem Tosen der Flammen vershcluckt wurden. „Fahr zur Hölle!“, murmelte ich und legte die letzten Schritte zurück, die zum Ausgang führten. Kalte Nachtluft schlug mir entgegen, als ich aus dem brennenden Gebäude rannte und gierig die Luft einsaugte. Meine Lungen schrien erleichtert auf, als sie endlich neue Luft bekam. Ich brauchte eine Weile, ehe ich wieder einigermassen ruhig atmen konnte, geschweige denn mich orientieren konnte. Mit etwas verklärtem Blick sah ich mich um. Wir mussten uns auf der Rückseite des Gebäudes befindern. Vor mir standen Bäume, die einen Wall bildeten. Der Boden war mit Gras bewachsen. Und darauf lag… „Felicitas!“, rief ich, als ich sah, dass sie sich nicht rührte. Sie lag auf der Seite. Der Kopf von mir abgewandt. Ich rannte zu ihr und rollte sie vorsichtig herum. Hob ihren Kopf an und beugte mich zu ihr hinunter, um zulauschen, ob sie noch atmete. Nur schwach strich ihr Atem über meine Wange und er klang rasselnd. Eine schreckliche Ahnung machte sich in mir breit. Ich richtete mich auf und sah sie an. Felicitas Augen waren geschlossen. Ihre Lider zitterten und ihre Haut war wächsern. Ich presste die Lippen zusammen, als mir bewusst wurde, dass es für sie keine Hilfe gibt. Vorsichtig berührte ich sie an der Wange. Sie fühlte sich kalt an. Ich schauderte. Felicitas öffnete die Augen. Ihr Blick war schwach und ging durch mich hindurch. Als würde sie mich nicht sehen. „Alice!“, kam es leise von ihr und ihr Blick suchte meinen. „Ich bin hier, Feli!“, sagte ich und versuchte tröstend zuklingen. Felicitas lächelte. „Danke!“, flüsterte sie dann und kurz kam Leben zurück in ihre Augen. „Danke, dass du mich gerettet hast!“ Dann wurde ihr Blick leer und ihr Kopf rollte zur Seite. Ich spürte, wie das Leben aus ihr entwich. Ihr Körper sackte in sich zusammen, wurde leicht, als würde er nichts wiegen und ihr Gesicht nahm einen friedlichen Ausdruck an. Lange blickte auf sie nieder. Dann begann es sich zu verändern. Und ich glaubte, meine Augen würden mir einen Streich spielen. Das Gesicht, welches für einen Moment noch Felicitas gehörte, war nun das von Samantha. Ohne aber eine Spur von Zorn oder Hass. Sondern das welches ich in der Zeitung gesehen hatte. in lächelndes, glückliches Mädchen. Meine Augen begannen zu brennen, als die ersten Tränen in mir hochkamen und ich hielt sie auch nicht zurück. Mit einer Mischung aus Erleichterung aber auch Trauer zog ich Feli….Samantha enger an mich und wiegte sie. Wie ein Kind, das eingeschlafen war. In mir war nichts weiter als eine gähnende Leere. So wie damals, als meine Mama gestorben war und Marie. Trotz dass ich wusste, es gab keinen anderen Weg, wünschte ich, ich hätte mehr tun können. Vielleicht eher bei ihr sein, damit sie noch eine Chance hatte. Stattdessen war ich zuspät gekommen. Hatte sie sterben lassen. Und ich begann mich zufragen, ob das die erste und letzte Niederlage war, oder ob es danach noch einige geben würde. Schon allein beim Gedanken wurde mir kalt. Ich wusste nicht wielange ich so dagesessen hatte. Ich hörte irgendwann hinter mir Stimmen. Doch ich achtete nicht darauf. „Hier sind Sie!“ Auf die Stimmen folgten Schritte. Sie hielten neben mir und ich spürte, wie jemand eine Hand auf meine Schulter legte. Vorsichtig, um mich nicht zuerschrecken. „Allison!“, flüsterte eine Stimme. Ich erkannte sie. Fay. Ich rührte mich immernoch nicht, sagte auch nichts. Sondern hielt Samantha einfach in den Armen und blickte auf sie nieder. Fay setzte sich neben mich. Legte den Arm um meine Schulter. Drückte sie. „Du hast getan, was du konntest!“, hörte ich sie sagen. Für mich war das nicht genug. Ich schüttelte den Kopf. Erneut erklangen Schritte hinter uns. Diesesmal waren es die Pfleger, die zu uns kamen. Zwei von ihnen nahmen mir Samantha aus den Armen. Trugen sie weg. Ein dritter kam, um sich zu erkundigen, ob mir etwas fehle. Fay sagte ihm, dass mit mir alles in Ordnung war. Wobei das nicht wirklich zutraf. „Komm, gehe wir nachhause!“, sagte sie, nach dem der Pflger wieder gegangen war und ich nickte. Vorsichtig half sie mir aufzustehen. Meine Knie fühlten sich an, als seien sie aus Blei und ich begann plötzlich zu zittern, weil mir nun kalt war. Mit zitternen Beinen gingen wir zu der Einfahrt, in der schon zahlreiche Feuerwehrautos und Krankenwagen standen. Die Nacht war erhellt von den blinkenden Blaulichtern. Das Feuer war schon sogut wie gelöscht. Es glimmten noch einige Teile nach und in der Luft hing der Geruch von Verbranntem. Ich schaute zu dem, was mal eine Klink gewesen war. Einige Teile des Gebäudes waren eingestürzt und schwarzverkohlte Stützbalken ragten wie Gerippe in den nächtlichen Himmel. So musste es ausgesehen haben, als die Klinik zum ersten Mal gebrannt hatte. In meinem Hals bildete sich ein fetter Kloß und ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich konnte nicht glauben, dass ich vor wenigen Minuten noch selber dadrin gewesen war. Es erschien mir wie ein verrückter, schrecklicher Traum. Kurz geriet ich ins Straucheln und Fays Griff um meine Schultern wurde fester. Fay hielt mich weiterhin an den Schultern und lenkte mich zu dem Wagen, der etwas weiter abseits stand. Lex stand an der Tür gelehnt. Die Arme vor der Brust verschränkt, schien er schon auf uns zuwarten. Als wir näher kamen, öffnete er die Tür zur Rückbank. „Das hat ganz schön lange gedauert!“, beschwerte er sich. Wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte, hätte ich ihm eine geknallt. Fay warf ihm hingegen einen bösen Blick zu und bugsierte mich auf den Rücksitz. Dann schloss sie die Tür. Besprach noch was mit Lex, was ich kaum hörte. Dann stiegen sie ein. Lex startete den Motor und fuhr an. Noch während wir die Auffahrt hinunterfuhren, sah ich nachhinten, zu dem abgebrannten Gebäude. Bis es nicht mehr zusehen war. „Damit ich das richtig verstehe. Es gab zwei Samanthas?“, hakte Lex nach. Nach einigen Tagen hatten wir uns zusammen gesetzt, um über den Fall, der nun abgeschlossen war, zureden, da es noch einige Ungereimtheiten gab. Ich nickte. „Ja, ich dachte auch erstmal, ich hätte einen Knick in der Optik. Aber es war so. Einmal die Samantha, die in die Träume andere eingedrungen und sie ermordet hat und die, die in meinen Armen starb!“ „Wie ist das denn möglich?“, murmelte Fay ratlos. „Manche Geister, also Menschen, die gewaltsam aus dem Leben gerissen werden, entwickeln zwei Persönlichkeiten. In Samanthas Fall war es so, dass sie eine dunkle, rachsüchtige Seite und eine nach Hilfe rufende Seite entwickelte!“, erklärte Brian, der bisher geschwiegen und sich meine Geschichte aufmerksam angehört hatte. „Schizophrenie!“, gab Esmeralda nachdenklich von sich. „Und als ich die „böse“, Samantha unter den Brocken gelockt und sie zurückgelassen habe…?“, fragte ich und ließ das Ende des Satzes frei im Raum stehen, damit Brian mir auch diese beantowrten konnte. „Konnte die, die nach Hilfe flehte endlich ihren Frieden finden. Mann kann es als eine Art Gleichgewicht betrachten. Solange die mordende Samantha weitermachte, war die andere Seite dazu verammt, es hilflos zuertragen und keine Ruhe zu finden. Dies wiederum ließ die dunkle Seite immer mehr zu Kraft kommen, da sie dies in Wut umwandelte…Es war ein Geben und Nehmen, in diesem Fall!“ „Nur das die leidende Samatnha davon nicht wirklich etwas davon hatte!“, sagte Lex. „Jetzt hat sie ihren Frieden gefunden. Dank Allison!“, sagte Fay und lächelte mich stolz an. „Ich frage mich wirklich, wie du das geschafft hast!“, sagte Lex und sah mich mit hochgezogenen Brauen an. Auf einmal fühte ich mich sehr unwohl. Ich schrumpfte etwas in meinem Sessel zusammen. „Ich…ich habe es doch schon erzählt!“, sagte ich kleinlaut. „Ich habe einen Brocken der Decke auf sie krachen lassen!“ Lex schüttelt den Kopf. „Das meine ich nicht!“ „Das ist doch nicht weiter wichtig. Hauptsache, sie hat ihren Frieden gefunden!“, sagte Fay, der ich einen dankbaren Blicken zuwarf. „Richtig, sie hat ihren Frieden gefunden. Alles andere ist nicht weiter wichtig!“, meinte Brian. Und damit war der Fall endgültig abgeschlossen. Kapitel 11: Rest in Peace ------------------------- Das Hotel Sunshine gehörte zu den neusten in England. Es war ein ehemaliges Herrenhaus, das nahe an den Klippen der Kalksteinküste erbaut worden war. Ende des achtzehnten Jahrhunderts verstarben die Besitzer des Anwesens. Erben gab es keine. So lag es verlassen dar und verfiel. Bis eines Tages das Ehepaar Farlene dieses kaufte, es grundsanierte und daraus ein Hotel machte. Natürlich war dies nicht gerade billig gewesen und das Ehepaar hoffte, dass die Ausgaben, die mit dem Kauf des Hauses verbunden waren, schnell wieder getilgt werden. Schnell sprach es sich herum, dass ein Hotel an den Klippen eröffnet worden war und die ersten Gäste reisten an. Das ganz Besondere an dem Hotel war nicht nur die herrlich rustikale Einrichtung, die man, trotz der Sanierung, beibehalten hatte, sodass man meinte, tatsächlich im achtzehnten Jahrhundert zusein, sondern auch der Ausblick von der Terasse hinter dem Haus auf das offene Meer. Gerade der Sonnenuntergang war der Grund, warum soviele, meistens Paare, egal welchen Alters, hierherkamen. Das Geschäft mit dem neuen Hotel lief gut. Doch was keiner ahnte war, dass das Hotel über eine weitere Überraschung verfügte. Eines Nachts wurde Susanne Farlene wach. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Zuerst dachte sie, es sei der Wind, der vom Meer hinauf zu den Klippen hierher wehte und hatte sich erstmal nichts gedacht. Zu dieser Jahreszeit wehte stets ein starker Wind, der an den Fenstern rüttelte und durch leere Räume wehte. Aber dann, als sie genauer hinhörte, war sie sich nicht mehr so sicher. Es hörte sich viel mehr wie ein Schluchzen an. Ein Scluchzen, das von einem Kind stammte. Susanne war etwas verwirrt. Bei den Gästen, die heute und in den letzten Tagen angekommen waren, war kein Kind dabei gewesen. Woher kam dieses Schluchzen also? „FredErikk? FredErikk, wach auf!“, flüsterte sie und rüttelte an ihrem Mann. Dieser gab ein Murren von sich. „Was ist denn?“, fragte er und sah sie aus halbgeöffneten Augen an. „Da weint jemand. Hörst du das nicht?“ FredErikk lauschte kurz und zuckte die Schultern. „Da wird sich einer gestritten haben!“, murmelte er. „Nein, da weint ein Kind!“ „Was redest du da? Was für ein Kind?“ „Ich weiss auch nicht, aber es klingt, als würde ein Kind weinen?“, sagte Susanne und lauschte noch eine Weile. Irgendwann aber hielt sie es nicht mehr aus. Sie wollte wissen, was das für ein Kind war und von wem. Also schlug sie die Bettdecke zurück und kletterte aus dem Bett und zog sich ihren Morgenmantel an. „Wo gehst du denn hin?“, fragte ihr Mann schläfrig. „Ich schaue mal nach!“, sagte sie nur, nahm sich eine Kerze, zündete sie an und verließ das Schlafzimmer. Im Flur war es dunkel. Nur der Schein der Kerze gab genug Licht, damit sie sah, wohin sie treten konnte. Es war schon spät und die Gäste schliefen bereits. Zu hören war eigentlich nichts. Nur der Wind und das Schluchzen, welches lauter wurde, während sie zur großen Treppe ging, die in das Foyer führte. Vorsichtig ging sie weiter, bis sie an den Treppenansatz kam und die Treppe hinunter leuchtete. Nichts Ungewöhnliches. Kein Kind. Aber das Schluchzen war hier deutlich zuhören. Plötzlich verstummte es. Susanne stutzte. Leuchtete nochmal kurz. Lauschte. Als sie sicher war, dass sie nichts sah oder hören würde, drehte sie sich um. Wollte zurück zu ihrem Mann ins Bett, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Für einen kurzen Moment, blieb ihr Herz stehen. Vor ihr stand ein kleiner Junge. Gekleidet in altmodischen Kleidern, mit einem ebenso altaussehenden Teddy in den Armen. Dass er allerdings wie aus dem Nichts aufgetaucht war, war nicht der einzige Grund, warum sie sich erschrocken hatte. Sondern dass sie fast durch ihn hindurch schauen konnte. Ein schwaches Leuchten umgab ihn, wie eine Aura. Susanne blieb weiterhin wie erstarrt stehen, blickte auf den kleinen Jungen, der traurig zu Boden schaute. Seine Schultern zuckten und Tränen flossen ihm über die Wangen. Begann zu schluchzen. Es war das gleiche Schluchzen, was sie gehört hatte. Er hatte also geweint. Aber das war doch nicht möglich. Der Junge war fast durchsichtig, wie ein… wie ein Geist! Susanne wollte nicht glauben, was sie da sah und was ihr Verstand sagen wollte. Geister gab es doch nicht. Aber was sie da vor sich sah, ließ sie in diesem Glauben wanken. Sie wusste nicht, ob das wirklich war oder das sie das alles nicht doch nur träumte. Immernoch blickte sie den kleinen Jungen an, der weinte. Zu nichts in der Lage als ihn anzusehen und sein Schluchzen zuhören. Fast schon wollte sie aber fragen, wer er sei und warum er hier war, da löste sich der Junge auf. Wurde zu einem Nebelschwaden, der Susanne streifte und sie frösteln ließ. Susanne drehte sich herum, sah dem Nebelhauch nach, der zu dem Fenster ihr gegenüber schwebte und durch das Glas entwich. Und verschwand. Minutenlang stand Susanne dar, sah ihm nach. Noch immer konnte sie nicht glauben, was sie eben gesehen hatte. Sie musste geschlagene zehn Minuten dagestanden haben. Dann drehte sie sich um und eilte ins Schlafzimmer. Warf die Tür zu und lehnte sich dagegen. Ihr Herz schlug mit einem Male so schnell, dass sie fürchtete, es würde gleich stehen bleiben. Ihr Mann, der dadurch wach wurde, richtete sich auf. „Was ist denn jetzt los?“ „Da…da war ein…ein...ein…!“, stammelte sie und deutete zur Tür. Der Schock saß nun noch tiefer und machte es ihr schwer, es auszusprechen. „Ja, was denn?“, drängte ihr Mann. „Einen…einen Geist. Ich habe einen Geist gesehen!“ Der Anruf kam vor einigen Tagen. Ein Geist in einem Hotel, nahe den Klippen. Hört sich eigentlich nach einer Romanvorlage an. Aber war auch mal was anderes. Keine mordenden Monster. Sondern richtig schön klassich. Ich freute mich irgendwie darüber und konnte es kaum erwarten dahinzufahren. Wir fuhren Nachmittags hin und während dieser Fahrt kam ich ins Grübeln. Das war das erste Mal, dass ich keine Vision hatte. Irgendwie schon seltsam. Ich schaute hinaus aus dem Fenster, sah wie die Häuser immer weniger wurden, bis sie verschwanden und endlose Landstriche sie ersetzten. „Wo genau liegt den das Hotel?“, fragte Fay und drehte furstiert die Strassenkarte, die sie gerade studierte. „An den Klippen!“, erklärte Lex nur. Fay rollte die Augen. „Das weiss ich selber. Wo genau an den Klippen ist es?“, giftete Fay zurück. „Fay, es ist ein Hotel an den Klippen. Wieviele Hotels, denkst wird es hier geben?“, fragte er. Touche. „Hast du denn Zimmer gebucht?“, fragte sie dann. „Ja, habe ich!“ „Wieviele?“ „Zwei!“ „Wieso nur zwei?“ „Weil ich dachte es wäre gut, wenn zwei von uns in einem Zimmer schlafen!“, sagte Lex und warf mir dabei einen Blick zu. Ich hatte sie eine gewisse Ahnung und zeigte ihm den Finger. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich Allison mit dir allein lasse!“, schnaubte sie. „Ich und sie beziehen ein Zimmer, du gehst schön allein ins Bett!“ Ich musste grinsen. „Das du mir sowas zutraust!“, sagte Lex schmollend und schaltete einen Gang runter. „Ich traue dir vieles zu!“, sagte sie und schaute wieder auf die Strassenkarte. Drehte und wendete sie einige Minuten, knüllte sie dann mit einem Schnauben zusammen und stopfte sie ins Handschuhfach. „Scheiss Strassenkarten!“, fluchte sie. „Wir sind sowieso bald da!“, vertröstete er sie. Wir fuhren noch gut eine Stunde, ehe wir das Hotel erreichten. Es dämmerte bereits und das Haus lag dunkel vor uns. Was ich auf den ersten Blick sah war, dass eines dieser Häuser war, die man in alten Filmen sah. Eine Mischung aus Block-und Steinhütte. Zwei Stöckig und mehr wie ein kleines Schloss aussah, als ein Haus. Dennoch hatte es einen gewissen Charme. In einigen Fenstern brannte Licht. Wir waren also nicht allein. Plötzlich verließ mich der Mut. Was würden wir den Besitzern und den Gästen erzählen? Würden wir verdeckt ermitteln? „Wissen die eigentlich, dass ihr vom Yard seid?“ „Ja, Sir James sagte ihnen bescheid, bevor er uns angerufen hat!“ „Woher wusste der denn eigentlich davon?“ „Der Besitzer hat erstmal beim Notruf angerufen. Als die Frau sagte, sie hätte einen Geist gesehen, wurde das gleich an Sir James weitergeleitet!“, erklärte Lex, parkte nahe der Mauer, die das Grundstück von der Strasse trennte und schaltete den Wagen aus. „Überlasst mir das Reden!“, sagte er noch, ehe er ausstieg. „Ja, klar!“, kam es von Fay und stieg auch aus. Ich auch. Draußen war es frisch. Wesentlich frischer als in der Stadt. Ein kalter Wind fegte über uns hinweg und ich fröstelte einwenig. Zog meine Jacke enger um mich. In der Ferne hörte ich das Rauschen des Meeres. Lex wuchtete die Taschen von sich und Fay aus dem Kofferaum. Meine ließ er drinnen. Ich wollte schon was sagen, doch Fay nahm sie und trug sie. „Lass gut sein. Er ist manchmal ein…!“, sagte sie, warf kurz einen Blick zu ihrem Bruder umzusehen, ob er uns hörte und sagte noch leiser: „Idiot!“ „Das habe ich gehört!“ Daraufhin mussten ich und Fay grinsen. Zusammen gingen wir zum Hotel, wo Lex schon vor der Tür wartete. Drinnen war es wesentlich wärmer als draußen und gemütlicher. Gleich als wir reinkamen, standen wir in einem großen Raum, der wohl ein Wohnzimmer gewesen war, nun aber als Hotelhalle diente. Links von uns war die Rezeption. Ein runder Thresen aus dunkeln, polierten Holz. Dahinter war ein Schrank mit Fächern, in denen Briefe und andere Dinge lagen, die für die Gäste gedacht waren. An einem Brett daneben, hingen an Haken die Schlüssel, mit den jeweiligen Zimmernummern. Eine altmodisch, aussehende Schreibtischlampe stand da und warf ihren diffusen Schein über diesen Theresen. Im Hintergrund wurde klassische Musik, Mozart glaube ich, gespielt und gab dem ganzen einen vornehmen Touch. Vornehm war auch die Hotelhalle. Wie gesagt, vorher musste sie ein Wohnzimmer gewesen sein, denn die Wände, die vorher den Vorraum davon getrennt hatte, war eingerissen und die fehlende Wand wurde durch stabile Stützbalken ersetzt, die zwar in dem gleichen dunklen Holz waren, wie die älteren Stützbalken, aber dennoch neu aussahen. Damit es die Gäste es sich gemütlich machen konnten, standen überall gutgefütterte Sessel, mit rotem Stoff bezogen, um makelos polierte Tischchen aus Mahagoniholz. An den Fenstern hingen schwere Vorhänge, die zusammengebunden waren. Dicke Teppiche waren auf dem dunklen Holzfussboden ausgelegt und dämpften die Schritte. Die Wand war weiss gestrichen und wurde, durch das schwache Licht in ein sanftes Oranges getaucht. An der Decke hing ein gusseisener Kronleuchter, mit sechs Milchglasschalen, in Form von Blumen, in die wohl früher mal mit Kerzen reingesteckt wurden, nun aber per Elektrizität erhellt wurden. Ein großer Kamin dominter die Wand, vor den Sitzgelegenheiten, in dem ein Feuer knisterte. Eine große Treppe führte in den ersten Stock. Auch davor standen neue Stützbalken. Meine Güte, haben die hier viel gemacht. Ich möchte nicht wissen wie viel das alles gekostet. „Guten Abend!“, begrüßte uns eine freundliche Männerstimme und wir drehten uns um. Ein Mann, sicherlich über fünzig, kam auf uns zu und lächelte uns freundlich an. „Guten Abend!“, erwiederte Lex. „Wir sind im Auftrag von Sir James hier!“ Schlagartig war das freundliche Lächeln verschwunden. Lex hob die Brauen. „Haben Sie uns nicht erwartet?“, fragte er. „Doch, aber nicht so früh!“, sagte er schnell. „Also wenn Ihre Frau fast einen Herzstillstand bekommt, wenn sie einen Geist sieht, sind wir schon schnell!“, meinte Lex. „Dass sie einen Geist gesehen hat, ist nicht bewiesen!“, sagte er in gedämpfter und mit scharfer Stimme. Schaute sich dann um. Die wenigen Gäste, die hier unten waren, drehten sich nicht um oder machten sonst irgendwelche Anstalten, die ihm sagten, dass er sie gehört hatte. „Ihre Frau war sich allerdings sicher, dass sie einen gesehen hat!“, sagte Lex, zum Glück auch in leiser Stimme. Aber nicht minder scharf. „Das müssen Sie mit ihr abklären!“, schnaubte er und schlug ein Buch auf. Blätterte darin. „Matthews und Adea, ja?“, fragte er und schaute über den Rand seiner Brille zu uns. „Ja, ich und meine Schwester sind Matthwes und sie hier ist Adea!“, stellte Lex uns vor, worauf der Mann nur ein Grummeln von sich gab. „Einen schönen guten Abend. Sind Sie gut angekommen?“, begrüßte uns nun eine Frau, die wohl die Frau des Mannes war. Sie hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einer lieben Tante, die sich, glaube ich, jeder wünscht. Eine Frau mit dunklen Haaren, die schon von einigen grauen Strähnen durchzogen war, das sie zu einem lockeren Knoten zusammengebunden hatte und ein dunkles Kleid trug, mit Spitzenkragen und freundlichen Augen. Sie war mir gleich auf Anhieb sympathisch. „Ja, danke!“, sagte Fay freundlich. „Schön, haben Sie es hier!“ „Danke schön. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Das sind Mr. und Mrs. Matthews und die junge Dame ist Mrs. Adea!“, murrte der Mann und deutete auf uns. „Sie bleiben einige Tage bei uns!“ Da hoben sich die Brauen der Frau und sie strahlte nun. „Oh, wann ist es denn soweit?“, fragte sie dann freudig und keiner von uns wusste, was sie damit meinte. „Verzeihung?“, fragte ich hilflos. „Na, wann ist denn Ihre Hochzeit. Sie sind doch sicher hier, um noch ein wenig Entspannung zu bekommen, vor dem großen Ereigniss. Wir haben einen wunderbaren Service für…!“ „Ohh nein nein nein. Wir…wir heiraten nicht!“, sagte ich schnell und merkte, wie rot ich wurde. Ich und Lex, heiraten. Geht’s noch? „Werden Sie nicht?“, kam es von der überraschten Frau. „Werden wir nicht?“, fragte Lex gespielt entrüstet, der es sich nicht nehmen ließ, mich in die Pfanne zuhauen und mich noch mehr zum glühen brachte. „Halt die Klappe!“, fauchte ich. „Oh, das tut mir leid,. Die meisten Gäse hier sind junge Paare, die sich binden wollen. Da dachte ich...!“ Fay räusperte sich. „Wir sind hier, weil uns Scotland Yard geschickt hat!“ Nun wurde das Gesicht der Frau blass. „Oh. Ja. Stimmt ähm…!“, druckste sie herum und sah sich unsicher um. Ihr Blick streifte ihren Mann, der sie mit zusammengekniffenen Augen ansah. „Wollen Sie jetzt gleich mit mir darüber sprechen oder?“ „Jetzt lass die jungen Leute doch erstmal einchecken und sich ausruhen, Susanne. Morgen ist noch genug Zeit. Sicherlich sind sie müde von der langen Fahrt!“, sagte er energisch und schaute seine Frau noch einmal scharf an. Ich wollte nicht noch mehr Benzin ins Feuer geben und sagte schnell. „Wir können auch morgen darüber sprechen. Es eilt ja nicht!“, sagte ich mit einem Lächeln und winkte ab. Ich konnte deutlich spüren, wie Lex und Fay mir fragwürdige Blicke zuwarfen. Doch ich beachtete diese nicht. „Da hörst du es!“, sagte ihr Mann und wandte sich um zu dem Brett mit dem Schlüsseln. Suchte kurz und pflückte dann zwei von ihnen. „Sie haben einmal das Zimmer 12 und das Zimmer 13. Beide sind mit einer Tür verbunden!“, erklärte er. „Die Treppe hoch und dann links!“ „Zimmer 13. Die Unglückszahl!“, murmelte Fay und ich machte ein Gesicht wie ein Schauergespenst. Lex nahm beide Schlüssel an sich. Ihm entging nicht, was wir machten. Drehte sich um und sagte:„ Kommt schon, ihr Kleinkinder!“ Und ihr könnt euch denken, dass ich und Fay das natürlich nicht auf uns sitzen ließen, sondern ihm die Zunge zeigten. Ihm aber, artig wie Kinder, folgten. Zimmer zwölf und dreizehn lagen auf dem zweiten Stock. Während im ersten Stock die Zimmer von eins bis zehnTür an Tür lagen waren zwischen dem fünfzehnten und siebzehnten (die geraden Zahlen waren auf der linken und die ungeraden auf der Rechten) eine kleine Treppe, die wohl zum Dachboden führte. Fay und ich hatten uns durchgesetzt und ein Zimmer zusammen bezogen, während Lex alleine schlafen musste. Und wir hatten uns das Zimmer Nummer 13 genommen. Nicht nur weil es schön groß war und geräumig, sondern auch, weil wir insgeheim hofften, hier eher auf einen Geist zutreffen, als wo anders. Kindisch ich weiss. Aber wer würde nicht gerne mal in einem Hotel, beziehungsweise in einem Zimmer schlafen, in dem man einen Geist sehen konnte. Ich packte gerade meine Sachen aus und räumte sie in den Schrank, während Fay ins Bad ging und sich eine heisse Dusche gönnte. Ich schaute mich in dem Raum um. Ganz nett hier. Mal abgesehen von einem großen Wandschrank, einem Frisiertischchen, mit einem ovalen Spiegel, den man hoch oder runter drehen konnte und einem gemütlich aussehenden Ehebett, gab es hier nichts. Mehr brauchten wir auch eigentlich nicht. Der Boden war aus Holz und knarrte, wenn wir darüber liefen. Alles war sauber und ordentlich. In einer Ecke stand ein alter Heizofen, den Fay sogleich angefeuert hatte, damit es schön warum wurde. Das Zimmer hatte zwar nur ein Fenster, aber als man hinausblickte sah man gleich das Meer und den dahinter liegenden Horizont. Ich stand eine Weile am Fenster und blickte hinaus. Es hatte etwas Magisches. Wie der Mond über dem Meer stand und seinen Schein darauf warf. Wie die Wellen diesen zum flackern brachten. Eigentlich müsste mich dieser Anblick nervös machen. Vor nicht allzulanger Zeit hatten wir es mit einer blutrünstigen Meerjungfrau zutun gehabt, die, nicht weit von hier, ihr Unwesen getrieben hatte und beinahe auch Lex erwischt hätte. Aber jetzt war sie tot. Verbrannt und ich müsste mir deswegen keine Sorgen machen. Dennoch hatte ich ein komisches Gefühl. Es war nicht die Aufregung, die ich zuanfang verspürt hatte. Sondern dass Gefühl, als würde bald etwas passieren. Ich fröstelte und schlang die Arme um mich. „Was meinst du, was uns hier erwartet?“, fragte ich Fay, als sie aus der Dusche kam und sich das nasse Haar trocknete und durchkämmte. Mit einem dicken Handtuch um sich gewickelt hatte sie sich auf den Hocker an dem Frisiertisch gesetzt. In dem Mondlicht, das in unser Zimmer fiel, leuchtete ihre Haut wie weisser Marmor. Und ihr Haar, das ohne hin schon rot war, leuchtete nun wie Feuer. Wiedermal musste ich zugeben, wie attraktiv sie war. Und wieder packte mich ein kleines bisschen der Neid. Ich will jetzt nicht eingebildet klingen, oder so. Ich war auch nicht gerade hässlich, aber neben ihr fühlte ich mich so attraktiv, wie ein nasses Stück Brot. „Du bist so hübsch, wie du bist, Kätzchen!“, hörte ich Erik in meinem Kopf lachen. Ich versuchte ihn nicht zubeachten. Wobei mich sein Kompliment ein wenig erstaunte. Dass er mich dabei wieder Kätzchen nannte, überraschte mich nicht. Ich hatte mich irgendwie daran gewöhnt. Fay zuckte die Schultern. „Keine Ahnung!“ „Keine Ahnung? Ist das das erste Mal, wo ihr es mit einem Geist zutun habt?“, fragte ich. Fay lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein. Wir hatten schon andere Geister. Aber jeder Geist ist anders. Der eine will nur spuken, der andere will in friedn ruhen und der andere…naja…macht Ärger und wir müssen ihn austreiben!“ „Tut ihr das nicht mit jedem Geist?“, fragte ich und Fay grinste breit. „Schon, aber ich sage dass nur damit du weißt, dass nicht jeder Geist ist, wie der nächste!“ „Und wieviele Geister waren friedvoll?“ „Naja, zwei von Acht!“, sagte sie. Das war nicht wirklich das, was ich hören wollte. „Keine Angst. Ich bin sicher, dass wir es nicht mit einem bösen Geist zutun haben!“, sagte sie und zog sich ihren Pyjama über. In der Nacht geschah nichts, jedoch fand ich nicht so wirklich Schlaf, da ich immer wieder daran denken musste, was Fay gesagt hatte. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich konnte mich nicht damit beruhigen, dass es sich hierbei nur um den Geist eines Jungen handelte. Ich hatte so das Gefühl, dass es nicht so leicht werden würde, ihn hier raus zu kriegen. Ob kleiner Junge oder nicht. Ich schloss die Augen und versuchte immerhin etwas Schlaf zubekommen. Dennoch hatte ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Umso logischer war es, dass ich am nächsten Morgen dunkle Ringe unter den Augen hatte und nicht gerade fit aussah. Und meine Laune befand sich auf den Tiefpunkt. Mit ebensolcher Miene nahm ich mir ein Tablett und lud mir etwas von dem Frühstücksbuffet darauf. Ging dann zu Fay und Lex, die sich schon einen Tisch ausgesucht hatten und begonnen hatten zu essen.Wir aßen in dem ehemaligen Ballsaal. Einem rundgebauten Raum, dessen gesamte Wand aus Fenstern bestand, die das warme Sonnenlicht herein ließen. Ein strahlenblauer Himmel, wolkenlos und mit dem Blick auf die Küste. Offenbar war der meiste Teil des Hauses so ausgerichtet gewesen, dass man zum Meer schauen konnte. Eigentlich ein schöner Ausblick. Aber ich war zu müde, um diesen zubeachten. Außerdem hatte ich Hunger. Also ließ ich den Ausblick Ausblick sein und setzte mich zu meinen Freunden. „Morgen, Süße!“, grüßte Fay mich. Sie war die erste von uns gewesen, die aufgestanden war. Und auch so frisch und ausgeschlafen aussah. Sie war wohl ein Morgenmensch. Während ich ein Morgenmuffel bin. „Morgen!“, murmelte ich und ließ mich auf den Stuhl plumpsen. „Du siehst grottenschlecht aus!“, bemerkte Lex. Ich war zu müde, um ihm etwas entgegen zusetzten, also tat ich sein überflüssiges Kommentar mit einem Schulterzucken ab. „Ich habe eben schlecht geschlafen!“, murmelte ich und biss in meinen Toast. „Hast du an den Geist gedacht?“, fragte Fay, die irgendwie ahnte, was mich den Schlaf gekostet hatte. Ich nickte wieder. „Ohje, du ärmste!“ „Also wenn das jetzt so weitergeht, dass du Nachts nicht schlafen kannst, dann wirst am Ende keine große Hilfe sein!“ „Ich werde mich zusammenreissen, okay!“, schnappte ich. „Ist auch besser so. Wir müssen einen klaren Kopf bewahren!“ „Naja, wenn wir schonmal hier sind, können wir hier ein wenig entspannen, um Kraft zutanken!“, schlug Fay leichthin vor. Eigentlich ein verlockender Gedanke. Sich auf die Terasse zulegen und zu entspannen. Aber Lex machte einen Strich durch die Rechnung. „Dafür ist keine Zeit!“, sagte er schroff. „Außerdem sind wir hier, um diesen Geist hier rauszukriegen!“ „Dafür müssen wir aber rauskriegen, warum er hier ist und was er hier will!“, wandte Fay ein. „Reden wir erstmal mit der Hotelinhaberin. Immerhin hat sie den Geist gesehen!“, beschloss Lex. Und damit fingen wir an. „Mrs. Farlane, wann genau haben Sie den Geist gesehen und hat er irgendwas gesagt?“, fragte Lex. Wir hatten uns in den Salon, einen kleinen Nebenraum gesetzt, dessen Einrichtung etwas bescheidener war und nur aus einer Couch und zwei Sesseln und einem Tisch bestand. Ein großer antiker Spiegel, dessen goldener Rahmen von seinem Glanz eingebüßt hatte, hing über einem etwast kleineren Kamin hing, der nicht benutzt wurde. Mrs. Farlane saß auf der Couch und hielt in ihren Händen ein Glas mit Whisky. Ohje, der Anblick des Geistes musste sie ziemlich schockiert haben. Fay saß neben ihr, währen Lex in dem einen Sessel und ich in dem anderen Platz genommen hatte. Mit zitternen Händen führte die Frau das Glas an die Lippen und nahm einen langen Schluck. Holte dann tief Luft und schüttelte den Kopf. „Nein, nicht. Er sah mich nur an und weinte. Und wie spät es war? Ich weiss es nicht!“, sagte sie mit gedämpfte Stimme. „Ich bin irgendwann wach geworden und habe dieses Schluchzen gehört!“ „Wie sah denn der Junge aus?“, fragte ich. Farlane sah mich an, als hätte ich die dümmste Frage der Welt gestellt. „Naja, wie ein Junge eben. Kurze Haare, trug eine kurze Hose. Eine Jacke und ein Hemd. Eine gebundene Krawatte. Und er hatte einen Teddy in den Armen!“, beschrieb sie ihn. „Warum fragen Sie das?“ „Wenn wir wissen wie er aussieht, können wir vielleicht herausfinden, wer ist und wie er zu Tode kam!“, sagte Fay, überlegte kurz. Ihr Blick streifte kurz den Spiegel über dem Kamin. „Sagen Sie, wissen Sie etwas über die Vorgeschichte des Hauses?“ „Nicht viel!“, kam es leise von Mrs. Farlane, schaute in ihr Glas und schien angestrengt nachzudenken. „Nur dass es lange Zeit leerstand. Es gehörte einer Familie, die im achtzehnten Jahrhundert hier gelebt hatte!“ „Wissen Sie, wie diese Familie hiess und was aus ihr wurde?“, fragte Lex. „Nein!“, sagte wieder Mrs. Farlane und schüttelte den Kopf. „Wie gesagt: Wir wussten nicht viel darüber und der Makler, der es uns verkaufte, hat auch wenig bis gar nichts gesag!“ „Hm, ein richtiger Geschäftsmann!“, murmelte Lex. „Gibt es irgendwelche Dinge, die die Familie zurückgelassen hat?“, kam es Fay, die wesentlich ruhiger fragte. „Wir haben alles rausgeschmissen, was kaputt war oder nicht mehr zugebrauchen. Außer…!“ „Außer?“ „Außer der Dachboden!“ „Natürlich. Der Dachboden!“, kam es von mir. Nicht gerade begeistert. Der gruseligste Ort im Haus. In meinem Magen begann es zu zittern. Als wollte er mir etwas damit sagen. „Waren Sie etwa noch nie auf dem Dachboden?“, fragte Fay, die sich ein wenig wunderte. „Nein. Bisher hatten wir genug damit zutun gehabt, die meisten Räume wieder in Ordnung zubringen, als das wir noch den Dachboden entrümplen konnten!“, sagte sie. „Wir wollten es zwar, aber als wir uns dem Dachboden näherten, spürten wir so einen eiskalten Luftzug und ehrlich gesagt, hatte ich eine heidenangst!“ Als sie von dem kalten Luftzug sprach, horchten wir auf. Eisige Luftzüge waren ein deutliches Zeichen für einen geist. Ich sah zu Lex und Fay. Sie schienen meinen Gedanken zu teilen. Sagten aber nichts. „Dann werden wir uns den Dachboden mal ansehen. Gibt es dazu einen Schlüssel?“, fragte Lex. „Ja, ich werde ihn sogleich holen!“, sagte Mrs. Farlane, wollte aufstehen. Aber Fay hielt sie zurück. „Sie müssen jetzt nicht gleich den Schlüssel holen. Es reicht, wenn Sie ihn uns später geben!“, sagte sie freundlich. „Kann das wirklich warten? Ich meine, es spukt hier. Definitiv!“ Wir hatten uns auf die hintere Terasse gesetzt, von der man aus den Ausblick von den Klippen aus auf das Meer geniessen konnte. Und so herrlich dieser Anblick auch war, ich konnte es nicht. Das Gefühl, welches ich hatte, während wir Mrs. Farlane befragten, war stärker geworden. Eine innere Unruhe hatte mich erfasst. „Solange wir nicht wissen, was hier vor sich geht, müssen wir wohl erstmal warten und recherchieren!“, erklärte Fay bedauernd. „Ich werde morgen in den nächsten Ort fahren und mal fragen, was es mit dieser Familie auf sich hat. Vielleicht finde ich sogar den Makler!“, sagte Lex. „Und was machen wir?“, fragte ich, weil es mir unter den Fingernägeln brannte, etwas zutun. „Ihr bleibt hier sitzen und lasst Euch die Sonne auf den Bauch scheinen!“, erwiederte Lex und grinste. „Was glaubt dein Bruder eigentlich, wer er ist?“, schnauzte ich, während wir auf unsere Zimmer gingen. Mich regte es einfach auf, dass Lex erst meinte, dass wir hier nicht zum entspannen sind und es sich dann anders überlegt. Vorallem dieser Blick, den er mir zuwarf. Als wollte er mir sagen, dass ich es am nötigsten hatte. Was eigentlich ja auch stimmte, mich aber dennoch wütend mache. Fay zuckte die Schultern. „Er ist eben so. Der große Beschützer!“, sagte sie, als würde das reichen. Ich schnürzte die Lippen. „Entschuldigung, aber was hat das mit beschützen zutun?“ „Er denkt eben, dass er uns, weil wir die Küken sind, beschützen muss. Dass heisst auch, dass er die meiste Arbeit machen will und uns…naja, außen vor lässt!“ „Und uns behandelt, wie kleine Kinder!“, schloss ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Fay lächelt milde. „Wie gesagt, so ist er halt. Glaub mir, ich kenne ihn lange genug, um das zusagen!“ „Wenn du meinst!“, sagte ich leise und blieb plötzlich stehen. Wie aus heiterem Himmel traf mich eine eisige Kälte. Sie kroch durch meine Klamotten, durch meine Haut, mein Fleisch, durch meine Knochen. Lähmten meine Lungen und ließen mein Herz schmerzlich langsamer schlagen, sodass ich fürchtete, es würde gleich stehenbleiben. Ich wollte etwas sagen, brachte aber nur ein ersticktes Keuchen von mir. Streckte meine Hand nach Fay aus, die ein paar Schritte weitergangen war und sich nun nach mir umdrehte. Als sie sah, dass was mit mir nicht stimmte, kam sie auf mich zu und erfasste meine Hand. „Allison…Allison was ist los?“, fragte sie und sah mich mit angstvollen Augen an. Ich war nicht in der Lage etwas zusagen. Meine Zunge war taub. Eingefroren. Spürte sie denn nicht wie kalt es war? Wie als wenn sie meine Frage gehört hatte, zuckte sie zusammen. Kleine Wolken stiegen ihr aus dem Mund, als ihr warmer Atem kondensierte. Auch vor meinem Gesicht stieg weisser Dampf auf. Dabei fühlten sich meine Lungen an, als seien sie vereist und würden zerspringen, sobald ich etwas mehr Luft einatmete. Meine Haut zog sich zusammen, was nur passierte wenn es eiskalt war und ich musste blinzeln. Fays Gesicht nahm einen blassen Ton an und ihre Lippen wurden blau. Ich fürchtete schon, sie würde zusammenbrechen. Die Kälte hielt uns gefangen und schien nicht vergehen zuwollen. Doch dann war sie verschwunden, genauso schnell, wie sie gekommen war und wir rangen keuchend nach Luft. Minutenlang sagte keine von uns etwas, sondern sahen uns nur mit aufgerissenen Augen an und wir beide sahen das Entsetzen darin. „Was…was war das nur?“, brachte ich zwischen einigen Atemzügen hervor. Fay schüttelte den Kopf. Konnte nichts sagen. Stattdessen schaute sie hoch, zu der kleinen Treppe, die zum Dachboden führte. „Egal was es war, es muss vom Dachboden kommen!“, keuchte sie und in meinem Magen begann es unangenehm zu rumoren. „Ich glaube, ich hatte noch nie solch eine Angst gehabt!“, flüsterte ich und blickte in die Flammen des Kamins. Nach unserem kleinen Schock hatten ich und Fay uns in die Halle gesetzt, um uns am Feuer zuwärmen. Fay hatte uns zwei Gläser Whisky von der Hotelbar geholt, an dem ich nur selten nippte. Während Fay diesen auf Ex trank. „Ich hatte das Gefühl, dass diese Kälte mich umbringen will!“ „Das ergeht vielen, die sowas erleben. Aber selten ist es wirklich, dass man Todesangst hat!“, erwiederte Fay. „Ihr sagtet, der Kälte wäre erst dann aufgetaucht, als ihr am Dachboden vorbeigekommen seid?“, fragte Lex nach, dem wir natürlich alles haarklein erzählt hatten. „Ja. Und dann war sie auch wieder dorthin verschwunden!“, sagte Fay matt. Schwenkte das letzte bisschen an Whisky im Glas herum. „Ich habe es gespürt. Irgendwas ist da oben!“ Fays Blick huschte nachoben, zu der Decke, als könne sie hindurch sehen und schauderte. Lex sah sie einen langen schweigenden Moment an. „Das ändert die Sache natürlich. Wenn diese Kälte wirklich so lebensbedrohlich ist, dann…!“, begann Lex, sprach es aber nicht aus, da sich jeder von uns denken konnte, was er sagen wollte. „Kann ich Ihnen noch was bringen?“, fragte Mr. Farlane, der zu uns kam. „Nein, danke!“, sagte Fay und versuchte sich an einem Lächeln. Dabei entglitten ihre Züge. „Wie geht es Ihrer Frau?“ „Einigermassen gut. Sie besteht immernoch darauf, dass sie einen Geist gesehen hat!“, brummte er. „Sie glauben, dass sie sich das eingebildet hat?“, kam es von Lex trocken. Mr. Farlane hob die Schultern. „Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer, dass hier ein Geist herumspuken soll!“ „Und wie würden Sie sich dann die Erscheinung erklären, die Ihre Frau gesehen hat?“ „Vermutlich eine Spieglung von den Fenstern oder das Mondlicht. Vielleicht auch beides. Aber auf kein Fall ein Geist. Da streikt meine Vernunft!“ „Und wenn es einer wäre?“, bohrte Lex weiter und ich sah Mr. Farlane an, dass ihm dieses Gespräch nervte. „Hören Sie, auch wenn meine Frau dabei beinahe einen Herzinfakt erlitten hat und nun alles Mögliche zusehen glaubt, Schatten oder sonst was, heisst das nicht, dass ich daran glaube. Ich glaube nur das, was ich sehe. Und wenn Sie weiterhin so darauf pochen, hier spukt es und die Gäste dadurch ausbleiben, werde Ich mich bei ihrem Vorgsetzten beschweren!“ Mit diesen Worten ging er wieder und man sah deutlich an seinem Schritt an, dass er zu seiner Einstellung stand. Ich schüttelte nur den Kopf. Wie konnte man nur so verbohrt sein? „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihm ist das Image des Hotels wichtiger, als das Wohl seiner Frau, oder das der Gäste!“, sagte Fay abfällig. „Tja, was soll man machen!“, erwiederte Lex. „Und was jetzt?“, fragte ich. „Ich werde wie gesagt, morgen in den nächsten Ort fahren. Ihr haltet die Augen offen!“, wies Lex uns an. Und keine von uns beiden hatte was dagegen einzuwenden. Lex fuhr am frühen Morgen los, nachdem er sich beim Hotelbesitzer nach dem nächstgelegenen Ort und dem Makler, der ihnen das Haus verkauft hatte, erkundigt hatte. Ich und Fay standen auf der Strasse, zitternt in unseren Jacken, während sich die Sonne langsam in den Himmel hochschob. Lex war eingestiegen und schnallte sich an. „Ich werde veruschen, nicht zulange wegzubleiben und melde mich, wenn es etwas Interessantes gibt!“, sagte er. „Werden wir auch machen. Pass auf dich auf!“, bat Fay ihn und ich hörte deutlich in ihrer Stimme, dass sie sich Sorgen machte. Lex lächelte. „Was soll mir schon passieren. Auf der Rückbank wird der Geist mir schon nicht auflauern!“ „Kannst du dir da so sicher sein, Lex?“, gab Fay ihrem Bruder zubedenken und das Lächeln schwand. „Ich werde aufpassen, versprochen!“ Dann drehte er den Schlüssel und der Wagen erwachte grollend zum Leben. Noch bevor er ihn auf die Strasse lekte, rief er mit einem Grinsen zu ihr:„Pass gut auf die Kratzbürste auf!“ „Hey!“, rief ich wütend. Da war Lex auch schon weg. Der nächste Ort auf der Karte lag gut zwei Stunden entfernt und sah sehr alt aus. Hier waren die Häsuer noch aus rotem Backstein gebaut und hierundda waren Koppeln zusehen, auf denen Pferde, Kühe und Schafe grasten. Die Zeit schien hier stehegeblieben zusein. Dennoch waren die Menschen, die hier lebten modern. Gingen ihren alltäglichen Geschäften nach. Als Lex aber mit dem Wagen an ihnen vorbeifuhr, sahen sie ihm nach und Lex konnte im Rückspiegel sehen, wie sie die Köpfe zusammensteckten. Offenbar waren sie an den Anblick von Fremden nicht gewohnt. Lex musste sich ein Grinsen verkneifen und fuhr weiter. Er hielt es für das Beste, wenn er die Bibliothek des Dorfes besuchte. Vielleicht würde er in dieser Informationen finden über das Haus und seine Vergangenheit. Aber zuerst musste er die Bibliothek finden. Also hielt er an und sprach den erstbesten Menschen an, der gerade an ihm vorbei lief. „Verzeihen Sie, Mister. Können Sie mir vielleicht helfen?“, rief er und Mann, der an ihm vorbeiging blieb stehen. Sah ihn erstmal überrascht an, doch dann trat er näher. „Sicher, was möchten Sie denn?“ „Ich bin auf der Suche nach der Bibliothek hier. Können Sie mir den Weg beschreiben?“ Der Mann hob die Brauen, sah Lex an, als habe er soeben einen Witz gemacht, den er nicht verstand und sagte mit einem Kopfschütteln. „Es tut mir leid. Eine Bibliothek haben wir leider nicht. Aber ein Statdtarchiv!“ „Das ist besser als nichts. Wo finde ich das?“ Der Mann beschrieb Lex den Weg und dieser bedankte sich höflich. Das Stadtarchiv war in dem Rathaus der Stadt, welches ziemlich alt aussah. Hierundda sah man, dass was gemacht wurde. Dennoch hatte man auch hier daraufgeachtet, dass es nicht zuneu wirkte, um den Charme des Gebäudes nicht zu zerstören. Vor dem Haus war ein großer Platz, mit einigen gestutzten Büschen und Statuen berühmter Menschen. Auf diesem Platz war ein Brunnen, aus dem Wasser raussprudelte und im einem, breiten runden Auffangbecken fiel. Bänke aus Holz standen um diesen, auf denen sich die Bürger gesetzt hatten und den sonnigen Tag genossen. Lex parkte den Wagen in eine Seitenstrasse, stieg aus ging mit schnellen Schritten zu dem Haupteingang. Drinnen war es wesentlich moderner als draußen. Es roch nach Papier und Tinte. Es musste mindestens drei Stockwerke haben. Der Boden war mit kunstvllen Kacheln in schwarz und weiss gekachelt und von der Decke hingen Lampen, die ebenso alt sein mussten, wie der Rest des Hauses, aber mit Storm betrieben wurden. Angestellte eilten von links nach rechts und umgekehrt. Treppen raus oder runter. Bepackt mit schweren Ordnern. Links von ihm waren Sitzecken eingerichtet, in denen Leute Platzgenommen hatten, Zeitung lasen, oder einfach warteten, dass sie drangenommen wurden. Rechts von ihm war eine lange Theke aufgestellt, hinter der Männer sowohl als auch Frauen saßen, telefonierten oder etwas in den Computer eingaben. Mehr als einmal versuchte er einen der Angestellten, die umherliefen anzuhalten und zufragen, an wen er sich wenden konnte. Doch diese waren entweder taub oder zubeschäftigt, um ihn zu bemerken. Sowas und das hier in London, dachte er und überlegte kurz, ob er sich zu den anderen setzen und warten sollte. Verwarf den Gedanken aber wieder, da ihm eigentlich keine Zeit blieb. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte eine weibliche Stimme höflich und er drehte sich um. Vor ihm stand eine junge Frau, nicht älter als seine Schwester, in einem eleganten Hosenanzug und mit dunklen Haaren. Lex dankte sogleich dem Himmel. Nicht nur dass er so schnell Hilfe bekommen, sondern auch in Gestalt dieser hübschen Frau erhalten hatte. Sogleich setzte er sein charmantetes Lächeln auf. „Das hoffe ich doch. Ich hätte eine Frage zu einem alten Haus, das in der Nähe der Klippen steht!“ „Oh, davon gibt es einige. Können Sie es mir beschreiben!“ „Ja, ich denke schon!“, sagte er und beschrieb ihr das Haus, so gut wie er es konnte. „Mh!“, machte die Frau und überlegte. „So aus dem Stehgreif kann ich jetzt nicht sagen, um welches es sich handelt und was ich darüber weiss!“, sagte sie. „Aber wenn Sie mir folgen möchten, können wir einen Blick in das städtische Archiv werfen. Vielleicht finden wir was!“ „Ich folge Ihnen unauffällig und mit größtem Vergnügen!“, sagte er. Das Archiv bestand hauptsächlich aus metallenen Schränken, die links und rechts aufgestellt waren und eine Gasse bildeten. An den Schubladen waren Schilder angebracht, mit Namen und Daten. Die junge Frau ging zu einem dieser und zog ihn auf. Blätterte und als sie fand, was sie suchte, schlug sie die Schublade zu. „Ich glaube hier ist etwas!“, sagte sie und legte das dicke Buch auf den Tisch. Schlug es auf. Zeigte Lex einige Grundrisse und Fotografien von Häusern, die zwar aus dem gleichen Zeitalter kamen, aber es war nicht das Haus, über das er was erfahren wollte. Also blätterten sie weiter. Bis sie das Foto fanden, was Lex suchte. „Das ist es!“, sagte er und deutete darauf. „Das ist das Haus der Familie…warten Sie…ich kann die Schrift kaum entziffern!“, sagte die Frau und kniff die Augen zusammen. „Gr…Grff…Griffens. Der Name der Familie war Griffins!“ „Gibt es über diese Familie etwas nähreres?“ „Mh, nein leider nicht. Zumindest sehe ich hier nichts!“, sagte die Angestellte und blätterte weiter. „Wenn Sie aber möchten, können Sie hier weitersuchen. Wenn Sie fertig sind, lassen Sie es einfach liegen. Ich räume es weg!“ Dann ließ die junge Frau ihn allein. Den ganzen Nachmittag lang suchte Lex nach etwas, was ihm über die Familie der Griffins sagen konnte. Doch egal wieviele Bücher und Alben er durchblätterte, er fand einfach nichts. Es war, als wären alle Spuren der Familie wie weggewischt. Lex schaute auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Wenn er noch rechtzeitig im Hotel ankommen und nicht Gefahr laufen wollte, einen Unfall zu bauen, dann sollte er sich jetzt auf den Weg machen. So verließ er den Raum und verabschiedete sich von der jungen Frau. Sie wünschte ihm einen schönen Tag. Dies erwiederte er und trat hinaus. Die Sonne war etwas untergegangen und warf lange Schatten über die Stadt. Lex machte sich gerade auf den Weg zu seinem Wagen. Als ihn jemand ansprach. „Tschuldigung, Sir. Aber hätten Sie etwas Kleingeld für einen armen Trinker übrig?“ Lex drehte sich um und sah einen abgerissenen Obdachlosen, mit ergrautem Haar und einem ungepflegten Bart. Seiner Kleider waren fleckig und an einigen Stellen zerrissen. Der Gestank von Schweiss und altem billigen Fussel ging von ihm aus und Lex unterdrückte den Impuls von ihm wegzuweichen. „Kleingeld? Ja, Moment. Ich glaube, ich habe etwas dabei!“, sagte Lex und kramte in seiner Jackentasche. Als er der Meinung war, genug Kleingeld für den Kerl zusammenbekommen zuhaben, reichte er es ihm. „Hier bitte!“, sagte er. „Aber nicht alles aufeinmal austrinken!“ Der Obdachlose grinste nur und zeigte eine Reihe von ungepflegten Zähnen. „Der Herr schütze Sie, Sir!“, sagte er und wandte sich um, um sich seinen nächsten Drink zuholen. Doch Lex hielt ihn noch zurück. „Warten Sie mal!“, rief er und eilte ihm nach. Blieb aber weit genug von ihm weg, dass er seinen Geruch nicht einatmen musste. „Ja?“, fragte der Mann. „Ich suche einen Makler. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde. Hier, dass ist die Adresse!“, sagte Lex und hielt dem Obdachlosen den Zettel mit der Anschrift hin. Dieser sah auf den Zettel, las die Adresse und sah Lex nun neugierig an. „Der ist hier schon lange nicht mehr. Hat sein ganzes Hab und Gut mitgenommen und sich davon gemacht!“, sagte er dann und Lex sah seine letzte Chance schwinden. „Mist! Der war meine letzte Hoffnung!“ „Was wollen Sie den von dem?“ Lex schüttelte den Kopf und steckte den Zettel wieder ein. „Ich hatte ein paar Fragen zu einem alten Haus, das er neulichen verkauft hatte. Es steht nahe den Klippen. Es gehört der Familie namens Griffin!“ Kaum hatte er den Namen der Familie ausgesprochen, wurden die Augen des Mannes groß. „Das Haus der Griffins?“, fragte er nach und etwas in seinem Blick ließ Lex den Verdacht kommen, dass der Obdachlose etwas wusste. „Kannten Sie die Familie etwa?“ „Nein, das war vor meiner Zeit. Ich habe nur von Ihnen gehört!“ „Und was?“ „Nicht viel!“ „Egal, wieviel es ist. Es könnte wichtig sein!“ „Nunja, eigentlich habe ich noch was vor!“ „Wenn Sie mir sagen, was Sie wissen, gebe ich Ihnen einen Drink aus!“ Da hellte sich das Gesicht des Obdachlosen auf. „Also bei so einem Angebot sage ich nicht nein!“ Lex lächelte etwas. Trinker! Lex war mit dem Obdachlosen, der sich als Henry vorstellte, in einen Pup gegangen, wo sie sich in eine Ecke gesetzt hatten und sich einen Drink bestellten. „Also. Henry. Ich bin ganz Ohr. Was wissen Sie über die Familie Griffin!“, sagte Lex, der nun nicht mehr länger Zeit vergehen lassen wollte. Henry nippte an seinem Glas Gin und leckte sich langsam über die Lippen. „Nun…die Familie Griffin kam ursprünglich aus Amerika und zog hierher, nachdem ein entfernter Verwandter gestorben war und ihm ein Haus an den Klippen vererbt hatte. Die Familie bestand aus drei Personen. Einmal aus dem Herrn des Hauses, sein Name war Jack, und seiner Frau Helen. Eine wirklich schöne Frau. Sie hatten einen kleinen Sohn, namens Thomas. Sie lebten sehr zurückgezogen und zeigten sich kaum hier in dem Ort. Jack war Bankier und verdiente sehr gutes Geld. So gutes Geld, dass er sich einige Angestellte leisten konnte, die für ihn und die Familie die nötigen Besorgungen machte. Eines Tages jedoch versschwand seine Frau spurlos. Sie können sich vorstellen, dass Jack alle Hebel in Bewegung setzte um seine Geliebte Frau zufinden. Aber sie blieb verschwunden. Naja, bis man irgendwann ihre Leiche fand. Es stellte sich heraus, dass sie von der Klippe gefallen sein musste. Als sie aufschlug, wurde sie ohnmächtig und ertrank. Jack war über den Tod seiner geliebten Frau derart am Boden zerstört, dass er begann sich zuverlieren und das Trinken anzufangen. Der arme kleine Thomas. Er musste sich das mit ansehen. Und litt sehr darunter!“, sagte Henry. Lex schürzte angewidert die Lippen. Sowas von verantwortunglos. Anstatt für das Kind dazusein, betrinkt sich der Vater und lässt es im Stich. „Was passierte dann?“ „Man erzählt sich, dass der Kleine von einem Tag auf den nächsten verschwand, so wie seine Mutter. Aber im Gegensatz zu ihr, fand man ihn nicht und Jack verlor sich immer mehr. Das letzte, was man von ihm hörte, war, dass er sich erhängte!“, sagte Henry und trank das Glas leer. „Eine schreckliche Geschichte, oder?“ „Ja, eine wirklich schreckliche Geschichte!“, murmelte Lex. Nicht nur weil ihn diese Geschichte der Familie naheging. Nicht nur weil er selber wusste, wie es ist, wenn ein geliebter Mensch aus dem Leben gerissen wurde, sondern weil er auch einen gewissen Verdacht hatte. „Danke für die Geschichte. Sie haben mir sehr geholfen!“, sagte er und verabschiedete sich von Henry. „Ihnen noch einen schönen Abend und kommen Sie gut an!“ Es war schon spät und Lex war immernoch nicht da. Ich und Fay richteten uns darauf ein, je näher der Abend heranrückte, dass bald wieder etwas passieren würde. Mit dem Besitzer und seiner Frau sprachen wir kaum, da Mr. Farlane es immer wieder verstand, seine Frau von uns fernzuhalten und auch umgekehrt. So saßen ich und Fay wiedermal in der Halle und warteten auf Lex. „Hoffentlich hat er was rausgefunden!“, murmelte ich. „Hab Vertrauen. Lex kriegt schon was raus!“, tröstete Fay mich. Wir warteten noch eine Weile. Um genau zusein, bis kurz vor elf, dann beschlossen wir hoch zu unser Zimmer zugehen. Fay gönnte sich eine warme Dusche, während ich mich aufs Bett legte und in einem Buch las. Um ruhiger zuwerden, aber das Gefühl, dass bald etwas passieren könnte, ließ mich nicht los. Zig mal versuchte ich eine Seite oder auch einen Satz zulesen, aber immer wieder glitten meine Gedanken zu dem, was wir gestern erlebt hatten. Diese Kälte! Sie ließ mich nicht los und das Gefühl, dass diese Kälte nicht von dem Jungen kommen konnte. „Nervös?“ Ich machte einen Satz. Natürlich war es Erik, der einfach aufgetaucht war und rittlings auf dem kleinen Stuhl sah und mich angrinste. Da ich nur eine kleine Nachtischlampe angelassen hatte, war es dunkel genug, dass er hier aufkreuzen konnte und ich wünschte mir, ich hätte gleich die Raumbeleuchtung angemacht. Mit einem Fluch auf den Lippen, den ich aber unterdrückte, klappte ich das Buch zu und sah ihn wütend an. „Lass das. Hör auf, dich immer an mich heranzuschleichen. Sonst kriegst du meine Sense zuspüren!“, drohte ich. Erik grinste nur und gab mir damit noch mehr gute Gründe, meine Drohung wahrzumachen. Ich riss mich jedoch zurück. Ich wollte nicht das Zimmer zerlegen und damit eine satte Rechnung erhalten. Sondern verbiss mir ein Kommentar und sagte:„ Ehrlich gesagt, nein. Es ist ja nur ein Geist!“ „Nur ein Geist?“, fragte Erik und hob die Brauen. „Ja, nur ein Geist!“, sagte ich. Ich hatte das dumme Gefühl, dass er genau wusste, was passiert war. Und das machte mich noch nervöser. Doch versuchte ruhig zu bleiben. Erik maß mich kurz mit seinen dunklen Augen einen langen und quälenden Moment, als wollte er mich durchleuchten und ich fühlte mich dabei nicht gerade wohl. Dann aber zuckte er die Schultern. „Na, ich hoffe mal, dass du dich nicht ins eigene Fleisch schneidest!“ „Werde ich nicht!“, sagte ich und da bemerkte ich, dass das Rauschen der Dusche aufeinmal verstummt war. Mist. Fay war ja unter der Dusche. Ich mochte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn sie ihn hier sieht. „Mach dass du verschwindest. Wenn Fay dich hier sieht, wird sie ausflippen!“ „Wo ist sie denn?“ „Unter der Dusche!“, sagte ich. Noch, dachte ich und sah sogleich ein neckisches Funkeln in seinen Augen. „Wage es ja nicht!“, warnte ich ihn. „Was soll ich nicht wagen?“, fragte er provozierend. „Hier zuwarten um sie nackt zusehen!“ „Ich denke nicht, dass sie nackt sein wird. Sondern noch ein Handtuch um sich gewickelt hat!“ „Das ist so gut wie das gleiche!“, sagte ich und schaute hastig zum Bad. Ich sah am Schatten, das Fay sich gerade abtrocknete. „Los, mach dass du wegkommst!“ „Mit wem redest du denn da, Allison?“, hörte ich Fay rufen und von einer Minute zur nächsten stand sie in der Tür und Erik war verschwunden. Es war schon weit nach Mitternacht gewesen, als mich etwas Kaltes an der Wange streifte. Erst dachte ich, es sei ein Lufthauch, aber dann bemerkte ich, dass es sich wie die Berührung einer Hand anfühlte. Noch im Halbschlaf öffnete ich die Augen und schaute mich um. Niemand war im Raum. Nur Fay, die schlafend neben mir lag und sich nicht rührte. Und trotzdem ich spürte die Nähe eines anderen. Ich rieb mir die Augen, versuchte etwas zuerkennen. Aber es war nichts zusehen. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eigebildet. Mit einem Seufzen legte ich mich wieder hin und wollte weiterschlafen. Da leuchtete etwas auf mein Gesicht und ich öffnete wieder die Augen. Was zum Teufel ist das? Ich schaute zum Fenster, aber der Mond konnte es nicht sein. Sein Licht reichte nicht soweit hinein. Also mustse s woanders herkommen. Nur von wo? Da bemerkte ich, dass unter dem Türspalt etwas Licht durchkam. Es wanderte, als würde jemand mit einer Taschenlampe über den Boden wandern. Da blieb es stehen und verschwand. Ich runzelte die Stirn. Was war das? Noch ehe ich mir selber darauf eine Antwort geben konnte, begann die Tür in der Mitte zuleuchten. Ein heller Kreis zeichnete sich ab. Dieser wurde heller und etwas schob sich hindurch. Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, was das sein konnte. Als das Leuchten wieder etwas schwächer wurde und ich besser sehen konnte, sah dass eine Lichtkugel vor mir schwebte. Kleine, blaue Dampfwolken umspielten diese, sodass es wie eine kleine blaue Flamme aussah. Für einen kurzen Moment war ich wie gebannt von diesem Licht. Noch nie hatte ich sowas gesehen. Es war schön und ich wollte schon die Hand nach diesem ausstrecken. Aber dann hielt ich inne und rüttelte an Fay. Sie musste das auch sehen. „Fay!“, flüsterte ich, meinen Blick auf das Licht gerichtet. „Fay. Fay wach auf!“ „Was ist denn?“, murmelte sie schläfrig und zog sich die Decke über den Kopf. Ich zog sie ihr wieder weg und Fay knurrte. „Was?“ Ich achtete nicht darauf, sondern stiess sie diesesmal heftiger an und zeigte zu dem Licht. „Sieh doch!“, forderte ich sie auf. „Was ist das?“ Fay richtete sich auf, schaute zu der Lichtkugel und schlagartig war sie wach. „Was zum…!“, keuchte sie. Sie musste ebenso überrascht sein wie ich, denn sie sagte erstmal nichts, sondern blickte zur Lichtkugel, die weiterhein unbeirrt vor uns herschwebte. Ich hatted as dumme Gefühl, dass Fay selber nicht wusste, was es genau war. „Und?“, drängte ich sie trotzdem. Fay, die eben noch den Mund geöffnet hatte, schloss ihn wieder und schluckte schwer. „Ich glaube, das ist ein Geist!“, murmelte sie benommen. So wie sie das sagte, klang es so, als würde sie zum ersten Mal einen Geist sehen. Dabei hatte sie doch gesagt, dass das nicht das erste Mal sei. „Du glaubst?“, fragte ich. Fay hob hilflos die Schultern. „Hast du schonmal ein Geist gesehen oder nicht?“ „Schon, aber nicht so einen!“, flüsterte sie. Okay, das habe ich nicht erwartet. Aber Zeit blieb nicht, um darüber nachzudenken. Der Geist hüpfte von einer Stelle zu anderen und die Nebelfetzen um ihm herum begannen wild zu tanzen. Ich wusste nicht wie, aber ich hatte das Gefühl, dass der Geist ungeduldig wurde und wollte, dass wir ihm folgten. Ich teilte Fay meinen Verdacht mit und kurz sah sie mich an, als würde sie meinen Worten nicht trauen. Als aber dann der Geist durch die Tür verschwand und dann wieder in unser Zimmer kam und noch mehr aufundabflog, war sie davon überzeugt. Schnell zogen wir uns an und folgten dem Geist. „Ich dachte, die sehen anders aus!“, murmelte ich, während wir durch das dunkle Haus liefen und dann durch die Haustür gingen. Der Geist schwebte vor uns hin und führte uns dann zum hinteren Teil des Hauses. Dort wo es keine Mauer gab. Ich fragte mich, was der Geist vorhatte. „Geister können verschiedene Gestalten annehmen. Das hier ist eine davon!“, sagte sie obwohl sie eben noch selber erstaunt war. Doch ich verbiss mir jegliches Kommentar. Wir folgten dem Geist weiter, bis er kurz vor dem Klippen innehielt und auf der Stelle schwebte. „Und was machen wir jetzt?“ „Wir warten was passiert!“ Die Lichtkugel, oder besser gesagt, der Geist schwebte einige Minuten noch an der gleichen Stelle. Tanzte aufundab. Dann blieb sie stehen und das Leuchten wurde heller. Blendete uns und dann war es wieder erloschen. Doch statt der Kugel stand nun eine geisterhafte Frauengestalt vor uns, die sich von uns abgewandt hatte und langsam auf die Klippe zuging. Ihr Nachthemd, das bis zum Boden reichte, flatterte im Wind. Ihre Haar tanzte umher und machte es schwer, ihr Gesicht zusehen. Ohne langsamer zuwerden, ging sie weiter. Ich wollte schon auf sie zurennen, sie davon abhalten weiterzugehen. Aber Fay hielt mich an der Hand fest. Was hätte ich auch tun können? Sie war ein Geist. Dennoch war es schlimm zusehen, wie dieser Geist, der mal eine Frau war, auf die Klippen zuging und dabei nichts zumerken schien. Als wäre sie in einem Trance zustand. Kurz bevor sie den Rand der Klippe erreichte, blieb sie aber stehen und drehte den Kopf, sodass wir ihr Gesicht nun sehen konnten. Schön war sie, aber in ihren Augen lag etwas Trauriges, Flehendes. Sie öffnete den Mund, aber kein einziger Ton kam ihr über die Lippen. Dann warf sie sich nachvorne und fiel die Klippen hinunter. Ich und Fay konnten es kaum erwarten, Lex von unserer Begegung mit dem Geist zuerzählen. Er schien uns ebenso was sagen zu wollen. Um in Ruhe darüber zureden, verzogen wir uns in einen hinteren Winkel der Hotelhalle und tauschten unsere Erlebnisse aus. Lex erzählte uns, was er über da Haus und der Familie herausgefunden hatte, welche mal hier gelebt hatte. Als er sagte, dass die Frau die Klippe hinuntergestürzt und ertrunken war, warf ich einen Blick zu Fay. Sie dachte wohl dasgleiche wie ich. Sagte aber nichts und ließ Lex aussprechen. Dann erzählten wir ihm, was wir gesehen hatten. „Solangsam wird das Bild klar. Aber ich frage mich warum, wir den Vater noch nicht gesehen haben. Wenn er sich hier erhängt haben soll, ist auch er an diesen Ort gebunden!“, murmelte er. „Warum aber ist der Geist des Jungen hier. Er ist verschwunden, also an einem anderen Ort vermutlich zutode gekommen. Da frage ich mich warum er nicht woanders spukt!“, setzte ich ein. „Vielleicht ist er nicht außerhalb des Hauses zutode gekommen!“, sagte Fay. „Du meinst, er starb hier?“, fragte ich. Nennt mich ruhig in dieser Hinsicht begriffstutzig, aber ich schauderte bei dem Gedanken, dass der Junge hier starb, obwohl er als vermisst gegolten hatte. „Ja, aber wie und warum. Vor allem, wo seine Leiche ist, ist die Frage!“ „Vielleicht sollten wir uns mal den Friedhof ansehen. Sicherlich hatte die Familie soetwas, wie ein Familiengrab!“, sagte Lex. „Muss das sein?“, fragte ich und wieder lief mir ein Schauer über den Rücken. Friedhöfe waren das letzte, wohin ich wollte. „Wenn wir diesen Fall lösen wollen, dann ja!“ „Okay, aber wir bleiben zusammen!“, bestand ich darauf. „Hat du etwa Angst vor Friedhöfen?“ „Nein, aber ich kriege immer solche Magenschmerzen!“ Von dem Gefühl, dass mich unsichtbare Augen beobachteten und ich die Nähe von den Toten spüren konnte, wollte ich nicht reden. „Also gut. Erst der Friedhof und dann der Dachboden!“, murmelte ich. Der Friedhof schien der wichtigste Ort zusein, an dem wir mit der Suche anfangen sollten. Diese rlag gut eine Stunde von dem Hotel weg und wirkte, in seiner Abgeschiedenheit und durch den wildwuchernden Efeu verwildert und vergessen. Einige Grabsteine waren so sehr mit Moos bedeckt, dass die Inschriften kaum noch zusehen waren. Andere wiederum waren durch den Zahnder Zeit und Witterung so beschädigt, dass sich schon tiefe Risse durch den Stein frassen. Statuten von Engeln standen verteilt an den Gräbern, die mal wohlhabenden Menschen gehörten, nun aber Zeugniss davon waren, dass selbst der Tod und die Vergänglichkeit stärker waren. Eigentlich eine Schande. Der Friedhof musste mal wunderschön gewesen sein, war nun aber ein Schatten seiner selbst und ich fragte mich, wie man so nachlässig sein konnte. Ein alter Mann, hager und mit einer Gartenreche in den Händen, das Laub zusammenkratzte. Als er uns sah, hielt er kurz inne, sah uns mit zusammengekniffenen Augen an. „Guten Tag!“, grüßte Lex ihn höflich und ging auf ihn zu. „Kann ich Ihnen helfen?“, erwiederte er und stützte sich auf seine Reche. „Ja, wir suchen das Grab der Familie Griffin!“ Der Mann hob die Brauen und schob sich seine Kappe etwas zurück. Legte die Stirn in tiefe Falten und schien sich selber nicht zuerinnern, wo das gesuchte Grab befand. Schaut um sich und kratzte sich am Kopf. Doch dann schien er sich daran zu erinnern und deutete in eine wage Richtung. „Da. Dort finden Sie es!“, wies er uns an. „Wären Sie freundlich und zeigen es uns?“, bat nun Fay und lächelte ihn so herzlich an, dass er schon ein Eisblock sein musste, um da nicht weich zuwerden. „Ja, sicher. Folgen Sie mir!“, sagte er und winkte uns hinterher. Wir folgten ihm. Über den Kiesweg, zwischen verwitterte Gräber und mit Unkrautüberwuchertem Gras. „Wie kommt es, dass dieser Friedhof zu verwildert aussieht?“ Eigentlich war die Frage für mich selbst gedacht, doch ich hatte sie zulaut ausgeprochen, dass auch der Gärtner dies hörte und schnaubte. Sofort bereute ich meine lose Zunge und zog den Kopf zwischen die Schultern. „Hier kommen nur noch sehr wenige her, um die Gräber zupflegen. Die, die mal mit den Toten verwandt waren und die Gräber besucht und gepflegt hatte, sind selbst schon unter der Erde. Der Friedhof ist alt. Älter als ich. Und leider will hier keiner arbeiten!“, sagte er. „Da wären wir!“ Wir waren im hintersten Teil des alten Friedhofs. Hier war es noch verwilderter und ich hatte Mühe, um mich über einen abgefallen Ast oder ein Gestrüpp zustolpern. Der Mann trat zur Seite, ließ uns den Blick auf zwei Grabsteine werfen, die etwas weiter weg von einander standen. Ich fragte mich warum. Doch dann sah ich warum. Zwischen den beiden Gräbern war ein drittes. Aber es hatte keinen Grabstein. „Warum fehlt da ein Grabstein?“, sprach ich den Gärtner an. „Das sollte eigentlich ein Familiengrab werden. Aber da man den kleinen Thomas nicht gefunden hat, konnte man auch seine Leiche nicht begraben!“ „Woher wollen Sie wissen, dass er tot ist?“, fragte Lex. „Na, man hörte so einiges. Und da der Junge verschwunden und nie wieder gesehen wurde. Vorallem nicht lebend, geht man davon aus, dass er tot ist!“, erklärte der Gärtner. Das ergab natürlich durchaus Sinn. „Was wissen Sie über den Tod von Mr. Griffin?“ „Nicht viel!“, gab er zu. „Nur dass der arme Teufel sich erhängt hat!“ „Und wo?“ „Irgendwo im Haus!“, erklärte er und damit war unsere Unterhaltung auch schon zuende. „Wenn das so weitergeht, werden wir noch Wochen in dem Hotel verbringen!“, seufzte ich und sank tiefer in den Sitz. „Das ist wahr. Das Haus ist groß und er könnte sich überall umgebracht haben!“, sagte Fay. „Ich habe so eine Vermutung, wo wir suchen müssen!“, meinte Lex. Und ich hatte sofort einen Gedanken. „Der Dachboden!“ „Richtig. Ich nehme stark an, dass Mr. Griffin sich damals auf dem Dachboden erhängt hat!“ Kaum dass wir im Hotel waren, bat Lex Mrs. Farlane den Schlüssel zum Dachboden auszuhändigen. Ihr Mann sah uns mit gerunzelter Stirn an. „Wofür brauchen Sie den?“, fragte er un lehnte sich über die Theke. „Wir wollen uns was ansehen!“, erklärte er. Noch ehe Mr. Farlane frage konnte, was genau wir uns ansehen wollten, hatte Lex sich schon den Schlüssel geschnappt und war zur großen Treppe gegangen. Wir folgten ihm. „Hey, warten Sie mal!“, rief Mr. Farlane. „Was glauben Sie, wer Sie sind?“ „Wir sind die, die Ihnen den Arsch retten!“, murmelte Lex. Stapft forsch die Treppen hoch. Bog dann ab und ging zu der schmalen Treppe, die zum Dachboden führte. Schon als wir die Stufen hochschritten, hatte ich ein Ziehen im Magen. Wie als wenn ich in einer Achterbahn saß und den höchsten Punkt hinauffuhr. Ehe es in die Tiefe ging. Ich warf einen Blick zu Fay, der es nicht anders ging. Deutlich war in ihrem Gesicht zusehen, dass sie sich ebenso unwohl fühlte und sich etwas davor fürchtete, was uns hinter der Tür erwartete. Lex steckte den Schlüsseln in das Loch und schloss die Tür auf. Kalte, muffige Luft schlug uns entgegen und das Ziehen in meinem Magen verstärkte sich. Wir betraten den Dachboden. Er war groß und vollgestopft mit unzähligen Sachen. Alten Möbeln, Ölgemälden, ein altes Schaukelpferd und was man noch so alles auf den Dachboden abstellen konnte. Dicker Staub lag auf dem Boden und in allen möglichen Winkel hingen dicke Spinnennetzte. Ich schüttelte mich vor Ekel. „Wonach suchen wir eigentlich?“, fragte ich. „Nach etwas, was uns zeigt, dass er hier oben gestorben war!“, erklärte Lex. Aha. Sehr informativ. Ich wollte schon fragen, wonach genau und wie wir das erkennen konnten, doch Lex war schon in die nächste Ecke gegangen und wühlte sich durch das herumstehende Gerümpel. Natoll! Ich blickte mich um. Wo sollte ich anfangen zusuchen? Es könnte überall etwas zufinden sein. Ratlos entschied ich mich also für irgendeine Ecke und hob die Laken. Nichts. Nur alte Möbel, die schon sehr sehr lange hier oben stehen mussten. Igitt! Ist das Schimmel? Ich ließ das Laken wieder fallen und wandte mich schnell ab. Ging zu einer Reihe abgedeckter Bilder und hob das Laken hoch. Es waren alte verwitterte Ölschinken, die man eigentlich in Museen findet. Bilder, mit alten englischen Landschaften. Von elegant aussehenden Menschen, die allerdings ein Gesicht machten, als hätten sie was Falsches gegessen. Ein Bild aber fiel mir besonders auf. Es war wohl ein Familienporträt. Es zeigte einen Mann, eine Frau, mit ihrem Sohn. Ein hübscher kleiner Junge, mit einem Teddy im Arm. Sofort wusste ich, dass es sich hierbei um die Griffins. Ich erkannte die Frau sofort wieder. Es war die Frau, dessen Geist wir gesehen hatten. Das seltsame war, dass sie auch auf diesem Bild einen traurigen Ausdruck in den Augen hatte. Während ihr Mann einen etwas ernsten, strengen Blick hatte. Alles an ihm wirkte irgendwie ernst. Vorallem aber schien er ein Mann gewesen zusein, der die Fäden in der Hand hielt. Und keine Widerworte duldete. Ich fragte mich, was da schief gegangen ist. „Und was gefunden?“, fragte Fay mich. Ich sagte nichts, sondern zeigte auf das Bild. „Oh!“ „Ja, das dachte ich mir auch!“, sagte ich und holte das Bild gänzlich hervor. „Wenn ich es mir so ansehe, glaube ich fast, dass die Arme es nicht leicht hatte mit ihrem Mann!“, murmelte sie. „War auch mein Gedanke!“, kam es von mir. „Meinst du das hat was zubedeuten?“ „Da bin ich mir sicher!“ „Was macht ihr denn da?“, hörten wir Lex von der anderen Seite der Dachkammer hören und wie er auf uns zuging. „Ach nichts. Wir haben nur das Familienporträt der Griffins gefunden!“ „Lasst mal sehen!“, sagte Lex und beugte sich ünber uns hinweg. Seine Reaktion war die gleiche, wie von uns. Auch er hatte das Gefühl, dass der Ehemann nicht gerade ein netter Mensch war. Zumindest nicht zu seiner Familie. „Hm, jetzt wissen wir zwar, wie er aussah, aber nicht wo er genau hier gestorben war!“, murmelte Lex, als wir das Bild wieder zudeckten und uns umdrehten. Fay ließ den Blick umherschweifen. „Es könnte überall hier gewesen sein!“ „Aber müssten es dann hier nicht eiskalt sein. So wie beim letzten Mal!“, sagte ich und musste mich überwinden mich daran zuerinnern, wie kalt es war, als wir nur an der Treppe zum Dachboden standen. In der ganzen Zeit, wo wir hier oben waren, war nicht mal ein flüchtiger kalter Hauch an uns vorbeigestrichen. Geschweige denn sonst etwas anderes, was uns einen Hinweis gab. Bis jetzt habe ich mir nichts dabei gedacht. Dachte, der Geist oder was auch immer, würde sich erst zeigen, wenn wir es nicht erwarteten. Aber wir mussten gut eine oder vielleicht auch zwei Stunden hier oben sein und nichts war passiert. „Da ist was dran. Auch ich habe nichts gemerkt. Dabei war ich mir sicher, dass diese Kälte von hier kam!“, meinte Fay. „Und wenn wir uns doch geirrt haben?“, fragte ich etwas verlegen. Auch wenn etwas in mir sagte, dass wir hier richtig waren, hatte ich dennoch meine Zweifel. Wobei das Ziehen in meinem Magen deutlich dagegen war. „Suchen wir weiter. Irgendwas muss hier ja geben!“, sagte Lex und wollte weitersuchen, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und sich nicht rührte. Wenn man von dem Zittern absah, dass ihn plötzlich packte. Fay und ich warfen uns alarmiernde Blicke zu. „Lex!“, rief sie dann und machte einen Satz zu ihrem Bruder. Wollte ihn an den Schultern packen, ihn schüttelt. Doch kaum, dass sie in seiner Nähe war, zuckte sie zusammen. Ein entsetztes Keuchen kam über ihre Lippen und ihre Augen weiteten sich. Ihr Gesicht wurde blass. Ich wusste sofort, was das zubedeuten hatte. Die Kälte war wieder da! Und auch wenn ich meinen Freunden helfen wollte, versuchte ich ihnen nicht zunahe zu kommen, um nicht auch von dieser Kälte angegriffen zuwerden. Vorsichtig ging ich um sie herum. Versuchte zusehen, woher diese Kälte kam. Doch nichts in ihrer Nähe schien diese Kälte zuverursachen. Weder in der einen Ecke, noch in der anderen Sieh nach oben, flüsterte eine Stimme, die nicht von Erik war. Folgte dieser trotzdem und schaute hoch. Zuerst sah ich nichts. Nur Dunkelheit. Aber dann sah ich eine Bewegung. Weit über Fay und Lex, dort wo die Dächer zueiner liefen. Über dem Balken, die das Dach abstützten und quer verliefen, glaubte ich einen Schatten zusehen. Er wabberte umher, schien aber Ort und Stelle zu bleiben. Und auch wenn er gesichtlos und kaum zuerkennen war, wusste ich, dass es der Geist des verstorbenen Mr. Griffin war. Mir lief es kalt den Rücken runter, als ich zu ihm hochblickte. Etwas an seinen Bewegungen war bedrohlich. Als würde er etwas vorhaben. Und das würde nichts gutes sein. Mein Blick huschte wieder zu Fay und Lex, die immernoch wie erstarrt dastanden und sich nicht rühren konnten. Ihre Gesichter waren noch blasser als vorher schon und ihre Atemzüge waren nicht mehr als ein Röcheln. Mein Gott, durchfuhr es mich. Sie ersticken! Wenn ich nichts unternahm, werden sie sterben. Mir blieb keine Zeit. Ich musse das Armband aktevieren. Also konzentierte ich mich darauf. Rief nach einer Waffe, die ich gegen den Schatten einsetzten konnte. Das Armband wurde warm und ich spürte, wie ich aus dem Armreif etwas formte. Ein scharfes Klirren war zuhören und ich hielt in meinem Händen die Sense. Drohend hielt ich sie dem Schatten entgegen. „Los, verschwinde und lass meine Freunde in Ruhe!“, rief ich dem Schatten zu. Dieser zog sich zusammen, ballte sich zusammen wie eine Kugel. Ich konnte deutlich spüren wie er mich ansah. Mich am liebsten direkt angreifen wollte. Doch er ließ es sein und verschwand. Mit seinem Verschwinden wurden auch Fay und Lex aus seinem Bann befreit und sie sanken, nach Luft ringend zu Boden. Ich ließ die Sense verschwinden und eilte zu ihnen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich. Fay zitterte noch eine Weile. In ihr Gesicht kehrte wieder etwas Farbe zurück und sie nickte. „Scheisse, was war das?“, fragte Lex zwischen einigen Atemzügen. „Das war Jack Griffin!“, sagte ich. „Er hat Euch…er wollte Euch umbringen!“ „Fast hätte er das auch geschafft. Ich dachte, ich ersticke!“, keuchte Fay. „Es hat sich angefühlt, als würde er mich würgen!“, sagte Lex. Räusperte sich. Hielt sich seinen Hals. Tastete ihn ab. „So ging es mir genauso!“, flüsterte Fay und befühlte auch den ihren. Ihre Finger zuckten aber zurück. „Mein Hals!“, flüsterte sie leise. „Lex, lass mich deinen Hals sehen!“, sagte sie aufgebracht und zog die Hände von dem Hals ihres Bruders. Ich verstand zuerst nicht. Doch dann sah ich die dunkle Linie, die sich quer über ihren Hals zog. Wie von einer Schlinge. Lex hob etwas den Kopf, zeigte ihr den Hals und auch auf ihm war ein roter Strich zu sehen. Fay stiess scharf die Luft aus. „Oh, Gott!“, flüsterte sie. Lex schien gemerkt zuhaben, das etwas an seinem Hals nicht stimmte. Er sah es ja selbst an Fay. Sein Gesicht verhärtete sich, sodass er aussah, wie Brian, wenn ihm etwas nicht gefiel. Vorsichtig berührte er den Hals von Fay, sie zuckte zusammen. „Jetzt wissen wir, wie er zutode kam!“, flüsterte er und schaute nachoben. Seine Augen gingen zu dem Balken über ihnen, blieben daran haften. Suchten etwas. Und fanden es. Er richtete sich auf, streckte sich zu dem Balken hoch und langte hinauf. Ließ seine Finger über das Holz wandern. Hielt dann inne. „Ich glaube, ich habe hier etwas!“, sagte er. „Holt mal etwas her, wo ich draufstellen kann!“ Ich holte eine Kiste, die stabil genug aussah und schon sie zu Lex. „Hier, versuch es mal damit!“ Lex stellte die Kiste unter den Balken und stieg darauf. Wischte den Staub von dem Balken und untersuchte ihn weiter. „Hey, ich glaube, ich habe hier etwas!“, sagte er und stieg von der Kiste herunter. „Was denn?“, fragte Fay. Anstatt etwas zusagen, zeigte Lex nur auf die Kiste. „Seht es Euch an!“, wies er sie an. Fay stieg auf die Kiste, schaute nach und ihre Augenbrauen hoben sich. „Das ist ja ein Ding!“, flüsterte sie. „Allison kuck dir das an!“ Neugierig, was da sein könnte, kletterte ich auf die Kiste. Leider war ich nicht so groß wie Fay oder Lex, also musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zusehen. In dem dunklen Holz sah ich eine tiefe Abschürfung, an der Fasern zurückgeblieben waren. Fasern von einem Seil. Ich streckte die Finger danach aus, strich darüber und als ich sie berührte, blitzte vor meinen geistigen Augen ein Bild auf. Ein Mann, ich erkannte ihn, Jack Griffin. Mit einem Seil in der Hand, was er zu einer Schlinge geknotet hatte, stieg er auf einen kleinen Hocker und wickelte die Schlinge um diesen. Dann schob er seinen Kopf durch die Schlinge und sprang vom Hocker. Noch ehe ich mehr sehen konnte, wurde ich wieder ins Hierundjetzt zurückgerissen, wofür ich sehr dankbar war. Doch der Schrecken saß mir tief in den Knochen und ließ mich kurz in die Knie gehen. Ich hielt mich an dem Balken fest un stieg dann vorsichtig hinunter. Mir war schwindelig und ich brauchte einen Moment, bis ich wieder sicher auf den Füssen war. Fay war sofort zur Stelle und legte mir die Hände um die Schultern. „Geht es?“, fragte sie, wobei das wirklich untertrieben war. Ich nickte trotzdem. „Was hast du gesehen?“ Fay setzte mich auf die Kiste, blieb dicht neben mir und strich mir behutsam über den Rücken. Mühevoll holte ich Atem und sagte, was ich gesehen hatte, obwohl sich mir der Magen umdrehte. „Ich hab gesehen, wie er sich erhängt hat!“, würgte ich hervor. „Fehlt uns nur noch der Junge!“, sagte Lex. Wir saßen wieder in der Halle und wieder hatten wir uns was Prozentiges bringen lassen. Wobei ich einen doppelten hatte. Mit verkrampften Händen umfasste ich das Glas und nahm einen langen Schluck. „Wie bitte? Sag mal hast du sie noch alle?“, kam es von Fay aufgebracht und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wir wären beinahe draufgegangen, als wir den Geist von Jack Griffin gefunden haben. Oder besser gesagt, als er uns fand!“ „Ich gebe zu, es war knapp. Und wäre Allison nicht eingetreten, wären wir tot!“, sagte er, worauf er mir einen anerkennenden Blick zuwarf. Wow, er konnte auch mal ein Lob verteilen. Wer hätte das gedacht. „Nichts desto trotz müssen wir nun auch erfahren, wie der Junge gestorben ist!“, sagte er dann und schaute in die Flammen. „Warum?“, fragte ich. „Damit wir ihnen endlich den Frieden geben können!“, sagte er. „Solange ihre Seelen voneinander getrennt sind, werden sie weiterhin hier herumspuken!“ „Woher willst du das wissen?“, fragte ich. „Nenne es eine Ahnung!“, sagte er nur. Es ist schon spät. Wir sollten Schlafen gehen!“ „Ich bezweifle, dass ich heute Abend ein Auge zubekommen werde!“, murmelte ich. „Kannst dich ja an mich ehran kuscheln, wenn du Angst hast!“, sagte Fay mit einem verschmitzen Grinsen. Ich verschluckte mich dabei sosehr, dass meine Augen brannten. „W-Wie bitte!“, keuchte ich und versuchte wieder normal zu atmen. Fay lachte nur. „War ein Witz!“ „Sehr komisch!“ Ich wälzte mich viele male im Bett hinundher. Wie man es sich denken konnte, fand ich keinen Schlaf. Fay hingegen schlief wie ein Stein. Wie machte sie das bloss? Mit einem frustierten Seufzen nahm ich mein Kissen und klopfte es zurecht. Ließ mich darin fallen und verschränkte die Arme. Wenn ich nicht bald einschlief, würde ich morgen früh so fit wie eine nasse Socke sein. „Soll ich dir ein Schlaflied singen?“, fragte Erik, der neben mir aufgetaucht war und ich konnte deutlich an seiner Stimme hören, dass er grinste. Ich konnte nicht anders, als mein Kissen zuschnappen und es ihm um die Ohren zuhauen. „Schnauze!“ „Auatsch! Was soll denn das?“ „Ich habe dir gesagt, dass ich dir was um die Ohren hauen werde, wenn du mich wieder erschreckst!“, sagte ich. „Schon gut, schon gut. Ich werde dich nicht mehr erschrecken!“, sagte er. Ich schnaubte und nahm wieder das Kissen. Klammerte mich daran. „Selbst wenn du mir ein Schlaflied singst, werde ich kein Auge zumachen können!“, murmelte ich. Es lief mir kalt den Rücken runter, als ich mir wieder das Bild des erhängten Mr. Griffin ins Gedächtniss rief. Nein, ich würde nicht mehr schlafen können. Zumindest nicht solange ich hier war. „Wieso? Was ist passiert?“, fragte er. Erik schien gemerkt zuhaben, dass mich etwas verstört hatte. Ich drückte das Kissen enger an mich und grub mein Kinn darin. Verschränkte stärker die Arme um mich, damit er nicht sah, wie sehr ich zitterte. „Ich…ich habe den Tod eines anderen gesehen. Ich hab gesehen, wie er sich erhängt hatte!“, flüsterte ich. „Das ist doch nichts Neues!“, sagte er Erik völlig unsensibel, wofür ich ihm wieder das Kissen um die Ohren gehauen hätte. Doch ich ließ es, ich zitterte zusehr, als das ich ihn getroffen hätte. „Achja, und was wenn ich dir sage, dass der Mann schon längst tot ist?“, fragte ich, womit Erik erstmal der Atem stockte. „Du hast gesehen, wie ein Toter sich umbrachte?“, bohrte er nach. „Ja, verdammt!“, sagte ich gereizt, wobei ich aufpassen musste, dass ich nicht Fay weckte. „Das ist seltsam!“, murmelte er und schien erstmal selber darüber nachzudenken. Seltsam? Das nennt der seltsam? Entschuldigung, aber seit meiner Kindheit sehe ich seltsame Dinge. Dinge, die mir Angst machen und immernoch und mich nun in diesen Strudel aus Monstern, Dämonen und anderen dunklen Biestern hingezog. Was sollte nun daran seltsam sein? „Inwiefern?“, fragte ich, weil ich wirklich neugierig darauf war. „Nun, eigentlich siehst du Dinge, die Lebenden geschehen. Dass du aber nun die Vergangenheit eines Toten gesehen hast, zeigt, dass du mehr Fähigkeiten hast, als gedacht!“ „Soll mich das jetzt beruhigen?“ „Naja, wenn es das tut dann, ja!“ „Nein, ehrlich gesagt nicht!“, sagte ich trocken. „Was war das überhaupt?“ „Wie du schon sagstest, eine Vision aus der Vergangenheit des Toten. Man kann es schwer erklären!“, sprach er nachdenklich. „Auf jeden Fall kannst du mit dieser Gabe, die Erinnerung des Geistes sehen. Was durchaus hilfreich ist!“ „Ja, aber ich weiss nicht, ob ich darüber froh sein sollte!“, murmelte ich. „Zumindest weisst du jetzt, wie er starb und hast somit etwas Wichtiges erfahren!“ „Und was?“ „Einem Mensch, der Selbstmord begeht, ist zum einen der Zutritt in den Garten verwehrt und zweitens muss es einen triftigen Grund gegeben haben, dass er eine so schwere Sünde begeht und seinen Frieden verwehrt!“ „Fragt sich nur was für ein Grund?“ „Genau das müsst ihr rausfinden!“ Ich wollte fragen wie, als wir plötzlich einen Schrei hörten. Er kam vom anderen Ende des Flures, auf dem auch unsere Zimmer lagen. Fay war sofort wach und sprang aus dem Bett. Ich folgte ihr, wenn auch ein wenig ungelenk. Lex kam uns entgegen. „Was war das?“, fragte Fay. Ob sie damit den Schrei meinte oder ob dieser von einer lebenden Frau oder von einer toten kam, war fraglich. Was aber deutlich war, war, dass der Schrei das halbe Hotel geweckt hatte, plus die Hotelinhaber. Diese stürmten ebenso auf den Flur. „Was soll denn das Geschrei hier!“, brummte Mr. Farlane. Da kam ein Mann rausgstürmt. Er war in heller Aufregung und wedelte wild mit den Händen. „Helfen Sie mir. Meine Freundin…!“, schrie er. „Was ist mit Ihrer Freundin?“, fragte Mr. Farlane. „Sie…sie steht unter Schock!“ „Was ist passiert, Judy?“, fragte Fay, die der verstörten Frau ein Glas Gin gab. Mit zitternen Händen hob sie das Glas an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. „Ich…ich habe geschlafen. Als mich plötzlich ein kalter Lufthauch streifte. Ich machte die Augen auf und wollte aufstehen. Ich dachte, das Fenster sei noch offen. Aber als ich aufstehen wollte, sah ich plötzlich diese Gestalt vor mir und sie streckte ihre Finger nach mir aus. Als sie mich berührte wurde mir eiskalt und ich dachte, ich müsste sterben!“ „War es eine männliche oder weibliche Gestalt?“ Die Frage war mir einfach aus dem Mund gerutscht. Alle Anwesenden sahen mich an. Teilweise, so als habe ich den Verstand verloren und andere weil ich mich zurückhalten sollte. Letzteres traf auf Lex und Fay zu. Schnell zog ich mich zurück und presste die Lippen aufeinander. „Was macht das für ein Unterschied?“, fragte die Frau und ihr Blick huschte von mi zu Fay und Lex und wieder zu mir. „Wer sind Sie überhaupt?“ Erst jetzte schien sie richtig zu merken, dass wir uns nicht wie typische Gäste benahmen. Statt nach einem Arzt zurufen, hatten wir uns in dem Zimmer versammelt, dass das Paar bezogen hatte. Mrs. Farlane war gleich zur Rezeption gegangen und hatte nach einem Arzt verlangt. Während ihr Mann mit uns im Zimmer stand und ziemlich angesäuert aussah. Ich konnte mir gut vorstellen, was er dachte. „Erst meine Frau und jetzt auch noch ein Gast. Das wird noch unser Ruin sein!“ „Wir…wir sind Hobby-Geisterjäger!“, log Lex schnell, was eigentlich der Wahrheit entsprach. „Hobby-Geisterjäger?“, echote der Freund der Frau und sah uns nun allesamt an, als seien wir gaga. „Wollen Sie uns verarschen?“ Lex slächelte gütig, versuchte ruhig zubleiben. „Nein, wir wollen Ihnen nur helfen!“, sagte er und wandte sich wieder an Judy. „Konnten Sie etwas hören oder erkennen. Hat dieses Ding etwas gesagt?“, fragte er. Judy runzelte die Stirn, schien nicht zuverstehen, was er damit meinte. Schüttelte aber dann den Kopf. „Nein, ich…ich hatte nur diese Kälte und diese Angst gespürt!“, flüsterte sie. Wischte sich den Schweiss von der Stirn. „Was erhoffen Sie sich von dieser Fragerei?“, fragte der Mann und umklammerte die Schultern der zitternen Frau. Lex hob beschwichtgend die Hände. „Es sind nur Fragen. Ich bin nunmal neugierig!“ „Dann sparen Sie sich ihre Neugier und lassen Sie uns in Ruhe!“, blaffte der Mann ihn an und wandte sich an Mr. Farlane. „Morgen wollen wir auschecken!“ Mr. Farlane nickte. Was blieb ihm auch anderes überig? Danach legten wir uns alle wieder ins Bett, wobei ich und Fay und womöglich auch Lex kein Auge zutaten. Am nächsten Tag reiste das Paar wie angekündigt ab. Es machte keine Szene, wofür Mr. Farlane wohl sehr dankbar war. Den anderen Gästen erzählte er, dass die arme Frau einen Alptraum hatte, der sie so zum schreien brachte. Mit ihm allerdings über den Vorfall zureden, war sinnlos. Trotz all dem wollte er nichts davon hören, dass es in seinem Hotel spukt. Unsere einzige Hoffnung war daher seine Frau. Unter einem Vorwand baten wir sie in den kleinen Salon. Lex hatte was weiss ich erzählt, um sie von ihrem Mann wegzulocken, der uns sowieso mit Argusaugen beobachtete. „Mrs. Farlane. Die Lage wird ernst. Jetzt hat dieser Geist sich schon einem Gast gezeigt. Es hätte schlimmer ausgehen können, als nur mit dem Erschrecken. Sie müssen Ihren Mann dazu überreden, dass Sie und die Gäste, auf der Stelle gehen müssen. Bevor noch was Schlimmeres passiert!“, sprach Lex eindringlich ihr zu. Mrs. Farlanes Gesicht sah müde und abgespannt aus. Sie musste eine ebenso schlaflose Nacht gehabt haben, wie wir alle. „Ich weiss, und glauben Sie mir: Ich würde keine weitere Nacht hierbleiben. Aber ich und mein Mann haben soviel reingesteckt, als das wir es aufgeben können!“, sagte sie erschöpft und wischte sich über die Stirn. „Das verstehe ich. Aber wir haben die Wahrheit erfahren. Über den Besitzer des Hauses. Er hat sich erhängt. Nachdem seine Frau und sein Sohn verschwunden, gestorben sind. Solange wir nicht wissen, wie wir seinen Geist beruhigen können, ihn bannen können, müssen Sie hier raus!“, sagte Lex und ich war verwundert, wie sanft er zu ihr sprach. Mrs. Farlane sah ihn einen langen Moment schweigend an, dann aber nickte sie. Ich atmete erleichtert auf. Sie kam zur Vernunft. Doch dann sagte sie etwas, was mich alle Hoffnung aufgeben ließ. „Das weiss ich. Deswegen habe ich jemanden angrufen, der es kann!“ Vor dem Hotel hielt ein Taxi. Und wenige Minuten später, läutete es an der Tür. Mrs. Farlane machte auf. Wir waren in der Hotelhalle, um uns den neuen Gast anzusehen. Eine kleine rundliche Frau trat ein. Trug ein altmodisches schwarzes Kleid, mit weissem Blumenmuster und Spitzenkragen. Das ergraute Haar zu einem strengen Dutt zusammen geknotet, sodass es aussah, als würde die gesamte Kopfhaut nachinten straffgezogen und auf ihrer Nase saß eine dicke Hornbrille, mit einer von kleinen Perlen bestückten, Brillenkette. Ihre Lippen waren mit grellrotem Lippenstift verschmiert, mit dem sie sich wohl ihre Jungend zurückholen wollte, was aber gründlich misslang. Kaum dass sie an die Rezeption trat, nahm sie die Brille ab und sah sich mit zusammen gekniffenen Augen. Sie erinnerte mich irgendwie an die kleine Dame aus dem Film „Poltergeist“, die das Haus reinigen wollte und es nicht geschafft hatte. War sie etwa auch so etwas, wie eine Geisteraustreiberin? Mr. Farlane ging zu ihr und begrüsste sie. Er dachte wohl, sie sei ein Gast. Als aber seine Frau kam und diese begrüßte und sich bedankte, dass sie so schnell gekommen war, schien er den Braten zuriechen. Sagte aber nichts. Wir schnappten ihren Namen auf. Mrs. Jeckins! „Was führt Sie hierher?“, fragte er und schaute kurz zu seiner Frau, die den Kopf zwischen die Schultern zog. „Ihre Frau hat mich gestern angerufen und gebeten, mich ein wenig hier umzusehen. Sie haben Probleme mit einem Geist?“, sagte sie und schaute sich um. Ging dabei in die Halle und blieb dann stehen. Hob dann die Hand und ließ durch die Luft wandern. Schloss die Augen. „Nun, wir…wir hatten einige technische Probleme!“, versuchte er sich rauszureden und warf wieder seiner Frau, diesesmal einen wütenden, Blick zu. „Technische Probleme?“, fragte Mrs. Jeckins und schien nicht so recht überzeugt zusein. Sie hatte Ahnung, das musste man ihr lassen. Zum Glück, zumindest zu Mr. Farlanes Glück, waren nicht viele Gäste in der Halle. Nur ich, Fay und Lex. Doch das reichte auch schon, um verlegen zuwerden und auch wütend. Mrs. Jeckins ließ die Hand weiter wandern, hielt dann aber inne. Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten und sie sagte mit unguter Stimme:„ Ich spüre hier eine negative Aura!“ Ihre Hand bewegte sich noch einmal um sicher zusein, dass sie sich nicht irrte und hielt dann da inne, wo sie zuanfang die Hand gehalten hatte. Ich musste ein Lachen unterdrücken. Die negative Aura, die sie verspürte befand sich da, wo Lex saß. Um es genauer zusagen: Lex war wohl die negative Aura! Lex sagte darauf nichts, sondern warf der alten Dame nur einen giftigen Blick zu. Ich meinte so etwas wie „Ich zeige der gleich mal eine negative Aura!“, von Lex murmeln zu hören und grinste umso mehr. „Das ist einer unserer Gäste!“, sagte schnell Mr. Farlane und wandte sich an Lex. „Ich bitte vielmals um entschuldigung!“ Dann drehte er sich zu seiner Frau. „Was hast du dir dabei gedacht?“, blaffte er sie an und ballte die Fäuste. „Ich wusste nicht weiter. Wielange soll das denn noch gehen. Nicht mal sie haben was getan, obwohl sie vom Scotland Yard kommen!“ Da warf Mrs. Jeckins uns einen Blick zu, der sagte, dass selbst wir hier nichts machen konnten und ich war versucht, ihr zu sagen, dass sie auch nicht viel errechen würde. Ließ es aber sein. Soll die doch ihr Glück versuchen. Vielleicht sollte ich so fies sein und Erik bieten, sie ein wenig zuschocken. Die Verlockung war sehr groß und ich glaubte, ein böses Kichern in meinem Kopf zuhören. „Mrs. Farlane, es ist leider nicht leicht und es geht nicht von heute auf morgen. Aber wir haben schon viel herausgefunden!“, begann Lex nun, der aufstand und einen ebenso abschätzenden Blick auf die alte Dame warf. „Anscheinend nicht genug. Denn sonst wäre ich nicht angerufen worden!“, behauptete sie dann und ich spürte plötzlich wie die Luft sich elektrisch auflud. Oh-Oh! „Ich werde noch heute Abend eine Séance abhalten !“, beschloss sie. Wir alle schnappten nach Luft. Mr. Farlane, weil er nicht gerade begeistert war. Mrs. Farlane, weil sie davon nicht gehört hatte. Ich, weil ich nicht wusste, was das sein sollte. Und Lex und Fay, weil sie wohl ahnten, was das bringen würde. Nichts! „Eine was?“, platze es aus Mr. Farlane und er wurde rot im Gesicht. „Eine Séance! Eine Geistersitzung. Durch sie erfahren wir, wie wir dem Geist helfen können!“ Stille. Das war das einzige, was zu hören war. Wir alle sahen sie nur an. Doch Mr. Farlane war der erste, der etwas sagte. „Eine Geisterbeschwörung? Haben Sie noch alle? Wissen Sie wieviele Gäste wir verlieren werden?“, blaffte Mr. Farlane. Mrs. Jeckins schien sich dessen nicht bewusst zusein, denn sie zuckte nur mit ihren Schultern und stellte ihren Koffer ab. „Wenn Sie den Geist loswerden wollen, bleibt ihnen wohl keine andere Wahl!“, sagte sie und kurz schien es in Mr. Farlanes Gesicht zuarbeiten. Er fragte sich wohl, ob er sie nicht gleich wieder rausschmeissen würde oder noch besser, die Polizei rufen sollte. Doch dann schloss er die Augen und seine Stirn legte sich in tiefe Sorgenfalten. Er seufzte. Brachte nur schwer die Worte über die Lippen. „Also gut. Heute Abend. Aber warten Sie bitte, bis alle Gäste zu Bett gegangen sind!“ „Wir werden bleiben!“, sagte Lex inbrünstig und kurz sah Mrs. Jeckins ihn an. Deutlich sagte ihr Blick, dass sie das nicht wollte. Doch Lex´s Blick verfinserte und ich glaubte ein böses und warnendes Knurren zuhören. Ein Ruck ging durch die alte Frau und sie nickte dann schließlich. „Meinetwegen!“ „Damit wir uns richtig verstehen: Niemand verliert auch nur ein Wort darüber!“, sagte Mr. Farlane und warf uns dabei warnende Blicke zu. Wir sagten nichts. Wir hatten uns auf unsere Zimmer zurückgezogen. Um genau zusein, hatten wir uns alle in Fay und mein Zimmer versammelt um das, was eben passiert ist zubesprechen. „Was hälst du davon?“, fragte Fay, die es sich auf dem Bett bequem gemacht hatte. Lex stand an der Verbindungstür gelehnt da und machte ein bitteramüsiertes Gesicht. „Ganz ehrlich? Ich hatte alle Mühe, nicht laut loszulachen, als ich diese alte Schreckschraube gesehen habe!“ „Denkst du, sie ist eine Betrügerin?“, fragte ich nun. Lex zuckte die Schultern. „Ob Betrügerin oder nicht. Sie macht das ganze nur noch schlimmer. Geiste rmögen es nicht, wenn man sie provoziert!“ „Wie soll sie die Geister provozieren? Sie sagte doch, sie wollte sie vertreiben?“ „Ja, aber Geister lassen sich nicht so einfach vertreiben. Besonders nicht Geister, die ruhelos sind. Das müsstest du eigentlich vom letzten Mal wissen!“, sagte er und ich schluckte. Natürlich. Geister waren an den Orten gebunden, an denen sie zutode kamen. Genauso wie Samantha, die durch einen schlimmen Brand ums Leben kam und als ruheloses Gespenst durch die Irrenanstalt wanderte und Menschen umbrachte. Aber etwas daran unterschied sich von diesem und dem letzten Fall. „Aber dieser Jack hat sich doch umgebracht, während Sammy einen Unfall hatte. Wo ist da bitte schön die Gemeinsamkeit?“ „Geister sind zwar in manchen Dingenverschieden. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie bleiben dort, wo sie zuletzt waren. Gelebt haben und gestorben sind. Und gehen nicht, ehe sie das, was sie an das Deseits bindet, erledigt haben oder von dem befreit werden. Daran kann keiner was ändern!“, erklärte Lex. Warf dann einen grimmigen Blick zu der Tür, die zum Flur führte und sagte mit knurrender Stimme:„ Nicht mal so ein „Medium“, wie diese Alte. Falls sie das überhaupt ist!“ „Ich kann ja Erik bitten, sie ein wenig zuerschrecken. Ich bin sicher, er hätte dabei einen mordsspass!“, witzelte ich. Es sollte wirklich nur ein Witz sein, doch als ich Lexs breites Grinsen sah, wusste ich, dass er das ernst nahm. „Hey, das war ein Joke!“ „Ich weiss, aber es wäre wirklich ein mordsspass!“ „Lex, lass den Unsinn!“, tadelte Fay ihren Bruder. „Selbst Erik wäre sich dafür zuschade!“ Mit jeder Stunde, die verstrich und sich der Abend näherte, merkte ich, wie nervös ich wurde. Ich ertappte mich dabei, wie ich immer öfter auf die Uhr und aus dem Fenster schaute. Mir auf die Lippen biss und daran nagte. Schnell versuchte ich mich irgendwie abzulenken. Fragte Fay, ob sie was zulesen dabei hätte. Kurz suchte sie in ihrer Tasche und holte ein Buch hervor. Es war ein Roman von Steven King. Es! Natoll, ein Horrorschinken. Passt ja. Aber ich sagte nichts, sondern schlug die erste Seite auf und begann zulesen. Doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Irgendwann gab ich es auf und legte das Buch beseite. Fay ahnte, dass ich nervös war. „Du bist aufgeregt, stimmts?“ Ich nickte nur. „Deine erste Séance?“, fragte sie wieder. „Ja!“, sagte ich. „Was passiert da eigentlich?“ „Man setzt sich an einen Tisch, greift sich bei den Händen ruft den Geist. Dabei müssen sich alle konzentieren und den Kreis nicht unterbrechen. Sonst geht das voll nach hinten los!“ „Hast du das schonmal gemacht?“ „Nein!“ „Und woher weißt du das alles?“ „Ich habe das in einigen Filmen gesehen und mich immer kaputtgelacht, wenn die Schauspieler den Kreis, wegen irgendwelchen dummen Gründen unterbrochen haben und dann Panik bekommen haben!“ „Und wird es genauso schiefgehen, wie in den Filmen?“ „Nein, weil das erst gar nicht funktionieren wird. Denn Geister lassen sich nicht anrufen, wie ein Mensch ans Telefon!“ „Und was meinst du wird dann passieren?“ „Nichts! Denn wenn der Geist nichts von sich hören lässt, wird sie gehen und uns in Ruhe unsere Arbeit machen lassen!“ „Bist du sicher?“, fragte ich nach, wobei Fay diejenige war, die die meiste Erfahrung hatte. Aber ich konnte nicht das Gefühl unterdrücken, dass bei der Séance etwas geschehen würde. Nur mit Mühe konnte ich dieses tief in mir verbergen und versuchen ruhig zu bleiben. Der Zeitpunkt, an dem die Séance stattfinden sollte, kam endlich. Nach langem warten. Alle Gäste waren zu Bett gegangen und schliefen tief und fest. Nur ich, Lex, Fay, die Farlanes und Mrs. Jeckins waren noch wach und hatten uns in der Hotelhalle um den runden Tisch versammelt. Das große Licht war ausgeschaltet und nur Kerzen erhellten den großen Raum. „Séance im großen Stil!“, hatte mir Fay zugeraunt und ich musste ein Lächeln unterdrücken. Wir setzten uns um den Tisch herum. Vor Mrs. Jeckins lag ein kleines Porträt von Jack Griffin, da Mr. Farlane zuvor vom Dachboden geholt hatte und ein violettes Kissen, in dem eine Kugel eingebettet war. Ohje! Das erinnerte mich irgendwie an eine Wahrsagerin. Und wenn ich mir Mrs. Jeckins so ansah, glich sie wirklich mehr einer Wahrsagerin vom Rummelplatz, als einem ernstzunehmenden Medium, wie Lex gesagt hatte. Ich tauschte einen Blick mit Fay, die diskret mit dem Finger gegen ihre Schläfe tippte und die Augen verdrehte. Ich musste ein Glucksen unterdrücken. Lex schien aber nicht zum Lachen zumute zusein. Er schaute mit finsterer Miene zu der alten Frau, die sich in den Mittelpunkt gestellt hatte. Etwas in seinem Blick sagte mir, dass er ebenso etwas ahnte, wie ich. Doch bevor ich Lex darauf leise ansprechen konnte, sagte Mrs. Jeckins schon:„ Ich möchte, dass Sie sich alle die Hände reichen und sich auf den Geist des vertorbenen konzentieren, Jack Griffin. Ich werde ihn rufen und was immer auch passiert: Sie dürfen die Hände nicht voneinander lösen!“ Es war genauso wie Fay es gesagt hatte. Sie warf mir einen wissenden Blick zu, tat aber was die Frau sagte und wir reichten uns alle die Hände. Mrs. Jeckins löschte alle Kerzen auf dem Tisch bis auf eine und schloss die Augen. Dann sagte sie mit hoher und beschwörender Stimme:„ Wir wollen denGeist von Jack Griiffin sprechen, der einst unfreiwillig diese Welt verlassen musste und nun hier ruhelos umhergeht. Jack, hörst du uns?“ Ich musste den Drang unterdrücken, mit halbgeschlossenen Lippen ein schauerliches Ja auszusprechen. Sowas albernes, dachte ich. Dennoch konzentierte ich mich. Versuchte mir das Gesicht des Toten vor meinen geistigen Augen heraufzubeschwören. Langsam schälte es sich aus dem Nebel meiner Gedanken, bis ich es genau vor mir sah. Ich glaubte das altbekannte, unangenehme Ziehen in meinem Magen zu spüren. Schauderte. Spürte, wie sich meine Nackenhaare aufrichteten. Der Drang, Fays und Lexs Hände loszulassen und den Kreis zuunterbrechen war aufeinmal da. Ich hörte deutlich diese Stimme wieder in meinem Kopf sagen, dass ich es sollte. Doch selbst wenn ich es wollte. Ich konnte es nicht. Etwas hielt mich fest, ließ mich nicht los. Es war unheimlich. Ich spürte Angst, in mir hochkommen. Todesangst. Und als ich die Kälte spürte, wurde die Angst zur schieren Panik. Nein, nicht schon wieder! Ich blickte rasch zu Fay, sah wie versteinert ihr Gesicht war. Ihre Augen geweitet, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Oh nein. Sie auch! Ich schaute zu Lex. In seinem Gesicht war dergleiche Schrecken zusehen. Schweissperlen lagen auf seiner Stirn. Seib Atem beschleunigte sich, seine Hände, die vorher meine leicht umschlossen, umklammerten sie nun. Drückten mir das Blut ab. Ich wollte schon schreien. Aus Angst und Schmerz. Doch meine Stimme versagte. Meine Kehle war trocken, die Zunge geschwollen. Ich blickte zu Mr. Jeckins, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte und den Mund offenhielt. Ihre Augen waren immernoch geschlossen. Mit belegter Stimme, flüsterte sie. „Bist du hier? Jack Griffin? Gib uns ein Zeichen!“ Stille. Nichts als Stille! Dann aber begann die Kerze vor Mrs. Jeckins unruhig zu flackern und der Kornleuchter begann gefährlich hinundher zuschwanken. Es klirrte und quietschte und ich hatte Angst, dass er runterfallen würde. Doch er blieb hängen, schaukelte noch ein paarmal, dann hörte er auf. Ein Klopfen ertönte, dreimal, und ließ uns alle zusammenzucken. Riss uns aus unserer Starre und wir atmeten allesamt aus. Die Farlanes waren immer noch kalkweiss. Nur langsame beruhigten sie sich. Nun sank der Kopf von Mrs. Jeckins nachvorne und sie öfnete die Augen. Sie waren glasig, weiaufgerissen. Gleichen denen, einer unter Schock stehenden. „Er ist hier!“, flüsterte sie und blickte dann auf die Kristallkugel. Ein dunstiger Nebel war in dieser erschienen und waberte darin. Zog lange Schlieren, in denen ich glaubte Fratzen zusehen. Ich schauderte. Der Nebel trat bdann aus der Kugel wogte auf, wie eine Welle und breitete sich auf der Tischplatte aus. Türmte sich dann auf und nahm die Form eines Menschen an. Wir blickten alle zu dieser auf und als der Umriss und die Konturen etwas schärfer wurden, erkannten wir, wer da vor uns war. Jack Griffin. Schon auf dem Bild machte er einen einschüchternen Eindruck. Doch als Nebelgestalt, als leibhaftiger und gut zusehender Geist, war er noch furchteinlössender. Sein Gesicht zeugte von Härte und Strenge. Mir lief es eisig den Rücken runter und ich fragte mich, warum und wie man einen solchen Menschen lieben konnte. Ich musste dabei an seine arme Frau denken. Wie sie uns hilfesuchend angschaut hatte und sich dann die Klippen runtergestürzt hatte. Oder an den kleinen Jungen, der spurlos verschwand. Seinen kleinen Sohn. Thomas! Ich starrte ihn an und konnte ein Zittern nicht verhindern. Der Geist sah mich ebenso an. Schien die anderen um mich herum nicht zubemerken oder zubeachten. Sondern sah nur mich an. Seine Blicke bohrten sich durch meine Augen, in meinen Kopf hinein. Es war zuvergleichen, wie als wenn man glühendheisse Nägel durch die Augen schlagen würde. Ich wollte den Blick senken, ihn nicht mehr ansehen, aber ich konnte es nicht. Er hielt mich gebannt mit seinen Blicken, wie eine Schlange ein Kaninchen. Und wie eine Schlange, schnellte er plötzlich vor und packte mich an den Schultern. Da fand ich endlich meine Stimme wieder und schrie, als sich seine Finger wie Dolche in meinen Körper bohrten und mich von innen zu Eis werden ließen. Wie als wenn mir jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte, wurde aufienmal alles um mich herum schwarz und ich glaubte, meinen Körper zuverlassen. Ich wurde fortgerissen, weit weg von von meinen Freunden. Aus der Hotelhalle ins Nichts. Und dennoch sah ich sie um mich herum. Doch etwas überlagerte das Bild. Ein anderes Bild. Das Bild der Hotelhalle, die mal das Wohnzimmer gewesen sein musste, bevor das Ehepaar das Haus gekauft hatte. Ich erkannte den Kamin wieder, in dem Feuer loderte. Der Leuchter, auf dem statt Lampen nun Kerzen gesteckt waren und brannten. Die Möbel, wesentlich älter, als die, die jetzt da waren. All das sah ich, deutlicher, als das, was ich vorher gesehen hatte. Nur schemenhaft sah ich Fay, die sich zu mir herüber gebeugt hatte und an mir rüttelte. Schwach, beinahe weit entfernt hörte ich ihre Stimme rufen. Doch ich achtete nicht darauf, sondern sah zur Treppe und sah, wie ein Mann diese runter stürmte. Gefolgt von einer Frau, die auf ihn einredete. Ihr Gesicht waren sorgenvoll, aber auch enttäuscht. Ich erkannte sie. Es war Helen Griffin und der Mann Jack Griffin. Ich war in der Vergangenheit! Als sie ihn einholte und seinen Arm ergriff, wirbelte er zu ihr herum und schrie in etwas ins Gesicht. Daraufhin wich sie zurück und war den Tränen nahe. Sie schüttelte panisch den Kopf. Machte dann einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am den Reliefen seines Jackets. Sagte etwas, woraufhin sie noch aufgelöster wurde. Doch ihrem Mann schien das nicht zu kümmern, denn er riss sich los und stürmte davon. Genau auf mich zu. Ich wollte schon ausweichen, doch so schnell konnte ich nicht reagieren. Als er durch mich hindurch ging, stürzten wahre Wellen von Empfindungen auf mich ein. Wut. Enttäuschung. Und noch viele andere, die ich nicht aufzählen kann, da dies so schnell ging und ich, kaum dass er durch mich hindurch gegangen war, wieder ins hier und jetzt zurückgerissen wurde. Das erste, was ich bemerkte war, dass ich wohl mit dem Stuhl nachhinten gekippt sein musste und nun auf dem Boden lag. Dann, wie sich meine Freunde über mich beugten und auf mich einredeten. „Allison? Allison, kannst du mich hören?“, rief Fay besorgt. Als ich wohl nichts sagte, dachte sie das schlimmste. „Rufen Sie einen Arzt!“ Noch ehe Mrs. Farlane oder ihr Mann reagieren konnten, hob ich die Hand. „Nein, es..es geht wieder!“, brachte ich schwach heraus und richtete mich auf. Schwankte dabei etwas. Lex legte schnell den Arm um mich. Sah mich mit besorgter Miene an. Dann sah er zu Mrs. Jeckins und sein Blick wurde mörderisch. „Sie können von Glück sagen, dass ihr nichts passiert ist, Sonst würde ich Sie eigenhändig…!“, drohte er, doch Fay schnitt ihm das Wort ab. „Lex!“ Mrs. Jeckins schien mehr überrascht als erschrocken zu sein. Vermutlich hatte sie damit nicht gerechnet und ich wünschte nun wirklich, dass Erik ihr eine satte Lektion verpassen würde. „Ich…ich hätte nicht gedacht, dass…!“, stammelte sie nur. Lex schnaubte. „Haben Sie jemals gedacht!“, murrte er und lud mich, ohne dass ich überhaupt etwas sagen oder dagegen tun konnte, auf seine Arme und trug mich davon. „Geht es? Wirklich?“, fragte Fay mich, als wir oben angekommen waren. Lex hatte mich bis zu unserem Zimmer und ins Bett getragen. Erst als ich ihm sagte, dass es mir auch wirklich gut ging, ließ er mich los. Blieb aber dennoch. „Ja, ich...ich stehe nur immernoch etwas unter Schock!“, gestand ich. „Was ist denn passiert? Du hast geschrien und aufeinmal warst du wie weggetreten?“, fragte Fay. Ich brachte alle Kraft, die ich aufbringen konnte, auf, um zu erzählen, was ich gesehen hatte. Erlebte es erneut und schauderte. Ich zog die Decke eng um mich. „Sie haben gestritten? Weißt du um was?“ „Nein, ich habe sie nur gesehen. Konnte sie aber nicht hören!“, sagte ich. „Das macht es nicht gerade leicht!“, murmelte Lex. „Was jetzt?“, fragte Fay. Lex schien selber ratlos und blickte dann aus dem Fenster. Es verging eine lange Zeit, ehe er etwas sagte. „Meinst du, Erik kann diesen Geist aufspüren und etwas aus ihm herausholen?“, fragte er dann und Fay und ich sahen ihn an wie ein Auto. „Ist das dein Ernst?“, fragte Fay ungläubig. Ich sah ihn nur an und hätte fast gelacht, wenn ich nicht so unter Schock gestanden hätte. „Ja! Fällt dir was anderes ein?“, fragte er und hob die Schultern. Fay sagte daraufhin erstmal nichts. Schien wirklich keine bessere Idee zuhaben. Das reichte Lex und er wandte sich wieder zu mir. „Also? Meinst du, das ginge?“ Ich hob ratlos die Schultern. „Ja oder nein?“, kam es wieder von Lex, der langsam ungeduldig wurde. „Frag mich doch einfach!“, kam es plötzlich von Erik, der wiedermal wie aus heiterem Himmel hinter Lex auftauchte. Lex machte einen Satz nachvorne. Erik hatte mir versprochen, dass er mich nicht erschreckt, ihm aber nicht. Und als ich Erik ansah, glaubte ich ein gemeines Grinsen auf Eriks Gesicht zusehen. „Wo…wo kommst denn hier?“, fragte Fay, zwar auch erschrocken, aber nicht so wie ihr Bruder. „Ich war zufällig in der Nähe?“, riet Erik mit einem schiefen Grinsen. „Zu deiner Frage: Nein, leider nicht. Denn sobald ich meine Gedanken auf den Geist richte, würde er mich von sich wegstossen und damit nur noch alles schlimmer werden!“ Wir seufzten niedergeschlagen. Diese Option blieb und auch nicht. Also was jetzt? „Legt Euch erstmal schlafen. Morgen sehen wir weiter!“, sagte Lex und ging in sein Zimmer. Erik blieb noch kurz, dann sah er mich kurz an. „Meinst du, du kannst ein Auge zumachen?“, fragte er mich. Ich nickte. „Versuchen kann ich es ja!“ „Na dann. Gute Nacht!“, sagte er und verschwand. Fay sah ihm nach und schüttelte den Kopf. „Sag mal. Ist das normal, dass er einfach so auftaucht und dann wieder verschwindet?“, fragte sie und ich wollte schon sagen, dass das nicht alles sei. Ich erwähne nur die erste Nacht hier im Hotel, als Fay unter der Dusche stand und Erik einfach so auftauchte. Doch ich verbiss es mir. Ich zuckte daher mit den Schultern. „Ja, aber man gewöhnt sich dran!“, sagte ich. Wobei das haushoch erlogen war. Keiner der Gäste schien von der gestrigen Geistersitzung etwas bemerkt zuhaben. Dabei war es nicht gerade leise zugegangen, aber anscheinend hatte sich der ganze Spuk nur in der Hotelhalle zugetragen, sodass Mr. Farlane keinen Grund zur Sorge hatte. Naja, sagen wir: Fast keinen! „Das war das erste und letzte Mal, dass ich solch einem Unsinn zugestimmt habe!“, tobte er am nächsten Tag. Er, seine Frau, Mrs. Jeckings, die geblieben war, sehr zum Leidwesen Mr. Farlanes, Lex, Fay und ich hatten uns im Salon zusammengesetzt, um über das Ergebniss der Séance zusprechen. Mrs. Jeckins, die wohl immernoch nicht glauben konnte, dass ihre Arbeit gestern wirklich Früchte getragen hatte, saß da und schaute stumm vor sich hin. Daher ergriff Lex das Wort. „Sie haben doch gestern selber gesehen, was passiert ist!“, warf er ein. Nach allem was gestern vor sich gegangen war, müsste selbst Mr. Farlane erkennen, dass es hier Geister gab. So verbohrt konnte doch kein Mensch sein? „Wie erklären Sie es sich denn sonst?“ „Eine Einbildung. Nichts weiter. Weil jeder hier darauf behart, dass es hier spukt, hat sich mein Unterbewusstsein damit auch anstecken lassen und mir Sachen vorgegaukelt, die es nicht gibt!“ „Ach, und dass unsere Freundin beinahe einen Herzinfakt hatte, sagt nichts!“, giftete Fay nun und stemmte die Hände in die Hüften. Mr. Farlane wich einen Schritt zurück, als Fay ihm einen glühenden Blick zuwarf. Wow, Fay konnte richtig sauer werden. Mr. Farlane brauchte eine Weile, ehe er weitersprach. „Das…das beweist gar nichts. Absolut gar nichts!“, sagte er stotternt. Fay wollte gerade was zur Antwort ansetzen, als wir einen ohrenbetäubenden Krach und Geschrei hörten. Wir stürmten aus dem Salon, hätten uns beinahe selber umgestossen und eilten in die Halle. Dort hatten sich einige Gäste versammelt, die ziemlich erschrocken aussahen und durcheinander sprachen. Allesamt schauten sie auf den Tisch, vor den Kamin, der nun nur noch ein Trümmerhaufen aus Holz war. Der Leuchter musste sich aus seiner Halterung gelöst haben und war auf den Tisch gekracht. Man könnte meinen, die Kette war zuschwach gewesen, um das schwere Teil zu halten. Aber ich, Lex und Fay wussten es besser. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Mr. Farlane aufgebracht. Doch keiner der Gäste konnte etwas sagen. Alle Blicke waren auf den Leuchter gerichtet. „Was ist passiert?“, fragte Lex, der ebenso auf den Leuchter blickte, und dabei mehr zusehen schien, als die anderen. „Wir…wir haben hier gesessen, als…Er…er ist einfach runtergekracht!“, erklärte ein Mann bestürzt und versuchte seine Frau zuberuhigen. „Einfach so?“, hakte Lex nach, der es nicht so ganz glauben wollte. Dann wieder zur Kette schaute, die den Leuchter gehalten hatte und nun hinundher schwang. Seine Augen verengten sich. Ich ahnte, dass Lex etwas da oben sah, also schaute ich auch hinauf und glaubte, etwas wie einen Schatten an der Stelle vorbeihuschen zusehen, an der die Kette angebracht war. Jack Griffin! Dieser Mistkerl hatte den Leuchter runterkrachen lassen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Mensch unter diesem gestanden hätte. Solangsam wurde es gefährlich und ich hoffte inständig, dass Farlane endlich zur Vernunft kam und uns glauben würde. Lex nahm den Mann beiseite, als hätte er meine Gedanken gelesen und schob ihn in den Salon zurück. „Sehen Sie es endlich ein, Farlane? Alle hier schweben in großer Gefahr. Wenn Sie nicht endlich uns unsere Hilfe annehmen und tun, was wir sagen, wird es noch viel schlimmer werden!“, drängte er auf ihn ein. Mrs. Falarne war aschfahl und sie legte die Hand auf den Arm ihres Mannes. Sah ihn mit flehenden Blicken an. Ihr standen die Sorge und die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben. Mir tat sie leid. Was musste die Frau noch für Ängste ausstehen, damit ihr Mann endlich seine Sturheit vergass und auf uns hörte. „Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?“, fragte er scharf. Der Schock schien verflogen zusein. „Soll ich den Gästen sagen, dass es hier spukt und wir alle in Gefahr sind!“ „Zum Beispiel!“, erwiederte Lex ruhig. „Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich habe mein ganzes Geld in diesen Kasten gesteckt und lasse mir das nicht kaputt machen, nur weil Sie darauf bestehen, dass hier ein Geist umgeht!“ „Ihr Geld sollte Ihre kleinste Sorge sein. Denn der Geist wird sich nicht damit abfinden, dass Sie hier sind. Er wird alles tun, um Sie hierraus zubekommen. Das ist sein Haus!“ „Sie sind doch hier, um diesen Geist rauszuschmeisse? Warum tun Sie es dann nicht?“ „Das können wir nur, wenn niemand außer uns hier ist. Verstehen Sie denn nicht? Solange das Haus mit Menschen bewohnt ist, gibt es immer ein Risiko, dass einer verletzt werden kann!“ „Schatz, bitte. Hör endlich auf diese Leute. Du hast doch selbst gesehen, was alles passieren kann!“, flehte seine Frau. Grub ihre Finger in seinen Arm. Mr. Farlane sah sie mit einem tortzigem Blick an, dann seufzte er. „Also gut. Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber wenn Sie dabei keinen Erfolg haben, wars das!“, sagte er. Drehte sich um und ging. Nun wandte sich Lex an Mrs. Jeckins, die mit uns in den Salon zurückgegangen war. „Und Sie packen Ihre sieben Sachen und verschwinden von hier!“, wies er sie an. Mrs. Jeckins schnappte hörbar nach Luft und ich fürchtete, ihr Spitzenkragen würde dabei reissen. „Was soll ich? Was glauben Sie wer Sie sind?“, fragte sie entrüstet. „Ich bleibe!“ „Nein, das werden Sie nicht. Sie haben uns schon genugn Probleme bereitet!“ „Aber ich habe Erfahrung!“ „Die haben wir auch!“ „Ich kann helfen!“, sagte sie. „Sie haben uns genug geholfen!“, sagte Lex hingegen entschieden. Mrs. Jeckins öffnete den Mund, um noch etwas zusagen, doch Lex beugte sich zu ihr nachvorne und sagte mit knurrender Stimme: „Zwingen Sie micht nicht, Sie mit Gewalt rauszuschmeissen!“ Mrs. Jeckins Augen weiteten sich. Keine Ahnung, aber ich hatte das Gefühl, dass er sie wirklich an dem Kragen packen und über die Schwelle schelifen würde, wenn sie ihn dazuzwang. „Tun Sie, was er sagt!“, flüsterte ich. „Er meint es ernst!“ Mrs. Jeckins sah mich kurz an, dann wieder Lex. Straffte die Schultern und richtete in ihrer ganzen Größe auf. „Wie Sie meinen!“, sagte sie nur und stolzierte davon. Ich ging durch den Flur. Oder besser gesagt: Ich schwebte. Es war wie, als der Geist von Jack Griffin durch mich hindurch ging und mich aus meinem Körper riss. Es fühlte sich nicht gerade angenehm an, als körperloser Geist oder was auch immer ich war, durch den Flur zuschweben. Es fühlte sich kalt und leer an. Als wäre ich tot. Ich versuchte nicht weiterdaran zudenken. Schwebte weiter. Ich dachte zuerst, ich würde zum Dachboden gehen, aber dann sah ich, dass ich zur Treppe schwebte und dort stehen blieb. Unten am Fuss der Treppe sah ich Jack Griffin, mit einem kleinen Jungen im Schlepptau. Das musste sein Sohn sein! Er klammerte sich weinend an dem Bein seines Vaters fest und rief etwas. Wieder konnte ich nicht verstehen, was es war. Aber als ich das Gesicht des Jungen sah, wusste ich, dass er seinen Vater bat, ihn nicht allein zu lassen. Ich kannte selbst diesen Blick. Von früher, als… Ich versuchte nicht weiter daran zu denken und verfolgte, was sich da abspielte. Jack Griffin schien nicht auf das Flehen seines Sohnes zuhören. Er ging einfach weiter. Sein Gesicht eine grimmige Maske. Thomas klammerte sich umso fester an ihm. Schien noch ängstlicher und verwzweifelter zuwerden. Ich musste mich wirklich beherrschen. Am liebsten wäre ich auf Jack losgegangen und hätte ihn für seine Kaltherzigkeit eine reingedonnert. Doch ich hatte weder Hände noch Beine. War nichts weiter, als eine körperlose Gestalt. Und so war ich dazu verdammt zuzusehen. Es brach mir das Herz, wie der Kleine seinen Vater anflehte und verstand nicht, warum Jack Griffin das nicht berührte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass der Kleine wegen dem Tod seiner Mutter so außer sich war. Ich konnte die Trauer förmlich spüren. Als wäre sie meine eigene. Thomas sprang nun die letzten Sufen hoch, stellte sich seinem Vater in den Weg und ballte die Fäuste. Er schrie etwas und neben der Verzweiflung war auch die kindliche Wut zusehen. Ich versuchte die Worte nach zusprechen, um zuverstehen, was er da sagte. Seltsamerweise schaffte ich es auch. „Du hast Mama niemals liebgehabt!“ Das schlug ein wie eine Bombe. Jack Griffin, vorhin mit einem steinernen Gesichtsaussdruck, wurde nun kreidebleich und seine Augen weiteten sich vor Unglauben. Minuten lang passierte nichts. Vater und Sohn sahen sich an, als wären sie beide vom Blitz getroffen. Doch dann wurde das Gesicht von Jack Griffin wutverzerrt. Packte dann den Kleinen und schleuderte ihn, in einem Anflug wilder Wut, die Treppe hinunter. Ich schrie entsetzt auf. Thomas schrie auch auf, als er stürzte. Er überschlug sich paarmale, und als er unten ankam, rührte er sich nicht. Ich stürmte zu ihm und blickte auf ihn hinunter. Ich hatte gehofft, er wäre nur ohnmächtig, aber als ich in seine offenen leeren Augen schaute, wusste ich, dass es zuspät war. Thomas war tot! Nun eilte auch sein Vater zu ihm, rüttelte an ihm. Schrie sein Namen. Doch sein Sohn antwortete nicht. Er begriff erst vielzuspät, was er getan hatte und schlug die Hände vor den Mund. Schüttelte wie verrückt den Kopf und fuhr sich durchs Haar. Da verblasste die Vision und ich schlug die Augen auf. Lex hatte mich in eine Art Hypnose versetzt. Nachdem ich ihm erzählt habe, was ich auf dem Dachboden gesehen habe und was bei der Séance geschehen war, hatte er den Versuch geäußert es diesesmal bewusst heraufzubeschwören. Ich hatte erstmal so meine Bedenken. Willigte aber dennoch ein. Uns blieb schließlich nicht viel Zeit. Mr. Farlane hatte uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir mussten uns also beeilen. Mit zittriger Stimme erzählte ich, was ich gesehen hatte. Fays und Lexs Gesicht zeigten deutlich, dass sie entsetzt waren. „Grundgütiger Gott!“, flüsterte Fay, die sich die Hand auf den Mund gepresst hatte. „Zugegeben, das hätte ich nicht erwartet!“, murmelte Lex. „Konntest du noch mehr sehen? Wo er die Leiche hingebracht hat?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber das was ich gesehen habe, reichte mir schon!“ „Und was jetzt?“, fragte Fay, die sich langsam vom Schock erholte. „Naja, also auf dem Friedhof kann der Kleine ja nicht sein. Das Grab ist leer. Soviel wissen wir schon mal!“, sagte Lex und stirch sich durch das Haar. „Wäre also möglich, dass er seinen Sohn hier irgendwo verscharrt hat!“ „Du meinst die Leiche verwest hier irgendwo im Haus?“, fragte ich und mir wurde übel. Respekt vor den Toten hinoderher. Aber es graute mir über eine Leiche zuschlafen. „Im Haus wäre wohl zu auffällig. Die Farlane haben ja alles grundsarniert. Heisst also neue Rohre und so weiter. Da wäre es ihnen aufgefallen, wenn hier eine Kinderleiche vergraben wäre. Nein. Er muss sie irgendwo auf dem Grundstück vergraben haben. Man muss bedenken, dass er so schnell wie möglich die Leiche los werden musste. Für größere Sachen blieb keine Zeit!“ „Hätte er sie dann nicht einfach über die Klippen werfen können?“ „Nein, die Leiche wäre ja irgendwann wieder aufgetaucht!“ „Das hört sich wie ein schlechter Krimi an!“, murmelte ich. „Tja, leider ist das kein Krimi!“, sagte Lex. „Wir müssen uns die Gegend nochmal anschauen!“ „Jetzt gleich?“, fragte ich und hoffte, dass sie es auf morgen verschieben würden. Denn ich bezweifelte, dass ich das noch ertragen konnte. „Nein. Das machen wir morgen. Du musst dich ausruhen!“, sagte Lex und ich atmete innerlich erleichtert auf. „Soll ich dir noch etwas Hundertprozentiges holen?“, fragte Fay. Ich schüttelte den Kopf. In der kurzen Zeit hatte ich mehr Alki getrunken, als gut ist. Nicht, dass ich noch irgendwann an Leberzerose sterbe. „Nee, ich glaube diesesmal werde ich auch ohne Schnaps ruhig schlafen können!“ „Nadann, bis Morgen Euch beiden!“ Ein Geräusch weckte mich. Es war ein Rumpeln, als wäre jemand gegen etwas gelaufen. Ich öffnete die Augen einen Spalt und wollte nachsehen, ob es Fay war. Doch sie lag neben mir im Bett und schlief. Woher war also dieses Rumpeln gekommen. Vermutlich war es auch Erik, der sich wiedermal einen Spass daraus machte, mich zu erschrecken. Trotz Warnung. Ich schaute mich um, erwartete ihn in irgendeiner dunklen Ecke. Doch da war nichts. Habe ich mich vielleicht getäuscht? Gerade wollte ich mich wieder hinlegen und weiterschlafen, als ich plötzlich einem kleinen Jungen ins Gesicht schaute. Einem Geisterjungen! Schnell richtete ich mich wieder auf und blickte zu dem Junge, den ich zweifellos als Thomas erkannte. Der Kleine sah mich mit einem traurigen Blick an und wurde zu einem Nebelhauch. Schwebte dann zur Tür und entwich darunter. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Fay zuwecken. Doch ich spürte, wie dieser Geist mich darauf drängte, ihm zu folgen. Also kletterte ich aus dem Bett und lief leise zur Tür. Draußen auf dem Flur war es still und dunkel. Doch ich hatte keine Probleme, etwas zusehen. Meine Augen gewöhnten sich ungewöhnlich schnell daran und ich konnte alles erkennen, als wäre der Flur hellerleuchtet. Ich lief die Treppe hinunter, folgte dem Geist, der als Nebelschwaden durch das Haus schwebte und dann durch die Haustür verschwand. Ohne zu zögern öffnete ich die Tür und trat hinaus. Draußen war es kalt und ich fröstelte etwas in meinem Schlafanzug. Folgte aber dem Geist, der nun nach links schwebte und etwas weiter weg von dem Haus ging. Es mussten ungefähr fünf oder sechs Meter gewesen sein, als der Nebel an einer Stelle stehenblieb und ich ihn einholte. Nun verwandelte sich der Nebel wieder in den Geist, der auf dem Boden kniete, auf eine Stelle schaute und kurz vergessen zuhaben schien, dass er mich nachdraußen gelockt hatte. Dann aber drehte er sich langsam um und deutete vor sich auf die Stelle. Sein Mund öffnete und schloss sich. Er sagte mir etwas. Was, konnte ich, leider wiedermal, nicht hören. Aber ich wusste, dass es wichtig war. Dann verschwand der Geist und ich blieb noch eine Weile vor der Stelle stehen und blickte auf sie nieder. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Nicht nur wegen der Kälte. Sondern weil ich das Grab des Jungen gefunden hatte. „Du hast das Grab gefunden?“, kam es von Lex und Fay aus einem Mund und sie sahen mich mit großen Augen an. Ich hatte ihnen natürlich erzählt, was und wer mich gestern besucht hatte. „Ja, ich wollte es erstmal nicht glauben. Aber ich…ich wusste einfach, dass er da liegt!“ „Dann hat der Vater seinen toten Jungen da verschachert und sich darauf das Leben genommen?“, fragte Fay entsetzt und auch abgewidert. „Das würde einiges erklären!“ „Man darf nicht darüber nachdenken. Schrecklich sowas!“, murmelte Fay. „Zumindest wissen wir endlich, wo wir den Jungen finden. Kannst du uns die Stelle zeigen?“, fragte Lex. Ich nickte. Und ob ich sie wiederfinden würde. Noch am Mittag machten wir uns, mit Schaufeln bewaffnet, zu der Stelle auf, an der der Junge begraben war. Mr. Farlane wollte natürlich wissen, was wir mit den Schaufeln vorhatten. „Wir gehen ein wenig den Garten umgraben!“, hatte Lex nur gesagt. „Was wollen Sie? Haben Sie den Verstand verloren?“, rief er und wollte uns aufhalten, doch Lex war schon aus der Haustür draußen und wir folgten ihm. „Mal angenommen, wir finden den Jungen. Was dann?“, fragte ich. „ Wir bringen ihn zum Friedhof, legen ihn in das Familiengrab und hoffen, dass der ganze Spuk ein Ende hat!“ „Wird das auch wirklich funktionieren?“ „In den meisten Fällen funktioniert das!“ Lex rammte die Schaufel in den Boden und grub ein großes Stück Erde aus. Fay machte es ihm nach. Ich stand nur dabei und sah zu. Und kam mir dabei ziemlich überflüssig vor. „Kann ich Euch etwas helfen?“, fragte ich. „Ja, du kannst mal Mrs. Farlane fragen, ob sie uns was zutrinken gibt!“, ächzte Lex. „Klar. Was wollt ihr denn?“ „Für mich ein Wasser!“, sagte Fay. „Und du Lex?“ „Bier!“ Ich schürzte die Lippen. Wieso wunderte mich das nicht. Als ich mit den Getränken wiederkam, hatten Fay und Lex schon ein beachtlich tiefes Loch gegraben. Sie standen mittlerweile bis zum Hals darin und gruben immernoch weiter. „Und?“, fragte ich und blieb etwas vom Rand entfernt stehen. „Naja, der gute Griffin hat ein ganz schön tiefes Loch gebudelt!“, sagte Lex und streckte den Arm aus. Ich drückte ihm das Bier in die Hand. Das setzte er sogleich an die Lippen und trank ausgiebig daraus. „Ahh, tut das gut!“, sagte er und gab es mir wieder. „Soll ich mal weitermachen?“, fragte ich, weil ich mehr tun wollte, als hier rumstehen und die Getränke halten. „Ja, wenn es dir nichts ausmacht!“, sagte Fay, kletterte aus der Grube und ich stieg dafür hinein. Nahm die Schaufel und grub. Wir mussten geschlagene zwei Stunden gegraben haben. Mir lief der Schweiss in Bächen hinunter und ich merkte, wie meine Arme langsam den Dienst versagten. Der Mittag verging und als ich auf die Uhr schaute, sah ich, dass wir schon kurz vor sechs hatten. Und wir hatten immernoch nichts gefunden. Ich gab solangsam die Hoffnung auf. Vielleicht hatte ich mich ja geirrt und der Kleine war nur wenige Meter von dem Loch entfernt, begraben, in dem wir gerade buddelten. Doch da stiess Lexs Schaufel gegen etwas. „Hey, ich glaube, ich habe ihn gefunden!“, sagte er, legte dann die Schaufel weg und schob die restlichen Erdbrocken. Zum Vorschein kam ein verdreckter Sack, in dem etwas Großes, Festes war. Mir wurde übel. Lex schien es bemerkt zuhaben. „Kletter raus, ich kümmere mich darum!“, sagte er, wandte sich dann an Fay. „Fay, ruf den Pfarrer an und sag ihm, er soll in zwei Stunden auf dem Friedhof sein!“ „Alles klar!“ „Den Pfarrer? Warum brauchen wir einen Pfarrer?“ „Weil wir den beiden endlich die ersehnte Ruhe geben wollen. Und das können wir nur mithilfe eines Pfarrers!“, erklärte er. Wir musste den Pfarrer mitten aus seinen süßen, frommen Träumen gerissen haben. Denn als wir am Friedhof ankamen, stand ein gähnender Mann, gekleidet in schwarzem Pfarreranzug am Tor und sah uns schlaftrunken an. „Schön, dass Sie kommen konnten!“, begrüßte Lex ihn. Der Pfarrer winkte nur ab. „Ihr Anruf hat mich neugierig gemacht. Es kommt nicht oft vor, dass man mich zu so später Stunde anruft, damit ich über einem verstorbenen einen Segen ausspreche!“, sagte er und gähnte nochmals. „Um wen geht es denn?“ „Um einen kleinen Jungen. Sagt Ihnen der Familienname Griffin etwas?“, fragte Lex. Die Augen des Pfarrers weiteten sich und seine Müdigkeit war wie weggewischt. „Natürlich! Wem nicht!“ „Wir haben heute Nachmittag die Leiche des Jungen gefunden. Wir vemuten, dass sein Geist, solange er nicht im Grab seiner Familie liegt und mit ihr vereint ist, umherirrt. Zumal kommt noch hinzu, dass der Geist des Vaters ruhelos umhergeht und Menschen angreift. Und der Geist der Frau…naja…reden wir nicht lange um den heissen Brei herum. Wir haben Sie hierher gerufen, damit Sie den dreien den Segen geben und damit ihren Frieden!“ „Wie bitte?“, platzte es aus dem Pfarrer und sah uns drei an, als seien wir selber Geister. „Sie wollen, dass ich einem Selbstmörder den Segen gebe?“, fragte er dann entsetzt und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er sich weigern würde. „Ist das ein Problem?“, fragte Lex, mit gehobener Braue. „Und ob. Ich kann einem Sünder nicht den Seelenfrieden geben!“, sagte der Pfarrer aufgelöst. Ich seufzte innerlich. Geistliche und ihre Prinzipien. „Diesem Sünder müssen Sie aber den Frieden geben. Sonst wird er weitermachen und es werden noch Menschen zuschaden kommen. Ich nehme an, Sie wollen nicht für Tod eines Unschuldigen verantwortlich sein!“, sagte Lex und in seiner Stimme klang der Drohende Unterton mit, den ich von Brian kannte. Dem Pfarrer schien der Mut zuschwinden und vorallem seine Entschlossenheit. Er schluckte und machte einen Schritt zurück. „Also…also gut. Wo ist der Junge?“, fragte er dann und Lex deutete auf den Kofferraum. Den Friedhofswärter mussten wir mehr als einmal anklingeln, damit er endlich abnahm und mit verschlafener und missgelaunter Stimme fragte, was los sei. Lex bestellte ihn umgehend zum Friedhof. Ohne wenn und aber. Umso mürrischer war der Mann, als er kam und das leere Grab des Jungen aushob. „Sollten wir den Jungen nicht in einen Sarg legen, statt in diesem dreckigen Sack?“, fragte ich leise, weil das ganze doch ein wenig pietätlos war. „Wenn du noch den Tischler rufen und ihm das ganze erklären willst, bitte!“, raunte Lex zurück und ich vergass mein Bedenken. Als das Loch ausgehoben war, hob Lex den Sack, mit der Kinderleiche darin, auf und ließ es mit dem Friedhoswärter und mit Lederiemen, vorsichtig in die Grube hinab. Dann schütteten sie das Loch zu und klopften die Erde platt. „Also, jetzt sind Sie am Zug, Pfarrer!“, sagte Lex und stützte sich lässig auf der Schaufel ab. Der Pfarrer sah Lex nocheinmal mit einem unsicheren und ängstlichen Blick an, dann begann er mit seiner Ansprache. Ich schaute auf die Erde und versuchte das Schaudern und übelerregende Ziehen im Magen nicht zubeachten. Es klang wehleidig, aber ich hatte das Gefühl wieder bei der Beerdigung meiner Mama und von Marie, meiner Freundin zusein. Diegleichen Reden, das Grab. Die Umherstehenden. Wobei wir nur zu fünft waren. Aber dieses Gefühl ließ mich einfach nicht los. Umso glücklicher war ich, als der Pfarrer endlich fertig war und seine Rede mit einem „Amen“, und dem Kreuzzeichen beendete und wir endlich gehen konnten. Doch als ich mich umdrehen wollte, hielt Fay mich zurück. „Warte noch!“, sagte sie und ich wollte schon fragen, warum. Als ich da plötzlich den Nebel sah, der aus dem Grab aufstieg und sich hoch in die Luft emporschlängelte. Er formte sich zuetwas breitem, massigen und ich fürchtete schon, der wütende Geist von Jack Griffin würde aus seinem Grab kommen und uns angreifen. Ich griff automatisch nach dem Armreif, wollte meine Sense rufen, als sich dann aus dem Nebel die Umrisse von drei Menschen schälten und immer klarer zuerkennen waren. Es war die Familie Griffin. Jack, seine Frau Helen und ihr kleiner Sohn Thomas. Alle drei glücklich lächelnt und in inniger Umarmung. Thomas fiel seinen Eltern um den Hals. Helen umarmte ihren Sohn. Jack strich ihm über den Rücken, hatte Tränen in den Augen, die wie Regetropfen über seine Wangen liefen. Er küsste seine Frau zärtlich auf den Mund. Murmelte etwas, was Helen lächeln ließ und ihn enger an sich drückte. Dann wandten sie ihre Blicke auf uns. Thomas strahlte über das ganze Gesicht, winkte uns zu. Helen nickte. Und Jack? Jack sagte etwas und diesesmal verstand ich, was er sagte:„ Danke!“ Dann lösten sich die Geister auf. Wurden zu einer Nebelsäule, die weiter hoch in den Himmel stieg und dann in dem nächtlichen Himmel entschwand. Ich musste lächeln. ach all den Jahren waren sie endlich wieder vereint, Glücklich und im ewigen Frieden. Beinahe wurde ich neidisch auf sie, doch ich sagte mir, dass ich mich stattdessen freuen sollte. Was ich auch tat. „Machts gut und ruht in Frieden!“, flüsterte ich. Jemand legte mir die Hand auf die Schulter. Zuerst dachte ich, es sei Fay, die ebenso ergriffen war, wie ich. Aber als ich den Blick zur Seite wendete, sah ich Erik, der mich anlächelte. Als wir zurück in London waren, wollten Brian und Esmeralda wissen, was wir erlebt hatten und warum es gespukt hatte. „Nun, wir haben herausgefunden, dass das alles eine richtige Familientragödie war. Die Frau, Helen, litt am Schlafwandeln. Ich habe mich mal umgehört. Bevor sie nach London kam war es wohl nicht so schlimm. Erst als sie das Haus erbten und einzogen und der Mann begann tage-und Nächtelang zuarbeiten und damit kaum Zeit für seine Familie zuhaben, wurde es schlimmer. So schlimm, bis sie…über die Klippen ging. Der kleine Sohn von ihnen vermisst natürlich seine Mutter und wollte nicht allein sein. Der Vater hingegen hatte seine eigene Art, mit der Trauer umzugehen. Er arbeitete noch mehr, sodass der Sohn noch mehr ins Hintertreffen kam. Als er seinem Vater anflehte, endlich für ihn dazusein, musste der Vater wohl einen Kurzschluss gehabt haben und hatte seinen Sohn unabsichtlich die Treppe gestossen. Aus Schuldgefühlen, die ihn innerlich zerfrasen, sah er keinen anderen Ausweg, als sich einen Strick zunehmen und zuerhängen. Als Folge darauf wanderte sein und der Geist seines Sohnes im Haus umher. Während der seiner Frau draußen umherging. Da sie und er zusammen, aber ohne ihren Sohn beerdigt waren, waren auch ihre Geister voneinander getrennt und damit ruhelos!“, erklärte Lex. „Verstehe. Und erst als ihr auch den Jungen in das Familiengrab gelegt hat und der Pfarrer den Segen aussprach, konnten sie endlich ihren Frieden finden!“, murmelte Brian. Lex nickte. „So ist es!“ „Eine traurige Geschichte!“, sagte Esmeralda mit einem schmerzlichen Ausdruck in den Augen. Brian sah sie an, legte dann seine Hand auf ihre und drückte sie. „Aber jetzt sind sie wiedervereint!“, sagte er. „Nur das zählt!“ Esmeralda lächelte. „Ja!“ „Und jetzt zu dir, Allison!“, sagte Brian und wandte sich an mich. Ich drückte mich tiefer in den Sessel. Ohje, was würde jetzt kommen. „Es wird Zeit, dass du dein Training wieder aufnimmst. Du hast es schon vielzulange vernachlässigt!“ „Äh, Brian. Nur zur Erinnerung, ich habe nicht mehr trainieren können, weil es in letzter Zeit ziemlich drunterunddrüber ging!“, sagte ich, weil ich mich im Recht sah, zu verteidigen. Brian winkte ab. „Das spielt keine Rolle. Du musst wieder trainieren, sonst wirst du aus der Übgung kommen und das wäre schlecht. Wir fangen gleich morgen an!“, sagte er, stand auf und ging. Ich sah ihm nur mit offenem Mund nach. Hallo? Hatte ich was verpasst? Hatte er mir überhauot zugehört? Ich wollte noch etwas hinterherrufen, doch Fay drückte meine Schulter und als ich sie ansah, schüttelte sie den Kopf. Ich ließ mich in den Sessel sinken. Na, grossartig! Vom Regen in die Traufe! Dabei hatte ich gehofft immerhin ein paar Tage freizubekommen. Ich musste noch lange an den Fall denken. Ich fragte mich immer wieder, warum ich keine Vision davon hatte, obwohl der Geist von Jack Griffin zur Gewalt gegriffen hatte. Normalerweise hatte ich immer welche, wenn Unheil drohte. Warum da aber nicht? „Wurmt dich etwas?“, fragte er Erik. Ich nickte und schüttelte sogleich den Kopf. „Nicht wirklich. Ich verstehe nur nicht, warum ich keine Vision hatte, wie eigentlich immer!“, murmelte ich. „Das kann daran liegen, dass nie wirklich Gefahr von den Geistern der Familie drohte!“ „Aber Jack Griffin hat doch erst Lex und Fay und dann einen der Gäste umbringen können!“, erwiederte ich. Für mich ergab das alles keinen Sinn. „Im Grunde genommen hast du eigentlich recht. Aber er war nicht durchunddurch schlecht. Wut und Verzweiflung bringen Menschen dazu, Dinge zutun, die sie normalerweise niemals tun würden. Und so ist das bei Geistern. Hinzu kommt noch, dass Mr. Farlane nicht daran glauben wollte. Das macht Poltergeister umso wütender!“ „Dann war Jack Griffin nur so aggressiv, weil er beachtet werden wollte?“, fragte ich. Erik nickte. „Mh, erinnert mich an ein kleines Kind, dass sein Spielzeug haben will!“ Erik lachte. „So kann man es auch sehen!“, sagte er und wurde dann wieder ernst. „Mach dir darüber nicht weiter Gedanken. Deine Vision beschränken sich halt nur auf Bedrohungen, die…naja dämonischen Ursprungs sind!“ „Wie diesen Penanggalan und die Meerjungfrau?“ „Genau!“ „Und was war mit Samantha?“ „Nun auch das kann man als eine dämonische Bedrohung sehen. Du wirst lernen müssen, dass schwarz nicht gleich schwarz und weiss gleich weiss ist!“, sagte er altklug. „Und das man manche Dinge nicht ändern oder umwenden kann!“ Das half mir nicht gerade wirklich viel. Für mich hatte es bisher immer nur Gut und Böse gegeben. Sowas wird einem schon im Kindesalter eingetrichtert. Nun aber schien das alles über den Haufen geworfen zu sein und ich musste es neu lernen. Ich seufzte schwer. Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte. Kapitel 12: Forever Young ------------------------- London hatte viele Strassen. Und noch mehr Menschen, die in diesen lebten. Obdachlose, Schnorrer oder noch andere, die ein Leben auf der Strasse vorziehen, als sich in der Gesellschaft einzuintegrieren. Einige von ihnen verschwanden einfach und wurden nie wieder gesehen. Keiner fragte nach ihnen. Wozu auch, je weniger Penner es gab, desto besser. Und so merkte niemand, wel grauenvolles Geheimniss hinter all den verschwunden Menschen steckte. Sie musste schon seit Tagen, vielleicht sogar schon Wochen, hier unten sein. In diesem Loch, tief unter der Erde. Eingesperrt wie ein Tier. In einem kleinen Raum, in dem nichts weiter stand als ein Bett, bezogen mit schmutzigen Laken. Es war still. Totenstill. Nur das Knirschen von Steinen unter ihren Füssen war zuhören. Ob sie die einzige war, wusste sie nicht. Sie hatte keine andere Frau gesehen oder gehört. Als er sie hierruntergebracht hatte, hatte sie nach Hilfe gerufen. Doch keiner hatte ihr geantwortet. Nur er. „Spar dir die Mühe. Hier wird dich keiner hören!“, hatte er geknurrt und sie in diese Kammer gestossen. Kaum dass sie drin war, warf er die schwere Tür ins Schloss und verriegelte sie. Seit dem hatte sie versucht, die Stunden zu zählen. Doch irgendwann gab sie es auf. Die Zeit zog sich ins unendliche und sie fragte sich, ob sie bereits vermisst und gesucht wurde. Oder ob man sie aufgegeben hatte, sie zu einer von vielen Vermissten erklärt hatte, die nicht gefunden wurden. Er brachte ihr Essen, durch einen Spalt unterhalb der Tür, wie bei einem Gefängniss, was es als nichts anderes war. Tief unterhalb der Erde, an einem fremden Ort. Als er sie ins Auto gezerrt hatte, hatte sie kaum Zeit gehabt, sich zuwehren oder um Hilfe zuschreien. Er verband ihr die Augen und knebelte sie. Dann fuhr er los. Sie wurde hinundher geschleudert und hinundwieder schien der Wagen über eine Wölbung in der Strasse hinüber zu poltern. Irgendwann war es vorbei und er zog sie wieder aus dem Wagen. Schleifte sie mit sich, als wäre sie ein schwerer Sack. Dann spürte sie, wie er sie eine Treppe hinunterzog. Und schließlich einsperrte. Sie rechnete schon gar nicht damit, dass sie hier rauskommen würde. Sicherlich würde er sie hier unten gefangen halten, bis sie verrottete. Aber irgendwann ging die Türe auf und er kam hinein. Mittlerweile war sie so schwach, dass sie kaum noch Gegenwehr leisten konnte und so war es für ihn ein leichtes, sie zu packen und rauszuschleifen. Den Gang entlang, der nur sperlich mit Lampen beleuchtet wurde und sich wie ein Labyrinth durch die Erde wand. „Wohin bringst du mich?“, wimmerte sie, doch sie erhielt keine Antwort, sondern wurde weiter gezogen, bis sie vor einer weiteren Tür standen. Er stiess sie auf und dahinter kam ein Raum zum Vorschein, der von zahlreichen Kerzen beleuchtet wurde. Unterhalb der steinernen Decke führte ein Balken aus massivem Holz, an dem Ketten hinunterbaumelten. Sie erinnerten sie an die Handschellen, mit denen Menschen im Mittelalter angekettet wurde und sie schluckte, als sie merkte, wie ihre Kehle trocken wurde. Auf dem steinigen Boden war ein Kreis aus roter Farbe gemalt, in dem ein riesiger Stern eingezeichnet und von einigen fremdartigen Symbolen umgeben war. Was hatte dieser Irre vor mit ihr? Eine schreckliche Ahnung stieg in ihr auf, War er so etwas wie ein Teufelsanbeter, der sie opfern wollte? Oft hatte sie igrendwelche Filme und BErikhte über diese Menschen gesehen und sich immer gefragt, wie krank die nur sein konnten. Und so einem war sie nun selbst in die Falle gegangen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien und wegzurennen. Doch dies ließ er nicht zu und versetzte ihr einen brutalen Schlag gegen die Schläfe, der ihren Kopf nachhinten riss. Kurz war sie zubetäubt, als sie ein Wort sagen oder gar schreien konnte. Taumelte hinter ihm her, dann spürte sie, wie er ihr die Handschellen anlegte und an der Kette riss. Ein schrecklicher Schmerz durchschoss ihren Köprer, ließ sie wimmern. Er trat zurück, aus dem Kreis heraus, ging zu einem Tisch auf dem ein dickes Buch und etwas anderes lagen. Aus dem Augenwinkel sah sie es metallisch aufblitzen, als er es nahm und auf sie zuging. Hielt es dann vor ihren Augen hoch, sodass sie es sehen konnte. Ein Dolch! Ihr Innerstes krampfte sich zusammen. Oh Gott, durchfuhr es ihr. Er will mich umbringen! Doch statt ihr den Dolch in die Brust zustossen, schnitt er damit in die Arme, sodass Blut daraus floss. Dann tauchte er die Spitze des Dolches in die Wunde. Bohrte darin, wobei sie aufschrie und sich den Ketten wand. Ein flüchtiger Blick auf sein Gesicht zeigte ihr, dass er kalt lächelte. Er schien es zu genießen, sie so zu quälen. Kurz flammte Wut in ihr hoch, wollte sie in sein Gesicht spuken lassen, doch der Schmerz war zugroß, als das sie dazu in der Lage wäre. Dann war es vorbei. Er nahm die Dolchspitze aus der Wunde und bückte sich zu dem mit roter Farbe aufgemalten Stern. Ließ ihr Blut darauf tropfen, bis sich eine kleine Pfütze gebildet hatte. Dann ging er wieder zum Tisch, Nahm dieses mal das Buch hoch und begann Worte lautvorzulesen, die ihr fremd waren und nicht wirklich klangen. Eine Mischung aus Zischen und Knurren. Sie hörte zu, konnte nicht anderster. Es war als würden die Worte sie in ihren Bann ziehen. Sie hypnotesieren. Sie in eine andere Welt ziehen. Langsam machte sich in ihr ein beängstigendes taubes Gefühl breit, welches erst in ihren Kopf begann und sich dann in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Jeden Muskel und jede Faser lähmte, als hätte man ihr ein starkes Betäubungsmittel in den Körper gespritzt. Sie glaubte, dass das Schlagen ihres Herzens langsamer wurde. Panik mischte sich in das taube Gefühl und sie wollte sich dagegen wehren. Versuchen aus dieser Taubheit zuerwachen. Doch sie war schon zu sehr in dem Bann der Worte geraten, als das sie sich daraus noch befreien konnte und spürte, wie es immer stärker wurde. Wie es ihr das Bewusstsein raubte. Ihr wurde kalt und sie fror. Zitterte. Alles um sie herum drehte sich. Ihr schwanden die Sinne. Sie glaubte alles doppelt und dreifach zusehen. Nocheinmal blickte sie zu ihm, sah, wie er immer noch diese Worte vor sich hin redete. Dann versank die Welt um sie herum in tiefste Schwärze und das einzige, was sie spürte, war die Kälte, die sie einhüllte und davon trug. Mit einem heftigen Schlag gegen die Brust, schleuderte mich Brian zu Boden und kaum dass ich reagieren konnte, war er schon über mir und ließ seine Faust auf mein Gesicht zudonnern. Doch kurz bevor er zuschlug, stoppte seine Faust knapp vor meinem Gesicht. „Du musst besser werden, sonst wird dein Gegner dir den Kopf zertrümmern!“, sagte er, richtete sich dann auf und ließ mich aufstehen. Brian hatte seine Ankündigung leider wahrgemacht. Gönnte mir gerade mal einen Tag Pause, ehe es wieder in den Trainingsraum ging und er mich durch den Raum schleuderte. Da vermisste ich doch eigentlich die Fälle, in denen ich mich mit Dämonen herumschlage. Die waren auch anstrengend zwar, aber ich konnte mich auch ein wenig ausruhen. Ich wischte mir den Schweiss von der Stirn. „Ich werde es mir merken!“, murmelte ich. „Weiter geht’s!“, sagte er, ohne dass er mich gehört haben musste. „Mach mal pause, Darling!“, sagte Esmeralda, die gerade in den Trainingsraum kam. „Allison, hast du Lust mit mir und Fay heute einen Mädelsabend zumachen. Was trinken gehen und nett plaudern?“, fragte sie und strahlte mich an. Ich war zu baff, um erstmal was zusagen. Brian aber nicht. „Esmeralda, du weißt, dass sie trainieren muss, wenn sie für die nächsten Angriff vorbereitet sein will!“, sagte er. Esmeralda winkte ab. „Achwas, einen Abend mal was unternehmen kann nicht schaden. Sie ist auch eine junge Frau!“, sagte sie. „Und als solchte hat auch sie ein Recht, auf ein bisschen Spass!“ Brian schien nicht dieser Ansicht zusein, sagte aber nichts. Schüttelte nur den Kopf. Esmeralda sah mich an und zwinkerte verschwörerisch. Ich konnte nicht ander als zugrinsen. Fay gab mir einige schicke Klamotten für unseren Mädelsabend, wobei ich versprach, dass ich mir bei der nächsten Shoppinggelegenheit neue kaufen würde. Doch Fay sagte nur, dass es für sie in Ordnung sei, da sie genug an Klamotten hatte. Natürlich kleidete sie mich äußerst stilvoll ein. Eine weisse Bluse, deren Ärmel über den Ellenbogen endeten und meine Oberweite, die nicht gerade klein war, noch mehr hervorhebte. Dazu ein dunkler Rock, der, je nachdem das Licht drauffiel, grünlich schimmerte und der knapp meine Knie bedeckte und schwarze, hochkackige Stiegel. Darüber trug ich schwarze Lederjacke. Sie selbst eine rote Bluse, die ebenso ihre Reize hervorhebte und eine schwarze Hose. Darunter Stiefeletten. Da ich auch leider nicht die geringste Ahnung fürs schminken hatte, übernahm sie das auch und ich hatte das Gefühl, dass sie Spass daran hatte, mich zu schminken. Fast als wäre ich ihre persönliche Barbie zum stylen und schminken. Als ich in den Spiegel schaute, war ich erstaunt und fragte mich für den ersten Moment, ob ich das wirklich war. „Du siehst hammermässig aus!“, sagte Fay grinsend. „Ich fresse einen ganzen Strauch Knoblauch, wenn du heute Abend nicht einen einzigen Mann abkriegst!“ „Im Moment steht mir nicht der Sinn nach Männerbekanntschaften!“, murmelte ich und drehte den Kopf hinundher. „Ach, ein bisschen kucken kann man ja!“, sagte Fay kokett. „Hattst du schonmal einen Kerl?“, fragte ich und schaute sie im Spiegel an. Fay wirkte nun etwas verlegen. „Um ehrlich zusein, bin ich zusehr mit der Dämonenjagd beschäftigt, als das ich mich nach meinen Mr. Pfercet umschauen kann!“, sagte sie. „Außerdem würde es dieser keine einzige Minute mit meinem Dad aushalten. Der würde ihn dann auf Herz und Nieren prüfen und mein Dad ist in dieser Hinsicht, wie jeder Dad!“ Ich musste grinsen. War ja klar, dass Brian auf seine Tochter achtgibt. Besonders wenn ein Mann daherkommen würde. „Tja, so sind sie eben. Die Väter!“ „Hast du mal was von deinem Vater gehört?“, fragte Fay, die sich gerade Wimperntusche auftrug. Ich trat etwas beiseite und war nun etwas niedergeschlagen. In der ganzen Zeit hatte ich mich nicht ein einziges Mal bei ihm gemeldet. Sicher machte er sich die größten Sorgen. Ich nahm mir vor, ihn so bald wie möglich anzurufen. Nur um zuzeigen, dass ich noch lebe. Noch ehe ich auf ihre Frage antworten konnte, klopfte es an der Tür und Esmeralda steckte den Kopf durch die Tür. „Und Mädchen? Seid Ihr fertig?“ „Klaro. Wir können, Mum!“, sagte Fay überschwenglich und reichte mir Lipgloss. Schnell strich ich mir etwas darauf auf meine Lippen. Sah noch einmal in den Spiegel, dann nickte ich Fay zu. Als wir auf den Flur traten, war ich über das verdamm gute Aussehen von Esmeralda völlig sprachlos. Wir, ich und Fay, sahen schon aus, als seien wir für einen Abend in den besten Clubs angezogen. Aber Esmeralda…wow, kann ich da nur sagen. Sie trug ein bodenlanges Abendkleid, dass aus Seide oder so genäht sein musste. Es umflatterte sie, mit jedem Schritt den sie machte und schien ihr den Eindruck zugeben, als sei das Kleid aus flüssigem Feuer. Die Haare fielen ihr offen über die Schultern und umrahmten ihr perfektes Gesicht. Um ihre Schultern hatte sie ein Tuch gelegt, das etwas dunkler war, als das Kleid und ihre Füsse steckten in Riemensandalen, mit hochen Pfennigabsätzen. Sie glich mehr einer griechischen Göttin, als einer modernen Mutter. „Wow, Mum. Du siehst einfach scharf aus!“, sagte Fay. Das traf es nicht annährernd. Dennoch sah Esmeralda ihre Tochter tadelnt an. „Ich habe mich nur etwas feingemacht!“, sagte sie und schaute dann kritisch an sich hinunter. „Ich hoffe nur, dass es nicht zuviel ist!“ „Ach, Quark. Du siehst gut aus. Dad muss sich wirklich Sorgen machen, bei den Verehrern, heute Abend!“ „Nun übertreib es nicht, Fay. Ich bleibe deinem Vater treu!“, sagte Esmeralda und hatte plötzlich neckendes Funkeln in den Augen. „Aber ein paar Drinks dürfen sie mir gerne ausgeben!“ Daraufhin kicherten Fay und Esmeralda, während ich etwas unbeholfen dastand und mich fragte, ob ich mit in das Gekicher einstimmen sollte oder mich fragen sollte, ob Mama ebenso reden würde. Sicher nicht. Sie war eine attraktive Frau gewesen, klar und auch zu manchen Scherzen aufgelegt. Zumal wenn sie Papa necken konnte. Aber sie würde es niemals darauf ankommen lassen, dass ein anderer ihr den Hof machte. Aber auch bei Esmeralda konnte ich mir das nicht vorstellen. Sie schien Brian zulieben. Sehr sogar und dass sie niemals etwas mit einem anderen anfangen würde. Ich sagte mir daraufhin, dass ich nicht weiter darüber nachdenken sollte. Da es mich auch nichts anging und versuchte mich auf den bevorstehenden Abend zufreuen. „Lass uns gehen. Sonst denkt der Taxifahrer wir haben ihn vergessen!“, sagte sie. „Wir fahren mit dem Taxi?“, fragte ich und Esmeralda nickte. „Natürlich, so kann ich doch unmöglich Autofahren!“ Natürlich, darauf hätte ich auch selber draufkommen können. Ich sagte dazu nichts, sondern zog wie eine Schildkröte den Kopf ein. „Also, gehen wir!“, sagte Esmeralda und schob uns zur Treppe. Lex und Brian saßen im Wohnzimmer und als sie uns sahen, oder besser gesagt, Esmeralda, war in Brians Gesicht deutlich zusehen, was er von dem Outfit seiner Frau hielt. „So willst du rausgehen?“, fragte er und ich hätte schwören können, dass die Temperatur im Raum auf einige Minusgrade herabgesunken ist. „Ja, Dad!“, sagte Esmeralda. „Hmpf!“, machte Brian nur und drehte sich wieder weg. „Dann pass auf, dass du nicht entführt wirst!“ Esmeralda seufzte, schritt dann grazil auf ihn zu, beugte sich über die Lehne der Couch zu ihm hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Keine Angst, ich gehe dir schon nicht fremd!“, flüsterte sie, wandte sich dann an Lex und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Habt einen schönen Abend!“, rief er seiner Mutter hinunter. „Und macht nicht solange!“, kam es von Brian. „Versprochen!“, war Esmeralda Antwort und schon waren wir draußen. „Dad sollte wissen, dass du ihm nicht fremdgehst!“, schmollte Fay. Esermalda lächelte gütig. „Er weiss es auch!“ „Dann verstehe ich nicht, warum er gleich wieder so eine miese Laune hat!“ „Er ist eben auch nur ein Mann!“, sagte Esmeralda wieder. „Wenn du später selber einen Freund hast, wirst du es verstehen!“ „Also wenn Dad schon bei dir so reagiert, will ich eigentlich keinen Freund!“ Esmeralda lachte. Ich hörte nur nebenbei zu, sondern schaute aus dem Fenster und sah London beinacht an usn vorbeigleiten. Alles war hellerleuchtet. Pups, Clubs, Restaurants und auch den einen oder anderen Nachtclub, vor denen sich Menschen tummelten und um Einlass warteten. Einige von ihnen sahen ziemlich zwielichtig aus. „Wohin fahren wir eigentlich?“, fragte ich wandte mich von dem Nachtleben ab. „Zu einem wirklich guten Club. Dort gibt es gute Drinks und auch gutes Essen!“, sagte Esmeralda und sagte dem Mann dann wann er abbiegen sollte. Wenige Minuten später hielt das Taxi vor dem besagten Club. In sanftblauleuchtender und elegant geschwungener Schrift stand dort: Locus is Qiues! Vor der Tür standen zwei Herren, in Abendkleidung, die die Gäste, die nicht weniger elegant aussahen als wir, die Tür aufhielten und sie begrüßten. Die gesamte Fensterfront, die zur Strasse zeigte, war mit Fenstern ausgestatt, die aber von weissen, dichten Vorhängen behangen waren und somit wenig erkennen ließen, was da drin vor sich ging. Hinter den Vorhängen sah ich Lampen oder Kerzen brennen. Mit einem Mal fühlte ich mich wohl, als ich so vor dem Club stand. Trotz gutem Aussehen fühlte ich mich ziemlich undressed. Würden die mich überhaupt reinlassen? Bei Esmeralda und Fay würden sie sicher keine Probleme haben. Aber bei mir… Im Moment fühlte ich mich, neben ihnen, so attraktiv, wie ein Stück nasses Brot. Fay ergriff meine Hand. „Na komm schon. Lass uns reingehen!“, sagte sie und bevor ich auch nur Piep sagen konnte, zog sie mich mit sich. Esmeralda ging vorraus. „Guten Abend!“, begrüßte sie sie. „Ah, schön Sie wieder zusehen, Mrs. Matthews!“, begrüßte der eine sie und verneigte sich. „Es ist auch schön sie wiederzusehen, Daniel!“, sagte sie und setzte dabei das strahlenste Lächeln auf. Dann richteten die Männer ihre Blicke auf uns. „Heute in lieblicher Begleitung?“, fragte nun der andere und schien mich einen Moment länger, viel zulang für meinen Geschmack zu mustern. Wollte er sehen, ob ich etwas an mir hatte, was ihn dazu bErikhtige, mich wieder auf die Strasse zusetzen. Ich versuchte meine Unsicherheit zuverbergen und strafte ihn mit einem eisigen Blick. Das wirkte wohl, denn er schaute weg. „Ja, meine Tochter und ihre Freundin!“, sagte sie und machte eine kurze Handbewegung in unsere Richtung. Daniel nickte, dann gab er seinem Kollegen ein Zeichen uns die Türe aufzumachen. Esmeralda trat ein, wir folgten und während ich so an dem anderen Kerl vorbeiging, hätte ich meinen können, er würde meinen Hintern nun genauer betrachten. Ich drehte nur den Kopf herum, um zusehen, ob ich recht hatte. Aber kaum, dass ich zu ihm schaute, war sein Kopf auf die Strasse gerichtet. Männer, dachte ich. In dem Club war es angenehm. Lampen, die an den Wänden angebracht waren und mit milchigen Galslampenschirmen versehen waren, warfen ein sanftes Licht. Die Wände waren in einem sandfarbenen Farbton gestrichen und der Boden mit rotem Teppich ausgelegt. Für die Gäste waren Sitzgruben aufgestellt, bestehend aus zwei oder mehrern mit rotem Stoff besogenen Sesseln und in deren Mitte ein niedriger schwarzer Tisch. Etwas weiter hinter stand ein Podium auf dem ein lakierter schwarzer Flügel stand, an dem ein Mann im Smooking saß und Musik spielte. Eine Frau, mit schwarzen Locken, die ihr bis zum Hintern reichten und ein enggeschnittenes rotes Abendkleid trug, stand an einem etwas altmodisch aussehen Mikrofon und sang. Kellner, sowohl Männer als auch Frauen, gingen umher und servierten den Gästen Drinks und auch kleine Häppchen. Eine Bar, die alles an Flüssigen annzubieten hatte, war auf der anderen Seite eingerichtet und ein Barkeeper mischte gekonnt Cocktails. Eine Dame, die etwas streng angezogen war, stand am Gästebuch und sah uns an. „Einen Tisch für drei bitte!“, sagte Esmeralda. „Wie ist Ihr Name?“, fragte sie und klang dabei ziemlich gereizt. Was für eine Schreckschraube, dachte ich nur. Trotz dass ich sie zum ersten Mal sah und auch mich eigentlich davor hüten wollte, gleich so voreingenommen zu sein, wusste ich, dass die Gute jeden Morgen erstmal Maschendrahtzaun frühstückt. Esmeralda blieb locker, kramte in ihrer Tasche und zeigte Madame Schreckschraube ein Kärtchen. Kaum dass diese sie sah, wurde ihr Gesicht weiss und sofort war sie wesentlich freundlicher. „Ahh, Mrs. Matthews. Was für eine Freude. Einen Tisch für drei. Sofort!“, sagte sie und eilte vorraus. Esmeralda warf uns ein Grinsen zu und ging ihr nach. Fay und ich wiederum grinsten uns auch an. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hatte, aber sie musste eine bedeutende Person sein, denn sonst wäre Madame Schreckschraube nicht gleich so freundlich gewesen. Die alte Schreckschraube führte uns zu einem Tisch, dessen Sitzgruppe aus drei Sesseln bestand und wir nahmen Platz. „Es wird gleich jemand kommen und sich um Sie kümmern!“, sagte sie und sah zu, dass sie sich aus dem Staub machte. Es dauerte auch nicht lang, als ein Keller zu uns kam und uns nach etwas zutrinken fragte. Ich bestellte mir ein Glas Wasser, woraufhin Esmeralda sagte, dass ich mir ruhig etwas mit mehr Prozent bestellen konnte, doch ich lehnte höflich ab. „Beim letzten Fall habe ich zuviel Prozentiges getrunken!“, sagte ich nur. Esmeralda lächelte daraufhin. „Verstehe!“ Sie selbst bestellte sich einen Cocktail, der irgendwie franzöisch klang und Fay eine Pina Colada. Als unsere Getränke kamen, stiessen wir an. „Auf einen schönen Abend!“, kündigte Esmeralda an. Und wir hatten einen schönen Abend. Wir lachten, redeten und tranken. „Danke nochmals, dass du mich da rausgeholt hast!“, bedankte ich mich nach einer Weile. „Es tut gut, mal abzuschalten!“ Esmeralda lächelte. „Das kann ich mir gut vorstellen. Eine junge Frau muss auch mal Spass haben!“, sagte sie. „Das ständige Kämpfen und Trainieren ist auch nicht gut!“ „Dad, ist wohl nicht dieser Ansicht!“, sagte Fay und nippte an ihrem Drink. Esmeralda gab ein Murren an sich. „Dein Vater ist eben übervorsichtig. Muss man zwar sein, in diesen Zeiten, aber er übertriebt es!“ Da wandte sie sich wieder mich. „Du hast dein ganzes Leben noch vor dir und auch wenn du nun kein normales Leben mehr führst, heisst das nicht, dass du dich vor allem abkapseln musst!“ Ich lächelte schwach. Ich wusste, dass ihre Worte mich trösten sollten. Das tat sie auch. Ein wenig. Aber ich konnte einen Anflug von Schwermut nicht unterdrücken. Ich blickte ins Glas, sah wie sich die Oberfläche meines Cocktails, ich hatte inzwischen genug von Wasser, bewegte und der schwache Schein der Lampen ließ diese funkeln. In den Lichtreflexen meinte ich die Geschehnisse der Vergangenheit zusehen. Meine Visionen, die Kämpfe und die Wesen, die mir begegnet waren. Das war alles andere als normal. „Ich hatte doch nie ein normales Leben!“, murmelte ich. Esmeralda und Fay sahen sich an. Ich konnte es irgendwie spüren. „Du hast ein Leben und kein Leben ist normal. Selbst ein normaler Mensch, hat kein normales Leben!“, sagte Esmeralda dann. Ich verstand nicht, was sie mir damit sagen wollte. Doch bevor ich sie fragen konnte, strahlte mich Esmeralda an. „Hey, mach doch nicht so ein Gesicht!“, sagte sie. „Sondern geniess den Abend!“ Er hatte sie in diesem Club gesehen. Oder besser gesagt gespürt. Er war wieder auf der Jagd und als er seinen Geist ausschickte, um sein nächstes Opfer zufinden, welches ihm wieder Macht geben konnte, hatte er sie gefunden. Eine Frau, mit solch einer Kraft in sich, dass er glaubte, sich zutäuschen. Doch als er sie sich genauer ansah, wusste er, dass dies die Frau war, die ihn mächtiger machen konnte, als die anderen vor ihr. Er konnte deutlich ihre Kraft, ihre Seele spüren. Sie beinahe sehen. Sie war wie eine Flamme, die in ihr pulsierte. Eine Flamme, die zu einem wahren Inferno werden konnte, wenn er diese entfachte und sie sich dann zueigen machen konnte. Er musste wissen, wo er sie finden konnte. So folgte er ihr, sobald sie und die anderen beiden Frauen, die zuzwar ebenso eine bemerkenswerte Kraft in sich hatten, aber für ihn uninteressant waren. Stieg in ein Taxi und sagte dem Fahrer, er solle dem Taxi folgen, in das die Frauen gestiegen waren. Die Fahrt führte weit hinaus aus der Großstadt und er fragte sich, wohin sie fuhren. Bis das Taxi mit den Frauen durch ein Tor fuhr und vor einem Herrenhaus hielt. „Soll ich weiterfahren?“, fragte der Fahrer. „Nein, ich weiss wo sie wohnt. Das reicht. Fahren Sie mich wieder in die Stadt!“ Der Fahrer tat, was sein Gast ihm sagte und als sie wieder in der Stadt waren und das Taxi hielt, bezahlte der Mann den Fahrer und wollte aussteigen. Der Fahrer wünschte ihm noch einen schönen Abend. Der Mann erwiderte diesen knapp und öffnete die Wagentür. Da aber sagte der Fahrer:„Es geht mich zwar nichts an, aber was wollen Sie von den Frauen?“, fragte der Fahrer und schaute in den Rückspiegel. Sein Fahrgast erstarrte mitten in der Bewegung und sah zu dem Fahrer. Grinste dann unheillvoll. „Wie Sie bereits sagten: Es geht Sie nichts an!“, sagte er und noch ehe es sich der Fahrer versehen konnte, schnitt ihm etwas Scharfes die Kehle durch. Die Trainingsstunde zog sich wie Kaugummi und egal wie sehr ich mich bemühte. Brian schickte mich immer wieder auf die Matte. „Es ist sinnlos. Dabei frage ich mich wirklich, wie du die vergangenen Kämpfe überhaupt überlebt hast?“, fragte er, mit in die Hüfte gestemmten Händen und sah mich abschätzend an. „Ich war eben nicht allein. Fay und Lex waren da und Erik nicht zuvergessen!“ „Du kannst dich nicht ständig auf sie und ihn verlassen. Du musst dich auch alleine wehren können!“, erwiederte er daraufhin und es leuchtete mir ein. Wer garantierte mir schon, dass Lex oder Fay oder beide oder auch Erik immer zur Stelle sein werden, wenn ich Hilfe brauchte. Ich musste lernen mich alleine wehren zu können. Auch wenn es mir nicht behagte. Also stand ich auf und stellte mich wieder in Angriffs-oder besser gesagt in die Verteidigungsposition, wobei das auch nicht ganz zutraf. Ich nannte diese Position die „In- fünf-Sekunden-wieder-auf-der-Matte-landen-Position“ Und so war es auch. Ich habe nicht gezählt, wie oft Brian mich schon auf die Matte schickte. Bei fünfzig hatte ich bereits aufgehört. Und es war auch nicht verwunderlich, dass ich mich mit blauen Flecken und schmerzenden Gliedern unter die Dusche stellte. Ich duschte eine halb Stunde. Das warme Wasser tat gut, linderte die Schmerzen. Ich wusste nicht wielange ich unter dem Wasserstrahl stand. Es musste sich wie eine halb Ewigkeit angefühlt haben, aber zumindest fühlte ich mich einigermassen erholt. Schnell huschte ich von dem Badezimmer zu meinem Zimmer, um die angenehme Wärme in mir zuverlieren und schloss die Tür. Drehte mich um und wollte gerade frische Klamotten anziehen, als ich in das Gesicht einer Frau sah. Ein anderer würde sich fragen, wie sie hierrein kam, doch diese Frage erübrigte sich, zumindest für mich, weil die Frau nicht aus Fleisch und Blut war, sondern aus blauem Licht war. Ihre Haare tanzten wie Schleier umher und ihr Gesicht war mit Angst erfüllt. Meins sicher auch. Denn obwohl es nicht neu war, dass ich Geister oder sonst was sah und ich eigentlich daran gewöhnt sein sollte, war ich dennoch bei diesem Anblick wie vom Blitzgetroffen. Eine eisige Kälte ging von ihr aus und ich konnte spüren, dass sie sich fürchtete. Aber vor was? Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch sie öffnete ihren zuerst und sagte mit hohler gequälter Stimme:„ Hilf uns!“ Dann war die Erscheinung verschwunden und ich war allein. Die ganze Nacht musste ich an diese geisterhafte Frau denken, die einfach so vor mir erschienen und wieder verschwunden war. Zuerst dachte ich, es sei Helen Griffin, die doch nicht ihren Frieden gefunden hatte. Aber da fiel mir auf, je länger und öfter ich darüber nachdachte, dass diese Frau viel zu modern angezogen war und unmöglich die verstorbene Hellen sein konnte. Also wer war sie? Die Antwort sollte ich in der Küche finden. Ich betrat diese und sah, dass Fay, Lex, Brian und Esmeralda schon am Frühstückstisch saßen und frühstückten. Esmeralda schien sich wieder von ihrem Kaer erholt zuhaben, denn sie lächelte mich an. „Morgen, Allison!“, sagte sie und drehte sich zum Herd. „Möchtest du Pfannkuchen?“ „Ja, gerne!“ Ich setzte mich an den Tisch. Fay stellte mir eine Tasse mit frischaufgebrühtem Kaffee hin. „Oh, danke. Denn brauche ich jetzt!“, sagte ich. Auch wenn ich es nur ungern zugab, aber diese Geistererscheinung hatte doch mehr an mir gezerrt, als ich gedacht hatte. Zwar sollte es nicht so sein, aber es war erschreckend, wie einfach und schnell man mich dennoch überraschen oder erschrecken konnte. Ob das jemals anders werden würde. Fay maß mich, während ich darüber nachdachte, mit einem nachdenklichen und besorgten Blick. „Alles okay?“, fragte sie dann. Ich sah sie kurz an und nickte. „Ich denke schon!“, sagte ich und nippte an meinem Kaffee. „Sicher? Du siehst irgendwie…fertig aus!“, sagte Fay. Ich wollte schon sagen, dass das einen guten Grund hatte, als ich dann einen Blick auf die Zeitung warf, die Brian gerade in den Händen hielt und eine Anzeige erblickte, die mir das Atmen für einen kurzen Moment schwer machte. Auf der mir zugewandten Zeitungsseite war ein Foto von einer Frau abgebildet, die mir sehr bekannt vorkam. Unter ihrem Foto war ein kleiner Text verfasst. Ohne zu fragen griff ich über den Tisch und riss Brian die Zeitung aus der Hand und ließ den Text. „Jennifer Kingsten. 18 Jahre alt, wurde seid Wochen vermisst und tauchte nun tot auf. Mord ist ausgeschlossen, da sie, außer einigen Schnitten an den Armen, keine weiteren Verletzungen aufweist, die für den Tod verantwortlich sein könnten!“ Meine Hände fingen an zuzittern, als ich die Frau wiedererkannte. Ich hatte sie vor Stunden zuvor in meinem Zimmer gesehen. „Hilf uns!“, hatte sie gesagt. Ich hatte irgendwie den Verdacht, dass das Verschwinden der Frau, keine natürliche Ursache hatte, geschweige denn der Fund ihres Leichnams. Für die Polizei schien es nach einem Verbrechen auszusehen, aber ich vermutete, dass mehr dahinter steckte. „Stimmt was nicht, Allison?“, fragte Brian, der wohl gemerkt hatte, was in mir vorging. „Diese Frau…ich habe sie schonmal gesehen!“ „Wo denn?“, in seiner Stimme erkannte ich deutlich, dass er ahnte, was ich gleich sagen würde. „Gestern Nacht. In meinem Zimmer. Als Geist!“ „Sicher?“ Ich nickte. Brians Gesicht wurde dann nachdenklich und sagte erstmal nichts. Doch dann hob er den Kopf und sah uns an. „Vielleicht solltet ihr dieser Sache nachgehen. Ich werde sofort Sir James anrufen und bescheid geben, dass ihr kommt!“, sagte er, stand auf und ging zum Telefon. Eine Stunde später waren wir schon im Büro von Sir James. „Ihr Vater sprach von dem Fall der toten Vermissten. Sie wollen Ihn sich annehmen?“, fragte er und sah uns über den Rand einer Akte an. „So ist es, Sir James!“ „Nun da gibt es ein Problem?“ „Welches denn? Hat ein anderer schon den Fall übernommen?“ „Nein. Das nicht!“ „Was ist dann das Problem?“ „Das Problem ist, dass es keinen Fall gibt. Er ist abgeschlossen, nachdem die Leiche gefunden wurde!“ „Aber will den keiner wissen, was passiert ist? Was ist mit den Eltern?“ „Die haben sich damit abgefunden und wollen ihrer Tochter den Frieden geben!“ „Sir James, bei allem Verständniss. Aber wir gehen der Annahme nach, dass das kein natürlicher Tod war!“ „Sie meinen, es war Mord. Die Autopsie hat nichts festgestellt!“, erklärte er und legte die Akte beiseite. „Nun, die Autopsie hatte ja auch nicht Besuch von der Toten gehabt!“, sagte Lex und schob mich dabei vor sich, sodass ich nun vor Sir James stand. Ich warf ihm dabei einen wütenden Blick zu. Musste er mich denn so vorführen? „Sie hatten Besuch? Von der Toten?“ „Nunja, ich…ich habe ihren Geist gesehen. Sie bat mich um Hilfe!“ Das schien Sir James nun umzustimmen, denn er dachte kurz nach, dann griff er zum Telefon und wählte eine Nummer. „Ja, Sir James hier. Geben Sie mir bitte die Familie der Toten!“ Sir James gab uns die Adresse der Familie. Man konnte sich natürlich denken, dass diese ziemlich verwirrt war, als wir vor der Tür standen und sie uns reinließen. „Ich weiss, dass es ziemlich schwer für Sie ist, aber wir wollen Ihnen noch ein paar Fragen stellen!“, begann Lex, als sie uns reinlißen und wir uns ins Wohnzimmer setzten. „Was denn für Fragen? Wir haben doch schon alles gesagt, was Sie wissen wollten!“, sagte die Frau aufgelöst und ihre Stimme begann zu zittern. „Ja, aber es gibt noch einiges, was wir nicht wissen. Zum Beispiel, ob Ihre Tochter Freunde oder Feinde hatte?“, fragte Fay nun. Es war das übliche Spiel der Ausfragerei. Erst Lex, dann Fay. „Nein, unsere Abby war ein liebes Mädchen. Sie hat niemanden was getan!“, schluchzte die Frau und schnäuzte in ein Taschentuch. „Und wie steht es mit einem Freund. Wissen Sie etwas darüber?“, hakte Lex nach und dem Mann riss der Geduldsfaden. „Nun reicht es aber. Hören Sie endlich auf. Sehen Sie nicht, dass das ganze schon so schlimm genug für uns ist. Wir können Ihnen nichts mehr sagen und wollen es auch nicht. Gehen Sie jetzt!“ Fay und Lex schauten sich an, dann nickten sie. „Also gut. Aber bevor wir gehen, dürfte ich noch schnell ihre Toilette benutzen?“, fragte Fay und der Mann wollte schon den Kopf schütteln, doch Fay setzte ihr schönstes Lächeln auf und sagte mit flehender Stimme:„ Bitte!“ Da konnte selbst der härteste Mann nicht nein sagen. Und auch nicht er. „Nagut. Die Treppe hoch und dann die erste Tür gleich links!“, sagte er und Fay bedankte sich. „Geht schon mal zum Wagen. Ich komme dann nach!“, sagte sie, ehe sie die Treppe hoch ging. „Tut uns leid für die Störung!“, sagte Lex, stand auf uns ging zur Tür. Ich folgte ihm. Als wir draußen waren, stellte ich Lex zur Rede:„ Was sollte das denn? Sie haben uns doch nichts gesagt!“ Ich weiss, ich weiss, wie das klingt, aber egal wie sehr die Eltern auch trauerten, wir konnten doch nicht einfach so gehen. Immerhin, wer wusste schon, was die Frau getötet hat. Und ich glaubte, dass, wenn wir es erfahren würden, die Eltern sich besser fühlten. Doch Lex schien das nicht zu interessieren. Und das ärgerte mich. „Du hast doch gesehen, dass sie nicht mehr mit uns reden wollten. Also was soll es noch bringen weiter darauf rumzureiten!“, sagte er und schloss den Wagen auf. Ich stieg ein und kletterte auf den Rücksitz. „Außerdem…!“, begann er wieder und warf mir im Rückspiegel ein schiefes und verschwörisches Grinsen zu. „Ist Fay ja noch auf der Toilette!“ „Was soll das denn jetzt heissen?“, fragte ich, aber bevor Lex etwas antworten konnte, kam Fay in den Wagen gestiegen und schnallte sich an. „Okay, wir können gehen!“ Und Lex startete den Wagen. Wir waren auf dem Heimweg. „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich. „Nun, wie wäre es mit ein wenig Schnüffeln?“, fragte sie und hielt ein kleines Büchlein hoch. „Wo hast du das denn her?“, fragte ich und lehnte mich nachvorne. „Das habe ich bei der Suche nach der Toilette im Zimmer der Verstorbenen gefunden!“, sagte sie und zwinkerte. „Natürlich zufällig!“ „Du hast es geklaut!“, platzte es aus mir heraus. „Geliehen, trifft es eher!“, erwiederte sie. Ich war sprachlos. Von Fay hätte ich sowas nie erwartet. „Und steht was interessantes drin?“, fragte Lex und beugte sich über Fays Schulter. „Bis jetzt noch nicht!“, sagte sie und blätterte im Buch. „Es sind die üblichen Einträge, einer jungen Frau!“ „Was erhofft Ihr Euch darin zufinden?“, fragte ich, weil ich mich immernoch nicht mit dem Gedanken anfreunden kann. Was, wenn die Familie mitbekam, dass Fay das Buch gestohlen hat? Ich mochte mir nicht vorstellen, was das für ein Theater geben würde. „Etwas, was uns sagt, was mit ihr passiert ist. Frauen schreiben doch alles in ihr kleines Büchlein!“, sagte Lex und grinste mich an. „Hattest du denn keines?“ „Hatte keine Zeit dafür!“, erwiederte ich schnell. „Ach, komm schon. Hattest du keine Geheimnisse als Teenie?“ „Die einzigen Geheimnisse, die ich habe, sind meine Visionen und die, schreibe ich nirgendwo auf!“, sagte ich etwas angesäuert. „Hätte ja sein können!“ „Hey, ich glaube ich habe hier was!“, rief Fay und unterbrach so unser Wortgefecht. „Hier steht etwas von einem Maximilliam!“ „Was für ein blöder Name!“, sagte Lex abschätzend. Fay warf ihm nur einen Blick zu, der deutlich sagte, er solle sich seine blöden Sprüche sparen. „Sie hat ihn auf einer Party kennengelernt. Mh, schien sehr verliebt in ihn zusein. Sie schreibt hier, dass sie sich auf ein gemeinsames Leben mit ihm freut, und dass sie es kaum erwarten kann, ihn ihren Eltern vorzustellen!“ „Aber ihre Eltern wussten nichts von ihm. Also kamen sie nicht mehr dazu!“, sagte Lex. Fay nickte. Blätterte weiter. Doch die Seiten waren leer. „Mehr hat sie nicht über ihn geschrieben!“, sagte sie und schloss das Buch. „Immerhin wissen wir jetzt wonach oder vielmehr wie nach wem wir suchen müssen!“ „Ähm, wir haben doch nur den Namen!“, sagte ich zweifelnd. „Wie soll uns das weiterhelfen?“ „In dem wir ihre Freunde nach ihm aushorchen!“, sagte Fay und hielt nun ein zweites Büchlein hoch. Ein Adressbuch. Ich stöhnte. „Sag nicht, du hast auch noch ihr Adressbuch geklaut?“ Fay grinste nur. Wir fragten uns durch das gesamte Adressbuch, bis wir endlich eine Freundin gefunden hatte, die auch etwas mit dem Namen Maximilliam anfangen konnte. „Was ihren Freund anging, hat sie sich etwas bedeckt gehalten. Sie sagte nur, sie wäre so glücklich, ihn getroffen zu haben. Und dass sie…naja…sich freut, wenn er sie bald zu sich holt!“, erklärte Hannah. Die einzige, die wirklich zuwissen schien, mit wem ihre Freundin ging. „Wie meinen Sie das? Sie zu sich holt?“, bohrte Lex nach. „Naja, sie sprach oft davon, dass er und sie miteinander durchbrennen wollten!“ „Und was war mit ihren Eltern? Wussten sie wirklich nichts davon?“ „Nein. Abbys Eltern waren ziemlich spießig. Wollten nicht, dass sie ihren Job für einen dahergelaufenen Kerl vernachlässigt!“, sagte Hannah und musste verächtlich grinsen. „Als ob ihr Job so toll wäre!“ „War sie denn unglücklich?“, fragte nun Fay. Hannah wiegte den Kopf hinundher. „Nein. Zumindest hat es ihr kein Spass gemacht. Aber aufgeben wollte oder besser gesagt, konnte sie ihn nicht. Ihre Eltern hätten ihr die Hölle heissgemacht!“ „Sieht so aus, als hätte sie ziemlich unter der Fuchtel ihrer Eltern gestanden!“, murmelte Lex. „Ohja, das hat sie. Die dürfte ja gar nichts, was Spass macht!“, beschwerte sich Hannah. „Sowas von verbohrt und…!“ Lex unterbrach sie schnell, ehe sie weiter schimpfen konnte. „Jajaja, schon klar. Um zum Thema wiederzurück zukommen: Mehr wissen Sie nicht? Ich meine, hat Abby Ihnen mehr erzählt, als das sie glücklich war?“ „Nein, tut mir leid. Wie gesagt: Sie hat sich sehr versteckt gehalten, was ihren Freund anging!“ „Mh, danke trotzdem. Wenn wir noch Fragen an Sie haben, werden wir uns melden!“, sagte Lex. Esmeralda trug die schweren Tüten mit den Einkäufen aus dem Geschäft und schlenderte die Strasse hinunter. Es war ein sonniger Tag und sie hatte alles fürs Abendbrot gekauft. Sie lief zum Wagen und wechselte die Papiertüte von der einen in die andere Hand, um in ihrer Jackentasche nach dem Autoschlüssel zusuchen. Dabei musste sie jedoch aufpassen, dass ihr die Einkäufe nicht runterfielen. Um das Gleichgewicht zuhalten, neigte sie ihren Oberkörper ein wenig zur Seite, während sie weiterhin in ihrer Jacke rumwühlte. „Komm schon, du blödes Ding. Wo bist du denn?“ „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte plötzlich eine Männerstimme und Esmeralda drehte sich erschrocken herum. Dabei entglitt ihr die Tüte und fiel hinunter. Der gesamte Inhalt fiel raus und verteilte sich auf der Gasse. „Mist!“, fluchte sie und bückte sich, um die Einkäufe wieder einzusammeln. „Warten Sie. Ich helfe Ihnen!“, sagte wieder diese Männerstimme und Esmeralda wollte ihm sagen, dass das nicht nötig war. Immerhin hatte er sie erschreckt. Doch als sie hochschaute, sah in sie in zwei Augen, die ihr für einen kurzen Moment den Atem nahmen. Doch dann riss sie sich wieder zusammen. „Danke, sehr freundlich von Ihnen!“ „Keine Ursache. Schließlich habe ich Sie erschreckt!“, sagte der Unbekannte Schönling und half ihr die Einkäufe wieder einzupacken. „Ich bin übrigens Robert. Robert Finnlay!“ Esmeralda sah ihn kurz an und sah in seinem Blick, dass er förmlich darauf wartete, dass sie darauf ansprang. Fast hätte sie gelächelt. Was für eine alte Anmache, dachte sie. Sagte trotzdem:„ Esmeralda Matthews!“ „Esmeralda? Was für ein außergewöhnlicher Name!“, bemerkte Robert mit einem Lächeln. „Ja, meine Mutter gab ihn mir, weil ich einer Vorfahrin ähnelte!“, erklärte sie und fragte sich sogleich, warum sie ihm das erzählte. Schnell stand sie auf, stellte die Tüten auf die Motorhaube und schloss den Wagen auf. Lud die Einkäufe dann auf den Rücksitz. Warf die Tür zu und drehte sich um. „Danke, dass Sie die Einkäufe eingesammelt haben!“, sagte sie und stieg auf den Fahrersitz. „Kein Ursache. Ich hoffe, wir sehen uns irgendwann mal wieder!“, sagte Robert und beugte sich vor. Für Esmeraldas Geschmack etwas zuweit. Sie startete den Motor. „Sicher!“, sagte sie und fuhr los. Als sie die Strasse hinunterfuhr, schaute sie nocheinmal kurz in den Rückspiegel und sah, dass dieser Robert ihr nachsah. „Was für komischer Typ!“, dachte sie sich und bog ab. „Das hat nichts gebracht!“, beschwerte ich mich und schlug viel zu heftig die Autotür zu. „Wie gern würde ich wiedersprechen. Aber du hast Recht!“, sagte Lex und der Motor erwachte schnurrend zu Leben. Er drehte und wir fuhren zurück. „Ich verstehe das nicht. Niemand weiss etwas über diesen Freund von der Toten. Nicht mal ihre Freundin. Wenn ich sie wäre, hätte ich sie mit Fragen gelöchert und solange genervt, bis sie mit der Sprache rausrückt!“, sagte Fay. Lex zuckte mit den Schultern. „Wer weiss. Vielleicht hat dieser Freund seine Spuren gut verwischt!“ „Du meinst, so, als wolle er nicht gefunden werden?“, fragte ich und ich merkte das Ziehen in meinm Magen, welches mir sagte, dass ich ins Schwarze getroffen habe. „So ist es!“, sagte Lex und sah mich im Rückspiegel an. „Aber so richtig helfen tut es uns nicht, oder?“ „Nein, leider!“ „Und was jetzt?“ „Die Augen hoffen halten und hoffen, dass du wiedermal Besuch von einem Geist hast!“ „Und was wenn ich gar nicht will?“ Eine dumme Frage, ich weiss und ich wusste auch, dass ich mich wie ein Kleinkind anhörte. Aber es gefiel mir nicht. „Dir bleibt nichts anderes übrig!“, sagte Lex. „Natoll!“, murmelte ich und sank in den Rücksitz. Einige Tage später klingelte es an der Tür. Ich und Fay waren gerade im Wohnzimmer und lasen. Brian hatte sich erbarmen lassen und mir an diesem Tag frei gegeben. Lex lümmelte irgendwo herum und Brain saß bei uns im Wohnzimmer und blätterte in der Zeitung. Esmeralda ging an die Tür und schien etwas entgegen zunehmen. Dann schloss sie die Tür. „Wer war das, Mum?“, fragte Fay und schaute von ihrem Buch auf. „Ein Kurier. Er brachte etwas!“, rief Esmeralda zurück und an den Schritten hörte man, dass sie ins Wohnzimmer kam. „Und?“, fragte Fay wieder und sagte im nächsten Moment:„ Wow!“ Nun schaute auch ich auf und sah Esmeralda. Naja, besser gesagt: Ihre Beine, denn ihr Oberkörper war hinter einem emposanten Rosenstrauss verborgen. „Wow!“, sagte ich darauf. „Woher hast du den denn?“, fragte Fay wiederum und kam ihr nun entgegen. Esmeralda schwenkte den Strauss zur Sseite, sodass sie zum Vorschein kam. „Wie gesagt: Ein Kurier!“, sagte sie. Fay betrachtete den Strauss und beugte sich nachvorne. Roch an ihm. „Mhhh, riecht der gut!“, schwärmte sie. Ich hörte etwas Rascheln und schaute zu Brian. Verstohlen schaute er zu Esmeralda und als er die Rosen sah, verfinsterte sich sein Blick. Oh oh! Fay pflückte etwas aus dem Blumenstrauss und reichte es Esmeralda. „Hier, das steckte darin!“ „Nimmst du mal den Strauss. Ich möchte mir das auch mal ansehen!“, sagte sie und reichte den Strauss Fay. Dafür nahm sie die Karte und faltete sie auseinander. Sie seufzte. „Was ist, Mum?“ „Das ist von diesem Robert!“ „Welchem Robert?“ „Ach, er hat mir geholfen, meine Einkäufe wieder einzusammeln, nachdem sie mir runtergefallen sind!“, erklärte Esmeralda. „Ich dachte mir schon, dass dieser Kerl Hintergedanken hatte!“ „Was hat er denn geschrieben?“ „Für die schönste Frau, die mir je begegnet ist!“, sagte Esmeralda, nicht gerade begeistert. „Als kleine Entschuldigung, dass ich Sie erschreckt habe. Ihr Robert!“ Da stand Brian auf, ging auf sie zu und entriss ihr die Karte. Der Blick, mit dem er auf diese schaute, war voller Zorn und Feuer. Seine Wangenmuskeln zuckten. Ich spürte förmlich, wie er zu kochen begann. „Das ist wohl ein schlechter Scherz!“, knurrte er. „Er dachte sich wohl nichts dabei!“, versuchte Esmeralda nun die Lage zuretten, woraufhin Brian nur wieder knurrte. „Falls er überhaupt gedacht hat!“ „Immerhin sind die Rosen schön!“, bemerkte Fay mit einem leichten Lächeln. „Ja!“, murrte er. „Ich stelle sie mal in eine Vase. Nicht das sie noch vertrocknen!“, sagte Esmeralda schnell und eilte mit den Blumen in die Küche. Weg von Brian. Brian sah ihr nach und sein Blick schien sich in ihren Rücken zubohren. „Das wäre auch wirklich schlimm!“, bemerkte er und drehte sich weg. Ich schluckte nur und widmete mich wieder meinem Buch. Nicht das Brian doch noch, aus lauter Frust einfiel, mir meinen freien Tag zu streichen. Als er sich sicher war, dass ihn weder Fay und Allison noch seine Frau bemerkten, blickte er wieder zur Karte in seiner Hand und wenige Sekunden später ging diese in Flammen auf. Wer auch immer diese Rosen schickte, solle sich davor hüten, ihr den Hof zumachen. „Dein Dad scheint nicht gerade begeistert zusein, dass jemand deiner Mum einen Rosenstrauss sckickt!“, sagte ich, während wir in Fays Zimmer saßen und vor uns hin lümmelten. „Naja, welcher Mann wäre das nicht?“, erwiederte sie wiederum. Das leuchtete natürlich ein. „Auch wieder wahr!“ „Ich weiss, dass hörst du nicht gern, aber…!“, sagte Fay zaghaft und schaute kurz beschämt zu Boden. Ich ahnte, was sie mich gleich fragen würde. „Nein, ich hatte bisjetzt keinen weiteren Besuch von diesem Geist bekommen!“, sagte ich. „Das hört sich an, als wärst du froh darüber?“ „Bin ich auch, wenn ich ehrlich sein soll!“ „Du hast dich wohl immernoch nicht daran gewöhnt?“ „Wie soll ich das auch?“, fragte ich. „Wie war es für dich, als du erfahren hast, dass du…!“ Ich konnte nicht zuende sprechen, da mir klar war, dass das eine sehr persönliche Frage war. Fay jedoch lächelte. „Ich bin damit sozusagen aufgewachsen. Statt mit Puppen zu spielen, lernte ich, wie man sich mit Dolchen und anderen Dingen wehrt!“ „Haben deine Eltern nicht versucht, dich davor zuschützen?“ Nun schien meine Frage doch etwas in ihr angekratzt zuhaben, denn kurz huschte ein flüchtiger Schatten über ihr Gesicht. „Mum und Dad waren für eine lange lange Zeit nicht da. Ich und Lex waren allein gewesen. Trotz das jemand, ein alter Freund unserer Mutter, auf uns aufpasste und uns alles beibrachte, hätten wir sie gebraucht!“ „Wo waren deine Eltern?“ „Fort!“, antwortete Fay nur matt und ich wollte weiterbohren. Das war kein Grund, fand ich, seine Kinder allein zulassen. Doch Fay sah mich dann mit einem Blick an, als wollte sie darum anflehen, nicht weiter nachzufragen und ich respektierte das. Sie hatte im Grunde eigentlich dasgleiche durchgemacht, wie ich jetzt. Nur dass sie dabei noch jünger war. Fast schon schämte ich mich, dass ich mich bemitleidet hatte. Fay und Lex hatten es bestimmt nicht leicht gehabt ohne ihre Eltern. „Und ich jammere rum, weil mein Leben verpfuscht ist. Wie taktlos von mir!“, murmelte ich. Fay klopfte mir auf die Schulter. „Woher solltest du das auch wissen!“ Die nächsten Tage verbrachte ich wieder mit dem Training. Solange kein weiterer Besuch eines Geistes ins Haus stand, so fand es Brian zumindest, sollte ich weitermachen. Und ich hasste ihn dafür. Egal wielange und wie sehr ich es versuchte, ich landete immer wieder auf dem Boden. Irgendwann hatte Brian wohl genug, denn er warf sprichwörtlich das Handtuch auf den Boden und schüttelte den Kopf. „Es ist sinnlos!“, murmelte er. „Ich weiss nicht, was ich noch machen soll!“ Ich stand langsam auf und verzog schmerzlich das Gesicht. Ein Wunder, dass ich nur blaue Flecken und keine gebrochene Knochen hatte. So hart wie Brian mich ran nahm. Gerade wollte ich vorschlagen, dass er es mal etwas sanfter versuchen sollte, ließ es aber sein, als er sich umdrehte und mit einem enttäuschten Blick sagte:„ Deine Mutter war eine hervorragende Kämpferin. Aber du…?“ Er schüttelte den Kopf und ich spürte, wie Ärger in mir hochkam. Okay, ich bin eine miserable Schülerin, ich gebe es zu. Aber trotzdem… Was gab im das Recht mich mit meiner Mutter zuvergleichen und mich damit niederzumachen? Ich wusste zwar nicht, wie gut meine Mutter im Kämpfen war, aber ich konnte mir denken, dass er nicht log und ich war auch ein kleinwenig stolz darüber. Dennoch machte es mich auch wütend, dass ich mit ihr verglichen wurde. Ich war nicht sie… „Eine Schande. Deine Mutter würde sich für dich schämen!“, murmelte er abfällig und das brachte das Fass zum Überlaufen. Erstens schien er sie selber nicht gern gehabt zuhaben und zweitens würde meine Mutter sich meinetwegen niemals schämen. Auch wenn ich in manchen Dingen eine Niete war. Also was bildete er sich ein, so über sie zureden? Wütend und weil ich ihm eins auswischen wollte, schlich ich mich an ihm heran und stürmte dann nachvorne. Mit einem Satz, warf ich mich auf ihn und riss ihn zu Boden. Dabei drehte er sich auf den Rücken und schien erstmal perplex. Ich nutzte diesen Moment und drosch auf ihn ein. Dabei legte ich meine ganze Wut in meine Schläge. Doch Brian schien diese locker wegzustecken. Aber er machte sich auch nicht die Mühe, sie abzuwehren. Irgendwann hörte ich auf und schaute schweratmend auf ihn. Noch immer sah er mich an und fast konnte ich seinem Blick nicht standhalten. Ernst war er und durchdringend, als würe er in mich hineinschauen können, aber dann grinste er breit. Es war jedoch kein spöttisches Grinsen, sondern ein zufriedenes. „Was?“, fragte immer noch außer Atem und erstaunt. „Na endlich. Endlich hast du mich angreifen und niederwerfen können!“, sagte er und…war das Stolz in seinen Augen? Nun war ich perplex und rutschte von ihm runter. Brian richtete sich auf und klopfte sich, nicht vorhandenen Staub von den Klamottn. „Auch wenn ich dir absichtlich den Rücken zugedreht habe!“ Nun verstand ich und mein Mund klappte auf. „Das war ein Trick?“ Ich konnte es nicht glauben. Brian hatte mich ausgetrickst. Noch dazu hatte er meine Mutter mithinein gezogen, das machte mich noch wütender. „Das war alles Absicht? Sag mal gehts noch?“, fragte ich. Brian hob die Hand und lächelte diesesmal sanft. „Ich weiss, und es tut mir leid. Aber ich musste zu diesem Mittel greifen!“, sagte er und meine Wut verrauchte. Zum ersten Mal hatte er sich bei mir entschuldigt. Hatte ich doch zufest zu geschlagen? Ich wollte schon etwas sagen, doch da kam Lex. „Es gibt Arbeit!“ Unser neuer Fall war eine Geistererscheinung. Wiedermal. Sie ging in einem Haus umher, das einem gewissen Jonathan Hinsdale gehörte. Schon das hörte sich wieder so an, als hätte er monatlich einen fünfstelligen Betrag auf dem Konto oder vielleicht mehr. Und als ich sein Haus sah, eine alte und dennoch mit dem neuesten Schnickschnack ausgestattete Villa, wurde meine Vermutung bestätigt. Der Gute legte wirklich viel Wert darauf, dass man sah, wieviel Stil er hatte. Ein ordentlich geschnittener Rasen, teueraussehnde Mamorstatuen, die in einem parkähnlichen Garten standen. Büsche, die zu Tieren geschnitten waren. Alles in allem roch nach Geld. Nah vielem vielem Geld. Wir stiegen aus und wurden auch sogleich im Empfang genommen von einem etwas steifaussehenden Butler. „Mister Hinsdale erwartet Sie bereits. Bitte folgen Sie mir!“, sagte er und führte uns in eine Eingangshalle. Von der in ein Wohnzimmer, dass im Gegensatz zu dem von Brian und Esmerladas ziemlich düster wirkte. In diesem wartete schon der Hausherr. Angezogen in einem dunklen Anzug mit einem weißem Hemd und einer schwarzen Seidenkrawatte. Er war so um die Mitte dreißig. Hatte kurzes blondes Haar und einen stechenden Blick. Ich blieb erstmal stehen, während Fay und Lex weitergingen. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte ein ungutes Gefühl. Mochte es vielleicht an den ausgestopften Tierköpfen liegen, die da an der Wand hingen? Oder an diesem dunklen Zimmer oder vielleicht am beiden zusammen. „Bitte verzeihen Sie die Verspätung!“, entschuldigte sich Lex, wobei das eine glatte Lüge war. Mister Hinsdale lächelte. „Die Hauptsache ist, dass Sie hier sind!“, sagte er. „Sie sagten etwas von einer Geistererscheinung!“, sagte Lex. Hinsdale nickte. „Ja, seit einigen Wochen geht hier schon ein Geist um. Zu Anfang war es nur das Zuschlagen von Türen oder Fenstern. Geräusche, die was das Seufzen einer Frau klangen, wobei ich immer gedacht hatte, es sei der Wind. Bis…!“, begann er zu erklären. „Bis?“, hakte Lex nach und Hinsdale sagte in einem langen Atemzug:„ Bis diese Geiserfrau auftauchte!“ „Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber: Sie sehen nicht gerade aus, wie jemand, der sich davon fürchtet!“, sagte Fay. Mister Hinsdale lächelte nun. Er schien von Fays Worten geschmeichelt zusein. „Das stimmt auch. Nur…Sie müssen wissen, mein Grossvater ist schon sehr alt und an sein Bett gefesselt. Die Ärzte sagten, dass sein Herz schwach sei und wenn er nun diesen Geist sehen würde, dann…!“ „Verstehe, es würde ihn umbringen!“, schloss Lex. „Und Sie wollen, dass wir diesen Geist so schnell wir möglich beseitigen!“ „Richtig!“, sagte nun Hinsdale, da fiel sein Blick auf mich. „Und wer ist das? Ihr Vorgesetzter sagte schon, zwar dass Sie kommen würden, aber nicht eine dritte Person!“ Kurz schaute Lex zu mir. „Sie ist in der Ausbildung und will ein wenig Erfahrung sammeln!“, erklärte er dann. Hinsdale schien das zureichen, denn er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zu Lex und Fay. Ganz besonders auf Fay. Das schien ihr etwas unangenehm zusein. Sie machte einen Schritt zurück und stellte sich etwas hinter ihren Bruder. „Wie werden Sie vorgehen?“, fragte Hinsdale, der sich nichts anmerken ließ. „Wir werden uns hier ein wenig umschauen, wenn Ihnen das genehm ist, natürlich?“ „Bitte, je eher Sie was herausfinden, desto besser!“ Wir durchsuchten das Haus von oben bis unten. Doch die üblichen Hinweise, kalte Stellen und oder schattenhafte Erscheinungen blieben aus. „Gab es schon mal solche Vorfälle?“, erkundigte sich Lex bei Mister Hinsdale. Dieser schüttelte den Kopf. „Nein, nicht das ich wüsste. Ich bin auch nicht immer Zuhause. Die meiste Zeit bin ich beruflich unterwegs. Ich habe es nur von den Bediensteten gehört!“ „Ist einer der Angestellten hier, der die Geistererscheinung gesehen hat?“, bohrte Lex nach. „Lassen Sie mich nachdenken!“, murmelte Hinsdale. „Ja, Ricardo, der Gärtner hat den Geist zuerst gesehen!“ Ich musste schmunzeln. Das passte irgendwie ins Bild. Südländischer Name und der Beruf Gärtner. Und als wir besagten Gärtner sahen, wurde mein Bild von ihm noch mehr bestätigt. Ricardo war ungefähr so groß wie ich, hatte einen kleinen Bauch und trug den üblichen grünen Gartenanzug. Plus gelben Gartenhandschuhen. Er war gerade dabei Unkraut zu jäten und hörte das Rufen von Mister Hinsdale nicht, da er sich kleine Kopfhörer in die Ohren gestopft hatte, durch die er Musik hörte und das in solch eine Lautstärke, bei der wir selbst die Musik hören konnten. Entnervt stapfte Hinsdale zu seinem Gärtner und riss ihm die Kopfhörer aus den Ohren. Erschrocken sprang dieser auf. „Senior!?“, rief dieser und zog den Strohhut, den er aufhatte hinunter. Hielt ihn sich vor die Brust. Ihm schien es peinlich zusein, dass er seinen Boss nicht gehört hatte. Hinsdale stemmte die Hände in die Hüfte und sah seinen Gärtner kurz grimmig an, dann drehte er sich zur Seite, sodass der Gärtner uns sehen konnte. „Diese Leute sind hier wegen dem Geist, den du gesehen hast!“, sagte Hinsdale und der Mann sah uns kurz an. Als sein Blick traf, weiteten sich seine Augen und murmelte etwas. Machte das Kreuzzeichen. Mister Hinsdale tadelte ihn daraufhin. „Hör auf solchen Unsinn zu faseln und erzähle Ihnen, was du gesehen hast!“, fauchte Hinsdale, wobei das gleiche für den armen Mann hinauslief. Unbeholfen, wie ein Schuljunge, machte er einen Schritt auf uns zu und grub seine schmutzigen Fingernägel in den Strohhut. „Nun ich…!“, begann er mit seinem südländischen Akzent und sein Blick huschte mal zu Lex, mal zu Fay, mal zum Boden. Aber nicht zu mir. Als wäre etwas an mir, was ihm Angst macht. Ich machte daher einen Schritt zurück, aber nur so weit, dass ich etwas noch hören konnte. „Also?“, fragte Lex und sah den Mann abwartend an. „Ich wollte die Büsche neu schneiden und da…da sah ich es!“, stammelte er. „Da sahen Sie was?“, drängte Lex. „Diesen Geist. Eine Frau…Sie..sie sagte:„ Hilfe!“, dann verschwand sie!“ Ich horchte auf. Könnte das die gleiche Frau sein, die mir in meinem Zimmer erschienen ist? „Können Sie uns diese Geisterfrau beschreiben?“, fragte ich nur und der Mann schien kurz nachzudenken, dann beschrieb er sie und auch wenn ich weder ein Bild hatte oder sonst was ich ihm zeigen konnte, um meinen Verdacht zu bestätigen, wusste ich, dass er die Frau meinte, die ich gesehen hatte. Ich blickte Lex an und er schien zu verstehen. Er nickte, wandte sich dann wieder Mister Hinsdale zu. „Wir werden der Sache nachgehen. Wenn es wirklich ein Geist, wird er sicher Spuren hinterlassen haben, die uns Aufschluss geben, wie wir ihn loswerden!“, erklärte er und wir gingen. Als er diese Kraft spürte, war die Versuchung groß gewesen, sie sogleich an sich zureissen. Doch dann bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Diese Kraft war nicht annähernd die, die er zu anfang verspürt hatte. Etwas schien diese zu bedecken. Wie ein Schleier. Was war das bloss? Er musste es herausfinden. So schnell wie möglich. Langsam hob er seine Hand und blickte auf sie nieder. Wo die Haut vorher glatt und jung war, wurde diese nun von tiefen Falten und dunklen Flecken bedeckt. Ein Schauer rann ihm über den Rücken. Er wusste, das dies die ersten Anzeichen dafür waren, dass die Kraft, die er durch die gestohlene Seele erhalten hatte, nachließ und er erneut zualtern begann. Er blickte dann in den Spiegel, um zusehen, ob der Prozess auch sein Gesicht betraf, aber er stellte erleichtert fest, dass es noch nicht soweit war. Aber er wusste auch, dass es nicht lange dauern würde, bis auch sein Gesicht altern würde. Er musste handeln. Sonst war es zuspät. „Und was meinst du?“ Diesesmal war die Frage an mich gerichtet. Ich hob die Schultern. Ich wusste auch nicht sorecht, was ich dazu meinen sollte. „Es muss die die Frau sein, die ich gesehen habe. Aber was das mit Mister Hinsdale zutun hat…?“ Ich ließ den Rest des Satzes in der freien Luft schweben. „Vermutlich ist er dieser mysteriöse Freund der verstorbenen. Geld genug scheint er ja zuhaben!“, meinte nun Fay und schüttelte sich. „Hast du gesehen, wie er mich angesehen hat?“ Lex grinste. Ich konnte es sehen im Rückspiegel. „Klar, als seist du das nächste Opfer!“ „Damit macht man keine Witze, Lex. Ich hatte wirklich das Gefühl, als würde er…mich gleich…brrr, ich will gar nicht daran denken!“, schauderte Fay. „Wir sollten diesen Geist kontaktieren!“, sagte Lex und sah mich nun direkt an. Ich ahnte, auf was er hinaus wollte. „Habt Ihr denn ein Hexenbrett?“ „Wir haben alles, was man braucht, um mit den Geistern zusprechen!“, erklärte Fay. Warum wunderte mich das nicht? „Ist das Euer Ernst?“, fragte Brian skeptisch, als Lex eine Decke auf dem Tisch ausbreitete, auf dem ein Pentgram aufgemalt war. Ich war auch skeptisch. Nicht weil ich bezweifelte, dass das ganze nicht klappen würde, sondern weil mir noch sehr gut meine erste Geistersitzung in Erinnerung geblieben ist. „Was wenn was schief geht?“, fragte ich daher. Fay sah mich kurz an, als schien sie sich sehr gut zuüberlegen, was sie sagen sollte, dann aber lächelte sie mich zuversichtlich an und klopfte mir auf die Schulter. „Keine Sorge im Gegensatz zu diesem Möchtegern-Medium, haben wir wirklich Erfahrung damit!“ Auch wenn sie Erfahrung hatten, blieb in mir dieses ungute Gefühl. Brian schien ebenso nicht gerade überzeugt zusein. Sagte jedoch nichts mehr. Wir versammelten uns alle um einen Tisch und reichten uns die Hände. Außer Brian und Esmeralda. Die standen etwas abseits. Fay legte das geklaute Tagebuch der Toten in die Mitte der Decke. Dann schloss sie die Augen. „Wir sind hier, weil wir den Geist von Jennifer sprechen wollen!“, begann Fay. „Jennifer, kannst du mich hören?“ Der Beginn der Geisterbeschwörung war eigentlich genauso, wie die im Hotel, aber das Gefühl der Kälte und des Erstickens blieb aus. Nur der kalte Lufthauch, der die Anwesendheit eines Geistes bestätigte, war da und strich über uns hinweg. Die Kerzen begannen kurz zuflackern, ehe sie sich selbts ausbließen und sich dämmrige Dunkelheit über uns legte. „Wir rufen Dich, Jennifer. Komm aus dem Dunklen zuuns und erzähle uns, was mit dir geschehen ist!“ Langsam begann sich Rauch in der Mitte der Decke zu sammeln und zu kräuseln. Schraubte sich dann nach oben und verdichtete sich. Formte sich dann zu einer schemenhaften Abbildung einer Frau. Jennifer! „Was wollt ihr von mir?“, fragte ihre hohle Stimme. Sie klang weder wütend noch sonst irgendwie so, als wäre sie irgendwie sauer, dass wir sie gerufen haben. Sie schien keine einzige Empfindung zuhaben. Mein Hals wurde trocken. Ihre leeren Augen wanderten umher, sahen uns an. Ich schauderte. Noch nie hatte ich solche leeren Augen gesehen. Nicht mal bei einer Toten. Eine kurze Zeit blieb ihr Blick auf mich gerichtet, dann wandte sie sich an Fay, die sie gerufen hatte. Wir wollen wissen, wer dich aus dem Reich der Leben gerissen hat?“, sagte Fay. Der Geist flackerte, wie bei einer Fernsehstörung. Auf seinem Gesicht war nun ein schmerzlicher Ausdruck zusehen. „Ich weiss es nicht. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern!“, wisperte sie und hielt sich den geisterhaften Kopf. Fay, Lex und ich warfen uns enttäuschte Blicke zu. Nicht gerade die Antwort, die wir uns erhofft hatten. Fay versuchte es erneut. „Bitte! Es ist wichtig!“, drängte sie sie. Stille! Dann ging ein Ruck durch den Geist und ihre Augen weiteten sich. „Du bist in Gefahr!“, hauchte sie. Fays Augen wurden ebenso groß. Vor Erstaunen. „Wie meinst du das?“, fragte sie. Der Geist begann sich zu winden, als hätte er Schmerzen. „Er…er hat dich bereits als sein nächstes Opfer ausersehen!“, flüsterte sie. „Wer, Jennifer. Wer ist hinter mir her?“, fragte Fay, doch Jennifer sagte nichts mehr, sondern schrie einmal kurz auf und verschwand. Die Kerzen gingen wieder an und auf unseren Gesichtern war Ratlosigkeit zusehen. In Fays jedoch so etwas wie Sorge. „Alles in Ordnung?“, fragte Lex, der nun ebenso besorgt war. Immerhin schien seine Schwester die nächste zusein. Etwas, was Brian überhaupt nicht gefiel. „Wer auch immer er ist, sollte sich ein anderes Opfer suchen!“, knurrte er. „Brian!“, rief Esmeralda. „Ich werde schon aufpassen, Dad. Keine Sorge!“, sagte Fay. Brian schien das nicht zureichen. Und ich konnte ihn verstehen. „Immerhin wissen wir jetzt, wo wir suchen müssen!“, mischte sich Lex an. „Ich bin mir sicher, dass Jennifer diesen Hinsdale meinte. So wie er Fay angesehen hat!“ „Und er hat dich gewarnt. Mehr Beweise brauchen wir eigentlich nicht!“, sagte ich nun, wobei ich mich fragte, ob es wirklich so einfach sein konnte. Am nächsten Tag besuchten wir Mr. Hinsdale erneut. Wir hatten ein paar Fragen. Mr. Hinsdale schien sich zu freuen, uns wiederzusehen. Zumindest Fay. Fay versuchte sich im Hintergrund zuhalten. Lex spürte, wie unangenehm es seiner Schwester war, wie der Mann sie ansah und stellte sich schützend vor sie. „Haben Sie schon was herausgefunden?“, fragte er, der sich davon nicht beeidrucken ließ. „Ja, sagen Sie kannten sie eine Jennifer Kingsten?“, fragte Lex seinerseits und richtete sich in seiner vollen Größe auf. Mister Hinsdale runzelte nur die Stirn. „Nein, tut mir leid. Wieso fragen Sie?“ „Nun, es wurde die Leiche einer Frau gefunden. Sie hiess Jennifer Kingsten!“ Etwas flackerte in den Augen von Hinsdale auf, als er diesen Namen hörte. Ich hatte das Gefühl, dass er sehrwohl wusste, wer diese Frau war. Aber kaum dass ich es in seinen Augen gesehen hatte, verschwand es auch und Hinsdale sah betroffen drein. „Das…das ist schrecklich und es tut mir auch leid. Aber was habe ich damit zutun?“ „Nun, wir gehen davon aus, dass Sie sie gekannt hatten. Eine Freundin der Toten bErikhtete, dass sie jemanden kennengelernt hatte. Jemand, mit sehr viel Geld!“ Nun weiteten sich die Sugen von Hinsdale. „Moment, Sie denken, dass ich damit gemeint bin?“ „Wäre das so abwegig?“ „Ja, ich bin nicht der einzige Jungegeselle mit viel Geld. Davon gibt es in London genug. Es kann jeder sein!“, sagte er aufgebracht. „Außerdem war ich ständig auf Reisen. Ich hatte also keine Zeit eine Romanze mit einer Frau anzufangen!“ „Vermutlich nicht persönlich, aber wie steht es mit Singlebörsen. Davon gibt es genug!“, sagte Lex und sag Hinsdale lauernd an. „Und sind die üblichen Anlaufstellen für Mörder!“ Nun schien Hinsdale der Kragen zu platzen. „Jetzt reicht es. Was erlauben Sie sich? Ich habe mich an Ihren Vorgesetzten gewendet, weil es bei mir spukt und ich diesen Geist loswerden will. Und Sie stellen mich als einen Mörder hin!“, blaffte Hinsdale. „Machen Sie ihren Job und dann verschwinden Sie!“ Wütend über Lexs Verdacht, stapfte er davon. Lex pfiff. „Hui, na das nenne ich doch mal einen eindeutigen Beweis!“ „Was meinst du?“, fragte ich leise. „Der ist ja fast geplatzt!“ „Genau das wollte ich auch!“, sagte er. Dann ging er. „Hey, wohin gehst du?“, rief Fay. Lex blieb stehen, sah uns mit einem schiefen Grinsen an. „Wir sollen doch unseren Job machen. Also…!“ Mir ging die eben geführte Unterhaltung zwischen Lex und Hinsdale und dessen Ausbruch nicht aus dem Kopf. Je länger ich darüber nachdachte, musste ich Lex Recht geben. Hinsdale hatte viel zu auffällig darauf reagiert. So als würde er etwas verbergen wollen. „Ihr seid nahe dran!“, hörte ich Erik sagen und blieb stehen. „Glaubst du auch, dass er dahinter steckt?“, fragte ich leise. „Nunja, er scheint wirklich etwas verbergen zuwollen. Aber ich kann nicht nicht spüren, was!“, erklärte er. „Das klingt nicht gerade gut!“, flüsterte ich. „Ihr müsst vorsichtig sein. Was oder wer auch immer dahinter steckt, er ist mächtig!“, sagte Erik und in seiner Stimme schwang Sorge mit. Das beunruhigte mich. Erik war nicht der Typ, der schnell in Sorge geriet. Dass er es tat musste bedeuten, dass die Lage wirklich ernst war. Durch einen Spalt beobachtete er die junge Frau, die im Flur stand und in Gedanken versunken zusein schien. Er spürte, dass sie nicht allein war. Eine Kraft, die er zuvor nicht gespürt hatte, umgab sie und als er genauer hinsah, sah er einen Schatten hinter den ihren. Größer, dunkler. Was war das? Bevor er es genauer erkennen konnte, verschwand der dunkle Schatten und die Frau war allein. Interessant. Wirklich interessant. Leise schloss er die Tür. Ich hörte wie sich eine Tür schloss und drehte mich um, aber da war nichts. Doch ich ahnte, dass ich beobachtet wurde. Und das lag nicht an diesem typischen Klischee aus einem Horrorfilm. Nein, das sagte mir mein Gefühl. Einige Tage später flatterte eine Einladung ins Haus. Die war jedoch nicht für mich, Lex oder Fay gedacht, sondern für Esmeralda und Brian. Naja, eigentlich nur für Esmeralda. Sie kam von diesem Robert Finnlay. Er lud sie auf einen Wohltätigkeitsball ein. „Gehst du hin, Mum?“, frage Fay. „Weiss nicht. Ich habe eigentlich wenig Lust dafür. Aber es wäre auch unhöflich, nicht zugehen. Immerhin ist es für einen guten Zweck!“, sagte sie und schob die Einladungskarte wieder in den Umschlag. „Mich würde mal interessieren, woher er eigentlich unsere Adresse hat!“, murrte Brian und sah die Karte an, als wollte er sie am liebsten auffressen. Da machte Esmeralda ein etwas zerknirschtes Gesicht. „Ich glaube, das ist meine Schuld. Ich sagte ihm, wie ich heisse. Tja, da habe ich mich wohl selber in die Nesseln gesetzt!“, sagte sie und Brians Miene wurde noch böser. Sagte aber nichts. „Und? Gehst du hin?“, fragte er dann. „Ja, denke schon!“ „Kommst du mit?“ „Was denkst du denn?“ Daraufhin musste Esmeralda kichern. Der Ball fand auf einem beachtlichen Anwesen statt. Limousinen standen der Reihe nach in der Auffahrt, die zu einem großen Haus führte, das von einigen Lampen beschienen wurde. Herren in schwarzen Fracks eilten zu den Wagen und öffneten die Türen. Halfen den Damen hinaus und nahmen die Schlüssel entgegen, um den Wagen wegzufahren und zuparken. Brian lenkte den schwarzen Wagen die Auffahrt hinauf und blieb hinter zwei Autos vom Eingang entfernt stehen und schaute zum Anwesen. „Geschmack hat er ja!“, gab er unwillig zu. Esmeralda blickte hinaus. „Ich frage mich wirklich, was das für ein Wohltätigkeitsball sein soll? Ich erkenne keine berühmte Person hier. Aber Geld scheinen Sie wohl alle zuhaben!“, murmelte Esmeralda und drehte sich eine rote Locke um den Finger. „Sollen wir umdrehen?“, fragte Brian, der merkte, dass seine Frau sich bei diesem Anblick etwas unwohl fühlte und auch erleichtert war, diesem Ball entgehen zu können. Doch Esmeralda schüttelte den Kopf. „Nein, jetzt sind wir ja hier…!“, sagte sie. Einige Minuten später, wurde auf ihrer Seite die Tür geöffnet und ein Mann half ihr raus. Brian stieg aus und warf diesem die Schüssel über das Dach zu. Der Mann fing die Schlüssel etwas schusselig auf und umrundete dann das Auto, um sich ans Steuer zu setzen. Doch bevor er das konnte, hielt Brian ihn an der Schulter fest und sagte mit drohender Stimme:„ Keinen Kratzer, verstanden!“ Der Mann nickte eingeschüchtert. „Darling, mach dem armen Kerl keine Angst. Er macht nur seinen Job!“, rief Esmeralda. Brian sah ihn nach, dann warf er einen letzten warnenden Blick zu dem Angestellten und folgte ihr. Esmeralda wartete am Treppenansatz und hakte sich dann bei ihm ein. „Job oder nicht Job. Einen Kratzer und der Gute und seine Zähne werden getrennt schlafen!“, murmelte Brian mürrisch. Esmeralda lächelte. Sie wusste, dass er nicht wegen der Sorge um sein Auto miese Laune hatte, sondern dass sie hier waren. Auf einem Ball eines Mannes, der Esmeralda den Hof machen wollte. Sie hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange. „Versuch wenigstens, freundlich zusein!“, bat sie ihn, als sie vor den Eingang und den Gastgeber gegenübertraten. Robert Finnlay, begrüßte gerade den Gast vor ihnen. Als er Esmeralda sah, strahlte er über das ganze Gesicht. „Mrs. Matthews. Schön dass Sie kommen konnten!“, sagte er und ergriff ihre Hand um sie zu küssen. Brians Wangenmuskeln zuckten. Esmeralda hingegen warf ihm einen warnenden Blick zu. Daher riss er sich zusammen. „Es freut mich ebenso!“ Robert Finnlay sah Esmeralda für Brians Geschmack etwas zulange an und räusperte sich. Da sah Robert ihn an und versuchte wohl auch ihm gegenüber höflich zusein. „Und Sie müssen Ihr Bruder sein!“ „Ich bin Ihr Ehemann!“, sagte Brian sogleich, einige Takte zuschroff und stellte sich demonstrativ neben Esmeralda. „Oh!“, gab Robert nur von sich. Sichtlich und ehrlich verlegen darüber. Doch da war noch etwas anderes in seinen Augen, was Brian aufmerksam machte. Ein Aufflackern. Dunkel und bedrohlich. „Freut mich dennoch!“, sagte Robert schnell und machte eine einladene Handbewegung. „Treten Sie doch ein!“ Als sie in die Eingangshalle traten, hörten sie schon ein Wirrwarr von Stimmen. Und der beisende Geruch von Zigarren stieg Brian in die Nase. Angewidert rümpfte er die Nase. Dann traten sie in den kleinen Saal, der für den Ball extra hergerichtet war. Dieser war angefüllt mit Menschen, die förmlich nach Geld stanken. Alle waren ältere Herrschaften, in teueraussehenden Abendgardroben. Esmeralda und Brian schienen die einzigen jüngeren Gäste zusein. Als sie den Raum betraten wandten sich viele Köpfe zu ihnen herum. Einige der Gäste erkannten das junge Paar wieder und tuschelten. Doch die beiden beachteten dies nicht und gingen weiter. Einige der Gäste erkannten sie wieder. Die meisten von ihnen waren an der Börse oder Bank tätig oder verdankten ihren Wohlstand ihrer Vorfahren. Und jeden konnte Brian nicht leiden. Für ihn waren diese Menschen allesamt Speichellecker oder Intriganten, die nur auf eine passende Gelegenheit warteten, den anderen in der Öffentlichkeit niederzumachen, wie die Geier auf das ersterbende Aas. Brian ignorierte diese so weit es ging und machte ein bitteres Gesicht. Esmeralda merkte, seine Abneigung, den anderen Gästen gegenüber und strich über seinen Arm. „Lächeln, Darling. Lächeln!“, ermahnte sie ihn, auch wenn sie wusste, dass ihn das noch mehr auf die Palme bringen würde. Aber unter den Gästen waren auch einige hohe Tiere bei Scotland Yard und diese finanzierten ihre Abteilung. So zwang er sich zu einem Grinsen und nickte den Leuten zu, an denen sie vorbeiliefen und sie grüßten. Sie schritten weiter und kamen in einen kleinen Nebenraum, der zur dahinterliegenden Veranda führte und Brian ging darauf zu. Trotz dass sie nur kurz im Haus waren, brauchte er jetzt schon frische Luft. In dem großen Park, der hinter derm Haus lag, waren Lampen und runde Tische aufgestellt, an denen Gäste standen und an ihren Gläsern nippten. Unter einem blütenweisen Pavillon war ein Streichorchester und spielte. Hier war es wesentlich angenehmer. Hier waren nicht soviele Leute und genug platz, um sich zubewegen, während er drinnen das Gefühl hatte, als würde er ersticken. Tief holte er Luft. „Hier bleibe ich!“, sagte er. Esmeralda lachte leise. „Wir bleiben nicht lange!“ „Ich frage mich, warum wir überhaupt hier sind!“, murmelte Brian. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie die Party genießen!“, hörten sie plötzlich Robert Finnlay sagen, der gerade auf die Veranda trat. Brian wollte schon was sagen, aber Esmeralda kam ihm zuvor. „Natürlich. Sie ist wunderbar. Für was veranstalten Sie eigentlich den Ball? Mit welchem Projekt beschäftigen Sie sich?“ „Mit der Jugend. Es gibt viele Jugendliche, die auf der Strasse leben und ein schweres Leben haben!“ „Also ein Street-Worker?“, fragte Esmeralda. „Ja!“ „Das ist wirklich ein gutes Projekt!“ „Ja, der Meinung bin ich auch. Ich finde, dass jeder die Chance erhalten sollte, ein gutes Leben zu führen. In den letzten fünf Jahren haben wir schon einige Fortschritte gemacht und einige von ihnen von der Strasse geholt. Aber leider gibt es immernoch genug Jugendliche, die in zerfallenen Häusern leben oder sich kriminellen Jugendbanden anschließen!“ „Ich bin sicher, dass Sie auch diesen ein Zuhause geben können!“ „Wenn ich mit Ihrer Unterstützung rechnen darf, dann sicher!“, sagte Robert und lächelte charmant. „Mir wird gleich schlecht!“, dachte Brian angewidert angesichts, dieser Worte und musste sich wirklich beherrschen, um Esmeralda nicht am Arm zupacken und sie von diesem Schleimer wegzuziehen. Krampfhaft versuchte er die Fassade zu halten, doch die Blicke, die er Finnlay zuwarf, sagten mehr als er verbergen konnte. Finnlay achetete nicht darauf. Entweder weil es ihn nicht kümmerte, oder weil er unter seinen Blicken zusammenschrumpfte. Stattdessen sah er Esmeralda an, die nichts zu merken schien. „Schön haben Sie es übrigens hier!“, sagte sie und schaute sich um. Brian schürzte nur die Lippen. „Unser Haus ist schöner!“, dachte er abfällig. „Und Größer!“ „Danke. Es ist schon seit Jahrhunderten im Besitz meiner Familie!“, erklärte Finnlay geschmeichelt. „Aber ich wohne nur hier, wenn ich arbeiten muss. Die meiste Zeit verbringe ich in meinem Landhaus!“, erklärte er, wohl in der Hoffnung, sie zu beeindrucken. Als ob sie so leicht zu beeidricken sei, dacht Brian abfällig. „Wenn Sie möchten, können Sie mich am Wochenende auf meinem Landsitz besuchen kommen!“, bot er ihr an und Brian wäre beinahe alles aus dem Gesicht gefallen. Als Finnlay sah, dass er mit dieser Frage Brian auf den falschen Fuss erwischt hatte und damit das Fass zum überlaufen brachte, sagte er schnell:„ Natürlich Sie beide!“ „Oh, das ist sehr freundlich. Aber ich glaube kaum, dass wir dafür die nötige Zeit haben. Leider. Wir ermitteln grad in einem Mordfall!“, erklärte Esmeralda, die sich zwar über das Angebot geschmeichelt fühlte, aber es für keine gute Idee hielt, dieses anzunehmen. Vor allem da Brian geradezu innerlich kochte. Die Hitze seiner Wut konnte sie deutlich in ihrem Rücken spüren. Finnlay wirkte kurz enttäuscht, dann aber hoben sich seine Brauen. „Einen Mordfall?“, fragte er erschüttert. Esmeralda nickte. „Ja, eine junge Frau. Sie wurde tot aufgefunden. Die einzigen äußerlichen Wunden, waren Schnitte an ihrem Arm. Die jedoch konnten nicht tödlich gewesen sein!“ „Könnte es Gift gewesen sein?“, fragte Finnlay, der sich ziemlich interessiert anhörte. Das wunderte Brian. Warum wollte ein Möchtegern-Street-Worker davon erfahren? „Kannten Sie die Tote etwa?“, fragte er trocken. „Wenn Sie mir sagen, wie sie hiess, kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen!“, antwortete Finnlay. „Ihr Name war Jennifer. Jennifer Kingsten!“ Kaum hatte Brian das gesagt, zuckte Finnlay zusammen. Etwas in seinem Gesicht verriet ihn. Brians Augen wurden schmal und er sah sich Finnlay genauer an. Suchte etwas in seinen Blicken, was ihm sagte, dass er wusste, als er zugab. Sah jedoch nichts. Nur Entsetzen. „Sie kannten Sie?“, fragte nun Esmeralda. Finnlay nickte. „Ja, sie…sie gehörte zu meiner Gruppe!“ „Lebte sie auch auf der Strasse? Wir sprachen mit ihren Eltern. Sie erwähnten nichs davon!“ Finnlay lächelte traurig. „Natürlich nicht. Ihr war es unangenehm, dass sie in meine Gruppe kam. Sie hatte zwar ein Zuhause und Eltern, die sich um sie kümmerten. Aber dennoch war sie nicht glücklich. Ihre Eltern waren sehr streng und hielten sie an der kurzen Leine. Partys, Freunde treffen und shoppen gehen, waren ihr kaum gegönnt, da ihre Eltern wollten, dass sie für ihre Zukunft arbeitete. Sie hatten für sie große Pläne und Jennifer wollte nicht in diese hineingepresst werden. Also wandte sie sich an uns, um Hilfe zufinden!“, erklärte Finnlay. „Und dann?“, bohrte Brian weiter, der nun seine Langeweile vergass und mehr wissen wollte. Finnlay hob die Schultern. „Nichts und dann. Irgendwann kam sie nicht mehr. Ich dachte, sie hätte sich mit ihren Eltern versönnt. Aber jetzt…!“ „Haben Sie denn nichts davon erfahren?“, fragte Esmeralda skeptisch. „Immerhin war sie in ihrer Gruppe. Und es stand auch in der Zeitung. Also müssten Sie da doch etwas davon erfahren haben?“ Finnlay schüttelte wieder den Kopf. „Nein, leider nicht. Wenn dann…!“ „Wussten Sie denn, dass sie einen Freund hatte?“ „Sie hat mal was von einem Mann gesagt, aber ich dachte mir nichts dabei!“ „Ziemlich schlampig für jemanden, der sich um das wohl der Jugend interessiert!“, spottete Brian und verschränkte die Arme vor der Brust. Finnlays Kiefermuskeln zuckten und in seinen Augen blitzte es. Doch er schluckte die Worte, die er Brian entgegenschleudern wollte und wandte sich an Esmeralda. „Bitte entschuldigen Sie mich. Aber ich muss mich noch um die anderen Gäste kümmern. Wenn Sie meine Hilfe brauchen, egal in welcher Weise, sagen Sie mir bescheid!“, sagte er etwas frostig und ging dann. Brian sah ihm nach und musste amüsiert die Lippen kräuseln. Esmeralda bemerkte dies natürlich und warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du kannst es einfach nicht lassen?“, murrte sie. Brian machte ein unschuldiges Gesicht. „Ich weiss nicht, was du meinst!“ Esmeralda schüttelte den Kopf. Nichts gegen Eifersucht, das bringt Schwung in eine Ehe und zeigt, dass er sie wirklich liebt. Aber das ging wirklich zuweit. Sagte jedoch nichts. „Außerdem haben wir doch was Interessantes erfahren!“, sagte Brian sachlich. Esmeralda sah ihn nur an. Als ob das rechtfertig, dass er dem Hausherren auf seiner eigenen Party die Hosen auszieht, dachte sie. Aber wo er Recht hatte, hatte er Recht. Dass Jennifer in seiner Gruppe war, war wirlich interessant. Und sie fragte sich, ob es da noch mehr Mädchen, mehr Opfer gab, die aus seiner Gruppe waren. „Du denkst, dass er was mit den Morden zutun hat?“, fragte sie. Brian sagte nichts. Sondern sah nur in die Richtung, in der Finnlay verschwunden war. Sein Schweigen deutete sie als ein Ja. „Wir sollten uns die Leiche nochmal genauer anschauen. Vielleicht finden wir was!“, flüsterte Esmeralda. „Wenn Sie nich schon längst unter der Erde ist!“, murmelte Brian. „Gehen wir!“, sagte er daraufhin und die beiden drehten sich um. „Ich gehe vorher nochmal auf die Toilette!“, wandte Esmeralda ein. Brian war inverstanden. Jedoch hielt er sie am Arm fest und beugte sich zu ihr vor. „Pass auf!“, flüsterte er. Esmeralda runzelte die Stirn. Verstand nicht, warum er das sagte. Doch ein Blick in seine Augen verriet ihr, dass er den Braten hier nicht traute. Etwas schien ihn hier zustören. Esmeralda nickte. Fragte dann eine Dame, die wohl eine Kellnerin war, wo man die Gästetoilette finden konnte und ließ sich von ihr den Weg beschreiben. Esmeralda bedankte sich und stieg die Treppe hoch, die in den ersten Stock führte. Brian wartete am Ende der Treppe, die seine Frau hochgestiegen war und ließ den Blick umher schweifen. Er hatte seine Haltung den anderen Gästen gegenüber nicht geändert. Grüßte nur, wenn es sein musste. Eingie versuchten ihn, in ein Gespräch zuverwickeln, doch er lehnte mit einem höflichen Lächeln ab. Dann ließ er seine Gedanken zurück zu dem vor kurzem geführten Gespräch wandern und dachte über jedes einzelne Wort und jede Gestik von Finnlay nach. Etwas, an Brians Fragerei hatte ihn gestört. Und das wollte Brian genauer unter die Lupe bringen. Zwar glaubte er nicht daran, dass sie noch auf legalem Wege an die Leiche kommen würden, aber er war entschlossen, Licht in die Sache zu bringen. Und außerdem: Hatte er sich noch nie um Legale Dinge gescherrt. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass schon zehn Minuten vergangen waren, seit Esmeralda auf die Toilette gegangen war. „Wo bliebt sie denn?“, fragte er sich und schaute zur Treppe hoch. Normalerweisse brauchte sie nicht solange… Da stimmte doch etwas nicht. Esmeralda wusch sich die Hände und trocknete sie. Schaute dabei kurz in den Spiegel und richtete sich ihre Haare. Sie ließ sich Zeit. Auch wenn Brian unten auf sie wartete und so schnell wie möglich wegwollte, wollte sie sich dennoch Zeit lassen. Soll er ruhig auf sie warten. Sie wäre schon etwas länger geblieben, aber sie hatte gesehen, dass er sich hier ziemlich unwohl fühlte. Sie wusste, dass es nicht an den vielen Leuten lag, sondern eher daran, dass ein anderer Mann ihr den Hof und ihn damit wahnsinnig machte. Und das wiederum machte ihr ein wenig Kummer. Er sollte wissen, dass sie ihm treu ist und keinen anderen Mann neben ihm haben wollte. Aber anscheinend konnte selbst ein beherrschter Mann, wie er, eifersüchtig werden. Egal wie alt er ist. Esmeralda musste etwas lächeln. Dann aber bemerkte sie, dass sie ihn schon lange, viel zulange, warten ließ und verließ die Toilette. Sie lief den Flur zurück und hörte schon unten das Stimmengewirr der Gäste. Sicherlich klopfte er mit dem Fuss auf dem Boden herum und hatte schon dunkle Wolken über seinen Kopf. Ein Gedanke, der ihre Stimmung etwas hob. Beeilte sich aber dennoch. Aber ehe sie zur Treppe kam, erfasste sie ein heftiger Schwindelanfall. Als hätte man ihr einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf verpasst. Alles drehte sich. Esmeralda taumelte und hielt sich an der Wand fest. Sie hielt sich den Kopf und versuchte den Schwindel loszuwerden. Esmeralda war es, als versuch sie etwas gefangen zu nehmen. Und je mehr sie dagegen ankämpfte, desto stärker wurde dies. Was war das bloss? „Komm!“, hauchte eine Stimme. „Komm zu mir!“ Es durchlief Esmeralda eiskalt. Die Stimme war in ihrem Kopf und verstärkte diese Kraft, die an ihr zerrte. Sie klang verlockend und weich. Hypnotisch. Fast schon wollte Esmeralda nachgeben. Sich von dieser Kraft fortführen lassen. Aber dann spürte sie einen Ruck durch ihren Körper fahren und ein wütendes Knurren. Der Schwindel blieb noch einen Moment, verflüchtigte sich aber dann und ihre Sicht wurde wieder klarer. „Esmeralda? Esmeralda, alles in Ordnung mit dir?“ Brian hatte gespürt, dass es etwas nicht stimmte und war die Treppe hochgerannt. Als er seine Frau sah, die sich an der Wand abstützte, dachte er erst, sie hätte einen Schwächeanfall. Aber dann sah er diesen Schatten, der an der gegenüberliegenden Wand war und seine Schattenklauen nach ihr ausgesstreckt hielt. Nach ihr greifen wollte. Esmeralda schien sich noch dagegen wehren zu können, doch für wie lange. So verschwendete Brian keine Zeit und eilte auf sie zu. Als er bei ihr war, legte er sogleich mit Hilfe seiner Macht einen schützenden Mantel um sie und versetzte dem Schatten einen Stoss, der ihn vertrieb. Der Schatten, überrascht, dass jemand ihn angriff, verschwand und entließ Esmeralda aus seiner Gewalt. Kaum war dieser weg, versagten ihr die Beine und Esmeralda sank zu Boden. Brian fing sie auf und setzte sie vorsichtig ab. Nun hielt er seine Frau eng an sich gedrückt und hoffte, dass sie sich gleich wieder erholen würde. „Esmeralda?“, fragte er wieder besorgt. Esmeralda brauchte einen kurzen Moment, ann nickte sie. „Ja, ich denke schon“, sagte sie. Brian half ihr beim Aufstehen. „Was…was war das bloss?“, fragte sich Esmeralda und rieb sich die Stirn. „Keine Ahnung!“, sagte Brian und seine Stimme wurde gefährlich. „Aber was es auch ist…Ich werde es das nächste Mal grillen, wenn es wieder nach dir greift!“ Langsam stiegen sie die Treppe hinunter. Brian stützte sie noch immer und als sie in die Einganghalle kamen, verlangte Brian von einem des Hauspersonals, dass sie seinen Wagen brachten. Dieser nickte nur und eilte hinaus. Einige der Gäste bemerkten, dass mit Esmeralda etwas nichts stimmte und bildeten einen Kreis. „Was ist passiert?“ „Geht es Ihr gut?“ „Können wir ihr ein Glas Wasser bringen?“, kam es von den Gästen. Doch Brian wehrte diese ab und geleitete seine Frau nachdraußen. „Was ist denn los?“, mischte sich nun Mr. Finnlay ein und ging zu ihnen. Als er Esmeralda sah, die bleich im Gesicht war, war er zutiefst besorgt. „Was ist mit Ihnen. Kann ich etwas tun?“, fragte er und wollte ihr helfen. Doch Brian stellte sich ihm in den Weg. „Sie haben heute schon genug getan!“, fauchte er und ging. Ich und Fay hatten uns einen ruhigen Abend gemacht. Waren Duschen, natürlich jede für sich, ich weiss ja nicht, was für Fantasien ihr habt, und gönnten uns ein leckeres, kalorienhaltiges Eis. Dick eingewickelt in weichen Bademänteln und mit in Handtüchern gewickelten Haaren, saßen wir bei ihr auf der Couch und sahen fern. Was Lex machte, war uns eigentlich egal. Sicherlich trainierte er oder zockte irgendwelche Shooterspiele. Jungssachen eben. Natürlich unterhielten wir uns über den Ball, auf den Fays Eltern gegangen waren und über Brians Begeisterung. „Dein Dad ist mächtig angepisst!“, bemerkte ich und hoffte, Fay würde mir diesen Ausdruck verzeihen. Fay grinste. „Und wie!“ „Hat er denn kein Vertrauen zu deiner Mutter?“ „Doch schon. Aber weißt, als Dad und Mum…fortwaren, war doch noch Sebastian. Der zog uns auf, wie seine eigenen Kinder!“ Kurz huschte ein Schatten über Fays Gesicht und sie sprach schnell weiter. „Er brachte uns alles bei, was wir wissne mussten. Später erfuhren wir, dass er in unsere Mum verliebt gewesen war!“ „Oh, dein Dad wusste davon nichts?“ „Doch. Und dafür könnte er ihn heute noch masakrieren!“ Nun lächelte Fay wieder, aber in ihren Augen war immernoch dieser Schmerz zusehen. Etwas musste schlimmes musste mit diesem Sebastian geschehen sein. Ich ahnte schon, was, aber ich wollte es nicht aussprechen. Da hörten wir Schritte auf dem Flur und die Tür wurde aufgerissen. „Mum und Dad sind wieder da!“, sagte Lex, der sich wohl nicht daran störte, dass wir halbnackig auf der Couch saßen und ihn ansehen, als sei er gestört. Fay war die erste, die die Sprache wieder fand. „Ja und?“ Egal was Lex von uns erwartete, wie enttäuschten ihn wohl in auf ganzer Linie, denn er schnaubte und fügte mit Nachdruck zu:„ Mit Mum stimmt etwas nicht!“ Nun waren wir ganz Ohr. „Was? Was ist mit ihr?“, fragte Fay aufgebracht und vergass, dass sie, als sie aufsprang so einiges enthüllte. Lex wandte den Blick ab. „Das weiss ich nicht. Kommt einfach runter, dann seht ihr es!“, sagte er und wollte die Türe schließen. Hielt dann aber inne. „Aber zieht Euch vorher etwas an!“ „Was ist passiert, Mum?“, fragte Fay. Wir saßen alle im Wohnzimmer und warteten gespannt darauf, was Esmeralda zu erzählen hatte. Esmeralda nahm einen Schluck aus dem Glas, was etwas beinhaltete, was verdächtig nach Gin aussah und atmete einmal tief durch. „Genau, weiss ich das auch nicht. Aber als ich auf diesem Flur stand, hielt mich plötzlich etwas gepackt. Es…es war so, als wollte mich etwas…geistlich wegzerren. Mir meinem Willen nehmen!“, beschrieb Esmeralda. Brian hörte nur zu. Saß neben sie und sah sie an. Aber ich konnte deutlich an seinem Gesicht ablesen, dass er innerlich alles andere als ruhig war. „Wenn du nicht gekommen wärst…!“, sagte sie und sah sie ihn mit einem angstvollen Blick an. Brians Gesicht verfinsterte sich kurz, dann wurde sein Blick weich und er nahm sie in den Arm. „Jetzt bist du ja in Sicherheit!“ „Fragt sich nur für wielange!“ Unsere Köpfe fuhren herum und wir sahen Erik in einer dunklen Ecke stehen. Brian erhob sich. In jedem seiner Schritte lag eine Drohung. Ob diese Erik galt oder dem, was Esmeralda bedroht hatte, konnte ich nicht sagen. Als er vor ihm stand, sahen sie sich einen Moment an. „Du wusstest davon?“ „Ich wusste, dass etwas dahinter steckt. Schon als Fay, Lex und Allison das Haus durchsuchten!“, erklärte er. Wir stutzten. „Wie? Wie meinst du das?“, fragte ich verwirrt. Was hatte dieser Finnlay mit Hinsdale zutun? „Das solltest du wissen. Du hast es doch auch gespürt!“, sagte er und nun waren alle Blicke auf mich gerichtet. Ich fühlte mich in diesem Moment unangenehm ertappt. Und erinnerte mich an das seltsame Gefühl, was mich beschlich, als wir in dem Haus von Hinsdale waren. Dieses Gefühl, beobachtet zuwerden. „Ich…!“ Mit einem unguten Gefühl schaute ich jeden an, mied dabei aber Brian. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich das schon eher hätte sagen sollen. „Wieso hast du das nicht schon früher gesagt?“, platzte es aus Brian, der auf mich zustürmte. Esmeralda sprang schnell auf und stellte sich vor mich. „Brian, sie konnte es doch nicht ahnen!“, wandte sie schnell ein, wobei jeder von uns allen es besser wusste. „Außerdem ergibt das alles keinen Sinn. Laut von Euch wurde Mum im Haus von Mr. Finnlay angegriffen. Aber was Allison gespürt hatte, war in Mr. Hinsdales Haus. Wie kann das sein?“, sagte Fay nun. „Ich habe da so einen Verdacht!“, sagte Lex. Wir alle sahen ihn an und warteten darauf, dass er etwas sagte. „Was wenn es sich hierbei um die eine und dieselbe Person handelt?“ Wir alle tauschten verwirrte Blicke. Es klang schon irgendwie logisch, aber es wollte nicht wirklich zueinander passen. „Kannst du diesen Finnlay beschreiben?“, fragte Lex dann und Esmeralda beschrieb ihn ihren Verhrer. Lex versucht sich von ihm ein Bild zumachen. Als Esmeralda fertig war und Lex in seinem Kopf das Bild vervollständig hatte, schüttelte er den Kopf. „Nein, kann doch nicht sein!“, sagte er dann. „Aber eine Verbindung muss es da ja geben!“ „Außerdem…!“, sagte er dann und sein Gesicht wurde finster. „Gibt es da noch jemanden, der in Frage kommen würde!“ „Und wer?“ „Der Grossvater von Mr. Hinsdale. Zwar hat er gesagt, dass er bettlägrig ist, aber trotzdem haben wir ihn noch nie zu Gesicht bekommen!“ „Du denkst, dass auch er dahinter stecken könnte?“, fragte ich. Lex antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände. „Vielleicht sollten wir uns noch mal in beiden Häusern umsehen. Wäre ja möglich, dass wir was herusfinden!“, sagte Fay. „Aber seid vorsichtig. Wer von den beiden auch dahinter steckt, er ist gefährlich!“, warnte Esmeralda uns. „Ich werde schon auf sie aufpassen!“, sagte Erik, woraufhin Brian ihm einen mörderischen Blick ansah. „Auf Allison natürlich!“ „Und ich sollte Finnlays Einladung annehmen, ihn in seinem Landhaus zubesuchen!“, sagte Esmeralda nun und ihre Stimme war wieder voller Kraft. „Was? Nein!“, rief Brian. „Es ist die einzige Möglichkeit!“, erklärte Esmeralda schnell. „Dich doch noch zu kriegen oder diesem Mistkerl auf die Schliche zu kommen?“, fragte Brian scharf. „Natürlich ihm auf die Schliche zu kommen!“, sagte Esmeralda. „Aber er hätte dich beinahe bekommen!“ „Beinahe, ja. Und ich weiss jetzt, was mich erwartet!“ „Und was wenn du dich dabei in zu große Gefahr begibst?“ „Ich bin schon lange genug in diesem Geschäft um zuwissen, in was für eine Gefahr ich mich begebe!“, sagte Esmeralda bissig. Ich hatte das leise Gefühl, dass sich hier gleich ein Streit anbahnte. Fay tippte mir auf die Schulter und machte mit dem Kopf eine Bewegung, die mir sagte, dass Weite zusuchen. Sie schien das gleiche zu ahnen. Ich nickte und folgte ihr die Treppe hoch. Lex kam uns nach und selbst Erik stahl sich davon, auch wenn ich deutlich an seinem Gesicht sehen konnte, dass er sich diebisch darüber freute. Wir verkrümmelten uns in unsere eigenen Zimmer. Esmeraldas und Brians hitzige Stimmen waren noch ewig lange zu hören. Zum einen konnte ich Brian verstehen. Esmeralda war diesem mysteriösen Kerl beinahe ins Netz gegangen. Und das Risiko, dass es beim nächsten Mal anders werden könnte, war groß. Aber ich hatte auch Vertrauen, dass Esmeralda es schaffen würde. Wir hingegen, würden uns mit Hinsdale beschäftigen. „Und wie gehen wir vor?“, fragte ich vom Rücksitz aus, während wir die Strasse zum Herrenhaus einbogen und zum Tor vorrollten. „Wir werden erstmal sehen, ob wir reinkommen. Wenn ja, dann teilen wir uns auf und derjenige, der etwas findet, schlägt Alarm!“, erklärte Lex. Es war Wochenende. Und während wir zu Hinsdale fuhren, fuhr Esmeralda zum Landsitz von Mr. Finnlay. Natürlich unter Brians Protest. Ich musste mich mit einem Schmunzel daran erinnern, wie er wieder damit anfing und versuchte, sie dazu zuüberreden, daheim zu blieben. „Ich halte das immer noch für eine schlechte Idee!“, hatte er gesagt und sah sie mit verkniffener Miene an. Esmeralda hatte sich, wohl um Finnlay in Sicherheit zuwiegen ordentlich in Schale geworfen, was Brian noch mehr missfiel. Man sah ihm an, dass er sie gar nicht aus der Haustür lasse wollte und sie am liebsten in das nächste Zimmer eingesperrt hätte. Doch Esmeralda stellte sich stur hin und funkelte ihn an. „Fang nicht wieder damit an, Brian-Marcel Matthews!“, fauchte sie. Falls Brian noch was sagen wollte, so blieb ihm der Satz im Halse stecken und er machte ein zerknirschtes Gesicht. Murmelte etwas was wie: „Dickkopf!“, und „Verdammt!“, klang und machte ihr Platz, sodass sie aus der Tür treten konnte. Esmeralda stolzierte an ihm vorbei und wenige Minuten später hörten wir den Motor starten. Dann gingen auch wir. Lex klopfte seinem Dad auf die Schulter. „Gegen diese Mauer, kommst nicht mal du an!“, sagte er nur und ließen ihn zurück. „Ob Dad immernoch schmollt?“, fragte Fay und ich konnte ein Glucksen in ihrer Frage hören. „Natürlich schmollt er. Und nachdem Mum ihn mit seinen beiden Namen angeknurrt hatte, kann ich mir gut vorstellen, dass er sich auch ein wenig ins Hemd gemacht hat!“, feixte Lex und wir fuhren die Einfahrt hoch. „Naja, euer Dad scheint nicht der Typ zusein dafür!“, bemerkte. „Nun, er wird vielleicht nicht zittern und wimmern, aber er hat genug Respekt und Achtung vor Mum, um zuwissen, dass man sich nicht mir ihr anlegen sollte, wenn es darum geht, ihren Kopf durchzubekommen!“ „Eure Eltern gehen ja wirklich nett miteinander um!“ „Dafür lieben sie sich abgöttisch!“, bemerkte Fay mit einem Lächeln. „Nach allem was sie erlebt haben!“ „Das muss ja eine ganze Menge sein…!“ „Wenn du wüsstest!“, sagte Fay und Lex räusperte sich. Wir standen vor dem gusseisernen Tor und Lex hatte die Fensterscheibe des Wagens hinuntergelassen um zu klingeln. Zuerst gab es keine Antwort und wir dachten schon, dass keiner aufmachen würde. Doch dann ertönte eine schroffe Stimme. „Ja, wer ist da?“ Der Butler! „Wir würden gerne nochmal mit Mr. Hinsdale sprechen!“, sprach Lex in den Lautsprecher. „Mr. Hinsdale ist leider nicht im Haus. Kommen Sie morgen wieder!“ „Wir sind hier nicht zum Kaffeetrinken hier, sondern es geht um einen Mordfall und wenn Sie uns nicht reinlassen, werden ich Sie wegen Behinderung bei polizeilichen Ermittlungen einbuchten!“, drohte Lex. Dann herrschte Schweigen und wenige Minuten später summte es und das Tor schob sich auf. Lex startete den Wagen. „Na, bitte. Geht doch!“ Der Butler, offensichlich nicht arüber amüsiert, dass wir so ungebeten aufkreuzten, erwartete uns an der Auffahrt. Ohne ein Wort zusagen, ließ er uns ein. So gut wie fast alle Lichter im Haus waren gelöscht und es machte nicht den Eindruck, als würde Mr. Hinsdale hier sein. Ich tauschte einen Blick mit Fay, die mir nur stumm sagte, dass das kein Problem sei. „Wissen Sie wann er wiederkommt?“, fragte Lex den Butler. Dieser rümpfte die Nase. „Mr. Hinsdale ist außerhalb der Stadt. Wichtige Geschäfte tätigen. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann er kommen wird. Es könnte sein, dass er erst übermorgen wiederdasein wird!“ „Das ist nicht weiterschlimm. Wir wollen uns nur mal umsehen!“, erklärte Lex. Der Butler sah ihn noch für einen langen Moment an, als würde er ihn am liebsten hockantig rausschmeissen, drehte sich aber um und ging dann. Als er weg war, sagte Lex dann:„ Fay, du übernimmst das Erdgeschoss. Allison, du das Obergeschoss und ich schaue mir mal den Garten an!“ „Und was wenn einer von uns was findet und Hilfe braucht?“, fragte ich, weil es mir nicht gefiel, sich zu trennen und jeder alleine auf die Suche, nach was auch immer zugehen. „Dann rufst du ganz laut nach Hilfe!“, sagte Lex ohne weiteres. Eigentlich logisch, aber ich hatte das dumpfe Gefühl, dass mich keiner hören wird. Wenn Lex draußen im Garten war und Fay hier unten, dann… Wer weiss, was hier vor sich ging… „Du hast ja noch mich!“, hörte ich Erik plötzlich neben mir sagen. Das wiederum tröstete mich ein bisschen. „Also dann…!“, sagte Lex und wir teilten uns auf. Während ich die Stufen hochstieg hörte ich Fay, im Wohnzimmer umgehen und wie sie einige schwere Sachen verschob. Das Obergeschoss lag, wie das untere, in völliger Dunkelheit. Ich blinzelte paarmal, versuchte was zu erkennen. Doch seltsamer weise, waren meine Augen diesesmal nicht in der Lage, diese Dunkelheit zudurchbrechen und mir zusagen, wo was stand. Es war, als läge eine Art Schleier über ihnen. Vorsichtig tastent ging ich vor und nahm mir die ersten Tür vor, öffnete sie und schaute hinein. Es war das Badezimmer, nichts besonderes. Also schloss ich die Tür wieder und ging zur nächsten. Als ich die nächste öffnete, schlug mir augenblicklich ein unangenehmer Geruch entgegen. Er glich dem, der ständig in Krankenhäusern zugegen war. Und dennoch war etwas daran anders. Es roch nicht echt. Sondern irgendwie künstlich. Ich schob die Tür weiter auf und lugte hinein. Und machte sogleich einen Schritt zurück. Ich war unabsichtlich in das Schlafzimmer eines älteren Herrn geplatzt, der in seinem Bett lag und schlief. Das musste der Grossvater von Mr. Hinsdale sein. Verlegen darüber, dass ich einfach so reingeplatzt war, wollte ich schon wieder die Tür schlißen, als ich plötzlich inne hielt. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte das Gefühl, dass da was nicht stimmte. Vorsichtig trat ich an den Mann näher. „Mr. Hinsdale-Senoir…Verzeihen Sie, wenn ich sie störe, aber ich…!“, begann ich vorsichtig und trat noch näher, sodass ich nun an seinem Bett stand und ihn besser sehen konnte. Hinsdales Grossvater hatte die Augen geschlossen und schien mich nicht bemerkt zuhaben. Also entweder hat er einen gesunden Schlaf oder er war… Ich wollte den Gedanken gar nicht zuende führen, aber ich konnte mir keine andere Erklärung darauf geben. Um ganz sicher zusein, tippte ich ihn am Arm an. Er reagierte nicht. „Oh, lieber Himmel, lass ihn nicht tot sein!“, betete ich. Ich schaute mich nach einem Lichtschlater um. Wenn ich das Licht anschalte, würde er vielleicht doch wach werden. Ich sah eine kleine Lampe, die auf dem Nachttisch stand und schlatete sie an. Aber er wachte nicht auf. Was mache ich jetzt, dachte ich panisch und schaute zur Tür. Ob ich Fay rufen sollte? Oder gleich einen Notarzt oder noch besser einen Leichenwagen? „Beruhig dich wieder, Allison. Schau doch mal genauer hin!“, sagte Erik in meinem Kopf und ich zwang mich näher hinzusehen. Wobei ich gerne darauf verzischtet hätte. Dennoch tat ich es und betrachtete den schlafenden genau. Etwas war seltsam an seinem Gesicht. Es wirkte irgendwie steif und künstlich. Trotz der Falten, schien es nicht dem Gesicht eines alten Mannes zu gehören. Sondern eher einer…Puppe! „Was…?“, fragte ich und berührte das Gesicht des Mannes. Es fühlte sich genauso an, wie es aussah. Künstlich. Es war eine Puppe! Ich eilte hinaus auf den Flur und wollte nach Fay rufen, um ihr meine Entdeckung zuzeigen. Doch da sah ich, dass eine Tür offen war, die vorher noch nicht geöffnet war und das in dem Raum dahinter Licht brannte. Okay, das ist wirklich merkwürdig. Und unheimlich. Ich überlegte, ob ich nach Fay oder Lex rufen sollte, aber bis sie sah sein würden… Langsam ging ich auf die Tür zu. Ich spürte förmlich, dass es hier nach einer Falle roch. Doch ich ging weiter und trat in das Zimmer. Diesesmal war es ein Arbeitszimmer. Die Wände waren zum größten Teil vollgestellt mit massiven Bücherschränken, die vollgestopft waren mit Ordern und Büchern. Der Boden mit einem dunkel und teueraussehenden Teppich. An der Stirnseite des Zimmers, vor dem Fenster stand ein großer Schreibtisch und dahinter ein, mit der Rückenlehne mir zugedrehter, Stuhl. Auf der Lehne konnte ich eine Hand drauf liegen sehen. Ich stutzte. Hatte der Butler nicht gesagt, dass Mr. Hinsdale außer Haus war? Was ging hier nur vor? Ich wollte nun wirklich nach Fay rufen, da ich sicher war, dass sie mich hören würde. Da bemerkte ich diesen süßlichen Geruch. Er war metallisch und übelkeiterregend. Und er kam von dem Stuhl. Mit einem Male fühlten sich meine Knie weich an. Mein Magen zog sich zusammen und alles begann sich zu drehen. Dennoch zwang ich mich auf den Stuhl zu zugehen. Der Geruch wurde stärker, unterträglicher. Fast schon wollte ich kehrtmachen. Aber etwas hielt mich hier fest. Ich glaubte es sei Erik, der mich dazubringen wollte, es herauszufinden. Aber ich hörte weder seine Stimme noch hatte ich das Gefühl, als würde er meine Handlungen lenken. Es musste etwas anderes sein. Vermutlich der Wunsch nach Gewissheit. Wie auch immer. Ich streckte die Hand aus und holte tief Luft. Versuchte diesen widerlichen süßen Geruch auszublenden. Als ich die Lehne berührte, drehte ich langsam den Stuhl herum und sah, wer in dem Stuhl saß. Ich hätte zugerne gesagt, dass es eine gute und eine schlechte Nachricht gibt. Aber Fehlanzeige. Die schlechte Nachricht: Es war Hinsdale, der da saß. Die noch schlechtere Nachricht: Er war, er war tot. Die Ursache. Ein Dolch, der bis zum Anschlag in seinem Hals steckte. Die Augen des Toten starrten hoch an die Decke, der Mund weit aufgerissen. Ich wich zurück und presste mir die Hand auf den Mund. Mit wackeligen Beinen torkelte ich aus dem Abreitszimmer und den Flur entlang. „F…Fay…Fay…!“, würgte ich und eilte ins Wohnzimmer. Da war sie nicht. Vermutlich war sie in der Küche oder sonst wo. Kopflos eilte ich von einem Zimmer zum anderen und rief nach Fay. Doch sie gab keine Antwort. Verdammt, wo steckte sie bloss. Als ich sie drinnen nicht fand, ging ich hinaus. Vielleicht war sie ja bei ihrem Bruder. Ich hoffte es. Ich lief hinaus. Um das Haus herum und rief nach Lex und Fay. Eine lange Zeit kam keine Antwort von ihnen und ich fürchtete schon, ich sei hier allein auf diesem Grundstück, aber dann sah ich eine Gestalt auf mich zulaufen. Lex! Ich war heilfroh, ihn zusehen. „Gott sei dank. Lex!“, rief ich und eilte ihm entgegen. „Allison? Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“, sagte er erstaunt. „Das kommt hin. Da…da im Arbeitszimmer ist eine Leiche. Und in dem anderen, da…da liegt eine Puppe, die wie ein alter Mann aussieht!“, stammelte ich ohne Sinn und Verstand. Lex sah mich auch dementsprechend an. „Was redest du da?“, fragte er. „Ich weiss, dass es verrückt klingt. Aber ich spinne nicht. Ich weiss, was ich gesehen habe!“ „Okay okay. Beruhige dich. Wo ist Fay?“ „Ich dachte, sie ist bei dir!“ „Nein, ist sie nicht. Daher bin ich zu dir, weil ich dachte, sie sei hier draußen!“ Dann herrschte Stille, in der Lex mich nur ansah. Dann wurde sein Gesicht panisch. „Aber das würde ja bedeuten…!“, sagte Lex und stürmte plötzlich an mir vorbei. Ich folgte ihm. Er schien regelrecht über den Rasen zufliegen, so schnell wie er rannte. Ich hatte wirklich Probleme ihm zu folgen. „Lex…Lex was ist denn? Stimmt etwas nicht?“, rief ich, doch Lex sagte nichts, sondern rannte zur Vorfahrt. Eine wirklich dumme Frage, wie ich zugeben musste. Natürlich stimmte etwas nicht. Das Fay einfach nicht zu finden war und keiner von uns wusste, wo sie stecken könnte, war Beweis genug. Wir schienen ewig zu brauchen, ehe wir bei Vorderseite des Hauses ankamen und auf die, mit weissem Kies ausgelegte, Auffahrt stürzten. Kaum dass ich auch nur einen Fuss darauf gesetzt hatte, packte mich Lex am Kragen und riss mich mit einem heftigen Ruck nachhinten. Ich wollte fragen, was das sollte, doch da sah ich einen weissen Lieferwagen, der nur haarscharf an mir vorbeischoss und unter dem sperrangelweiten Tor davonbrauste. Ich blickte diesem atemlos nach, konnte nicht richtig die letzten Sekunden realisieren. Dann packte mich Lex wieder und zog mich auf die Füsse. „Penn nicht ein, wir müssen hinterher!“, schrie er mich förmlich an und schleppte mich hinter sich her. Wir stiegen in den Wagen und kaum dass ich saß und nicht mal richtig angeschnallt war, trat Lex auch schon das Gaspedal durch. Esmeralda klingelte an der Tür des Landhauses, das ziemlich weit abgelegen lag. Es war schon ziemlich spät geworden, als sie es endlich gefunden hatte. Es lag meilenweit von der Stadt entfernt. Und schien weit und breit das einzige Haus zusein. Zumindest hatte sie kein anderes gesehen. Sie blieb noch einige Minuten im Wagen sitzen, dann holte sie tief Luft und stieg aus. Es dauerte eine Weile, ehe man ihr öffnete. Doch es war nicht Finnlay, der da vor ihr stand, sondern ein Fremder. Gekleidet in einen Bedienstetenanzug. „Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er höflich. Esmeralda brauchte einen kurzen Moment. Sie hatte erwartet, Finnlay allein hier anzutreffen. Aber offensichtlich wollte er auch hier seine Angstellten haben. Esmeralda musste etwas lächeln. „Ja, ich bin hier auf Mr. Finnlays Einladung!“, sagte sie höflich. Der Butler sah sie einen kurzen Moment an, dann nickte er und ließ sie hinein. „Mr. Finnlay ist noch nicht da. Aber er wird bald dasein!“, erklärte der Butler. „Kann ich Ihnen was zutrinken bringen?“ „Nein, danke!“, sagte Esmeralda. Sie wollte nüchtern sein, wenn es sich hier um eine Falle handeln würde. Sie setzte sich in dem kleinen Wohnzimmer auf eine gemütliche Couch und schaute sich immer wieder aufmerksam um. Sie versuchte, mithilte ihrer Sinne, diese unheillvolle Kraft aufzuspüren, die sie im Anwesen von Mr. Finnlay gespürt hatte. Aber sie spürte sie nicht, also suchte sie mit ihren Augen das Zimmer, nach irgendwelchen Hinweisen auf einen dunklen Zauber, ab. Fand aber auch nichts. Dabei war sie sich sicher, dass sie hier etwas finden würde. Entweder war Mr. Finnlay, sollte er Dreck am Stecken haben, ziemlich gerissen oder aber seine Weste war blütenweiss. Was Esmeralda natürlich nicht glaubte. Sie wusste es einfach. Es vergingen Minuten, die dann zu Stunden wurden und Esmeralda dachte schon, sie würde hier noch die ganze Nacht verbringen, als plötzlich ein völlig abgehetzter Mr. Finnlay reingeplatzt kam und sich bei ihr entschuldigte. „Bitte verzeihen Sie, dass ich so spät komme. Ich hatte noch einige geschäftliche Angelegenheiten zutätigen!“, entschuldigte er sich und setzte sich zu ihr. Esmeralda setzte ein verzeihendes Lächeln auf. „Das macht doch nichts!“, sagte sie. „Jetzt sind Sie ja hier!“ Mr. Finnlay lächelte und schien ich zu entspannen. „Es freut mich, dass Sie meiner Einladung nachgekommen sind!“ „Ich dachte, nachdem mein Mann so unhöflich zu Ihnen war, ist dass alles mehr als ich tun kann!“, sagte sie. Finnlay lächelte. „Ach, ich nehme es ihm nicht übel. Jeder, der so eine schöne Frau an seiner Seite hat, hat das Recht eifersüchtig zu sein!“ „Ja, aber er sollte mir Vertrauen!“, sagte sie. „Das stimmt schon. Aber so sind wir Männer nunmal!“ „Warum haben Sie mich eigentlich eingeladen? Ich nehme an, dass es nicht einfach nur so gedacht war!“ Finnlay lächelte. „Sie haben mich durchschaut, Mrs. Matthews. Ich habe mir wirklich gedacht, dass es von Vorteil sein könnte, sie als eine Gönnerin für meine Arbeit zu haben. Das muss ich zu meiner Schande gestehen!“ „Nun, meine Familie hat sich schon immer für das Wohl für andere eingesetzt. Meine Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, war Polizistin und mein Vater Reporter!“, erklärte Esmeralda. „Warum nicht also die Kinder von der Straße holen und ihnen die Möglichkeit geben, wieder ein normales Leben zu führen!“ „Das sind genau meine Worte. Schön, das jemand anderes auch dieser Meinung ist. Es gibt schon vielzuviele Menschen, die nur an sich denken!“ „Solange Sie sich nicht irgendwelche Hoffnungen machen, dass aus unserer geschäftlichen Beziehung mehr wird. Denn dann muss ich Ihnen mitteilen, dass ich meinem Mann treu bin, bis in den Tod!“ „Für wen halten Sie mich?“, fragte Finnlay entrüstet, musste aber lachen. „Für einen widerlichen Feigling, der hilflose Menschen ermordet?“ Das dachte Esmeralda natürlich. Während sie mit ihm redete, achtete sie genau auf seine Gestik und seine Miene und meinte hier und da eine verrätische Bewegung oder ein Aufblitzen in seinen Augen zusehen. Für sie stand fest, dass er was zu verbergen hatte. Sie musste nur auf die passende Gelegenheit warten, in der sie zuschlagen konnte. „Für jemanden, der hinundwieder auf ein Abenteuer aus ist!“, sagte sie stattdessen mit einer verführerischen Stimme und lehnte sich etwas zu ihm zu Seite, sodass er einen feinen Einblick in ihren Ausschnitt erhaschen konnte. „Sie sind schließlich noch jung!“ „Sie sind aber auch nicht gerade alt!“, sagte Finnlay mit gebanntem Blick auf ihren Ausschnitt. Esmeralda musste sich mit größter Mühe ein siegesicheres Lächeln verkneifen. Auch wenn sie es nicht ihre Art war, so offen zuspielen, wusste sie, dass das der einzige Weg war, ihn aus der Reserve zulocken. „Wenn Sie wüssten!“, säußelte sie, streckte die Hand aus und wollte ihm über die Wange streichen, als sich plötzlich jemand räusperte und sie hochschrecken ließ. Es war der Butler, der in der Tür stand und darauf wartete, dass sein Vorgesetzter ihn zum Sprechen aufforderte. „Ja, was gibt es Miles?“, fragte Finnlay, etwas angesäuert und richtete sich auf. „Ich habe eine Frage zu dem Wein, den Sie gerne trinken möchten!“, sagte er und Finnlay schien erstmal nicht zubegreifen, was der Mann von ihm wollte. Doch dann… „Ja?“, fragte erund ging zu ihm hin. Der Butler winkte und bedeutete ihm, dass sie ein wenig außerhalb der Hörweite Esmeraldas gehen sollten. Das war ihr verdächtig. Sie wartete, bis sie um die Ecke gegangen waren und zog sich die Schuhe aus. Schlich dann zur Tür und lugte um die Ecke. Finnlay und sein Diener standen einige Meter vor einer Tür und flüsterten. Doch Esmeralda konnte jedes Wort hören. „Ist sie hier?“, fragte Finnlay und in seiner Stimme war eine ekelerregende Spur von Gier zu hören. Es drehte Esmeralda förmlich den Magen um. Über wen sprachen sie da? Um ein weiteres Opfer? Sie musste was unternehmen. Schnell. „Ja, ist sie!“, sagte der Diener Miles. „Die Dame wartet auf Sie!“ „Und du hast getan, was ich dir befohlen habe?“, knurrte Finnlay und nun schien sich der Diener überhaupt nicht mehr in seiner Haut wohl zu fühlen. „J-Ja, Sir…!“, stammelte er und trat von einem Fuss auf den anderen. „Musste das denn wirklich sein?“ „Dieser Schnorrer ist mir lange genug auf die Nerven gegangen. Ich bin es leid…Pass ja auf, dass es dir nicht auch noch so ergeht!“, sagte Finnlay finster und grinste dann teuflisch. „Es gibt immerhin genug Menschen, die für einen Hungerlohn arbeiten wollen!“ Der Butler verstand nur zugut, was er ihm damit sagen wollte und senkte nur den Kopf. „Ja, wohl, Sir!“, sagte er. Finnlay lachte. „So ist es gut. Und jetzt machen Sie alles fertig. Ich will beide so schnell wie möglich bereit haben!“, wies er ihn und ging wieder zurück ins Wohnzimmer. Genau auf Esmeralda zu. Diese reagierte schnell, eilte zu der Couch zurück und zog sich ihre Schuhe an. Gerade noch rechtzeitig, da Finnlay wieder in Wohnzimmer trat und sie anlächelte. Esmeralda erwiederte dieses wobei es ihr förmlich unter den Nägeln brannte ihm den Lauf einer Schusswaffe in den Mund zurammen und abzudrücken. Was für ein widerlicher Mistkerl, dachte sie. „Und haben Sie einen guten Wein gefunden?“, fragte sie mit süßer Stimme und legte den Kopf schief, damit er ihren freien Hals sehen konnte. Finnlay lächelte umso breiter. „Ja, er wird Ihnen munden!“ „Davon bin ich überzeugt!“, sagte sie. Dann machte sie ein verkniffenes Gesicht. „Es ist mir wirklich unangenehm, aber…wo finde ich die Toilette?“, fragte sie. Finnlay blinzelte, dann aber lächelte er wieder. „Im Flur, die zweite von rechts!“, sagte er. „Soll ich Sie begleiten?“ „Danke, das wird nicht nötig sein. Ich habe einen guten Orientierungssinn!“, versprach Esmeralda ihm und stand auf. Ging zu der ihr beschrieben Tür, öffnete sie und schloss sie sogleich hinter sich. Da sie ihm natürlich nicht traute und wiederum selbst keinen Verdacht erregen wollte, klappte sie den Toilettendeckel hoch und drehte das Wasser auf. Dann trat sie an die Tür und lauschte. Nichts. Keine Schritte, die sich ihr näherten oder etwas anderes, was ihr sagte, dass er ihr auflauerte. Esmeralda vergeudete keine Zeit und schob ihr Kleid hoch, bis ihr Oberschenkel frei war. Darunter kam ein Waffengurt zum Vorschein, in der eine Handfeuerwaffe der Sorte P8 und das dazupassende Magazin steckte. Esmeralda nahm beides heraus und lud sie. Es machte kurz Klick, als sie das Magazin durchzog. Esmeralda lächelte grimmig. „Mal sehen, ob du immernoch so nett bist, wenn ich dir damit den Schädel wegpuste!“, flüsterte sie. Drehte dann den Wasserhahn wieder zu und betätigte die Spülung. Leise öffnete sie die Tür und schaute durch den Spalt. Der Flur lag verlassen vor. Keine Spur von Finnlay und seinem Butler. Für sie stand klar, dass sie wohl unten sein mussten. Esmeralda spannte jeden Muskel an und schlüpfte hinaus. Um keinen Laut zu verursachen, zog sie sich erneut die Schuhe aus und ging dann zu der Tür, vor der Finnlay und der Butler gestanden hatten und die zum Keller führte. Umschloss mit ihren Fingern den Knauf, drehte ihn und schob die Tür auf. Es leises Knarren erklang, was für Esmeralda viel zulaut zu sein schien und ihr Gesicht verziehen ließ. Ohne zu darauf zu warten, ob das jemand gehört hatte, schritt sie über die Stelle und blieb vor der ersten Stufe, die hinunterführte, stehen. Bis auf die ersten fünf Stufen lag der Rest der Treppe in Dunkelheit. Doch Esmeralda brauchte kein Licht, um zusehen, wohin sie treten musste. Mit der Waffe im Anschlag stieg sie die Stufen hinunter. Zählte sie dabei ab. Während sie durch die Dunkelheit hinunterschritt, lauschte sie jedem Geräusch, um herauszuhören, wo und wie sich eine Gefahr ankündigte. Doch das einzige, was sie hörte war das Schlagen ihres Herzens und ihr eigener Atem. Trotz dass sie wusste, was sie erwartete und was sie zutun hatte, musste sie sich eingestehen, dass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Esmeralda lächelte verkniffen. „Nach all der ganzen Zeit, wo ich schon jage, sollte ich eigentlich daran gewöhnt sein!“, dachte sie sich und ging weiter. Sie war auf der zwanzigsten Stufe, als sie das Licht sah, dass schwach und diffus die unterste Treppe beschien und damit das Ende der Treppe bedeutete. Esmeralda atmete durch und überwand die letzten Stufen. Die Treppe endete im einen langen Gang, in dem links und rechts schweraussehende Türen eingelassen waren und mit Ketten versehen waren. Kleine vergitterte Fenster waren darin, die Esmeralda an die Türen eines Zellentraktes erinnerte. Hielt er etwa hier seine ganzen Opfer fest? Esmeraldas Hals schnürrte sich zu, als sie sich vorstellte, wieviele junger Mädchen und Frauen hier wohl ihr Ende gefunden hatten und wie sie in diesem Gefängniss verrotteten. Doch sie nutzte dieses Entsetzen als Nahrung für ihren Zorn, der sie zum weitergehen brachte und noch wachsamer machte. Am Ende des Ganges erwartete sie eine Kreuzung. Esmeralda schaute in beide Richtungen. In welche sollte sie zuerst gehen? Würde sie weitere Zellen sehen? Esmeralda nahm es an. So groß wie der Keller, das ganze Gelände waren, musste es tausend von Türen und Gängen geben. Aber nur in einem würde sie Finnlay und das zweite Opfer finden. Dass sie auch auf seiner Liste stand, stand außer Frage. Aber ihm würde sie nicht soleicht ins Netz gehen. Esmeralda blieb noch einige Minuten an der Kreuzung stehen und wollte schon in den rechten gehen, weil er ihr nicht solange vorkam, und es somit schneller gehen würde, ihn zu durchsuchen. Doch kaum dass sie einen Fuss vorsetzte, hallte ein markerschütterner Schrei durch den Gang und ließ Esmeralda erschauern. Die kahlen Wände warfen den Schrei tausendfach zurück und verzerrten ihn, sodass er kaum zu erkennen war. Aber Esmeralda konnte es. „Fay?!“, keuchte sie und rannte in die andere Richtung. Alle Vorsicht und Anspannung war vergessen. Dass ihre Tochter diesen Schrei ausgestossen, ließ sie schlimmes erahnen und sie hoffte, dass sie nicht zuspät kam. Esmeralda schickte unsichtbare Signale nach ihrer Tochter aus, um herauszufinden, wo sie war und traf in weiter Ferne auf Widerstand. Sie waren wie ein Echo ihrer selbst und ließen Esmeralda die Angst und den Schmerz spüren, der Fay verspürte. Esmeralda rannte schneller und stürzte förmlich in einen offnen Raum. Er war rundgebaut und von vielen Holzpfeilern abgestützt. Doch von Fay fehlte jede Spur. „Fay! Fay!“, rief Esmeralda außer sich und wirbelte um sich herum. Hoffte ihre Tochte rin irgendeiner Ecke zu finden. Aber sie war nicht da! „Was zum…!“, flüsterte Esmeralda und bemerkte plötzlich einen Schatten hinter sich. Sie drehte sich herum, wollte die Waffe auf den Angreifer richten, kam jedoch nicht dazu. Ein zweiter tauchte auf und ehe Esmeralda richtig realisieren konnte, was hier eigentlich passierte, schlug ihr der erste Schatten mit etwas hartem gegen die Schläfe und das nächste, was sie wahrnahm, war, wie sie in eine endlose Schwärze hinabglitt. Lex fuhr mit einem Affenzahn über die dunkle Landstrasse. Immer darauf achtend, dass er den weissen Lieferwagen nicht aus den Augen ließ. Ich krallte mich förmlich mit den Fingernägeln in den Sitz hineinn und stiess immer, sobald wir um die Kurve rasten, ein Stossgebet nach dem anderen. Lex darum zu bitten etwas langsamer zuwerden, war nicht möglich, da sein Gesicht eine einzige Maske aus Zorn war, aber auch aus Sorge. Ich kann ihn schon verstehen. Fay war entführt worden und schwebte in größter Gefahr. Aber musste er uns auch noch fast umbringen? Die wilde Fahrt endete vor einem Haus, außerhalb der Stadt. Es war perfekt. Aber irgendwas stimmte nicht. Es war eine dumpfe aber deutlich spürbare Ahnung. Ich wollte Lex darauf hinweissen, doch er war schon ausgestiegen und lief zum Haus. Ich folgte ihm. Doch kaum, dass ich auch nur in die Nähe kam, erfasste mich ein heftiger Schwindel und ich blieb taumelnt stehen. „Allison, was ist los?“, rief Lex. Ich schüttelte den Kopf, versuchte diesen Schwindel loszuwerden. Als es wieder einigermassen ging, rannte ich weiter. Während er hinlief und durch die Tür trat, zog er eine Schusswaffe und lud sie. Ich kam mir dabei recht ungeschützt vor. Ich schaute zu meinem Armreif, dachte kurz darüber nach meine Sense zurufen. Entschied mich aber dfür es erst zu rufen, wenn es soweit war. Lex durchsuchte das Wohnzimmer und dann das Bad. Als er wiederkam, hatte ein Paar eleganter Abendschuhe in den Händen. „Esmeraldas Schuhe!“, keuchte ich. Lex sagte nichts. Sondern schaute sich um. Als suche er nach etwas, dann ging er zu einer weiteren Tür, zog sie auf und schaute hinein. Und war verschwunden. „Lex, warte auf mich!“, rief ich und eilte zur Tür. Kaum das ich auf der Schwelle stand, kam schon wieder dieser Schwindel. Diesesmal war er stärker und ich musste mich am Türrahmen abstützen. Verdammt, warum war mir plötzlich so schlecht? „Allison? Etwas stimmt hier nicht!“, hörte ich Eriks Stimme und darin hörte ich, dass ihn, egal was auch immer es war, ihn genauso schaffte, wie mich. „Das Gefühl habe ich auch!“, würgte ich. Der Schwindel, den ich im Haus von Hinsdale gehabt hatte, war nichts dagegen. Minutenlang blieb ich da stehen und atmete tief ein. Ich viel lieber hier oben geblieben oder gar aus dem Haus gegangen. Nur um diesen Schwindel loszuwerden. Dennoch wusste ich, dass ich da runter gehen musste. Wenn Fay daunten war, brauchte sie unser beider Hilfe. Also riss ich mich zusammen, legte die Hand auf den Stein, um mich abzustützen und wollte den Fuss gerade auf die erste Stufe setzen, als plötzlich eine Hand aus der Dunkelheit geschossen kam und sich meine packte. Ich stiess einen spitzen Schrei aus, doch da legte sich auch schon eine weitere Hand auf meinen Mund und erstickte diesen im Nu. „Ich bins doch bloss!“, flüsterte eine Stimme. Lex! Wütend und immernoch erschrocken, dass er einach so vor mir aufgetaucht war, riss ich ihm die Hand von meinem Mund weg. „Spinnst du völlig. Du hast mich zutode erschreckt!“, sagte ich heiser. „Ich dachte schon, du hättest dich verirrt. Was machst du denn? Los, komm. Fay und Mom sind hier unten!“, erwiederte er. Hatte er mir denn nicht zugehört. Moment?! Fay und Mom? Esmeralda war auch hier?! Jetzt wusste ich, was mich so verwirrt hatte, als ich vor dem Haus stand. Mr. Finnlay hatte Esmeralda doch auf sein Landhaus eingeladen. Wieso war mir das nicht gleich aufgefallen? Doch jetzt war es zu spät sich deswegen Vorwürfe zumachen. Wir mussten Esmeralda und Fay da rausholen. „Hast du eine Taschenlampe?“, fragte ich. „Klar, hier, aber halte sie immer auf den Boden gerichtet!“, sagte er und drückte mir eine schlanke Taschenlampe in die Hand. Ich schaltete sie an und richtete den Strahl sogleich auf die Stufen. Das künstliche Licht wirkte fremd und unreal, auch wenn ich froh war, was zusehen. Aber meine Augen schienen sich nicht daran gewöhnen zuwollen. Dennoch stieg ich mit Lex hinunter. „Mum…Mum…Mum wach auf!“ Wie aus weiter Ferne hörte sie die Rufe und verstand erst nicht, wo sie war. Wie eine dunkle Wolke hielt sie diese dunkle Bewusstlosigkeit gefangen und Esmeralda hatte Mühe aus dieser zuerwachen. Sie hörte noch, wie jemand mit einem anderen sprach. Dann... „Mom…bleib weg von ihr, du Scheisskerl!“ Da holte sie ein brennender Schmerz in ihrem Arm wieder zurück und sie riss die Augen auf. Zuerst war alles verschwommen. Esmeralda musste einigemale blinzeln, ehe sie wieder richtig sehen konnte. Sie war immer noch in dem Kelleraum. Nur war sie nicht die einzige. Fay stand schräg neben ihr und war mit schweren Ketten, an den Händen über den Kopf, an einem Balken über ihr gefesselt. Auf ihrer Wange war ein blauer Fleck. Ein weiterer auf Bauchhöhe ihrer Bluse. Nur war dieser blutrot und glänzte feucht. Esmeralda durchlief es kalt. „Fay…was…bist du okay?“, fragte sie sie. „Dem Umständen entsprechend!“ „Wie kommst du eigentlich hierher?“ „Ich schätze mal auf den gleichen Weg wie du!“, sagte Fay und erinnerte sich daran, wie sie niedergschlagen worden war. Nachdem sie im Wohnzimmer und in der Küche nichts gefunden hatte, wollte sie sich den Keller anschauen. Doch dieser bestand nur aus einem Raum und war mit größtenteils von Weinfächern vollgestellt. Es stand noch eingie alte Sachen herum, aber nichts, was verdächtig gewirkt hätte. Fay wollte wieder hochgehen, als sie von oben das Zuschlagen einer Tür hörte. Fay wirbelte herum. Ein Windstoss musste sie zugeschlagen haben. Fay fluchte und wollte zur Treppe gehen, als plötzlich das Licht ausging. „Was zum…!“, keuchte sie. Es war mit einem Male still um sie herum. Nichts war zuhören, nur ihr eigener Atem. Sie holte ihr Handy raus und suchte nach Lexs Nummer. Kaum dass sie sie anwählen konnte, wurde ihr das Handy aus der Hand geschlagen und verschwand in der Dunkelheit. Fay drehte sich herum, suchte mit ihren Augen nach dem Angreifer. Sah ihn jedoch nicht. „Los, komm raus, du Feigling!“, fauchte sie und spannte sich zu einem nahenden Angriff an. Ein Scharren verriet Fay, wo sich ihr Angreifer versteckte hatte. Hinter ihr. Blitzschnell drehte sie sich um und schlug zu. Aber ihre Hand fuhr ins Leere. Fay wirbelte erneut herum,, weil sie erwartete, dass der Angreifer nun vor ihr war. Und tatäschlich. Schwach, sehr schwach, hob sich eine dunkle Gestalt von der dahinterliegenden Dunkelheit kaum merklich ab. Dass reichte Fay jedoch, um wieder den Angriff zustarten. „Na warte!“, fauchte sie wütend und ließ ihre Faust auf ihren Angreifer zurassen. Doch bevor sie ihn treffen konnte, sauste etwas anderes von rechts auf sie zu und traf sie am Kopf. Fay sah rote Funken vor ihren Augen explodieren. Dann Schwärze. Als sie wieder zusich gekommen war, fand sie sich in diesem riesigen Keller. Bis auf einen kleinen Altar, auf dem ein Messer und eine Schale und eine leere Spritze, lagen, war der Raum leer. Wo war sie hier. Sie ließ dann den Blick auf dem Boden wandern und schnappte nach Luft, als sie die verblassten Symbole, die um sie herum gezeichnet waren, erblickte. Ein alter, metallischer Geruch hing in der Luft. Kam Fay grauenhafterweise bekannt vor. Sie waren nicht mit gewöhnlicher Tinte geschrieben, sondern mit…Blut! Und jetzt erkannte Fay auch, was für Symbole es waren. Es traf sie wie ein Blitzschlag. Es waren Symbole, die nur Hexen oder Hexenmeister verwendeten, um Menschen die Seelen zustehlen und damit ihr eigenes Leben zu verlängern. Das hatte also dieser Hinsdale oder Finnlay oder gar beide vor. Sich mit Seelen vollpumpen. Und sie sollte es diesesmal sein. Eine eisige Kälte breitete sich in ihrem Magen aus. Fay schaute hoch zu ihren Handgelenken, die mit Ketten an gefesselt waren. Sie zog und rüttelte an ihnen, aber sie waren zufest, als dass sie ihre Hände hinauswinden konnte. Da zuckte sie zusammen, als sie einen stechenden Schmerz in ihrem Arm spürte. Er schien von ihrer linken Armbeuge zu kommen. Fay sah genauer hin und sah eine Einstichstelle, dessen Rand sich rötlich verfärbt hatte. Was war das denn nun wieder? „Sieh an, du bist endlich wach?“ Fays Kopf ruckte herum, als sie die Stimme hinter sich hörte. Langsam umrundete sie ein Mann und blieb vor ihr stehen. Sie hatte keinen blassen Schimmer, wer das war. Aber sie war sich sicher, dass sie den Täter vor sich hatte. Trotz dass er ein Hemd und eine dunkle Hose trug und somit den Anschein erweckte, ganz normal zusein, konnte Fay förmlich spüren, dass ihn etwas Schwarzmagisches umgab. Fay ignorierte die kalte Angst in ihrem Bauch und versuchte ruhig zu bleiben. Lex und Allison waren sicher schon auf den Weg hierher. Sie musste ihnen nur Zeit verschaffen, ehe sie hier waren. „Kennen wir uns?“, fragte sie kalt und sah ihn finster an. Der Mann lächelte. „Nein, aber mein…Partner kannte Sie!“ „Ihr Partner?“, fragte sie nur. „Ja, Mr. Hinsdale. Leider kann er nicht kommen. Ihm ist etwas dazwischen gekommen!“ „Sie haben also gemeinsame Sache gemacht. Hätte ich mir ja denken können!“, knurrte Fay. „So wie der mich angegafft hat!“ „Sie müssen ihm verzeihen, er kann sich eben nicht beherrschen, wenn er eine schöne Frau sieht!“ „War das bei den anderen genauso?“ Der Mann verzog abfällig das Gesicht. „Die anderen, waren nur kleine Häppchen. Du hingegen bis ein wahres Büffet!“, sagte er und umfasste ihr Kinn. „Wenn man von der anderen absieht!“ „Welcher anderen?“, fragte Fay und diesesmal siegte die Angst. Eine schreckliche Ahung kam in ihr hoch. „Du wirst sie schon sehr bald sehen. Sie dürfte bald hier sein!“ „Damit werden Sie nicht durchkommen. Meine Freunde…werden…!“ Fay stockte, als sich plötzlich alles um sie herum zu drehen begann. Ihr Arm, in dem der Einstich war, begann unangenehm zu brennen und dann wie taub zu kribbeln. Dieses breitete sich von ihrem Arm im gesamten Körper aus. Ließ ihn schwer wie Blei werden. Fay konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihre Knie zitterten. Drohten unter dem Geiwcht nachzugeben. Der Mann lächelte nur. „Deine Freunde werden gar nichts. Zumindest nicht bevor ich mit Euch fertig bin!“, sagte er und lächelte grausam. Dann drehte er sich herum und schien zulauschen. „Wie ich höre, ist sie schon hier unten. Damit sie uns auch findet, sollten wir sie hierherlotsen, findest du nicht?“, fragte er und zog ein Messer aus seiner Hosentasche. Die Klinge blitzte auf und blendete Fay. Sie wollte darauf noch etwas erwiedern, als er ihr die Klinge in den Bauch stiess. Sie dann in der Wunde zudrehen begann. Fay schrie auf und krümmte sich. Und der Schwindel nahm zu, bis er ihr das Bewusstsein raubte. Das letzte was sie hörte war das böse Lachen ihres Peinigers. Als sie wieder zu sich gekommen war und die Augen öffnete, sah sie ihre Mutter. Ebenso wie sie, an den Handgelenken angekettet und ohne Bewusstsein. Der Schwindel, welcher sie noch vor kurzem erfasst hatte, war nun ein wenig abgeklungen, dennoch war sie nicht im Besitz ihrer Kräfte. Sie rief nach ihrer Mutter, doch Esmeralda reagierte nicht. Fay fürchtete schon das schlimmste. Was wenn sie nicht bewusstlos war? Fay wollte gar nicht daran denken. „Wie sehr sie sich ähneln!“, sagte plötzlich der Mann, der sie hier gefangen hielt. „Nun wundert es mich nicht, woher Sie das gute Aussehen haben!“ Er ging an ihnen vorbei, zum Altar. Drehte ihr den Rücken zu. Fay versuchte zu erkennen, was er da machte. Sie hörte wie etwas Flüssiges hineingeschüttet wurde und sah dann, wie er die Spritze aufzog. Nein, schoss es ihr durch den Kopf. Fay zerrte an den Handschellen, versuchte sich wieder rauszuwinden. Wenn er dieses Zeug auch noch ihrer Mutter spritzte… „Spar dir deine Kräfte. Du…ich werde sie noch brauchen!“, sagte er und drehte sich um. In seiner Hand die Spritzte, in der eine grünlich schimmernde Flüssigkeit aufgezogen war. „Was ist das?“, fragte sie. „Nur ein kleines Mittel, damit Ihr nicht auf die Idee kommt, Euch zu wehren!“ „Als ob wir das könnten!“, sagte Fay. Sie hoffte, dass er noch nicht gemerkt hatte, dass sie anders waren. „Oh, ich bin sicher, dass ihr das könntet. Eure Kräfte, die in Euch schlummern, ist ein eindeutiger Beweis!“, wiedersprach er und Fay wurde es ganz anders. „Ich habe es gespürt, gleich als ich sie traf. Und auch bei dir…!“, sagte er. „Ihr seid wirklich was Besonderes!“ Dann war er bei Esmeralda und setzte die Spritze an. „Mom…bleib weg von ihr, du Scheisskerl!“, schrie Fay wütend und zerrte an den Ketten. Doch der Mann ließ sich von ihr nicht stören und stach die Nadel tief in Esmeraldas Armbeuge und drückte den Kolben hinunter. Esmeralda gab einen kurzen Schmerzenslaut. Der Mann ging von ihr weg und Esmeralda erwachte. „Tja, so siehts aus!“, beendete Fay ihre Geschichte. „Und was hat dich hierhergeholt?“ „Ich!“, sagte plötzlich wieder der Mann und trat wieder vor. „Mr. Finnlay!“, sagte Esmeralda. „Das ist der Kerl?“, fragte Fay sie. „Was haben Sie mit dem anderen gemacht?“ „Nichts, was wichtig ist!“ „Haben Sie ihn getötet?“ Mr. Finnlay lächelte, was ihr ihre Frage bestätigte. „Sie wollten wohl nicht teilen, wie?“, fragte Esmeralda. „So etwas lasse ich mir doch nicht entgehen. Zwei zum Preis von einem!“, lachte er. „Sehr komisch!“ „Glauben Sie mir. Wenn Sie nicht solch eine Kraft in sich tragen würden, würde ich das alles nicht tun. Aber leider bleibt mir keine andere Wahl…!“ „Sie lügen. Wenn nicht wir, dann eine andere!“, fiel ihm Esmeralda derbe ins Wort. „Wie kommt es eigentlich, dass noch nie eine Leiche gefunden wurde. Sie leben doch sicherlich schon viele Jahrhunderte. Das fällt doch auf wenn einige Frauen spurlos verschwinden und dann tot aufgefunden werden!“ „Nun normalerweise bin ich auch vorsichtig und verwische meine Spuren. Aber als ich Sie und ihre entzückene Tochter traf, war mir klar, dass ich an Sie nicht so schnell rankommen würde!“, sagte er mit einem Grinsen. „Also musste ich die Letzte irgendwo hinlegen, damit man sie auch findet. Ich habe mich natürlich vorher über Sie erkundigt!“ „Verstehe. Und das meine Freundin die Seele ihrer letzen Opfers in ihrem Schlafzimmer gesehen hatte, geht wohl nicht auf Ihre Rechnung?“, fragte Fay dann wieder. Nun machte Finnlay ein erstauntes Gesicht. Es schien ihn zu überraschen. „Nein, ich dachte, ich hätte sie bereits in mir aufgenommen. Aber anscheinend hat ein Rest von ihr es geschafft zu entkommen!“, sagte er, zuckte dann aber die Schultern. „Wie auch immer…!“ Er drehte sich um und ging zum Altar. „Warten Sie bis ich hier loskomme, dann werde ich sie…!“ Esmeraldas Drohung endete und als Fay sah wie bleich ihre Mutter war, ahnte sie, was mit ihr passierte. „Mum!“, flüsterte sie sorgenvoll. Ich hatte keine Ahnung wielange wir schon durch dieses Labyrinth irrten. Durch die Dunkelheit schien die Zeit verloren gegangen zusein. Und was noch schlimmer war, dass der Schwindel immer schlimmer wurde, mit jedem Schritt den ich machte. Irgendwann musste ich stehenbleiben und mich an der Wand abstützen. „Geht es?“, fragte Lex. „Irgendwie schon!“, flüsterte ich. „Etwas stimmt hier nicht!“ „Und was?“, fragte er. Er schien nichts zu merken. Ich hob hilflos die Schultern, weil ich nicht wusste, wie ich es ihm sagen sollte. „Mir ist speiübel!“ „Hast vielleicht was Falsches gegessen?“, witzelte er. „Nein. Das ist es nicht. Erik spürt es auch!“, sagte ich und wischte mir über die Stirn. Ich fühlte kalten Schweiss an meinen Fingerkuppen. „Was spürt er?“ Ich brachte nur wieder ein Schulterzucken zustande. „Etwas, was uns beiden zuschaffen macht!“, sagte dann Erik, der neben mir stand. Er schien genauso damit zu kämpfen wie ich. Vermutlich noch mehr. Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Dann solltest du wieder nachdraußen gehen. Es bringt nichts, wenn du schwächelst!“ Erst dachte ich, er meinte mich damit und ich wollte schon etwas darauf erwiedern. Doch ich hörte Erik murren. Hol lieber Dad. Wenn Mum hier ist…!“, sagte er und ließ das Ende des Satzes im Raum hängen. „Und du meinst, dass dein Dad hier nicht schwächeln wird?“, fragte ich. Lex sagte darauf nichts. Sondern ging nur weiter. Ich blieb stehen und tauschte mit Erik einen Blick. „Geh du weiter. Ich werde Brian holen!“ „Was wenn das nichts bringt?“, flüsterte ich. Es lag nicht daran, dass ich Zweifel hegte, dass Brian es bis hierher schaffte. Sondern dass Erik und Brian vermutlich nicht mehr rechtzeitig zurück sein würden. Mir gefiel es einfach nicht, ohne Erik weiterzugehen. Vorallem da wir nicht wussten, mit was wir es zutun hatten. Aber nur ein Blick zu Erik genügte, um zuerkennen, dass es nicht weiter gut gehen würde, wenn er hier noch länger blieb. Wenn es wirklich zu einem Kampf kommen würde, musste Erik bei vollen Kräften sein. Und Brian dabei sein. Erik lächelte mich an. „Keine Sorge. Ich bin soschnell wie möglich zurück sein!“ Dann war er verschwunden. Ich blieb noch einige Minuten dastehen und schaute auf den Fleck, an dem Erik gestanden hatte. Ein Räuspern holte mich aus meinen Gedanken und ich schaute zu Lex, der einige Schritte gegangen war und nun auf mich ungeduldig wartete. „Na, hast du dich endlich von deinem Schatz verabschiedet?“, fragte er mich und ich versuchte diese Frage zu ignorieren. Doch das gelang mir nur zum Teil. Erik war nicht mein Schatz. Er war mein Beschützer, mein Partner. Ein Freund. Ich hatte keine Ahnung, wie Lex darauf kam. Aber sicherlich wollte er mich nur damit aufziehen. Das hatte geklappt und ich konnte nicht anders als „Arschloch!“, zu murmeln. Lex drehte sich nicht mal um. Doch ich wusste, dass er mich gehört haben musste. Wir gingen weiter. Bis wir den schwachen Schein von Licht an den Wänden sahen und das Echo von Stimmen hörten. Lex blieb stehen und bedeutete mir nun leise zusein und keinen Mucks zugeben. Ich nickte. Wir schlichen nun weiter und Lex hob die Waffe an, um zuschiessen, sollte es zu einem Angriff kommen. Esmeraldas Kopf ruhte auf der Brust und ihr Atem ging schwer. Ein unkontrolliertes Zittern ging durch sie hindurch und ließ sie immer wieder schaudern. Dieser Mistkerl musste ihr eine doppelte Dosis gespritzt haben, ging es ihr durch den Kopf und ließ kochende Wut in ihr hochkommen. „Was haben Sie mit ihr gemacht, Sie elender Scheisskerl?“, fragte sie wütend. Kämpfte dabei ihren eigenen Schwindel nieder. „Nur dafür gesorgt, dass sie, während dem Ritual, keinen Ärger macht!“, sagte Finnlay und nahm einen anderen Dolch und besah sich die Klinge eingehend. Fay betrachtete diesen ebenso. Es war nicht der Dolch, mit dem er sie verletzt hatte. Im Gegensatz zu diesem war der nun aufwendig gearbeitet. Die Klinge war an den Seiten gezackt und in dieser waren die gleichen Symbole, wie auf dem Boden, eingraviert. Der Griff mit dunklem Leder umwickelt und an dem Knauf war ein Pentagram. Fays Kehle wurde trocken. Ihr Blick huschte zu ihrer Mutter. „Mum!“, rief sie in ihren Gedanken. „Fay!“, hörte sie plötzlich in ihrem Kopf. Doch es war nicht ihre Mutter. Sondern Lex! Kurz machte ihr Herz einen Sprung und sie schöpfte neue Hoffnung. Lex und Allison waren hier. In der Nähe, denn sonst hätte sie ihn nicht so deutlich in ihrem Kopf gehört. Doch sicherlich würde es noch dauern, ehe sie hier sein würden. Sie musste sich also was einfallen lassen um Zeit zu schinden. „Mit wem werden Sie anfangen?“, fragte sie. „Üblicherweise beginnt man mit der Vorspeise, ehe das Hauptgericht kommt!“, sagte er und ging auf sie zu. Fay wurde schlecht bei dem Gedanken, dass er sie für ein Gericht hielt. „Reizend, dass Sie micht für was zuessen halten!“, knurrte sie. „Nun, du musst zugeben, dass du wirklich zum Anbeissen aussiehst!“, sagte er und trat nahe an sie heran. Hob die Klinge hoch. Doch statt mit dieser die Haut an ihren Armen aufzuritzen, strich er mit der Spitze über ihre Wange. „Und ich bin sicher, dass du hervorragend schmeckst. Beziehungsweise deine Seele!“ Fay konnte nicht anders, als ihm ins Gesicht zuspucken. Der Ekel und die Wut waren einfach zu groß, als dass sie sich noch beherrschen konnte. Finnlay wich zurück und wischte sich ihre Spuke von der Wange. Der gespielte höfliche Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand und wich einem Ausdruck von Wut. Er holte mit der freien Hand aus und schlug sie hart ins Gesicht. Fays Kopf ruckte nachhinten. Doch sie tat ihm nicht Gefallen um einen Laut des Schmerzens von sich zu geben. Er sollte nicht sehen, dass er sie hatte. „Lex, beeil dich!“, rief sie in ihren Gedanken und ihr Rufen wurde von einem. „Wir sind gleich da!“, beantwortet. Fay konnte nicht sagen, ob sie sich verraten hatte oder ob er etwas selbst bemerkt hatte, aber Finnlay schaute nun zur Tür, die weit offenstand. Ein leiser Fluch stahl sich von seinen Lippen. „Offensichtlich haben wir ungebetene Gäste!“, sagte er und machte eine wegwischende Handbewegung. Mit einem lauten Krachen fiel diese zu. Wir waren schon fast da, als Lex zusammenzuckte und kurz still stehen blieb. Ich wollte ihn fragen, was los sei. Doch dann richtete Lex sich auf und auch wenn es dunkel war, konnte ich sehen, dass Lexs Gesicht zu einer harten Maske geworden war. „Wir müssen uns beeilen!“, knurrte er dann und wir gingen weiter, als urplötzlich die Tür vor uns zufiel. Wohl gemerkt es handelte sich hierbei um eine Stahltür. Also eine, die man nicht so einfach eintreten konnte. „Nein!“, schrie Lex und stürzte auf die Türe zu. Er packte den Türgriff und zog daran. Doch die Türe rührte sich keinen einzigen Millimeter. „Verdammt. Ich krieg sie nicht auf!“, rief Lex wütend und zerrte dennoch wehrte. Schlug sogar dagegen. Ich stand nur da und wusste nicht, was ich tun könnte. Erik war noch nicht mit Brian zurück. Fay und Esmeralda waren hinter dieser Tür gefangen und wir standen hier und konnten nicht hinein. Da fühlte ich, wie mein Handgelenk warm wurde und ich blickte hinunter auf das Amband. Ein rotes Glühen ging von den darin eingefassten Steinen aus. Natürlich! Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen? Ich konzentierte mich und schon hatte ich den Stiel der Sense in der Hand. Ich schang sie hoch, sodass das Blatt hoch über aufragte und rannte zu Lex. „Lex, aus dem Weg!“, rief ich noch. Lex drehte sich um, wollte wohl noch etwas sagen, doch als er mich mit der Sense auf ihn zurannte, sprang er schnell zur Seite und ich ließ die Sense in die Tür schlagen. Die scharfe Klinge fuhr in das Metall, als sei es aus Butter und hinterließ den ersten tiefen Schnitt. Ermutig davon, dass wir so einen Weg hinein gefunden hatten, zog ich das Sensenblatt aus der Tür und ließ es wieder hineinfahren. Funken sprühten auf. Ich klemmte die Klinge in einige der tiefen Spalten und zog daran. Quietschend lösten sich da die ersten Splitter. Lex stand nur daneben und schaute zu. Flüchtig schaute ich zu ihm, wollte ihm sagen, dass er mir gefälligst helfen sollte. Doch als ich die Verblüffung in seinem Gesicht sah, ahnte ich, dass er sich wohl erstmal nicht rühren konnte. Also machte ich alleine weiter. Und mit jedem Schlag, mit dem ich diese verdammte Tür aufbrach, wurde der Gesang lauter, der von der anderen Seite kam. Finnlay hatte mit seinem Ritual begonnen, bevor Allison den ersten Schlag in die Tür tat. Er war zu Anfang ganz in seinem magischen Gesang vertieft, dass er nicht hörte, wie die metallische Tür immer mehr und mehr von der Sense aufgeschnitten wurde. Erst als diese nun aufgebrochen wurde, schien er zu merken, dass die Zeit knapp wurde. Er rief die Worte nun lauter und Fay konnte spüren, wie ihr ihre Kräfte geraubt wurden. Langsam aber deutlich spürbar. Ihre Beine begannen taub zu werden und gaben unter ihr nach. Nur die Ketten hielten sie noch aufrecht. Das Kribbeln wanderte weiter, hinauf über ihre Oberschenkel und über ihren Bauch. Hinauf zur Brust und Fay konnte spüren, wie ihr Herz nun langsamer wurde. Ihre Sinne schwanden. Noch viel schlimmer, als bei dem Betäubungsmittel. Sie blinzelte, versuchte dagegen anzukämpfen. Finnlay lachte, weil er spürte, dass Fay dagegen ankämpfte. Das war nur ein weiterer Beweis, dass sie eine starke Seele besaß. „Wehre dich nur weiter. So beschleunigst du das ganze nur. Je mehr du dich wehrst, umso mehr wird deine Seele aus deinem Körper gezogen!“, sagte er und sprach weiter. Ein letztes Mal rammte ich das Senseblatt in die Tür, die nur noch in Fetzen in den Angeln hing und sodass wir endlich hindurch gehen konnten. „Los, rein da!“, rief ich und kletterte durch die zertrümmerte Tür. Lex folgte mir. Die Sense behielt ich bei. Wer weiss, ob ich sie noch brauchen würde. Kaum dass wir durch die Tür waren, konnten wir die magische Spannung spüren, die diesen Raum erfüllte. Es haute mich beinahe um. Es war schlimmer als oben im Haus, oder im Vorgarten. Es fühlte sich an, als würde man blind gegen eine Wand laufen. „Was…was ist das bloss?“, fragte ich keuchend und hatte plötzlich Mühe, die Sense zuhalten. „Keine Ahnung, aber was auch immer das ist, es gefällt mir nicht!“, sagte Lex und hob wieder die Waffe. Ihm schien das ganze nichts auszumachen. „Sofort aufhören!“, rief Lex laut. Der Mann, der uns eben noch die Tür vor die Nase zugeschlagen hatte, drehte sich um. Er war so mit sich selbstbeschäftigt, dass er uns gar nicht bemerkt hatte. Nun aber sah er uns und sein Gesicht verzog sich einem triumphierenden Grinsen. „Ihr kommt zuspät!“, rief er. Wandte sich dann um, um mit seinem Ritual fortzufahren. „Achja!“, rief Lex und drückte ab. Der Schuss peitschte auf und ließ Finnlay zusammen zucken. „Zum letzten Mal: Aufhören!“, forderte Lex. Nun drehte sich der Mann wieder zu Lex und sein Gesicht war wutverzerrt. „Ich habe genug von diesen Unterbrechungen!“, knurrte er und baute sich vor Lex auf. „Ihr habt ja keine Ahnung, mit wem ihr Euch anlegt!“ Lex grinste spöttisch. „Ich schon. Ich sehe hier einen Magier, der Angst vor dem Tod hat!“, erwiederte er. Finnlay schnaubte. Ihm schien wohl nicht zugefallen, was Lex da gesagt hatte. „Ihre Zeit ist abgelaufen!“ Finnlay sah ihn nur durchdringend an, dann lächelte er kalt. „Ach, wirklich?“, fragt er und ich spürte nur, wie jemand hinter mir stand und zum Schlag ausholte. Ich duckte mich blitzschnell, riss dabei Lex um und nur wenige Minuten später, schwang eine Brechstange durch die Luft. Traf klirrend gegen den Türrahmen. Ich schaute auf und erstarre. Derjenige, der uns eben gerade so hinterrücks angegriffen war, war der Butler, der uns schon auf dem Anwesen Hinsdale die Tür öffnete. Was zum Teufel…? Doch mehr Zeit blieb mir nicht, da er wieder zum Schlag ausholte. Ich sprang auf die Füsse und schwang meinen Arm. Meine Faust donnerte in das Gesicht des hageren Mannes und beförderte ihn zu Boden. Okay, immerhin einer außer Gefecht. Nur noch einer. Ich wollte gerade Finnlay mit meiner Sense angreifen, als ich plötzlich einen entsetzlichen Schmerz in meiner Brust spürte. Es fühlte sich an, als würde mir jemand tausend glühend Messer in den Körper jagen und alle gleichzeitig drehen. Ich sank zu Boden, die Sense entglitt mir aus den Händen. Lex brach neben mir zusammen und krümmte sich ebenso vor Schmerzen. Finnlay lachte. „Habt Ihr gedacht, dass ich Es Euch soleicht mache. Ich habe zwar nicht mehr soviel Kraft, aber noch genug, um Euch festzunageln!“, rief er schallend lachend. Festnageln! So fühlte es sich wirklich an. Das einzige, was ich tun konnte, war, meinen Kopf zudrehen und zu Fay und Esmeralda zuschauen. In der ganzen Hektik, hatte ich sie nicht einmal ansehen können und als ich es endlich tat, schrie ich innerlich entsetzt auf. Was war das für ein blutiger Fleck auf Fays Bluse? War das ihr Blut? War sie verletzt? Wie schwer war sie verletzt? So wie sie in den Ketten hing, hatte ich die Befürchtung, dass es nicht mehr lange dauern würde, ehe sie… Ich drängte den Gedanken weit von mir fort. Wo blieben nur Brian und Erik? Wusste der Magier etwa, dass sie kommen würden, um uns zu helfen? Hielt er sie mit einem Bann fern? Ich schaute zu Lex, dessen Gesicht von Schmerzen verzerrt war und dennoch versuchte er aufzustehen. Was mit einem weiteren Schmerz quittiert wurde. „So, da wir das geklärt hätten, kann ich mich wieder meinem eigentlichen Vorhaben widmen!“, sagte Finnlay und drehte sich wieder zu Fay und Esmeralda um. Hielt aber inne und warf mir einen gemeines Grinsen zu. „Und wenn ich mit denen da fertig bin, kümmere ich mich um dich!“ Ich war nicht in der Lage etwas zusagen, sondern sah ihn nur an. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. Zum einen, dass er auch mir die Seele rauben würde und zum anderen, dass ich hoffte, er würde Magenschmerzen, oder was auch immer, davon bekommen. Finnlay schien zu merken, dass seine Worte eine Reaktion in mir ausgelöst hatte und leckte sich kalt lächelnd über die Lippen. „Das wird ein Festmahl!“ „Hoffentlich erstickst du an mir!“, presste ich unter Schmerzen hervor. Finnlay lachte nur, doch das blieb ihm im Halse stecken und starrte über mich hinweg zur Tür. Ich versuchte natürlich meinen Kopf zudrehen, um zusehen, was da war. Konnte dies jedoch nicht, da ich immernoch auf dem Boden gepresst wurde. Aber als ich die Kälte spürte, die über mir hinwegstrich, wusste ich, was ihn so erschreckt hatte. Erik! Und er war nicht allein. Sie traten um uns herum und bauten sich vor dem Mann auf. „Meiner Tochter und meiner Frau, willst du die Seelen stehlen?“, knurrte Brian und ich konnte deutlich am Klang seiner Stimme hören, dass er ihm zugern den Hals umdrehen würde. „Dafür wirst du brennen!“ Und dann sprang er auf Finnlay zu. Riss ihn zu Boden und ich hörte Knochen brechen und Finnlay schreien. Der Schmerz, der mich und Lex gefangen hielt, fiel ab, so plötzlich wie er kam und Erik half mir auf. Ich strauchelte noch etwas, fing mich aber wieder. „Geht es? Kannst du laufen?“, fragte er leise. Ich nickte. Erik schob mich zur Tür, setzte mich dann vorsichtig auf den Boden. „Ich hole die anderen. Warte hier!“ Erik befreite Fay und Esmeralda. Lex stützte seine Mutter, Fay schien es allein zu schaffen. Sie kam zu mir. „Machen wir, dass wir hier rauskommen!“, sagte Lex schnaubend. Während die anderen die Stufen hochstiegen, blieben ich und Erik vor der Kammer stehen und sahen zu Brian, der Finnlay fest am Kragen hielt. In seinem Gesicht war ein Ausdruck, der mir wirklich kalte Schauer der Angst über den Rücken laufen ließen. Seine Augen glühten förmlich und ein Knurren drang aus seiner Kehle. Finnlay schien es ebenso zuergehen. Nur war seine Angst wesentlich größer, da er wohl ahnte, was ihm blühte. Erik ahnte es auch. Er atmete tief ein und sagte im selben Moment, als er ausatmete:„ Brian!“ Der Ton seiner Stimmer erinnerte mich an einen Vater, der seinen Sohn vor einer Dummheit abbringen wollte. „Lass es!“ Brian blickte noch kurz zu Finnlay, dann sah er uns an und ich hätte schwören können, dass sein Blick noch finsterer wurde. „Nein!“, knurrte er und blickte wieder zu Finnlay, der sich sogleich in seinem griff zu winden begann. Brian unterbrach diesen Versuch, in dem er ihm einen brutalen Hieb ins Gesicht gab. Finnlays Kopf ruckte in einem unnatürlichen Winkel nach hinten und ich fürchtete schon, dass er ihm das Genick gebrochen hätte. Doch der Mann lebte noch. Benommen zwar, aber er lebte. „Brian…!“, versuchte es Erik nochmals, doch Brian ließ nicht mit sich reden. „Geht! Sofort!“, knurrte er und warf uns nocheinmal einen warnenden Blick zu. Erik, der es wohl aufgegeben hatte, ihn zur Vernunft zu bringen, nickte nur, ergriff mich an der Hand und zog mich mit sich die Treppe hinauf. Ich wollte Erik fragen, was Brian mit ihm vorhatte, als ich plötzlich unten ein Tosen, wie von Explosionen und Finnlay schreien hörte. Noch schriller, als vorher und ich glaubte mein Herz würde stehen bleiben. Noch nie hatte ich einen Menschen so schreien hören. So quallvoll und wagte es mir nicht vorzustellen, was Brian da mit ihm machte. Dennoch schaute ich hinunter und sah ein rotes Flimmern an den Wänden, welches schnell heller wurde und plötzlich eine ungeheuerliche Hitze spürte, die ebenso wie das Flimmern stärker wurd eund zu uns hinauf kam. Gefolgt von dem Tosen, was mich an…Feuer erinnerte…! „Erik!“, keuchte entsetzt und noch ehe ich noch etwas sagen konnte, hörte ich Erik laut fluchen:„ Dieser Bastard!“ Er packte mich nun um die Hüfte und sprintete förmlich die Stufen hoch. Überwand die letzten Stufen. Das Tosen wurde lauter und die Hitze unerträglicher. Wohl wissend, was ich da hinter mir sehen würde, drehte ich mich trotzdem um und ich glaubte, vor Entsetzen ohnmächtig zuwerden. Hinter uns raste eine wahre Feuerwalze die Stufen hoch und genau auf uns zu. Wieder schrie ich zu Erik, der sich kurz umdrehte und sah, wie nahe das Feuer kam. Er fluchte wieder, was aber diesesmal in dem Rauschen und Krachen unterging und sprang. Hart krachten wir auf dem Boden. Zumindest ich. Denn Erik hatte, kaum das wir die Kellertreppe hinter uns ließen, die Tür zum Keller zugeworfen und sich mit seinem gesamten Gewicht dagegen geworfen. Als die Feuerwalze von der anderen Seite auf die Tür prallte, tat es einen Schlag und Erik wurde kurz zurückgestossen, blieb aber an der Tür stehen und hielt die Tür zu. Ich sah, wie einige Flammenzungen durch den Türspalt hervorzuckten und nach ihm griffen. Erik zischte, als einige von ihnen ihn streiften. Noch einige Minuten ging es so und ich hörte das Brüllen der Flammen hinter der Tür. Ich wollte mir schon die Ohren zuhalten, weil ich glaubte taub dabei zuwerden, als es plötzlich totenstill war. Erik wartete einige Minuten noch, dann öffnete er die Tür und ich sah das ganze Ausmaß der Gefahr. Das Holz der Tür, die Wände und sogar die Treppe waren völlig verkohlt. Rauchfäden stiegen von diesen auf und verbreiteten einen widerlichen Geruch. Ich verzog das Gesicht, weil ich in dem Geruch vom verbrannten Holz, auch den Geruch vom verbrannten Fleisch zu riechen glaubte. Verbranntem Menschenfleisch. Großer Gott, Brian! Ich sprang auf die Füsse und stürzte in den verkohlten Gang. Hier war der Geruch noch schlimmer und ich presste mir die Hand aufs Gesicht, um nicht mehr als nötig einzuatmen. „Brain…Brian!“, rief ich in die Schwärze hinein. Doch es kam keine Antwort. Was wenn er…? Erik fasste mich am Arm und zog mich zurück. „Dem geht es gut!“, sagte er und ich glaubte, meinen Ohren nicht zutrauen. „Was? Wie soll es dem gut gehen? Eben gerade tobte hier ein Inferno!“, rief ich fassungslos und wollte mich losreissen. Doch da hörte ich Schritte, die näher kamen und wenige Minuten später kam jemand die Treppe hoch. Brian! Putzmunter und ohne einen Kratzer. Wie ging das? Ich starrte ihn nur mit offnenem Mund an, während er an mir vorbei ging und das Haus verließ. Nach wenigen Stunden kam die Polizei nachdem Brian angerufen hatte und eine Gasexplosion gemeldet hatte. Eine Gasexplosion! Bei der Hitze und der Wucht des Feuers würde ich eher sagen, dass die Hölle kurz mal durchgelüftet hatte. Aber ich sagte nichts und ließ die Beamten ihre Arbeit machen. Man untersuchte die Zellen, die unversehrt waren und fand unzählige Frauenleichen. Einige schon älter als zwanzig Jahre und noch älter. Brian machte den Männern klar, dass es sich bei Mr. Finnlay und dessen Familie um Frauenmörder handelte, die seit Jahrhunderten wohl schon ihr Unwesen trieben. Und Mr. Hinsdale war wohl sein Komplize, den er sich aber vom Halse geschafft hatte, da dieser ihn wohl verraten wollte, so nach Brians Worten und die Beamten gaben sich damit zufrieden. Wir hingegen wussten es besser. Nach und nach erfuhren wir, dass Finnlay ein Hexenmeister war, der schon im Mittelalter, Frauen entführte und tötete, um ihre Seelen in sich aufzunehmen, um selbst ewig zuleben. Praktisch ein Vampir, der Seelen aussaugte. Laut Fays Aussagen war Hinsdale ebenso einer. Beide hatten immer zusammen gearbeitet und die Beute aufgeteilt. Aber in dem Falle von Esmeralda und Fay, wollte Finnlay beide für sich haben. Also musste der Butler Hinsdale beseitigen. „Aber wie? Hexenmeister sind doch nicht so einfach zutöten? Oder etwa doch?“, fragte ich nach dem wir darüber gesprochen hatten. „Nun um einen Hexenmeister zutöten, braucht man schon bestimmte Dinge. Die eine, ein Dolch, mit einem bestimmten Gift bestrichen. Die andere, Feuer!“, sagte Brian. Ahja. Feuer, also! Das würde erklären, wieso aufeinmal diese Feuerwalze aufgetaucht war. Aber eine Frage blieb noch: Wie konnte Brian das überleben? Ich wollte ihn das gerade fragen, weil es mich wirklich interessierte, als Erik plötzlich meine Hand erfasste und sie feste drückte. Ich sah ihn an. Er schüttelte den Kopf. Und etwas in seinen Augen sagte mir mehr als deutlich, dass ich es wirklich lieber lassen sollte. Also sagte ich mir, dass Brian sich wohl noch rechtzeitig in einer der Zellen gerettet haben musste. Anderster konnte ich es mir nicht erklären. Spät am Abend stand Brian auf der Veranda und schaute in die Nacht hinaus. Alle anderen schliefen schon und so würde sie keiner hören. Er ahnte schon, dass er nicht lange allein sein würde und das, was im Hause von Mr. Finnlay geschehen war, sicherlich nicht ohne Folgen bleiben würde. Und er sollte nicht lange warten. Einige Minuten später, stand Erik neben ihm und sah ihn mit einem finsteren Blick an. „Du hast es also wirklich getan!“ Es war kein Vorwurf oder eine Frage, sondern eine Feststellung. Brian verzog keine Miene. „Willst du mir jetzt einen Strick daraus drehen?“ „Nein, ich kann gut nachvollziehen, was dich dazu getrieben hat!“, sagte Erik. „Aber dennoch…Rache kann einen selbst auffressen, wenn man sich zusehr davon hinreissen lässt. Und für welche wie uns, kann es noch gefährlicher werden!“ „Wieso? Wir sind doch schon von Gefühlen wie Rache und Wut zerfressen. Was sollte da schon passieren?“ Eriks Gesicht nahm nun einen bitteren Ausdruck an. „Ein Dämon, der sich selbst verliert, kennt den Unterschied zwischen Freund und Feind nicht!“, murmelte Erik. „Was willst du mir damit sagen?“, fragte Brian finster. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Erik sich gegen ihn wenden würde. Aber trauen konnte er ihm auch nicht. Trotz allem was sie gemeinsam erlebt hatten. „Willst du mir drohen?“ Erik lächelte schwach. „Nein, ich will dich warnen. Ich würde ungern gegen dich kämpfen wollen!“, sagte er und ging dann. Bevor er jedoch in den Schatten tauchte, blieb er stehen und drehte sich halb zu Brian herum. „Es ist nicht wegen deinem Höllenfeuer, welches mich vernichten kann. Sondern dass ich dich gut leiden kann. Auch wenn du in mir einen Störenfried siehst!“, sagte er immernoch schwach lächelnd und Brian konnte deutlich in seiner Stimme hören, dass er nicht log. Was ihn verwirrte. Doch bevor er darauf etwas erwidern konnte, war Erik auch schon verschwunden. Kapitel 13: Da ist der Wurm drin -------------------------------- Endlich! Endlich hatten sie den perfekten Ort gefunden, wo sie ihre Saat setzen und die Stadt übernehmen konnten. Sie mussten sich nur dort einschleichen und die ersten Wirte finden. Doch zuvor mussten sie deren Vertrauten gewinnen. Ein wissendes Lächeln stahl sich von den Lippen des Anführers. Er hatte schon eine Idee und er wusste, dass es einfach werden würde. Ich stand, bewaffnet mit einem Stab, Lex gegenüber. Er hatte ebenso einen Stab in der Hand und hielt ihn zum Angriff bereit. Nachdem er erzählt hatte, dass ich mit einer Sense die Tür aufgebrochen habe, hatte Brian beschlossen, mich nun im Stockkampf zuunterrichten. Damit ich den richtigen Umgang mit einer Sense lerne. Nun ich will nicht angeben, aber ich fand, dass ich bisher sehr gut mit der Sense umgehen konnte, Aber Brian meinte, dass man das noch verbessern konnte. So stand ich hier und wartete darauf, dass er mich angriff. Und ich musste nicht lange warten. Lex rannte auf mich zu und schwang den Stab. Instinktiv hob ich meinen und wehrte seinen Angriff ab. Es gab einen hellen Klang, als unsere Stäbe aufeinander prallten. Lex übte einen mächtigen Druck aus und versuchte mich wegzudrücken. Ich stemmte mich dagegen und vollführte dann einen heftigen Schwung um seinen Stab von mir wegzustossen. Lex taumelte zurück, versuchte sein Gleichgewicht wiederzufinden. Ich sprang vor und holte nochmals mit dem Stab aus. Lex sah meinen Angriff kommen und machte sich bereit ihn abzuwehren. Dabei griff er an und trieb mich wieder zurück. Ich versuchte so gut wie es ging, die Hiebe abzuwehren und konnte mich wirklich länger als gewöhnlich auf den Beinen halten. Fast schon glaubte ich daran, dass ich ihn besiegen könnte. Doch da schlug mir Lex den Stab zwischen die Beine und brachte mich so aus dem Gleichgewicht. Ich strauchelte und fiel zu Boden. Lex stand über mir und hielt mir das Ende seines Stabes vor die Nase. „Nicht schlecht. Aber nicht gut genug!“, sagte er und half mir dann aufzustehen. Auch wenn er mich zu Boden geworfen hatte, konnte ich ein Grinsen nicht verkneifen. Zum ersten Mal habe ich ihn fast besiegt. Ansonsten hatte ich nie eine Chance gegen ihn gehabt. Aber anscheinend hatte ich hier mal Glück gehabt. „Scheint so, als hättest du endlich etwas gefunden, worin du gut bist!“, sagte Fay, als ich ihr erzählt hatte, wie ich mich im Stocktraining angestellt hatte. Wir hatten uns ins Wohnzimmer vor den Kamin gesetzt und relaxten. Ich grinste stolz. „Naja, ich habe mich zumindest nicht sofort auf die Nase gelegt!“, sagte ich bemüht bescheiden. „Tut es eigentlich noch weh?“, fragte ich dann. Ich erinnerte mich einem leichten Schauern daran, wie Fays Bluse von Blut durchtränkt war. Nur sehr langsam wurde mir klar, dass diese Verletzung ziemlich tief gewesen sein musste. Fay wusste natürlich, worauf ich hinaus wollte. „Nicht wirklich. Es zwickt noch ein wenig!“, sagte sie. „Magst du mal sehen?“ Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich es nicht sehen wollte. Aber ich war mehr als nur neugierig. Etwas sagte mir, dass so eine Verletzung nicht so einfach zu heilen sei. Kaum dass wir sie aus dem Keller und sie nach Hause gebracht hatten, brauchte Fay nur einige Stunden, um sich zu erholen. Was für meinen Geschmack etwas zu kurz war. Ich nickte daher. Fay griff unter ihren Pullover und zog ihn hoch. Von der Verletzung war nichts zusehen. Nicht mal eine Narbe. Wie war das möglich? „Nicht mal ein Kratzer!“, flüsterte ich. Fay bemerkte natürlich wie ich ihren nackten Bauch anschaute und bedeckte ihn. „Klasse, was. Wenn ich daran denke, wie oft ich schon verletzt wurde…!“, sagte sie. Ich blickte zu meinem Bein. Dort hatte ich meine erste Narbe. Meine erste Erinnerung. Ich schluckte. „Tut es bei dir noch weh?“, fragte Fay wiederum. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Gar nicht. Aber ich frage mich, ob ich noch viele weitere Narben bekommen werde!“ Aber da gab es noch etwas, was mich noch mehr wurmte. „Ich frage mich noch immer, wieso ich in dem Haus von diesem Hexenmeister in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Eigentlich sind meine Augen sehr gut. Und dieser Schwindelanfall? Es war, als wollte mich etwas fernhalten!“, sagte ich dann und schaute in den Kamin, in dem helles Feuer loderte. „Und Erik hatte es noch schwerer, es überhaupt dort auszuhalten!“ „Hm!“, machte Fay nur und schaute selbst in die Flammen. Lange Zeit sagte sie nichts. Doch dann… „Vermutlich lag es daran, dass dieser Magier irgendwie eine Mauer um seine Häuser gelegt hat, um andere übernatürliche Wesen fernzuhalten!“ „Also so etwas, wie ein Fliegengitter!“ „Genau. Und als du und Erik beide Häuser betretet habt, habt ihr so eine Art Abwehrreaktion ausgelöst!“ „Naja, zum Glück hat es uns nicht wirklich abgewehrt. Nur üble Schwindelanfälle verursacht!“ „Ich kann mir vorstellen, dass es für Erik wesentlich schlimmer war!“ „Hm, vermutlich!“ Ich erinnerte mich daran, wie geschwächt Erik gewesen war, als wir in diesem labyrinthähnlichen Keller waren und wie viel es ihn an Kraft gekostet haben musste, zurückzu kommen. Mit einem leisen Unbehagen fragte ich mich, was passiert wäre, wenn Erik wohl noch schwcäher geworden wäre. Ob er dann… Ein sanfter Lufthauch streifte mich. „Nichts und niemand kann mich abhalten, dich zu beschützen!“ Seine Stimme war so nahe an meinem Ohr, als würde er direkt neben mir sein. Kurz drehte ich mich um. Doch wie ich es mir dachte, war Erik nicht da. Und dennoch. Seine Worte berührten etwas in mir. Schlugen eine feine Saite an, die sofort zu vibrieren anfing und mich erschauern ließ. Ich glaubte ihm das sofort. Aber da war noch etwas. Die Art, wie er das sagte, ließ mich nicht los und die absurdesten Gedanken kamen in mir hoch. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob er das nicht nur sagte, weil er mein Beschützer war, sondern auch, weil er…vielleicht…nur vielleicht… Doch ich wollte nicht weiter darüber nachdenken und schüttelte den Kopf. Als ob er und ich… „Hey, was ist denn los?“, fragte Fay aufeinmal. Ich hatte nicht bemerkt, wie sie mich besorgt angesehen hatte. „Wie? Ähh, nichts nichts. Alles okay. Ich habe nur über etwas nachgedacht!“, sagte ich leise und blickte ins Feuer. „Und über was?“ „Ach! Nicht weiter wichtig!“ Er war der einzige in dem großen Gebäude. Niemand anderes war hier. Und dennoch konnte er die Schritte von unzähligen Verfolgern hinter sich hören. Sie hinter seinem Rücken spüren. Er wagte es nicht, den Kopf umzudrehen, um nachzusehen. Er musste hier weg. Schnell, weg. Sonst würden sie ihn kriegen. Doch wohin. Das Gebäude war abgeschlossen. Er hatte es schon versucht. Keine der Türen, die nach draußen führte, war offen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter zurennen und dann in den nächstbesten Raum flüchten, der nicht verschlossen war. Dieses fand er sogleich. Es war die Abstellkammer. Ohne nur eine Sekunde zuvergeuden, riss er diese auf und stürmte hinein. Warf die Tür hinter sich zu und verschloss sie. Dann verzog er sich in die hinterste Ecke und holte sein Handy hervor. Hastig tippte er auf das Display. Legte das Handy an das eine Ohr, während er mit dem anderen lauschte, ob seine Verfolger vorbeirannten oder vor der Tür gehalten hatten. Das Tutten des Freizeichens und die Minuten, in denen es andauerte, kamen ihm wie Stunden vor und er betete, dass endlich jemand abnehmen würde. „Oh komm schon. Nehmt endlich ab!“ „Scottland Yard?“ Er musste sich zusammen reissen, um nicht erleichtert aufzustöhnen, dämpfte noch etwas seine Stimme. „Ja, hallo? Ich brauche Hilfe. Kommen Sie schnell. Sie sind hinter mehr her!“, stammelte er und schaute zur Tür. Noch war es ruhig. Doch wielange würde es dauern, bis sie ihn hören würden? „Wo sind Sie gerade?“, erklang die Stimme am anderen Ende. „In einer Abstellkammer!“ „Wo genau?“ „In der…argh!“, schrie er, als ein heftiger Schlag, die Tür erzittern ließ, auf den noch weitere Schläge folgten. Der Mann drängte sich gegen die Wand. Er hatte Mühe ruhig zubleiben und nicht das Handy aus den Händen fallen zulassen. Nur mit größter Anstrengung konnte er die nächsten Worte hervorbringen. Den Blick immernoch starr auf die Tür, die immer mehr erzitterte und deren Angeln bedrohlich zu quietschen anfingen. „Bitte…kommen Sie schnell!“, flehte er und wollte weitersprechen, doch da wurde die Tür aus den Angeln gerissen. „Nein…!“, schrie er entsetzt und ließ dabei das Handy fallen. Unbarmherzige Hände packten ihn am Kragen und hoben ihn hoch, als würde er nichts wiegen. Er wand sich wie ein Wurm, versuchte sich aus dem eisernen Griff zubefreien. Doch es hatte keinen Sinn. Man zerrte ihn auf dem Flur und warf ihn hart auf dem Boden. Augenblicklich wurde er umringt und schwarze Augen blickten ihn grausam und kalt an. „Haben wir dich!“, zischte einer von ihnen und langsam beugten sie sich zu ihm hinunter. Sein Schrei gellte durch die Flure des Gebäudes und zeugten von der Todesangst, die nun aus ihm herausbrach. Der Anruf kam während wir zu Mittag aßen. Es war Sir James. Mal wieder. Er bestellte uns ins sein Büro. Und wir fragten uns, wieso? Ich hatte keine Vision. Und irgendwie wurde ich dadurch neugierig. Das letzte Mal, als ich sowas erlebt hatte, war in dem alten Klippenhaus, wo die Geister einer Familie umhergingen. War es hier genauso? Ich brannte förmlich darauf, es zu erfahren. „Weswegen haben Sie uns gerufen?“, fragte Lex, der ebenso neugierig war. „Vorletzte Nacht ging ein Anruf hier rein. Der Mann klang ziemlich aufgebracht…!“, erklärte er und holte eine Art Kassettenrekorder hervor und legte eine Kassette ein. „Scottland Yard?“ „Ja, hallo? Ich brauche Hilfe. Kommen Sie schnell. Sie sind hinter mehr her!“ „Wo sind Sie gerade?“ „In einer Abstellkammer!“ „Wo genau?“ „In der…argh!“ Dann weiteres Geschrei und dann Funkstille. „Weiss man woher der Anruf kam?“, fragte Lex wieder, nachdem das Band fertig war. „Ähm, ja. Aus dem St. Claudia Internat!“ „Einem Internat?“ „Ja, offensichtlich ist ein Lehrer oder sowas angegriffen worden!“ „Ein dummer Schülerstreich?“, fragte Fay nach. „Ist nicht auszuschlißen. Dennoch möchte ich, dass Sie sich der Sache annehmen!“ „Natürlich. Wir werden uns das mal ansehen!“ „Was glaubt ihr, was wir da finden werden?“, fragte ich, während wir zurückfuhren. Irgendwie wurmte es mich, dass ich nichts gesehen hatte. Doch ich hatte das dumme Gefühl, dass dieser Fall nichts mit dem des Geisterhauses zutun hatte. Dass da etwas Übles dahinter steckte. Mein Magen rumorte und ich fühlte ein leichtes Unbehagen. Fay hob die Schultern. „Vielleicht steckt ein oder mehr Schüler dahinter und das alles war nur ein Bluff!“, sagte sie, wobei sie selbst nicht so überzeugt klang. „Oder?“, fragte ich nach, wobei ich die Antwort schon kannte. „Oder etwas geht da um, das wohl Lehrer auf seine Spieskearte hat!“, sagte Lex nun und bog ab. „Auf jeden Fall sollten wir uns da erstmal genau umschauen!“, meinte Fay. „Und wann werden wir uns das mal ansehen?“ „Wir? Gar nicht. Du bleibst daheim. Nur ich und Fay gehen!“, sagte Lex. „Was? Wieso das denn?“ „Wenn es da wirklich etwas ist, das Menschen anfällt, müssen wir jemanden einschleusen, der keinen Verdacht erweckt!“ „Und dieser Jemand soll ich sein? Wieso immer ich?“, fragte ich, weil ich wieder mal Lockvogel herhalten musste. Lex mochte es als eine Art Undercovereinsatz betrachten, aber ich wusste es besser. „Weil du noch in der Lehre bist, schon vergessen? Und die Azubis machen immer die Drecksarbeit!“, sagte er grinsend. Ich schnaubte nur. Am nächsten Tag fuhren Lex und Fay zum Internat, um mit dem Anrufer zusprechen. Mittlerweile hatten sie anhand der Nummer und des Anschluss erfahren können, wer da angerufen hatte. Und diesen wollten sie nun sprechen. Es handelte sich dabei um einen Lehrer, der während der Pause die Schüler beaufsichtigte, die durch den langen Korridor liefen und auf den Pausenhof liefen. Lex und Fay mussten sich durch das Gedränge hindurchkämpfen, ehe sie den Lehrer erreichten. „Mr. Jesset?“, fragte Lex, als sie ihn erreichten. Der Mann drehte sich um und sah die beiden fragend an. „Ja?“ „Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten!“, sagte Lex und schaute sich um. „Wenn möglich, alleine. Hier ist es zulaut und zuvoll!“ „Natürlich!“, sagte der Lehrer, der ein wenig verwirrt war, aber trotzdem die beiden zu einem Raum führte und dann die Tür schloss. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Sie haben vor einigen Tagen im Yard angrufen. Es klang, als hätten Sie Schwierigkeiten!“, erklärte Lex. Mr. Jesset schien erstmal nicht zuverstehen, doch dann lächelte er milde. „Ach das! Ja, ich gebe zu, ich habe etwas übertrieben. Es hat sicher als ein dummer Streich rausgestellt. Zugegeben ein recht schlechter, aber dennoch ein Streich!“, gestand er. „Machen Sie sich keine Sorgen. Die Übeltäter wurden schon zur Rechenschaft gezogen!“ „Also ist alles in Ordnung?“, bohrte Lex nach und sah den Lehrer misstraurisch an. Er konnte sich nicht helfen, aber er glaubte ihm nicht. Er suchte in dem Gesicht des Mannes nach einem Hinweis, dass er ihn anlog. Fand aber nichts. „Sie klangen recht verängstigt!“, warf Lex trotzdem ein. „Wenn Sie allein in diesem Riesengebäude sind und hinter jeder Ecke einen dunklen Schatten sind und dann noch so einen Streich gespielt bekommen, dann möchte ich Sie mal sehen!“, sagte Mr. Jesset nur. Nun ich würde diesen Strolchen in den Arsch treten, dachte Lex, sagte aber:„ Da haben Sie recht. Ich würde genauso handeln!“ Fay warf ihm kurz einen spöttischen Blick zu, weil sie ihren Bruder gut genug kannte. „Sehen Sie!“ Fay wollte nun etwas sagen, doch da klingelte es bereits und die Pause war vorbei. Schon die ersten Schüler schwärmten in den Korridor. „Es tut mir leid. Aber wie Sie gehört haben, muss ich wieder in die Klasse!“, sagte Mr. Jesset schnell und wollte gehen. Doch so schnell wollte Lex ihn nicht davonkommen lassen. Er glaubte noch immer, dass er ihnen was verheimlichte. „Falls dennoch was sein sollte, rufen Sie uns an!“, sagte er. „Das werde ich!“, kam es vom Lehrer. Für Lexs Geschmack etwas zu hastig. Er sagte jedoch nichts, sondern nickte nur und verließ mit Fay das Klassenzimmer. „Das war nicht gerade aufschlussreich!“, seufzte Fay und ließ sich auf den Sitz fallen. „Was machen wir jetzt?“ „Solange wir keinen Beweis haben, sind uns erstmal die Hände gebunden!“, sagte Lex, der eigentlich ebenso niedergeschlagen war. „Und was wenn, es ein Fehler ist? Was wenn es wirklich Dämonen sind und sie sich vermehren, wie auch immer? Sollten wir nicht vorher schon as unternehmen?“ „Und was? Willst du Überwachsungskameras über Nacht installieren oder einige Beamte als Schüler einschleusen? Das würde uns noch mehr Zeit kosten, eher wir das bei Sir James durchbekommen hätten!“ Fay gab einen unwilligen Laut von sich und sank tiefer in den Sitz. „Ich werde, die in der Tonauswertung, beauftragen, sich das Band von dem Anruf nochmal anzuhören und auf irgendwas zuachten, dass verdächtig sein könnte!“ „Und was wenn ja?“ „Dann werden wir Allison einschleusen!“, sagte Lex und grinste breit. „Bin sicher, dass sie sich freuen würde!“ Als Lex mir davon erzählte, war ich natürlich nicht gerade davon begeistert. Doch ich ließ es, mich deswegen zu beschweren. Ich würde sowieso den Kürzeren ziehen. So blieb mir also nur zuwarten, bis sich was tat. Und ich musste nicht lange warten. Einige Tage später erhielten wir einen Anruf vom Yard. Man hatte bei der Aufnahme etwas Interessantes gefunden. So fuhren wir hin und wir wurden schon erwartet. Das Team, welches sich das Band nochmal angehört hatte, war das gleiche, was die Videobänder aus der Nervenheilanstalt, ausgewertet hatte. Und so musste ich wieder diese Blicke von den Kerlen ertragen, als wir in den kleinen Raum traten. Kaum dass ich mich sahn, warfen sie sich Blicke zu, bei denen ich ihnen zugern die Köpfe zusammengeschlagen hätte. Doch Fay brauchte ihnen nur einen finsteren Blick zuzuwarfen und schon waren sie ganz brav. Ich warf ihr ein dankbares Lächeln zu. „Sir James sagte, Ihr hättet was gefunden!“, sagte Lex nun und ging zu den Typen hin. „Ja, wir haben das Band digitalisiert und auf den Rechner gezogen. Wir haben noch dazu die verschiedenen Frequenzen im Band unterteilt und jede einzelne abgespielt. Dabei haben wir das gefunden!“, sagte einer von ihnen und spielte, die erwähnte Frequenz ab. Gebannt schauten wir auf den Bildschirm. Verfolgten, wie der Cursor die grade Linie und dann über die gezackte Linie, die den Ton darstellte, fährt. Und da hörten wir es. Ein Kratzen und Schaben. Es klang unheimlich. „Was ist das?“, fragte ich. „Keine Ahnung. Ich habe sowas noch nie gehört!“, kam es von Fay. „Hört sich an wie…Insekten!“, sagte Lex. „Wie Würmer!“ „Würmer mach doch keine Geräusche!“, warf ich ein. „Zumindest keine Würmer, die man im Garten hat!“, sagte Fay wiederum. „Ihr meint, dass sind dämonische Würmer?“ Mir kam diese Vorstellung einfach absuard vor. Aber warum nicht. Es schien jede erdenkliche Art von Dämonen zugeben. Warum nicht auch Dämonenwürmer? „Um das herauszufinden, nehmen wir ein Band mit dieser Frequenz mit nachhause und spielen es Mum und Dad vor!“, sagte Lex. „Und du darfst dich schon mal auf deine neue Rolle als Schülerin vorbereiten!“ Ich musste mir sowas von ein bissiges Kommentar verkneifen. Es schien ihm wirklich Spass zu machen, mich zuverarschen. Wir spielten Brian und Esmeralda das Band ab. Zuerst waren ihre Gesichter etwas irritiert, aber als Lex es einigemale wiederholt abspielte, wurden ihre Gesichter bitterernst. Sie schienen ebenso wie Lex und Fay zu wissen, was da zu hören war. „Das hört sich nicht gut an!“, murmelte er dann schließlich. „Was sind das für Dinger?“, fragte ich dann schließlich, weil ich solangsam vor Neugierde platzte. „Parasiten!“, kam es dann. Doch nicht von Brian, sondern von Erik. Wir zuckten allesamt zusammen. Doch es war nicht nur Eriks plötzliches Auftauchen, sondern auch, das was er gesagt hatte. Parasiten! Schaudernt dachte ich daran, wie ich zum ersten Mal einem Parasiten gegenüberstand. Dieser hatte Marie befallen und sie zu einem mordlustigen Ding gemacht. Ließ sie ihre eigenen Eltern töten. Dabei war ich sein eigentliches Ziel gewesen. Erik konnte ihn mir vom Hals schaffen und ihn sogar aus Marie rauszerren. Doch Marie war zu schwach gewesen, als dass sie noch durchkommen konnte und starb. Mir wurde kurz übel bei der Vorstellung, dass ich wieder so einem Ding, vermutlich einem noch widerlicheren Parasiten, gegenüber stehen würde. Einem Wurmparasiten. Mir lief es kalt den Rücken runter. „Und wie erkannt man, wer mit so einem Ding befallen ist? Oder wie man die unschädlich macht?“, fragte dann Fay. „Es gibt zig Arten von dämonischen Parasiten. Es würde ewig dauern, bis wir den richtigen haben!“ „Darum schleußen wir ja Allison ein!“, wandte Lex ein. „Schau dich genau um. Wenn du etwas siehst, was dir komisch vorkommt, sag uns so schnell wie möglich bescheid!“ Das brauchte er mir nun wirklich nicht zusagen. Ich war ja nicht seit gestern bei ihnen. In der Lehre. Ich wusste, dass wenn was Seltsames vor sich geht, ich es ihnen sagen soll. Allerdings wusste ich nicht, worauf ich achten sollte. „Und worauf, bitte? Ich glaube kaum, dass einer mit einem Schild auf der Stirn rumläuft, auf dem steht: „Seht mich an, ich bin von einem Parasiten befallen!“ Fay musste glucksen. „Nein, das leider nicht. Aber die Wirte werden bestimmte Auffälligkeiten zeigen. Dunkle Augenringe, Reizbarkeit und so weiter!“, sagte Lex etwas angesäuert. Ich wollte darauf schon etwas erwiedern, ließ es aber sein. Stattdessen fragte ich:„ Und wann geht es los?“ „Wir werden dich anmelnden und die Formalitäten regeln müssen!“, sagte nun Esmeralda. „Das kann einige Tage dauern!“ „Während dieser Zeit sollten wir weiter trainieren. Damit du in Form bist!“, sagte Brian. Müde von dem Training fiel ich ins Bett. Brian und Lex hatten mich diesesmal noch härter rangenommen, als sie es schon sowieso taten und mir schmerzte jeder Teil meines Körpers. Mit einem gequälten Stöhnen drehte ich mich um und schaute hoch zur Decke. Eigentlich sollte ich unter die Dusche. Ich wollte nicht mit verschwitzten Sachen ins Bett. Aber ich war auch zu müde, um überhaupt noch einen Muskel zubewegen. Doch der säuerliche Geruch von Schweiss war stärker, als meine Trägheit und so schleppte ich mich aus dem Bett und ins Bad. Mit einem angewiderten Laut streifte ich meine durchgeschwitzten Klamotten ab und kletterte unter die Dusche. Frisch gedaucht, fühlte ich mich einigermassen besser, leider auch viel müder, als zuvor. Das warme Wasser hatte mich noch mehr müder gemacht. Aber immerhin würde ich gut schlafen. So wäre ich fit genug, für meine nächste Mission. Wie Esmeralda es angekündigt hatte, dauerte es einige Tage, ehe ich am Internat angemeldet wurde und noch weitere Tage, bis ich meine ganzen Schulutensilien, plus Schuluniform erhielt. Diese bestand aus einer weissen Bluse, einer schwarzen Krawatte, einem dunkelblauen Blazer, einem Blauschwarzkarierten Rock, der knapp über den Knien endete, weissen Kniestrümpfen und schwarzen Ballerinas. Als ich am meinem Einschulungstag alles angezogen hatte, betrachtete ich mich im Spiegel und verzog das Gesicht. Ich hätte mir auch gleich, ohne die Unform, auf die Stirn schreiben können: „Spießer!“ Ich hatte schon damals die Schuluniform in Italien gehasst. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass mich einengen würde. Mehr als einmal hatte ich versucht, meine Mutter zuerweichen, dass sie mir erlaubte, „normal“, in die Schule zugehen. Vergebens. Und nun würde ich wieder eine tragen müssen. Würg! Ich betrachtete mich im Spiegel und richtete meine Haare. Kurz dachte ich darüber nach, mich zuschminken. Ließ aber sein. Das war nur ein Auftrag. Mehr nicht und ich war nicht eines dieser Mädchen, die sich haufenweise Make Up ins Geischt schmierten, um die ersten Krähenfüsse zu verbergen. Jedoch wollte ich einen ordentlichen Eindruck machen und raufte mir meine schwarzen kurzen Haare, die einfach nicht das machen sollten, was ich wollte. Immer wieder fielen mir die Strähnen ins Gesicht. Ich gab es schließlich auf und wollte schon meine Tasche nehmen. Da stand Fay in der Tür. „Bist du fertig?“, fragte sie. „Ja, es kann losgehen!“, sagte ich und wollte schon an ihr vorbeigehen. Doch da hielt mich Fay zurück. „Da fehlt noch etwas!“, sagte sie, als ich sie fragend ansah und ging zu einer Schublade. Zog sie auf und holte einen Haareif, mit schwarzem Satin bezogen, hervor. Ohne etwas zusagen, schob sie mir diesen über die Stirn. Nun fielen mir nur wenige Strähnen ins Gesicht. Fay trat einen Schritt zurück und betrachtete mich eingehend. „So. Jetzt siehst du wie eine echte Internatschülerin aus!“, sagte sie begeistert. Sah mich nocheinmal prüfend an. „Schuluniformen stehen dir!“, sagte sie dann mit einem Lächeln. Ich verzog das Gesicht. „Naja, sind nicht so mein Fall!“, sagte ich und zog an meiner Krawatte. Fay schenkte mir ein verständnissvolles Lächeln. Sie schien zu verstehen, dass es für mich eine Quahl war. „Du darfst eben nicht auffallen!“, meinte Fay. Nun nicht aufzufallen erwies sich leichter gesagt, als getan. Denn kaum, dass ich aus dem Wagen stieg und aufs Schulgebäude zuging, warfen mir die umherstehenden Schüler des Internats neugierige Blicke zu. Ich versuchte so gut wie es ging, diese nicht zubeachten und ging weiter. Ich kam auch an einer Gruppe Mädchen vorbei, die wohl etwas älter waren als ich und die mir ebenso Blicke zuwarfen. Allerdings waren das missgünstigte und verächtliche Blicke. „Seht mal die Neue!“, flüsterte eine von ihnen. „Ich mag sie nicht!“ „Sie ist viel zu hübsch!“ Ich hatte mich daran schon in Italien daran gewöhnt, dass man in der Schule über mich redete. Daher machte es mir nichts aus. Und genau das schien dieser Gruppe von Zicken nicht zupassen. Kaum dass ich an ihnen vorbeigegangen war, tuschelten sie umso mehr und spien förmlich Gift dabei. Ich konnte nicht anderster als dabei verschlagen zu grinsen. Die Schule an sich erinnerte mich an ein altes Schloss, vermutlich war es das auch. Jedoch machte dies einen einschüchternen Eindruck auf mich. Die dunklen Mauern. Die zahlreichen Fenster, die auf mich hinunterstarrten, als wäre ich fette Beute. Das weitläufige Gelände, das zum größten Teil aus saftigem Gras bestand und die Bäume, die dunkle Schatten auf dieses warfen. Eine Treppe, die links und rechts auslief, führte zu einer weitgeöffneten Pforte, an der ein Mann im Anzug stand und wohl ein Lehrer sein musste. Immer wieder schaute er zu den Schülern. Als er mich sah, war sein Blick erstmal verwirrt, dann aber sah ich etwas, was mich erschauern ließ. Doch ich merkte mir nichts an und ging auf ihn zu. „Sind Sie ein Lehrer?“, fragte ich leicht dämlich. Auf dem Weg hierher hatten Lex und Fay mir angeraten, mich dumm zustellen. Ich durfte nicht den Eindruck erwecken, anders zusein. Als ob das so einfach wäre und ich hasste es, mich zuverstellen. Aber wenn es bei meiner „Mission“, half, dann würde ich das machen. Der Mann sah mich abschätzig von oben bis unten an, dann nickte er. „Ja. Kann ich dir helfen?“, fragte er naserümpfend. „Ich habe heute meinen ersten Schultag. Meine Paten haben mich angemeldet!“, erklärte ich und hielt ihm einen Brief hin, auf dem meine Anmeldung stand und die nötigen Papiere. Der Mann überflog kurz den Brief und sah mich dann wieder an. „Dein Name ist Ashley Chatte?“, fragte er dann. Diesen Namen hatte sich Fay ausgedacht. Irgendwie stehen mir Namen die mit A anfangen. Und ich scheine auch in ihren Augen, wie eine Katze zu sein. „Ja!“, sagte ich nur und wartete darauf, dass er wieder was er sagte. „Dann komm mit. Ich bringe dich zum Direktor!“ Er führte mich in eine große Halle, in der eine große Treppe aus schwarzen Ebenholz in den ersten Stock führte. Die Wände waren mit ebenso dunklem Holz verkleidet und auf Hochglanz poliert. In der einen Ecke zu meiner linken war eine Sitzgruppe, bestehend aus zwei Sofas und einem Sessel aus schwarzbraunen Leder. Das ganze wurder ergänzt durch einen Tisch mit einer schwarzen Marmorplatte. An den Wänden hingen Gemälde, die ziemlich teuer aussahen. Schick. Wirklich schick hier. Auf der anderen Seite das gleiche. Die Treppe wurde von zwei weiblichen Holzfiguren flankiert. Ich betrachtete sie genauer. Sie erinnerten mich an griechische Jungfrauen, wie sie so in einem erstarrten Tanz dastanden. Mit ihren Kleidchen und ihren hochgesteckten Haaren. Ich musste eine Weile dagestanden haben und mir das alles angesehen haben, denn der Lehrer räusperte sich ungehalten und ich schaute zu ihm. Mit einer knappen Handbewegung, wies er zur Treppe, die er solgleich hinaufging. Ich folgte ihm. Die Treppe endete in einem breiten Korridor, der nach links und rechts abzweigte. Der Lehrer ging nach rechts. Der Boden war mit einem weichen roten Läufer ausgelegt, der unsere Schritte dämpfte. Auch hier waren an den Wänden Gemälde aufgehängt. Zusätzlich noch Leuchter. Das musste wirklich ein Schloss gewesen. Das Büro des Direktors befand sich am Ende des Flures. Der Lehrer klopfte an und nach wenigen Minuten öffnete er die Tür und machte Platz, sodass ich eintreten konnte. Das Gespräch mit dem Direktor war recht kurz. Ich reichte ihm den Brief, er las ihn, stellte noch einige Fragen, dann war es das auch. Er rief nach seiner Sekretärin, die mich auf mein Zimmer bringen sollte. Diese kam auch und geleitete mich wieder den Flur entlang. Dabei erzählte sie mir die Geschichte des Internats. Ich hörte nur halbwegs zu. Dann waren wir auch schon vor der Tür meines Zimmers. Bevor ich aber in dieses ging, reichte mir die Sekretärin eine Akte. „Dein Stundenplan und eine Liste mit den Büchern, die du für den Unterricht brauchst!“, sagte sie dann und ging. Noch ehe ich sie fragen konnte, woher ich die Bücher bekommen würde und so stand ich da und sah ihr nur nach. Ich hatte eigentlich gehofft, dass sie mir zeigen oder gar sagen würde, wohin ich musste. Aber Fehlanzeige. Offensichtlich dachte sie, dass sie ihre Arbeit erledigt hatte und sich nun um wichtigere Dinge kümmern konnte. Ich wollte ihr schon was hinterherrufen. Ließ es aber. Es würde nichts bringen, sich darüber aufzuregen. Ich klemmte die Akte unter meinen Arm und öffnete die Tür. Dahinter kam ein Zimmer zum Vorschein, das mir glatt die Sprache verschlug. Das Zimmer, was ich bei Esmeralda und Brian hatte, war schon schön. Aber das hier war einfach eine Wucht. Ich hatte das Gefühl in einem Edelhotel zu sein. Der Boden war, wie überall im Haus, mit dunklem Holz ausgelegt. Passend dazu auch das Bettgestell, ein großer Kleiderschrank und ein Sekretär, der wohl aus einem vergangenen oder mehreren Jahrhunderten stammte. Einige Metallhaken, die kunstvoll geformt waren, dienten als Garderobe. Rechts von mir hinter dem massigen Schrak versteckt war eine Tür. Sicherlich führte die irgendwohin. Minutenlang schaute ich mich um. Alles war vom Feinsten. Dennoch ließ es mich nicht vergessen, dass hier etwas vor sich ging. Dass es meine Aufgabe war, dies heraus zu finden und Fay und Lex so früh wie möglich bescheid zugeben. Der Plan bestand darin, diese Dinger aus ihren Wirten herauszuholen. Salz war das einzige Mittel. Wie wir es anstellen würden, würden sie sich noch überlegen. Erstmal musste ich rausbekommen, wer und wie viele von diesen Dingern infiziert waren. Ich setzte mich auf das Bett, öffnete die Akte und holte einige Papiere hervor. Einer davon war der Stundenplan. Ich schaute ihn mir an. Mathe. Geschichte. Philosphie. Chemie. Physik. Eigentlich nichts Besonderes. Dann schaute ich mir die Liste der Bücher an, die ich für den Unterricht benötigen würde. Und fragte mich woher ich diese bekommen würde. Sicherlich gab es hier eine Bibliothek, aus der ich mir diese Bücher ausleihen könnte. Ich blätterte weiter und sah eine weitere Liste, wo drauf stand, in großen Buchstaben: „Hausregeln“ Ich musste etwas schmunzeln. Las sie jedoch. Es waren die üblichen Punkte, die verboten waren. Kein Alkohol. Keine Drogen. Kein Rauchen. Keine Besuche vom anderen Geschlecht. Stets pünktlich sein. Ordentliches Erscheinen. Ab zehn Uhr nicht mehr das Zimmer verlassen und auf den Fluren umherschleichen. Naja, es wunderte mich nicht, dass es hier solche Regeln gab. Immerhin war dies eine hochnominierte Schule. Und der Direktor würde den Teufel tun und die Schüler hier und tun lassen, was sie wollten. Mich störte es nicht, die Regeln zu befolgen. Ich rauchte und trank nicht und die einzige Droge, die ich nehme, ist Schokolade, wenn ich sie wirklich nötig hatte. Männerbesuche würde ich auch nicht haben wollen. Obwohl… Wenn Erik hier auftauchte und mit mir reden will, musste ich aufpassen, dass mich keiner hörte. Wie Fay schon sagte: Ich durfte nicht auffallen. Ich ließ mich auf das Bett fallen und schaute nur vor mich hin. Fragte mich, was ich als nächstes machen sollte. Sollte ich mich jetzt schon auf die Suche nach diesen Wurmmonstern machen? Oder warten, bis sich Lex und Fay meldeten? „Ich würde an deiner Stelle erst mal deine Sachen in den Schrank packen!“, hörte ich unvermittelt eine Stimme lachen. Erik! Hastig schaute ich mich um. Doch er war nirgends zusehen. Wie war das möglich? „Erik?“, flüsterte ich verwirrt. Um mich zu vergewissern, dass ich nichts verpasst hatte, schaute ich aus dem Fenster. Strahlender Sonnenschein! Wie also um alles in der Welt konnte er… „Es gibt viele Möglichkeiten Kontakt mit dir zu halten!“, antwortete er. Darauf sagte ich nichts, wobei ich ihm gerne gesagt hätte, was ich davon hielt. Nämlich nichts. Es war mir klar gewesen, dass Erik viele Fähigkeiten hatte. Aber dass ich ihn nun hörte, ohne ihn zu sehen, war wesentlich unangenehmer, als wenn er plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte und dafür sorgte, dass mein Puls auf hundertachtzig war. Es hatte etwas beklemmendes, so als würde ich nicht richtig im Kopf sein. Wobei… Wenn ich so überlegte, war ich sowieso nicht richtig im Kopf, wenn ich ständig diese schlimmen Dinge sehe. Da sollte mich das nun wirklich nicht aus der Bahn werfen. Aber wenn ich ihn schon in meinem Kopf hören konnte, ohne dass ich etwas sagte, musste es heißen, dass er meine Gedanken lesen konnte. Vielleicht beobachtete er mich auch gerade und ich bemerkte es nicht. Unruhig rutschte ich auf meine Bett herum. Was wenn er auch…, begann ich mich zu fragen und merkte, wie rot ich wurde. „Allison, du solltest schon etwas Vertrauen zu mir haben. Ich bin zwar dein Wächter und habe immer ein Auge auf dich. Aber ich werde sicherlich nicht zu sehen, wenn du nackt unter der Dusche stehst!“, tadelte er mich und ich wurde noch röter. Genau das hatte ich nämlich befürchtet. Ich entschuldigte mich kleinlaut bei ihm und stand, mit immer noch hochrotem Kopf auf. Mechanisch begann ich meine Sachen in den Schrank zu räumen Redete dabei mit Erik, ohne dass ein Wort meine Lippen verließ. Es war komisch. „Und was als nächstes?“ „Na, was wohl. Integriere dich ein. Du bist Undercover als Schülerin. Sammle Informationen!“ „Wieso muss eigentlich ich das immer machen?“ „Du bist Auszubildende. Und die müssen alles machen!“, lachte Erik und ich verzog das Gesicht. „Und wann bin ich eine Ausgelernte?“ „Wenn du ohne Hilfe einen Dämon töten kannst!“ Ohne Hilfe? Einen Dämonen töten? Wie soll ich das denn hinbekommen. „Dann kann ich mich ja gleich als die ewige Azubi bezeichnen!“, murmelte ich. „Verzeihung? Mit wem sprichst du denn?“ Ich machte einen riesen Satz und drehte mich erschrocken herum. In der Tür stand ein Mädchen, dass die Schuluniform trug und mich etwas perplex anschaute. Upps! Ich war so in dem Gespräch vertieft gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie jemand in das Zier trat. Verlegen versuchte ich ein freundliches Lächeln. „Ähm, mit mir selbst!“, sagte ich und schloss den Schrank. „Bon Jour, ich bin Ashley. Ashley Chatte!“ „Freut mich. Ich bin Gwen!“ Sie sah mich für einen kurzen Moment an. „Du bist die Neue?“ „War das so offensichtlich?“, fragte ich und trat nun etwas unwohl von einem Fuß auf den anderen. Gwen lächelte nun. „Nun ja alle reden hier von einem Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren!“ „Bin ich die einzige hier? Das fällt mir schwer, dass zu glauben!“, gestand ich. Gwen lächelte wieder. „Nein, das nicht. Aber ich war bisher immer allein hier!“ „Oh, verstehe!“ „Soll ich dir alles zeigen?“, fragte sie dann. Ich zögerte nicht und nickte. „Ja bitte!“ Gwen erwies sich als eine ziemlich gute Führerin. Sie zeigte mir jeden Raum und gab dazu eine Erklärung ab. Noch dazu führte sie mich in die Bibliothek, die, wie alles andere auch, wirklich riesig war und verschaffte mir die Bücher, die ich für den Unterricht brauchte. Das Gebäude war größer als ich gedacht hatte und mir taten so langsam die Füße weh. Es dauerte gut zwei drei Stunden, ehe wir mit der Besichtigung fertig waren und ich mich erschöpft auf mein Bett fallen lassen konnte. „Meine Güte, dieser Kasten ist ja das reinste Labyrinth!“, stöhnte ich und ließ mich nachhinten fallen. Gwen setzte sich rittlinks auf meinem Schreitischstuhl und kicherte. „Ich fühlte mich auch überfordert. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran!“ Ich brachte nur ein erschöpftes Lächeln zustande und richtete mich wieder auf. „Und du bist meine Mitbewohnerin?“, fragte ich dann, da wir uns bisher noch nicht wirklich kennengelernt geschweige denn vorgestellt hatten. Gwen nickte. „Und gehst du mit mir in die gleiche Klasse?“ Wieder nickte sie und ich atmete erleichtert auf. „Gott sei Dank. Ich dachte schon, ich bin hier auf mich allein gestellt!“ „Keine Sorge, ich passe schon auf dich auf!“, versprach sie. Ich wollte mich schon bedanken und dachte schon, dass ich gut mit ihr aus kommen würde. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass die Menschen, die sich mit mir einließen, nicht gerade lange lebten und einen schrecklichen Tod starben. Ich schauderte. „Das…das ist nett. Nochmals Danke!“ „Woher kommst du denn?“ „Aus Frankreich!“, sagte ich knapp. „Das dachte ich mir schon. Dein Akzent ist daraus deutlich zu hören!“ „Und wo genau aus Frankreich!“ „Aus Paris!“ Gwen bekam nun große Augen. „Aus Paris? Wow!“ Ich runzelte die Stirn. So besonders war das nun auch wieder nicht. Aber für Gwen war es das. „Warum wow?“, fragte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nie in Paris war. Ihre Eltern mussten sehr vermögend sein, sonst wäre sie nicht hier. Gwen hob die Schultern. „Paris ist eben eine schöne Stadt. Die Restaurants, die Modeboutiquen, der Eifelturm und die alte Kathedrale Notre Dame und vor allem die Jungs!“, erklärte sie und zwinkerte verschlagen. Ich lächelte nur schwach. Okay, warum wundert mich das nicht? „Hast du denn einen Freund?“, fragte ich dann. Gwen grinste von einem Ohr zum anderen. „Klaro. Gleich drei auf einmal. Natürlich sind sie nicht richtig mit mir zusammen. Aber ich halte sie mir war. Wer weiß, was die Zukunft bringt!“ „Ahja!“, gab ich nur von mir. „Und was ist mit dir?“ „Wie? Mit mir?“, fragte ich begriffsstutzig. „Na, hast du einen Freund?“ Ich hatte das Gefühl, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Wir kannten uns nicht mal einen Tag und schon fragte sie mich, ob ich einen Freund hatte? Das ging schnell und es beunruhigte mich ein wenig. Ich wusste insgeheim, was sie vorhatte. Sie wollte mit mir Freundschaft schließen. Das konnte ich nicht zulassen. Auch wenn es mich irgendwie freute. Dann wäre ich hier nicht allein, aber ich wollte nicht riskieren, dass ihr auch noch was passierte. Dennoch schuldete ich ihr eine Antwort. „Hm, nein!“ „Wirklich nicht? So ein hübsches Ding wie du, hat noch keinen Freund? Nicht mal jemanden in Aussicht?“ „Nun…!“, ich begann mich auf einmal wie ein Wurm am Haken zu winden und suchte nach einer Antwort, die mich aus dieser Situation retten könnte. „Nun sag ihr schon, was sie wissen will!“, drängte mich Erik, dem das ganz wohl auf die Nerven ging. Und ich musste verschlagen grinsen. Okay, er will dass ich das ganze beende, dann bitte. „Nun…es gibt da schon einen. Aber er ist nicht mein Freund. Zumindest nicht diese Art. Er ist auch nicht gerade zuverlässig. Taucht immer dann auf, wenn es nicht gerade passt und hält sich bedeckt. Lässt mich meistens im Dunkeln und macht nicht den Eindruck, als sei er ehrlich zu mir!“, erklärte ich kühl und hörte Erik entrüstet im meinem Kopf nach Luft schnappen. Ich grinste in mich hinein. Tja, Erik. Da musst du jetzt durch, dachte ich schadenfroh. Gwen schnitt eine Grimasse. „Bäh, das klingt ja nach einem echten Mistkerl!“, sagte sie freiheraus. Ich kicherte. Aber dann erinnerte ich mich daran, wie oft er mir schon den Hintern gerettet hatte und das schlechte Gewissen kam in mir hoch. „Naja…eigentlich ist er schon in Ordnung. Auch wenn er sich oft bedeckt hält und Geheimnisse hat!“ Die mich manchmal zweifeln lassen, dass ich ihm vertrauen kann. Doch das sagte ich nicht. Gwen runzelte die Stirn. „Sorry, aber wenn er ein Freund ist, sollte er keine Geheimnisse haben!“, sagte sie. „Aus was für Gründen auch immer!“ Das stimmte nun auch wieder. Aber ich wollte dieses Thema nicht weiter verfolgen. „Muss ich noch etwas wissen?“, fragte ich dann und lenkte das Gespräch in eine Richtung, das jede neue Schülerin führen würde, um nicht negativ aufzufallen. Gwen schien selber nachzudenken, dann schüttelte sie den Kopf. Aber dann schien ihr doch etwas eingefallen zu sein. „Du solltest dich von dem Trio Fermale Diablo fernhalten!“ Ich hatte eine leise Ahnung, wen sie damit meinte. „Wieso? Sind das die Oberzicken hier an der Schule?“ „Oberzicken wären im Gegensatz zu denen noch die reinsten Engel. Das sind richtige Miststücke. Und gerne lassen sie ihren ganzen Ärger an schwächeren aus!“, sagte sie bitter und sah mich nun mitleidig an. „Und auch an den Neuen!“ Ohje! Soviel zu Thema: Nicht auffallen! Ich rang mir ein Lächeln ab. „Ach, ich werde schon auf mich aufpassen!“ Und das würde ich. Denn egal ob es nun die Würmer oder dieses Höllentrio sein werden, die es auf mich abgesehen haben, Ihnen würde ich es nicht leicht machen. Wenig später gab es noch das Abendessen, bei dem wir uns in dem großen Speisesaal versammelten und uns an lange Tische setzten. Speisesaal? Eine komische und nicht ganz zutreffende Beschreibung für einen Raum, der die Größe eines Fußballfeldes hat. Außerdem erinnertes mehr an ein altes Schloss, mit seinen bis zum Boden reichenden Fenster und die dunklen Holzverkleidung, als an eine Schule. Aber was solls. Wenn man das Geld dazu hat… Ich setzte mich mit Gwen an einen der langen Tische und ich war erstaunt, was für einen hohen Lifestyle man hier als Schüler hatte. Feinstes Porzellangeschirr, dazu silbernes Gesteck und Kristallgläser. Bei so viel Prunk und Glanz musste ich die Nase rümpfen. Hier gab man sich wirklich Mühe, den Nachkommen der Hohen Gesellschaft einen schönen Aufenthalt zu ermöglichen. Während an den anderen Schulen man froh sein kann, dass das Essen nicht nach Pappe schmeckte. Doch ich verbiss mir eine giftige Bemerkung und legte mir die Servierte auf den Schoss. Schon bald wurde das Essen serviert und war, wie könnte es anders sein, das Beste vom Besten. So langsam fing diese Schule an mich an zu widern. Nur mit Mühe nahm ich die Gabel in der Hand und begann zu essen. Zu meinem immer größer werdenden Frust musste ich zugeben, dass gut schmeckte. So gut, dass glaubte, noch nie etwas so köstliches gegessen zu haben. Ich würde aber nicht länger darüber nachdenken, sondern einfach essen. Ließ dabei den Blick durch den großen Raum schweifen und sah mir die Schüler genau an. Wenn einige von ihnen mit diesen Wurmdingern infiziert sind, müssten sie sicher einige Merkmale haben. Welche wusste ich zwar nicht, aber irgendwas, was auffällt. Meine Blicke blieben kurz an Gwens bezeichnetes Teufelstrio hängen, die irgendwas besprachen und fies lachten. Als meine Blicke sich kurz mit denen von der Anführerin trafen, konnte ich deutlich die nicht ausgesprochenen Worte in ihrem Blick verstehen:„ Dich mache ich fertig!“ Ich ignorierte diesen demonstrativ und aß weiter. Dabei ließ ich den Blick weiterwandern und sah einige Stühle weiter einen jungen Schüler sitzen, der statt zu essen, in einem Buch las. Er hatte kurz geschnittenes braunes Haar. Ein markantes Gesicht und für einen Jungen ungewöhnlich schmale Hände. Er hatte dafür helle Augen, die sehr hervorstachen. Ich musste zugeben, dass ich ihn irgendwie interessant fand und ertappte mich dabei, wie ich ihn unverblümt anstarrte. Gwen stieß mir mit ihren Ellenbogen in die Rippen und ich schreckte hoch, sodass mir die Gabel hinunter fiel. „Was denn?“, fragte ich etwas schroff. „Starr ihn nicht so an. Oder willst du gleich an deinem ersten Schultag zerfleischt werden?“, fragte sie mich flüsternd. Ich wollte schon fragen, was sie damit meinte, als sie dann in die Richtung der Bestien schaute und ich ihrem Blick folgte. Wo ich schon vorher dachte, dass der Blick der Anführerin schon giftig war, war er nun tödlich. Ich ahnte schon warum sie mich so anschaute. „Ist er etwa reserviert?“, fragte ich etwas scherzhaft und Gwens Gesicht verdüsterte sich. „Das kann man wohl sagen. Jenna hat mehr als nur ein Auge auf ihn geworfen!“ „Wie? Hat sie auch ihren Schlüpfer ihm an den Kopf geworfen?“, fragte ich und konnte ein Lachen nicht verkneifen. „Das ist nicht komisch!“, zischte sie. „Wenn du dich mit Jenna anlegst, kannst du gleich einen Aufenthalt in der Reha buchen!“ „Ist sie so schlimm?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass an so einer Schule es nicht auffallen würde, wenn eine Schülerin, einer anderen körperlichen Schaden zufügt. Es sei denn sie fügte ihr seelisch Schaden zu. Gwen sagte darauf nichts, aber ihr Blick sprach Bände. Okay, offensichtlich hatte diese Jenna ziemlich viel Dreck am Stecken. „Okay, ich werde auf mich aufpassen!“, versprach ich und wir aßen fertig. Nach dem Abendessen gingen wir zu meinem Zimmer, wobei Gwen eine Tür weiter ging. Sie war also meine Zimmernachbarin. Sieh mal einer an. „Also dann gute Nacht und bis morgen!“, sagte sie. „Gute Nacht!“, sagte ich und wir beiden gingen in unsere jeweiligen Zimmer. Ich lag noch lange wach und schaute hoch zur Zimmerdecke. Ich versuchte mir eine Art Schachtplan zu recht zu legen. Musste aber dann erkennen, dass ich nicht gerade eine helle Leuchte in diesem Falle war. Ich wusste ja nicht einmal, wo ich suchen sollte. „Die beste Methode um etwas heraus zu finden, ist das Beobachten!“, hörte ich Eriks Stimme. „Aber wir haben doch keine Zeit!“ „Sich aber auf Biegen und Brechen in etwas zu verrennen, bringt aber auch nichts. Schlaf jetzt. Du musst Morgen fit sein!“, sagte er, noch ehe ich etwas darauf erwidern konnte. Morgen! Morgen würde mein neuer Auftrag beginnen und ich fragte mich, was mich erwarten würde. Ein helles Glockenläuten weckte mich. Murrend drehte mich um und vergrub das Gesicht in den Kissen. Zu meiner Frustration hatte ich kaum geschlafen. Meine Gedanken hatten sich immer um diese Wurmwesen gedreht und ich hab mir ausgemalt, wie sie aussahen. Nun rächte sich dies, indem ich nicht richtig wach wurde und am liebsten noch einige Stunden länger geschlafen hätte. Doch kaum das ich wieder die Augen aufmachte, hörte ich ein lautes Klopfen an meiner Tür und Gwens melodische Stimme. „Ashley? Ashley, wach auf!“, rief sie und kaum dass ich eine Antwort von mir geben konnte, öffnete sie die Tür und kam rein. Sie schnalzte mit der Zunge, kam auf mich zu und riss mir mit einem kräftigen Ruck die Bettdecke weg. Ich stieß ein unwilliges Knurren aus. „Lass mich schlafen!“ „Nichts da. Los, zieh dich an. Sonst kommst du noch an deinem ersten Schultag zu spät!“ „Jaja!“, maulte ich und kletterte aus dem Bett. „Wo ist das Bad?“ „Die Tür da!“, wies sie mich an und ich schlurfte hinein. Dahinter lag ein kleines Badezimmer mit Wanne, Waschbecken und Toilette und einigen Handtüchern. Ich holte meine Zahnbürste, Zahnpasta und einen Becher, den ich mit Wasser fühlte und fing an mich frisch zu machen. Als ich fertig war, nahm ich mir meine Schultasche, ein Geschenk von Fay, und ging mit Gwen zum Unterricht. Die Flure waren überfüllt mit Schülern, die in kleinen Gruppen dastanden und sich unterhielten. Andere schoben sich grob an uns vorbei. Es war schwer durch zu kommen, aber irgendwann schafften wir es. Gwen hatte zum Glück den gleichen Stundenplan wie ich, sodass wir oder besser gesagt ich, nicht alleine durch die zahlreichen Gänge irren mussten. Im Klassenzimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Schüler alberten herum oder redeten mit einigen Schülerinnen. Das Klassenzimmer an sich war riesig und glich mit seinen dunklen Tischen, den ebenso dunklen Holzverkleideten an den Wänden und vielen Porträt irgendwelcher grimmig dreinblickenden Personen, an ein Büro. Nur die große Schiefertafel und das Lehrerpult erinnerten mich daran, dass das hier ein Klassenzimmer war. Als wir näher kamen, bemerkten uns einige Schüler und fingen an zu tuscheln. Gwen überhörte dies geflissentlich, nahm meine Hand und führte mich zu einigen der Tische. Wir setzten uns und ich machte mich daran, meine Sachen aus zu packen. Dabei bemerkte ich, dass mich die anderen immer noch betrachteten, als sei ich eine Weihnachtsgans. Ich setzte eine gleichgültige Miene auf. „Was haben wir denn in der ersten Stunde?“, fragte ich. „Geschichte!“ Ich stöhnte innerlich. Ich konnte Geschichte noch nie leiden. Aber um des Auftrags willen… „Nicht gerade mein Lieblingsfach!“, gestand ich jedoch. Gwen lächelte verständnisvoll. „Die meisten Stunden sind hier ganz schön langweilig!“ „Ich fürchte, dass manche Lehrer hier in der Zeit stehengeblieben sind. So wie auch Mrs. Hattches!“ Kaum das sie diesen Namen ausgesprochen hatte, kam eine kleine rundliche Dame herein, die ihre Haare streng nachhinten gebunden hatte und ein ziemlich altmodisches Kleid trug. Aus zusammen gekniffenen Augen schaute sie in die Klasse, die sofort ruhig wurde und den Anschein erweckte, als würden die Schüler darauf warten, mit dem Unterricht zu beginnen. Der Unterricht zog sich gähnend langsam in die Länge. Nur wenige der Schüler schienen sich wirklich für den staubigen Unterrichtsstoff zu interessieren. Einige tauschten Nachrichten aus, andere wiederum spielten hinter aufgestellten Büchern mit ihrem Handy. Ich musste etwas lächeln. Und das nennte sich eine Eliteschule? Nach dem Geschichtsunterricht ging es dann erstmal in die Pause. Auf dem großen Gelände, das mich an einen Park erinnerte, tummelten sich die meisten der Schüler. Die Jungs spielten entweder Fußball oder rangen miteinander. Die Mädchen hatten Gruppen gebildet und unterhielten sich. Andere, nur wenige aber, haben sich unter den umherstehenden Bäumen und auf die Bänke gesetzt und lasen in einem Buch oder genossen die Sonnenstrahlen. Eigentlich ein ganz normales…harmonisches Bild. Aber in mir regte sich etwas, was mich vor dieser Illusion warnen wollte. War das vielleicht Erik, der mir so sagte, mich nicht täuschen zu lassen? Gwen nahm mich an der Hand und zog mich zu einer der Bänke, die im Halbschatten lag. Wir setzten uns. Während Gwen an einem Brot herumkaute und in ihrem Collegeblock schrieb, schaute ich weiterhin zu den Schülern, die die kurze Freizeit genossen. Wieder fragte ich mich, worauf ich achten musste oder wie ich diese Wurmdinger erkennen konnte. Sicherlich würden die nicht mit einem Schildchen auf der Brust durch die Gegend laufen, auf dem in großen Buchstaben stand: „ Ich bin ein Wurmding! Knall mich ab!“ Und vor allem blieb die Frage, wo sie sich verstecken würden. Wenn sie Pläne schmieden wollten, müssten sie unter sich sein. Mein Blick glitt zu den Bäumen, die sich zu einer grünen Mauer aufgetürmt hatten. Wäre es möglich, dass sie sich da versteckten? „Ashley? Hey, Ashley?“, sagte Gwen und rüttelte mich an der Schulter. Ich schreckte hoch. „J-Ja?“, kam es einige Minuten zu spät von mir und ich sah sie fragend an. Gwen runzelte die Stirn. Weitere Minuten später, wurde mir bewusst, dass sie auf eine Antwort wartete. Nicht auf die Frage, die sie eben gerade gestellt hatte, sondern die davor, von der ich nichts mitbekommen habe. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie mit mir gesprochen hatte. Ich schüttelte den Kopf und lächelte verlegen. „Tut mir leid. Ich habe nicht zugehört. Was hast du gefragt?“ „Ich wollte wissen, was dich hierher verschlagen hat?“ „Ach…ähh…!“, kam es von mir und ich versuchte mich an mein erfundenes Leben zu erinnern. „Ich…ich bin…ich bin zu meinen Pateneltern gezogen. Nach dem Tod meiner…Eltern hatte ich niemanden!“, erklärte ich. Es fiel mir schwer, diese Worte auszusprechen. Es mag zwar die Wahrheit sein, auch wenn sie ein wenig verdreht war. Aber es war dennoch irgendwie falsch. Brian und Esmeralda hatten mich in schon irgendwie aufgenommen. Aber sie als meine Zieheltern zu sehen…? Und zu erzählen, dass auch mein Papa gestorben ist…kam mir unendlich falsch vor. Das hatte ich Brian auch gesagt. Doch er sagte, dass gerade solche tragischen Umstände eine perfekte Tarnung wären. So wie auch jetzt. Gwens Gesicht nahm einen mitleidigen Ausdruck an und sie strich über meine Hände. „Das tut mir leid!“, sagte sie. Ich riss mich zusammen und versuchte ruhig zu bleiben, wobei alles in mir danach schrie, zu sagen, dass das nur eine Lüge sei. Aber ich biss mir auf die Zunge. Nur nicht die Tarnung auffliegen lassen, ermahnte ich mich. „Schon gut…ich… ich habe mich damit abgefunden!“, sagte ich und wandte mich wieder den Bäumen zu. „Sag mal…wie groß ist denn das Gelände eigentlich?“ Gwen schien erstmal nicht zu verstehen, was ich meinte. Anscheinend war sie verwirrt von meinem plötzlichen Themawechsel. Dann schaute sie ebenso zu den Bäumen und dachte kurz nach. „Hm…keine Ahnung. Zumindest ist es riesig!“, gab sie dann von sich. „Und was ist da hinter den Bäumen?“ „Ich glaube, einige alte Häuser. Baracken oder sowas!“ „Aha!“ Interessant. Wäre es möglich, dass sich diese Dinger da versteckten? Es gab nur einen Weg es heraufzufinden. Ich muss mich rausschleichen und nachsehen gehen. Am besten bei Nacht, wenn alles schlief. „Wieso fragst du mich das?“, fragte sie dann und sah mich dementsprechend an. Ich zuckte mit den Schultern. „Nur so!“ Daraufhin sah sie mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Sag mal, du hast doch nicht etwa vor, dich da mit einem Jungen zu treffen?“, fragte sie und für einige Minuten sah ich an sie, als sei sie vom anderen Stern. Dann wurde mir bewusst, was sie eigentlich meinte. Ich schüttelte hastig den Kopf. „Nein nein nein…ich…ich interessiere mich nur für alte Schlösser und die Umgebungen!“, sagte ich daher schnell. Das schien sie mir abzukaufen, denn sie klopfte mir auf die Schulter. „Da bin ich aber froh. Es gibt schon genug Mädchen hier, die sich auf ein Stelldichein mit einem Jungen im Wald zu treffen, um… was weiß ich für Dinge zu machen!“ Ich hob gespielt erstaunt die Brauen. „Ach ja!“ Welche das wohl sein könnten? Irgendwann ging der Unterricht zu Ende und wir verzogen uns auf unsere Zimmer. Die Lehrer hatten uns mit Hausaufgaben förmlich zu gedeckt, sodass es Stunden und womöglich bis in die Nacht dauern würde, bis ich endlich fertig war. Konzentriert saß ich über den Aufgaben. Eigentlich war es Quatsch sich damit zu beschäftigen, da ich eigentlich nur Undercover hier war. Aber wenn ich eine Schülerin spielen soll, musste ich mich damit herumschlagen. Zu meiner eigenen Schande war ich nie eine Klassenbeste. Ich hatte die Hauptschule gerade so geschafft, damit ich überhaupt eine Chance auf einen Job hatte. Und schon da war Mathe für mich so einfach gewesen, wie das Lösen eines Rätselwürfels. Ich will nicht behaupten, dass ich dumm bin. Es gab auch Fächer in denen ich richtig gut war. Latein, Kunst und Geschichte. Aber was die restlichen anging, war ich nicht gerade fit. Und jetzt musste ich mich mit gerade mit diesen Fächern hier abplagen. Die Gleichungen in dem Buch, über dem ich saß, ähnelten alten ägyptischen Hieroglyphen und begannen, je mehr ich mich darauf konzentrierte, zu verschwimmen. Mit einem frustrierten Seufzen rieb ich mir die Augen und schaute nach draußen. Es dämmerte bereits und ich hatte nicht mal die Hälfte geschafft. Die Geschichts- und Französischaufgaben waren einfacher gewesen, daher hatte ich das locker geschafft. Nun aber saß ich bei Mathe fest und wurde immer müder. Außerdem ließ mich das von Gwen Erfahrene nicht los. Hinter den Bäumen war womöglich das Versteck dieser Wurmmonster und ich hockte hier über diesen beschissenen Matheaufgaben. Ich war schon kurz davor gewesen, das Buch und mein Heft einfach in den Mülleimer zustopfen und mich ins Bett zu legen. Entschied mich aber dagegen. Aber weiterkommen würde ich auch nicht, da meine Gedanken ständig nur um diese alten Häuser hinter den Bäumen kreisten. Ohne es zu wollen ging mein Blick immer wieder zum Fenster, hinter dem es immer dunkler wurde und die Bäume nun wie drohende Ungeheuer ausschauten, die mich wiederum beobachteten. Oder waren es diese Monster. Vielleicht hatten sie schon gemerkt, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist und nun selber beobachteten. Ein Schauer rann mir bei diesem Gedanken über den Rücken. Dabei sollte ich es gewohnt sein, nach allem was ich bisher erlebt habe. Aber offensichtlich kann man sich daran nicht gewöhnen. Ich zumindest nicht. Bei Fay und Lex sah das wohl anders aus. Ich versuchte nicht länger daran zu denken. Und versuchte mich ein letztes Mal auf die letzten Hausaufgaben zu konzentrieren. Aber dann gab ich es auf. Ich klappte das Buch zu und machte mich Bettfertig. Vielleicht ließ mich Gwen bei sich abschreiben, dachte ich noch, ehe ich einschlief. Das Klingen des Weckers nahm ich nur schwach wahr. Ich rollte mich auf die andere Seite und zog die Bettdecke über den Kopf. Da wurde sie mir weg gezogen und setzte mich dem hellen Sonnenlicht aus. Ich knurrte und suchte mit geschlossenen Augen nach der Decke. „Steh endlich auf. Sonst kommst du noch zu spät zum Unterricht!“, sagte eine Stimme streng und ich glaubte Erik zu hören. Ich öffnete etwas die Augen und meinte ihn im Halbschatten zu sehen. Dann verblasste er, je weiter das Licht in den Raum drang. Das Klingeln des Weckers wurde nun zu einem Schrillen. Ich schaltete ihn ab und kletterte aus dem Bett. Wusch mich, putzte mir die Zähne und bürstete mir die Haare. Ich überlegte kurz, ob ich mir noch etwas Make up aufs Gesicht auftragen sollte. Entschied mich aber dagegen. Es würde zu lange dauern und ich war so wieso schon spät dran. Schnell packte ich mein Schulzeug zusammen, stopfte alles in die Tasche und ging auf den Flur. Gwen wartete schon auf mich. „Du meine Güte. Bist du aus dem Bett gefallen?“, fragte sie, als sie mich in meinem etwas zerknautschten Look sah. „Nein…ich habe nur etwas verschlafen!“, sagte ich und wie als wollte ich meine Worte unterstreichen, gähnte ich. Gwen sah mich von oben bis unten an. „Das sehe ich!“, bemerkte sie und zupfte an mir herum. „Was machst du da?“ „Dafür sorgen, dass du wie eine Schülerin einer elitären Schule und nicht wie eine Herumtreiberin!“, sagte sie und stopfte eine Seite meiner Bluse unter den Rocksaum. Dann wandte sich an meine Haare. Durchkämmte mit ihren Fingern mein Haar. Schien nochmal zu überlegen was noch fehlte. Kramte dann in ihrer Tasche nach etwas und holte einen Lipgloss raus. „Mund auf!“, sagte sie und ich gehorchte. War einerseits perplex, dass sie sich solch eine Mühe machte, war aber auch ein wenig dankbar, dass sie es tat. Sorgfältig trug sie mir den Gloss auf die Lippen. Richtete nochmal mit den Fingern mein Haarpony. „Okay, fertig!“, sagte sie und nickte. War wohl zufrieden mit sich. Dann nahm sie meine Hand und zog mich hinter sich her. „Jetzt aber schnell!“ Im Klassenzimmer angekommen, setzten wir uns auf unsere Platze und holten alles für den Unterricht raus. „Gwen, hast du die Matheaufgaben gemacht?“, fragte ich, als ich mich daran erinnerte, dass ich die Aufgaben nur zum Teile fertig hatte. „Ja, wieso?“ „Kann ich sie bei dir abschreiben?“, bat ich und setzte einen flehenden Blick auf. Gwen schien erstmal nicht so ganz wohl bei diesem Gedanken zu sein. Dann aber nickte sie und schob mir ihr Heft zu. „Mach aber schnell!“, flüsterte sie. Dankbar machte ich mich daran die Aufgaben ab zu schreiben. Doch als ich mein Heft aufschlug, stutzte ich. Die Aufgaben, die ich nicht gemacht hatte, waren gemacht. Aber wie war das möglich. Ich hatte sie doch…Oder hatte ich sie im Schlaf gemacht? Ach, Quatsch. Sowas gab es doch nicht. Schlaf-Matheaufgaben-machen…lächerlich. Naja, was soll´s. Hauptsache sie waren gemacht. Wie am vorherigen Tag schien der Unterricht nicht enden zu wollen. Als es dann in den Sportunterricht ging, hoffte ich, dass ein wenig Bewegung mich wieder munter macht und den Kopf wieder freimacht. Auch im Schlaf musste ich immer wieder daran denke, dass diese Wurmdinger sich in der Nähe versteckten. Es war ein Wunder, dass ich überhaupt schlafen konnte. Gwen und ich zogen uns für den Sportunterricht um. Leider hatten wir nicht unsere eigenen Sachen, sondern die, die uns die Schule gab. Weiße Shirts und blaue Shorts. Dazu weiße Strümpfe und flache Turnschuhe. Ein wenig skeptisch schaute ich an mich hinunter. Und das bei so einer angesehenen Schule, dachte ich. „An die Sportklamotten muss man sich erstmal gewöhnen!“, sagte Gwen, die wohl meinen Blick bemerkt hatte. „Ich dachte auch erstmal, dass das ganz schön schizophren sei!“ Schizophren? Das ist ja noch untertrieben. Naja zumindest machte ich darin eine gute Figur. Auch Gwen sah mich ein wenig erstaunt an. „Wow…du hast aber lange Beine!“, staunte sie. „Da kann man ja…ach du Scheiße, was hast du da an der Wade? Das sieht ja übel aus!“ Ich erstarrte sofort, da ich wusste, dass sie meine Narbe an der Wade meinte. Ein nettes kleines Andenken von Samantha. Die hatte ich vollkommen vergessen und gehofft, dass die Strümpfe diese überdecken würden. Aber Pustekuchen! Und da Gwen diese nun sah und wissen wollte, woher ich die hatte, musste ich mir was einfallen lassen. „Ach, die…ähm die…die habe ich von einem Hund bekommen!“, sagte ich schnell. Gwen hob die Brauen und ich sah ihr an, dass sie mir das nicht abkaufte. „Ein Hund? So wie das aussieht, muss es eher eine Großkatze gewesen sein!“, sagte sie. „Sowas wie ein Tiger oder ein Panther!“ Ich rang mir ein Lachen ab. „Jetzt machst du Witze. Wie sollen ein Tiger oder ein Panther mich angreifen?“ Gwen hob die Schultern. „Mein ja nur!“ „Es war wirklich ein Hund!“, versicherte ich ihr. „Dann muss das ein echter fieser Hund gewesen sein. Ein Rotweiler vielleicht?“ „Ist das denn so wichtig? Passiert ist passiert!“, sagte ich, weil es mir langsam zu blöd wurde, darüber zu reden. Außerdem wollte ich nicht gerne daran erinnert werden. „Okay okay. Ich frag nicht weiter!“, sagte Gwen. „Los, gehen wir zum Sport. Sonst brummt uns der Sportlehrer noch Extrarunden auf, weil wir zu spät kommen!“ Sie nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Der Sportunterricht fand im Freien statt. Der Sportplatz erinnerte mich an den, den man bei der Olympiade zu sehen bekam. Eine große Fläche, die von einer vierspurigen Laufbahn umrahmt war und mitten drin eine grüne Rasenfläche, auf denen sich schon die Schüler warm machten. Wir waren die letzten. Sehr zum Ärger des Sportlehrers. Ein hochgewachsener, stämmiger Typ, dessen Arme so aufgepumpt waren, als würde er jeden Morgen Kleinwagen stemmen und einen Oberkörper, der so breit war, dass sein Shirt schon zu zerreißen gespannt war. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig ein. „Ah, kommen die beiden Grazien auch endlich!“, sagte er mit dröhnender Stimme und schaute auf sein Klemmbrett. „Miss Philias und Miss…Chatte!“ Mein Name klang mir immer noch in den Ohren so fremd. Einige der Mädchen kicherten. Ich erkannte sie als die Gruppe, die mich am meinem Einschulungstag so feindselig angeschaut hatte. Einige von ihnen machten mauzende Geräusche. Jenna grinste nur hämisch. Ich wandte mich demonstrativ gleichgültig ab. Dem Sportlehrer entging wohl der Spott, denn er wandte sich wieder an uns zu. „Nun, da Sie sich verspätet haben, werden Sie als erste fünf Runden laufen und anschließend zehn Liegestütze machen!“, erklärte er. Gwen stöhnte auf. Ich schenkte ihr ein tröstendes Lächeln. Zum meinen Erstaunen machte es mir keine Probleme die fünf Strafrunden zu laufen. Ich fand es sogar als äußerst entspannend. Während Gwen Probleme hatte mit mir Schritt zu halten. Sie lag wenige Meter hinter mir abgeschlagen. Als sie fertig waren, gönnte der Sportlehrer uns einige Minuten um wieder zu Luft zu kommen. Ich war komischerweise nicht aus der Puste. Klar, ich schnaubte schon etwas, aber im Gegensatz zu Gwen atmete ich ruhig. Sie hingegen hechelte förmlich. „Alles okay bei dir?“, fragte ich. Gwen winkte ab. Nickte. „Ja, ich bin nur etwas aus der Puste!“ So wie sie allerdings aussah, hätte man meinen können, dass sie gleich aus den Schuhen kippte. „Ich brauche nur einige Minuten!“ Als es ihr wohl wieder besser ging, machten wir dann die Liegestütze. Und ich war zum ersten Mal froh, dass ich vorher von Lex und Brian so hart trainiert wurde. Denn so hatte ich genug Kraft dafür. Es fiel um einiges leichter, als ich gedacht hatte. Auch die anderen mussten erwartet haben, dass ich Schwierigkeiten habe. Dass ich diese aber nun mit Leichtigkeit schaffte, schien sie zu erstaunen. Besonders die Jungs, die auch am Sportunterricht mitmachten. Ich konnte ihre Blicke förmlich auf mir spüren. Oder vielmehr auf meinem Hintern, denn dieser schien ein äußerst reizvoller Anblick zu sein. „Seht Euch mal den Hintern von der Kleinen an. Damit kann sie ja Walnüsse knacken!“ „Da würde ich gerne mal reinkneifen!“ Innerlich schüttelte ich den Kopf über ihre pubertären Sprüche. Konzentrierte mich ganz und gar auf meine Liegestütze und merkte nicht, wie schnell ich dabei war. Das schien den Jungs nur umso mehr zu gefallen. „Ob sie in der Kiste genauso sportlich ist?“ „Anstatt nur dumm da zu stehen und zu zuschauen, sollten Sie sich weiter Ihren Übungen zu wenden, Mr, Stead!“, hörte ich nun den Lehrer und musste grinsen. Genug gespannt, dachte ich. Als ich endlich fertig war, ging es an den richtigen Sportunterricht. Dieser bestand aus Springen, Sprinten und Dehnen. Der Unterricht ging vorbei und ich und Gwen gingen in die Umkleide und schälten uns aus den nassgeschwitzten Sportklamotten. Ich holte mein Duschzeug raus und wickelte mich in ein großes Handtuch. „Willst du hier duschen?“, fragte Gwen und wirkte nun etwas unsicher. Sie schaute dabei etwas eingeschüchtert zur großen Gemeinschaftsdusche und dann hinter mich. Ich drehte den Kopf etwas herum und sah den Grund für ihre Sorge. Jenna stand hinter mir und sah mich lauernd an. Etwas sagte mir, dass sie etwas ausheckte. Aber ich wollte ihr nicht die Freude und einen Rückzieher machen. „Es ist nicht Zeit genug, um in unserem Bad zu duschen. Gleich geht es wieder in den Unterricht und ich habe keine Lust zu spät zu kommen, nur weil hier die Aasgeier auf mich warten!“, sagte ich und sprach die letzten Sätze lauter als nötig aus. Gwen schien darüber noch nervöser zu werden, während Jenna irgendwas vor sich hin murmelte. Ich ignorierte sie. „Gehe ruhig schon vor. Ich komme dann nach!“ Nur schwer nickte sie und ging. Nach ihr verließen auch Jenna und ihr Rudel die Umkleide, was mich etwas stutzen ließ. Dennoch wollte ich auf Nummer sicher gehen und schloss meine Anziehsachen in meinem Schrank ein. Man konnte ja nie wissen. Dann ging ich duschen. Dabei beeilte ich mich und schrubbte mehr als eigentlich gut war. Ich versuchte nicht an Jenna zu denken und an die hinterhältigen Attacken, die sie mir wohl antun wollte. Stattdessen sagte ich mir, dass ich hier einen Job zu erledigen hatte und dass mich sowas wie dieser Zickenkrieg, der unter Schülerinnen nun mal Gang und Gebe war, nicht kümmern sollte. Als ich dann fertig war, drehte ich das Wasser ab und wollte mich trocknen und wieder anziehen. Doch kaum dass ich in die Umkleidekabine trat, blieb ich stehen und schaute wie vom Blitz getroffen auf meinen Schrank, den ich zuvor noch abgeschlossen hatte. Abgeschlossen war er nun nicht mehr. Die Tür stand sperrangelweit auf und ich hatte sogleich ein dummes Gefühl. Ich ging zum Schrank und schaute hinein. Meine Ahnung bestätigte sich. Der Schrank war leer! Und ich wusste auch, wer ihn aufgemacht und meine Sachen rausgenommen hatte. Wütend schlug ich die Tür zu. Na warte. Dieser Jenna werde ich die Augen auskratzen. Es muss wirklich ein erstklassiger Anblick gewesen, den ich bot, während ich tropfnass und nur mit einem Handtuch bekleidet den Schulflur entlang stapfte. In Richtung meines Zimmers. Natürlich zerrissen sich die anderen wieder das Maul und gaben sich nicht die Mühe, es vor mir heimlich zu tun. Wütend und etwas beschämt ging ich weiter und erreichte mein Zimmer. Laut knallte ich die Tür zu. Atmete erstmal tief durch und setzte mich aufs Bett. Was jetzt? Eine zweite Uniform hatte ich nicht und ich hatte keine Lust wegen so einem blöden Streich Ärger zu bekommen. Nur was mache ich jetzt? Ich schaute zum meinem Schrank. Hier in meinem Handtuch zu sitzen und sich zu ärgern würde mir nichts bringen. Also entschied ich mich erstmal meine anderen Klamotten an zu ziehen und jemand auf zu spüren, der mir helfen konnte, eine neue Uniform zu bekommen. Mit Kapuzenpulli, Jeans und Turnschuhen bekleidet, ging ich wieder auf den Schulflur und zog erneut die Aufmerksamkeit der gesamten Schule auf mich. Auch dieses Mal blendete sich sie komplett aus. Suchte nach einem Lehrer, der mir hoffentlich helfen konnte. Ich fand auch gleich einen, der mich mit etwas verwirrten Blicken anschaute. Ich zwang mir ein verlegenes Lächeln ab. „Verzeihung, können Sie mir helfen. Ich…man hat mir meine Uniform gestohlen. Wo kann ich eine neue bekommen?“ „Eine neue Uniform?“, wiederholte er etwas perplex. „Nein, tut mir leid. Diese Uniformen sind Eigentum der Schule und wir haben keinen Ersatz, wenn eine verloren geht. Wenn du eine neue brauchst, musst du dafür bezahlen!“, sagte er und ich hätte am liebsten lautaufgestöhnt. Auch das noch! Wie sollte ich das bezahlen können. Diese Uniformen mussten ein Vermögen kosten. Und mir wurde übel als ich daran denken musste, Brain um das Geld bitten zu müssen. Sicherlich würde er toben. Aber es würde kein Weg dran vorbeiführen. „Ich selbst kann kein Geld für die Uniform aufbringen. Ich bin zurzeit bei meinen Pateneltern!“ „Dann werde ich sie anschreiben!“, sagte der Lehrer. „Bis du die Uniform hast, kann es allerdings etwas dauern!“ Ich nickte, weil mir ja nichts anderes übrig blieb. Natürlich sorgte meine eigenkreierte Schuluniform dafür, dass ich im Unterricht von allen Seiten angestarrt wurde. Und wieder für einiges Getuschel. Während Gwen mich etwas mitleidig anschaute. Sie hatte mich gewarnt und ich wollte nicht hören. Ich hatte mir das also allein eingebrockt. Dennoch ärgerte ich mich. Sicher steckte diese Jenna dahinter. Wie sie allerdings den Schrak aufbekommen hatte, fragte ich mich doch. Vermutlich hat sie einen Dietrich dazu genommen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Ich war heilfroh als auch dieser Schultag endlich zu Ende ging. Noch länger den spöttischen Blicken der Schüler ausgesetzt zu sein, hätte ich nicht ausgehalten. Mit einem Seufzen schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen. Schloss die Augen und wünschte mir, das was heute passiert ist, schnell wieder zu vergessen. „Na, einen harten Tag gehabt?“, fragte plötzlich Erik, der es sich auf meinem Bett bequem gemacht hatte. Ich hatte nicht bemerkt, dass es draußen bereits dämmerte. „Kann man so sagen!“, sagte ich und stieß mich von der Tür ab. Ich ließ mich neben ihn auf das Bett fallen und streckte mich. Dabei war es mir egal, dass Erik meinen nackten Bauch sehen konnte, oder wie mich einen Moment lang schweigend anschaute. „Wo hast du deine Uniform gelassen?“ „Die wurde mir geklaut!“ „An deinem zweiten Schultag schon?“, fragte er und ich hörte deutlich ein Lachen in seiner Stimme. „Wow, du hast dich wohl ziemlich beliebt gemacht!“ Ich rollte nur mit den Augen. „Hast du was schon in Erfahrung gebracht?“, fragte ich und richtete mich auf. Eri sah mich etwas verwundert an. „Das ist doch dein Job!“ „Ja, aber du kannst dich doch mal umhören…!“, sagte ich genervt. „Mir dabei helfen!“ „Das habe ich doch schon!“ „In wie fern?“, kam es nun von mir verwirrt und Erik sah mich mit gehobenen Brauen an. „Wer glaubst du hat deine Hausaufgaben gemacht!“ Einige Minuten schwieg ich, aber dann fühlte ich so etwas wie Dankbarkeit und auch ein schlechtes Gewissen. Zu Eriks Aufgabe gehörte es sicher nicht, meine Hausaufgaben zu machen. Dennoch hat er sie gemacht. „Danke!“, sagte ich müde und wischte mir über das Gesicht. Eriks Gesicht wurde weich und er stand auf. „Schon gut. Schlaf jetzt!“, sagte er. Wollte gehen, blieb dann aber stehen und sah mich mit einem verschmitzten Lächeln an. „Es sei denn du hast wieder Hausaufgaben auf!“ Ich schüttelte den Kopf und lächelte auch. „Nein, zum Glück nicht!“ „Na, dann. Gute Nacht!“, sagte er und verschwand. Ich schlief erstaunlich schnell und fest ein. Ein Geräusch jedoch ließ mich hochfahren. Zuerst fragte ich mich, was das war, als es sich aber wiederholte und ich es allmählich erkannte, stellte ich fest, dass ich da Schritte hörte. Wer schlich noch so spät auf dem Gang herum? Die Lehrer? Möglich wäre es, da sie sicher so etwas wie Nachtwache hatten und potenzielle Ausreißer wieder in ihre Zimmer schicken würden. Okay. Gut zu wissen. So wusste ich nun, dass ich auf dem herkömmlichen Wege nicht rauskomme. Die Schritte kamen näher und ich sah einen Lichtschein unter der Tür. Einige Minuten blieb der Lehrer wohl vor meiner Tür stehen, dann ging er weiter. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber ich hatte die Luft angehalten und war angespannt gewesen. So als wartete ich darauf angegriffen zu werden. Das wunderte mich. Zumindest für einen kurzen Moment. Es war doch eigentlich nichts ungewöhnliches, wenn ein Lehrer den Gang abschritt um zu schauen, das alle Schüler im Bett lagen. Aber dann sagte ich mir, dass es auch eine zweite Erklärung gab, die nicht so beruhigend ist. Was wenn dieser Lehrer kein Lehrer war? Sondern eines von diesen Wurmdingern? Mir wurde übel und ich wollte auch nicht weiter darüber nachdenken, aber mein Kopf schien da nicht mit machen zu wollen. Sondern ging weiter in diese Richtung. Was wenn sie bereits wissen, wer ich wirklich bin? Diese Dinger waren nicht blöd. Ganz bestimmt nicht. Sie würden sicher eins und eins zusammen zählen und wissen, warum ich hier war. Mit diesem Wissen war es vorbei mit dem Schlafen. Zumindest für die nächsten zwei Stunden. In einem Teil des kleinen Waldes, der hinter der Schule lag, schritt eine Schülerin den verschlungenen Pfad entlang. Sie hatte sich verbotener Weise aus ihrem Zimmer geschlichen und wusste, dass sie Ärger bekommen würde, sollte man sie erwischen. Aber die Einladung, die sie bekommen hatte, war zu verlockend gewesen, als dass sie wiederstehen konnte. Sie brauchte einige Minuten, da sie sich durch die Dunkelheit tastete. Eine Taschenlampe wollte sie nicht mitnehmen, da sie fürchtete, man könnte sie erwischen. Als sie dann den Treffpunkt erreichte, atmete sie erleichtert auf. Dann wartete sie. Und wartete. Immer wieder schaute sie auf das leuchtende Display ihrer Digitaluhr und musste feststellen, dass bereits zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit vergangen waren. Sie runzelte die Stirn. Hatte sie sich mit der Zeit geirrt? Oder hatte er sich verspätet? Sie beschloss noch ein wenig zu warten. Es war die erste Einladung zu einem geheimen Date gewesen und dieses wollte sie nicht versäumen. Da nahm sie das Warten freiwillig in Kauf. Und während sie wartete, stellte sie sich vor, was sie wohl bei ihrem Date machen würden. Ein Grinsen huschte dabei über ihre Lippen und merkte, wie es in ihm Bauch nur so vor Schmetterlingen kribbelte. Irgendwann kam auch er endlich. Trotz dass sie sich ausgemalt hatte, was sie bei ihrem Date machen würden und sie es kaum erwarten konnte, wurde ihr auch ein wenig mulmig zumute. Aber sie sagte sich, dass das nur die Aufregung sei und dass sie nicht zu befürchten hatte. Doch dieser Vorsatz schwand schnell, als sie sah, dass er nicht alleine war. Hinter ihm lösten sich zwei weitere Gestalten aus dem Schatten, die ihm folgten und sie dann umzingelten. Der eine links, der andere Recht von ihr. Sie spürte, dass hier was nicht stimmte. Schaute von einem zum anderen. Schluckte und versuchte ihre Nervosität nicht in ihrer Stimme hören zu lassen. „Hey…du hast nichts davon gesagt, dass du deine Freunde mitbringst!“, sagte sie und zwang sich ein schiefes Grinsen ab. Doch ihr Date antwortete nicht darauf. Sondern schaute seinen Begleitern und schien ihnen ein unsichtbares Zeichen zu geben. Sofort packten sie sie an ihren Armen und hielten sie fest. Ohne zu wissen wie ihr geschah, stieß sie einen erschrockenen Schrei aus und versuchte sich sogleich aus dem Griff zu befreien. Doch keiner von ihnen schien sich durch ihr Bemühen stören zu lassen. Wo sie vorher noch unsicher und verwirrt war, erfasste sie die Angst. Schreckliche Ahnungen stiegen in ihr hoch und sie wehrte sich noch mehr. Aber auch dies schien nichts zu nützen. „Lasst...lasst mich auf der Stelle los. Das ist nicht mehr komisch!“, wimmerte sie. Spürte wie sich ihr Hals vor Angst zu schnürte und sie den Tränen nahe war. Wieso machten sie das? Was hatte sie getan? Der erste von ihnen schritt nun auf sie zu. Fasste grob mit der rechten Hand ihr Kinn, während er mit der Linken ihren Kopf ergriff und nach hinten drückte. Zugleich übte er Druck auf ihr Kinn aus und zwang so ihren Mund auf. Die Augen des Mädchens weiteten sich entsetzt. Wollte er sie mit Drogen vollpumpen? Verzweifelt wehrte sie sich dagegen und schaffte es kurz ihren Kopf aus seinem Griff zu befreien. Das jedoch brachte nicht viel, da er ihr einen Schlag versetzte, der sie beinahe ohnmächtig werden ließ. Noch während es sich in ihrem Kopf drehte, fasste er wieder ihr Kinn und öffnete erneut ihren Mund. Der Ohnmacht nahe und mit einem flehenden Stöhnen, sah sie dann, wie er seinen Mund öffnete und sich etwas langes, schleimiges rausglitt. Erst dachte sie, es wäre seine Zunge, aber dann sah sie wie sich das Etwas selbstständig zu winden begann, wie eine Schlange und immer länger wurde. Mit wachsender Panik und nicht in der Lage sich dagegen wehren zu können, was die Panik noch größer werden ließ, sah sie, wie sich das schlängelte Ding ihrem Mund näherte und wie eine zuschlagende Schlange in ihren Mund stieß. Trotz dass ich eingeschlafen war, was schon ein Wunder war, fühlte ich mich wie gerädert. Keine Ahnung wie lange ich geschlafen hatte. Aber viel konnte es nicht gewesen sein. Und auch wenn alles in mir danach schrie, mich wieder schlafen zu legen, zwang ich mich aus dem Bett. Müde tappte ich ins Bad, putzte mir die Zähne und wusch mich. Betrachtete mich im Spiegel und wäre nachhinten weggekippt. Die kurze Nacht hatte mir überhaupt nicht gutgetan. Dunkle Ringe und gerötete Augen zeugten davon, dass ich die Nacht kaum ein Auge zu getan hatte. Ich seufzte bitter. Da würde nicht mal Make up helfen. Mit einem sehnsüchtigen Blick sah ich auf mein Bett, das mich förmlich zu locken schien, mich wieder hineinzulegen. Aber ich ignorierte dies. Sicherlich würde Gwen wieder in mein Zimmer kommen und mich wieder aus den Federn jagen. Darauf konnte ich verzichten. So zeigte ich meinem Bett die kalte Schulter und drehte den Wasserhahn für das kalte Wasser bis zum Anschlag auf. Hielt meine Hände darunter und klatschte es mir mehrere Male ins Gesicht. Solange bis sich mein Gesicht taub anfühlte und vor Kälte zu kribbeln begann. Das kalte Wasser hatte den von mir gewünschten Effekt. Nach und nach wurde ich wieder wacher im Kopf und meine Augen fühlten sich auch nicht mehr so geschwollen an. Als ich in den Spiegel schaute, stellte ich erleichtert fest, dass sie auch nicht mehr so gerötet waren. Nur die dunklen Ringe blieben noch. Dagegen würde sicher etwas Make Up helfen. Dabei trug ich auch etwas Puder auf meinem Gesicht auf. Um das Gesamtbild zu komplettieren. Würde ja bescheuert aussehen, wenn nur meine Augen geschminkt sind, während der Rest meines Gesichts bleich wie eine Wand war. Als ich fertig war, schaute mich ein frischeres und besseres Ich an. Zufrieden nickte ich. Nun waren meine Klamotten dran. Ich schaute zu den Sachen, die ich gestern getragen hatte und verzog das Gesicht. Heute wollte ich mich etwas besser anziehen als gestern. So stopfte ich den Kapuzenpulli und die Jeans in den Beutel für die Schmutzwäsche und holte frische, bessere Klamotten raus. Eine weiße Bluse und darüber eine schwarze Weste an. Dazu eine blaue Jeans und meine schwarzen Stiefeletten. Wenn ich schon ohne meine Uniform am Unterricht teilnehmen muss und somit der Blickfang für jeden wäre, so wollte ich doch dieses Mal etwas stillvoller aussehen. Und ihnen wirklich was zum glotzen geben. Wobei ich auch zugeben muss, dass ich es so dieser Jenna heimzahlen wollte. Ich wollte ihr zeigen, dass ihr mieser kleiner Trick bei mir nicht den gewünschten Effekt hatte und ich mich, wie sie es wohl wollte, schämte. Das gestrige hatte mir schon gereicht. Nein. Heute wollte ich ihr eins reinwürgen, ohne mich dabei auf ihr Niveau zu begeben. Um dem ganzen noch die Krone auf zu setzen, trug ich nun doch etwas Make up auf. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Zwar waren meine Augen noch etwas gerötet, aber nicht mehr so stark, dass man denken würde, ich hätte die Nacht durchgemacht. Zufrieden mit meinem Look trat ich nun auf den Flur und machte mich auf den Weg zum Unterricht. Wie erwartet schauten mich jeder der Schüler, ob männlein oder weiblein, an. Ich konnte deutlich in ihren Blicken sehen, dass sie nicht erwartet hatten, dass ich aus meiner misslichen Lagen, das Beste machen würde. Mit einem stolzen Grinsen ging ich zur ersten Stunde. Als Gwen mich sah, konnte sie ein beeindruckendes Pfeifen nicht unterdrücken. „Wow, Ashley!“, sagte sie und sah mich von oben bis unten mit großen Augen an. Ich konnte nicht anders als mich zu drehten. „Na, was sagst du?“ Gwen blieb wohl erstmal die Spucke weg. Ich hatte immer geahnt, dass ich eine besondere Wirkung auf andere Menschen hatte. Hatte mir aber nie was darauf gemacht. Nun aber genoss ich es. Vor allem aber, weil ich dieser Jenna so eins ausweichen konnte. „Hammer! Einfach nur Hammer!“ Ich grinste. Doch mein kleiner Triumph währte nicht ewig. Gwens Begeisterung verschwand schlagartig. Ich ahnte schon woran das lag. Oder an wem. „Jenna!“, formte ich wortlos mit den Lippen und Gwen nickte. Ich drehte den Kopf nur halb herum. Und tatsächlich stand Jenna mit ihren Mädels in der Tür und sah mich an, als würde sie mir gleich an die Gurgel gehen wollen. Das hätte sie vermutlich auch, wenn nicht gleich der Lehrer in die Klasse gekommen wäre. Die ersten Stunden vergingen schnell und die Pause kam. Noch immer konnte ich den tödlichen Blick von Jenna in meinem Rücken spüren. Meine Fresse war das eine Zicke! Ich ließ mich davon nicht beeindrucken. „Eines muss man dir lassen: Du hast echt Nerven wie Drahtseile!“, sagte Gwen. Es klang nicht so, als wollte sie sich einschleimen. Sondern vielmehr als ob sie an meinen Verstand zweifeln würde. Da ich war ich etwas gekränkt. „Ich weiß nicht, warum ich mich davon so unterkriegen soll. Das ist doch Kindergartenniveau!“, sagte ich. Gwen hob die Schultern. „Hier kann sie es machen. Nur weil Ihr Daddy ein hohes Tier ist!“ Was anderes hatte ich nicht erwartet. „Da sieht man es wieder. Wer Geld hat, braucht keine Manieren!“, murmelte ich. Gwen nickte. „Amen!“ „Uhhhh, das ist ja ekelhaft!“, sagte sie im nächsten Moment und ich verstand natürlich nicht, was sie meinte. Mein Blick musste ihr wohl gesagt haben, dass ich es nicht begriff. Dezent zeigte sie über meine Schulter und ich drehte mich um. Im ersten Moment teilte ich ihre Meinung. Einige Tische weiter saß eine Schülerin und aß…nein sie stopfte sich das Essen regelrecht hinein. Bei diesem Anblick wurde mir schlecht. „Was ist denn mit ihr los?“, fragte ich dann und wandte mich ab. „Keine Ahnung!“, sagte sie. „Caro hat sonst eigentlich immer auf ihre Linie geachtet. Normal ist das nicht!“ Etwas sagte mir, dass da was Wahres dran war. Kein Mensch stopfte sich dermaßen das Essen rein. Nicht mal bei All You Can Eat. Könnte es sein, dass sie mit einem dieser Wurmmonster befallen ist? Voller Ungeduld wartete ich darauf, dass es dunkel wurde. Ich hatte tausend Fragen an Erik. Als es endlich dunkel war, tauchte er schon auf. „Wie kann man erkennen, dass ein Mensch von einem dieser Dinger infiziert ist?“ Erik war erstmal perplex, doch dann legte sich seine Stirn in tiefe Falten. „Meistens erkennt man es wenn sich derjenige, der mit ihnen infiziert ist, merkwürdig verhält. Seltsame Eigenschaften zeigt zum Beispiel!“ „So wie sich Essen reinschaufeln, als würde man verhungern?“, fragte ich prompt. „Wieso? Hast du jemanden gesehen, der sich so verhält?“ Erik war sofort alarmiert. Ich nickte. Sofort nahm sein Gesicht einen düsteren Ausdruck an. Ich ahnte, was er dachte. Es war auch meine Befürchtung. „Du denkst, dass sie sich nun die Schüler vornehmen!“ „Ja!“, sagte er. „Und das gefällt mir nicht!“ „Mir auch nicht!“, gestand ich. Dass es einfach sein würde, hatte ich nie gedacht. Aber die Aussicht, mich bald einer ganzen Horde von Wurmbefallenen Schülern gegenüber zu sehen, ließ mir eisige Schauer über den Rücken laufen. „Was wenn wir zu spät sind?“, fragte ich dann, weil ich das Gefühl nicht loswurde, dass das ein Kampf gegen Windmühlen war. Außerdem passte es nicht, dass sie sich eine Schule vornahmen. „Wieso denkst du das?“ Ich biss mir erstmal auf die Unterlippe, weil ich wirklich nicht den Teufel an die Wand malen wollte. Aber es ließ mich einfach nicht los. „Mal angenommen diese Wurmmonster greifen an, ohne dass wir es bemerken. Was dann?“, fragte ich. „Nun diese Viecher scheinen nicht gerade diskret vorzugehen. Der Anruf des panischen Lehrers ist ein eindeutiger Beweis. Sie scheinen sich sehr sicher zu fühlen!“ „Aber wieso das ganze? Wieso eine Schule? Warum suchen sie sich nicht einen Ort aus, der nicht so öffentlich ist? Eine Firma oder einen Club. Oder was auch immer. Auf jeden Fall bei dem es nicht auffällt, wenn einige Leute verrücktspielen!“, sprudelte es aus mir heraus. „Warum eine Bank oder ein Club, wenn sie hier den idealen Stützpunkt haben?“, erwiderte Erik kühl. Ich sah ihn ungläubig an. Doch dann begriff ich und mir wurde kalt. „Moment. Du willst mir doch nicht sagen, dass…!“ Eriks Gesicht wurde noch düsterer. „Jeder Schüler hat Eltern in hochgestellten Positionen. Angefangen vom Polizeiminister bis hin zu denen, die an der Macht sitzen!“ „Ein Glück das die Prinzen Englands nicht hier zur Schule gehen!“, sagte ich trocken. „Das muss auch nicht der Fall sein!“, erwiderte Erik. „Es reicht schon, wenn sich einer dieser Würmer im Verteidigungsminister einen Wirt sucht!“ Was dann passieren würde, sollte das der Fall sein, bedarf keiner allzu großen Vorstellungskraft. Und es war erschreckend. „Das ist ja eine Invasion!“ „So würde ich das nicht sehen!“, sagte Erik. „Und wie dann?“ „Als wie die Ruhe vor dem Sturm!“ Ich verzog das Gesicht. „Das macht es nicht besser!“, schnappte ich und schaute dabei aus dem Fenster. Wieder kehrten meine Gedanken zu dem Wald und den dahinter liegenden Hütten zurück. Erik schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er schaute ebenso aus dem Fenster, hinter dem es immer dunkler wurde. Beinahe schwarz. Ein dumpfes flaues Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich meinte, dass mir kalt wurde. Eigentlich sollte ich mich jetzt auf den Weg machen. Zu den Hütten gehen und… „Das ist keine gute Idee!“, sagte Erik und riss mich aus meinen Überlegungen. „Wieso nicht? Je eher desto besser!“ Erik schüttelte den Kopf. „Wenn du jetzt hingehst, werden sie gewarnt sein und werden sich ein neues Versteck suchen!“ Okay, das klingt logisch. Aber dennoch gefiel es mir nicht. Was wenn sie mein Zögern nutzen und sich weiter vermehrten? Was mich zu meiner nächsten Frage brachte. „Wie vermehren sich diese Dinger überhaupt?“ Erik sah mich für einen kurzen Moment mit gehobenen Brauen an. Dann grinste er amüsiert. „Hatte man Euch in der Schule nicht aufgeklärt, was es mit den Bienchen und den Blümchen auf sich hat?“, fragte er dann. Ich verzog das Gesicht. Das war wirklich nicht der richtige Moment für Witze. Aber dann fragte ich mich, ob das nicht doch ernst gemeint war. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken. Erik sah das wohl, schüttelte den Kopf. „Das war nur ein Scherz!“, sagte er. Dann nahm sein Gesicht wieder diesen ernsten Ausdruck an. „Wie bei den meisten Insekten beziehungsweise bei Insekten, die in Kolonien leben, gibt es eine Königin, die die Eier legt. Diese werden dann in die Wirte gepflanzt!“ „Und wie?“ Erik zuckte mit den Schultern. „Durch direkten Körperkontakt. Das ist das einfachste und effektivste. Oder durch das Unterjubeln durchs Essen!“ Bei beiden Varianten durchfuhr es mich kalt. Sowohl das eine als auch das andere waren hier möglich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Schüler hier enthaltsam waren und nur hier lernen wollten. Und beim Essen? Wenn diese Dinger auch das Küchenpersonal unterwandert haben, dürften sie es leicht haben, die Wurmeier hinein zu schmuggeln. Oh Gott! Auch ich hatte von dem Essen gegessen. Was wenn ich auch eines dieser Dinger in mir trage? Bei diesem Gedanken wurde mir schlecht. „Erik…was wenn…?“ „Keine Sorge. Wenn du damit infiziert wärst, würde ich das sehen!“ Ich runzelte die Stirn. „Und wie das?“ „Ich habe dafür einen Sinn!“, erklärte er nur. „Geh jetzt schlafen. Morgen musst du wieder früh raus!“ Mir blieb beinahe die Luft weg. Erik tat so als sei ich ein kleines Kind und er der Vater. „Dir ist schon klar, dass sich das bescheuert anhört!“, murrte ich. Erik grinste schwach. „Bevor du wieder verpennst…!“ Auch wieder wahr. Ich war schon viel zu oft aufgefallen und wollte mir weitere Fehltritte ersparen. So befolgte ich seinen Rat. Erik war dabei so taktvoll, dass er sich ins Nichts auflöste, damit ich mich umziehen konnte und legte mich dann ins Bett. Ein letztes Mal glitt mein Blick zum Fenster… Der nächste Morgen brach schnell an und auch wenn ich dieses Mal früh ins Bett gegangen war, war ich dennoch müde. Aber immerhin fielen mir nicht wie gestern beinahe die Augen zu. Erneut trug ich meinen Look. Und erneut zog ich mir damit sämtliche Blicke zu. Jenna sah mich natürlich so an als wollte sie mich hier und jetzt massakrieren. Ich tat so als würde ich sie erst mal nicht bemerken, doch dann warf ich ihr einen Blick zu, der deutlich sagte:„ Schluck das, du Biest!“ Gwen bekam das mit und raunte mir zu:„ Bist du lebensmüde?“ Ich grinste. „Vielleicht!“ Gwen schüttelte den Kopf. „Du bist echt verrückt!“ Sie konnte wohl nicht fassen, dass ich dermaßen leichtsinnig bin. Und auch wenn ich zurück denke, frage ich mich, ob ich da nicht etwas über die Stränge geschlagen war. Aber in diesem Moment war mir das egal. Soll sie ruhig schäumen vor Wut. Wir traten in das Klassenzimmer und der Unterricht begann. Es ist unnötig zu erwähnen wie sehr sich der Unterricht zog und wie erleichtert ich war, als wir endlich gehen konnten. Dennoch hatten wir Aufgaben bekommen und so standen ich und Gwen in der Bibliothek und suchten nach den Büchern, die wir zum Lernen nehmen sollten. Gwen ächzte als sie mit vier Bücher auf dem Arm hinter mir her schlurfte. „Bücher! Ich hasse Bücher!“, jammerte sie. „Und lernen…Lernen Lernen lernen!“ Ich musste etwas grinsen. Zugegeben der Unterricht war hier ziemlich trocken und langweilig. Aber Gwen übertrieb schon ein wenig. Ich musste immerhin die gleichen Bücher tragen und ich tat das nur zur Tarnung. Eigentlich könnte ich es sein lassen. Aber dann würde ich auffliegen. Oder von der Schule fliegen. Dabei war die zweite Möglichkeit das kleinere Übel. „Ach, Komm. Bücher können auch interessant sein!“, sagte ich daher um sie ein wenig auf zu bauen und wie die typische Streberin zu klingen. Gwen gab ein verächtliches „Pfft!“, von sich. „Was für Bücher sollten interessant sein?“ „Das hier zum Beispiel!“, sagte ich und zog eines aus dem Regal für Geschichte heraus. Ich hielt es ihr hier hin. Gwen schaute drauf und rümpfte die Nase. „Das finstere Mittelalter!“, las sie laut und sah mich an als hätte ich den Verstand verloren. „Echt jetzt?“ Ich hob die Schultern. „Was denn? Ist doch interessant!“ Gwen schien davon nicht überzeugt zu sein. Im Gegenteil: Sie verzog angewidert das Gesicht, Offenbar hatte sie dieses Thema schon durch. Und ich musste zugeben, dass es nicht das beste Beispiel war. Schnell schob ich das Buch wieder ins Regal und wir gingen zu den langen Tischen. Dort saßen schon einige Schüler und waren in ihre Bücher vertieft. Gwen und ich setzten uns auch an einem und schlugen das erste Buch auf. Man hatte uns einige Fragen diktiert, die wir mit Hilfe der Bücher beantworten sollten und Themen, zu denen wir einen Vortrag halten sollten. Überflüssig zusagen, dass wirklich langweilige Themen waren. Gwen seufzte, als sie ihren Vortrag fertig hatte. Ich klappte auch mein Heft zu. Lehnte mich dann zurück und machte kurz die Augen zu. Dann wandte ich mich den Bücheregalen zu. Sicher gab es noch andere wesentlich spannendere Bücher. Irgendwie lockte es mich zu den Büchern zu gehen, mir eines aus zu suchen und darin die Zeit tot zu schlagen. Was ich auch tat. Suchend schritt ich die Reihen hab und ließ den Blick über die Bücherrücken wandern. Hexenverfolgung im Mittelalter. Hm, das klang schon etwas interessant. Ich zog das Buch heraus und ging damit zu Gwen zurück. Als sie sah, dass ich mir ein anderes Buch gegriffen habe und es dann aufschlug, sah sie mich mit gehobenen Brauen an. „Ist das dein Ernst?“, fragte sie mich dann. Ich hob die Schultern. „Was denn? Ist doch auch Geschichte!“ Gwen verzog das Gesicht. „Frauen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, nur weil man sie nicht leiden konnte, nennst du Geschichte. Ich nenne das krank!“ Okay, da war was Wahres dran. In dieser Zeit hätte ich nicht gern gelebt. Besonders weil ich erstmal durch meine beiden unterschiedlichen Augenfarben schon auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre. Da hätte ich auch nicht mit meiner „Gabe“, gepunktet. Dennoch übte das schon eine gewisse Faszination auf mich aus. Bei Gwen aber auf Abscheu. „Naja…aber zum Glück gibt es sowas ja nicht mehr!“, sagte ich mit einem schwachen Lächeln. „Sei dir da mal nicht so sicher. Zwar werden heutzutage keine Frauen mehr auf den Scheiterhaufen verbrannt, aber auch auf eine andere Weise zu Staub gemacht!“, kam es verschwörerisch von ihr und ihr Blick ging dabei zu Jenna, die auf der anderen Seite der Bibliothek mit ihren Mädels stand und sich unterhielt. Ich wusste sofort was sie meinte. „Ich passe schon auf!“, versprach ich. Gwen schaute ein wenig unsicher zu Jenna, dann zu mir und dann ging ihr Blick ganz woanders hin. Ihre Augen wurden groß und sie zupfte mich am Arm. „Ich glaub es nicht!“, sagte sie dann leise. „Was denn?“, fragte ich. „Joshua Ginger schaut gerade zu dir rüber!“ „Und?“ „Das ist der Kerl, denn du so angeschaut hast!“ „Ach, der, den sich Jenna reserviert hatte?“ „Eben der!“, sagte sie ehrfürchtig. „Er sieht direkt zu dir rüber!“ Ich konnte nicht anders als mich um zu drehen und zu ihm rüber zu sehen. Der Blick, den er mir zuwarf, war mehr als glühend. Ich merkte, wie ich rot wurde. Gwen schnappte nach Luft. Da kam Joshua auf uns zu und Gwen hielt nun den Atem an. Ich musste beinahe darüber lächeln. „Hey!“, sagte er lässig. Ich erwiderte seinen Gruß. „Ähm…ich gehe lieber mal!“, sagte sie hastig und stand auf. Ich sah sie ein wenig verwirrt an. Gwen sagte nichts, sondern machte nur mit einem Kopfnicken in Jennas Richtung klar, dass sie nicht mit Joshua zusammen gesehen werden wollte. Ich wollte ihr schon sagen, dass das albern sei, doch bevor ich dazu, kam rauschte sie auch schon davon. Joshua sah ihr amüsiert nach. „Ganz schön nervös, deine Freundin!“, sagte er. Ich hob die Schultern. „Darf ich mich setzen?“, fragte er dann und deutete auf den nun freien Platz. Ich nickte. Joshua ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen und schaute zu meinen Aufgaben. „Hast du die schon fertig?“, fragte er. „Ja, war ein ziemliches Stück Arbeit!“, sagte ich. Dann deutete er auf das Buch über die Hexenverfolgung. „Interessiert dich das?“ Ich nickte wieder. „Die einen lesen Modelzeitschriften. Ich lese historisches!“ Joshua lächelte. Es war eines von diesem perfekten Lächeln, das die Mädchen reihenweise zum Schmelzen brachten. Auch ich spürte etwas. Aber es war nur ein schwaches Flackern in meinem Bauch, das jedoch wieder nachließ. „Ziemlich grausame Historie!“, bemerkte er trocken. Ich hob die Schultern. „Es kann nicht grausamer sein, als das, was ich bisher erlebt habe!“, wollte ich schon sagen, verbiss es mir aber. „Zumindest zeigt es, wie krank die Menschheit sein kann!“, kam es stattdessen von mir. „Wow!“, sagte Joshua. „Was?“ „Nichts! Nur…ich hätte nicht gedacht, dass du solche Gedanken hast!“, bemerkte Joshua und sah mich an, als wäre mir ein drittes Auge gewachsen. „Ich sehe es eben realistisch!“ „Gibt es auch etwas Gutes, was du siehst?“, fragte er dann. Da musste ich etwas länger nachdenken. Gab es wirklich etwas Gutes, was mir passiert ist? Im Moment fielen mir nur hundert oder tausend schlechte Sachen ein. Meine Gabe, Dinge- schreckliche Dinge- zu sehen, bevor sie passierten. Der Tod meiner Mutter. Die ganzen Menschen, die gestorben sind. Nur in der letzten Zeit und mir wurde übel als ich mir vorstellte, wie viele Menschen noch sterben würden. Ich schüttelte den Kopf. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie mich Joshua mit einem nachdenklichen Blick anschaute. Mein Hals wurde eng. Wie musste ich in seinen Augen aussehen. Ein deprimiertes, alles schwarzsehendes Mädchen, das kein Licht in dieser Welt sieht. Aber was wusste er schon. Sicher hatte er noch seine Mutter und musste sich nicht mit diesem Horror rumschlagen. Dabei fragte ich mich, wieso gerade ich diesen Job machen sollte. Es gab sicher andere, die besser für diesen Job gemacht sind. „Du steckst zu tief drin, als das du da rauskommst!“ Gerne hätte ich behauptet, dass es Erik gewesen wäre, der mir diese Worte zu flüsterte. Aber es waren meine eigenen. Vielmehr die Worte meines Gewissens. Und hätte das Gewissen einen Hals, so hätte ich diesen ihm umgedreht. Ich musste dabei so ein finsteres Gesicht gemacht haben, dass Joshua etwas zurück rutschte und mich verunsichert anschaute. „Alles…alles in Ordnung?“, fragte er. Ich atmete durch. Versuchte die aufkommende Frustration zu unterdrücken und zwang mich, ruhig zu werden. „Ja…es geht…Ich…ich will nur kurz Luft schnappen gehen!“, sagte ich, packte meine Sachen zusammen und verließ schnellen Schrittes die Bibliothek. Ohne dass ich es gemerkt hatte, war es bereits später Nachmittag und die Sonne ging langsam unter. Ich suchte nach einem Platz, wo ich ungestört sein konnte. Diesen fand ich auch. Eine kleine Bank, die etwas abseits von dem ganzen Trubel, der noch zu so später Stunde herrschte. Mit einem Seufzen ließ ich mich darauf nieder und versank wieder in den Grübeleien, die immer deprimierender wurden. Und während ich diesen nachhing, beobachtete ich, wie die anderen Schüler über das Schulgelände schlenderten. Mit einander redeten, lachten und sich ihres Lebens freuten. Keiner schaute in meine Richtung oder schien mich wirklich wahr zu nehmen. Es war so als existierte ich nicht. Ein beklemmender Gedanke und mir wurde kalt. Wie ich hier so saß, konnte man deutlich sehen, dass ich nicht wirklich dazu gehörte. Nicht zu diesem Leben. Aber welches Leben gehörte dann zu mir? War es wirklich meine Bestimmung gegen diese Monster zu kämpfen. Bis zu meinem Ende? Ich spürte wie ich in ein tiefes Loch fiel. Immer tiefer und tiefer. Wie gern würde ich dieses Leben gegen ein anderes, ein normales Leben tauschen. Dass ganze Grauen vergessen. Wie in einem Film sah ich diese letzten Ereignisse. Meine Feuertaufe, die Meerjungfrau, mein Treffen mit Felicitas alias Samantha und die Familie, deren Geister ruhelos umher gingen. Dass alles schien so weit weg zu liegen, dass man denken könnte, dass sei alles in einem anderen Leben passiert. Und dennoch war es mein Leben. Meine Finger glitten hinunter zu meiner Wade und ertasteten die drei Furchen, die ich Felicitas/ Samantha zu verdanken hatte. Mein Hals wurde eng als ich darüber strich. Diese Narbe gehörte ebenso zur Vergangenheit. Meiner Vergangenheit. Genauso wie diese zu meinem Leben gehörte. Und ich fragte mich wie viele Narben ich noch bekommen würde. Ob ich überhaupt lange genug leben würde. „Solange ich hier bin, wirst du nicht sterben!“, hörte ich Eriks Stimme. Eine Welle von Bitterkeit rollte über mich hinweg und ich presste die Lippen aufeinander. Es lag nicht daran, dass er die Wahrheit sagte und ich das auch glaubte. Sondern vielmehr dass er auch verletzt oder gar getötet werden konnte. Ich musste mich daran erinnern wie der Penanggalen ihn mit seiner dolchartigen Zunge verletzt hatte. „Du kannst nicht immer da sein!“ Daraufhin schwieg er. Wenig überzeugte sagte er dann:„ Ich kann es zumindest versuchen!“ Fast schon wollte ihn auslachen. Doch Erik kam mir zuvor. „Außerdem solltest du deswegen zu Brain und seiner Familie. Sie werden wir zeigen, wie du dich auch ohne meine Hilfe wehren kannst!“ „Bis jetzt habe ich keine sonderlich großen Erfolge verzeichnen können. Ständig musste ich irgendwelche verdeckte Ermittlungen machen. Und wurde hin und wieder durch die Luft geschleudert, angekratzt oder von einem Geist zum Eiszapfen verwandelt!“ „Denkst du, bei deiner Mutter war es anders?“, fragte er leicht lachend. „Woher kennst du meine Mutter? Woher kennst du Brian und seine Familie?“ Diese Frage schoss mir durch den Kopf und kam mir ohne Widerstand über die Lippen. Auch wenn ich wusste, dass ich bei Erik damit auf Granit biss, was mich wiederum noch frustrierter machte. Ich wollte es endlich wissen. „Du kannst mich nicht ewig im Dunkeln tappen lassen!“ Wieder schwieg Erik und dieses Mal blieb es auch dabei. Meine Frustration wuchs und ich schlug mit der Faust auf das Holz der Bank, weil mir kein anderer Ausweg einfiel, wie ich dieser Luft machen konnte. Schreien und mich auf den Boden werfen, fiel ohne jeden Zweifel aus. Verdammt. „Alles in Ordnung?“ Gwen! Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie zu mir gekommen war und ich schämte mich sogleich, dass sie mich so sah. Erneut machte ich gute Miene zum bösen Spiel, weil ich keine Lust, mir irgendwelche Lügen aus zu denken, die ihr klarmachen sollten, dass ich keine Probleme hatte. „Ja, alles bestens!“, sagte ich etwas gereizt und wischte mir über das Gesicht. Dabei musste ich feststellen, dass ich geweint hatte. Darum also Gwens Sorge. Ich wollte beinahe darüber lachen, aber mein Hals fühlte sich kratzig und rau an. „Sicher?“ Ich nickte nur. Gwen sah mich eine Weile an und deutlich sah ich ihr an, dass sie skeptisch war. Dass sie sich wirklich um mich sorgte. In ihren Augen musste ich einen ziemlichen labilen Eindruck machen. Klasse! Ich zwang mich zu einem Lächeln. Gwen war schon in Ordnung. Und wenn die Umstände anders stehen würden, hätte ich sie gerne als Freundin gehabt. Aber leider… Ich musste mich an Marie erinnern. Marie, die lebenslustige, fröhliche Marie. Marie, die starb weil sie mich kannte. Weil sie mit mir befreundet war. Und Lucy. Auch sie starb. Eine grässliche Tatsache keimte in mir auf: Jeder, der sich mit mir einließ, starb. Das Beste wäre, dass ich Gwen nicht mehr an mich ran ließ. Sie ignorierte. Wenn es sogar sein musste, würde ich sie weg ekeln müssen. Auch wenn mir das wirklich zu wider war. Ich redete mir ein, dass es der einzige richtige Weg sei. Und ich wollte diesem nachgeben. Aber dennoch war da etwas. Etwas verräterisches, was mich darum anflehte immerhin etwas Normalität erleben zu dürfen. So etwas normales, wie mit Gwen befreundet zu sein. Auch nur für eine kurze Zeit. Und dieser Wunsch nach etwas Normalität- und sei sie noch so klein- war stärker. Ich sagte mir, dass ich einfach nur wachsamer und besser auf sie aufpassen musste, damit ihr nichts passierte. Schwor mir regelrecht, dass ich dieses Mal nicht versagen würde. „Lass uns wieder reingehen. Es wird langsam ziemlich kalt hier draußen!“, sagte ich mit aufgelegt munterer Stimme. Gwen, sichtlich verwirrt über meinen plötzlichen Stimmungswechsel, stand nur da, dann nickte sie und ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie legte mir freundschaftlich den Arm um die Schultern. Gemeinsam gingen wir wieder ins Schulgebäude. Es war kaum noch einer auf dem Flur. Die wenigen Schüler, an denen wir vorbei liefen konnte man an einer Hand abzählen. Richtig unheimlich war es. Unsere Schritte waren die einzigen Geräusche. Mal abgesehen von dem Gemurmel, das aus einigen Zimmern drang und das Ticken der großen Standuhr. Mir lief es kalt den Rücken runter. Eigentlich sollte mich das kalt lassen, da ich wesentlich gruseliges erlebt hatte. Aber die Tatsache, dass hier irgendwelche Wurmmonster rumkrochen, war wirklich nicht gerade angenehm. Ich stellte mir vor, wie sie uns-mich-aus unzähligen, verborgenen Ritzen und Nischen beobachteten und nur darauf warteten zu zuschlagen. Mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter. Gwen bemerkte es natürlich. „Echt gruselig oder?“, sagte sie im gedämpften Ton. Also wenn sie das für unheimlich hielt, wie soll ich das nennen, was mir bisher passiert ist? „Du hast ja keine Ahnung!“, sagte ich und merkte erst jetzt, dass ich es laut ausgesprochen hatte. Gwen sah mich mit einem verwirrten Blick an. „Ich meine, ich hatte schon einige unheimliche Orte gesehen!“ Und das war nicht mal gelogen. „Echt?“, fragte Gwen und bekam nun Augen so groß wie Untertassen. „Erzähl!“ Ich blieb auf der Stelle stehen und war wie erstarrt. Was sollte ich darauf antworten? „Ich…naja. Das ist nicht so leicht!“, stammelte ich und wünschte, dass ich meine große Klappe gehalten hätte. Nun wurden Gwens Augen schmal. „So schwer kann es nicht sein!“, sagte sie. „Erzähl doch einfach!“ „Nicht hier!“, sagte ich flüchtig. „Dann zu dir oder zu mir?“ Ich konnte nicht anders als zu grinsen. Das klang sowas von zweideutig. Heiterte mich aber auch auf. Dachte kurz nach. Gwen würde mich sowieso nicht so leicht davon kommen lassen. Also gab ich mich geschlagen und sagte: „ Zu dir!“ Daraufhin grinste Gwen breit. Nahm meine Hand und wir gingen weiter. Gwen hatte, sobald wir in ihrem Zimmer waren, eine Kerze angezündet. Und das im einundzwanzigsten Jahrhundert. „Ist viel stimmungsvoller!“, hatte sie mit einem Augenzwinkern erklärt und kramte eine Tüte Kartoffelchips und zwei Dosen Cola hervor. Reichte mir eine. „Die sind leider warm. Sowas dürfen wir eigentlich nicht hier haben!“ „Das macht nichts!“, sagte ich und war über so viel Dreistigkeit belustigt. Immerhin etwas normales an dieser Eliteschule. Mal abgesehen von der fiesen Mobbingattacke, mir die Klamotten zu klauen. „Also…dann erzähl mal!“, verlangte Gwen, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und öffnete die Dose Cola. Ich tat es ihr nach und fragte mich zugleich, was ich ihr erzählen sollte. Lügen fällt aus, da ich eine miserable Lügnerin bin. Also nahm ich die Geschichte, die weniger blutriefender war. Die Geschichte von dem Gasthaus, in dem die ruhelosen Geister einer Familie umher spukten, schien mir geeignet zu sein. Dabei wandelte ich einige Kleinigkeiten ab. Wie zum Beispiel, dass ich aktiv an der Wiedervereinigung mitgewirkt hatte. Oder das ein Geist mich beinahe mit seiner eisigen Präsenz umgebracht hätte. Mal abgesehen von den Visionen, in denen ich sah, wie der Vater sich einen Strick nahm. Oder das ich jetzt zu einer Art Geisterjäger gehörte. Am Ende ließ ich es so aussehen, als ei ich rein zufällig in diese Gaststätte gestolpert und hätte so einiges gruseliges erlebt. Und war froh, dass Gwen die gewünschte Reaktion zeigte. „Wow…hattest du keine Angst?“ „Doch und wie!“, sagte ich, was wieder nicht gelogen war. „Ich glaube, ich wäre vor Angst gestorben!“ Gwen steckte sich den ersten Chip in den Mund. Während ich erzählt hatte, hatte sie kein einziges Mal was getrunken oder was gegessen. „Ich wäre es!“ Wieder die reine Wahrheit. Gwen schüttelte den Kopf. „Ich dachte immer, dass das alles nur Einbildung ist. Dass es keine Geister gibt!“ „Davor dachte ich das auch!“ Betretendes Schweigen setzte ein. „Es ist schon spät. Ich gehe dann mal ins Bett!“, sagte ich dann, stand auf und streckte mich. Gwen wirkte etwas enttäuscht. Vermutlich hatte sie gehofft, dass ich ihr noch eine erzähle. Ich lächelte entschuldigend. „Gute Nacht!“, sagte ich versöhnlich. Und Gwen lächelte. „Gute Nacht!“ Als ich in meinem Zimmer war, seufzte ich. Aus einem unerklärlichen Grund fühlte ich mich total ausgelaugt. Umso froher war ich, dass ich mich ins Bett fallen lassen konnte. Mit einem seligen Lächeln zog ich mich um und schlug die Decke auf. Schlüpfte hinein und schaltete das Licht aus. „Das war nicht gerade klug von dir!“ Ich schreckte hoch und stieß zugleich einen Fluch aus. Verdammt. Mein Ärger wurde zur kühler Resignation als seine Worte für mich einen Sinn ergaben. Was meinst du?“ „Das du ihr was erzählt hast!“ „Ich habe nicht alles erzählt!“ „Aber immerhin genug, um dich in Schwierigkeiten zu bringen!“ „Denkst du, sie wird…plaudern?“, fragte ich und kurz kam mir wirklich der Gedanke, dass sie plaudern könnte. Aber dann drängte ich diesen weg. Selbst wenn Gwen etwas sagte, würde sie mich damit nicht verraten. Ich habe ihr ja nur einen Teil der Wahrheit erzählt. „Das ist doch paraniod!“ „Du solltest vorsichtiger sein! Und niemanden allzu sehr vertrauen!“ Ich wollte schon laut loslachen als ich diese Worte hörte. Konnte mich aber noch zurückhalten. „Vertrauen? Aber dir sollte ich vertrauen!“ Es machte mich wieder wütend, dass ausgerechnet er von Vertrauen sprach. Eriks Miene wurde bitter, dass konnte ich selbst in der Dunkelheit sehen. „Das ist nicht das gleiche!“ „Ach nein? Von allen hier hast du die meisten Geheimnisse vor mir!“ Ich ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte nicht das Recht über Vertrauen zu sprechen. Eriks ganze Erscheinung spannte sich an. Er wirkte so, als würde er… Sich gleich auf mich stürzen! Ich machte sogleich einen Schritt zurück. Versuchte ihm dabei nicht zu zeigen, dass ich mich nicht vor ihm fürchtete. Er wird mir nichts tun, redete ich mir ein. Dabei verschränkte ich die Arme vor der Brust. Um das Zittern zu verbergen. „Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir vertrauen soll?“ Da schoss Erik auf mich zu. Baute sich vor mich auf und überragte mich wie ein Fels. In seinen Augen blitzte es gefährlich. Und ich wurde starr vor Angst. Im diesem Moment begann ich mich nun noch mehr zu fürchten. Fragte mich:„ Wer war er? Was war er? Minutenlang blickte er auf mich. Seine Augen fest auf mich gerichtet. Sah den Zorn in seinen Augen auflodern. Mein Herz raste und ich bereute nun meine Worte. „Das du noch atmest und ein Teil meiner Kraft zur Hilfe hast, sollte dir Beweis genug sein!“ Das war wahr. Ohne seine Hilfe wäre ich schon längst, tot. Ohne ihn wäre ich schon längst. Dennoch hätte ich mehr von ihm erfahren. Ich öffnete den Mund. Wollte meinem Wunsch noch einmal äußern. Da wurde Eriks Gesicht weicher. Er beugte sich zu mir hinunter. Unsere Stirnen berührten sich. Seine Hand legte sich auf meine Wange. Diese Berührung hatte etwas ungemein intimes. Brachten mein Herz zum stolpern. Und seine Worte zum stillstehen. „Irgendwann werde ich dir alles erzählen. Aber nicht jetzt!“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und legte sich wie ein Schleier auf meine Furcht. Hüllte sie ein und ließ sie zu etwas anderes werden. Etwas schwerem und kaum zu ignorieren. Nach einem Gähnen, ahnte ich, was es war. Müdigkeit. Keine Ahnung ob das von Erik ausging, oder ob es meine eigene war. Zumindest konnte ich meine Augen nicht mehr offen halten und merkte, wie ich nach unten sackte. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich wie eine Puppe in seinen Armen hing, schlief ich ein. Einen Herzschlag später, wurde er sich bewusst, dass er ihr ein Verspechen-eine Hoffnung-gegeben hatte, das er nicht halten konnte. Nie könnte er ihr die Wahrheit sagen. Auch wenn es bedeutete, dass er niemals ihr Vertrauen ganz gewinnen könnte. Zwar konnte er versuchen, ihr zu zeigen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Es blieb aber immer ein Schatten des Zweifelns. Doch das war ein geringer Preis, den er bereit war zu zahlen. Nur würde er es auch wirklich wollen? Erik blickte auf Allison nieder, die eng an ihm geschmiegt noch in seinen Armen lag und ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Wieder fühlte er sich an Erin erinnert. Ihre Mutter! Sah wieder die Ähnlichkeit. Und er spürte, wie sich sein Herz verkrampfte. Erin hatte ihm zwar auch nicht ganz vertraut. Aber es hatte dennoch so etwas wie einen gewissen Zusammenhalt zwischen ihnen gegeben. Wieso sonst hatte sie ihn gebeten, auf Allison auf zu passen? Weil sie wusste, dass er sie beschützen würde. Koste was es wolle. Also musste sie ihm doch vertraut haben. Und das obwohl sie sich am Anfang gegenseitig umbringen wollten. Eriks Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. In seiner damaligen Arroganz hatte er gedacht, dass er sie ohne weiteres überwältigen zu können und ihrer habhaft zu werden. In ihren toten Körper zu schlüpfen um… Erik graute es, als er sich daran zurück erinnerte und es schien ihm so als sei dieses Leben schon lange her. Jetzt nachdem er mit Erin den Handel eingegangen war und durch sie lernte was es hieß zu leben und leben zu lassen. Brian war der lebende Beweis. Dass sie die Kraft hatte, egal was passierte, sich nicht dem dunklen Selbst aus zu liefern und lange genug dagegen an zu kämpfen. Weiter auf etwas zu hoffen. Ihr starke Wille, ihre Hoffnung waren wie ein Kristall. So ein und strahlend, dass nichts hätte verfinstern konnte. Doch dieser zersprang in tausend Scherben als sie sich das Messer in die Brust stieß. Und etwas in ihm starb mit ihr. Die Erinnerung daran stürzte ihn in ein tiefes Loch und er musste alle Kraft aufbringen, um sich daraus zu ziehen. Zärtlich strich er dann über Allisons Haar und legte sie vorsichtig ins Bett. Als der Wecker klingelte, hatte ich Mühe die Augen auf zu bekommen. Die letzte Nacht lag schwer wie Blei auf mir. Schien mich förmlich auf die Matraze zu drücken. Das Klopfen von Gwen, die von der anderen Seite der Tür stand und nach mir rief, drang nur sehr langsam in mein Bewusstsein. „Ashley…Ashley, bist du wach? Los beeil dich. Sonst kommst du zu spät!“ Im Moment wäre das meinste kleinste Sorge. Und die Aussicht den heutigen Unterricht zu schwänzen war wirklich verführerisch. Doch mein Pflichtbewusstsein war stärker und so quälte ich mich aus dem Bett. Schlurfte zur Tür und machte sie auf. Draußen war schon reger Verkehr. „Gib mir fünf Minuten, dann bin ich fertig!“ „Warte. Hier. Das kam für dich an. Ich sollte es dir geben!“, sagte sie noch ehe ich die Tür wieder zu machen konnte und drückte mir ein Päckchen an die Brust. Ich runzelte die Stirn. Sah sie fragend an. „Deine neue Uniform!“, erklärte sie nur. Gwen sah mich mit gemischten Gefühlen an. Bedauern und Bewunderung. Und schwieg. Ich fühlte mich dabei etwas unwohl und fragte mich, wieso sie mich überhaupt so ansah. Hatte ich etwas an mir, was sie störte? Irgendwann unterbrach Gwen das Schweigen. „Weisst du, dass mir dein Stil gefallen hat?“, fragte sie und das Runzeln auf meiner Stirn wurde größer. „Aber die Uniform steht dir auch ziemlich gut!“ „Gwen. Wenn du mir irgendwas zu sagen hast, dann sag es doch einfach!“, sagte ich genervt. „Ich meine nur, dass du anziehen kannst, was du willst: Du siehst immer scharf aus!“ Etwas grummelig sagte sie:„ Das ist ein Grund, echt neidisch zu sein!“ Ich sah sie nur an, dann aber lächelte ich. Gwen war auch nicht gerade hässlich. Noch dazu war sie ein echtes Goldstück. Ich legte ihr meinen Arm um die Schulter und zog sie an mich. „Du bist neidisch auf mich? Als ob ich dir das Wasser reichen könntest!“, witzelte ich. „Mach dich nicht lustig!“, gab Gwen pikiert zurück. Fiel aber dann in mein Lachen ein. „Habt Ihr heute Abend was vor?“, fragte eine der Schülerin in der Mittagspause und Gwen und ich sahen uns fragend an. Verneinten die Frage. Das Mädchen grinste. „Wollt Ihr dann zu meiner Pyama-Party kommen?“ Gwen brauchte nicht lange um zu überlegen. „Klaro. Ich bin dabei. Und du Ahsley?“, fragte sie dann und strahlte mich gewinnend an. Ich hingegen zögerte. Pyama-Party! Sowas kannte ich bisher nur aus Serien und daher hatte ich gesamtbild davon. Kichernde Mädchen in Nachthemden, die im Kreis saßen und sich überlegten, welcher Typ wohl heißer ist. Ein Bild, was mir nicht gerade zu sagte und hatte deswegen kein Interesse daran. Aber mich da rausreden fiel mir ebenso schwer, da mich alle -insbesondere Gwen-ansahen, als würde ich Ja sagen. Ich ließ den Blick zwischen Gwen und dem Mädchen gleiten und sah dann in dessen Augen deutlich, dass sie dachte:„ Die kommt sicher nicht. Hält sich wohl für was Besseres!“ Das war ein Grund mein Bild was Pyama-Partys angeht zu vergessen und sagte inbrünstig zu. Gwen war begeistert. Das Mädchen hob die Brauen, dann aber schien auch sie sich zu freuen. „Super. Kommt um acht zu mir. Es gibt Kekse und heiße Schokolade!“, sagte sie. „Sophie und Louisa kommen auch!“ Und dann war sie auch schon weg. Als es zum Unterricht klingelte machten wir uns auf den Weg zur Klasse. „Ashley! Hey, Ashley. Warte Mal!“, rief plötzlich jemand und Gwen und ich blieben stehen. Meine Augen wurden groß als ich Joshua auf uns zu kommen sah. „Jo-Joshua!“, sties Gwen hervor. Ich sah ihn nur an. Mich überraschte es ebenso, dass er zu mir wollte. Nach meinem letzten Auftritt dachte ich, ich hätte ihn vergrault. „Hey…ähm…sorry, das klingt jetzt sicher bescheuert, aber ich wollte wissen, ob es dir besser geht?“, fragte er und strich sich verlegen durch das dichte Haar. Ich war nun wirklich erstaunt, fühlte mich aber auch geschmeichelt. „Ja…ja es geht mir etwas besser. Tut mir leid, wenn ich mich so blöd benommen habe!“ Joshua winkte ab. Ihm schien es nicht gestört zu haben. Hatte immer noch dieses verlegene Lächeln an sich, doch nun schien er erleichtert. „Also dann…bis zum nächsten Mal!“, sagte er und ging dann weiter. Wir beide, Gwen und ich sahen ihm nach. Mit gemischten Gefühlen. Ich brauchte kein Gedankenleser zu sein, um zu wissen was Gwen gerade durch den Kopf ging. Kaum dass er verschwunden war, platzte Gwen förmich vor Staunen. „Sag mal wie machst du das?“, fragte sie mich. „Wie mache ich was?“ „Na, dass Joshua so auf dich abfährt?“ „Das tut er doch nicht!“, verteidigte ich mich. Gwen schien davon nicht überzeugt zu sein. Sie hob die Brauen und sah mich forschend an. „Also entweder bist du dir deiner Wirkung auf das andere Geschlecht nicht bewusst oder es macht dir Spass mit den Männern zu spielen. Wie eine Katze mit der Maus!“ „Jetzt hör aber mal auf!“, murrte ich, weil dieser Vergleich einfach nur bescheuert ist. Ich spiele doch nicht. Und vorallem nicht mit dem Essen. Zumal Joshua als Maus zu sehen war lächerlich. Gwen hob ergebend die Hände. „Das ist nur meine Meinung!“, sagte sie. Dann schien sich ein Schatten über ihr Gesicht zu legen und sie raunte mir zu:„ Pass bloß auf, dass Jenna dass nicht spitzkriegt!“ Zu meiner Erleichterung brauchten wir nicht unsere Nachthemden an zu ziehen. Sondern trugen Jogginghosen und T-Shirts. Gwen klopfte und nach einigen Minuten öffnete das Mädchen, das sich als Karla vorgestellt hatte. „Da seid ihr ja. Kommt ruhig rein!“, sagte sie und wir folgten ihrer Einladung. Wir waren nicht die ersten und als ich sah, wer noch dabei war, blieb ich stehen. Eines der Mädchen, war das, was sich zu anfang das Essen förmlich rein geschaufelt hatte. Ich erkannte sie sofort. Sie hingegen schien mich nicht zu erkennen. Das beruhigte mich jedoch nur etwas. In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Es wäre vernünftiger mich um zu drehen und zu verschwinden. Doch dann würde ich mich sicher damit verdächtig machen. So blieb ich. „Setzt Euch doch!“, sagte Karla und wir setzten uns zu den beiden anderen. Karla hatte, ganu Gastgeberlike, Kissen auf den Moden gelegt, sodass wir bequem saßen und reichte uns einen Pappteller und einen Plastikbecher. „Ich glaube Gwen brauche ich Euch nicht vor zu stellen!“, sagte Karla. Spohie und Louisa, das Mädchen was so einen Heisshunger hatte, nickten. Sahen mich daher umso interessierter an. „Schön dich mal kennen zu lernen!“, sagte Sophie. Darauf folgte ein langes peinliches Schweigen. „Erzähl doch mal. Woher kommst du? Und was führt dich hier an diese Schule?“, sagte Karla, die sich als Gastgeberin verpflichtet sah, die Party in Gang zu bringen. „Ich komme ursprünglich aus Frankreich und was mich…hier her verschlagen hat…nun…!“, druckste ich herum und überlegte mir eine gute Ausrede. Ich bin hier um unheimlichen Wurmmonstern in den Arsch zu treten, ging es mir durch den Kopf, doch diese Worte würden garantiert nicht über meine Lippen kommen. Stattdessen sagte ich:„ Meine Zieheltern. Sie haben mich hier her geschickt!“ „Zieheltern? Heisst das, dass du Waise bist?“, kam es von Sophie und sah bestürzt aus. Wieder fühlte ich die Falschheit, die in dieser Notlüge war. Ich nickte und presste dabei die Lippen aufeinander. „Das tut mir leid. Sind sie denn nett zu dir?“ „Nun ja…ja sind sie!“, sagte ich etwas lahm und musste dabei an Brian denken. Seine abweisende Art mir gegenüber. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, dass er mich nicht leiden konnte. Lex war eher jemand, der sich gerne mal aufspielte. Esmeralda und Fay hingegen hatten mich mit offnenen Armen empfangen. „Das hört sich nicht gerade begeistert an!“, kam es von Louisa kühl. „Wie würde es dir gefallen, wenn du bei Fremden wohnen müsstest, nach dem du deine Eltern verloren hast?“, konterte Gwen scharf, wobei ich ihr einen dankbaren Blick zu warf. „Es sind ja nicht wirklich Fremde. Sie waren mit meinen Eltern eng befreundet!“, sagte ich und dabei hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Mir wurde die Ironie meiner Worte mit der Wucht eines Lastwagen bewusst. Gerade ich sagte so etwas. Die immer fragte, woher meine Mutter sie kannte und sauer auf Erik war, weil er so ein Geheimnis daraus machte. Dann folgte wieder Schweigen. „Wie wäre es denn mit Gruselgeschichten?“, fragte Karla dann wieder. Keiner hatte etwas dagegen. Die Geschichten, die Gwen, Karla, Louisa und Sophie zu besten gaben, waren nicht gerade originell. Hauptsächlich drehten sie sich um Teenies, die in Feriencamps fahren, die verflucht und heimgesucht werden von bösen Geistern. Massenmörder, die nur zu Halloween ihr Unwesen trieben oder Monster, die aus dem Meer oder aus dem dunkelsten Wald hervorkommen, um ahnungslose Opfer zu holen. Ich musste einen müden und gelangweilten Eindruck gemacht haben, denn Louisa sah mich nun herausfordernd an. „So, Ashley. Jetzt bist du dran!“, sagte sie. „Ich? Och...wisst Ihr…ich bin keine gute Erzählerin!“, versuchte ich mich aus der Sache hinaus zu reden. Aber so leicht ließ mich nun auch Gwen nicht vom Haken. „Was redest du da? Du bist gut in sowas!“, sagte sie und versetzte mir einen Stoß. Ich sah sie etwas verkniffen an. „Da unsere Geschichten wohl langweilig zu sein scheinen, versuch du es nun uns in Angst und Schrecken zu versetzen!“, kam es provozierend wieder von Louisa. Daraufhin ließen sich auch Sophie und Karla davon anstecken. Und ich sah mich nun in die Ecke gedrängt. Fieberhaft veruchte ich mir eine Geschichte zusammen zu basteln, doch in meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Geistesabwesend strichen meine Finger über meine Beine und als meine Finger die Stelle streiften, an der sich die vier Furschen befanden, hatte ich einen Geistesblitz. Auch wenn es verrückt war und Erik mir sicher wieder einen Vortrag halten würde, was Vorsichtig und Risko betraf, ließ sich diese Idee nun nicht mehr abschütteln. Und wenn sie schon eine Gruselgeschichte von mir haben wollten, dann sollten sie einen bekommen. So erzählte ich ihnen die Geschichte von Samantha. Natürlich aus der Vogelperspektive und sah wie meine Zuhörerinnen spitze Ohren bekamen. Als ich zuende erzählt habe, sagten sie erstmal nichts. Dann aber… „Und du hälst unsere Geschichten für langweilig? Deine ist auch nicht gerade besser. Hast wohl zu oft „Nightmare on Elm Street“ gesehen?“, höhnte Louisa. „Da muss ich Ihr Recht geben. Ich hätte auch etwas Besseres erwartet!“, gestand Sophie. „Wobei deine Story schon etwas unheimliches hatte!“ „Quatsch!“, sagte Louisa. „Das ist ne Geschichte wie jede andere auch. Immer nur ein Überlender oder eine Überlebende. Dass das zumal total unlogisch ist. Wenn das wirklich so ein Biest, wie konnte die Heldin das überleben?“ Ich habe die Geschichte so erzählt, dass es viele sehr viele Opfer gab und nur eine es schaffen konnte, ihr zu entwischen. In dem sie die Heilanstalt in Brand steckte. Und Louisa hatte Recht. Normalerweise hätte es keiner schaffen können. Samantha war wirklich gefährlich und hätte sich nicht so einfach besiegen lassen. „Sie hatte eben Glück!“, sagte Gwen. Louisa schnaubte nur. „Müssen wir wirklich darüber streiten? Es ist doch nur eine Geschichte!“, versuchte Karla zu schlichten. „Eine ziemlich öde Geschichte!“ „Und was wenn ich dieses Mädchen bin, was Glück hatte?“, fragte ich nun.Sei still, schrie es nun laut in meinem Kopf und ich konnte nicht sagen, ob es Erik war oder meine eigene Vernunft, die mich zum Schweigen bringen wollte. Louisa machte ein angsäuertes Gesicht. In ihren Augen war ich wohl jemand, der sich gern wichtig machte. „Hast du ein Beweis?“ Darauf hatte ich gewartet. Mit einem verstohlenen Grinsen zog ich mein Bein hervor und krempelte langsam, ganz langsam das Hosenbein hoch. Bis die Narbe zum Vorschein kam. Ich drehte die Wade, so dass sie jeder sehen konnte und sah mit freudiger Genugtuung, dass selbst Louisa dieser Anblick einen Schock versetzte. „Noch irgendwelche Fragen?“ Keiner sagte ein Wort. „Ähhh…ehm…will jemand heißen Kakao?“, sagte Karla nun und kramte eine Thermoskanne hervor. Auf diesen Schock wollte jeder etwas davon und reichte die Tasse. Doch beim heißen Kakao schrillten nun meine Alarmglocken. „Durch direkten Körperkontakt. Das ist das einfachste und effektivste. Oder durch das Unterjubeln durchs Essen!“ Eriks Erklärung, wie sich diese Dinge vermehrten, schossen mir durch den Kopf und mir wurde übel. Ich stellte mir vor wie in der braunen Süße irgendwelche Eier schwammen, die nur darauf warteten, in ein neues Zuhause zu finden. Was meine Übelkeit nur noch schlimmer machte. „Ashley, alles okay? Du bist so blass?“, fragte mich Gwen besorgt. „Ja…das heisst Nein. Ich..ich bin leider nicht so der Schokoladentyp!“, stotterte ich und sah die Thermoskanne an, als sei giftiger Abfall darin. „Bist dagegen allergisch?“, fragte Sophie und ließ sich was einschenken. „Ja!“, kam es prompt von mir. „Dann schenk mir ihre Portion ein!“, kam es Gwen. Mit Grauen sah ich, wie Sophie und Karle an ihrem Kakao nippten. Louisa ebenso. Um sie machte ich mir keine Sorgen, da sie ja schon infiziert war. Ich wollte schon etwas unternehmen um sie daran zu hindern. Aber dann würde ich mich verdächtig machen. Louisa sah mich sowieso schon so argwöhnisch an. Ahnte sie etwas? Ich saß also in der Zwickmühle. Mein Blick ging zu Gwen, die-Gott sei dank-noch nichts davon trank. Die Tasse aber schon ansetzte. Wie in Zeitlupe sah ich es und in meinem Kopf schrien die Siren umso lauter. Dabei mischte sich meine eigene unterbewusste Stimme darin. „Halt sie auf!“, schrie sie mich an. „Tu was! Schlag ihr die Tasse aus der Hand, wenn es sein muss!“ Es blieben nur wenige Milisekunden, die sich anfühlten wie Minuten, ehe es passierte und um das zu verhindern. Ich sah wie bei einem Blitzschlag von einer Kamera Marie. Lebendig und fröhlich. Was sich dann abrupt veränderte und mir zeigte, was aus ihr geworden war. Ein von einem Parasitenbefallenes unschuldiges Mädchen. Tot. Für immer verloren. Maries Gesicht und das von Gwen überlagerten sich nun. Wie zwei Glasscheiben mit grundverschiedenen Motiven, die nicht zusammenpassten aber deutlich zeigten, welches Schicksal sie teilen würden. Nein. Nicht noch einmal! Instintik ging ich zum Angriff über und stieß mit meinem Ellenbogen gegen ihren Rücken. „Pass auf!“, sagte ich. „Heiss!“ Wobei ich eigentlich die Gefahr darin meinte. Der gewünschte Effekt traf ein. Gwen verschüttete den Kakao. Und sah mich verwirrt an. Mit einem Blick versuchte ich sie zu warnen. Als ich jedoch sah, dass das nicht funktionierte, schüttelte ich den Kopf. So schwach es ging, damit es keiner sah. Darauf hin warf mir Gwen einen noch verwirrterten Blick zu. „Ich glaube wir gehen dann auch mal wieder. Es ist spät und wir müssen ja morgen wieder früh raus!“, sagte ich schnell und knapp, fasste sie an der Hand und zerrte sie mit mir. „Also bis morgen und schlaft gut!“ Ich gab weder Karla, Sophie noch Louisa die Chance darauf zu reagieren. Schnell machte ich, dass ich mit Gwen das Weite suchte. „Ashley, was soll das? Warte doch mal, du reisst mir ja die Hand ab!“, sagte Gwen im heißeren Flüsterton und ich blieb stehen. Ließ sie dann los. „Sorry…!“, kam es fahrig von mir und atmete tief durch. Das war knapp! „Was sollte dass denn eigentlich?“, fragte Gwen dann ein wenig verärgert. „Tut mir leid. Aber ich…es musste sein!“, sagte ich und rang um Fassung. Jetzt ließ das Adrenalin nach und ich fühlte mich irgendwie ausgelaugt. Gwens Ärger verrauchte nun und sie sah mich wieder beunruhigt an. „Ashley? Was ist los?“, fragte sie. „Das…das ist schwer zu erklären. Lass uns lieber ins Zimmer gehen!“, sagte ich und schaute mich um. Ich fühlte mich irgendwie beobachtet. Gwen schien nichts dagegen zu haben. So ließ sie sich von mir in mein Zimmer ziehen und als ich die Tür schloss, holte ich tief Luft. „Okay…ich weiß nicht genau was abgeht, aber ich…ich habe den Verdacht, dass hier irgendwas Schräges abgeht!“, sprudelte es aus mir heraus, wobei ich auch darauf achtete, dass ich nicht zu viel erzähle. „Schräger als das, was du abgeliefert hast?“, fragte sie mich mit gehobenen Brauen. „Am schrägsten!“, erwiderte ich. Das ließ Gwen erstmal sacken. Schien selbst darüber sich einen Reim daraus zu machen. Dann nahm ihr Gesicht einen beängstigten Ausdruck an. „Drogen?“, kam es erstickt von ihr. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Aber Drogen kamen der Wahrheit irgendwie schon etwas nahe. „Keine Ahnung. Aber ich denke schon!“ Dann sagte keiner was. Für meinen Geschmack schwiegen wir an diesem Abend ziemlich viel. „Hm!“, gab Gwen dann von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. In ihrem Gesicht arbeitete es. Sie sah aus als würde sie…kombinieren. „Glaubst du etwa, dass an dieser Schule…?“, stocherte ich nach. Es fiel mir schon etwas schwer, mir vor zu stellen, dass es hier an dieser Schule Drogen gab. Aber hey… Nichts ist unmöglich. Gwen hob die Schultern. „Ausschließen würde ich es nicht!“, sagte sie dann. „Die Kurse hier sind hart und wer nicht mitkommt, bleibt auf der Strecke liegen!“ Das stimmnte. So eine elitäre Schule… „Wenn hier einer Drogen vertickt, wer glaubst du, kommt in Frage?“ Gwens Gesicht wurde nun wieder misstraurisch. „Wer bist? Bist du etwa eine Polizistin?“, fragte sie. Ich wollte schon sagen, dass ich so etwas wie eine Praktikantin war. Verbiss es mir aber. „Nein. Aber wenn, dann muss das doch gemeldet werden oder etwa nicht?“, verteidigte ich mich. Das schien ihr ein zu leuchten. „Also. Wer könnte hier sich etwas dazu verdienen?“ „Sorry, Ashley. Aber da fragst du die Falsche!“, sagte sie und es schien sie ehrlich zu treffen, dass sie mir nicht helfen konnte. Ich lächelte und klopfte dankbar ihren Arm. „Schon okay. Aber tu mir ein Gefallen: Rühr nichts an, was man dir anbietet. Egal ob es was zu trinken oder zu essen ist!“ Gwen nickte ohne Einwände. Offensichtlich hatte ich sie gut genug gewarnt und der Verdacht auf Drogen, schien das übrige getan zu haben. „Mach ich. Und ich werde Augen und Ohren offen halten!“, versprach sie. „Sir!“ Salutierte dann übertrieben, was eigentlich nicht nötig war. Doch vermutlich tat sie das, um ihre eigene Unsicherheit zu übertunchen. Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Das heisst eigentlich Ma´am!“ „Ist doch Wurscht!“ „Du liebst es wohl, mit dem Feuer zu spielen?“, fragte Erik als ich allein war und das Licht ausgeschaltet hatte. Ich verkniff mir eine Antwort. „Ist dir klar, dass du dich damit praktisch zum Abschuss freigibst?“ „Etwas musste ich doch tun!“, sagte ich dann. „Du hättest die Füße still halten lassen sollen. Mal abgesehen davon dass du etwas von deiner Vergangenheit preisgibst!“ Ich drehte mich zu ihm um, Sah ihn finster an. So bemüht Erik auch um meine Sicherheit war und dass ich nicht enttarnt wurde, aber es frustierte mich einfach, dass er wirklich von mir verlangte, nichts zu tun und die Hände in den Schoß legte. Außerdem wollte ich nicht, dass ich noch einmal eine Freundin verliere. „Mal angenommen ich hätte nichts getan und sie-Gwen-hätte auch etwas von diesem Kakao getrunken: Wäre es möglich gewesen, dieses Wurmding wieder aus ihr raus zu bekommen?“ Diese Frage schien musste Erik sich wohl selber stellen und ich sah deutlich in seinem Gesicht, dass die Antwort, die er auf darauf hatte, mir nicht gefallen würde. „Es kommt darauf an, wie weit die Infektion vorrangeschritten ist. Das kann man natürlich nur schwer sagen. Genauso wie lange es dauern würde!“ Er versuchte sachlich und ruhig zu klingen aber ich glaubte so etwas wie Zittern in seiner Stimme zu hören. Das reichte aus um beissende Kälte in meinem Magen zu fühlen. „Siehst du?“, kam es erstickt von mir. Räusperte mich. „Ich wäre froh, wenn ich immerhin einen retten kann!“ In meinen Augen fühlte ich ein Brennen was hundertprozentig Tränen bedeutete. Hastig blinzelte ich und zwang mich, ruhig zu bleiben. Erik sah jedoch, wie sehr es mich quälte. Er erhob sich aus dem Stuhl in dem er saß, ging auf mich zu und umfasste meine Arme mit seinen Händen. Sie waren warm und weich. Sein Griff fest. Aber nicht so fest, dass es wehtat. Sondern eher so als wollte er mich trösten. „Das verstehe ich. Und ich verstehe auch, dass du…sie gern hast. Aber du musst trotzdem vorsichtig sein!“, erklärte er. „Ich habe das Gefühl, dass ich es nicht schaffe!“, flüsterte ich. „Sie zu retten oder vorsichtig zu sein?“, fragte er. „Beides!“ „Und wenn das stimmt, was du sagtest, dass niemand sagen kann, wie lange es dauert und ob man sie retten kann, dann sollte man doch so schnell wie möglich was dagegen tun!“ Erik sah mich lange ziemlich lange an. Wollte wohl wieder damit anfangen, dass ich nichts überstürzen soll. Doch zu meiner Überraschung.:„ Also gut. Zieh dir dunkle Klamotten an und flache Schuhe!“ Während ich mich im Bad umzog, spürte ich sehr elektrisiert ich war. Mein Innerstes fuhr auf und ab wie in einer Achterbahn. Ich konnte spüren, wie unruhig ich aufeinmal war und konnte nicht schnell genug fertig sein. Als ich rauskam, wartete Erik bereits auf mich. Er schob leise das Fenster auf und kletterte hinaus. Dann folgte ich. Erik half mir raus und ließ mich dann vorsichtig zu Boden gleiten. Ich schaute mich dann um. Doch außer uns und einigen Vögeln, die ihr nächtliches Lied sangen, waren wir die einzigen. Ich war erstaunt, wie dunkel es hier draußen war. Dunkler als in der Nacht zuvor. Und mir lief es kalt den Rücken hinunter. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie mich Erik ansah. „Geht es? Oder soll nur ich gehen?“ Ich schüttelte mechanisch den Kopf. Auch wenn das alles ziemlich unheimlich war und alles gegen jegliche Vernunft sprach: Ich muss das durchziehen! So nickte ich und ging dann mit Erik in den dunklen Wald. „Ist das dunkel hier!“, flüsterte ich und schlang die Arme um mich. Neben der Dunkelheit war es auch ziemlich kalt. Ich bereute, dass ich nur einen Kapuzenpulli anhatte und meinen Mantel im Zimmer liegen ließ. Erik und ich liefen nebeneinander durch den Wald. Ich hatte Probleme einen Schritt nach dem anderen zumachen, ohne über irgendwelche Wurzeln und Grasbüschel zu stoplern. Erik hingegen schien keine Probleme zu haben. Selbstsicher ging er neben mir her, achtete dabei tunlichst darauf mich nicht aus den Augen zu lassen. Fast hätte man meinen können, dass er so etwas wie ein Wachhund war. Ein wilder, großer und furchteinflössender Wachhund. Absurderweise hatte ich dabei das Bild eines Wolfes und das keines normalen Hundes vor Augen. Ich schaute flüchtig zu Erik. Das kantige Gesicht, der alles durchstechende, wachsame Blick aus seinen dunklen Augen. Ich erinnerte mich an die wenigen Momente, in denen Erik mich beschützte und dabei gefährlich und zu allem bereit aussah. Der Wolf in meiner Vorstellung, bleckte die Zähne und knurrte. Ein wildes Flackern in seinen Augen. Das Bild des Wolfes und das von Erik wechselten sich immer wieder ab. Wie bei einem Blitzlichgewitter. Und ließen mich immer wieder erschauern. Ich wusste nicht, was bedrohlicher war. Die nahende Konfrontation mit den Wurmdingern oder die Vorstellung, dass Erik etwas mit einem wilden Tier, einem Wolf, gemein hat. Wie durch Watte hörte ich, dass mich Erik etwas fragte. Als ich nicht reagierte, berührte er mich am Arm und ich schrak zusammen. „Allison? Alles okay?“ Ich brauchte einen Moment. Blieb stehen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Mahnte mich zur Ruhe. Erik, ein Wolf? Das war verrückt. „Ja…ja alles gut!“, sagte ich. „Ich…ich fragte mich nur…was wir machen, wenn wir diese Dinger auf frischer Tat ertappen?“ „Du hast deine Waffe. Und ich meine!“ Wie von selbst umfasste ich mein Handgelenk, an dem ich das schwarze Dornenarmband trug, was Erik mir zum Schutz gegeben hatte. Ja, ich hatte meine Waffen. Bis jetzt hatte ich eine Sense und -bitte nicht lachen-eine Bratpfanne herbeigerufen und ich fragte mich, was für Waffen mir noch zur Verfügung standen. Auch wie das eigentlich funtionierte. Musste ich mir nur wünschen, welche Waffe ich haben wollte und schon war sie da? Ich sah Erik zweifelnt an. Fast wollte ich schon fragen, was für Waffen er hatte. Nie hatte ich auch nur ein Messer gesehen, was er bei sich führte oder eingesetzt hatte. Ohne dass ich es verhindern konnte, sah ich wieder den Wolf. Wieder wie er die Zähne fletschte und sich dann mit animalischer Wut auf einen unsichtbaren Gegner stürzte. Ich schluckte. „Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!“, flüsterte ich, da ich meine Gedanken wieder auf das kommen lenkte, was bald folgen würde und die Angst ersetzte die andere. Komischerweise war diese nicht so schlimm, wie die vor dem bösen schwarzen Wolf. „Das werden wir sehen!“, erwiderte er. „Wir müssten bald…sssccchhhht!“ Noch ehe ich realisieren konnte, was los war, schnappte er mich und zog mich in den schützenden Schatten eines Baumes. „Erik! Was zum Teufel soll das?“, fragte ich erstickt und wand mich in seiner Umklammerung. „Sei still!“, fuhr er mich an. „Wir sind nicht allein!“ Mehr brauchte es nicht, um mich erstarren zu lassen. Scheisse! War man uns auf die Schliche gekommen? Wer und wieviele waren es? Hatten wir überhaupt eine Chance? Erik schien sich das gleiche zu fragen. Denn er regte sich etwas hervor und schaute aus dem Versteck auf die Stelle, wo wir eben noch gestanden hatten. Zuerst hörten oder sahen wir nichts und fast wollte ich sagen, dass Erik sich gettäuscht hatte. Doch dann hörten wir die Schritte. Erst ganz schwach, dann aber immer lauter. Blätter raschelten und Äste knackten. Ich wagte es nun, mich wieder zu rühren und schaute auch aus dem Versteck. Aus der Ferne sah ich eine Silhouette, die sich rasch näherte. Es brauchte einen Moment ehe ich sie erkannte und mein Erstaunen konnte nicht größer sein. Joshua! Mein Erstaunen hielt noch einige Atemzüge an, dann aber mischte sich Beunruhigung hinein. War er einer von Ihnen? Hatte er uns gesehen und folgte uns nun um uns zu verraten? Diese und noch andere weniger schönen Fragen wirbelten mir durch den Kopf. Erik hingegen schien sich sicher zu sein. Ich konnte spüren, wie sich sein Körper versteifte. Seine Muskeln sich anspannten und ich glaubte sogar ein grimmiges Knurren aus seiner Brust zu hören. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich hatte eine ziemlich unschöne Ahnung, was passieren würde, wenn ich Erik nicht davon abhielt, sich auf Joshua zu stürzen. Wieder das Bild des Wolfes und dieses Mal war der Gegner nicht länger unsichtbar sondern Joshua. „Warte! Das ist ein Schulkamerad!“, sagte ich schnell. Wobei ich natürlich keinen Hinweis habe geschweige denn eine Garantie, dass er uns nicht verrät. Aber es wollte mir einfach nicht in den Kopf, dass er zu ihnen gehörte. Joshua. Er…er war sicher nicht einer von ihnen. „Und was treibt er hier?“, fragte Erik. Seine Stimme, ein Knurren. „Das weiß ich nicht. Aber bevor du irgendwas Dummes tust: Lass mich zuerst mit ihm reden!“, bat ich ihn. Erik zögerte und ich fühlte seinen Widerwillen. Schien aber einverstanden zu sein. Bevor ich aber aus unserem Versteck gehen konnte, zog er mich nocheinmal an sich heran und flüsterte mir ins Ohr:„ Ich behalte Euch beide um Auge und folge Euch. Lass dir nichts anmerken. Sollte er irgendwelche krummen Dinge machen, werde ich ihn…!“ Mehr musste er nicht sagen, denn ich verstand auch so. Mit gemischten Gefühlen kroch ich aus dem Schatten und lief zu Joshua. „Joshua. Psst! Hier drüben!“, flüsterte ich. Joshua, zuerst erschrocken dann aber erstaunt, dass ich es war blieb stehen wo er war und als ich bei ihm war, fragte er mich:„ Was machst du denn hier?“ „Das gleiche könnte ich dich fragen?“ „Ich habe gesehen, dass sich jemand aus der Schule geschlichen hat und wollte endlich rausfinden, was das zu bedeuten hat!“, sagte er scharf. „Und was ist deine Vision?“ „Ich wollte mir die Füße vertreten und…moment…was meinst du mit, endlich?“ Joshua sah mich aus zusammen gekniffenen Augen an. Er glaubte mir wohl nicht. Ich ehrlich gesagt glaubte mir auch nicht. Mir die Füße vertreten? Noch dazu in so einem dunklen Wald. Da hätte ich auch sagen können, dass ich auch rausfinden will, was hier gespielt wird. Dass hätte er mir sicher geglaubt. Was aber interessanter war, war dass er „endlich“, gesagt hatte. Joshua schien erstmal rum zu drucksen. Überlegte ob er mir glauben sollte. „Soll das heißen, du hast schon öfters gesehen, dass sich einer davon schleicht?“ „Ja!“, kam es zerknirscht von ihm. „Seit wann?“ „Wieso willst du das wissen?“ „Reine Neugier!“ Daraufhin sah mich Joshua an, als würde er mich durchleuchten wollen. Ich konnte nur hoffen, dass Erik sich ruhig verhielt und Joshuas Zögern nicht falsch interpretierte. „Hör zu. Wir können hier rum stehen und darüber diskutieren, was der andere hier her treibt oder wir gehen gemeinsam weiter, um heraus zu finden was hier gespielt wird!“, kam es dann von mir, da wieder die Kälte in mich hineinkroch und ich echt keine Lust habe, mir noch einen Schnupfen ein zu fangen. „Nagut nagut…!“, sagte er. „Da lang!“ Nun lief ich neben Joshua her und fühlte mich nicht gerade wohler. Zuviele Fragen und Zweifel plagten mich. Ich achtete darauf, dass ich einen ausreichenden Abstand zwischen mir und Joshua hielt, um einen möglich/kommenden Angriff aus zu weichen. Auch wenn ich inständig darum betete, dass das nicht zu treffen würde. Ich wusste, dass Erik uns folgte. Trotz dass ich ihn nicht hörte oder gar sah. Er war so lautlos wie ein Schatten. Es war vielmehr das Gefühl. Ein Prickeln in meinem Rücken, das mir Sicherheit gab. Aber auch etwas Unheilvolles hatte. Nicht für mich. Für Joshua. Was es natürlich nichts besser machte. Joshua, bitte. Mach keinen Blödsinn, flehte ich und schielte zu ihm. „Wie-wielange geht das schon?“, begann ich die Anspannung, die zwischen uns herrschte, etwas auf zu lockern. Joshua antwortete nichts sofort. Überlegte wieder. Dann sagte er:„ Wann genau das angefangen hat, weiß ich nicht. Aber seit dem benehmen sich einige Schüler und sogar Lehrer ziemlich komisch!“ Joshuas Defininition von „komisch“, konnte ich mir sehr gut vorstellen. Und wieder fragte ich mich, wieviele es eigentlich waren. „Und bisher hat niemand was gemerkt?“ „Nein. Und wenn, dann…dann schien es sie angesteckt zu haben!“ Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Zum zigten Mal und ich hasste mich dafür, dass es mich so erschreckte. „Mit anderen Worten: Wer auch immer das spitzkriegte, wird in den Club aufgenommen und die Zahl von normalen Schülern schwindet!“ Kaum hatte ich das gesagt, blieb ich stehen wie vom Blitz getroffen. Gwen! Ich hatte ihr von meinem Verdacht erzählt und sie gebeten, vorsichtig zu sein. Nicht mal eine Stunde war das her. Und Louisa war eine von ihnen. Sie hat gesehen, dass ich etwas gemerkt habe. Dass ich Bescheid weiss. Und sie würde es den anderen sagen. Ich konnte nur hoffen, dass Gwen wirklich vorsichtig war. Dass sie nicht die nächste ist. „Was ist? Stimmt was nicht?“, fragte Joshua alarmiert. „Oh Gott!“, flüsterte ich. „Ashley? Was ist? Du wirst ja ganz blass!“ Ohne etwas zu sagen oder gar einen klaren Gedanken zu fassen, ging ich weiter. Wie an Fäden geszogen, lief ich weiter. Joshua folgte mir. Er brauchte mir nicht zu sagen, wo es weiter lang ging, sondern lief einfach nur neben mehr her. Ich konnte seine Verwirrung deutlich spüren, wie die Blicke, die er auf mich warf. Er fragte sich sicher, mit wem er hier unterwegs. Vermutlich mit einer Irren. Die ihn bei der nächst besten Gelegenheit in ein Gebüsch ziehen und ihn masakrierte. Wäre diese ganze Situation nicht so bedrohlich, hätte ich darüber gelacht. Dass blieb mir aber im Halse stecken, als ich in der Ferne Lichter sah und als wir näher kamen, schälten sich die Umrisse von Hütten aus dem nächtlichen Nebel. Nun gingen wir etwas langsamer, vorsichtiger. Wir erreichten die erste Hütte und schlichen uns heran. Kaum dass wir einen Fuß auf die Lichtung gesetzt hatten, erloschen die Lichter. Mit einem Schlag wurde es still. Kein Wind, kein Rauschen oder Rascheln. Nicht mal Vögel waren zu hören. Es war gerade zu unheimlich. Wieder unterdückte ich ein Lachen. Versuchte dabei auch die Angst zu verdrängen, die aufkam und die Stimme, die mich davor warnte, dass man uns bemerkt hatte. In der ersten der insgesamt zehn Hütten brannte kein Licht. Was nichts zu bedeuten hatte. Also lauschten wir. Auf verdächtige Geräusche wie Stimmen oder sowas. Hörten aber nichts. Danach schlichen wir weiter. Wir horschten einer Hütte nach der anderen ab. Ohne Ergebnis. Erst als bei der neunten wurden wir fündig. Stimmengemurmel war zu hören. Sowohl von weiblichen als auch von männlichen. Doch was genau sie besprachen konnten wir nicht hören. Ich machte Joshua ein Zeichen nach einer anderen besseren Stelle zu suchen, um zu horschen. Ohne dass es meine Absicht war, hatte ich das Ruder in die Hand genommen. Joshua erhob keine Einwände und schleichten einmal um die Hütte herum und wir hatten wieder Glück. Eines der Fenster stand einen Fingerbreit auf. Diesesmal bekamen wir einige Gesprächsfetzen mit. Es wird Zeit…Können nicht länger warten…Die beste Gelegenheit...? Geburtstagsfeier! Ich hatte genug gehört. Mit einigen Handzeichen sagte ich Joshua, dass wir von hier verschwinden sollten. Er nickte. Ihm reichte wohl auch, was er gehört hatte und so machten wir, dass wir wegkamen. Ein Hochgefühl von Zufriedenheit erfasste mich. Endlich hatten wir eine brauchbare Spur. Und ich konnte Lex und Fay endlich bescheid geben. Ich wollte beinahe schon vor mich hin summen, riss mich aber zusammen. Auf keinen Fall wollte ich uns verraten, auch wenn wir schon ein gutes Stück zwischen uns und den Hütten gebracht hatten. „Wieso bist du eigentlich erst jetzt hier her gekommen?“, fragte ich dann. Es gab einige Ungereimtheiten, die ich jetzt geklärt haben wollte. „Naja…ehrlich gesagt wollte ich schon früher hierher kommen. Habe mich aber nicht getraut!“ „Und jetzt hast du dich getraut?“ „Ich wollte mir endlich Klarheit verschaffen!“ „Du weisst aber schon, dass das auch nachhinten losgehen kann!“, sagte ich mahnend und hörte nun Eriks Stimme. Das sagt die richtige, lachte er. „Schnauze!“, zischte ich, leider etwas zu laut und Joshua sah mich irritiert an. „Sorry. Ich führe manchmal Selbstgespräche!“, redete ich mich heraus. Arbeitete in meinen Kopf bereits an einem Plan, wie ich Lex und Fay erreichen und einweihen konnte. Hm, sicher werden diese Wurmdinger den Ein-und Ausgang der Briefe und die Anrufe überwachen. Letzteres klang etwas paraniod. Aber aus zu schließen war es nicht. Da kam mir eine Idee. Hey, Erik, sagte ich. Kannst du irgendwie Fay und Lex bescheid geben? „Das fällt nicht gerade in mein Aufgabenbreich, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme!“ Ich dankte Erik in diesem Moment tausendmal. Und glitt wieder in die Gegenwart. „Ich bin eben verkorkst!“, sagte ich noch beiläufig und zwang mich zu einem heiteren Ton. Verkorkst bis auf die Knochen, ergänzte ich. Joshua lächelte etwas. Es war dasgleiche Lächeln, was ich in der Bibliothek gesehen hatte. Es schien ihn irgendwie nicht zu stören. „Verkorkste Mädchen sind mir irgendwie lieber. Die sind nicht langweilig!“, sagte er und hatte dabei ein schalkhaftes Grinsen im Gesicht. „Machst du dich über mich lustig?“ „Das würde mir niemals einfallen!“ „Um wieder ernst zu werden: Pass auf dich auf. Sei vorsichtig!“, sagte ich ernst. „Die Sache ist heißer als heiß!“ Johusa vergaß, dass er eben noch mit mir geflirtet hatte und wurde ebenso ernst. „Mache ich. Du aber auch!“ Dann trennten sich unsere Wege. Erik war nicht entgangen, wie Allsion ihm verstohlen angesehen hatte. Und ihm war auch nicht entgangen, wie nervös sie war. Doch nicht etwa weil sie auf den Weg zum Versteck diese Monster waren. Nicht nur. Sondern auch weil sie etwas in ihm zu sehen schien, was ihr noch mehr Frucht einjagte. Ahnte sie etwas? Aber woher? Nein. Sie…konnte es nicht wissen. Erik versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Doch sie kratzte an seiner Seele wie ein Ungeheuer an einer Wand aus Holz. Als wollte sie damit sagen:„ Lass mich rein. Du kannst mir nicht entkommen!“ Krampfhaft kämpfte dagegen an. Nur schwer ließ sich diese wieder in die Schranken zurück weisen. Als er es dann geschafft hatte, atmete er erleichtert auf. Blickte dann wieder zu Allison, die ruhig schlief. Die Aufregung und Anspannung war wie weggewischt. Aber er konnte sich gut vorstellen, dass in ihrem Inneren etwas vorging. Dass sie bereits, ohne es wirklich mit bekam, an einem Plan arbeitete. Er lächelte etwas dabei. Dann aber erinnerte er sich daran, dass er etwas zu erledigen hatte. In einem Moment, der wie einen Wimpernschlag dauert, war Erik aus der Internatschule im Haus von Brian aufgetaucht. Alle vier sahen ihn und schienen irgendwie schon darauf gewartet zu haben, etwas von Allison oder von ihm zu hören. „Komme ich ungelegen?“, fragte er mit einem zynischen Lächeln. In kurzen knappen Worten erzählte er ihnen, was Allsion und er raus gefunden hatten und was sie als nächstes vorhatten. „Endlich geht’s los!“, sagte Lex. „Ihr hättet ruhig etwas Gas geben können!“ „Das nächste Mal zwängst du dich in eine Mädchenschuluniform!“, bemerkte Fay spitz. Die Idee, der Plan kam mir praktisch wie im Traum zu geflogen. Ein Detail blieb mir am meisten im Gedächtnis. Geburtstagsfeier! Dort werden sie zuschlagen und sich ausbreiten. Wir mussten nur irgendwie eine Möglichkeit finden, zu verhindern, dass einer ihnen entwischte und zeitgleich, dass keiner der Schüler infiziert wurde. Praktisch auf zwei Hochzeiten tanzen. Nur wie sollte das gehen? Ich hoffte, das Fay und Lex sich da was einfallen lassen. Was mich betraf… Nun ich musste herausfinden wann und wo genau die Geburtstagsfeier stattfand. Vielleicht wusste ja Gwen… „Morgen, Ashley!“, rief sie und ich grinste. Wenn man schon vom Teufel spricht. „Morgen, Gwen!“ „Hast du einigermassen gut geschlafen?“, fragte sie mich. „Ja, wieso?“ „Naja…weil einige meinten, dass gestern hier welche rumgeschlichen sind!“, sagte Gwen und machte einen beunruhigten Eindruck. Auch ich war berunuhigt. Aber nicht weil jemand da draußen rumgeschlichen war, sondern weil ich dieser jemand war. Und ich fragte mich sogelich, wer es mitbekommen hatte. Waren einige dieser Wurmdinger hiergeblieben, um die Sache im Auge zu behalten und Alarm zu schlagen, sollte Gefahr drohen? Fast schon wollte ich sie fragen, doch Gwen kam mir zuvor. „Denkst du…das war einer…einer dieser Junkies?“ Innerlich atmete ich auf. Auch wenn ich dennoch das Gefühl hatte, als würde ein Stein auf meiner Brust liegen. Mir ging wieder durch den Kopf, dass Gwen ebenso in Gefahr schwebte. „Keine Ahnung. Aber das ist auch erstmal nicht wichtig!“, sagte ich, nahm sie beim Arm und lief mir weiter, da wir mittem Weg standen und die Schüler uns schon missbilligende Blicke zu warfen, weil sie sich an uns vorbeidrängen mussten. Ich nahm sie bei der Hand und wir schlossen uns dem Fluss an. Ohne dass ich etwas Großartiges gesagt habe, schien Gwen zu ahnen, dass ich etwas rausgefunden hatte. Und ich wollte auch meine Erfahrung mit ihr teilen. Aber nicht hier. Hier waren zu viele Ohren. So suchte ich nach einem ruhigen Fleckchen und fand diesen auch sogleich. Eines der Klassenzimmer schien im Moment nicht belegt zu sein und so öffnete ich die Tür, schob Gwen hinein, ohne darauf zu achten, dass es mittlerweile zur ersten Stunde läutete und schloss auch sofort wieder dir Tür. „Weisst du wir in nächster Zeit Geburtstag hat?“, fragte ich ohne große Umschweife und Gwen sah mich mit großen, verwirrten Augen. Doch statt nach dem warum zu fragen, überlegte sie. Schüttelte dann bedauernd den Kopf. „Nein. So auf die Schnelle fällt mir keiner ein. Diese Schule ist verdammt groß und ich kenne nicht jeden!“ Okay, das versetzte mir einen kleinen Dämpfer. Dennoch hatte ich sowas in der Art erwartet. Ich konnte nicht von ihr verlangen, dass sie jeden kannte. Daher winkte ich ab. „Nicht schlimm!“, sagte ich und tüffelte an einem neuen Plan. Ich musste dabei feststellen, dass ich noch keinen einzigen hatte. Schöner Mist! „Meinst du, die werden etwas auf einer so öffentlichen Veranstaltung etwas drehen?“ „Davon gehe ich aus. Wie und wo könnte man so viele Leute aufeinmal anfixen?“ Gwen schüttelte sich. Ihr gefiel die Vorstellung genauso wenig wie mir. Nur hatten wir zwei unterschiedliche Vorstellungen. In ihrer sahe sie einen Haufen Junkies, der mit verklärtem Blick und einem dümmlichen Grinsen in der Gegen lag. Ich wiederum, und das war wesentlich schlimmer, sah eine Armee von Wurmmonstern, die über die nächsten Ahnungslosen herfielen und sich somit immer weiter vergrößern. Bis ihre Zahl kaum noch zu überschauen war und dann wie eine Welle über London hinwegfegten und wenn sie hier fertig waren, sich die nächste Stadt, das nächste Land vornahmen. Ich sah es deutlich vor mir. Wie die Welt unter der Flut von Monstern begraben wurde. Krampfhaft versuchte ich ein Würgen zu unterdrücken und dieses Bild aus meinem Kopf zu bekommen. „Ashley, alles okay? Du bist so blass?“ Das bin ich in letzter Zeit ziemlich oft. Ich nickte und versuchte den bitteren Geschmack der auf meiner Zunge lag los zu werden. „Was sollen wir machen?“, frage Gwen. Sie rang nervös die Hände. Ich hob die Schultern. Solange ich nicht wusste wann die Feier konnte, konnte ich erstmal nichts machen. Und es stand außer Frage, diese verbieten zu wollen. Denn auch wenn ich dem Leiter und den Lehrern der Schule weissmachte, dass die Party dazu diente Drogen an den Mann zu bringen, würde das bedeuten, dass einer bescheid wusste und diese Monster würden sich sicher was anderes einfallen lassen. Ich musste daran denken, was mir Joshua gesagt hatte. Dass die, die es gemerkt hatten, auch irgendwann dazu gehörten. Diese Dinger waren raffiniert. Dass musste man ihnen lassen. Aber auch ich war nicht gerade auf den Kopf gefallen. „Keine Ahnung!“, gestand ich. „Außer weiterhin aufpassen und sich nichts anmerken lassen!“ Mehr fiel mir nicht ein. Und ich kam mir dabei so…unnütz vor. Gerne hätte ich ihr von meinem grandiosen Plan erzählt. Wenn ich einen gehabt hätte. „Los, wir sollten jetzt gehen. Ehe sie sich schon fragen, wo wir bleiben!“, sagte ich dann trocken und verließ dann mit ihr das Klassenzimmer. Als es zur Pause klingelte, suchte ich Joshua. Ich hatte die stille Hoffnung, dass er wusste, wer bald Geburtstag hatte. Vielleicht hatte er es schon selbst raus gefunden. Umso besser wäre es und ich könnte mir dann doch was überlegen. In der Pause machte ich mich daran, Joshua zu suchen, um mit ihm zu sprechen. Doch leider war das leichter gesagt als getan. Der Schulhof war riesig. Riesiger als ich es beim ersten Mal gesehen hatte und voll von Schülern. Da alle die Uniform trugen, hatte ich das Gefühl, als würde ich in einer Herde Zebras stehen und ich war der Löwe, der keine Ahnung hatte, wo ein Zebra anfing und wo eines aufhörte. Ratlos stand ich da. Fragte mich dann ob ich lieber darauf warten sollte, dass Joshua mich ansprach. Aber wielange würde das dauern? Was wenn es zu spät wäre? Gwen stand einige Meter entfernt und unterhielt sich mit einigen Mitschülern. Dabei behielt ich sie genau im Auge. Achete auf irgendwelche verdächtigen Anzeichen. Doch anscheinend schienen sie sich wirklich nur zu unterhalten. Sie lachten und schwatzten. Schienen sich wunderbar zu amüsieren. Ich nahm mir dennoch vor, sie zu schnappen, soabld ich Joshua gefunden habte und zu ihm zu gehen. Oder dazwischen gehen, wenn sie mit ihr sich davon machen wollten. Auf keinen Fall wollte ich sie allein lassen. Dass hieß aber auch, dass ich an Ort und Stelle stehen bleiben musste und nur den Blick über die Köpfe der Schüler schweifen lassen konnte. Mist! Ich stehe mir hier die Beine in den Bauch und… „Ashley!“ Eine Hand legte sich mir auf den Rücken und ich machte einen Satz zu seite. Fast schon wollte ich die Hände heben um zu zu schlagen. Hielt aber gerade noch inne als ich sah, dasss es Joshua war, der neben mir stand und ich atmete erleichtert auf. „Hey, Josh!“, sagte ich etwas atemlos. „Ich…ich wollte dich gerade suchen!“ Joshua grinste. Und ich wollte mir am liebsten auf die Zunge beissen. Dumm rum stehen und in die Gegend glotzen konnte man wirklich nicht als suchen bezeichnen. „Du hast mich gesucht? Naja, jetzt hast du mich gefunden!“, witzelte er und grinste schief. Ich machte ein verkniffenes Gesicht. Ist das sein ernst? „Wohl eher du mich!“, murmelte ich. Schaute dann wieder zu Gwen. Sie stand genau da, wo ich sie gesehen hatte. In Gedanken zwang ich sie dort stehen zu bleiben. Nagelte sie dort förmlich fest. Kurz vergass ich, was ich Joshua fragen wollte, während ich so zu ihr hinüber schaute. Doch dann erinnerte ich mich wieder daran. „Sag mal Josh, weisst du wer bald die Party schmeisst?“ Joshua schien mich das gleiche zu fagen, bowohl er wohl schon länger hier war. Denn er hob die Brauen. Schien dann nach zu denken. Und sagte schließlich:„Wenn, dann wird die Party vom Festkomitee ausgeführt!“ „Komitee?“ „Die machen alles von Geburtstagsfeiern bis hin zum Abschlussball!“, erklärte er. „Und wir sind im diesem Komitee?“, fragte ich nach. „Hm…die meisten sind Schüllerinnen. Ich kenne nicht jeden von ihnen aber ich glaube Louisa ist dabei!“ Na, wenn das kein Zufall ist. „Und wann steigt die Feier?“ „Keine Ahnung!“, sagte er niedergschlagen. „Und du?“ „Nein. Da sind wir schon mal zu zweit. Und Gwen weiss es auch nicht!“, sagte ich und schaute wieder zu ihr. Zumindest schaute ich auf die Stelle, auf der sie gestanden hatte. Diese war jedoch leer. Gwen war weg. Ich hatte das Gefühl, würde mir jemand einen Schlag auf den Hinterkopf geben. Nein! Nein nein nein nein nein! Joshua musste es bemerkt haben, denn auch er schaute nun zu der Stelle, an dem Gwen gestanden hatte. „Wo..wo ist sie?“, kam es erstickt von ihm. Ich sagte nichts, sondern lief los. Zu den Mädchen, mit denen sich Gwen gerade eben noch unterhalten hatte. „Wo ist sie? Wo ist Gwen?“, fragte ich. Ich musste wie eine Verrückte aussehen, denn die Mädchen sahen sich unsicher an. „Sie…sie ist mit einigen Freunden weg gegangen!“, sagte eines von ihnen. „Mit welchen Freunden? Und wohin?“ In mir schrillten sämtliche Alarmsirenen. Das Mädchen, was mir geantwortet hatte, deutete vage in eine Richtung. Mehr brauchte ich nicht. Mit großen Schritten ging ich in diese. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und ich wagte es nicht mir aus zu malen, was gerade mit ihr passierte. Im besten Fall hatte sie sich wirklich mit einigen Freunden abgesetzt. Im schlimmsten Fall… Ich schüttelte den Kopf. Verdrängte diese Gedanken sehr schnell. Ließ fieberhaft den Blick um her schweifen. Ich war dabei so in meiner Sorge und Angst um Gwen versunken, dass ich Joshua nicht bemerkte, der neben mir her lief und ebenso wohl nach Gwen suchte. „Wo kann sie nur sein?“, fragte er. Diese Frage stellte ich mir immer und immer wieder. Und ich fürchtete schon, dass sie in den Wald gegangen sind. Doch dann hörte ich Stimmen. Vielmehr wildes Rufen. In meiner Fantasie erschienen neue Bilder, die genauso schlimm waren, wie die vorherigen und ich lief nun nicht mehr sondern ich rannte. Als hätten diese Rufe einen Schalter um gelegt. Die Sorge und die Angst schlug immer höhere Wellen und ich flehte innerlich:„ Oh bitte nicht. Bitte bitte nicht. Nicht Gwen!“ Die Rufe wurden lauter. Und nach einigen weiteren Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, sah ich dann eine Gruppe von Mädchen. Zuerst begriff ich nicht, was sie da machten. Aber als ich näherkam und nun hörte, was sie da riefen und dabei eine andere, weniger lauter und flehende Stimme übertönten. Dennoch erkannte ich die Stimme. Gwen! Und als ich näher kam, sah ich auch welche Gruppe hier sich rumtrieb. Jenna und ihr Club der Biester. Ich begriff zwar nicht, was genau hier abging, aber als Gwen sah, wie sie auf dem Boden kauerte und von Schluchzern geschüttelt wurde, ahnte ich was sie mit ihr machten und wen es eigentlich treffen sollte. Die Angst und Sorge lösten sich auf wie Rauch im Feuer und machten blinder Wut platz. Ich stürmte ohne zu überlegen los. Stieß die Mädchen, die Gwen umringt hatten, beiseite. Hörte nur dumpf ihre Proteste. Meine ganze Aufmerksamkeit galt Gwen. Und erst jetzt sah ich, dass sie nicht nur auf dem Boden kauerte und weinte, sondern dass ihre Klamotten schmutzig und an einigen Stellen zerrissen waren. Ihr Gesicht war ebenso schmutzig und hatte einige Schrammen. Man hatte sie nicht nur in den Dreck geworfen, sondern auch verprügelt. Meine Wut schien ins unermessliche zu steigen. Langsam drehte ich mich um und sah jede von ihnen finster an. Keine sagte ein Wort. Sondern sahen mich nur an. Unsicher und auch irgendwie…eingeschüchtert. Gut so. Sie sollen sehen, dass sie mich damit zwar treffen, aber auch dass sie sich damit große Probleme eingehandelt haben. Nur Jenna war die einzige, die nichts der gleichen zeigte. Sie stand nur da und grinste höhnisch. Dieses Miststück hatte ich ganz vergessen. Ihre Aktion mit den Klamotten war bis jetzt ihre einzige Rache gewesen. Nur weil ich Joshua angeschaut habe. Und ich hatte gedacht, dass sie mich in Ruhe lassen würde. Dass sie einfach das Interesse an mir verlieren würde. Was ziemlich naiv von mir war. Jetzt wo ich mich sooft mit Joshua unterhalten hatte, hatte sie wohl noch mehr Gründe mir das Leben hier an der Schule schwer zu machen. Und dafür musste Gwen herhalten. Gwen, die eigentlich nichts dafür konnte. Gwen, die mit mir befreundet war. Dass allein schien schon zu reichen. Sie war nur ein Bauernopfer. Mir sollte der Angriff gelten. Weil ich sie gern hatte. Und das wusste sie. „Merk dir das, Chatte. Lass deine Pfoten von Joshua!“, sagte sie ungerührt. „Oder dir ergeht es genauso, wie deiner kleinen Freundin hier!“ Damit zeigte sie auf Gwen, die wie ein Häufchen Elend sich zusammen gerollt hatte und sich ihre Wangen abwischte. Ich ballte die Hände zu Fäusten. „Jenna! Bist du verrückt?“, rief Joshua und kurz war Jenna abgelenkt. Sah ihn an, als wätre er wie aus dem Nichts erschienen wie ein Geist. Doch dann wurde ihr Gesicht wieder hart. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass er hier auftauchen und gegen sie Partei ergreifen würde. Aber dann sah sie wieder aus wie eine tollwütige Hyäne. „Misch dich da nicht ein!“, keifte sie. Dann wandte sie sich wieder an mich.Ich hatte Gwen aufgeholften und stützte sie. Legte schützend den Arm um sie. Gwen schniefte noch immer ein wenig. Schien sich aber wieder zu beruhigen. Meine Wut war inzwischen so groß, dass ich mich wirklich bremsen musste. Dabei juckte es mir wirklich unter den Fingern, ihr die Augen aus zu kratzen. In meinem Kopf hörte ich Eriks beruhigende Stimme. „Lass dich von ihr nicht provozieren!“ Doch das war nicht gerade leicht. Ich musste förmlich die Fersen in den Boden rammen. „Sieh das als deine letzte Warnung, Chatte!“ Nun reichte es mir. Mit ruhigen Schritten ging ich auf sie zu und stellte mich vor sie. Sie war genauso groß wie ich, so konnte ich ihr direkt in die Augen sehen. Und ich legte allen Zorn und alle Drohung darin. Meine Augen sprühten förmlich Funken. Mit gepresster Stimme sagte ich dann:„ Wag es nicht Gwen oder mich nur an zu rühren!“ Jenna blinzelte einige Male und kurz entglitt ihr Gesicht. Zeigte dass meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Mit kalter Zufriedenheit nahm ich das in mich auf. Konnte es förmlich auf meiner Zunge schmecken. Schmeckte wie Schokolade. Lecker! Kurz zuckte es um meine Mundwinkel und das setzte Jenna wieder die Maske des intriganten Biestes auf. „Und was wenn ich es dennoch tue?“, fragte sie herausfordernd. Tippte mir dabei mit ihrem manikürtem Finger an mein Brustbein. Es hatte etwas provokantem und tückisches. „Lass es lieber!“ „Oder sonst was?“ Wieder ein Tippen mit ihrem Finger. Sonst breche ich dir den Finger, ging es mir durch den Kopf. „Ich warne dich nicht noch einmal!“, sagte ich stattdessen. Jenna schien es auf eine gewisse verstörte und äußerst kindische Art Spass zu machen, mich zu reizen. Denn anstatt auf meine gut gemeinte Warnung zu hören, bekam ich wieder ein Tippen und mit einem honigsüßen Grinsen fragte sie mich:„ Wirst du sonst böse?“ Nun sagte ich nichts mehr, (weil Worte wohl nicht genügten)sondern packte ihren Arm, drehte ihn ihr auf den Rücken und drückte ihren Oberkörper nachunten, sodass sie in einer äußerst unbequemen Haltung war. Jenna stieß einen überraschten Laut aus, der dann in einen Schmerzensschrei überging. „Sonst breche ich dir dein dünnes Ärmchen, du aufgedonnerte Schickse!“, knurrte ich und drückte demonstrativ den Arm nach oben. Jennas Schrei ging in ein Wimmern über. Keiner der anderen mischte sich ein. Weder Joshua noch eine von ihren Freundinnen. Sondern startten uns aus großen erschütterten Augen. „Lass deine lackierten Krallen von Gwen, klar!“ Jenna brachte nur ein Nicken zu stande, während ihr Gesicht schmerzverzerrt war. Ich hielt sie noch einige Minuten so fest, weil ich ihr so zeigen wollte, dass es mir ernst war. Dann ließ ich sie los. Vielmehr stiess ich sie von mir. Jenna verlor wie erhofft das Gleichgewicht, Stolperte einige Schritte und fiel dann der Länge nach hin. Nun war sie es, die im Dreck lag. Ich baute mich über ihr auf, wie der Racheengel höchstpersönlich und schaute drohend auf sie nieder. Nicht mal als sie jetzt im Dreck lag, kamen ihre Freunde zu Hilfe. Tolle Freunde, dachte ich höhnisch. Wandte mich dann Gwen zu. Half ihr auf und legte schützend den Arm um sie. Ich warf noch einen letzten warnenden Blick zu Jenna und ihren achso tollen Freunden. Dann ging ich. Joshua folgte uns schweigend. Wir brachten Gwen sofort zur Krankenschwester, die sich sogleich um sie kümmerte. Während wir über den Schulhof gingen, Gwen zwischen mit uns Joshua, hatten wir so ziemlich alle Blicke auf uns gezogen. Einige steckten den Kopf zusammen und begannen zu tuscheln. Ich hatte das ungute Gefühl, dass sie uns für ihren Zustand verantwortlich machten und spekulierten nun, ob wir es nun so aussehen lassen wollten, als seien wir nur die Retter in letzter Not. Oder dass wir sie so zum schweigen bringen wollten, in dem wir sie nun zur Krankenschwester bringen. Praktisch ein Wink mit dem Zaunpfahl. Doch ich blendete das aus. Ich schaute zu Gwen, die immernoch leise schluchzte und die Arme um sich geschlungen hatte. Was hatten diese Biester mit ihr gemacht? Kurz wallte wieder Zorn in mir auf. Irgnorierte ihn jedoch dieses Mal, sondern lenkte meine Gedanken ganz auf Gwen. Nun standen wir draußen auf dem Flur und warteten bis Gwen von der Krankenschweter fertig versorgt wurde. Keiner von uns sagte ein Wort. Sondern schaute jeder für sich ins Leere und schien auch in den eigenen Gedanken gefangen zu sein. Jetzt wo der Ärger und die Wut verraucht waren, fühlte ich mich einfach nur elend. In meinem Hals hatte ich einen dicken, fetten, schleimigen Kloß, der mir das Schlucken schwer machte. Ich fühlte mich so, als hätte ich ein Gewaltverbrechen begangen. Und ich bereute nun, dass ich nicht auf Erik gehört hatte. Er wusste, dass es nur Ärger geben würde, wenn ich mich hinreißen lasse. Aber was hätte ich anderes tun sollen. Hätte ich zulassen sollen, dass sie ihr noch schlimmeres antun? Ich mochte Gwen wirklich. Sie traf keine Schuld. Nur weil ich mich mit Joshua einige Male unterhalten habe, wurde sie von Jenna und ihren Weibern so zu gerichtet. Ich wusste ja, dass Jenna feige war. Schon das sie meine Klamotten verschwinden ließ, als ich unter Dusche war, zeigte, dass sie kein Rpückrat hatte. Nun aber hatte sie es wirklich zu weit getrieben. Ich versuchte mir ein zureden, dass ich das richtige getan habe. Doch es blieb immernoch dieses Gefühl, dass ich es damit nur noch schlimmer gemacht habe. Ich schloss die Augen und seufzte. Es brachte nichts sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Wichtig war, dass Gwen wieder auf die Beine kam. „Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist!“, hörte ich dann Joshua sagen und ich sah zu ihm. Er stand neben mir und schien ebenso geschockt zu sein. Ich lächelte grimmig. „Das zeigt doch wiedermal, dass nicht jedes reiches Elternhaus nicht auch gute Manieren besitzt!“ „Das meine ich nicht!“ Das verblüffte und verletzte mich auch ein bisschen. Hatte er etwa gedacht, dass alle Schüler hier wohlerzogen sind und kein Wässerchen trüben konnten? Ich hatte ihn wirklich nicht für so naiv gehalten. Aber er hatte deutlich gezeigt, dass er über Jennas Verhalten nicht gerade angetan war. Also wie meinte er das? „Ich kenne Jenna. Ich weiß, wie sie tickt und was sie macht, wenn ihr jemand ein Dorn im Auge ist. Dass sie zu solchen Mitteln greift, hat mich dennoch…erschreckt!“ Dann machte er eine Pause und ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Ich wollte ihn schon darauf drängen, mit der Sprach raus zu rücken. Doch Joshua begann dann weiter zu sprechen. „Was mich aber noch mehr erschreckt hatte, war dein Verhalten!“ Mein Verhalten? Ich habe doch nur getan, was richtig war. Hätte ich zusehen sollen, wie Gwen weiterhin von diesen Biestern durch die Mangel genommen wird? Ich machte daher ein verkniffenes Gesicht. „Was hättest du denn gemacht? Nur daneben gestanden und zu geschaut?“ „Nein. Natürlich nicht. Aber du…!“, druckste Joshua herum und schien auf einmal vor Verlegenheit mir nicht mehr in die Augen schauen zu können. Ich merkte wie der Ärger wirder in mir hoch kam und meine Wangen zum glühen brachte. Was zum Teufel hatte ich in seinen Augen falsch gemacht? „Aber ich was…?“, kam es erstickt von mir. „Du sahst so…gefährlich aus!“, sagte er dann und sah mich nun an. In seinen Augen sah ich Verunsicherung. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl völlig entblößt vor ihm zu stehen. Immer wieder hallten seine Worte durch meinen Kopf. Du sahst so…gefährlich aus…Du sahst so…gefährlich aus…Du sahst so…gefährlich aus… Ich zwang mich zu einem spöttischen Lächeln. Doch vor meinem geistigen Auge sah ich mich selbst. Wie ich Jenna den Arm auf den Rücken drehte und sie bedrohte. Dabei sah ich auch, wie sich mein Gesicht zu einer wütenden Fratze verzerrt hatte. Wie es in meinen Augen bedrohlichen glänzte. Genauso wie bei meiner Mutter damals. Als der Wahnsinn oder was auch immer von ihr Besitz ergriffen hatte. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. „Gefährlich? Jetzt übertreibst du aber!“, versuchte ich seine und auch meine Beklemmung zu zerstreuen. „Ashley…du…du hast die Zähne gefletscht. Wie eine Katze, die angreifen will!“ Okay, das ging jetzt echt zu weit. Ich konnte nicht anders als zu lachen. Wieso verglichen mich alle mit einer Katze? Das war doch lächerlich. „Ohja…ich bin eine Katze. Und ich zeige jedem die Krallen, der mich ärgert. Miau!“, witzelte ich und lachte. Doch selbst in meinen Ohren konnte ich hören, wie gekünzelt das klang. Joshua machte ein angesäuertes Gesicht. „Das ist nicht komisch!“, sagte er. „Ganz ehrlich, Ashley. Du hast mir damit einen ziemlichen Schrecken eingejagt!“ Mein großes Mundwerk verging mir schließlich und auch der Versuch, es nicht ernst zu nehmen. Es einfach als Einbildung ab zu tun. Ich begann mich zu fragen, ob ich mehr von meiner Mutter geerbt hatte, als gedacht. Was wenn auch ich vom Wahnsinn befallen werde? Oder von wilder Raserei? Ich sah mich schon deutlich in einer Zwangsjacke. Hockend in einer Gummizelle und vor mich hin starrend. Mir wurde übel bei dieser Vorstellung. Da streifte mich etwas, was sich anfühlte wie die Berührung einer warmen Hand. Vielmehr war es nur ein Hauch, der über meine Seele hinwegstrich. Aber das reichte aus, um meine düsteren Gedanken zu verscheuchen. Ich schob das natürlich auf Erik, der, wie auch immer, es irgendwie schaffte, zu ahnen, was mir auf der Seele lastete. Immerhin ein Pluspunkt für ihn. „Tut mir leid!“, sagte ich. „Um ehrlich zu sein: Bekomme ich manchmal selbst Angst vor mir!“ Joshua sah mich daraufhin lange schweigend an. Schien sich aus mir und meinem bisherigen Verhalten einen Reim zu machen zu wollen. Wieder fragte ich mich, was für ein Bild er von mir hatte. Ich konnte mir schon denken, wie er sich vorstellte, wie mein Leben bisher verlaufen war. Bevor ich nach London kam. Eltern tot und daher erschüttert bis zum Grund meiner Seele. Gestört könnte man sagen. Vermutlich dachte er auch, dass ich irgendwelche Pillen einwarf, um dieses Trauma los zu werden oder zu unterdrücken. „Du hattest es nicht leicht!“, sagte er schwach. Als ob das alles entschuldigen würde. Aber ich hatte es wirklich nicht leicht. Mein Leben war seit dem Tod meiner Mutter völlig aus den Fugen geraten. Es war als wäre sie eine Art Anker gewesen, der mich festhielt und davor bewahrte, in den Fluten namens Leben davon getrieben zu werden. Ziemlich kitschig und übertrieben. Ich weiss. Aber so war es auch. Ich hatte immer das Gefühl, dass Mama mich besser verstand als Papa. Als schien sie zu wissen, was mich erwartete, sobald ich älter geworden war. Und ich fragte mich, ob sie es wirklich gewusst hatte. Ich sah sie deutlich vor mir als würde sie wirklich vor mir stehen und mich anlächeln. „Mein kleines Mädchen!“, hatte sie immer zu mir gesagt. Mich umarmt und mir die Stirn geküsst. Die Erinnerung daran trieben mir Tränen in die Augen. Sie fehlte mir entsetzlich. Gerade jetzt hätte ich sie gebraucht. Noch mehr als Erik. „Es…es geht schon!“, sagte ich und unterdrückte ein Schluchzen. Da ging die Tür auf und Gwen trat aus dem Krankenzimmer auf den Flur hinaus. Die Krankenschwester hatte so gut es ging die Schäden im Gesicht behoben. Hatte den Dreck weggewischt und die wenigen Schrammen, die sie davon getragen hatte, mit einigen Pflastern verarztet. Nur ihre Kleidung war immernoch ziemlich ramponiert. Gwen sagte kein Wort, sondern schaute einfach zu Boden und ihr sah ich an, dass ihr ebenso zum weinen zumute war. Ich ging sogleich zu ihr und legte wieder meinen Arm um sie. Gwen ließ es zu. Was mich ein wenig wunderte aber auch freute. Wundern weil ich dachte, dass sie nun nichts mehr von mir wissen wollte, weil sie wegen mir zum Opferlamm gemacht wurde und froh, weil dem nicht so war. Ich umarmte sie nun und drückte nun fest an mich. „Es tut mir so leid, Gweny!“, sagte ich leise und konnte nun meine Tränen nicht zurück halten. Der nächste Tag brachte eine weitere unangenehme Überraschung. Obwohl ich es mir hätte denken können, dass Jenna zum Direktor rennt und sich aus heult. Dabei schwärzte sie nicht nur mich an, sondern auch Joshua, der -ihrer Meinung nach-einfach nur dagestanden und zugeschaut hatte. So wurden wir beide in das Büro des Direktors gerufen. Und noch bevor ich dachte, dass es nicht hätte schlimmer kommen können, musste ich feststellen, dass ich mich gewaltig irrte. Denn kaum dass ich in das Büro trat, sah ich, dass der Direktor nicht allein war. Neben einem geschniegelten Herrn im teuren Anzug und einem geringschätizgem Blick, der besonders mir galt, befand sich noch jemand im Raum, dessen Anblick mir einen Schlag in den Magen versetzte. Brian! „Ah, da sind Sie ja. Miss Chatte und Mister Ginger!“, sagte der Direktor gedehnt und wies uns mit einer Handbewegung an, ein zu treten. Ich sah Brian an und er mich. In seinem Blick sah ich deutlich die stumme Zurechtweisung und Enttäuschung. Oje! Ich zog den Kopf zwischen dieSchultern und trat näher. „Sie können sich doch bestimmt denken, warum ich Sie beide hierher gerufen habe!“, sagte der Direktor und sah uns scharf an. Wir nickten. „Wollen Sie sich dazu äußern?“ „Es wäre besser, wenn Sie es täten!“, sagte der Mann im Anzug und als ich ihn mir genauer ansah, sah ich eine gewisse Ähnlichkeit zu Jenna. Dass musste ihr Daddy sein. Er hatte schließlich denselben verächtlichen Blick und diesen arroganten Klang in seiner Stimme. Brian sagte nichts. Aber in seinem Blick sah ich ebenso den stillen gut gemeinten Rat, mit der Sprache raus zu rücken. „Wir wollten nur Gweny helfen!“, sagte ich mit aller Inbrunst, die ich hatte und sah jedem direkt ins Gesicht. „Jenna und ihre Freunde haben sie schließlich angegriffen und auf sie eingeschlagen!“ „Meine Tochter ist keine Schlägerin. Vielmehr bist du jemand, der zur Gewalt neigt!“, platzte es Jennas Vater und sah mich an, als sei ich wirklich die Schuldige. Als hätte ich die schlimmste aller Strafen verdient. „Ashley sagt aber die Wahrheit. Wir…ich habe es selbst gesehen. Jenna hat ihre Freunde auf Gwen losgelassen und zu gesehen, wie sie sie zusammenschlagen!“, mischte sich nun Joshua ein und Jennas Vater schien daraufhin erstmal keine Antwort parat zu haben. „Und verglichen mit dem was sie Gwen angetan haben, ist das, was Ashley getan hat, nichts weiter als Verteidigung!“ Ich sah Joshua aus den Augenwinkeln dankbar an. Hätte ich es nicht besser gewusst, verhielt er sich wie Rechtsanwalt, der seinen Mandaten durchboxen wollte. In diesem Falle mich. „Verteidigung? Jemanden einem Arm zu brechen nennst du Verteidigung?“, kam es nun wieder ungehalten von Jennas Vater. Und wäre er allein mit uns gewesen, hätte er wohl seine gute Erziehung vergessen. Wobei ich bezweifelte, dass er überhaupt welche hatte, wenn ich an Jenna dachte. „Ihr wurde aber nicht der Arm gebrochen!“, schaltete sich nun Brian ein, der wohl ebenso wenig vom Verhalten dieses Mannes etwas hielt. „Und anstatt meine Ziehtochter als jemanden zu sehen, der weggesperrt gehört, sollten Sie sich vielleicht um die Erziehung Ihrer Tochter Gedanken machen, Mister Collins!“ Jennas Vater schnappte nach Luft und sah Brian an, als habe er ihn geschlagen. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass er mit diesen Worten mitten ins Schwarze getroffen hatte. Dass Jennas Vater wirklich mit dem Gedanken gespielt hatte, mich weg sperren zu lassen. Ohne ihn weiter zu beachten, sah Brian den Direktor scharf an. „Soviel ich weiß, war das nicht der einzige Vorfall. Habe ich Recht? Es ist mir zwar nicht neu, dass manche Schüler sich wegen der hohen Stellung ihrer Eltern einbilden, andere weniger priviliegierte Schüler zu drangsalieren, aber ich hatte gehofft, dass es an solch einer Schule so etwas wie Anstand gibt!“ Der Direktor wirkte nun verlegen und ich fragte mich, was für eine Stellung Brian innehatte, die ihm gestattete so mit ihm zu sprechen. Auch Jennas Vater schien sich das zu fragen. Fragte sich wohl ob Brians Stellung höher war als seine eigene. Dabei fragte ich mich wiederum, was für ein hohes Tier Jennas Vater war. So wie er sich aufführte musste er wohl ein Politiker sein oder sowas. Jemand, der das Wohl seiner Familie über das der anderen stellte. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie diesem Benehmen, egal von welchem Schüler oder Schülerin auch immer, Einhalt gebieten. Stellung hin oder her. Und dass Sie der Tochter dieses Mannes nicht minder gerechtfertigte Strenge zuteilwerden lassen, als meiner Ziehtochter!“, fuhr er unbeirrt fort. Fügte dann aber mit einer gewissen kalten Härte zu:„ Dennsonst sehen meine Frau und mich mich leider gezwungen, dieser Schule keinen einzigen Cent mehr zu stiften!“ „Mister Matthews, bitte…das ist doch…!“, versuchte der Direktor die Wogen zu glätten, doch Brian ließ ihn nicht zu ende sprechen. „Hören Sie: Meine Frau hat Ihnen damals eine regelmässige Stiftung nur zugesagt, weil sie so große Stücke auf diese Schule hielt, in die auch sie als Schülerin ging und möchte, dass auch weiterhin diese Schule Menschen hervorbringt, die mit Verwantwortung umgehen können. Und nicht Ihr Geburtrecht aufs schändliche ausnutzen. Denn wo kämen wir hin, wenn jeder macht was ihm passt?“ Damit sah er zu Jennas Vater. „Und was Sie betrifft, Sir? Anstatt die Schuld bei anderen zu suchen, sollten Sie sich fragen, wie Sie ihren Nachwuchs erzogen haben und ob Sie wirklich wollen, dass Ihre Tochter weiterhin solch ein Benehmen an den Tag legt, dass man nur als frevelhaft bezeichnen kann. Als Anwalt sollten Sie doch wissen, dass es für jedes Verbrechen eine Strafe geben muss!“ Ich war beeindruckt. Nicht nur dass Brian es schaffte, jeden der beiden Männer so klein mit Hut runter zu putzen, sondern auch, dass er sich so für mich einsetzte. Okay, die zwischen den Zeilen versteckte Drohung, die Gelder für den Fortbestand der Schule, zu streichen, war wirklich drastisch und kamen einer Erpressung gleich. Aber das zeigte deutlich Wirkung. Das musste man ihm lassen. Er hatte die richtigen Worte gewählt, um jedem den Wind aus den Segeln zu nehmen. Welcher Direktor wollte schon die Schließung seines Abreitsplatzes riskieren? Keiner. Und dieser hier war auch keine Ausnahme. „Ich…verstehe und werde sofort die nötigen Maßnahmen ergreifen!“, sagte er. Wandte sich dann an Jennas Vater. „Ich fürchte, dass Sie das akzeptieren müssen, Mister. Da kann ich keine Ausnahme machen!“ Das Gesicht von Jennas Vater lief rot an und ich konnte deutlich auf seiner Schläfe eine Ader pochen sehen. Mit Blicken, die mehr als einen erdolchen konnten, sah er nun Brian an und kämpfte darum, nicht ausfallend zu werden. Er musste wohl oder übel in den sauren Apfel beissen und einsehen, dass er diesen Kampf verloren hatte. „Wie Sie meinen!“, sagte er nur, drehte sich auf dem Absatz um und maschierte aus dem Büro. Der Direktor räusperte sich. „Und was Sie betrifft Miss Chatte und Mister Ginger…muss ich Sie ebenso zur Verwantwortung ziehen. Auch wenn Sie Miss Snyder nur helfen wollten!“ Ich und Joshua hatten dagegen keine Einwände. Klar. Es sollte schon gerecht zu gehen. Nur hoffte ich, dass Jenna und ihre Clique eine wesentlich härtere Strafe bekommen und nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. „Das versteht sich von selbst!“, sagte Brian. „Ihre Eltern werde ich brieflich darüber in Kenntnis setzen, da Sie ja leider nicht im Lande sind, Mister Ginger!“ „Ja, Sir!“, sagte Joshua nur knapp. „Dann wäre das geklärt!“, beendete der Direktor und schien erleichtert zu sein, dass Gespräch endlich und zu seinen Gunsten beendet zu haben. „Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast, Josh!“, sagte ich als wir auf den Flur traten. Ich fühlte mich kaum, dass wir die Tür hinter uns schlossen, erleichtert, dass es noch mal so glimpflich ausgegangen war. Und war immer noch erstaunt, wie sich Brian für mich eingesetzt hatte. Joshua klopfte mir auf die Schultern. „War doch selbstverständlich. Immerhin steckten wir beide drin!“ Ich war kurz davor ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Hielt mich aber zurück. Zum einen weil wir nicht allein waren und zum anderen weil dass ziemlich unangebracht wäre. Josh war nur ein Schüler, der nur rein zufällig in die gleiche Sache verwickelt war, wie ich und der ebenso herausfinden wollte, was hier vorging. Wir waren praktisch gesehen Verbündete. Aber keine Freunde. Auch wenn er mit mir flirtete und ich ihn…Josh nannte. Noch bevor ich mir genauer darüber Gedanken machen konnte, unterbach mich Brian. „Würdest du uns bitte entschuldigen. Ich muss noch etwas mit Ihr klären?“ „Natürlich, Sir. Und danke, dass Sie sich für uns eingesetzt haben!“, sagte Joshua. Nickte höflich. Brian erwiderte dieses und zeigte sogar ein schwaches Lächeln. Mir warf Joshua noch einen kurzen Blick zu, dann ging er. Nun war ich allein mit Brian. Und ich rechnete schon damit, mir von ihm eine enorme Standpauke zu erhalten. Ich konnte es förmlich körperlich spüren. Wie als würde hinter meinem Rücken ein Feuer brennen und die Hitze sich in meinem Körper einbrennen. Immerhin habe ich mich nicht gerade unauffällig verhalten und so alle Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Noch dazu musste Brian einschreiten, damit ich nicht von der Schule flog. Denn ich war mir sicher, dass hätte mir geblüht, wenn er nicht gewesen wäre und hätte alles damit zunischte gemacht. „Ich glaube, ich muss dir nicht sagen, dass das ziemlich riskant von dir war!“, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. Nein, diesen Teil hatte Erik schon übernommen. Kaum dass ich das Licht gelöscht und ins Bett gelegt hatte. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, als wäre er so etwas wie Jimmy, die Grille aus „Pinocchio“ „Hast du denn noch mehr erfahren können. Wer alles an der Sache beteiligt ist?“ Wieder schüttelte ich den Kopf. „Ich konnte nur ihre Stimmen hören, aber nicht sehen wer oder viele es sind!“ „Sie sprachen über eine Geburtstagsparty. Ich bin mir sicher, dass sie das nutzen wollen, um sich die restlichen Schüler zu schnappen!“, sagte ich dann. Um zu zeigen, dass ich immerhin etwas erfahren habe. Brian schwieg. Nickte dann. „Das ist schon mal was. Bleibt nur die Frage, wann diese Party stattfindet!“ „Wie werdet Ihr denn vorgehen? Ich meine, wie wollt Ihr verhindern, dass eins dieser Dinger entwischt?“ „Wir haben da so eine Idee!“, erklärte er und ein siegesreiches Lächeln huschte über seine Lippen. Ich wollte schon fast darauf drängeln, dass er es mir sagte. Aber eine Stimme sagte mir, dass das keine gute Idee war. Denn immerhin könnte man uns belauschen. So lief ich schweigend neben ihm her. Das einzige, was er mir sagte, mit dem ich wohl was anfangen sollte, war: „Sorg einfach nur dafür, dass ein Feuer ausbricht!“ Daraufhin sah ich Brian irretiert an. Ist das sein Ernst? „Ich soll die Schule abfackeln?“, flüsterte ich. Brian hob die Brauen und kurz glaubte ich sogar dass seine Mundwinkel nach oben zuckten. War das ein Lächeln? „Nein. Nur etwas in Brand stecken. Einen Vorhang oder einen Stuhl. Den Rest machen wir!“ Dies schien mich nicht gerade zu beruhigen. Was wenn etwas schief ging und das Feuer außer Kontrolle geriet. Ich konnte es deutlich vor mir sehen. Wie ich ein Feuer legte und damit alles in Schutt und Asche legte. Mitten drin unzählige verkohlte Leichen. Inklusive mich. Eisige Kälte erfasste mich. Ich wollte gerade Einwände erheben und fragen, ob es vielleicht eine andere Möglichkeit gab, als ich vorne eine der Schülerin stehen sah, die im Gang stand und Zettel an Vorbeigehende verteilte. Kaum dass sie mich sah, lächelte sie und reichte mir ebenso ein Zettel. Als ihr Blick jedoch auf Brian fiel, der immer noch neben mir herging, verging ihr dieses und trat einen unsicherenSchritt zurück. „Guten Tag, Mister!“, sagte sie, drehte sich dann um und machte sich aus dem Staub. Ich sah ihr verwirrrt nach. Okay. Brian konnte wirklich jemandem Angst einjagen aber so zum Fürchten sah er nun auch wieder nicht aus. Während ich der Schülerin noch nach sah, hatte sich Brian nachvorne gebeugt und einen Blick auf den Zettel geworfen. „Wenn das kein Zufall ist!“, hörte ich ihn sagen und wandte mich nun ihm zu. Vielmehr dem Zettel und als ich las, was darauf stand, kam ein überraschter Laut mir. In sauberen Buchstaben stand da: „Du bist herzlichst zur Geburtstagsparty am kommenden Freitag eingeladen!“ Diese einfachen Worte vermochten es, mich völlig zu überrumpeln. Eben noch habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich herausfinden sollte, wann die Veranstaltung stattfindet und nun hatte ich die Lösung praktisch in der Hand. Es war beinahe so als wollte mir jemand zu Hilfe kommen. „Jetzt wissen wir, dann die Party steigt!“, sagte er. Ich lag in der folgenden Nacht wach. Ich wusste einfach nicht was ich mehr empfinden sollte. Erleichterung, weil wir das ganze endlich beenden konnten oder eher unschlüssigkeit, da ich einfach keinen Schimmer hatte, wie ich das Feuer legen sollte. Ganz zu schweigen warum. Wollen sie etwa diese Dinger ausräuschern? Zusammen mit denen, die noch nicht infiziert sind. Das wird sicher nicht einfach. Da das eine Party ist, werden auch sicher einige Lehrer dabei sein, die das ganze beaufsichtigen werden. Wie sollte ich mich da heimlich davon schleichen und ein Feuer legen. Ich spielte in meinem Kopf alles durch und stellte dabei fest, dass es in meinen Gedanken viel leichter aussah als es in der Realität war. Sich einfach kurz davon schleichen und wie Brain sagte, einen Vorhang oder einen Stuhl in Brand stecken, würde sicher auffallen. Man würde mich erwischen. Und alles wäre umsonst gewesen. Aber da gab es noch etwas, was mich nicht schlafen ließ. Gweny und Josh. Sicher haben sie auch eine Einladung erhalten. Und wenn ich nichts tue, werden sie auch… Ich musste sie in Sicherheit bringen. Vielleicht konnte ich sie überreden nicht hin zu gehen. Moment…Was hieß hier vielleicht? Ich musste sie überereden! Gleich morgen werde ich sie dazu drängen. Wenn es sein muss auch mit Gewalt. Auf keinen Fall sollten sie eine von denen werden. „Hast du auch eine Einladung bekommen?“, fragte ich am nächsten Tag darauf. Gwen nickte. Natürlich hatte sie eine bekommen. Sicher war die ganze Schule eingladen. Nur sie und Josh wollte ich nicht auf dieser Party sehen. Es reichte schon, wenn ich den Rest davor retten musste. „Du auch?“ „Ja!“, sagte ich und hatte wieder dieses flaue Gefühl im Magen. Was als nächstes kam, würde jetzt sicher nicht leicht sein. Aber da ich ihr die Geschichte aufgetischt habe, dass hier Drogen vertickt wurden und sie diesen Verdacht auch nun teilte, hatte ich dennoch die Hoffnung, dass sie es verstand und keine Widerrede geben würde. „Hör mal, Gweny. Ich möchte, dass du und Josh nicht da hingehen!“ Gwens Augenbrauen hoben sich kurz. Und ich sah die Verwirrung in ihren Augen. Mein Optimissmus geriet ins Schwanken. Aber dann machte Gwen ein nachdenkliches Gesicht, welches dann besorgt wurde. „Oh Gott…du denkst, dass…!“, brachte sie dann hervor und Entsetzen zeigte sich nun auf ihrem Gesicht. Ich hob die Schultern, Sagte aber dann: „ Möglich wäre es. So können sie immerhin haufenweise neue Kundschaft anwerben!“ Mit wurde übel als ich das Wort Kundschaft aussprach. Neue Sklaven wäre der passenste Begriff. Doch ich verkniff es mir. „Wenn es so ist, dann müssen wir das melden!“, sagte Gwen nun entschlossen. Und unter anderen Umständen hätte ich das für eine gute Idee gehalten. Doch leider ging es hier nicht um Drogen. Sondern um Wurmmonster. Und wenn wir diese Party absagen lassen, würden die sich was anderes einfallen lassen. Außerdem stellte ich es mir ziemlich schwierig vor den Direktor davon zu überzeugen. Ohne einen Beweis oder zu wissen, wer hier diese Drogen unter den Mann bringen wollte, würde man uns das nicht abkaufen. Vorallem da das hier eine Eliteschule war, auf der es sicher keine Drogen gab. Schon die Mobbingattacken versuchte man schon unter den Teppisch zu kehren. Drogen wären der absolute Todesstoß. Aber nach allem was Gwen gesagt hatte… Leistungsdruck konnte einem wirklich zum äußersten treiben. Nein. Wir durften nichts dergleichen tun. Ich schüttelte den Kopf. Und erklärte mit dem naheliegendsten:„ Nein. Solange wir nicht wissen, wer dahinter steckt, werden die uns für verrückt erklären. Außerdem…habe ich nicht gerade einen guten Eindruck beim Direktor hinterlassen. Meinetwegen musste er Jennas Dad klarmachen, dass es sein feines Töchterchen dieses Mal nicht so einfach davon kommt!“ „Also willst du das allein durchziehen? Wie?“ „Ich werde das ganze erstmal beobachten. Und wenn ich was Verdächtiges sehe, werde ich was dagegen unternehmen!“ Das klang nicht gerade überzeugt. Selbst ich glaubte das nicht. Wie sollte ich da bitte schön was unternehmen. Ich war schlißelich allein. Und diese Dinger waren…weiß Gott wie viele. „Ich bin doch noch da!“, hörte ich Erik sagen und mein Handgelenk wurde warm. Ich lächelte in Gedanken. Gwen schien sich nicht sicher zu sein. Ich sah ihr deutlich an, dass es ihr schwerfiel, mich allein damit zu lassen. Dabei wollte ich sie wirklich nicht dabei haben. Nicht nur weil sie in Gefahr wäre. Sondern auch weil sie sich nicht gerade in einem guten Zustand befan. Noch immer zeugte ihr Gesicht von der gestrigen Schlägerei. Der nächste Angriff würde sicher nicht so glimpflich ausfallen. Und ich konnte mir außerdem ziemlich gut vorstellen, dass man sie als menschliches Schutzschild gegen mich benutzen würde. Ich fasste sie an den Händen und drückte sie. „Gwen, bitte. Geh nicht auf diese Party. Ich habe ein verdammt mieses Gefühl dabei. Und sollte ich mich irren, dann werde ich das wieder gut machen!“, redete ich auf sie ein. Gwen überlegte noch kurz. Kaute auf der Unterlippe herum. Dann machte sie ein verschmitztes Gesicht. „Mit einer riesigen Portion Schokoladeneis und sündhaft fettiger Schlagsahne?“, fragte sie dann. Ich grinste. „Und mit einer saftigen roten Kirsche obendrauf!“ „Dann werde ich einfach sagen, dass ich Mirgäne habe!“, erklärte sie. „Ist ja schließlich nur eine Party!“ Puh, das wäre geschafft. Froh darüber, dass ich Gwen aus der Gefahrenzone gebracht habe, machte ich mich nun daran auch Joshua davor zu bewahren. Doch leider klingelte es zur nächsten Stunde. Joshua würde ich daher erst wieder in der nächsten Pause sehen. Wen ich aber stattdessen in der Stunde wieder sah, hätte ich am liebsten übersehen. Kaum dass Jenna mich sah, verfinstere sich ihr Gesicht und ich ahnte schon, dass sie sich am liebsten auf mich gestürzt hätte, wenn der Klassenraum nicht so voll mit Schülern wäre. Aber selbst wenn hätte sie mich bestimmt dafür büßen lassen. Sicher würde sie hinter meinem Rücken anfangen irgendwelche Gerüchte über mich zu verbreiten, sobald ich mich setzte. Oder mich mit irgendwas bewerfen, sollte ich es wagen, mich in ihre Nähe hin zu setzen. Die Gerüchte konnten mir eigentlich egal sein. Denn bald würde ich diese Schule sowieso verlassen und dann konnte sie mir gar nichts. Blieb nur die Bewerf-Variante. Und die überwog alles andere. Also beschloss ich mich nach ganz weit vorne zu setzen. Zum Glück war ein Platz frei und ich packte meine Sachen aus. Nach einigen Minuten kam auch die Lehrerin und der Unterricht begann. Während diesem hatte ich Jennas glühendheiße Blicke im Rücken und ich konnte spüren, wie sich mich damit traktierte. Sie hatte wohl die Hoffnung, dass sie mich damit in Brand setzte, wenn sie lange genug mich anschaute. Oder zumindest dass ich unwohl auf dem Stuhl hin und her rutsche. Doch ich versuchte es zu ignorieren und mich dieses Mal zusammen zu reißen. Noch so ein Ding wie gestern und ich war weg vom Fenster. Ich schaute immer wieder auf die Uhr und trieb innerlich die Zeiger an, schneller um das Ziffernblatt zu wandern. Als es dann endlich klingelte, sprang ich auf und wollte gehen. Da hielt mich aber die Lehrerin an. „Miss Chatte und Miss Collins. Bitte bleiben Sie. Es gibt da etwas, was ich Ihnen sagen muss!“ Oh-Oh. Das klang gar nicht gut. Doch ich ließ mir nichts anmerken. Jenna hingegen schien mehr als empört zu sein. Aber auch sie sagte nichts. Sondern warf mir erneut einen bösen Blick zu, als wollte sie sagen:„ Fall tot um!“ „Der Direktor hat mir geute Morgen mitgeteilt, dass es gestern zwischen Ihnen zu einem Vorfall kam und das daher entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollen!“ Wieder ein Todesblich von Jenna. Ich blendete sie einfach aus und konzentrierte mich ganz auf die Lehrerin. „Da nun bald eine Party stattfindet, auf die Sie sicher hingehen wollen, hat man sich darauf geeinigt, Ihnen die Wahl zu lassen. Entweder Sie erklären sich bereit Esther in der Bibliothek zu helfen und somit auf die Party gehen zu dürfen oder Sie verzischten völlig, dieser bei zu wohnen!“ Kaum hatte sie das gesagt, klappte uns beiden die Kinnlade hinunter. Zuerst dachte ich:„ Oh nein!“ Aber dann ging mir:„ Ernsthaft!“, durch den Kopf. Dass sollen diese sogenannten Maßnahmen sein? Ich hätte jetzt erwartet, dass sie uns dazu verdonnern würden zigmal was an die Tafel zu schreiben oder Extrarunden auf dem Sportplatz zu laufen. Aber das? Das war ein Witz und ich musste nicht lange überlegen. „Bibliothek!“, sagte ich bloss. Jenna schien hingegen etwas länger zu brauchen. Zu arbeiten schien ihr wohl zu wider zu sein. Sie hatte sicher noch nie einen Finger krum gemacht. Wurde immer von Daddy verhätschelt. Arrogantes Prinzesschen! Und ihre Einstellung was das Arbeiten betrifft, schien hierbei die Oberhand zu gewinnen. Mit einem letzten vernichtendem Blick zu mir, presste sie zwischen den Zähnen hervor:„ Wer will schon auf diese bescheuerte Party gehen!“ Dann rauschte sie davon. Die Bibliothek war so gut wie leer. Gleich nach dem Unterricht sollte ich hierher gehen und mich bei der Bibliothekarin melden. Diese war eine Frau in den vierzigern, hatte hochgesteckte Haare und eine randlose Brille saß ihr auf der Nase. Sie trug ein geblümtes Kleid, was durchzu vieles waschen, ausgeblichen war und darüber eine graue Strickjacke. Als sie mich sah, sah sie mich über ihre Brille hinweg an. Wollte wohl prüfen ob ich arbeiten konnte. Ich straffte die Schultern und setzte ein eifriges Gesicht auf. „Guten Tag. Ich soll Ihnen hier helfen!“, erklärte ich. Esther nickte. „Das wurde mir bereits gesagt!“, schnarrte sie. „Dann komm mal mit!“ Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, liegen gelassene Bücher ein zu sammeln, sie auf das Wägelchen zu legen, das Esther vor sich hin schob. Sie dann zu Stapeln zu sortieren und sie dann in die entsprechenden Bücherschränke ein zu sortieren. Anschließend sollte ich den Müll einsammeln, den einige Schüler liegen gelassen hatten und in einen Plastiksack werfen. Dabei fragte ich mich, ob es hier an dieser Schule keine Putzfrau gab. Solch eine alte ehrwürdige Schule und dann sowas. Doch ich sagte nichts und erledigte die Aufgaben, die mir Esther gab. Es dämmerte als alles endlich erledigt war. Und ich war schon etwas geschafft. Dass ständige Leiter hochsteigen und runtersteigen ging wirklich in die Muskeln. Sowohl der Arme als auch der Beine. Mit einem Seufzen zog ich den Müllsack zu und stellte ihn raus auf den Gang. Esther schien nichts gegen meine Arbeit aus zu setzen zu haben, denn sie zeigte, zum ersten Mal in den ganzen Stunden, ein zufriedenes Lächeln und nickte auch. Offensichtlich war ich die erste, die die Arbeit hier wirklich ernst nahm. „Kann ich noch etwas helfen?“, fragte ich aus reiner Höfflichkeit. Esther schüttelte den Kopf. Somit war meine Schuld getilgt und ich konnte gehen. Da ich natürlich den Rest des Tages in der Bibliothek verbrachte, hatte ich natürlich nicht die Gelegenheit, Joshua zu sprechen. Dabei hatte ich gehofft, dass Joshua sich in dieser blicken lassen würde. Aber vermutlich hatte er selbst genug um die Ohren. Außerdem woher sollte er wissen, dass ich hier war. Und sicherlich war er schon längst in seinem Zimmer und saß über einigen Büchern gebeugt. Da wollte ich ihn nicht stören. Also musste ich erst morgen warten, dabei brannte es mir förmlich auf der Seele auch Joshua davor zu warnen, auf diese Party zu gehen. Hin und her gerissen was ich tun sollte, ging ich den Flur entlang und wog pro und Contra ab. Wenn ich jetzt zu ihm ginge, könnte ich es gleich hinter mir bringen und die Nacht ruhig schlafen. Aber wenn er jetzt keine Zeit oder gar den Kopf dazu hatte, wollte ich ihn auch nicht stören. Joshua schien die Schule ernst zu nehmen. Im Gegensatz zu manch anderen hier. Da wollte ich ihm keine Probleme machen. Ich nahm mir vor, mit ihm zu reden, sobald er mir morgen über den weg läuft. Vielleicht hatte er auch eine Idee, wie man hier ein Feuer legen konnte. Der Gedanke war schon etwas verrückt. Spukte mir aber trotzdem durch den Kopf. Ich musste ihn ja nicht direkt fragen, sondern könnte es indirekt ansprechen. In meinem Kopf formelierte ich einige dieser indirekten Fragen. Was passiert eigentlich, wenn ein Feuer ausbricht? Welche Feuerschutzmaßnahmen werden dabei ergriffen? Werden die Türen automatisch verschlossen? Wo liegen die Fluchtwege? Sind sie gut zu erreichen? Wenn man ein Feuer legen will, wo und wie sollte man das am besten machen? Nach und nach wurden die Fragen doch irgendwie direkt und ich seufzte. Großartig! Ich hatte eine Aufgabe und wusste nicht, wie ich diese erfüllen konnte. Es war als liefe ich nun gegen eine Wand, nach dem der Weg für mich auf einmal so klar zu sehen war. „So ein verdammter Mist!“, flüsterte ich. „Mach dir nichts draus. Ich musste auch bei der alten Miesepeterin strafarbeiten!“ Komischerweise erschreckte ich dieses Mal nicht als Joshua neben mir auftauchte. Ich hatte mich wohl daran gewöhnt, dass mich jemand aus heiterem Himmel ansprach. „Es war ja nicht so schlimm!“, sagte ich und lächelte etwas. Dieses verging mir allerdings, da ich mich erinnerte, was ich mir noch vor wenigen Minuten vorgenommen hatte. „Sag mal, Josh. Hast du auch eine Einladung bekommen?“, fragte ich vorsichtig. Auch Joshue nickte. Das wunderte mich nicht. „Und du?“ Nun nickte ich. „Gehst du hin?“, fragte er weiter. „Nein…ich meine…vielleicht…!“, kam es zögernd von mir. „Und du?“ Josh hob die Schultern. „Ich weiß nicht. Eigentlich bin ich nicht der Typ für solche Partys und ich kenne die meisten Leute, die hingehen, nicht. Ich werde mir sicher ganz verloren vorkommen!“ Etwas Hoffnung stieg in mir auf. Wenn das stimmte, würde ich nicht viel Überzeugungskraft brauchen, um ihm von dieser Party fern zu halten. „Und warum willst du vielleicht hingehen?“ „Naja…!“ Ich trat von einem Fuß auf den anderen und kaute auf der Unterlippe herum. „Ich…du erinnerst dich doch sicherlich an unser kleines nächtliches Abenteuer?“, begann ich nun und ein Schatten huschte über Joshs Gesicht. Und wie er sich daran erinnern konnte. Er schien allmählich eins und eins zusammen zu zählen. „Moment. Du denkst, dass Sie ernsthaft bei dieser Party…?“ „Wieso nicht? Wir haben es ja schließlich gehört und ich kann mir keinen besseren Zeitpunkt vorstellen!“ Das schien Josh ebenso ein zu leuchten. Auf seiner Stirn zeigten sich teife nachdenkliche Falten. Dann sagte er etwas, was mir den Boden unter den Füßen weg zog. „Wenn das so ist, sollte ich doch liebe auf der Party sein!“ „Nein!“, platzte es aus mir heraus. Viel zu laut, als dass man es überhören konnte und selbst in meinen Ohren klang es ziemlich hysertisch. Josh sah mich geschockt an. Hatte wohl nicht gedacht, dass ich so laut werden konnte. Ich kam mir sogleich etwas dumm vor. Das hätte man auch anders machen können, schalt ich mich. Ich räusperte mich und sagte leise:„ Ich halte das für keine gute Idee. Ich habe bereits Gwen das ausgeredet, weil ich nicht will, dass ihr was passiert. Und auch dir nicht!“ Kaum hatte ich das gesagt, zeigte sich ein schelmiches Grinsen auf einem Gesicht. Er beugte sich vor und sah mir tief in die Augen. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du mich gern hast!“, flüsterte er und wackelte verschwörerisch mit seinen Augenbrauen. Das sah so komisch aus, dass ich ein kurzes Kichern nicht unterdrücken konnte. „Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du ständig versuchst mit mir zu flirten!“, erwiderte ich dann. „Vielleicht!“, sagte er. Für einen kurzen Moment gefiel mir der Gedanke, dass Josh wirklich Interesse an mir hatte. Nicht weil er in mir eine Art Trophäe sah, die er seinen Freunden zeigen konnte. Sondern weil er mich als Freundin wollte. Die Vorstellung nahm die Form einer Seifenblase an und schwebte vor mir her. Darin konnte ich es seutlich sehen. Wie ich und Josh nebeneinander liefen und spazieren gingen. Wie wir uns verabdeten. Ins Kino gingen, in einem Restaurant etwas aßen. Wie ich ihn meinem Vater vorstellte und dieser es sich sicher nicht nehmen ließ, ihm peinliche Fragen zu stellen. Ich würde mir dabei vor lauter Verlegenheit wünschen, im Boden zu versinken. Aber dennoch wäre ich glücklich. Glücklich darüber, dass ich nicht allein war. Glücklich, dass ich einen Freund hatte. Glücklich, dass ich ein Leben hatte. Ein normales Leben. „Ashley? Stimmt was nicht?“ Plopp! Die Seifenblase zerplatzte und so wurde ich aus diesem Tagtraum gerissen. Ein kleiner Teil von mir trauerte ihm nach. Ein andere wiederum zischte mir zu, dass ich mir keine Luftschlösser bauen sollte. Dass ich niemals solch ein Leben führen konnte. Denn dafür war es zuspät. In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Ich zwang diesen hinunter und nickte. „Ja!“, sagte ich und war erschrocken wie krächzend meine Stimme klang. „Geh nicht auf diese Party. Bitte. Ich bitte dich!“ Mir war klar, wie das klang. Es klang nach einer verzweifelten Frau, die sich das schlimmste ausmalte. Aber ich wollte wirklich nicht, dass auch noch Josh infiziert wird. Josh sah mich noch einige Minuten unsicher an. Ich konnte ihm deutlich ansehen, dass er nur ungern meiner Bitte nachkam. Aber dann schien er sich zu besinnen und er nickte. Ich atmete innerlich auf. Das wäre geschafft! Am Tag vor der Party, schickte mir Fay ein Paket. Ich dachte zuerst, dass es sich hierbei um Waffen handelte, mit denen ich mich zur Wehr setzen konnte. Als ich es dann aber öffnete, das weiße Seidenpapier beiseite schob und den roten Satinstoff zu sehen bekam, wollte ich schon glauben, dass es sich hierbei um einen schlechten Witz handelte. Um sicher zu sein, dass nicht doch unter dem Stoff so etwas wie Messer oder sowas versteckt waren, nahm ich das Kleid mit spitzen Fingern raus und hob es hoch. Nichts! Nur Karton! Naja, fast. Als ich das Kleid hochgehoben hatte, war eine kleine Karte runtergeflattert und lag nun verloren in der leeren Schachtel. Vorsichtig legte ich mir das Kleid über den Arm und nahm die Karte raus. In elegantgeschwungener Schrift, die zweifellos Fay gehören musste, stand da:„ Damit kämpfen und tanzen kannst!“ Dahinter prankte ein Zwinker-Smiley. Ha-ha. Sehr komisch. Mit zweifelnder Miene schaute ich mir das Kleid nochmal an. So gesehen war es schon ein schönes Stück. Der Stoff fühlte sich wunderbar weich zwischen meinen Fingern an. Es war sehr schlicht. Ohne irgendwelche übertriebenen und unnötigen Verzierungen. Dennoch war es hübsch. Und wenn Fay mir schon sowas schickte, wieso nicht. Auch wenn ich für den anstehenden Kampf etwas anderes, prakterisches angezogen hätte. Eine Hose und eine Bluse zum Beispiel. Kaum hatte ich das gedacht, schon sah ich, dass in der Ecke der Karte noch etwas geschrieben stand. Neugierig las ich auch diese und musste grinsen. „Es dient nur der Tarnung!“ Okay, das war ein gutes Argument. Neugierig, wie das Kleid wohl an mir aussah, zog ich meine Uniform aus und streifte es dann über. Wo der Stoff des Kleides sich schon vorher an meinen Fingern gut angefühlt hatte, hatte ich nun das Gefühl, als sei das Kleid wie eine zweite Haut. Es schmiegte sich wunderbar an mich, ohne mich ein zu engen. Mit klopfendem Herzen trat ich nun an den hohen Spiegel und war beeindruckt. Zwar war ich wirklich nicht eitel. Und ich bildete mir nichts darauf ein, wenn ich mal gut aussah. Aber als ich in den Spiegel schaute, verschlug es mir die Sprache. Das Kleid hatte einen weitgeschnittenen Rock, der einen halben Milliemeter über meinen Knien endete und sodass ich ohne Probleme Treten oder springen konnte. Gehalten wurde es von zwei Trägern, die meine Schultern nur teilweise bedeckten. Fay hatte wirklich ein Händchen was Mode anging. Das war mir schon vorher aufgefallen. Und ich hatte sie immer etwas beneidet, weil sie immer in allem gut aussah, was sie trug. Nun aber sah ich genauso gut aus. Ich fand es schon schade, dass ich es am Abend tragen sollte, bei dem ich diesen Wurmmonstern in den Hintern treten würde. War versucht, es wieder in die Schachtel zu packen und an Fay zurück zu schicken. Gerade wollte ich dieser Versuchung nachgeben, als Gwen herein platzte und mich so sah. Ihre klappte die Kinnlade hinunter und ihr traten fast die Augen aus den Höhlen. „Wooooowww!“, sagte sie gedehnt. Meine Wangen begannen sofort zu glühen. Verlegen drehte ich mich von ihr weg. „Mach die Tür zu. Es zieht!“, sagte ich. Gwen schloß sofort die Tür und umkreiste mich. Sah immer noch aus als hätte sie der Schlag getroffen. „Würdest du bitte aufhören, mich so an zu starren. Da kriegt man ja Angst!“ Gwen blinzelte, schloß den Mund und schüttelte dann den Kopf. „Sorry. Aber…aber ich war echt geschockt!“, sagte sie. „Woher hast du dieses scharfe Teil?“ „Meine…Schwester hat es mir geschickt!“ Fay als meine Schwester zu sehen, war ebenso so seltsam wie Brian und Esmeralda als meine Zieheltern zu sehen. Aber irgendwie würde ich sie schon gerne als meine Schwester sehen. Sie hatte immerhin genauso ein schräges Leben wie ich und schien mich daher sehr gut zu verstehen. „Wow, deine Sis hat echt Geschmack!“, sagte Gwen anerkennend. Dann legte sie den Kopf schief und sah mich mit schmalen Augen an. „Eigentlich sollte ich dich jetzt hassen!“ Ich schluckte als ich das hörte. So wie sie das sagte, meinte sie das verflucht ernst. „Wie-wieso?“ „Na, du gehst auf diese Party, in diesem totschicken Kleid und ich soll in meinem Zimmer bleiben. Das ist schon etwas unfair!“ Da stimmte ich ihr zu. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich ebenso sauer sein. Aber es diente nur ihrer eigenen Sicherheit und das wollte ich erneut einschärfen. „Ich weiss. Und es tut mir auch leid. Aber das alles mache ich nur, um diesen Dreckkerlen das Handwerk zu legen!“, sagte ich inständig. Gwens schmale Augen wurden sanft. Und sie nickte. „Ja, das weiss ich auch. Nur versprich du mir, dass du auch vorsichtig sein wirst!“, kam es besorgt von ihr. „Sicher haben die Waffen oder sowas!“ Das dachte ich auch. Und je länger ich daran dachte, dass es morgen schon soweit war, umso nervöser wurde ich. Vorher konnte ich es nicht abwarten, endlich aktiv zu werden. Aber nun… Ich nahm Gwen in die Arme, um sie und auch mich zu beruhigen. Es wird schon gut gehen…es wird schon gut gehen, redete ich mir ein und strich ihr über den Rücken. „Es wird schon gut gehen!“, versprach ich ihr. Schon von weitem konnte ich den Bass spüren, der in der Musik mitschwang und den Boden unter meinen Füßen zum Beben brachte. Doch neben diesem spürte ich den eigenen Beat meines Herzens, das in meiner Brust raste und gegen meine Rippen hämmerte. Ich zwang mich zu einem ruhigen, gleichmässigem Schritt. Dabei war mir alles andere als ruhig zu mute. Nur noch wenige Schritte, dann würde ich in dem großen Speisesaal sein, der für diese Nacht zum Partysaal umfunktioniert war. In der Höhle des Löwen. Oder vielmehr die Höhle der Würmer! Ich sah schon einige der Schüler, ebenso in schicker Abendkleidung vor der Türe stehen und sich unterhielten. Als ich näher kam und sie mich dann bemerkten, hielten sie nun in ihrer Unterhaltung inne und sahen mich wie Gwen zuvor mit tellergroßen Augen an. „Hey!“, sagte ich nur und ging an ihnen vorbei. Drinne herrschte die reinste Partystimmung. Überall tanzten und lachten die geladenen Gäste, während eine Band auf der provisorischen Bühne aus Plattenholz einige Stücke spielte, die ich kaum erkennen konnte, bei der Lautstärke und den darunter gemischten Bässen. Aber das war jetzt auch nicht weiter wichtig. Ich schob mich durch die wogende Menschenmenge und suchte mit den Augen eine geeignete Stelle, an der ich mein kleines Feuer legen konnte. An den Seiten des Saals hatte man Tische aufgestellt, auf denen Getränke und verschiedene Snacks aufgedeckt waren. Mir wurde schlecht als ich das Büffet sah und beim Gedanken, dass in diesem irgendwelche Eier versteckt waren. Zu meinem Entsetzen sah ich, dass sich einige darüber hermachten. Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn ich jetzt handelte, könnte ich einige von ihnen davor bewahren… Nein. Wenn ich jetzt etwas Unüberlegtes tat, würde ich damit alles über Bord werfen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es zu zulassen. Konzentierte mich weiterhin darauf eine stille Ecke zu finden, in die ich mich verrkümmeln konnte. Und fand sie auch sogleich. Ein dunkelblauer Vorhang, der mit Glitzersternen bestickt war, war hinter der Bühne aufgehängt und dahinter wiederum war ein Abstand zwischen diesem und er Wand breit genug, um dahinter zuschlüpfen. Wenn das hier kein glücklicher Zufall war! Kurz schaute ich zu der Menge, die wohl nichts mit bekommen hatte, dann huschte ich auch schon hinein. Hinter dem Vorhang war der Partylärm nur noch dumpf zu hören. Und kaum heller als dämmerlicht. Langsam atmete ich ein und holte dann ein Feuerzeug hervor, das mir wiederum Gwen verschafft hatte. Auf meinen fragenden Blick hin, sagte sie mit einem verschwörerischen Augenzwinkern:„ Sollte man immer dabei haben!“ Ich drückte dem kleinen, unscheinbaren Ding einen Kuss auf das Platikgehäuse. Dankte in Gedanken Gweny und übte Druck auf das kleines Rädchen aus, mit dem ich das flüssige Gas darin entzünden konnte. Es zischte und klickte und einige Funken stoben auf. Doch keine Flamme. Ich stieß einen Fluch aus und mühte mich weiter damit ab. „Komm schon, du Scheissding!“ Tssschik…tssschik…tssschik… Immernoch noch nichts. Wieder eine Wand, gegen die ich lief. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Tssschik…tssschik…tssschik… Ich wollte gerade einen frustierten Schrei von mir geben, als ich Eriks Warnung höre. „Hinter dir!“ Doch es war zu spät. Eine Hand legte sich mir auf Schulter und auf Mund und erstickte meinen Schrei. „Man, ist das schwer!“, beschwerte sich Fay, die einen großen Sack hinter sich her zog, während sie ihrem Bruder um das Schulgebäude folgte und zum kleinem Häuschen kam, in dem die Wasserversorgung untergebracht war. „Wieso muss ich den schleppen!“ Lex grinste süffisant. „Weil ich der Kopf und du der Muskel bist, bei diesem Vorhaben!“, erwiderte er. Fay schnaubte abfällig. „Von wegen. Du bist einfach nur stinkfaul!“ Endlich hatten sie das Häuschen erreicht und Lex öffnete die Tür mithilfe eines Dietrichs. „Okay. Hier drüben!“, sagte Lex und leuchtete mit der Bleistifttaschenlampe auf einen großen Metallzylinder, von dem viele Rohre abgingen. Lex klempte sich diese nun zwischen die Zähne und drehte das Rad herum, um den Deckel zu öffnen. Fay öffnete den Sack und wuchtete ihn dann vorsichtig hoch. Als Lex den Zylinder aufgemacht hatte, schüttete sie den Inhalt hinein. Nach und nach leerte sich dieser und als nichts mehr in ihm war, warf sie den Sack achtlos auf den Boden. Lex verschloss den Zylinder und schraubte den Deckel zu. „Denkst du das reicht?“, fragte Fay dann ihren Bruder zweifelnt. „Hast du dich nicht eben noch beschwert, dass dieser Sack allein zu schwer für dich ist?“ „Du weisst genau, was ich meine. Was wenn das nicht reicht und wir diese Viecher nicht erledigen?“ „Fay, wir haben genug Salz reingeschüttet, um ein ganzes Fussballfeld von Schnecken zu befreien!“, sagte Lex. Fay machte ein verkniffenes Gesicht. „Wir?“ „Du!“, korregierte Lex entnervt. „Lass uns lieber hoffen, dass die kleine Katze ihren Teil des Job macht!“ „Nicht schreien. Ich bins es!“ Joshua! Irgendwie scheint es ein Running Gag zu sein, dass er plötzlich auftauchte und mich erschreckte. Und es nervte. Doch mein Ärger verflog schnell und machte Entsetzen platz. Ich zog seine Hand von meinem Mund weg und sah ihn fassungslos an. „Was zur Hölle treibst du hier?“, flüsterte ich. „Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt!“ „Ich konnte dich doch nicht allein lassen!“, erwiderte er. Für einen kurzen Moment wollte ich mit den Fäusten auf ihn einschlagen. Ihn sagen, dass das absolut unnötig ist. Dass ich auf mich allein aufpassen konnte. Aber ich freute mich auch irgendwie, dass er mir helfen wollte. Dennoch wollte ich ihn aus der Schusslinie haben. „Josh. Das ist eine Nummer zu groß für dich!“, redete ich auf ihn ein. „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann tu nichts leichtsinniges und halte dich im Hintergrund!“ „Und dich alleine gegen diese Typen lassen. Forget it!“ „Josh. Ich werde mit dir nicht weiter diskutieren. Wenn es sein muss, fessel ich dich sogar!“, drohte ich ihm. „Vertrau mir. Ich habe einen Plan!“ „Und wie sieht dieser Plan aus?“ Tja, wie sah mein Plan aus? Eine ziemlich gute Frage, auf die ich leider keine Antwort hatte. Es hatte keinen Sinn ihm was vor zu flunkern. Hilflos hob ich die Schultern. „Ich improvisiere!“ Josh sah mich zweifelnt an. Das konnte ich sogar in dieser Schummrigkeit sehen. „Bitte. Geh da jetzt raus und steh Schmiere!“ Ich wollte ihn schon raus schieben, da hielt ich inne und hielt ihm das Feuerzeug hin. „Aber kannst du mir bitte vorher noch Feuer geben?“ Josh gab ein Laut von sich, was wie ein unterdrücktes Glucksen sein musste, nahm das Feuerzeug und-oh Wunder-es funktionierte. Eine kleine Flamme tanzte auf und nieder. Ich warf Josh einen dankbaren Blick zu. Er wurde so eben zu meinem Retter in letzter Not. „Josh…du bist einfach…!“ „Schon okay!“, sagte er nur und winkte ab. Dann schien er erst richtig zu bemerken, wie ich aussah und er pfiff durch die Zähne. „Du siehst umwerfend aus!“ Ich wurde wieder rot und senkte den Blick. Diese ganze Situation war so absurd. Draußen feierten Schüler. Mitten unter ihnen Wurmmonster, die nur auf den passenden Moment wartete, über die Feiernden her zu fallen und ich… Ich stand hier mit einem Jungen hinter der Bühne, in der Dunkelheit. Nur mit einem angezündeten Feuerzeug und in einem Kleid, in dem er mich umwerfend fand. Wirklich romantisch. Ich wollte schon beinahe darüber lachen und Witze machen. Lust auf ein Tänzchen, während draußen die Hölle losbricht? Ich hatte wieder diesen dicken Kloß im Hals. Reiss dich zusammen, Mädchen. „Hör auf damit!“, gab ich erstickt von mir. „Jetzt ist nicht der passende Zeitpunkt!“ Josh schien das ein wenig zu treffen. Schließlich wollte er mir nur ein Kompliment machen. Doch hier stand einiges auf den Spiel und es sollte nicht schiefgehen, nur weil hier die Hormone verrückt spielten. Betreten nickte er. Schien zu begreifen, dass es wirklich kein guter Zeitpunkt war. Gerade wollte er sich umdrehen und gehen, als plötzlich jemand vor uns auftauchte. „Was triebt Ihr hier?“ Josh und ich blieben wie angewurzelt stehen und sahen den Mann nur an, der sich vor uns aufgebaut hatte. Ohne Zweifel war er ein Lehrer, der hier die Aufsicht hatte und sicherlich hatte er auch gesehen, wie sich Josh hinter die Bühne schlich. Nun sah er uns hier, im Halbdunkeln und ich konnte mir gut vorstellen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Das nutzte ich. Zärtlich legte ich die Arme um Joshs Hals und zog ihn an mich. „Wir wollten nur etwas für uns sein!“, sagte ich mit Unschuldsmiene. Der Lehrer sah uns mit einem tadeldem Blick an. Offensichtlich hielt er nicht viel davon, wenn sich zwei verliebte Jungendliche an einem stillen Ort trafen und für sich sein wollten. „Das könnt Ihr auch auf ein anders Mal verschieben!“, sagte er. „Raus mit Euch!“ Dann ging er. Josh ging vor. Dabei drehte er sich so, dass sein Rücken mich total verdseckte und mich daher der Lehrer sehen konnte. Schnell holte ich das Feuerzeug wieder vor, was ich noch rechzeitig in den Falten meines Kleides, versteckte, zündete es an und dieses Mal schaffte ich es eine Flamme zu entfachen. Jetzt keine Zeit verlieren. Wenn ich mich nicht beeilte, würde der Lehrer wieder kommen und mich erwischen. Ich hielt die kleine Flamme nahe an den Stoff des Vorhanges. Dabei zitterten meine Finger, so nervös und angespannt war ich. Ich atmete tief durch, ohne dabei das Rädchen los zulassen. Redete auf mich ein. Ganz ruhig…ganz ruhig… Und es schien zu funktionieren, denn das Zittern hörte auf. Einige Sekunden leckte diese nur daran, dann aber bildeten sich kleine Rauchschwaden und ein glühender Punkt breitete sich aus. Der rasch größer wurde. Okay, das wäre geschafft. Jetzt raus hier und sich wieder unter die Menge mischen. Sich nichts anmerken lassen. Schnell steckte ich das Feuerzeug wieder ein und kam hinter der Bühne hervor. Josh schien schon auf mich zu warten und war genauso wie ich nervös. Mit Blicken verriet er mir, dass der Lehrer, der uns erwischt hatte, ganz in der Nähe war. Und uns wohl auch im Auge behielt. Ich trat neben ihn, sodass wir uns leise unterhalten konnten. „Und was jetzt?“, fragte er. Ich schielte zur Bühne und hoffte inständig, dass keiner auf die Idee kam, hinter diese zu gehen und nach dem rechten zu schauen. „Jetzt können wir nur abwarten!“ Aus dem Augenwinkel sah Josh mich irretiert an. „Abwarten? Auf was?“, schien sein Blick förmlich zu sagen. „Vertrau mir!“, flüstere ich ihm zu. Nahm ihn dann an der Hand und führte ihn etwas weiter weg. Auf die Tanzfläche. Auch wenn uns beiden nicht gerade nach tanzen zu mute war. Dennoch wollten wir den Eindruck machen, dass wir hier zum feiern waren. So bewegten wir uns ein wenig steif zum Tackt der Musik und setzten eine Miene auf, die nach Feiern aussehen sollte. Dabei kam ich mir ziemlich blöd vor und hoffte, dass es bald soweit war. Was auch immer es sein würde. „Weisst du eigentlich, dass das ziemlich fies war von dir!“, sagte er dann. Ich presste die Lippen aufeinander. Ja, es war fies von mir, so zu tun als würde ich mit ihm allein sein wollen. Immerhin hatte ich noch vor kurzem gesagt, dass es wirklich nicht gerade der ideale Moment war, um seinen Gefühlen nach zu geben. Was anderes war mir aber nicht eingefallen. Jetzt hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Statt was zu sagen, schaute ich zu Boden und schüttelte den Kopf. „Glaub mir: Ich hätte das nicht gemacht, wenn es anders gegangen wäre!“ „Ich wäre nicht sauer auf dich, wenn du jetzt von mir sonst was denkst!“ „Ich denke gar nichts von dir. Zumindest nichts Negatives. Ich werde allerdings einfach nicht schlau aus dir!“, sagte er. Das tröstete mich ein wenig. Dennoch hatte ich Sorge, dass ich es mir mit ihm verscherzt hatte. Ich mochte ihn schon irgendwie. Aber mehr als Sympathie war es nicht. In seinen Augen war das jedoch wohl ein Zeichen, dass ich mehr von ihm wollte. Und stieß ihn dabei immer wieder von mir weg, nur um ihn dann wieder an mich ran zu ziehen. „Glaub mir. Ich blicke selber nicht durch!“, gab ich zu. „Ich weiss nicht, was ich will!“ Dabei war das nur teilweise gelogen. Ich wollte ein normales Leben führen! Tanzen. Mich verlieben. Aber das schien einfach unerreichbar zu sein. Es war so als würde ich diesem nachrennen, die Hände danach ausstrecken. Doch kaum dass ich näher kam, schien es einen Sprung zu machen und wieder in weiter Ferne zu verschwinden. Ich sollte es aufgeben, ehe es mich noch mehr kaputt machte. „Hey, Ashley!“, rief jemand und ich drehte mich um. Aus dem Getummel kamen Louisa, Karla und Sophie. Sie schienen die Party zu geniessen. Das breite Grinsen und die Becher, die sie in den Händen hielten, sprachen deutlich dafür. Ich lächelte dezent. „Hey, ihr Drei!“, begrüßte ich sie. „Amüsiert Ihr Euch gut?“ „Klar! Und du auch wie man sieht!“, sagte Karle und schaute dabei feixent zu Josh. „Du hast echt Nerven aus Kruppstahl!“, bemerkte nun Sophie. „Wenn Jenna das sehen würde, würde sie dich hier vor allen Augen schlachten!“ Das Thema Jenna kratzte mich in diesem Moment nicht. Die Gefahr, die von ihr ausging schien im Vergleich zu der jetzigen gerade mal so ernst zu sein, wie eine Stubenfliege. „Jenna kann mich in diesem Moment kreuzweise!“, sagte ich daher trocken. Die Mädchen sahen sich an und in ihren Blicke sah ich deutlich, dass ich in diesem Moment ganz schön den Mund aufriss. Aber Jenna war mir sowas von egal. Soll die Alte doch toben und kreischen. Sich auf mich stürzen. Mit ihr werde ich schon fertig. „Wie geht es eigentlich Gwen? Wieso ist sie nicht hier?“, fragte nun Sophie und sah sich um. „Ihr geht es nicht so besonders. Vermutlich hat sie was Falsches gegessen. Ich hielt es für das Beste, wenn sie sich etwas hinlegt und es durchsteht!“, erklärte ich und war erstaunt wie gelassen ich dabei klang. So als würde ich die Wahrheit sagen. Sophie hob die Brauen. „Echt? Als ich aber bei ihr klopfte, habe ich keine Antwort bekommen!“, sagte sie und ich spürte eine eisige Klaue in meinem Nacken. Sie kratzte über meine Haut und hinterließ winzige Eiskristalle, die langsam meinem Rücken hinunterkroch. „Hast…hast du nach gesehen, was mit ihr ist?“ „Natürlich habe ich das. Als ich aber die Tür aufmachte, war sie nicht da!“ „Vielleicht war sie auf der Toilette!“, versuchte ich es, in der Hoffnung, dass es wirklich so war. Dabei stieß ich ein Gebet nach dem anderen aus. Bitte, lass das nicht wahr sein…bitte bitte nicht! „Da habe ich auch nachgesehen. Aber da war sie nicht!“ Sophie schien sich ebenso Sorgen zu machen. Dann war ich nicht allein. „Wir sollten nach ihr suchen gehen!“, meinte Josh, fasste mich an der Hand und wir gingen zusammen mit Sophie Karla, Louisa zur Tür. Sie war nun geschlossen, was mich etwas wunderte. Meine Verwunderung schlug allerdings in Sorge um, als Joshua die Hand darauf legte, um sie auf zu schieben und diese nicht nachgab. Auch Josh war beunruhigt. Er warf mir einen Blick zu, der dann zur Bühne flog. Zum Vorhang. Ich folgte seinem Blick und glaubte schon ein schwaches Glimmen hinter der Bühne zu sehen. Scheiße! Wir saßen in der Falle. Die Türen verschlossen, in mitten von diesen Wurmmonstern und einem Vorhang, der gleich in Flammen aufgehen würde. Und Gwen war spurlos verschwunden! Gwens Schädel dröhnte als sie zu sich kam. Zuerst wusste sie nicht, was passiert war. Wo sie war oder wie sie hierher gekommen war. Alles war wie in einem zähen Nebel und sie brauchte einige Minuten, um diesen zu lichten. Als der dieser sich nun verzog, lief es ihr kalt den Rücken runter und Panik erfasste sie. Jemand hatte bei ihr angeklopft und als sie aufgemacht hatte, knallte etwas Hartes gegen ihren Kopf, vor ihren Augen explodierten Sterne, dann Schwärze… Diese herrschte immernoch. Nur langsam schienen sich ihre Augen daran zu gewöhnen und sie konnte allmählich einige Konturen erkennen. Alte Kisten und Stühle, die aufeinander gestapelt waren. Einige Stützpfeiler, die die Decke hielten. An einem dieser Pfeiler war sie gefesselt und geknebelt. Die Angst schlug immer höhere Wellen und lähmte sie. Wie lange war sie schon hier? Vermisste man sie bereits? Suchte Ashley schon nach ihr? „Oh, bitte…Ashley, hol mich hier raus!“, ging es ihr durch den Kopf. In ihrem Kopf begann es sich zu drehen und vor ihren Augen flimmerte es. Gwen ermahnte sich, ruhig zu atmen. Tief und konzentiert holte sie durch die Nase Luft. Schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. „Ganz ruhig, Gwen. Ganz ruhig. Atme einfach ruhig weiter. Sicher hat Ashley gemerkt, dass ich verschwunden bin!“, beruhigte sie sich. Woher sollte sie das wissen? Sie ist auf der Party und du angeblich in deinem Zimmer und spielt krank! Halt die Klappe, schrie sie sich an. Ashley wird es merken und sie wird nach mir suchen. Sie wird mich finden und hier raus holen! Wie ein Mantra wiederholte sie diese Sätze immer wieder in Gedanken. Und für einen kurzen Moment vermochten diese Sätze es, die Angst ab zu schwächen. Erneut ließ sie den Blick im Raum umher schweifen. Vielleicht fand sie etwas, womit sie sich auch selbst befreien konnte. In einer Ecke entdeckte sie, dass eine Treppe nach oben führte und eine Klappe, die verschlossen war. Gwen stutzte. Das war kein Zimmer. Ihre Finger, die sich ein wenig bewegen konnten, tasteten über den Boden. Er fühlte sich ungewöhnlich kalt und…erdig an. Auch die Luft roch nach Erde. Das wurde ihr erst jetzt bewusst. Treppe nach oben? Eine Klappe? Erdiger Boden? Das war ein Keller. Man hatte sie in einen alten Keller gesperrt. Und der konnte sonst wo liegen. Die Schule und das Gelände waren riesig. Sie konnte sonst wo sein. Gerade noch hatte sie sich Mut zu gesprochen, doch dieser brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Wie zum Teufel sollte man sie hier finden? Gwen war den Tränen nahe. Nur mit Mühe konnte sie diese zurückhalten. Das konnte doch nicht wahr sein. Das ist doch alles nur ein böser Traum. Wach auf Gwen, wach auf! Da holte sie ein Geräusch aus ihrer Verzweiflung und kurz glaubte sie, jemand sei im Raum über ihr. Sie schaute nach oben. Doch durch die Ritzen fiel kein Licht. Sie war allein. Aber woher kam dann dieses Geräusch? War vielleicht jemand hier drin? Gwen, nun völlig von Panik ergriffen, schaute sich gehetzt um. Hatte sich hier jemand versteckt und beobachtete sie nun? Machte es ihm Spaß ihr dabei zu zu sehen, wie sie langsam aber sicher vor Angst den Verstand verlor? Langsam aber sicher mischte sich nun auch Wut in ihre Angst. Irgendwas sagte ihr, dass Jenna wieder mal dahinter steckte. Praktisch die Rache für die Rache. Und dass alles nur weil sie mit Ashley befreundet war und diese wiederum sich gut mit Joshua verstand? Wieso musste sie dafür büßen? Wo war sie da nur hineingeraten? Es wäre das vernünftigste gewesen, sich in Zukunft von Ashley fern zu halten, ging es ihr durch den Kopf. Denn so würde sie vor weiteren Attacken geschützt sein. Sie wollte nicht länger als Zielscheibe für Jennas Bösartigkeit herumlaufen. Sobald sie hier raus kam, würde sie Ashley sagen, dass es so nicht weitergehen kann, und dass es das Beste wäre, wenn sie getrennte Wege gingen. Dabei merkte sie, wie ihr das Herz schwer wurde. Sie hatte Ashley wirklich gern. Auch wenn sie am Anfang den Eindurck hatte, dass Ashley lieber für sich sein wollte. Sie hätte es auch akzeptiert. Aber Ashley wirkte irgendwie so allein und manchmal sogar traurig. Da konnte sie einfach nicht anders, als sich mit ihr an zufreunden. Vorallem weil sie selbst wusste wie es war, allein zu sein. Freunde hatte sie auf dieser Schule schon oft gehabt, aber keine schien wirklich ernsthaft mit ihr befreundet sein zu wollen. Nur weil sie die Tochter einer angesehenen Rechtsanwältin war. Das war der einzige Grund für die Schülerinnen, mit ihr Freundschaft zu schließen. Die Erinnerung daran ließ ihr die Tränen in die Augen kommen und Gwen verdrängte diese. Es war nicht fair Ashley dafür verantwortlich zu machen. Sie konnte genauso wenig dafür, wie sie selbst. Sich darüber Gedanken zu machen würde nichts bringen. Zumindest würde es sie nicht aus dieser Situation bringen. Das einzige was sie konnte, war darauf zu hoffen, dass man sie hier finden würde. Irgendwann werden sie es merken. Spätestens wenn morgen wieder der Unterricht anfängt. Wie spät mochte es wohl jetzt sein? War es draußen schon dunkel? War die Party noch im Gange, oder lagen alle schon in ihrem Bett. Bei dem Gedanken an ihr Bett verspürte Gwen so etwas wie Wehmut. Wie gern würde sie jetzt darin liegen und schlafen, als hier auf diesem dreckigen Boden zu sitzen und vor sich hin zu grübeln. Gwen lehnte den Kopf an den Balken und schaute zur Decke hoch. Versuchte ihre Gedanken auf was anderes zu lenken. Morgen wird sie sich eine große Portion Schokoladenpudding nehmen. Egal was die Köchin sagt. Und dann wird sie Jenna einspeeren. Der zweite Gedanke entlockte ihr ein schwaches schadenfrohes Lächeln. Doch das verschwand, als sie erneut dieses Geräusch hörte und dieses Mal war es lauter und deutlicher zu hören. Es hörte sich an wie ein Klicken. Wie wenn Steine aufeinander fielen. Gefolgt von einem…Schmatzen. Gwens Herz begann wieder zu rasen und vergessen waren die Gedanken an den nächsten Tag. Auch wenn sie nicht wusste, was dieses Geräusch verursacht hatte, ließ es sie dennoch erstarren vor Schreck. Es klang unheimlich, nicht natürlich. Angestrengt starrte sie in die dunkelsten Ecken, in der Hoffnung dem Ursprung dieses Geräusches auf die Spur zu kommen. Dabei wünschte sie sich insgeheim auch, ihn nicht zu finden. Irgendwie fürchtete sie sich davor. Zuerst sah sie erneut nichts, doch dann schien sich plötzlich was verändert zu haben. In einer Ecke, die sie wohl mit den Augen wohl nur überflogen hatte, schien sich nun doch etwas zu befinden. Etwas Unförmiges. Zuerst dachte sie, es seien Steine, die an einfach nur aufeinander gestapelt hatte. Als sie jedoch einige Male blinzelte und genauer hinsah, erkannte sie, um was es sich hierbei wirklich handelte. Eier! Eier? Was zum Teufel machen denn Eier hier? Und wie sind Sie hier her gekommen? Gwen wollte schon glauben, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte. Sicher spielte ihr Verstand vor lauter Panik einen Streich. Ja, so musste es sein. Aber als sie noch einma hinsah, musste sie feststellen, dass sie sich das nicht eingebildet hatte. Diese Eier waren wirklich da. Es mussten ungefähr sechs oder acht sein. Und sie waren ungewöhnlich groß. Und was Gwen noch mehr ins Auge stach, war, und das ließ Gwens Herz stocken, der Riss, der sich durch die Schale von einem der Eier entlang zog. Gwens Augen weiteten sich und sie hatte nur einen Gedanken: Etwas war in diesen Eiern und dieses Etwas war gerade dabei zu schlüpfen! „Darf ich um Eure Aufmerksamkeit bitten!“ Die Stimme holte mich aus meinen konfusen, panischen Gedanken und ich drehte mich zur Bühne herum. Wie durch Milchglas sah ich, wie auf dieser ein Mann stand, der feierlich die Arme ausgestreckt hatte und in die Menge grinste. Ich konnte ihn nur schwer einordnen. Sicher ein Lehrer. Zumindest sah er so aus. Streng zurück gekämte Haare, ordentlicher Aufzug. Und ziemlich steif. Außerdem machte er nicht den Windruck als würde er hier für die Aufsicht zu ständig sein. Sondern viel mehr als Zeremonienmeister auftreten. Außerdem schien er mir eine Spur zu breit zu grinsen. Sofort meldeten sich in mir tausend Alarmsirenen. Da stimmt was nicht, schrie mir eine Stimme zu. Ich schon mich durch die Menge nach vorne. Ignorierte dabei die erbosten Blicke und die geflüsterten Beschwerden, als ich einige der Schüler beiseite schob. Josh folgte mir. Ich schaute über die Schulter zu ihm und sah, dass auch er ein ungutes Gefühl hatte. Als wir dann vorne an der Bühne standen, schien der Lehrer seine Kunstpause beeden zu wollen. „Ich möchte mich bedanken, dass Ihr alle gekommen seid. Heute Abend feiern wir den Geburtstag einer unserer lieben Schülerinnen und zur Feier dieses Tages möchten wir Ihr und Euch ein besonderes Geschenk machen!“ Bei dem Wort Geschenk krampfte sich mein Magen zusammen und die Alarmsirenen schrillten noch lauter. Ich konnte mir schon denken, was für ein Geschenk sie ihnen machen wollten. Wieder fanden meine Finger das Dornenarmband. Es schien mittlerweile zu einer Angewohnheit von mir geworden zu sein, dass ich immer danach griff. In meinem Kopf überlegte ich fieberhaft, welche Waffe ich einsetzen sollte. Die Sense? Nein, zu groß. Ich hätte hier keinen Spielraum. Zuviele Leute. Und die Bratpfanne? Erst recht nicht. Damit kriege ich höchstens einen. Kurz blitzte eine Szenerie in meinen Gedanken auf, in der ich mich auf einem Haufen von niedergeschlagenen Wurmmonstern, stehen sah. Mit der Bratpfanne in der Hand, die ich triumphierend hochhielt. Das war so absurd, dass ich ein Grinsen nichte verhindern konnte. Doch Josh holte mich wieder zurück, in dem er mir seinen Ellenbogen in die Rippen stieß. „Was grinst du denn so?“, raunte er mir zu und das gleiche fragte ich mich auch. „Sorry. Musste nur an was…komisches denken!“ Josh öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. „Wieso macht er das so spannend?“, fragte jemand. „Frage mich was das wohl ist!“, sagte ein andere und nun unterhielten sich auch die anderen Schüler. Nur Josh und ich waren still und schienen die einzigen zu sein, die das mit großer Skepsis sahen. Außerdem waren wir in Sorge um Gwen. Was hatte man mit ihr gemacht? Wo hattte man sie hingebracht? Ging es ihr gut? Oder war sie…? Ich schüttelte den Gedanken ab und versuchte mich auf das zu fokusieren, was sich da vor mir abspielte. Verstohlen schaute ich zum Vorhang. Das Glimmen war nun etwas stärker geworden. Und ich fragte mich wielange es dauern würde, bis das Ding endlich in Flammen aufging. „Wie ich sehe, könnt Ihr es kaum noch erwarten, um welches Geschenk es sich hierbei handelt. Und ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen!“, erklärte er. Und anstatt zu sagen, was genau hier verschenkt wurde, verdrehte er die Augen. Soweit bis die Pupille verschwand und nur das weiß seiner Augäpfel zu sehen war. Einige der Schüler stießen erschrockene Rufe aus. Auch ich gehörte dazu. Das passierte so plötzlich, dass ich mich nicht darauf vorbereiten konnte. Josh machte einen Schritt zurück. „Was zur Hölle…?“ Hölle! Das traf es ganz genau. Die würde hier gleich losbrechen. Meine Gedanken überschlugen. Wollte schon vorspringen und ihm gleich den Schädel spalten. Doch ehe ich das in die Tat umsetzen konnte, ging die Verwandlung weiter. Langsam öffnete er den Mund und etwas wand sich dann aus diesem heraus. Zuerst dachte ich es sei seine Zunge. Was sowie so schon ekelhaft war. Aber als dann noch eine zweite Zunge, eine dritte und eine noch vierte aus seinem Mund hervorkam, war ich mir sicher, dass das keine Zungen war. Und auch die anderen schienen zu kapieren, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Sicher hatten sie zuerst an einen Scherz gedacht, als der Mann die Augen verdreht hatte. Doch nun als sie sahen, dass sich mehrere „Zungen“, aus seinem Mund krochen, ahnten sie dass das kein Scherz war. Wo die Ausrufe schon vorher entsetzt waren, wurden diese nun panisch und einige wischen zurück. Josh fasste mich am Arm. Ich schaute kurz zu ihm und sah das Entsetzen in seinem Gesicht. Er hatte wohl mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Ich auch nicht. Auch wenn ich wusste, was da auf uns zukommen würde. Aber dieser Anblick war wirklich erschreckend. Vorallem weil er nicht der einzige war. Nun drehten sich einige der Schüler um und auch ihre Augen waren verdreht und aus ihren Mündern schlängelten sich ebenso diese widerlichen Dinger, die ich allmälich als Tentakel erkannte. Mir wurde schlecht. Doch ich kämpfte gegen diese Übelkeit und machte mich innerlich auf einen Angriff gefasst. Dabei huschte mein Blick über diese Monster und zählte sie. Unter ihnen war auch Louisa. Also hatte ich mich nicht geirrt. Trotz dass ich mich in meinem Verdacht bestätigt fand, hatte ich mir gewünscht, dass dem nicht so war. Immerhin wollte sie sicher nicht freiwillig zu ihrem Club gehören. Und ich hoffte, dass ich sie irgendwie retten konnte. Ohne ihr körperlichen Schaden zu zu fügen. Wie auf einem Schlachtfeld standen die normalen Schüler, Josh und ich auf der einen Seite und die Monster auf der anderen. Sie starrten uns an, mit ihren milchig trüben Blicken und den zuckenden Tentakeln, die nach ihrer Beute tasteten. Minuten lang rührte sich keiner. Weder von uns noch einer von diesen Dingern. Dann aber, wie auf einen unsichtbaren Befehl, stürzten sie nach vorne und reckten ihre Arme nach uns. Sogleich brach Panik aus. Wie eine aufgeschreckte Viehherde stoben die Schüler auseinander und stürmten sofort zur Türe. Josh und ich machten auch, dass wir aus ihrer Reichweite kamen. Aber wir machten uns nicht die Mühe zu den Türen zu rennen, da wir wussten, dass sie geschlossen waren. Als sie es auch merkten, liefen sie durcheinander und vollkommen kopflos herum und versuchten es nun mit den Fenstern. Die leider viel zu hoch lagen, als dass man da ohne irgendwelche Hilfe rankommen konnte. Es war die perfekte Falle. Und wir sind hineingetappt. Einige der Schüler wurden immer von drei dieser Monster überwältig, zu Boden gerissen und während zwei ihn festhielten, hatte sich der dritte an ihn gesetzt und über ihn gebeugt. Dass alles geschah wie in Zeitlupe. Zumindest für mich. Minuten, die mir allerdings wie Stunden vorkamen, blieb ich stehen und konnte nur zusehen. Ich kam mir in diesem Moment so überrollt vor, dass ich zu keiner anderen Handlung fähig war. Wie sollte ich sie alle erledigen? Konnte ich sie denn alle erledigen? Wo ich vorher noch so entschlossen und wild darauf war, endlich diese Monster nieder zu machen, spürte ich nun absolute Hilflosigkeit. Und noch etwas anderes. Es war kalt und legte sich um mein Herz, um es zusammen zu pressen. Machte mir das Atmen schwer. Eigentlich sollte ich mich in das Getümmel stürzen und jeden von ihnen fertigmachen. Aber ich konnte mich einfach nicht rühren. Wieso zum Teufel nur? Wieso schaffte ich es nicht mich zu bewegen? „Ashley…!“ Wie aus weiter Ferne hörte ich Joshs Rufen und ich drehte mich zu ihm herum. Sah wie er auf mich zu rannte. In seinen Händen ein Stuhl, den er hochriss, deutlich mit der Absicht diesen als Waffe zu benutzen. Für einen kurzen, irrwitizigen Momten dachte ich, dass er diese Waffe wollte gegen mich einsetzen wollte, doch dann, als er bei mir war, stieß er mich zur Seite und schlug den Stuhl in einem weitausgeholten Bogen einem dieser Monster mitten ins Gesicht. Das Holz des Stuhls zerbrach mit einem lauten Krachen und das Monster taumelte zurück. Hart schlug ich auf dem Boden auf und meine Welt geriet ins Wanken. Doch es hatte auch etwas Positives. Solangsam löste ich mich aus meiner Starre und wurde wieder Herrin meiner Sinne. Gewann wieder die Kontrolle über meinen Körper und ich rapelte mich auf. Josh packte mich am Arm und schüttelte mich. „Was machst du denn? Willst du etwa von diesen Dingern gefressen werden?“ Joshs Frage schlug eine Saite in mir an, die sogleich zum Schwingen kam und Wellen von etwas wie neuer Kraft aussahnte. Sie durchströmten mich und vertrieben die Angst und die Hilflosigkeit. Gwenys Gesicht tauchte in meinem Geist auf. Sie blickte mich ängstlich an und rief nach mir. „Ashley…bitte…hilf mir!“ Ich konnte ihre Rufe deutlich in meinem Kopf hören und auch ihre Angst. Und genau das war wie ein Katalysator. Gab mir neue Kraft und meine eigene Angst fiel von mir an. Josh hatte Recht und er war der einzige, der das richtige tat. Er ergriff die Initiative und griff die Monster an. Das sollte ich auch. Ich schnappte mir ebenso einen Stuhl und warf diesen dem nächsten besten Wurmmonster an den Schädel. Die anderen beiden, die ihr Opfer festgehalten hatten, richteten sich auf und sahen mich zuerst verwirrt an. Dann aber sahen sie mich voller Hass an und stürzten auf mich zu. Oh nein…Das könnt Ihr vergessen, dachte ich, sprang selbst auf sie zu, und streckte den Arm nach hinten. Als ich ihn wieder nachvorne riss, knallte es und die beiden Monster wurden zurück geschleudert. Zuerst verstand ich nicht, was genau sie mit solch einer brachialen Gewalt mit vom Leib gehalten hatte. Als ich dann aber zu meiner Hand schaute, begriff ich. Ich meiner Hand hielt ich eine Peitsche. Ohne zu zögern und von neuem Kampfgeist erfüllt, schwang ich diese. Ließ sie knallen und zeigte somit, dass ich mich nicht so einfach ergeben würde. Dabei kam ich ich mir wie eine Löwendompteurin…oder vielmehr wie Catwoman. Dabei war es ein Wunder, dass ich mich selbst nicht verletzte. Oder auch Joshua. Denn er hörte nicht auf, diese Monster an zu greifen. Die Monster wichen vor uns zurück. Machten uns Platz und trotz dass ihre Augen milchigtrüb waren, konnte ich die Unsicherheit in diesen sehen. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass man sich gegen sie wehren würde. Als Joshua und ich einige der Schüler von den Monstern losreissen konnten, mit Stuhlbein und Peitschehieben, schrie er diese sogleich an. „Los, steht auf! Wehrt Euch gefälligst und helft den anderen!“ Es dauerte einige Wimpernschläge, dann aber bergriffen sie und schnappten sich nun selbst einige Stühle, brachen sie auseinander und gingen auf die Ungeheuer los. Ich stieß einen Jubelschrei aus. So schnell konnte sich das Blatt wenden. So verrückt das auch war. In Horrorfilmen lief es nicht so ab. Aber so richtig freuen darüber konnte ich mich nicht. Es gab nämlich noch ein Problem. Das Feuer! Es hatte sich nun weiter hoch gefressen und die ersten sichtbaren Flammen züngelten dem Vorhang herauf. Aber keiner schien es bermekt zu haben. Bis jetzt. Ich konnte nur hoffen, dass Brian wusste, was er tat. Wir drängten die Ungeheuer zurück. Diese wiederum versuchten der Situation wieder Habhaft zu werden. Es war ein vor und zurück. Ein wildes Durcheinander aus Kämpfenden und Angreifern. Einige der Schüler, die schon von ihnen infiziert zu sein schienen, lagen reglos da und starrten ins Nichts. Waren sie tot, schoss es mir durch den Kopf und kalte Angst packte mich. Nein, sie stehen nur unter Schock, tröstete mich Eriks Stimme. „Kann man sie noch retten?“ „Noch ist es nicht zu spät!“ Das reichte mir. Auch wenn ich nicht wusste, wie man sie noch retten konnte, schöpfte ich aus seinen Worten Hoffnung. Einige der Monster, die hinter den Kämpfenden standen, schauten ratlos zu ihrem Anführer. Der, der sich zuerst verwandelt hatte und der nun vor Wut schäumte, weil sein Plan nicht so aufgegangen war, wie er es sich erhofft hatte. Der Blick seiner widerlich-michligen Augen hatte sich auf mich geheftet, dass konnte ich trotz dieses Chaoses sehen und ich sah auch Hass in diesen aufblitzen. Mein Blick begegnete dem seinen und wieder stand die Zeit still. Es war aber nicht wie beim ersten Mal, als ich ohnmächtig von Hilflosigkeit dastand und zu keiner Handlung fähig war. Eher so als wenn man seinem Feind endlich in einem langersehnten, finalen Kampf gegenüber stand. Und es kaum noch erwarten konnte, diesen zu besiegen. Ich kreiste die Schulter an dem der Arm hing und dessen Hand ich wiederum die Peitsche hielt. Dann machte ich einen Schritt zurück und winkte ihm herausfordernd zu. Los, komm her. Du Wurm. Versteck dich nicht hinter deinem Fußvolk! Dieser schien meine stumme Aufforderung gehört zu haben, denn der stürzte sich nun selbst ins Geschehen. Ungeachtet, was sich um ihm herum abspielte, bahnte er sich seinen Weg zumir hindurch. Ich ließ ihn erst gar nicht nahe an mich heran kommen, sondern holte aus und ließ die Peitsche auf ihn zu schnellen. Die Schlinge wickelte sich um seinen Hals. Sogleich riss ich daran, wollte ihn zu Fall bringen. Doch mein Gegner stempte die Füße in den Boden und machte so meinem Versuch zu nichte. Aber soleicht wollte ich nicht aufgeben. Mit einem weiteren, dieses Mal festeren Ruck riss ich an der Peitsche. Der feste Stand des Monsters geriet kurz ins Schwanken, fing sich aber wieder sehr zu meinem Ärger. Er begriff was ich vorhatte und wollte es mir nun mit gleicher Münze heimzahlen. Mich nun auch zu Boden bringen, um über mich her zu fallen. Oh nein. Nicht mit mir. So standen wir da. Starrten uns an und versuchten den anderen zu Fall zu bringen. Es glich wie bei einem Tauziehen. Nur wenn einer von uns fällt, hat er für immer verloren. Ich musste einsehen, dass das keinen Sinn hatte. Wir konnten ewig so weitermachen, und es würde zu nichts führen. Frust und Wut erfasste mich. Aber auch kalte Entschlossenheit. Na schön, dachte ich. Dann reiße ich ihm eben den Kopf vom Hals. Ich griff mit der einen Hand etwas weiter vorne die Peitsche, sodass ich einen besseren Griff hatte. Und zog wieder. Hoffte dabei, dass ich es schaffen würde. Ich riss mit aller Kraft, die ich noch hatte und sah erstaunt, aber auch voller Freude, dass ich diese wirklich hatte. Die Augen des Monsters quollen aus den Höhlen hervor. Sein Griff um die Peitsche wurde erst stärker, wehrte sich noch mal dagegen, doch dann aber gaben sie nach. Das Leder der Peitsche drückte sich immer fester in den Hals des Monsters und ich glaubte sogar das Knacken von Knochen zu hören. Für einen kurzen Moment glaubte ich, dass ich es wirklich schaffen könnte. Ihm dem Kopf abreißen. Doch dann explodierte ein Schmerz in meinem Rücken und meine Beine gaben nach. Wie ein nasser Sack ging ich zu Boden. Die Peitsche entglitt meinen Händen. Meine Sicht verschwamm und ich wusste erst mal nicht, was passiert war. Arme schoben sich unter meine Achseln, hielten mich fest. Erst als ich die Stimme dicht an meinem Ohr hörte, dämmerte mir, was oder wer dahinter steckte. „Netter Versuch, Chatte!“ Jenna! Wo kam die auf einmal her? Ich hatte sie in der Menschenmenge nicht gesehen? Oder hatte sie sich irgendwo versteckt? Es musste so sein, anders konnte ich es mir nicht erklären. Und meine Verwirrung wurde nun zu Wut. Plötzlich schien alles Sinn zu ergeben. Zumindest was Gwen anging. Jenna musste dafür gesorgt haben, dass sie verschwunden war und nun wollte sie mir an den Kragen. Zuerst begriff ich nicht, wieso sie nicht auch angegriffen wurde. Wenn sie mitten unter den anderen war, versteckt zwar, aber dennoch hier, wieso hatten die Monster sie nicht auch attackiert. Die Antwort kam mir schnell und mit der Wucht eines Lastwagens: Sie machte gemeinsame Sache mit Ihnen! Mein Erstaunen schlug schnell zur rasenden Wut um. Konnte dieses Biest nicht einmal die Füße still halten? War sie wirklich so darauf aus, mich endgültig fertig zu machen, dass sie mit diesen Monstern arbeitete? Hatte sie den Verstand verloren? „Was wird das, Jenna? Bist du verrückt geworden?“, fuhr ich sie an. „Denkst du, diese Dinger werden bei dir eine Ausnahme machen? Was glaubst du, was danach passiert, wenn sie mit mir fertig sind? Dann werden sie dich auch…!“, redete ich ihr ins Gewissen, auch wenn ich mir sicher war, dass sie keines besaß. Jenna lachte hähmisch. „Das glaube ich kaum. Wir haben eine Abmachung. Ich helfe Ihnen, dich zu beseitigen, und dafür lassen sie mich in Ruhe!“, säußelte sie. „So oder so. Ich kriege, was ich will!“ Ich wollte mich aufbäumen. Mich von ihr los reißen und ihr das Gesicht zertrümmern. Aber ich begnügte mich, sie verbal an zu greifen. „Wenn du das wirklich glaubst, bist du genauso blöd, wie du hässlich bist!“ Und damit meinte ich ihre innere Hässlichkeit. Jenna schnaubte nur. Offensichtlich war ihr das egal. Sie wandte sich dann an den Anführer. „Was ist jetzt? Erledigst du sie jetzt oder was?“ Dieser schien es zu ignorieren, dass sie ihm einen Befehl gebeben hatte. Dass sie mich festhielt und ihm damit half, mich aus dem Weg zu räumen, schien ihm darüber hinweg sehen zu lassen. Er kam auf mich und beugte sich nach vorne und griff in mein Haar. Ich konnte einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken, als sich seine Finger wie Krallen in meine Kopfhaut gruben und meinen Kopf nachhinten zog, sodass mein Gesicht zu ihm emporgereckt wurde und ich ihn ansehen musste. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen. Ich wollte es nicht sehen. Sein Gesicht, sein Mund, aus diesem diese ekelhaften Tentakeln und die nach meinem Gesicht tasteten. Und immer näher kamen. Gleich würden sie meine Haut berühren und… „Feuer! Feuer!“ Keine Ahnung, wer das Feuer als erstes gesehen hatte und die anderen darauf aufmerksam machte, aber es gab mir die Gewissheit, dass es sich endlich weit genug ausgebreitet hatte. Ich schielte vorbei an dem Monster und sah, dass die Hälfte nun lichterloh brannte. Ein Lächeln huschte mir über das Gesicht. Wurde auch langsam mal Zeit. Eine neue Panik brach aus. Nicht mehr die Monster waren die Gefahr, sondern das Feuer. Beide Seiten, sowohl Schüler als auch Monster stoben auseinander und versuchten nun sich in Sicherheit zu bringen. Doch auch hier versperrte ihnen die verschlossene Tür den Fluchtweg. Nun saßen sie selbst in ihrer eigenen Falle. Der Anführer der Monster und Jenna wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten und so waren sie kurz abgelenkt. Das nutzte ich. Riss mich aus ihrem Griff und sprang auf die Beine. Noch bevor sie etwas machen konnte, stieß ich sie von mir weg. Dann widmete ich mich dem zweiten Gegner. Dieser vergeudete keine Zeit. Kaum dass ich mich ihm zugewandt hatte, stürzte er sich auf mich. Warf mich zu Boden und umfasste mit seinen Klauen meinen Hals. Drückte unbarmherzig zu. Ich schlug mit den Fäusten auf seine Arme ein, rammte dabei meine Knie auch in seinen Bauch, um ihn endlich los zu werden. Aber davon ließ er sich beeindrucken. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Es war für ihn klar, dass er aus dieser Sache nicht mehr heil rauskommen würde. Keiner von ihnen. Also konnte er auch mit wehenden Fahnen untergehen. Und dabei wollte er mich mit sich nehmen. Sterne explodierten vor meinen Augen und ich merkte, wie mir die Sinne schwanden. Lange würde ich das nicht durchhalten. In meinen Gedanken rief ich nach Erik. Dass er mir zur Hilfe kommen würde. Es passierte einfach. Trotz dass ich immernoch Bedenken hatte, was ihn und die zweifelhafte gemeinsame Vergangenheit/Bekanntschaft mit meiner Mutter betraf. Es war wie der Griff nach einer rettenden Hand. Da spielte es auch keine Rolle, um was für eine Hand es sich handelte. Man griff einfach danach. Aber Erik kam nicht. In einem Moment, der flüchtig wie ein Wimpernschlag war, aber sehr intensiv, erstarrte ich vor Angst. Wieso kam Erik nicht und half mir? War er nicht mein Beschützer? Hatte er das nicht immer gesagt? Warum also rette er mich jetzt nicht? Ein einziger, schrecklicher Gedanke ging mir plötzlich durch den Kopf und lieferte mir die grausame, aber durchaus logische Antwort auf meine Fragen. Wieso sollte er mir helfen, wenn ich ihm nicht vertraue? Bittere Reue breitete sich in mir aus, vertrieb die Angst und ließ mir die Tränen in die Augen kommen. Wie konnte ich nur so dumm…so blind sein? Ich brauchte ihn jetzt mehr denn je, und er kam nicht. Nur weil ich so… Eine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass es jetzt keinen Sinn hatte, darüber nach zu denken. In wenigen Minuten wäre alles vorbei. Eine ungewohnte, furchteinflössende Gleichgültigkeit erfasste mich. So als hätte mein Verstand sich schon längst damit abgefunden. Ergeben schloss ich die Augen. Wartete auf das Ende. Fühlte, wie ich das Bewusstsein verlor. Wie mein Geist sich auflöste. Aber auch etwas anderes. Regen! Regen? Aber woher…? Ein Röscheln durchbrach meine wirren Gedanken. Der Griff um meinen Hals war verschwunden und ich konnte wieder atmen. Gierig sog ich Luft in meine Lungen und kroch rückwärts weg. Die Sicht, zuerst verschwommen, wurde mit jedem Atemzug, den ich tat, klarer und ich erkannte nun warum das Monster, dass mich vorher erwürgen wollte, röschelte. Und dass der Regen, gar keiner war. Sondern das Wasser des Feuerbekämpfungssystems, welches sich hoch über unseren Köpfen befand und angesprungen war, als das Feuer höher schlug und der Rauch die Sprengler erreicht hatte. Binnen von Sekunden und ich war von dem Wasser vollkommen durchnässt. Ich blickte dann hoch zu den Sprenglern, die unaufhörlich Wasser auf uns niederregnen ließen. Trotz dass ich froh war, dass diese Monster das Wasser nicht zu vertragen schienen und somit erledigt wurden, fragte ich mich auch, wie normales Wasser so eine Wirkung haben konnte? Aus reiner Neugier öffnete ich den Mund und ließ einige der Tropfen hinein. Schmeckte und stellte verwirrt fest, dass es salzig schmeckte. Salzwasser?! Aber wie… Der Anführer war der erste, der zu Boden ging. Er zuckte noch einige Male, dann blieb er reglos liegen. Dann folgten die anderen. Einer nach dem anderen dieser Monster fiel um. Zappelte noch etwas, ehe auch dieser regungslos. Zuerst kapierte ich nicht, was hier vorging. Wieso diese Monster so empfindlich auf dieses Wasser reagierten. Als habe es irgendeine allergische Wirkung auf sie. Dann war es vorbei. Von jetzt auf gleich. Es fühlte sich irgendwie seltsam an. So als habe es den Kampf nicht gegeben. Nur die toten Körper der Monster erinnerten daran. Die letzten Minuten schienen wie in weiter Ferne gerückt zu sein. Igrendwann hörte der Regenschauer auf und dann herrschte Ruhe. Es war die Art von Ruhe, nach einem Sturm. In der man nicht weiß, was man tun sollte. In der man sich fragt, was als nächstes passierte. Ob es vorbei war oder schlimmer wurde. Eine Hand fasste mich an der Schulter. Sofort sprang ich auf die Füße und wollte demjenigen schon einen Schlag ins Gesicht geben. Konnte mich aber noch bremsen als ich sah, dass es Josh war. Ich atmete erleichtert auf. Josh, sichtlich erschöpft, war ebnso erleichtert. Er ergriff meine Schultern und sah mich besorgt an. „Ashley? Alles okay?“ Sein Blick fiel auf meinen Hals und er wurde bleich. Noch bleicher als vorher. Mein Hals musste furchtbar aussehen. Ich widerstand dem Drang, diesen ab zu tasten um fest zustellen, wie schlimm es wirklich war. Sicher war er grün und blau. Ich nickte nur. Josh stieß einen tiefen Seuzfer aus. Er sah erschöpft aus aber auch froh, dass es vorbei war. Langsam ließ er dann den Blick über das Schlachfeld gleiten. Schüttelte den Kopf. „Ich kann das immer noch nicht glauben!“, murmelte er. „Ich dachte, es ginge hier nur um Drogen. Aber das…!“ Mit einer Armbewegung, die alles umfassen sollte, vervollständigte er seinen Satz. Ich wusste ja, was auf uns zukam, dennoch verstand ich ihn. Das alles ging deutlich über seinen Horizont hinaus. Ich wollte ihm gerade beipflichten, als die Tür von außen einen Schlag bekam. Wir drehten uns alle zu dieser und sahen, wie ein weiterer Schlag dagegen donnerte. So stark, dass das Holz knarrte und die Schnaiere jämmerlich und protestierend quietschten. Einige der Schüler stöhnten entsetzt auf. Und ich hätte mich ihnen angeschlossen. Hatten wir uns zu früh gefreut? Lauerten da draußen noch mehr von diesen Viechern? Hatten sie mitgekriegt, was mit ihren Kumpels passiert ist und wollten nun Rache nehmen? Bei dem Gedanken, dass da draußen noch mehr von diesen Viechern waren, die nun rein wollten, um uns den Rest zu geben, wurde mir schlecht. Dennoch würde ich weiter kämpfen. Es half nichts, rum zu jammern und sich selbst zu mitleiden. Auch Josh war zuerst erschrocken, aber er riss sich dann zusammen und hielt schützend eines der abgebrochenen Stuhlbeine wie einen Knüppel vor sich. „Wieviele von diesen Mistviechern gibt es denn noch?“ Eine zeimlich gute Frage. Ich bezweifelte allerdings, dass einer von uns die Antwort wirklich wissen wollte. Nun wurden die Schläge stärker. Als würde jemand mit einem Rambock dagegen donnern. Das Holz knackte und ich glaubte sogar einige Risse darin zu sehen. Die Angeln und Schaniere kreischten nun und es schmerzte in meinen Ohren. Ich hoffte, dass sie noch ein klein wenig durchhalten würden. Solange bis wir uns etwas erholt und neue Kraft gesammelt hatten. Aber leider wollten die Türen uns diesen Gefallen nicht tun. Denn nach ein zwei weiteren Schlägen, flogen sie auf und hingen schief in den Halterungen. Ich spannte jeden Muskel in mir an und machte einen Satz, um die nächste Welle von Feinden entgegen zu kommen und ihnen nicht die Chance zu geben, zuerst an zu greifen. Doch als ich dann sah, wer da stand und die Türe eingetreten hatte, blieb ich sofort stehen und konnte einen Freudenruf nicht unterdrücken. Lex und Fay! Alle Anspannung und Sorge fiel von mir ab und ich lief auf sie zu. Froh sie zu sehen und dass es nun wirklich vorbei war. Fay kam mir entgegen. Fasste mich an den Schultern und sah mich erleichtert an. Was schnell in Sorge umschlug als ihr Blick auf meinen Hals fiel. „Alli…oh Gott…was…!“, keuschte sie und hob die Hand. Ich schüttelte den Kopf. Gab ihr so zum verstehen, dass alles okay war. Fay sah sich um. Ihr Blick schweifte über die leblosen Körper, die überall im großen Saal lagen und in ihrem Gesicht spiegelte sich Ekel. Aber auch bittere Erkenntnis. „So viele! Ich hatte gehofft, dass es weniger wären!“, murmelte sie vor sich hin. Ich konnte ihr da nur zu stimmen. Auch ich war geschockt, dass es so viele gewesen waren. Dass es sie alle erwischt hatte, glich einem kleinen Wunder. Die jenigen, die „frisch“, infiziert wurden, lagen immer noch da und rührten sich nicht. Ein Anflug von Angst und Sorge kam in mir hoch und ich fragte mich, ob man sie wirklich noch retten konnte. Mein Blick schweifte zu Louisa. Hoffentlich war sie noch zu retten. Auch wenn ihr Anblick alles andere als Rettung verspricht, wollte ich es dennoch nicht akzeptieren. Dabei wunderte es mich, dass ich so sehr darauf hoffte. Immerhin hatte ich kaum etwas mit ihr zu tun. Sie war nicht gerade eine enge Freundin von mir. Anders als Gweny… Oh Gott…Gweny! Wie konnte ich sie vergessen? Sie schwebte immernoch in Gefahr. Und wenn ich sie nicht bald finden würde, dann… Ich wirbelte auf dem Absatz herum. Hastig und wild entschlossen suchte ich nach Jenna und fand sie nach wenigen Minuten. Sie hatte sich in die hinterste Ecke verkrochen und wohl gedacht, dass ich sie nun nicht mehr beachten würde. Aber da hatte sie sich geirrt. Ich schritt auf sie zu, stieß dabei einige der Umherstehenden einfach beiseite. Als ich bei ihr, zögerte ich nicht, packte sie am Kragen und zog sie nahe an mich heran. „Wo ist sie?“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. Aber das interessierte mich im diesem Moment nicht. Sondern wo Gweny war. Jenna blinzelte und in ihren Augen sah ich, wie sie mit dem Gedanken spielte, sich dumm zu stellen. Ich schüttelte sie und lag all meinen Hass und meinen Zorn auf sie in meinen Blick. „Sag mir, wo…sie…ist!“ Kaum dass die ersten Larven aus den Eiern geschlüpft waren, krochen sie schon auf Gwen zu. Sofort war sie auf die Füße gesprungen und kaum dass sie ihr zu nahe gekommen waren, trat sie nach ihnen. Es gab ein widerliches Geräusch, als sie eine der Larven mit ihrem Schuh zerquetschte. Und eine Pfütze aus grünem Schleim bildete sich darunter. Gwen verzog angewidert das Gesicht, trat dann aber weiter als die anderen Larven nachrückten. Und während sie sich diese Biester vom Leib hielt, hoffte sie, dass Ashley schon auf den Weg auf sie war. Lex hatte Jenna den Arm auf den Rücken gedrehte und schob sie vor sich her. Während Fay und ich ihnen folgten. Zuerst hatte sich Jenna gesträubt, Gwenys Versteck zu verraten. Aber als Lex ihr damit gedroht hatte, dass sie eine ziemlich deftige Gefängnisstrafe erhalten würde, wenn sie es nicht tat, wurde sie kooperativer. Es stand außer Frage, dass sie ebenso Schuld an dem ganzen hatte. So liefen wir durch den Wald und als die Hütten näher kamen, beschleunigte ich meine Schritte. Fay hielt mich zurück. „Wir wissen nicht in welcher Hütte sie ist!“, raunte sie. Sie hatte Recht. Es würde zu lange dauern, wenn wir blindlinks jede Hütte durchsuchten. Aber würde uns Jenna überhaupt die richtige Hütte zeigen? Ich hatte da ehrlich gesagt meine Zweifel. Ich traute ihr durchaus zu, dass sie uns austricksen und sich dann aus dem Staub machen würde. Auch Lex schien das zu vermuten, denn er verstärkte den Griff und schob sie weiter. „Wo habt Ihr sie versteckt?“, knurrte er. Jenna zögerte. Zu lange für Lexs Geschmack. Er drehte ihr noch mehr den Arm auf den Rücken, sodass sie auf schrie. „Sag es, oder ich breche dir den Arm!“, drohte er. Und der Klang seiner Stimme ließ keinen Zweifel zu, dass er es tun würde. Jenna schluckte und zeigte mit dem freien Arm auf die Hütte schräg vor uns. Ich lief darauf zu, griff den Knauf und zog daran. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war verschlossen. Was anderes hätte ich eigentlich nicht erwarten sollen. Ich schrie wütend auf. Riss fester an der Tür. Wollte sie aus den Angeln reißen. Hatte aber natürlich nicht die Kraft. Fay nahm mich an der Schulter und schob mich sanft zur Seite. Ich sah sie nur an. Ohne ein Wort zu sagen, stemmte sie sich mit ihrer Schulter dagegen und anders als die Saaltür gab diese sogleich nach dem ersten Versuch nach. Die Tür flog auf und wir stürmten hinein. „Gweny!“, schrie ich. Aber ich hätte mir das sparen können. Meine Stimme, vielmehr mein Kehlkopf war dermassen lediert, dass ich keinen vernünftigen Ton raus brachte. Fay rief dann anstelle meiner. „Gwen…bist du hier?“ Stille! Ich sah Jenna finster an. Wollte mich schon auf sie stürzen. Hatte sie uns doch verarscht?! Jenna sah wohl, was mir gerade durch den Kopf ging und machte einen nervösen Schritt nach hinten. Doch Lex hielt sie so gut fest, dass sie keine Chance hatte. „Wo!“ Das war das einzige, was ich sagte. Meine Augen mussten Funken gesprüht haben, denn sie schüttelte panisch den Kopf. „Sie…sie ist hier!“, rief sie. „Wirklich!“ „Gwen…!“, rief nun auch Lex. Wir lauschten und wieder nichts. Meine Sorge stieg. Aber meine Geduld sank und das Verlangen sie zu packen und zu würgen, wie es das Wurmmonster bei getan hatte, wurde stärker. Dann aber hörten wir etwas, was wie ein gedämpftes: „ Hier bin ich!“, klang. Zwar war er gedämpft, wie als wenn sie in einem anderen Raum war, aber dennoch war es ein Zeichen, dass wir hier richtig waren. Fay und Lex riefen weiter nach ihr und Gwen antwortete. Daher folgten wir ihrem Rufen und kamen dann in einem kleinen Nebenzimmer. Als sie dort jedoch nicht zu sehen war, suchten wir in allen Ecken, die vollgestellt waren mit Kisten und allen möglichen anderen Kram. War sie dahinter? In einer Kiste gesteckt, wie in einem Sarg? Mir wurde schlecht bei diesem Gedanken und ich drängte diesen beiseite. „Wo ist sie? Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, Missy!“, knurrte Lex bedrohlich. Jenna, jenseits von Angst, wies mit dem Kinn auf den Bretterboden. Genauer gesagt auf einen alten ausgetretenen Teppich. Fay zögerte nicht, schlug den Teppich zurück und darunter kam eine Tür zum Vorschein. Diese war jedoch nicht verschlossen. Man dachte wohl, dass eine abgeschlossene Haustür reichen würde. Ein Glück für uns. Fay stiess die Tür auf, stieg die Stufen hinunter und wenige Minuten später hörten wir sie angewidert aufschreien. Ich folgte ihr und blieb mitten auf der Treppe stehen. Gwen war an einem der Stützpfosten gebunden und trat wie wild um sich. Fay ebenso und als ich genauer hinsah, musste ich einen Schrei des Entsetzens unterdrücken. Über den Boden krochen lauter kleiner widerlicher Würmer. Zogen eine Schleimspur hinter sich her, als sie auf Gwen zu krochen. Gwen hatte einige von ihnen zertreten, doch wann immer sie einen erwischte, tauchten fünf weitere aus und setzten ihren Weg fort. Einige von ihnen, die sie nicht erwischen konnte, krochen an ihren Waden hoch. Gwen schrie und zappelte, wollte die Biester loswerden. Fay stürmte auf sie zu und schlug blitzschnell mit ihrer Hand nach ihnen. Einer nach dem anderen fiel zu Boden, windete sich. Ohne den Blick von diesen widerlichen Dinger zu lassen, löste sie die Fesseln um Gwens Handgelenke, nahm sie an der Schulter und schob sie zur Treppe. Noch immer stand ich da und konnte einfach nur zu sehen. Alles schien sich wie erneut in Zeitlupe ab zu spielen. Reglos stand ich da und sah nur zu. Dabei hätte ich es sein sollen, die Gweny zur Hilfe kam. Nicht Fay. Ein Gefühl der Nutzlosigkeit breitete sich in mir aus. Machte mich bewegungsunfähig. Erst als Gweny die Treppe hoch kam, mich erleichtert aber auch erschrocken anschaute, kam ich wieder zu mir. Ich packte sie und zerrte sie die restlichen Stufen hoch, während Fay etwas hervorkramte, was mich an eine alte Laterne erinnerte und zündete sie an. Bevor Lex, mit Jenna, Gweny und ich aus der Hütte raus liefen, sah ich noch einmal über die Schulter und sah, wie Fay die brennende Laterne in den Keller auf. Sekunden später begann der Kellerraum zu brennen. In dem Tosen der Flammen glaubte ich die schrillen Schreie der Monster zu hören. Es klang so schrill und schrecklich, dass ich mir die Ohren zu halten musste. Dabei empfand ich auch Befriedigung. Die stetig wuchs, als das Feuer nun auf den Rest der Hütte überging und es binnen von Minuten auffraß. Mit den anderen Hütten machten wir das gleiche. Nur um sicher zu sein, dass das wirklich das einzige Versteck und die einzige Brutstätte war. Ich hielt Gweny im Arm und drückte sie fest an mich. Gweny selbst, erschöpft, froh und auch etwas traumatesiert fing an zu schluchzen. Was für Schrecken sie in den letzten Stunden ausgestanden haben musste, konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Es würde mich selbst nur noch mehr aufwühlen. So sagte ich mir immer wieder, dass es vorbei war. Dass Josh und Gweny nun in Sicherheit waren und dass es keines dieser Monster überlebt hatte. Und je öfter ich mir das sagte, desto erleichterter fühlte ich mich. Wenig später wurden die Schüler, die nicht infiziert wurden, untersucht und versorgt. Während die anderen, die nicht so viel Glück hatten, von Spezialisten beiseite genommen und auf das Genauste unter die Lupe genommen wurden. Inzwischen waren sie aus ihrer Ohnmacht erwacht und erhielten von den eben genannten Spezialisten eine „Impfung“. Zumindest erklärte es Fay so. „Was ist da drinnen?“, fragte ich aus reiner Neugier. „Eine Salzlösung. Nicht gefährlich für die Schüler aber für die Eier, die man in sie gepflanzt hatte!“, erklärte sie kurz und knapp. „Es funktioniert wie eine normale Impfung. Sie tötet die Viren und sorgt dafür, dass sie vom Körper abgestossen werden!“ „Mit anderen Worten: Sie werden für einige Tage lange auf der Toilette verbringen und…!“ „Stop!“, rief ich angeekelt weil ich ahnte, was Lex damit sagen wollte. „Keine Details mehr oder ich kotze!“ Lex grinste amüsiert. Ich ignorierte das und wandte mich dann Fay zu. „Wie…wie geht es denn weiter?“, fragte ich. „Was passiert mit denen, die…?“ Fays Gesicht verdüsterte sich. „Das ist leider eine heikle Sache. Die, die vorher schon infiziert waren, werden in eine spezielle Abteilung gebracht und behandelt. Wir können nur hoffen, dass man diese Dinger noch aus ihnen raus bekommen kann, ohne irgendwelche bleibenden Schäden!“ Ich musste unwillkürlich an Louisa denken. Es graute mir davor nach zu fragen, wie genau man sie behandeln würde. Die harmloseste Methode, die mir in den Sinn kam, war, dass man sie raus operierte. Oder ihnen einen Einflauf verpasste. Aber ich wollte nicht länger darüber nachdenken. „Und was ist mit…?“ „Die…Urheber von diesem ganzen Schlamasel hat es gleich nach der Salzdusche von den Socken gehauen!“ Salz!Also doch! Dennoch war ich erstaunt, dass es so einfach gewesen war, ihnen den Garaus zu machen. Fay grinste verschwörerisch. „Salz hat eine durchaus starke Wirkung bei solchem Ungeziefer!“ „Ich dachte, das funktioniert nur bei Schnecken?“ „Auch bei Dämonen ist Salz die beste Wahl um sie sich vom Hals zu halten!“, ergänzte Fay. Okay, gut zu wissen. „Wie habt Ihr das eigentlich hingekriegt?“ „Ganz einfach: Wir haben einen ganzen Sack Salz in die Wasserversorgung geschüttet und nur darauf gewartet, dass du Feuer legst!“ „Viel mehr haben wir es gehofft!“, mischte sich nun Lex ein und klang so, als habe er wirklich gedacht, dass ich es nicht hinbekomme. Ich schürzte empört die Lippen. So viel hätte er mir schon zu trauen können. Auch wenn ich selbst nicht wusste, warum zum Teufel ich Feuer legen sollte. Aber nun begriff ich es. Fay verdrehte die Augen. „Jetzt mach mal halblang, Lex. Sie hat es schließlich geschafft!“ „Ja, aber ohne…Joshs Hilfe hätte ich es sicher nicht geschafft!“, bemerkte ich und schaute dabei zu Josh, der gerade mit einem der Polizisten redete. Ich dankte ihm in diesem Moment tausendfach. Immerhin hatte er mir Deckung gegeben. Mir den Rücken freigehalten, als ich nur dastand und mich nicht rührte. Hatte mir in den Hintern getreten, damit ich wieder zu mir kam. Ich verdankte ihm viel. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen gewesen. Fay bemerkte natürlich, wohin ich hinsah und als sie meinem Blick folgte, sah sie wen ich anschaute. Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Er scheint ein netter Kerl zu sein!“, fragte sie dann. Ich nickte. „Ja, das ist er!“ Mein Blick glitt weiter zu Gwen, die gehüllt in einer Decke einen Becher festhielt, aus dem es heiß dampfte. Ihre Hände zitterten und der Blick, den sie auf den Boden gerichtet hattem zeugte noch deutlich, dass die letzten Schrecken und Stunden sie immer noch nicht los ließen. Trotz dass ich froh war, dass sie in Sicherheit war, fühlte ich mich auch irgendwie niedergeschlagen. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Jennas Anschlag, der mich treffen sollte, war ja praktisch eine Vorwarnung. Dass sie sie entführten und einsperrten war daher dasnaheliegenste. Dennoch machte es mich fertig. Immerhin war sie allein mit diesen Wurmlarven. Und ich wollte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir sie nicht rechtzeitig gefunden hätten. „Sie wird schon wieder. Immer hin haben diese Dinger sie nicht…!“, hörte ich Fay sagen. Wieder sah ich sie in diesem Keller, an dem Stützbalken gefesselt und umringt von diesen Dingern. Einige, die an ihren Beinen hochkrabbelten. Ich schüttelte mich und jagte das Bild aus meinem Kopf. „Ich würde diese Jenna am liebsten…!“, sagte ich dann um mich auf andere Gedanken zu bringen. Fay grinste schief. „Glaub mir, die kriegt auch Ihr Fett weg!“, beruhigte sie mich und zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter zu einem der Streifenwagen, in dem sogleich Jenna hineingesteckt wurde. Natürlich ließ sie sich das nichts gefallen und stieß alle möglichen Drohungen aus. Ich musste nun aich grinsen. Dieses Mal wird Daddy dich nicht da raus holen, dachte ich schadenfroh. „Was wird ihr denn blühen?“ „Och…mal sehen…Beihilfe zum Menschenraub. Geiselnahme und Freiheitsberaubung…Nicht zu vergessen die kleine Sache mit der Körperverletzung, als man sie nieder geschlagen hat!“, listete Fay auf und ihr und mein Grinsen wurden immer breiter. Oja…das hört sich gut an. „War sie denn allein?“ Fay winkte ab. „Sicher hat sie ihre beiden Freundinnen dazu angestiftet. Und die werden den Teufel tun und die Schuld allein tragen!“ „Also wird ihr noch dazu Anstiftung zur Körperverletzung angelastet. Wow…die Liste wird ja immer länger!“, meldete sich Lex und pfiff. „Vielleicht können wir ihr ja noch etwas unterschieben?“, witzelte ich und kicherte. Fay machte ein verkniffenes bis tadelndes Gesicht, was nicht lange hielt. „Du freches Luder!“ Nach Jenna, folgten ihre beiden Freundinnen, die wie erwartet ihre Unschuld betreuerten und alles auf Jenna schoben. Die wiederum keifte zurück, die Klappe zu halten, ehe man die Autotür zu warf und somit ihr Gezetter dämpfte. „Was werdet Ihr eigentlich den Eltern der jenigen erklären, die…!“ Ich scheute mich davor es ausz zu sprechen. Aber Fay verstand mich sowieso. „Wir werden Ihnen sagen, dass Ihre Kinder Opfer von einigen Drogen wurden, die man ihnen untergejubelt hatte!“ Es klang so einfach und so absurd, dass es auch wieder genial war und mal ehrlich: Das war die beste Alternative zur Wahrheit. Es schien, dass Fay und Lex an alles gedacht hatten. Sicher würden sie sich auch was einfallen lassen, was die anderen Schüler betraf, die nicht infiziert wurden. Wieder ging mein Blick zu Josh und Gweny. Die Polizisten, die mit ihnen gesprochen hatten, schienen mit ihren Befragungen fertig zu sein. Nun standen sie zusammen und redeten mit einander. Dabei schauten sie zu mir und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich wollte eigentlich nicht wissen, was genau sie besprachen. Aber ich konnte es mir denken. Sicher dachten sie, dass sie, seit dem sie mich kannten, echt harten Scheiss erlebt hatten. Und ob es nicht besser wäre, sich nun von mir fern zu halten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Dennoch erfasste mich Kummer. Gwen und Josh waren wirklich gute Freunde gewesen. Und es schmerzte, dass ich sie nun nicht mehr sehen werde. Wobei es so wieso nur eine Frage der Zeit war bis der Abschied kam. Immerhin war ich nur zur Täuschung hier eine Schülerin. Und ich hatte mir auch vorgenommen nicht zu enge Freundschaften zu schließen, weil ich wusste, dass es nicht von Dauer sein würde. Tja…das war jedoch ein Trugschluss. Ohne dass ich es richtig wahrnahm, freundete ich mich mit ihnen an. Ein kleines bisschen war ich auch froh darüber. Fay und Lex waren okay. Aber mit anderen befreundet zu sein, die nichts mit all dem zu tun hatten, gab mir ein Gefühl von Normalität. Damit war es aber nun vorbei, da Josh und Gweny nun auch die Erfahrung mit dem Übernatürlichen gemacht. Und das nicht zu knapp. Man musste sie nur ansehen, um zu wissen, was gerade durch ihre Köpfe ging. Ich hatte einfach nicht die Kraft und den Arsch in der Hose, um zu ihnen hin zu gehen. Und sei es nur wegen einem:„ Tut mir leid, dass ich Euch da rein gezogen habe!“ Dabei wäre es nur fair gewesen. Nach allem was passiert war. Ich wollte auch eigentlich nicht einfach so verschwinden. Das war nicht mein Stil. Aber ich wusste nicht, ob sie sich überhaupt von mir verabschieden wollten. Ich fühlte mich hin und her gerissen. „Du solltest zu ihnen gehen!“, sagte Fay und riss mich so aus meinen Gedanken. Keine Ahnung wie sie das wusste. Vielleicht sah sie auch, wie ich mit mir rang. Und nahm mir nun die Entscheidung ab. Ich sah sie etwas unsicher an. Fay lächelte mich ermutigend an und schob mich dann zu den beiden. Mit stolpernden Schritten ging ich zu ihnen. Als sie mich sahen, wurden sie still und sahen mich etwas unsicher an. Genauso fühlte ich mich. Unschlüssig sahen wir uns an. Keiner wusste wie er anfangen sollte. So starrten wir uns nur an. Na los, sag endlich was, schalt ich mich selbst. Entschuldige dich, verabschiede dich und dann verschwinde! Aber so einfach es zu sein schien, ich konnte sie nicht aussprechen. Als dann das Schweigen doch unerträglich wurde, wollte ich es endlich hinter mich bringen. „Tut mir leid!“, platzte es aus mir heraus. Josh und Gweny sahen mich nur an, wussten wohl nicht, was sie damit anfangen sollten. Das fühlte sich wie ein Schlag ins Gesicht an. Dennoch zwang ich mich weiter zu sprechen. „Ich…es tut mir leid, dass ich Euch da reingezogen habe. Ich wollte das alles nicht. Wenn gewusst hätte, dass es so weit kommt, dann…!“ Dabei hätte ich mir sowas von auf die Zunge gebissen. Ich wusste natürlich, dass es so kommen würde. Und ich es hätte es trotzdem nicht verhindern können. Gwen und Josh sahen sich erneut an. Sie schienen bloß mir ihren Blicken miteinander zu reden. Dann schauten sie mich an und ohne ein Wort zu sagen, stand Gwen auf und…umarmte mich. Ich war dermassen perplex, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Wie zur Salzsäule erstarrt stand ich da. Erst als Gweny etwas sagte, begriff ich, was los ist. Und mir kamen die Tränen. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du konntest ja nichts dafür. Du wolltest uns ja schließlich beschützen!“ Ich schluckte und erwiederte dann ihre Umarmung. In diesem Moment war ich so dankbar und zu tiefst gerührt, dass ich nicht anders konnte als zu weinen. Meine Bedenken und Sorgen, ob Gwen und Josh überhaupt noch was mit mir zu tun haben wollten, waren wie weggewischt und ich empfand nichts weiter als Erleichterung. „Wenn du nicht gewesen wärst, wären Josh und ich…!“ Gwenys Stimme brach. Ich musste schwach lächeln. Eigentlich war es Josh gewesen, der mir den Hals gerettet hatte. Ich sah über Gwenys Schulter zu ihm und sah wie er mich anschaute. So als würde er sein Bild über mich überdenken wollen. Zwar wusste ich, dass es dazu kommen würde, aber dennoch hatte ich diesen Moment gefürchtet. „Tut mir leid, dass ich nicht ganz ehrlich zu euch war!“, sagte ich etwas kleinlaut und dass war an Josh gerichtet. Immerhin war zu anfang misstrauisch mir gegenüber gewesen. Ich ihm ebenso. Weil ich nicht wusste, wie ich ihn einschätzen sollte. Dass Fay nun auch meinen richtigen Namen gerufen hatte, machte ihm wohl endgültig klar, dass ich nicht die war, für die ich mich ausgab. Josh strich sich durch das von Salzwasser strähnige Haar. „Nach allem was passiert ist...Kann ich verstehen, dass du dich als Incognito ausgegeben hast!“, erklärte er. „Immerhin wusstest du auch nicht, wem du trauen konntest!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich lächelte. „Ja, und ich bin froh, dass ich mich in Euch nicht getäuscht habe!“, flüsterte ich und drückte Gweny fester an mich. Josh lächelte auch. Klopfte mir dann den Rücken. Ihm erging es wohl nicht anders. Und mir wurde warm ums Herz. Ich war froh, dass ich meine Freunde doch nicht verloren habe. Ich streckte den einen Arm nach ihm aus. Wollte ihn ebenso umarmen. Josh wusste, was ich ihm damit sagen wollte und schloss sich uns an. Zusammen standen wir da und umarmten uns. Ich konnte deutlich spüren, dass jeder von uns froh war, dass es überstanden war und keiner von uns einen bleibenden Schaden davon getragen hatten. Mal abgesehen von den paar Kratzern und meinem lediertem Hals. Noch immer hörte sich meine Stimme rau an, aber die Ärzte, die mich ebenso versdrogt hatten, versrpachen mir, dass ich bald wieder normal sprechen würde. Lange standen wir so da. Und ich genoss die Nähe und die Wärme, die mir meine Freunde gaben. Als sich dann jemand räusperte, hatte ich Mühe mich aus der Umarmung zu lösen. Fay stand da und schaute etwas verlegen drein, als wüsste sie, dass sie uns bei etwas wertvollem gestört hatte. „Tut mir leid, aber wir müssen jetzt los!“ Ich merkte, wie mein Herz nach unten sackte. Und gerne wollte ich Fay bitten, uns noch etwas Zeit zu geben. Wenn es sein musste, würde ich sie anflehen, wie ein kleines Kind, das ein Eis haben wollte. Doch ich hielt mich dabei zurück. Zumindest was das Flehen anging. Nur schwer konnte ich mich von meinen Freunden lösen und warf ihnen einen bedauerenden Blick zu. Gwen und Josh erwiederten diesen. Auch sie wollten sich nicht von mir trennen. Nicht so schnell. So plötzlich. Fay schien das auch zu sehen und ihr Bedauern wurde stärker. Offensichtlich wusste sie was es bedeutete, Freunde zu finden und sich dann doch von ihnen zu verabschieden zu müssen. Gweny umarmte mich noch ein letztes Mal. Hauchte mir dann einen Kuss auf die Wange und flüsterte:„ Mach´s gut, Alli. Wir sehen uns!“ Diese Worte gaben mir immerhin etwas Trost. Trost, dass ich sie doch wieder sehen werde. Mit diesem Trost und der daraus entstehenden Hoffnung, stieg ich ins Auto. Ich drehte mich auf dem Rücksitz um schaute aus dem Fenster. Gwen und Josh standen da. Auch sie schauten zu mir. Stumm gaben wir uns das Versprechen, dass wir uns wirklich bald wiedersehen werden. Als der Motor gestartet wurde, hob ich die Hand und winkte ihnen zum Abschied. Gweny und Josh erwiderten dies und ein schwaches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ich lächelte ebenso und während wir davon fuhren und sie kleiner wurden, blieb immer noch die Hoffnung, dass ich Freunde gefunden hatte und bald wieder sehen würde. Die heiße Dusche, die ich mir gönnte, vermochte es die letzten Spuren des Kampfes im Speisesaal weg zu waschen. Nicht zu letzt, weil das Salzwasser, welches nun getrocknet war, anfing unangenehm auf der Haut zu spannen und zu jucken. Als ich fertig geduscht und mir auch die Haare gewaschen hatte, wickelte ich mich in ein großes Handtuch und schlüpfte aus dem Badezimmer in mein Zimmer. Mit einem zweiten kleineren Handtuch, rubbelte ich mir die Haare trocken. Setzte mich dann aufs Bett und blieb erstmal so sitzen. Schaute nur vor mich hinund alles bisher erlebte noch mals Revue passieren. Flüchtig schaute ich dabei auf die Uhr. Die rote Anzeige sagte mir, dass es schon kurz nach ein Uhr morgens war. Es war irgendwie befremdlich. Es fühlte sich an, als sei es erst einige Tage her. Dabei war es nur vor ein paar Stunden gewesen. Aber trotz allem fühlte ich mich auch gut. Zum ersten Mal war es möglich gewesen, dass zwei Menschen, die ich gern hatte, nicht sterben mussten. Wenn man bedacht, wie oft es Tote gegeben hatte… War das schon irgendwie ein kleiner Sieg. Und dieser kleine Sieg gab mir Hoffnung, dass es bei diesem einen nicht bliebenw würde. Diese Hoffnung ließ mich lächeln und ich ließ mich nachhinten auf das Bett fallen. „Du siehst zufrieden aus!“, sagte Erik, der auf der anderen Seite des Bettes saß und sich zu mir umgedreht hatte. Ich irgnorierte die Tatsache, dass ich hier halbnackig auf dem Bett lag und er mich so ungeniert anschauen konnte. „Das bin ich auch. Gweny und Josh leben. Da kann ich nur zufrieden sein!“, sagte ich. „Nach all dem Scheiss was bisher passiert ist!“ Erik sagte nichts, sondern schaute mich nur an. Dann drehte er sich weg, sodass ich nur seinen Rücken sehen konnte. Das Schweigen, welches von ihm ausging, war irgendwie beunruhigend. Vertrieben die Zufriedenheit, die mich ebenoch erfüllte und machte Sorge bemerkbar. Dabei fragte ich mich, woher diese kam. Es war doch vorbei. Oder etwa nicht? Ich rollte mich auf den Bauch, krabbelte dann zu ihm, wobei ich natürlich darauf achtete, dass das Handtuch nicht verrutschte und sah ihn von der Seite an. Ich dachte, er würde finster vor sich hinstarren, weil er etwas befürchtete. Doch als ich ihn lächeln sah, war ich nun verwirrt. „Was…wieso lächelst du so?“ Erik drehte sich nicht zu mir um. Nur seine Augen bewegten sich und sah mich aus dem Augenwinkel an. „Mir wird nur wieder bewusst, wie sehr du ihr ähnelst!“ Ein Kloß bildete sich in meinen Hals, weil ich wusste, wen er mit Ihr meinte. Wie oft wollte er mich noch mit Mama vergleichen? Merkte er nicht, dass er mir damit wehtat? Was trieb ihn nur dazu? Da konnte doch was nicht stimmen? So langsam kam mir ein Verdacht, der eigentlich zu weithergeholt klang, aber dennoch immer wahrscheinlicher wurde. Die Art, wie er mich manchmal anschaute. Wie er von Mama sprach, konnten nur einen Schluss zulassen. Und dieser versetzten mir einen Stich. „Sei ehrlich, Erik. Warst du in meine Mutter verliebt?“ Erik drehte nun doch den Kopf zu mir herum und in seinen Augen sah ich reinste Verwirrung. Das sah ich trotz der Dunkelheit. Fest sah ich ihm in die Augen und forderte ihn so auf, mir ja die Wahrheit zu sagen. Minutenlang sah ich ihn so an, bis mir die Augen wehtaten, doch ich achtete nicht weiter darauf und sah, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Dachte er darüber nach, ob er mir diese Frage beantworten sollte. Geschweige den mir die Wahrheit sagen sollte? Ich konnte es ihm nur raten. Wenn er wollte, dass ich ihm vertraute, so sollte er immerhin bei dieser Frage ehrlich sein. Erik schlug die Augen nieder, das Lächeln kam wieder. Allerdings auf eine niedergeschlagende Art und Weise, die mir mein Herz schwermachte. Mit einem Male fühlte ich mich schlecht. Wenn er wirklich in sie verliebt war, hatte ich denn das Recht es zu wissen. Vielleicht war diese Liebe nur einseitig gewesen und es musste schlimm für ihn sein, ständig daran erinnert zu werden, dass sie ihn nicht liebte. Ich war der lebende Beweis und er fühlte sich sicher nur dazu verpflichtet, mich zu beschützen, weil ich ihr Kind war. Das Kind der Frau, die er wohl über alles geliebt hatte. „Tut mir leid, ich wollte nicht…!“ „Schon gut…!“, sagte er nach einer Weile, holte tief Luft und fuhr fort. „Nein, ich war nicht in sie verliebt. Als ich ihr…begegnete, wusste ich, dass wir…nicht mehr als Freunde sein konnten. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich eine gewisse Bewunderung für sie empfand!“ Bewunderung? Nun verstand ich gar nichts. Bewunderung war sicher nicht das, was man für einen Freund, wie es Eriks sagte, empfinden konnte. Für einen Filmstar schon. Bei Jemanden, der ein Freund war, war Zuneigung eigentlich das wahrscheinlichste. Wie als habe er meine Verwirrung gerochen, sagte er mit sanfter Stimme:„ Deine Mutter hatte etwas, was ich niemals haben werde!“ Fast wollte ich schon sagen:„ Etwa den Anstand jemanden nicht so an zu glotzen, wenn dieser nur mit einem Handtuch bekleidet war?“ Ließ es aber, als ich sah wie traurig sein Blick war. So als habe er etwas Schlimmes getan und es nun aufs tiefste bedauerte. Es zerriss mir förmlich das Herz und ich brauchte alle Kraft um die nächste Frage zu stellen. „Was…was war das?“, fragte ich leise. Eriks Blick wurde stumpf und… Sah ich richtig? Sind das Tränen in seinen Augen? Erik merkte natürlich wie ich ihn anschaute, denn er wandte den Kopf ab und sagte mit gepresster Stimme:„ Stärke!“ Es traf mich so hart und unvorbereitet, dass ich erstmal nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Dann aber wurde es mir bewusst und das Mitgefühl, das ich zuvor schon Erik gegenüber verspürt hatte, wurde stärker. Misstrauen hin oder her. Aber dass er sagte, meine Mutter wäre stark gewesen, sagte mir, dass er sich für schwach hielt. Und eine bittere Erkenntnis traf mich. Egal was in seinem bisherigem Leben passiert sein musste, es musste schrecklich gewesen sein, wenn er so…in sich gekehrt war. Ich hakte mich bei ihm unter und legte den Kopf an seine Schulter. Auch wenn ich zu gern gewusst hätte, unter welchen Umständen sich meine Mutter und Erik kennengelernt hatten und was sie gemeinsam in der Vergangenheit verbunden hatte, wollte ich ihm dieses Mal nicht bedrängen. Es musste ihm schwer zu schaffen machen. „Kannst du mir jemals zu vertrauen?“, fragte er und ich zögerte kurz. Aber nur kurz. Dann sagte ich mit fester Stimme. „Ich will es versuchen!“ Eriks seufzte erleichtert und löste seinen Arm aus meinem Halt. Legte ihn mir dann über die Schulter. Drückte mich an sich. Ich wehrte mich nicht dagegen. Sein Körper war angenehm warm und weich. Hatte etwas Beschützendes und tröstlisches. Ich genoss es. „Denkst du, dass ich diese Stärke auch habe?“, murmelte ich dann. Merkte wie ich auf einmal müde wurde. Mein Körper fordete wohl nun den Tribut, den das ganze Spektakel gekostet hatte. Hörte noch wie Erik leise lachte. Vielmehr spürte ich es, da seine Brust vibrierte. „Sicher. Schließlich bist du ihre Tochter!“ Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, ehe ich einschlief. Das letzte, was mir noch durch den Kopf ging, ehe ich einschlief, war die Hoffnung, dass es wirklich so sein würde. Dass ich wirklich die Kraft und die Stärke meiner Mutter haben würde. Erik hielt die schlafende Allison noch lange so an sich und schaute auf sie nieder. Ihr zarter Körper fühlte sich so zerbrechlich an, dass er fürchtete, er könnte diesen zerbrechen, wenn er sie zu fest an sich drückte. Aber noch zerbrechlicher war die Bande zwischen ihnen. Und diese hatte schon bedrohliche Risse. Es bedurfte sicher nicht viel, ehe diese endgültig in sich zusammen brach. Dass Allison versuchen würde, ihm zu vertrauen, gab ihm zumindest etwas Zuversicht. Jedoch würde er darauf achten, dass die Mauer weiterhin besteht, die er selbst um sich erbaut hatte. Damit sie nicht sein dunkles Geheimnis entdeckte. Welch eine Ironie. Er verlangt von ihr, dass sie ihm vertraute, aber er wollte nicht, dass sie mehr über ihn wusste. Es war so wiedersprüchlich, dass das nur ein Fehler sein konnte, dieses Spiel weiter zu spielen. Das war sich Erik bewusst. Aber er scheute sich davor, diese Mauer des Schweigens ein zu reißen. Weil er fürchtete, dass Allison ihn als das Monster sehen würd, was er einst war. Und immer noch war. Tief verborgen in den tiefsten Tiefen seiner Seele. Falls er überhaupt eine besaß. Wieder hörte er das Kratzen und Schaben, welches er zuvor glaubte, gehört zu haben. Das Kratzen hinter der Tür, hinter der er den dunklen Teil seinerselbst , eingesperrt hatte. Und die nun darauf aus war, aus zu brechen. Um wieder Tod und Verderben zu verbreiten. Erik schwor sich, diese Tür verschlossen zu lassen und gegen das Drängen anzu kämpfen. Koste es was es wollte. Selbst wenn es seinen eigenen Tod bedeutete. Das war ihm immerhin lieber als diesem Monster Tür und Tor zu öffnen. Vorallem Allison zu liebe. Noch immer ruhte sein Blick auf ihr, die friedlich in seinem Arm schlummerte und er beneidete sie darum. Frieden war etwas, was er niemals haben würde. Sein Hals schürte sich zu und er kämpfte gegen das Gefühl der Machtlosigkeit und Trostlosigkeit an. Er durfte sich dieser nicht hingeben. Es galt jetzt stark zu sein. Um Allison weiterhin zu beschützen. Und sich selbst davor zu bewahren, die Kontrolle zu verlieren. Er legte Allison nun aufs Bett, deckte sie vorsichtig zu, um sie nicht zu wecken. Blieb aber noch etwas und sah sie ununterbrochen an. „Ich werde nicht zulassen, dass dir was passiert!“, schwor leise und strich ihr zärtlich durch das feuchte kurze Haar. Allisons Gesichtszüge zeigten ein schwaches Lächeln und murmmelte etwas vor sich hin. Auch Erik lächelte. Da hörte er ein Lachen und wurde starr vor Schreck. Es kam hinter ihm und es ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. Es klang so boshaft und gefährlich, dass Erik glaubte, dieses Lachen sich nur eingebildet zu haben. Er hoffte es zumindest. Als er sich jedoch umdrehte, um zu sehen woher und wer dieses Lachen überhaupt ausgestossen hatte, gefror ihm das Blut in den Adern. Auf einer Anrichte, die ihm gegenüber stand, lehnte ein Spiegel. Groß genug, um sich darin zu betrachten. Nun war jedoch das Glas dunkel. Und eigentlich war darin nichts zu sehen, außer einem dunklen Schatten. Ein Schatten, in Gestalt eines Menschen. Und dieser sah Erik geradewegs an. Ein andere hätte das für eine Spiegelung seiner Selbst gehalten. Nicht so aber Erik. Er wusste, wer oder was ihn da anschaute und sein Herz wurde von Angst zusammen gepresst. Er blickte seinem eigenen dunklen Ich ins Gesicht. Wielange war es her gewesen, dass sie sich gegenseitig angesehen hatten? Wielange war es her gewesen, dass er ihm erlaubt hatte, seine Grausamkeiten aus zu wirken? Leben aus zu löschen und Seelen ins Verderben zu reißen. In die Tiefen der Hölle zu stoßen. Dieses Ich schien seine Angst zu spüren und lachte wieder. Dieses Mal klang es wie ein bedrohliches Knurren. Augen, die dunkler waren als die Finsterniss um ihn herum, starrten ihn an. Schienen in dieser zu glühen, wie Kohlen. Verschwinde, befahl Erik in seinen Gedanken seiner dunklen Seite. Verschwinde wieder in das Loch, in das ich dich gesteckt habe! Sein dunkles Ich sah ihn nur an. Sagte nichts. Lachte nicht. Sondern sah ihn nur an. So wie es ein Raubtier bei seiner Beute tat, ehe es sich auf ihn stürzte. Und genau das ließ in Erik alles zusammenkrampfen. Dann, wie als habe es sein Ziel erreicht, grinste es, sodass Erik die scharfen Reisszähne in seinem Mund sehen konnte, obwohl es finster war und verschwand dann. Zurück blieb Erik, der immernoch auf den Spiegel starrte und immernoch dieses grässliche Grinsen seiner dunklen Seite sah. Auch wenn es auf seinen Befehl hin nichts erwidert hatte, konnte er deutlich seinem Kopf hören, wie es ihm zu wisperte. „Ich werde wieder frei sein!“ Und das, so war sich Erik sicher, war nicht nur eine Drohung, sondern ein Versprechen. Kapitel 14: Der Wolf unter den Schafen -------------------------------------- Ein Schlag auf den Hinterkopf hatte ihn betäubt und in tiefste Schwärze gestürzt. Als er wieder zu sich kam, fand er sich auf einem Tisch gefesselt in einem dunklen Keller wieder. Zuerst dachte er, ihm würde jemand einen üblen Streich spielen. Und dachte sich erstmal nichts dabei. Sondern spielte das Spiel mit. Als es ihm aber doch zu bunt wurde, machte erklar, dass er nicht gerade viel davon hielt. „Ha-Ha…sehr komisch. Wer immer sich das auch ausgedacht hat, sehr witzig…!“, rief er laut und schaute sich um. Versuchte in dem Raum Gestalten von Leuten aus zu machen, die ihn womöglich hierhergebracht hatten. Doch außer ihm war niemamd im Raum. Und nach einigem weiteren und lauteren Rufen, dämmerte ihm langsam, dass das kein Scherz war. Dass man ihn mit hinterhältiger Absicht nieder geschlagen, hierher gebracht und letzt endlich hier gefesselt hatte. Wollte man ihn hier gefangenhalten, um Lösegeld zu erpressen? Oder wollte sich jemand an ihm rächen? Aber für was? Fieberhaft durchforstete er sein Gedächtnis nach einem vergangenen Ereignis, dass ihm dabei die Lösung für dieses Rätsel geben konnte. Doch er fand nichts. Mochte es an der immer stärker werdenden Panik liegen oder einfach nur weil er sich einfach nicht erklären konnte, was hier mit ihm passiert und warum. Die Zeit, in der er hier auf dem Tisch lag, dehnte sich ins unendliche und er glaubte schon, dass derjenige, der ihn hierher gebracht hatte, ihn absichtlich im Ungewissen schmoren lassen würde. Da aber hörte er wie sich eine Tür öffnete und jemand die Treppe runter schritt. Erleichtert aber auch verärgert, schaute er in die Richtung, aus der die Schritte kamen und sah nun, wie jemand in den Kellerraum kam. Eine Gestalt, gehüllt in einer dunklen Robe, trat an den Tisch und schaute auf ihn nieder. Die Kaupze tief ins Gesicht gezogen. Sie sah aus wie eine Gestalt aus einem alten Horrorfilm. Trotz ihrer bedrohlichen Erscheinung, empfand der Gefesselte keine Furcht, sondern vielmehr Ärger. War dieser Irre derjenige gewesen, der ihn hier her gebracht hatte? Anders konnte es nicht sein und er fing an die Gestalt an zu blaffen. „Was soll das, Man? Soll das ein schlechter Scherz sein? Binden Sie mich auf der Stelle los! Ich werde meinen Anwalt anrufen und Sie bis aufs letzte Hemd verklagen!“ Doch die Gestalt rührte sich nicht. Ließ die Schimpftriaden des Mannes vor sich einfach über sich ergehen. Was den Gefangenen umso wütender machte. Wie wild zerrte er an den Fesseln, doch diese gaben kein bisschen nach. „Was wollen Sie eigentlich von mir? Geld? Dann vergessen Sie es. Ich habe nichts!“ Doch wieder sagte die Gestalt nichts, sondern schob langsam die Hand in ihren Ärmel und als sie sie wieder hervor holte, hielt sie einen Dolch in der Hand. Der Anblick des Dolches ließ den Mann nun verstummen und Entsetzen zeigte sich in seinem Gesicht. „Hö-hören Sie. Wer auch immer Sie sind, ich werde niemandem etwas sagen, wenn Sie mich gehen lassen. Ich gebe Ihnen alles was sie haben wollen!“, versuchte er es nun. Doch auch das schien die Gestalt nicht weiter zu kümmern. Entschlossen hob sie die Hand, in der sie den Dolch hielt und begann etwas vor sich hin zu murmeln. Bewegte dabei den Arm und zeichnete ein Kreuz in der Luft. Hielt dann inne. Der Mann flehte während dessen weiterhin die Gestalt an, damit auf zu hören und ihn frei zu lassen. Was ohne Erfolg blieb. Als die Gestalt dann doch aufhörte, schöpfte er kurz Hoffnung. Welche jedoch zu nischte gemacht wurde, als die Gestalt laut „Amen!“, rief und den Dolch ohne Erbarmen niedersaußen ließ. Tief bohrte sich die Klinge in die Brust des Mannes und löschte so sein Leben aus. Sorgsam und vorsichtig tastete die Ärztin meinen Hals ab und achtete dabei auf mögliche Anzeichen meinerseits, die ihr verrieten, dass es schmerzte. Als sie nichts dergleichen sah, schaute sie mich forschend an. „Sag: Ich bin Allison Adea!“, verlangte sie. Und ich folgte ihrer Anweisung. Es war eine der üblichen Methoden, ob meine Stimme wieder richtig funktionierten. Zuerst fiel es mir schwer aber nach und nach klappte es immer besser. Die Ärztin hörte aufmerksam zu und als sie auch der Meinung war, dass ich mich auf dem Weg der Besserung befand, nickte sie und wandte sich an Fay und Lex. „Alles bestens. Noch ein paar Tage und sie wird wieder normal sprechen können!“, erklärte sie ihnen. „Irgendwie fand ich ihre rauchige Stimme richtig sexy!“, bemerkte Lex, woraufhin Fay ihm einen giftigen Blick zu warf. Wenig später saßen Fay und ich im Wohnzimmer auf der gemütlichen Couch vor dem Kamin. Ich war gerade dabei eine große Portion Eis zu löffeln. Laut Esmeralda sollte das Eis meine Kehle kühlen und die Schwellung etwas lindern. Dabei war das aus meiner Sicht eher nebensächlich. Auch ohne das Eis würde sein mein Hals sich erholen. Aber auf keinen Fall wollte ich darauf zerzischten. Es schmeckte einfach lecker und ich lutschte genüsslich den Löffel blank. Dabei schaute ich in das Kaminfeuer und während ich so da saß, das Eis löffelte und vor mich hinschaute, spürte ich etwas, was ich nicht mehr zu spüren geglaubt hatte. Ruhe und…Normalität. Trotz dass unser letzter Fall, den ich insgeheim „Da ist der Wurm drin!“, nannte, einige Wochen zurücklag, fühlte ich mich erleichtert. Gwen und Josh waren in Sicherheit und was diese Wurmmonster… die waren Geschichte. Lex und Fay hatten sie mithilfe von Salz ausgelöscht. Vielmehr hatten sie das Salz in die Wasserversorgung der Schule geschüttet und als ich Feuer legte, und damit den Wassersprengler ansprang, regnete das Salzwasser auf sie Das hatte einen unangenehmen Nebeneffekt auf sie. Jeder von ihnen war mausetot. Leider hatten sie jedoch einige der Schüler infiziert und was aus ihnen werden würde, war ungewiss. Einige von ihnen lagen nun im künstlichen Koma und unter dem Deckmantel der Behörden, versuchte man nun, diese Parasiten aus ihnen raus zu bekommen. Der Öffentlichkeit hingegen erklärte man, dass an der Schule einige unbekannte Drogen in Umlauf gebracht wurden, um zu sehen wie sie wirkten. Wer genau dahinter steckte, sagten sie nicht, aber lieferten damit genug Stoff damit die Bevölkerung eigene Schlüsse zog. Weiter hieß es, dass diejenigen, die dabei draufgingen – also diese Wurmmonster und Urheber dieses Desasters – dummerweise tragische Todesfälle waren. Tragische Todesfälle? Das ich nicht lache! Die, die es nur aus den Socken gehauen hatte, hatten mehr oder weniger Glück. Was für die Angehörigen nur ein schwacher Trost war und ich hatte Mitleid mit ihnen, da sie niemals erfahren würden, was wirklich passiert war. Aber vielleicht war das auch besser so. Ich musste an Louisa denken. Wie immer, wenn ich dieses Abenteuer dachte und fragte mich sofort, ob es noch Hoffnung gab. Auf keinen Fall wollte ich mir vorstellen, wie sie in irgendeinem geheimen Hospitel in einem Bett lag, an Schläuchen angeschlossen und vor sich hin vegetierend. Es schüttelte mich jedes Mal, sobald ich daren dachte. So wie auch jetzt und vorbei war es mit dem Gefühl der Lichtigkeit. Fay merkte das. „Kalt?“ Ich sah sie nur verwirrt an. „Ist das Eis zu kalt?“ Ich schüttelte den Kopf. Mit einem nachsichtigen Lächeln sah mich Fay weiterhin an und schlug das dicke Buch zu, in welchem sie gelesen hatte. Flüchtig viel mein Blick auf den Einband. Die Buchstaben waren kaum noch zu lesen. So alt musste es schon sein. „Du denkst wieder…an diese Sache, stimmt?“, fragte sie. Ich nickte. „Ich frage mich gerade, wie es…wie es den anderen geht?“, flüsterte ich und stocherte mit dem Löffel in dem Eis herum. Auf einmal hatte das Eis seinen Geschmack verloren. „Man wird sich gut um sie kümmern!“, versicherte Fay mir. Wie so oft, wann ich immer daran denken musste und die Sorge mir im Gesicht geschrieben stand. Ich glaubte ihr auch. Trotzdem…Es blieb ein bitterer Geschmack zurück. Aber zumindest waren zwei meiner neuen Freunde gerettet. Und Gweny und Josh…?“, fragte ich. Der Gedanke, dass meine Freunde erneut von irgendwelchen Monstern wieder angegriffen werden, ließ wieder die alte Angst in mir hochkommen. Ich wollte nicht nocheinmal jemden verlieren, den ich mochte. Nicht noch einmal. Auch diese Sorge versuchte Fay mir zu nehmen. „Um die beiden brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Zum einen werden sie sich sicher gegen solche…Angreifer zu wehren wissen und zum anderen…!“, dabei zwinkterte sie mir zu. „Wissen Sie, an wen sie sich wenden können!“ „Was passiert eigentlich mit den anderen Schülern. Die das alles mitbekommen haben?“ „Naja…sie werden zum Schweigen gebracht. Jetzt schau nicht so geschockt. So meine ich das nicht. Sie müssen einfach nur ein Formular unterschreiben, in dem sie verpflichtet sind, über die Sache zu schweigen!“ „Und was wenn sie das nicht tun?“ „Dann verschwinden Sie auf nimmer wiedersehen!“, sagte nun Lex, der sich zu uns gesellte und unsere Unterhaltung wohl belauscht hatte. Ein schiefes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Ich schluckte. Okay. Das wollte ich eigentlich nicht hören. Und sofort kamen Bilder in mir hoch, in denen ich sah, wie einige wirklich in irgendwelche schwarzen Autos gezerrt werden und davonrasten. „Hör auf so einen Blödsinn zu erzählen!“, sagte Fay angesäuert. „Das Äußerste was Ihnen droht ist eine Geldstrafe!“ „Die allerdings auch schon einen abschreckende Summe hat!“ „Und das soll wirklich helfen?“ „Für Ihre reicht Daddys schon!“ Okay, wenn Fay das sagte, wird auch sicher was Wahres dran sein. Und ich beließ es dabei. Wenige Tage später nahm ich wieder mein Training auf. Das hieß, eigentlich wurde ich wieder nach Strich und Faden verhauen. Ich krachte hart auf dem Boden und blieb einige Minuten liegen. Ich hasste es, wenn man mich, in diesem Falle Brian, durch die Luft schleuderte als würde ich nichts wiegen. Dabei fragte ich mich woher er diese Kraft hatte. Äußerlich wirkte er nicht wie ein Bodybuilder auf Anabolika aber er hatte Kraft. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass er genau wusste, wie er mich zu Boden bringen konnte. Er musste viel Erfahrung haben. Viel mehr als ich. Nach einigen Tagen, als ich meine Stimme wieder hatte, wollten Fay, Lex und ihre Eltern wissen, wie ich es geschafft hatte, diese Wurmdinger so lange wie möglich in Schach zu halten. Ich erklärte ihnen, dass ich es mit Hilfe einiger Schüler, unter ihnen war auch Joshua, schaffte. Aber auch selbst die Initiative ergriff und mit dem Armband, welches Erik mir damals gegeben hatte, eine Peitsche herbei rief, anders konnte ich es mir nicht erklären, und damit einige von ihnen auf Distanz hielt. Fay war sichtlich beeindruckt, während Lex es nicht alssen konnte, und mich als Catwoman 2.0 bezeichnete. Als ich ihm einen bitterbösen Blick zu warf, miaute er tief und kehlig. Brian hingegen schien nach zu denken. Esmeralda wiederum sah ihn forschend an, als würde sie wissen, was ihm durch den Kopf ging. Und mir wurde flau im Bauch. Und das zu recht. Keine Ahnung, was ihn dazu gebracht hatte, aber Brian schien das Training nun zu verschärfen. So zumindest kann es mir vor. Ich rappelte mich auf und hielt mir die Schulter, auf die ich eben unsanft gelandet war. „Ouch!“ Brian sah mich mit einem bedauerlichen Blick an. Aber es war die Art von Bedauern, die ein Lehrer empfand, wenn er sich der Beschränktheit eines Schülers gegenüber sah. Das ärgerte mich wiederum. Okay, ich war wirklich nicht die perfekte Kampfmaschine, aber musste er mir immer wieder unter die Nase reiben, dass ich im nächsten Moment sofort tot wäre? Als er sah und feststellen musste, dass es keinen Sinn hatte, schüttelte er den Kopf und sagte, dass wir eine Pause machten. Ich war mehr als dankbar dafür. „Irre ich mich, oder macht es deinem Vater Spaß mich durch die Luft zu schleudern?“, fragte ich Fay wenig später. Wir saßen zusammen im Trainingsraum, da ich es für sinnfrei hielt, auf mein Zimmer zu gehen. Da die Pause sicher bald zu ende sein würde. Fay hatte sich zu mir gesellt und mir eine Flasche Wasser gereicht. Ich nahm einen Schluck daraus und massierte mir dann meine schmerzende Schulter. Fay lächelte etwas milde. „Dads Methoden zur Verteidigung mögen zwar etwas…hart sein. Aber er weiß, was er tut. Die Gegenseite ist auch nicht gerade zimperlich. Darum ist es immer gut, aufs äußerste vorbereitet zu sein!“, erklärte sie. „Hat er dich auch trainiert?“ Kaum hatte ich das gefragt, legte sich ein Schatten übers Fays Gesicht. Sie schlug die Augen nieder. „Nein…er…er war zu der Zeit nicht da…!“, kam es schwach von ihr. Ich konnte mir nicht helfen, aber sie klang so als wäre ihr Vater damals nicht nur da gewesen, sondern…tot. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Wollte auch nicht weiter darüber sprechen. Es schien ihr Schmerzen zu bereiten. „Es spielt aber auch keine Rolle!“, kam es dann von ihr und versuchte dabei ihre Stimme zu festigen. „Wichtig ist nur, dass du weißt, dass Dad eigentlich kein übler Mensch ist!“, sagte sie. Klar, dass sie das sagte. Immerhin war er ihr Vater. Jede Tochter würde ihren Vater verteidigen. Aber dennoch wollte ich es glauben. Mama kannte ihn. Und sie war nicht die Sorte Mensch gewesen, die blindlinks jedem x-beliebigen vertraute. Auch wenn ich mich immer noch fragte, woher sie sich kannten. Fast schon war ich versucht Fay darüber aus zu fragen. In der Hoffnung, dass sie immerhin meine Zweifel beiseite wischen konnte. Ließ es dann aber. Keine Ahnung warum. Aber vielleicht wusste sie auch nicht viel mehr als ich. Einige Tage später rief Scotland Yard bei den Matthews an und verlangte Lex und und Fay in das Büro von Sir James. Natürlich nahmen sie mich mit. Ich war gespannt aber auch ein wenig unruhig was als nächstes kommen würde. Welche Art von Ungeheuer dieses Mal sein Unwesen trieb. Ohne große Umschweife reichte Sir James Lex eine Akte, der sie sogleich auf schlug und darin zu lesen begann. Mitten drin runzelte er die Stirn und sah den Vorgesetzten an, als würde es sich hierbei um einen Scherz handeln. „Ein Serienmörder?“, fragte er dann. „Davon ist aus zugehen!“, sagte Sir James. „Alle Opfer weisen die gleichen Töteungursachen auf. Ein Stich ins Herz. Mit einem sehr scharfen Messer. Die Obduktion hat ergeben, dass das Opfer zuvor niedergeschlagen und dann später erstochen wurde!“ „Als es noch bewusstlos war?“, bohrte Fay nach. Sir James schüttelte den Kopf. „Nein. Die Wunde war zum Teil verkrustet, als man ihn erstach!“ „Also war er kurz bei Bewusstsein!“, kam es von Fay. „Weiß man genaueres?“ Sir James schüttelte den Kopf. „Nein. Nichts Außergewöhnliches. Einige von Ihnen wohnten allein oder waren verheiratet!“ Dann sagte er mit monotonen Ton:„ Aber etwas ist dennoch merkwürdig!“ Nun spitzte auch ich die Ohren. Bis jetzt hielt ich das für eine gewöhnliche Mordserie, wobei ich mich fragte, warum Sir James gerade Fay und Lex hierher zitiert. Sie waren doch auf Monster und so weiter spezialisiert? Oder übernahmen sie auch normale Aufträge? „Jedes der Opfer hatte eine römische Ziffer in die Handfläche geritzt bekommen!“, erklärte Sir James. Wir betrachteten nun die Fotos, die man von den Leichen gemacht hatte und ich musste kurz dagegen ankämpfen zu würgen. Trotz dass ich schon wesentlich ekelige Sachen gesehen hatte, war der Anblick der Toten dennoch heftig. Es waren sowohl Männer als auch Frauen darunter. Alle hatten die gleiche Stichwunde in der Brust, die ihnen den Tod brachte. Und auf den abfototgrafierten Handflächen waren, wie Sir James es gesagt hatte, römische Zahlen. Mal war es eine vier, das Opfer dabei war ein Teenager. Dann zwei von Ihnen hatten eine sieben, beide zwei Männer, dann eine Acht, eine ältere Frau und eine Zehn, eine Frau, in mittleren Jahren. Das letzte Opfer war ein Mann. Er hatte die Zahl Fünf. Ingesamt waren es also sechs Opfer, aber jeder von ihnen hatte eine andere Zahl. Zuerst hatte ich die Vermutung, dass der Killer seine Opfer mit der Zahl kennzeichnete. Praktisch als Reihenfolge seiner Taten. Aber diesen Gedanken verwarf ist sogleich wieder. Nein. Ein anderes System musste dahinter stecken. Auch wenn ich immer noch nicht verstand warum gerade wir uns diesen Fall anschauen sollte, konnte ich eine gewisse Neugier nicht verleugnen. Auch Fay und Lex musste es so ergehen. „Wir werden uns die Sache mal anschauen!“, sagte Lex und verstaute die Akte in seine Jacke. „Ich dachte, dass wir nur Dämomen jagen?“, fragte ich als wir auf dem Rückweg waren. Fay hob die Schultern. „Ja, das ist eigentlich unser Spezialgebiet. Aber hinundwieder übernehmen wir solche Fälle!“, erwiderte sie. „Ist doch auch mal eine nette Abwechslung!“ Da stimmte ich ihr zu. Das schien dieses Mal ein Fall zu sein, der normal war. Okay, das klang jetzt gerade irgendwie pietätlos. Aber ich war froh, dass es sich hierbei um einen menschlichen Mörder handelte. Wobei…War dem wirklich so? „Sicher, dass es wirklich ein normaler Mordfall ist? Nicht das doch irgendwie fiese Dämonen dahinter stecken?“ Auch wenn das wirklich unwahrscheinlich war und vieles dafür sprach, dass es sich hierbei um einen gewöhnlichen Fall handelte, wollte ich dennoch auf nummer sicher gehen. Immerhin verstanden es diese Mistviecher sich im Verborgenen zu halten und andere Drecksarbeit machen zu lassen. Der letzte Fall, beziehungweise, die Erinnerungen steckten mir noch tief in den Knochen. Umso verlockender war die Aussicht, dass es dieses Mal ohne irgendwelche Dämonen zuging. Fay warf mir ein zuversichtliches Lächeln zu. „Ganz sicher. Dämomen gehen da wesentlich subtiler vor!“ „Das müsstest du doch mittlerweile wissen. Nach allem was du bisher gelernt hast!“, pflichtete Lex ihr bei. „Außerdem hättest du nicht dann eine Vision bekommen, wenn dem nicht so wäre?“ Und da sprach Lex etwas an, was mich nun zum nachdenken brachte. Meine Visionen! Ich hatte sie auch vor dem „Da ist der Wurm drin“-Fall, nicht erhalten. Und auch damals nicht als Marie…von diesem Parasiten befallen war. So als habe diese Art von Dämonen einen spezifischen Schutz gegen sowas. Und das gefiel mir nicht. Meine Gabe schien doch nicht so zuverlässig zu sein, wie ich immer gedacht hatte. Auch jetzt blieb diese aus. Entweder war das ein Zeichen dafür, dass wirklich ein Mensch dahinter steckte oder aber etwas anderes, was sich nicht vorhersehen ließ. Meine Neugier erhielt dadurch einen kleinen Dämpfer. Dennoch wollte ich auch dem Ganzen auf den Grund gehen. „Wer auch immer dahinter steck, scheint es darauf an zu legen, dass man ihn auf die Schliche kommt!“, sagte Brian. „Oder er ist einfach nur schlampig!“ „Soweit waren wir auch schon!“, bemerkte Lex, während er die Akte auf dem Wohnzimmertisch legte und ausseinander nahm. Legte jedes Foto zu dem ihm gehörigen Bericht, so als würde er daraus eine bestimmte Verbindung herstellen wollen. Esmerlada beugte sich darüber und betrachtete jedes einzelne Bild davon. Deutlich war auf ihrem Gesicht Ekel und Fassungslosigkeit zu sehen, als sie sich die Opfer ansah. „Ich bin schon ziemlich lange in diesem Job, aber es schockiert mich immer noch wie grausam der Mensch sein kann!“, murmelte sie. „Ich dachte Dämonen seien das Übel, was diese Welt beherrscht!“ Etwas an ihren Worten ließ meinen Magen zusammenkrampfen. Sie musste wohl schon vieles erlebt haben, was sie an die Vernunft der Menschheit und die Menschlickheit an sich manchmal zweifeln ließ. „Sei nicht so naiv, Esmeralda!“, kam es ungerührt von Brian. „Menschen sind nicht besser. Dass solltest du wissen!“ Brians Ton war dabei eisig und ohne jegliche Spur von Trost. Ich fragte mich unwillkürlich, ob er auch bei seiner Frau den Harten makierte. Ob das seine Art war damit fertig zu werden, wenn Menschen zu schaden kamen. Ich hörte wieder Fays Worte in meinem Kopf. „Wichtig ist nur, dass du weißt, dass Dad eigentlich kein übler Mensch ist!“ Es fiel mir ehrlich gesagt schwer, Fay das zu glauben. Aber vielleicht sah ich das nur so, weil ich nicht zur Familie gehörte. Weil ich eine Außenstehende war und in Brians Augen eine Art Störfaktor. Wieso sonst sollte er manchmal so kühl sein. Das stimmt nicht, meldete sich eine Stimme in mir. Stimmt. Da gab es einen Moment, in dem er mir Mut zu sprechen wollte. Zwar war dieser kurz und lag lange zurück, aber ich erinnerte mich klar und deutlich daran. „Du bist nicht einsam! Du hast doch noch uns!“ Brian. „Ja, das ist aber nicht dasselbe!“ „Du vermisst sie sehr?“ Damit meinte er meine Mutter. Und ich hatte wirklich das Gefühl, dass er mich verstand. Dass er wusste wie sehr es wehtat an sie zu denken und sie zu vermissen. Aber das schien lang zurück zu liegen, dass er mir seine andere, verständnissvolle Seite zeigte. Jetzt zeigte er mir deutlich die kalte Schulter. „Hey, Allison. Alles okay mit dir?“, fragte Fay und schnippte mir mit den Fingern vor den Augen. Ich brauchte eine Weil, ehe ich aus meinen Gedanken kam. „Äh…ja…!“, sagte ich etwas neben mir. „Sorry, war gerade woanders!“ „Wie gehen wir vor?“, fragte Lex an seinen Vater. „Ich halte es für das Beste, wenn wir verdeckt ermitteln. Vor Ort und nicht alle drei zusammen, um nicht auf zu fallen. Einer von Euch sollte im Hintergrund bleiben und die beiden anderen beobachten!“ „Das mache ich!“, sagte Lex sofort. Fay machte ein Gesicht als hätte sie nichts anderes erwartet. Als würde sie das schon ihrem Bruder kennen. „Du bist doch einfach nur zu faul, um Fragen zu stellen!“, sagte sie tadelnd. Lex zuckte frech die Schultern. „Ich bin mehr für das Grobe!“ Fay schnaubte nur. „Klar!“ Daraufhin warf sie mir einen vielsagenden Blick zu und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Dann übernehmen Allison und ich den langweiligen Teil!“, erklärte sie. „Fragen stellen und dem ganzen auf den Grund gehen!“ Klang alles ziemlich einfach. Aber ich fragte mich dabei, welche Geschichte wir den dortigen Leuten auftischen würden, um nicht verdächtig zu wirken. „Wir sollten uns noch überlegen, wo wir euch unterbringen. Es sollte aussehen, als würdet Ihr in das Dorf ziehen und nicht nur für einige Wochen dort bleiben!“, sagte Esmeralda. „Da sehe ich kein Problem. Immerhin mangelt es da sicher nicht an freien Häusern!“, sagte Lex trocken. Fay machte ein angewidertes Gesicht. „Das ist nicht komisch, Lex!“ Nein, das war es wirklich nicht. Aber so bitter und ironisch das auch war, es stimmte. An freistehenden Häusern mangelte es in dem Dorf wirklich nicht. Als wir anriefen, um uns dort nach einem freien Haus zu erkundigen, wurden wir sogleich mit zahlreichen Objekten überschüttet. Offenbar schien man sich nicht zu wundern, dass jemand neues ein Haus mieten oder gar kaufen wollte. Trotz bei den ganzen Todesfällen. Aber sicher wollten der oder die Makler so schnell wie nur möglich wieder ein Haus an den Mann bringen. Um nicht pleite zu gehen. Man schickte uns Bilder von den jeweiligen Objekten, die wir uns anschauen sollten, um das Haus aus zu wählen, was uns am meisten gefiel. Wir entschieden uns für eines, dass in der Nähe der Haupstraße lag, um auch alles beobachten zu können. Wir setzten den Makler davon in Kenntnis und dieser versicherte uns, dass wir bald dort einziehen konnten. Es würde jedoch etwas dauern, da man die Besitztümer der Verstorbenen noch den Angehörigen zu kommen lassen wollte. Wir sagten, dass es nicht drängte und wir warten konnten. Als es endlich so weit war, packten ich und Fay unsere Sachen. Dabei merkte ich, dass ich selbst nicht gerade viel besaß. Ein paar Klamotten, die ich aus Paris mitgebracht hatte. Andere wiederum waren von Fay, die sie mir geliehen hatte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Sobald ich die Chance hatte, würde ich mir selbst neue Klamotten besorgen. Zwar schien es Fay nichts aus zu machen, mir was zu leihen, aber ich wollte mich nicht weiterhin aus ihrem Kleiderschrank bedienen. „Du scheinst nervös zu sein?“, fragte Erik, der hinter mir saß. „Wie kommst du darauf?“, konterte ich. Seit unserer letzten Unterhaltung, was Eriks Vergangenheit betraf, hatte zwischen uns Funkstille geherrscht und mich zusätzlich mürbe gemacht. Mein Vertrauen geriet dadurch noch mehr ins schwanken. Dass er sich nun bei mir meldete, hob meine Stimmung nicht wirklich. Erik hob die Schultern. „So ein Gefühl. Als würdest du nicht wissen, was dich erwartet!“ „Und ob ich das weiß. Ich und Fay werden in einem kleinem englischen Dorf einer Mordserie auf den Grund gehen!“ Nach einer Weile sagte ich dann gleichgültig:„ Im Vergleich zu den bisherigen Fällen, ein Klacks! Immerhin steckt ein Mensch dahinter!“ „Ein Mensch, der zu allem fähig ist!“, ermahnte Erik mich. Dass wusste ich. Wie oft hatte ich schon in den Nachrichten mitbekommen, dass Menschen aus welchen Gründen auch immer anderen schadeten, sie ermordeten. Klar, es gab gute und böse Menschen. So naiv war ich wirklich nicht. Wobei ich manchmal glaubte, dass es von letzterem mehrere gab. „Fay ist dabei. Und Lex passt auch auf uns auf!“, sagte ich lahm und machte die Reisetasche zu. Um den Schein zu wahren, hatten Fay und Esmeralda einige Kisten gepackt. Voll mit Büchern, Handtüchern, Geschirr und Bettbezüge. Inklusive einiger Nahrungsmittel wie Konservendosen und Gemüse. Lex und Brian schleppten eine nach der anderen in den großen Van, der in der Einfahrt parkte. Ich war beeindruckt, dass sie solch einen Aufwand betrieben. Aber wenn es half, den Eindruck zu vermitteln, dass wir die neuen Besitzer des Hauses waren, würde ich mich hüten, etwas darüber zu sagen. „Meldet Euch sooft wie es möglich ist!“, schärfte uns Esmeralda ein. Auch wenn es wohl nichts Neues war, dass Fay und Lex verdeckt operierten, konnte ich deutlich die Sorge in ihrer Stimme hören. Fay lächelte. „Mach dir keine Sorgen, Mum. Wir passen schon auf!“ „Sie sind alt genug und bestens ausgebildet!“, setzte Brian hinzu und klang dabei ein wenig stolz. Okay, jetzt klang er dabei ganz wie ein Vater und nicht wie ein harter, kühler Ausbilder. Esmeralda nickte nur. Drückte dann ihre Tochter und dann mich. Ein eigenartiges Gefühl der Wärme erfasste mich dabei und ich genoss es für einen Augenblick. Es fühlte sich genauso an, wie damals als Mama mich umarmt hatte. Auch wenn sie nicht ganz dieses Gefühl vermittelte. Aber es war dennoch wunderbar. Als wir vor dem Haus, unserem Haus hielten, hatten sich schon einige Schaulustige versammelt. Offensichtlich hatte man die Leute in Kenntnis gesetzt, dass das Dorf zwei neue Bewohner bekommen würde. Und so klein wie dieses Dorf war, schien sich jede Neuigkeit schnell herum zu sprechen. Kaum das wir ausgestiegen waren und die Schiebetür des Vans aufschoben, um die Kisten raus zutragen, kam auch schon der erste des Begrüßungskomitees. Ein hochgewachsener Mann schätzungweise in den dreißigern und dunklen Haaren. Und durchaus wachen Augen. In der Robe eines Pfarrers. Das musste der Dorfpfarrer sein. „Herzlich Willkommen in Aldbury!“, begrüßte er uns. Reichte uns die Hand. Erst Fay, dann mir. „Im Namen alle heiße ich Sie willkommen und hoffe, dass Sie sich bei uns wohlfühlen. Ich bin hier der Pfarrer und heiße Remingten!“ „Da-Danke…!“, stammelte ich nur, während Fay ihr hübschestes Lächeln zeigte und sich noch herzlicher bedankte. „Das werden wir ganz sicher. Ich danke Ihnen ebenso für diesen wunderbaren Gedanken!“ Dann trugen wir unsere Kisten hinein, wohlwissend um die Blicke in unseren Rücken. Okay das ist wirklich strange! Ich kam mir vor wie in einem dieser Filme, wo Leute in ein Dorf kommen, dessen Bewohner ein Geheimnis hatten, dass es zu verteidigen galt. Um jeden Preis. Es hatte etwas Beklemmendes und ich ließ wachsam den Blick umher wandern. Aldbury war eines dieser Dörfer, dessen Häuser auf landschaftlichen Postkarten zu sehen war und hatte einen gewissen Charme. Manche waren aus roten Ziegelsteinen gebaut, andere wiederum waren weiss gestrichen, wirkten aber nicht minder historisch. Die Gegend selbst war landlich und abgeschieden. Ruhig konnte man meinen. Man hörte Kühe und Schafe, die auf ihren Weiden standen und grasten. Diese Idylle konnte jedoch nicht verbergen, dass hier etwas nicht stimmte. Wie gesagt, ich hatte ein beklemmendes Gefühl, als ich hier mit Fay die Kisten in das Haus räumte, dass unser neues Heim sein würde. Und ich fragte mich, ob es wirklich eine angenehme Abwechselung war, mal einen normalen Fall zu übernehmen. Als wir fertig waren, schlossen wir die Tür hinter uns und wir ließen uns auf die Couch fallen. Gedankenverloren ließ ich den Blick um herschweifen. Das Haus wirkte von Innen so, als würde hier noch immer der vorherige Besitzer leben. Als wäre er nur kurz aus der Haustür. Was natürlich ein Trugschluss war, und es somit noch unangenehmer machte. Bis auf die persönlichen Gegenstände, war das Haus komplett eingerichtet. Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer. Alles war da um hier wohnen zu können. Es fehlte so gut wie gar nichts und das wunderte mich ein wenig. Dennoch war ich auch froh, dass wir nicht auf dünnen Matrazen auf dem Boden schlafen und Essen aus der Büchse zu uns nehmen mussten. Von außen wirkte das Haus recht alt, aber von Innen war es sehr modern. Nur der Holzofen, der für zusätzliche Wärme sorgte, schien noch ein Relikt aus der Vergangenheit zu sein. Ich stand auf und ging zu diesem. Inspizierte ihn sehr genau und wandte mich dann an Fay. „Meinst du, das Ding funktioniert noch?“ Fay hob die Schultern. „Vielleicht. Probieren wir es doch aus!“ Neben dem alten Ofen waren einige Holzschaite zu einem Haufen aufgeschichtet und Fay nahm sich eingie davon. Öffnete die Tür, legte sie sorgältig hinein. „So. Jetzt noch ein Feuerzeug und ein Stück Papier, dann geht es los!“, murmelte sie und suchte ihre Hosentaschen nach besagtem Feuerzeug ab. Ein Stück Papier ließ sich schneller finden, da hier noch einige lose Zettel rumlagen. Ich schnappte einige davon und reichte sie Fay. Inzwischen hatte sie auch ihr Feuerzeug gefunden und zündete das Papierstück an. Legte es auf die Holzschaite, die sogleich anfingen zu schwellen und zu brennen. Dann schloss sie die Tür und drehte an einem kleinen Rädchen, damit der Qualm abziehen konnte. „So. Das wäre es!“, sagte Fay zu frieden und nach wenigen Minuten wurde es tatsächlich wohlig warm. Dann drehte sie sich zu mir herum und breitete sie Arme aus. „Und was sagst du? Wie gefällt es dir hier?“ Ich sah sie verdattert an. Hatte ich etwas verpasst? Waren wir nicht hier um einen Mordfall auf zu klären? Und jetzt tat Fay so als wären wir hier um Urlaub zu machen! „Ähh…!“, gab ich nur von mir, schüttelte dann den Kopf. „Ich habe echt keine Ahnung. Warum fragst du mich das?“ Da nahm Fay einen nachdenklichen Ausdruck an und sie wirkte wieder ganz so als würde sie nach den ersten Hinweisen suchen. „Naja…ich hatte den Eindruck, dass du dich hier nicht wirklich wohlfühlst! So wie du dich immer wieder umgeschaut hast!“ „Nun…ja. Ich hatte schon irgendwie so ein difuses Gefühl!“, gab ich zu. Fay nickte. „Bei mir war es nicht anders!“, sagte sie, streckte sich. „Aber darüber können wir uns morgen Gedanken machen. Wir sollten erstmal auspacken. Zumindest unsere Schlafsachen und ins Bett gehen!“ Das hörte sich durchaus verlockend an. Wir waren zwar nicht gerade spät los gefahren, aber als wir in Aldbury ankamen, dämmerte es bereits und es würde nicht lange dauern, ehe es Nacht wurde. Wir aßen noch etwas, dann suchten wir nach dem Schlazimmer, das gemütlich und geräumig war. Dass es hier nur ein Bett stand, störte mich nicht. Ich war weder prüde noch verkklemmt. Nur wenn Lex an Fays Stelle gewesen wäre, hätte lieber auf der Couch geschlafen. Nicht das ich Lex nicht traute, aber…okay okay…ich traute ihm doch nicht. Zumindest nicht so weit, dass er irgendeinen Blödsinn zu veranstalten würde. So oft wie er mich aufzog. „Tja, dann mal gute Nacht!“, sagte Fey und schlug ihre Bettdecke zurück. Ich ging auf die andere Seite und machte dasgleiche mit meiner. Als ich darunter schlüpfte und mich auf die Matraze legte, merkte ich wie weich diese war. Angenehm und schon merkte ich, wie ich müder wurde. „Ich hoffe doch sehr, dass du kein Bettdeckenklauer bist?“, fragte mich Fay noch, bevor ich in den Schlaf driftete. „Iwo!“, sagte ich noch und kuschelte mich in meine Bettdecke ein. „Nacht!“ Der Geruch von krossgebratenen Speck und aufgebrühtem Kaffee weckte mich aus einem traumlosen Schlaf und ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen. Noch mit meinem Shirt bekleidet, dass ich als Nachthemd trug, tappte ich in die Küche und sah Fay darin herumwerkeln. Während ich noch müde war und mein Hirn nicht gerade aufnahmefähig war-mal abgesehen davon, dass ich nur den Kaffee und den besagten Speck riechen konnte-, schien Fay hingegen ein Morgenmensch durch und durch zu sein. Sie nahm die Pfanne mit dem Speck und den Spiegeleiern vom Herd mit einer Hand, während sie mit der anderen einen Untersetze bereitlegte und die Pfanne darauf absetzte. Dann wandte sie sich der Kaffeemaschine zu und goß die schwarze Brühe in zwei Tassen. „Morgen!“, sagte sie als sie mich in der Türe stehen sah und lächelte. In diesem Moment sah sie Esmeralda so ähnlich. „Morgen!“, grummelte ich am Kopf kratzend und ließ mich auf den Holzstuhl sinken. Fay lächelte und tat mir etwas von dem Frühstück auf den Teller. Schweigend frühstückten wir. Dabei hingen wir beiden gleichen Gedanken nach. Wie würden wir vorgehen? Welchen Zeugen oder Verdächtigen würden wir uns als erstes vornehmen? Welche Geschichte würden wir den anderen Leuten auftischen, dass sie uns nicht auf die Schliche kamen? Fay schien meine Fragen meinem Gesicht ab gelesen zu haben. Zumindest was die letzte Frage anging. „Am besten erzählen wir, dass wir zwei gute Freundinnen sind, die der Großstadt entkommen wollten!“, erklärte sie und holte mich so aus meinen Grübeleien. Dagegen war nichts ein zu wenden. „Und wie machen wir das mit Geld verdienen? Ich glaube kaum, dass Scotland Yard uns diesen kleinen Urlaub finanziert?“ Fay lächelte amüsiert und schüttelte den Kopf. „Nein. Ich fürchte, wir werden uns einen Job suchen müssen!“ „Aber so könnten wir uns natürlich umhören, ohne verdächtig zu wirken!“ „Und wo und wie sollen wir uns hier einen Job suchen. Hier sieht es nicht so aus, als würde man hier Leute suchen!“, sagte ich. „Ich bin sicher, dass es hier eine Art Lokal oder Gastwirtschaft gibt!“ „Ja und?“ „Warst du nicht mal Kellnerin?“ „Ja!“, gab ich gedehnt zurück. „Was willst du mir damit sagen?“ Nun sah mich Fay verschwörisch an. „Wo, glaubst du, kann man soviel Informationen sammeln als in einer Gaststätte?“ Der Wirt sah sich meine Unterlagen mit gefurschten Augenbrauen an und sah mich dann skeptisch an. Ich trat ein wenig nervös von einem Fuss auf den anderen und hoffte, dass er mich nicht wegschickte. Fay hatte schließlich Recht. Hier gab es soviele Quellen und Gerüchte wie sonst nirgendwo. Fay hingegen würde von Zuhause aus arbeiten.Soll heißen: Sie würde via Skype ihre Eltern und Scotland Yard auf den Laufenden halten. Ich stattdessen sollte Ohren und Augen offen halten. Falls ich hier eine Stelle bekomme. „Sie kommen also aus Paris und haben schon Erfahrung als Kellnerin?“, fragte der Wirt dann mit dröhnender Stimme. Ich nickte. Daraufhin sah er mich prüfend an. „Nun diese Gaststätte ist was anderes als so ein französisches, piekfeines Cafe!“, sagte er. Ich hob die Schultern. „Das stört mich nicht!“ „Hm…naja. Wir werden sehen. Hier!“, sagte er und reichte mir dann eine weiße Schürze. „Binden Sie das um und gehen Sie in die Küche!“, wies er mich an und ich machte, was er sagte. Die Leute, die in der Küche arbeiteten, sahem mich auch erstmal forschend an, dann aber schienen sie erleichtert zu sein, dass ihr Chef eine weitere Kraft einstellte und zeigten mir alles, was ich wissen musste. Wo ich die Bestellungen ab zu holen hatte und wohin das schmutzige Geschirr hinkam. Eine der anderen Kellnerinnen, eine rotharrige Schönheit mit dunklen Augen, zeigte mir, welche Tische mir zugeteilt waren und um die ich mich zu kümmern hatte. Dabei fragte sie mir Löcher in den Bauch. Ob ich wirklich aus Paris kam? Warum und was micht hierher verschlagen hatte? Und ob meine Augenfarbe echt war? Ja, ich kam aus Paris. Gründe, die privat waren, hatten mich und meine Freundin hierher gebracht und ja, meine Augenfarbe war kein Fake. Die Augen der Kellnerin, die sich als Jackie vorgestellt hatte, wurden groß. Offenbar kam sie nicht oft hier raus. Dann aber war es aber auch schon vorbei mit dem Smaltalk als die ersten Gäste eintrafen. Die Gaststätte oder vielmehr der Schankraum war ziemlich eng eingerichtet. Tische um Tische standen herum und ebenso viele Stühle, die besetzt waren und ich hatte erstmal alle Hände voll zutun, um die Wünsche der Gäste entgegen zu nehmen und den anderen ihre Bestellung zu bringen. Es war wie ein Hindernislauf, der darauf bestand Leuten aus zu weichen, die aufstanden und umherliefen. Sowohl Gäste als auch andere Kellner, oder über Dinge hinweg zu steigen, die auf dem Boden lag. Sprich Taschen, Koffer und den einen oder anderen Hund. Eines von dieser Spezie kläffte mich an, als ich über ihn hinwegbalancierte und sein Nickerchen störte. Ich beeilte mich, warf diesem Köter einen bösen Blick zu und fauchte. Zum Glück merkte die Besitzerin nichts, da sie zu sehr in ein Gespräch versunken war und es im allgemeinen ziemlich Laut war, als das sie das Kläffen ihres Hundes undmein Fauchen hören konnte. Der Hund zog sich sogleich unter dem Stuhl zurück und beäugte mich ängstlich. Zufrieden dieser Tölle das Maul gestopft zu haben, wandte ich mich um und servierte. Als ich fertig war, rief mich der Wirt in sein kleines Büro. „Nun für den ersten Tag nicht schlecht. Und keiner der anderen hatte sich über Sie beschwert!“, begann er, kaum dass ich mich gesetzt hatte. Das gab mir etwas Mut und Zuversicht, da ich unbedingt diesen Job haben musste und nicht bitteln und betteln wollte. Ich atmete auf und entspannte mich nun etwas. „Ich glaube, es wäre durch aus ein Versuch wert!“, sagte er und holte ein beschriebenes Blatt Papaier hervor. Kritzelte etwas darauf und schob es zu mir herüber. Es war ein Arbeitsvertrag! Fast wollte ich schon jubeln, hielt mich aber zurück. Dennoch mit einem glücklichen Lächeln, nahm ich den Stift und unterschrieb. „Und wie war es? Hast du den Job?“, fragte mich Fay und ich wedelte ihr mit einem selbst zu friedenem Grinsen mit der Kopie des Arbeitsvertrages vor der Nase herum. Fay grinste und reckte beide Daumen in die Höhe. „Und du? Was hast du so den ganzen lieben Tag gemacht?“, fragte ich wiederum. Statt etwas zu sagen, machte sie eine weitausholende Armbewegung und ich sah nun, dass alle unsere Sache aus-und eingräumt war. „Ich habe unser neues Zuhause auf Fordermann gebracht!“, erklärte sie schnippisch. „Sorry!“ „Konntest du schon etwas herausfinden?“, fragte Fay mich später, nachdem wir zusammen spätes Mittagessen zu bereitet hatten und es uns nun schmecken ließen. Ich schüttelte den Kopf. „Ich hielt es für das Beste, erst mal nicht mit der Tür ins Haus zu fallen!“, erklärte ich zwischen einigen Bissen. Fay nickte. „Sehr vernünftig!“ „Hörst du dich auch um?“, fragte ich dann. Irgendwie gefiel es mir nicht, dass nur ich die Lauscherin spielen sollte. Nicht dass der Killer mich als nächstes ins Visier nahm. „Natürlich. Ich werde mich morgen mal umhören. Natürlich meine Tarnung aufrecht halten. Aber hier und da ein wenig Fragen schadet ja nicht!“ „Pass bloß auf!“, bat ich sie. „Wer weiss, was hier auf uns wartet!“ Fay hatte sich nach einem Bauernladen erkundigt, in dem man alles nötige kaufen konnte. Dieser befand sich nicht unweit von der Mitte des Städtchens und war, wie jedes andere Haus hier, aus roten Backsteinen gebaut. Ein großes Schaufenster zeigte, was man hier erstanden konnte. Frische Backwaren, Frückte und Gemüse. An einer Stange hingen sogar einige Würste. Fay war beeindruckt und trat ein. „Guten Tag!“, grüßte sie. „Guten Tag!“, grüßte eine stämmige Frau, die hinter einer Theke hervorkam und sich die Hände an der Schürze abwischte. Als sie Fay erkannte, sagte sie:„ Sie sind doch vorgestern hierher gezogen, nicht wahr?“ Fay nickte. „Ja. Freut mich!“, sagte sie und reichte ihr die Hand. Die Frau, die sich als Agatha vorstellte, nahm sie und schüttelte sie kräftig. „Ebenso. Was kann ich für Sie tun?“ Fay holte eine Liste hervor und las der Frau die Dinge vor, die sie brauchte. In einer Holzkiste legte sie alles hinein und bat Fay, ihn bis zur Kasse zu folgen. Ein nach dem anderen tippte sie in die Kasse ein und legte es beiseite. Fay wartete geduldig, bis die Frau von sich aus ein Gespräch anfing. Auf keinen Fall wollte sie den Anschein erwecken, dass sie aus einem besonderen Grund hierhergezogen. „Gefällt es Ihnen hier?“, fragte die Frau. Fay lächelte flüchtig. Dann sagte sich im gelassenen Ton:„ Ja. Es ist was anderes als die Großstadt. Schön ruhig!“ Agatha schaute kurz auf, sah sie etwas zerknirscht, so als habe Fay etwas Falsches gesagt und murmelte vor sich hin. „Ruhig. Das war mal!“ „Wie bitte?“, fragte Fay und beugte sich vor. Agatha winkte ab, schüttelte den Kopf. Sagte dann aber in einem bedauerndem Ton:„ Aldbury war mal ruhig. Aber seit diese…diese schrecklichen Morde passieren…!“ Fay hob perfekt gespielt die Brauen. „Morde?“ Agatha sah sie kurz verwirrt an. Dann aber wirkte sie betroffen. „Wussten Sie davon nichts?“ Fay schüttelte den Kopf. Und die Frau seufzte entsetzt, schlug dabei ein Kreuzzeichen. „Hat das niemand gesagt?“ „Nein. Die Maklerin hat kein einziges Wort darüber verloren!“ „Das ist doch nicht zu fassen!“, sagte Agatha und schlug mit der flachen Hand auf die Holzplatte. „Diese…aber mich wundert das nicht. Bis jetzt hatte sie keinen einzigen Käufer für die freigewordenen Häuser. Da kam es ihr nur Recht, dass zwei Ahnungslose sich nun bei ihr gemeldet haben!“ „Also, jetzt haben Sie mich neugierig gemacht!“, sagte Fay. „Was waren das für Morde?“ Agahte antwortete nicht sofort, sondern schien erstmal darüber nach zu denken, ob sie wirklich eine Außenstehenden davon erzählen sollte. Schien es sich dann aber anders überlegt zu haben und begann mit verschwörerischem Flüsterton:„ Alles fing vor einem Monat an. Zuerst dachte sich keiner was dabei. Auch hier passieren schlimme Dinge. Aber als dann der zweite und dritte Mord passierte, fingen wir an uns Sorgen zu machen. Die Polizei versuchte dem Mörder auf die Spur zu kommen, aber es gab weder Hin-noch Beweise. Das einzige, was der Mörder zurückließ, waren die Leichen und diese Schnitte in ihren Handflächen!“ „Was denn für Schnitte?“ Agatha hob die Schultern. „Das weiss keiner. Vielleicht macht es diesem Mistkerl einfach nur Spass!“ „Und was ist mit den Opfern? Hatten die irgendwas an sich? Etwas, was den Mörder dazu brachte sie…?“ Fay war sich bewusst, dass sie mit dieser Frage sich verdächtig machen würde. Ganz wie eine Polizistin klang. Aber sie setzte dennoch darauf, dass Agatha das alles der typischen Neugierde von neuen Nachbarn zuschrieb. Ihre Hoffnung wurde erhört. „Naja…eigentlich soll man über Tote nicht schlecht reden und ich kannte weiß Gott nicht alle, aber…die kleine Anne, die…die war wirklich ein Satansbraten!“ Fay erinnerte sich daran, dass in der Akte von einem Opfer im Teenageralter die Rede war. Sie, Anne, hatte die vier in der Handfläche geschnitten bekommen. Nun war Fays Interesse noch mehr geweckt. „So? In wiefern?“ Agatha rümpfte die Nase. „Sowas respektloses habe ich meinen Lebtag noch nicht gesehen. Nicht nur zu den Nachbarn hatte dieses Mädchen ein loses Mundwerk und benahm sich unmöglich. Auch bei ihren Eltern, die Ärmsten, zeigte sie sich wie ein verwöhntes Balg! Gab Widerworte, beleidigte sie und ließ sich von vorn bis hinten bedienen!“ „Naja, Kinder sind nun mal in dem Alter so!“, gab Fay verlegen zurück. Agatha winkte erneut ab und wirkte beleidigt. „Papalappap. Selbst in dem Alter sollte man seine Eltern respektieren und achten!“, sagte sie. „Mein Reden. Denn so will es der Herr!“, ermahnte eine weibliche Stimme und eine dünne, hochgewachsene Frau in einem altmodischen Bauernkittel und mit einem Tuch zusammengebundenen Haaren trat ein. Sie übersah gefliessentliich Fay und ging schnurrstracks zu Agatha. Fay wiederum schaute sie forschend an. Und schnell wurde ihr klar, dass diese Frau sehr konservativ war. Altmodisch könnte man schon sagen. An ihrern Füßen trug sie Holzschuhe. Ihr Haar hatte sie zu einem strengen Knoten zusammengesteckt und trug ein geblümtes Kleid, das mehr einem Arbeitskittel glich. Das diese Frau Fay immer noch ignorierte, beachtete sie nicht wirklich und sondern lächelte nur feundlich. „Guten Tag!“, sagte sie dann als das Schweigen schon peinlich wurde und reichte ihr die Hand. Die Frau schaute sie wie etwas an, dass sie nur ungern berühren wollte. „Das ist unsere Nachbarin, Miss…?“, sagte Agatha, die das Eis brechen wollte und schaute Fay fragend an, da sie ihren Nachnamen nicht wusste. „Kerrigan!“, sagte Fay daraufhin. „Christa Kerrigan!“ Die Frau rümpfte erneut die Nase, veschränkte die Hand vor sich. „Mrs. Jenkins!“ „Sie sind also neu hierhergezogen? Sie und noch jemand anderes!“ „Ja, ich und meine Freundin. Miss Annabelle Jackson!“ „Darf man fragen, was Sie hieher verschlagen hat? Sie sehen nicht gerade wie jemand aus, der das Landleben liebt!“ „Nun, was noch nicht ist, kann ja noch werden. Wir wollten dem Stress der Großstadt entfliehen und da hier was freigeworden ist…!“ Mrs. Jenkins zog den Mund krauss und sah sie abfällig an. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie Fay als jemanden sah, der hier nicht hin gehörte. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie nicht einer von diesen Reporten sind, die sich wie Geier auf uns gestürzt und unsere Ruhe mit ihrer aufdringlichen Fragerei zunischte gemacht hatte!“, kam es bissig von ihr. „Ruhe? Was für eine Ruhe? Seit diesen Morden, ist es schon inne hin vorbei mit der Ruhe!“, giftete nun Agatha sie an. „Ich kann Ihnen versichern, Mrs. Jenkins, ich bin weder von der Presse noch habe ich irgendein Interesse daran, diese ganze Geschichte puplik zu machen!“, versicherte Fay, die die angespannte Stimmung ein wenig lockern wollte. Wobei sie diese höfliche Frau ebenso eins rein würgen wollte. Sowas bissiges war ihr noch nie begegnet. Selbst Dämonen waren nicht so auf Krawall gebürstet. Mrs. Jenkins schnaubte abfällig. „Wer es glaubt!“ „Hör endlich auf meine Kunden zu vergraulen, Esther. Du hast es doch gehört. Die junge Dame und ihre Freundin sind hierher gezogen, weil sie aus der Stadt wollten. Und wir können froh sein, wenn hier frisches Blut einzieht!“, sagte Agatha. Betroffen fuhr sie dann fort. „Wobei ich diesen Pressefritzen selbst gern den Hals umdrehen würde. Seit dieser unsägliche Artikel rausgekommen ist, kommen keine Touristen mehr hierher!“ „Aber die Polizei kümmert sich doch darum, oder etwa nicht?“, fragte Fay besorgt. Sie klang ganz wie jemand, der es nun bereute, hierher gezogen zu sein. „Natürlich natürlich, Liebes. Machen Sie sich keine Sorgen. Aber seien Sie und ihre Freundin dennoch vorsichtig und gehen Sie nicht allein aus dem Haus!“, versicherte Agatha ihr hastig. Mrs. Jenkins murmelte etwas vor sich hin. „Bist du hier um was zu kaufen, oder nur um dein Gift zu verspritzen, Esther?“, fragte dann Agatha herausfordend. Mrs. Jenkins lächelte halbherzig und ignoierte die offene Anfeindung. „Natürlich will ich was kaufen!“ „Ich empfehle mich dann. Einen schönen Tag noch!“, sagte Fay und verließ das Geschäft. „Ich sage dir Allison, diese Jenkins ist ein Drache vom feinsten. Bei ihr trifft der Spruch „Haare auf den Zähnen“, nicht im Mindesten zu. Das sind vielmehr Borsten!“, sagte Fay, während ich ihr half, die Sachen aus zu räumen und in den Regalen zu verstauen. Ich konnte es mir gut vorstellen. So wie Fay sich über diese Frau ausließ und ihre offene Abneigung sie ankotzte. Ohje…ich hatte ja erwartet, dass nicht alle uns mit offnenen Armen erwarteten. Ein Stänkerer muss es immer geben. Im diesem Fall war es eine Frau. Was das ganze natürlich noch schlimmer machte. „Denkst du kann uns Ärger machen?“, fragte ich. Sie hatte auch erzählt, dass vor uns einige Reporter hier waren und alles auf den Kopf gestellt haben. Dass das Misstrauen Fremden gegenüber erwacht war, war ja nur logisch gewesen. Fay hob die Schultern. „Bis auf Keifen und Zischen kam nichts von ihr. Aber trotzdem sollten wir aufpassen!“, sagte sie. „Wir sind hier schließlich in einem Dorf und neu hinzugezogen. Doppelte Gefahr also!“ Das stimmte und ich fragte mich, was uns hier noch alles erwartete. Ich hatte Spätschicht. Hieß ich durfte bis spät in die Nacht arbeiten durfte. Doch bevor ich aus dem Haus ging, reichte mir Fay etwas. Eine kleine handliche Sprühdose. „Was ist das?“, fragte ich. „Pfefferspray!“ Ich sah sie fassungslos an. „Echt jetzt?“ „Nur für alle Fälle!“, versicherte sie mir. Fast wollte ich schon sagen, dass ich das nicht brauchte, da Erik ja auf mich aufpasste. Aber…so sicher war ich mir nicht. Nicht seit unserem kleinen Gespräch, in dem ich ihn bat, mir von seiner Vergangenheit zu erzählen. Seit dem gab er keinen Mucks von sich. Und das beunruhigte mich ein wenig. Was war nur los mit ihm? „Nimm es trotzdem!“, bat mich Fay. Ich steckte es ein. „Und halt die Ohren offen!“ Wieder Mal war viel los in der Gaststätte und ich war froh, dass ich eine gewisse Ausdauer entwickelt hatte, als ich noch in Paris arbeitete. Und es gab mir auch ein Gefühl von Normalität. So verrückt das auch klang. Aber ich genoss es. Die Hektik, die Kunden, die nach einem riefen, das Klappern von Tellern und die Klingel, die der Koch immer betätigte, wenn das Essen fertig war. Das alles hatte mir gefehlt. Und war im Gegensatz zu der ganzen Dämonenjagd ein Klacks. Die nächste Bestellung kam von einem Mann, der mit einigen anderen am Tisch saß und sich angeregt unterhielt. Ich balancierte die Gläser Bier auf meinem Tablett gekonnt über die Köpfe der Gäste. Stellte dann eines nach dem anderen ab. Tat so als würde ich mit den Gedanken bei dem nächsten Gast sein, dabei lauschte ich. „Ich frag mich wirklich, wann die Polizei diesen Scheisskerl endlich hochnimmt?“, sagte ein bärtiger Kerl, in einem karierten Hemd. Er nahm einen tiefen Schluck und knallte das Glas heftig auf den Tisch. Ich merkte mir nichts an. Machte mich daran einen leeren Tisch mit einem feuchten Lappen ab zu wischen. „Wie lange soll das noch gehen?“ „Willst du die Sache etwa selbst in die Hand nehmen, Joe?“ „Wenn es nicht anders geht?“, gab der Bärtige, Joe, zurück. „Mach keinen Blödsinn!“, ermahnte ein anderer. „Auch wenn ich dieses Schwein auch gerne selbst in die Finger bekommen würde. Aber…welche Beweise haben wir schon?“ „Du willst also wirklich, dass wir die Hände in den Schoss legen und abwarten, Bill?“, keifte Joe finster und taxierte seinen Kumpel mit dem Blick eines bissigen Hundes. „Nein, natürlich nicht!“, sagte Bill. „Wir sollten die Augen offen halten. Und der Polizei Bescheid geben, sollte sich was tun!“ Joe knurrte etwas vor sich hin. Ich konnte ihn schon irgendwie verstehen. Es würde mich auch wütend machen, wenn ein Mörder sein Unwesen trieb und nichts dagegen unternommen wurde. Geschweige denn dass die nötigen Beweise fehlten. Mir wurde klar, dass dieser Mörder wirklich rafiniert vorgehen musste, wenn er schon solange unentdeckt blieb. Dabei fragte ich mich wie das sein kann. Aldbury war nicht gerade eine Großstadt. Hier kannte jeder jeden. Und dennoch schien der Mörder sich sehr sicher zu sein. Aber warum dann dieses ganze Theater? Wäre es nicht sinnvoller diese Opfer auf nimmer wieder sehen verschwinden zu lassen? Warum machte er sich die Mühe und ließ die Leichen dort, wo man sie findet? Riskierte, dass man ihm doch irgendwann auf die Schliche kommen würde? „Weil er will, dass man von ihm Notiz nimmt!“, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf und verharrte. Erik! Seine Stimme nach so langer Zeit zu hören, war wie, als wenn man jemanden, den man lange vermisst hatte, urplötzlich wiedersehen würde. Und bei dem man sich nicht sicher ist, ob man sich darüber freuen sollte. „Er will sich oder den anderen irgendwas beweisen!“ „Aber was?“, fragte ich ihn Gedanken. Darüber schien Erik nichts sagen zu können und das wiederum frustrierte mich. Toll, erst mit mit der Nase darauf stoßen und jetzt zieht er sich wieder zurück. Was für ein Beschützer! „Hey, wo bleibt mein Bier?“, rief jemand und holte mich aus meinen Gedanken. Ich machte mich schnell daran, den Mann zu bedienen. Hatte jedoch ein Ohr immer noch auf die Gruppe von Männern. Als ich wieder in die Küche war, fragte mich der Koch, wo Jackie wäre. Ich hob die Schultern. Verprach aber, das ich mich auf die Suche machen würde. Weit konnte sie ja nicht sein. Ich schaute erstmal auf der Toilette nach. Als ich sie da nicht fand, ging ich zum Hinterausgang und fand sie. Mit dem Rücken an der Wand gelehnt, qualmte sie lässig eine und bließ den blauen Dunst hinaus. „Hey!“, sagte ich. Jackie schaute zu mir und lächelte etwas verlegen. Hob schuldbewusst die Zigarette. „Sorry, aber ich musste mal eine qualmen!“ „Solange du mich nicht hängen lässt!“, sagte ich. Jacki schüttelte den Kopf, zog noch einige Male, dann drückte sie sie aus und ging wieder mit mir hinein. Kaum als ich wieder daheim war, erzählt ich Fay, was ich so alles mit bekommen hatte. Fays Gesicht nahm einen nachdenklichen und auch wissenden Blick an. „Es überrascht mich nicht, dass einige diesen Kerl in die Finger bekommen wollen!“, sagte sie. „Ich fürchte sie würden sogar soweit gehen und sich insgeheim gegenseitig verdächtigen!“ „Warum sollten Sie das? Immerhin ist hier ein kleines Dorf. Hier schein jeder mit den anderen befreundet zu sein. Da liegt es doch eher nahe, dass sie jemandem misstrauen, der neu hierher gezogen ist!“ „Jemanden, wie uns meinst du wohl?“, fragte mich Fay. Okay. Das war nicht gerade clever von mir, aber ich sprach nur das aus, was mir gerade durch den Kopf ging. Das klang irgendwie logischer als dass sie sich untereinander verdächtigen würden. „Das denke ich mir auch. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass man uns mit Argusaugen beobachten wird!“ „Aber wie du gerade sagtest, dass ist ein kleines Dorf. Im Vergleich zu London, einer Millionenstadt. Auch wenn man lange sich untereinander kennt, braucht es nur so etwas wie diese Mordserie und alle Freundschaft ist vergessen. Wilde Spekulationen, eine gehörige Portion Angst und Wut auf den Täter, der unter ihnen wütet, reicht dazu aus! Und alle Freundschaft schlägt um in Misstrauen!“ Mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter, während Fay das sagte. Und ich musste ihr Recht geben. Menschen konnten sich um hundertachtziggrad drehen, wenn ihr Leben aus den Bahnen gerissen wurde. Mein Leben, war der beste Beweis dafür. Es klopfte am nächsten Tag an der Tür und es dauerte einige Minuten, ehe man Lex aufmachte. Eine Frau in schwarzer Kleidung öffnete. Ihr Gesicht war ausgelaugt und ihre Augen rot vom vielen Weinen. Lex merkte, wie er einen Kloß im Hals bekam. Er war zwar jemand, der gerne seinen Senf zu allem und jeden dazu gab, aber in manchen Dingen, schaffte er es nicht den Coolen zu spielen. Das hier war eins davon. Er wusste, dass die Fragen, die er der Frau stellen würde, alles andere als feinfühlig waren, da sie dadurch gezwungen war wieder alles auf zu rollen. Fay hatte ihm von dem Mädchen erzählt, das eines der Opfer war und auch von dessen Hintergrund. Sie bat ihn, sich mal schlau zu machen und nach möglichen Hinweisen zu recherchieren. „Ja? Sie wünschen?“, fragte sie mit zittriger Stimme. „Guten, Madam! Scotland Yard schickt mich. Ich…ich würde Ihnen und Ihrem Mann gerne ein paar Fragen stellen!“, erklärte Lex. Die Frau zögerte kurz, dann aber nickte sie und ließ ihn hinein. „Liebling!“, rief sie. „Hier ist jemand von Scotland Yard!“ „Scotland Yard?“, fragte eine barsche Männerstimme und ein stämmiger Kerl kam in die Diele. Auch er war völlig von der Trauer um seine Tochter zerfressen. Wirkte dennoch so als wolle er dem nächstbesten zu brei schlagen. Lex versuchte ruhig zu bleiben und hielt dem Mann seinen Ausweis hin. „Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt, aber ich würde gerne einige Fragen ihrer Tochter betreffend stellen!“ Das Ehepaar schaute sich an. Die Frau stand wieder kurz davor in Tränen aus zu brechen, während das Gesicht des Mannes sich verfinsterte. „Wissen Sie wieviele schon uns irgendwelche Fragen wegen unserer Anne gestellt haben und was für absurde Theorien sie sich daraug ausdachten und sich nicht davor scheuten, diese zu veröffentlichen? Es hieß, wir hätten unsere Tochter dazu getrieben, weil wir sie angeblich eingeengt haben!“ „Ich…ich verstehe. Ich versichere Ihnen, dass ich nichts dergleichen vorhabe und ich die ganze Sache als vertraulich behandeln werde!“, versprach Lex ihm. „Also gut. Was wollen Sie wissen?“, fragte dann der Mann. „Ich möchte gerne wissen, ob sich Ihre Tochter irgendwie anders verhalten hat? Wirkte sie so, als würde ihr jemand drohen oder unter Druck setzen? Hat Sie Probleme mit jemanden oder mehreren? Gab es Streit zwischen Ihnen und ihrer Tochter?“ Zu jeder Frage schüttelte das Paar den Kopf und verneinte. Sie behaupteten, dass ihre Tochter rein gar nichts falsche gemacht hatte. „Anne war bei jedem sehr beliebt. Jeder mochte sie. Sie war so ein liebes Mädchen. Und jetzt ist sie…!“ Ihre Mutter brach mitten im Satz ab und schluchzte. Ihr Mann legte den Arm um ihre Schulter. „Wir können es immernoch nicht glauben. Immer wieder fragten wir uns, warum sie? Was haben wir falsch gemacht? Anne…sie…sie hatte das nicht verdient…!“ „Jetzt hört endlich auf, sie als eine Heilige dar zu stellen!“, platzte plötzlich eine weitere Stimme dazwischen und alle schauten hoch zur Treppe, auf der ein Mädchen stand und alle drei giftig anschaute. „Ihr tut so als wäre Anne wirklich ein Opfer. Dabei war sie es doch, die Euch das Leben zur Hölle gemacht hat!“ „Charlotte…wie kannst du nur?“, rief ihre Mutter aufgebracht. „Sie war deine Schwester!“ „Sie war ein Biest!“, konterte Charlotte. „Wann immer es ging, hat sie nur Probleme gemacht und Euch dastehen lassen, wie die letzten Idioten!“ Charlottes Mutter senkte den Kopf und weinte. Das Bild, welches sie von ihrer toten Tochter aufrechterhalten wollte, bekam erste Risse und brach dann in sich zusammen. „Wie oft seid Ihr schon zu Pater Remington gelaufen und habt nach Rat gefragt?“ Lex horchte auf. Offensichtlich war ihre Tochter doch nicht so ein Engel, wie sie immer glauben lassen wollten und er ahnte, dass das der Grund für ihren Tod war. „Du scheinst deine Schwester dafür selbst verantwortlich machen zu wollen?“ Dann wandte er sich an ihre Eltern. „Dürfte ich mit Ihrer Tochter unter vier Augen reden?“ Der Vater wollte schon wiedersprechen, schien es sich aber anders überlegt zu haben. Sie gingen nach draußen auf die kleine Terasse und setzten sich. „Wann hast du gemerkt, dass sich deine Schwester verändert hat?“ Charlotte hob die Schultern. „Seit sie…naja in die Pupertät kam!“ „Wie alt war sie da?“ „Vierzehn!“ „Typisches Alter!“, meinte Lex. „Wie alt bist du denn, wenn ich fragen darf?“ „Ich bin siebzehn!“ „Also die große Schwester!“ Charlotte gab ein Schnauben von sich. „Das hat Sie einen Dreck gekümmert!“ „Wie hat sie sich so verhalten? Hat sie ihre Grenzen ausgetestet?“ „Wenn es nur das gewesen wäre. Ich wäre froh gewesen, wenn sie nicht zur gegebenen Zeit zu Hause gewesen wäre. Oder wenn sie sich davon geschlichen hätte. Ich war ja nicht besser. Aber sie…Immer wenn sie spät abends nachhause kam, roch sie nach Zigarettenrauch. Davon dass sie betrunken war, mal ganz zu schweigen. Außerdem schien sie immer wechselnde Männerbekanntschaften zu haben. Unsere Eltern waren nicht gerade begeister!“ Lex musste sich ein schwaches Lächeln verkneifen. Das konnte er sich gut vorstellen. Hier schienen die Leute, besonders die Eltern noch eine etwas konservative Erziehung zu führen. „Sie…sie sind manchmal schon ein wenig altmodisch. Aber als sich Anne immer mehr und mehr zum Schlechtesten veränderte, merkte auch ich, dass sie damit irgendwann gegen eine Mauer kracht. Ich habe versucht, ihr ins Gewissen zu reden, aber sie hörte nicht auf mich und nannte mich eine prüde Zicke!“ „Du sagstest, dass deine Eltern den Pfarrer oft um Rat fragten?“ Charlotte nickte bitter. „Ja, sie wussten sich nicht anders zu helfen!“ „Und wurde es danach besser?“ Das Mädchen schüttelte mit einem bitteren Lächeln den Kopf. „Nein. Es wurde noch schlimmer!“, erklärte sie. „Sie schien darin Ihre Bestätigung gefunden zu haben, dass sie…dass sie damit die Aufmerksamkeit hat, die sie wollte!“ Lex hob die Brauen. „Aufmerksamkeit?“ Charlotte biss sich auf die Unterlippe. „Naja…ich…ich habe mir so meine Gedanken gemacht. Nachdem sie…Jedenfalls von uns beiden war ich diejenige gewesen, die stets gute Noten schrieb, während die ihren immer mittelmässig waren. Nicht schlecht um sitzen zu bleiben aber auch nicht überragend. Bis dahin hatte es sie nicht sonderlich gekratzt, wenn unsere Eltern sie deswegen pushen wollten. Und ich beneidtete sie deswegen auch. Da sie sich nicht so unter Druck setzen ließ Aber dann, als unsere Eltern anfingen, mich in den Vordergrund zu stellen, schien sich ein Schalter in ihr umgelegt zu haben!“, erklärte Charlotte und eine Träne rann ihr über die Wange. Lex reichte ihr ein Taschentuch. Charlotte nahm es dankend und wischte sich die Wange ab. „Mum und Dad denken sicher, dass mich ihr Tod kaltlässt. Und am anfang war ich auc wütend auf sie, aber…je länger und öfter ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich ebenso schuld daran bin. Ich…ich hätte mich mehr für sie einsetzen sollen, anstatt sie zu irgendwas zu drängen…!“ „Hast du mal mit deinen Eltern darüber gesprochen?“ Charlotte nickte und das mit solch einem Gesicht, das Lex deutlich sagte,, dass sie damit nichts erreicht hatte. „Oft genug, aber sie wollten es nicht hören. Irgendwann habe ich es aufgegeben!“ Dann trat Stille ein. Und Lex ließ ihre Worte auf sich wirken. Dass alles war nichts weiter als eines von vielen Familiendramen, mit einem tragischem Ende. Nur dass es dieses Mal kein Suizid war. „Danke, dass du mir alles erzählt hast!“, sagte Lex dann und stand auf. Er reichte ihr die Hand. „Wenn dir noch etwas einfällt, dann ruf mich unter dieser Nummer an!“, sagte er und gab ihr noch eine Visitenkarte. Dann verabschiedete er sich von ihr. „Wow, das klingt nach dem üblichen Schema eines Familiendramas!“, erklärte Fay, als Lex ihr von seiner Unterhaltung mit der Schwester und den Eltern der Toten geführt hatte. „Ich werde mich mal weiter umhören und herausfinden, was die anderen Opfer vor ihrem Ableben so getrieben haben!“ „Tu das. Ich habe das Gefühl, dass jedes dieser Opfer ein…Geheimnis hat!“ „Der Meinung bin ich auch!“, sagte Lex. „Ich werde mich mal mit dem Pfarrer unterhalten. Vielleicht weiß der ja was!“ „Wenn, dann wird er sicher nichts ausplaudern. Pfarrer haben auch so etwas wie Schweigepflicht und ich bezweifle, dass die Opfer ihm gestattet haben, darüber hin weg zu sehen…!“ Fay machte ein finsteres Gesicht. „Das Gefühl habe ich auch!“, gestand sie. „Und ich bezweifle, dass einer von den Leuten hier gerne darüber spricht!“ „Ist das ein Wunder. Mit der Landruhe ist es hier vorbei und sicher misstrauen sie jedem, der neu hierher kommt!“ „Wem sagst du das!“, seufzte Fay. „Diese Mrs. Jenkins zum Beispiel hat mich angesehen als würde sie mich zum Teufel wünschen!“ Lex lachte am anderen Ende. „Das liegt nur an deinen Haaren!“ Fay verzog das Gesicht. Strich sich dabei das rote Haar zurück. „Wie auch immer. Sag uns bescheid, wenn du mehr weisst!“ „Ihr auch. Haltet Augen und Ohren auf!“ Fay erzählte mir, was sie von Lex erfahren hatte. Es klang eigentlich nicht sonderlich spektakulär. Ein Teenie, der im Schatten seiner Schwester stand und deswegen rebellierte. Nichts Neues eigentlich. Aber ihn zu ermorden… Das ging dann doch schon etwas zu weit. Offensichtlich gab es hier jemanden, der es nicht gern sah, wenn man hier gegen die Stränge schlug. Und nach allem was ich in der Gaststätte gehört habe, würden einige von den Anwohnern zugerne den Killer in die Finger bekommen. Ich musste wieder an Eriks Worte denken. „Er will sich oder den anderen irgendwas beweisen!“ Mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter. Und ich wollte mir nicht vorstellen, wie groß sein Geltungsdrang sein musste. Was wenn er noch weitermorden würde? Und wer wäre das nächste Opfer? Nach welchem Muster geht der Killer vor? „Wir sollten ins Bett gehen. Es ist spät!“, sagte Fay und holte mich aus meinen Gedanken. Doch schlafen konnte ich beim besten Willen nicht. Fay hingegen schlief wie ein Stein. Ich wälzte mich noch einmal von einer Seite auf die andere. Dann gab ich es auf, stieg vorsichtig aus dem Bett um Fay nicht zu wecken, zog mir meine Hausschuhe und eine Jacke an. In der Küche führte eine Hintertür in in einen kleinen Garten. Ich schloss diese auf und hoffte, dass das Qietschen nicht zu laut war. Auch wenn ich bezweifelte dass Fay es hören würde, wollte ich sie dennoch nicht wecken. Immerhin eine von uns sollte ausgeschlafen sein. Ich setzte mich auf die kleine Bank und versuchte den Kopf frei zu bekommen. Schaute dabei in die Nacht hinaus. Es war still. Nur das Rascheln der Bläter in den Bäumen. Der ganze Ort schlief. Und auch wenn ich mich gerne dieser Ruhe angeschlossen hätte, konnte ich es nicht. Eine innere Unruhe überkam mich. Es war irgendwie absaurd, dass ein Fall um einen menschlichen Mörder mich dermaßen außer Fassung bringt. Dabei waren Dämonen wirklich schlimmer. Aber das rumsitzen half auch nichts. Frustriert seufzte ich auf und fing an auf und ab zu laufen. „Kannst du nicht schlafen?“ Ich blieb abrupt stehen und schaute ins Dunkle. Nur eine kleine Lampe beleuchtete die Veranda auf der ich stand und ihr Licht zog sich wie ein halbkreis um diese. Alles was außerhalb davon lag, lag in tiefster Dunkelheit. Es war unheimlich und die ruhige Atmosphäre war dahin. Ich schaute ins Dunkle und meinte erstmal mir Eriks Stimme eingebildet zu haben. Doch dann schälte sich seine Gestalt aus dem Dunkeln und ich hielt den Atem an. Etwas schien nicht mit ihm zu stimmen. Ich konnte es mir selbst nicht erklären. Es war vielmehr ein Gefühl. Er stand einfach nur da und schaute zu mir hinüber. Ich starrte zurück. Glaubte eine Kälte von ihm ausgehen zu spüren. Eine…gefährliche Kälte. Ich machte automatisch einen Schritt zurück. Auch wenn es mir schwerfiel es ein zu gestehen: Ich fürchtete mich vor ihm! Ich erkannte ihn kaum. Und fühlte mich wieder daran erinnert, wie ich mit ihm nachts durch den Wald lief und in ihm etwas sah, was die äußere Fassade verbarg. Nur dieses Mal schien es heftiger zu sein. Die Gefahr, die nun von ihm aus ging, schien greifbarer zu sein. Ich konnte es förmlich. „Du solltest wieder reingehen. Hier draußen, ist es zu gefährlich!“, hörte ich ihn sprechen und erschauerte beim Klang seiner Stimme. Sie war tief, grollend und bedrohlich. So, als wäre es nicht der Mörder, vor dem ich mich in Acht geben sollte. Sondern vor ihm. Ich presste die Lippen aufeinander und wollte zuerst wiedersprechen. Doch ich fühlte deutlich Eriks bohrenden Blick auf mir. Vielleicht noch mehr als die Bedrohung, die von ihm ausging. In seinen dunklen Augen glaubte ich sogar ein Glimmen zu sehen. Wie bei Kohlen, die noch heiß waren und vor sich hinglommen. Ich kam mir vor, als würde ich einem wilden und gefährlichen Tier gegenüber stehen und wagte es nicht mich um zu drehen. Denn wenn ich es tat, ihm den Rücken zu kehrte, würde er mich angreifen. Würde mich zu Boden werfen und… Ich schütelte den Kopf. Nein, das war zu absurd. Zu verrückt. Erik würde niemals… Doch eine kleine Stimme raunte mir zu, dass ich mich nicht all zu sehr darauf verlassen sollte. Da ich immerhin sogut wie nichts von ihm wusste. Und dass seine Vergangenheit in tiefster Dunkelheit lag. Ohne den Blick von ihm zu lassen, ging ich zur Tür, öffnete sie und trat in das Haus. Als ich die Tür schloss, atmete ich auf. Merkte, wie die Anspannung von mir abfiel, wie ein zu schwerer Mantel. Ebenso die Kälte. Dennoch fühlte ich mic schwach auf den Beinen und ließ mich dann auf den Stuhl sinken. Was war nur los? Was war nur los mit ihm? Wieso machte er mir solch eine Angst? Oder bildete ich mir das alles nur ein? Spielten mir meine Sinne einen Streich, weil ich ihm misstraute? Lange saß ich so da und überlegte. Versuchte mich zu beruhigen. Ich sollte wieder zu Bett gehen. Nochmal versuchen ein wenig Schlaf zu bekommen. Als ich unter der Decke lag und Fays gleichmässiges Atmen hörte, merkte ich, wie mich eine dumpfe Ruhe erfasste. Ich schloss die Augen und fiel wenig später in einen tiefen Schlaf. In einem Zug leerte ich die Tasse frischaufgebrühten Kaffee, als würde ich nach einer langen Zeit in der Wüste endlich wieder Wasser bekommen. Fay sah mich mit gehobenen Brauen an, sagte aber nichts. Sondern setzte sich mir gegenüber. Die Angst klebte an mir wie Pech und ich wünschte mir, dass das alles nur ein böser Traum war. Meine Hände zitterten. Um es zu verstecken, umklammerte ich die Tasse als hinge mein Leben davon ab. „Hast du schlecht geschlafen?“ Fays Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich nickte, weil ich sie nicht anlügen wollte. Es reichte ja schließlich auch nur ein Blick, um zu merken, dass ich eine unruhige Nacht hatte. „Ich…ich hatte einen ziemlich üblen Traum!“, erklärte ich lahm. Wobei ich deutlich wieder diese Stimme hörte, die mich eine Lügnerin nannte. Fay legte den Kopf schief. Dann wurde ihr Blick besorgt. „Magst du darüber reden?“ Das klang wirklich verlockend. Und so sehr ich mich ihr anvertrauen wollte, so bekam ich die Worte einfach nicht über die Lippen. Es war wie eine Blockade. Ich winkte stattdessen ab. „Lass nur. Es war ja nur ein…Traum!“ „Wirklich nur ein Traum? Oder vielleicht doch eine Vision?“, fragte sie dann und ich merkte, wie sich mein Magen verknotete. Ich wollte schon abwinken, da ich eigentlich nicht wirklich geträumt hatte, hielt dann aber inne. Ich hatte oft Visionen gehabt, in denen ich wach war. Sie spielten sich wie ein innerer Film in mir ab. Mir lief es kalt den Rücken hinunter als ich mir diese Option durch den Kopf gehen ließ und hoffte, dass das nur Einbildung war. „Ja, aber bis jetzt waren meine…Visionen auch nicht immer so zuverlässig!“, murmelte ich um mich selbst zu beruhigen. Faye sagte erstmal nichts. Schaute nachdenklich in ihren Kaffee. „Das stimmt!“, räumte sie dann ein. „Aber das waren auch immer Ausnahmen!“ Ich musste sie wohl verwirrt angeschaut haben, denn Fay lächelte etwas milde. „Manche Dämonen, wie diese Würmer können sich irgendwie tarnen, sodass es schwer ist, sie auf zu spüren. Und der kleine Junge und dessen Familie, die tragisch aus dem Leben schieden, wollten eigentlich wieder vereint sein und ihren Frieden haben! Dafür brauchten sie aber Hilfe!“ Genau dasgleiche hatte Erik auch gesagt. „Also gibt es Ausnahmen!“ „Wie in vielen Dingen!“, erwiderte Fay. Ich stöhnte innerlich auf. Natoll. Das hat mir gerade noch gefehlt. Dass meine Gabe nur bei bestimmten übernatürlichen Gegnern funktioniert. „Vielleicht solltest du dich nochmal hinlegen und eine Runde Schlaf nachholen!“, schlug sie dann vor, wofür ich ihr dankbar war. Eine Mütze voll Schlaf konnte ich wirklich gut gebrauchen. Vorallem wenn ich heute Abend wieder auf die Arbeit musste. So frühstückte ich fertig und legte mich dann nochmal hin. „Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber leider unterliege ich dem Beichtsiegel! Und sogut wie jeder hier kam zu mir um zu beichten. Auch natürlich die Opfer dieser…dieser grässlichen Taten!“, sagte Pfarrer Remington bedauernd als Lex ihn am nächsten Tag in der Kirche aufsuchte. Lex lächelte schwach. Nichts anderes hatte er erwartet. Ein Pfarrer durfte, selbst wenn derjenige, der die Beichte ablegte, dessen Geheimnis nicht offenbaren. Um dessen Andenken nicht in den Schmutz zu ziehen. In diesem Fall eher lästig als nützlich wie Lex fand. „Verstehe. Können Sie mir sonst irgendwie weiterhelfen? Wissen Sie vielleicht woher die Verstorbenen ursprünglich kamen? Ob Sie hier geboren wurde oder was Sie vorher gemacht haben?“ Pfarrer Remington legte die Stirn in Falten. Zögerte sichtlich damit, Lex doch noch ein paar Auskünfte zu geben. Dann seufzte er. „Nun ja einige sind schon hier geboren, aber zwei von ihnen, die beiden Männer, sind vor ein paar Jahren hier her gekommen. Was Sie aber vorher gemacht haben…!“ „Steht denn nichts in den Akten, die Sie bei sich in Scotland Yard haben. Wenn einer von Ihnen eine, sagen wir düstere Vergangenheit hat, muss das doch da drin stehen!“ Das stimmte. Aber bis jetzt waren sie auf nichts gestoßen. Und Lex bezweifelte, dass ein Aktenkundiger seinen richtigen Namen behalten würde, wenn er untertauchen wollte. Geschweige denn dass man seine Visage auf einem Foto finden würde. Und Menschen veränderten sich ja im Laufe der Zeit. Wenn sie untergetaucht waren, hatten sie sicher einige Vorkehrungen getroffen, um nicht erkannt zu werden. Neue Identität und mit falschen Namen. „Da haben Sie Recht. Unsere Leute in Scotland Yard durchforsten jede einzelne Akte. Vielleicht findet sich dort ein Hinweis!“ Und das stimmte. Im Moment wurden sämtliche Leichen untersucht. Finger-und Gebissabdrücke verglichen. Doch die Datenbank war groß und es würde sicher etwas Zeit brauchen, ehe man eine Spur hatte. Pfarrer Remington nickte, stand auf und reichte Lex. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiter helfen kann. Und hoffe dennoch, dass Sie bald den Täter finden werden!“ Lex stand ebenso auf, ergriff die Hand des Pfarrers und schüttelte sie. „Danke!“ Danach verließ er das kleine Pfarrhaus neben der Kirche. „Kein einziges Wort?“, wiederholte Fay am anderen Ende und klang nicht gerade begeistert. „Nope!“, bestätigte Lex. „Beichtsiegel. Mehr sage ich nicht dazu!“ Fay stiess ein Seufzen aus. „Super. Gerade der Pfarrer hätte uns helfen können!“ Dann schwieg sie erstmal. Überlegte. „Wielange würde es dauern, bis wir eine Aufhebung des Beichtsiegels bekommen?“ Lex hob die Brauen. „Du willst dich mit der Kirche anlegen?“ „Nicht mit der Kirche. Aber es muss doch möglich sein, an Infomationen ran zu kommen!“ „Ein Versuch wäre es wert. Aber versprechen kann ich dir nichts!“ „Versuch es einfach okay?“ „Mache ich!“, versicherte Lex ihr. „Und wie läuft es so bei Euch?“ „Naja…schleppend, so wie bei dir!“, erklärte sie. „Allison sagte zwar, dass es schon einige gibt, die den Kerl gerne selbst schnappen wollen. Aber einen konkreten Verdacht haben dir nicht. Ich kann mir aber denken, dass sie sich insgeheim gegenseitig verdächtigen. Wie es Leute in einem kleinen Dorf eben gerne machen!“ „Darum wollte ich nie aufs Land ziehen!“, erklärte Lex. „Wie macht sie sich denn? Unsere kleine Azubi?“ Fay hörte deutlich das breite Grinsen ihres Bruders in seinen Worten und verdrehte die Augen. „Sie macht sich gut. Liegt noch in den Federn!“ „Um diese Zeit?“ „Ja, sie…sie hatte gestern ziemlich lange geschafft. Da wollte ich sie nicht wecken!“ „Verstehe!“, sagte Lex. „Ich melde mich wie gesagt, wenn endlich eine Spur habe!“ „Ist gut. Bis dann!“, sagte Fay und legte auf. Einige Minuten lang stand Fay vor dem Telefonapparat und überlegte. Zwar hatte Allison behauptet nur schlecht geschlafen zu haben. Aber es reichte ein Blick von Fay um zu sehen, dass da mehr dahinter steckte. Etwas schien Allison ziemlich erschreckt und Angst gemacht zu haben. Etwas, was sie sich nicht traute zu verraten. Sie überlegte, ob sie ihren Vater anrufen und ihm davon erzählen sollte. Vielleicht wusste er ja was. Aber kaum das sie den Hörer wieder in der Hand hatte, hielt sie inne. Und legte ihn wieder auf die Gabel. „Es wäre falsch!“, ging es ihr durch den Kopf. „Vermutlich war es wirklich ein böser Traum!“ Dennoch ließ das bedrückende Gefühl der Sorge nicht nach und sie öffnete leise die Tür zum Schlafzimmer und schaute hinein. Allison lag im Bett. Hatte sich zur Tür gedreht, sodass Fay sie ansehen konnte und suchte in ihren schlafenden Zügen nach Anzeichen eines unruhigen Schlafs. Doch Allisons Züge waren entspannt und ihr Atem ging gleichmässig. Fay atmete erleichtert auf und schloss wieder die Tür. Leise ging sie wieder ins Wohnzimmer. Setzte sich auf die Couch und überlegte. Was sollte sie als nächstes tun? Lex würde als Ermittler die Leute hier befragen. Dass sie sich dabei vermutlich in Schweigen hüllten oder nicht ganz mit der Sprache raus rückten, war mehr als wahrscheinlich. Wenn schon der Pfarrer nichts ausspukte… Vielleicht sollte sie sich selbst mal schlau machen. Mit dieser Agatha zum Beispiel. Sie schien einiges zu wissen und nicht misstraurisch ihr gegenüber. Anders als diese Mrs. Jenkins. Die hatte wirklich was gegen neue Leute, die hierher gezogen sind. Ob das bei den anderen auch so war? Wollten diese Leute am liebsten für sich sein? Und duldeten keine Außenstehende? Es gab nur einen Weg das raus zu finden. Sie schnappte sich einen Zettel und einen Stift, schrieb Allison ine Nachricht darauf und verließ dann das Haus. Der nachgeholte Schlaf hatte mir gut getan. Ich fühlte mich nun einigermassen ausgeruht und die Angst war nur noch schwach. Doch statt gleich auf zu stehen, blieb ich noch einige Minuten im Bett liegen. Irgendwie wollte ich noch nicht aufstehen. Sondern schaute vor mich hinund grübelte. Wie so oft. Irgendwann aber stand ich auf, duschte und zog mir was Frisches an. Ich ging in die Küche und goss mir den Rest vom Kaffee ein. Es fühlte sich an wie der zweite Morgen und dementsprechend schmeckte auch der Kaffee. Ich verzog ein wenig das Gesicht, kippte aber den Rest tapfer runter. Dann schaute ich nach Fay. Sie war nicht da. Auf dem Tisch im Wohnzimmer sah ich einen Zettel und las. „Bin unterwegs. Die Nachbarschaft aushorschen. Komme bald zurück! Fay!“ Ich musste etwas lächeln und schaute auf die Uhr. Viertel vor Vier. Es blieb noch genug zeit, ehe ich wieder auf die Arbeit muss. Arbeit! Ein komisches Wort für etwas, was ich nur als Tarnung sah. Wenn ich sorecht überlebe…Das alles wirkte so surreal. Zu anfang hatte ich mich schon gefreut eine normale Arbeit zu haben. Aber nun… Es fühlte sich nicht richtig an. So, als sei das nicht das, was ich wirklich tun sollte. Es fühlte sich nicht mehr wie arbeiten an. Eher vielmehr als etwas, dass ich nur neben bei machte und nur mit halben Herzen. Ich hatte schon Kellnern nicht sonderlich gemocht. Es brachte zwar Geld, aber so richtig glücklich war ich auch nicht. Nun aber…naja…war es einfach nur eine Tätigkeit. Seltsam. Aber inzwischen war alles seltsam. Seit ich hier war. Seit ich… Ein Poltern ließ mich zusammen fahren und ich schaute zur Tür. Durch das kleine Fenster in der Tür konnte man nach draußen schauen und sehen, wer da davor stand. Aber da war niemand. Ich runzelte die Stirn und wollte mir sagen, dass das nur Einbildung war. Dennoch zog es mich zur Tür. Ich öffnete sie langsam und schaute durch den Spalt. Niemand stand davor. Ich wollte sie gerade wieder zu machen als mein Blick auf einen Stein fiel, um den ein Zettel gebunden war. „Was sollte das denn jetzt?“, murmelte ich, hob den Stein auf und ging wieder hinein. Gleich als ich den Stein mit der Nachricht in der Hand hielt, hatte ich so ein ungutes Gefühl. Unschlüssig was ich damit machen sollte, stand ich erstmal da. Kaute auf der Unterlippe heru. Vielleicht sollte ich auf Fay warten. Vielleicht weiss sie, was damit zu machen ist. Ach was. Das war nur ein Stein und keine Bombe. Mit einem Seufzen, löste ich das Gummiband von dem Stein und nahm den Zettel. Faltete ihn auseinander und las die wenigen Zeilen, die darauf standen. Ich musste schlucken. In großen Buchstaben stand: „Ihr habt hier nichts zu suchen. Verschwindet!“ Minutenlang stand ich da. Wusste nicht wie ich auf diese Nachricht reagieren sollte. Was ich sagen sollte. Mir erschien diese Nachricht wie ein schlechter Scherz. Aber dabei wusste ich, dass das ernst gemeint war. Irgendjemand wollte uns hier nicht haben. Nur wer? Fay kam nach einigen Stunden zurück und an ihrem Gesicht konnte ich sehen, dass sie nicht gerade Erfolg hatte. Und als sie mein Gesicht sah, wurde ihres nun noch blasser. „Allison…was ist denn los?“ Ich sagte nichts, sondern zeigte den Zettel. Fay ging darauf zu. Nahm ihn und ließ ihren Blick darüber wandern. Dann verzog sie angewidert das Gesicht und zerknüllte den Zettel. „Bah!“, gab sie nur von sich und warf ihn in den Mülleimer. Dann wandte sie sich an mich. „Mach dir nichts drauß!“ Wie immer war viel zu tun gewesen. Die Gaststätte war wieder bis zum bersten voll. Mit den gleichen Leuten wie am Vorabend. Und auch wenn ich schon wusste, was für ein Thema die Runde machen würde, hörte ich zu. Servierte und ließ den Blick wachsam umher wandern. „Guten Abend!“, grüßte mich eine Stimme und ich hielt kurz inne. Vor mir saß der Pfarrer und lächelte mich freundlich an. „Guten Abend!“, erwiderte ich. „Sie hätte ich wirklich nicht hier erwartet!“ Das stimmte. Für mich sah der Pfarrer nicht so aus, als würde er seinen Abend in einer Schenke verbringen. Pfarrer Remington hob die Schultern. „Hin und wieder bin ich es, der die Nähe zu meinen Schäfchen sucht!“, sagte er mit einem Lächeln. Ich lächelte ebenso. „Was darf es denn sein. Ein Bier?“ Es sollte ein Scherz sein. Ich kenne keinen Pfarrer, der ein Bier trank. Pfarrer Remington winkte ernst ab. „Ein Glas Wasser reicht!“, sagte er dann. Ich nickte. „Kommt sofort!“ Als ich ihm das Glas brachte, bedankte er sich. „Haben Sie sich bereits hier gut eingelebt?“ „Ja. Es ist mal was ganz anderes!“, flunkerte ich. Das Lächeln des Pfarrers wurde ein wenig breiter. Gerade wollte er etwas sagen, als es plötzlich hinter mir laut klirrte und schepperte. Ich drehte mich herum und sah Jackie, die von einem der Gäste wegtaumelte und wütend anschaute. Dieser hingegen hielt sich die Wange. Es reichte ein Blick um zu wissen was los war. Offensichtlich hatte er seine Hand nicht unter Kontrolle. AuchRemington sah das wohl. Ich hörte ihn hinter mir Seufzen. „Seine Arme Frau. Die Gute weiß zwar, dass Ihr Mann ein Schürzenjäger ist, aber es schmerzt sie immer wieder!“ Ich drehte mich wieder zu ihm herum. „Soll das heißen, dass das schon mal passiert ist?“ Ich wollte die Unwissende spielen. Dabei war das nichts Neues für mich. Oft hatte ich in meiner alten Arbeit irgendendwelche Kerle getroffen, die meinten mir oder den anderen Mädels an den Hintern zu tatschen. Und es überraschte mich auch nich, sowas hier zu sehen. Auch wenn das hier ein Dorf war und jeder hier jeden kannte. Was es nicht unbedingt besser machte. Remington seufzte wieder. „Der gute Jack scheint das Gelübde, was er einst geleistet hat, nicht sonderlich zu pflegen. Während seine Frau, die liebe Hannah, alles für ihn tut und treu wie ein Hund ist!“ Ich hörte deutlich die Bitterkeit und Enttäuchung in seiner Stimme. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er diesen Jack mehr als einmal zur Vernunft bringen wollte und wie oft sich dessen Frau beim Pfarrer den Kummer von der Seele geredet hatte. Fast schon wurde ich selbser sauer auf diesen Kerl. „Wieso lässt sie sich nicht scheiden?“ „Für eine Außenstehende ist das einfach zu sagen. Aber Hannah gehört zu der Sorte Frau, die daran glauben will, dass er sich doch noch bessert!“ „Außerdem hat sie sonst niemanden, bei dem sie unterkommen könnte!“ „Also muss sie das ertragen?“ Ich kam nicht umhin empört zu klingen. Mir ging dieses Schicksal dieser Frau schon irgendwie nahe. Pfarrer Remington zuckte hilflos die Schultern. „Es steht nur zu hoffen, dass er sich endlich besinnt und auf den rechten Weg kommt!“ Es war spät als ich endlich Feierabend hatte. Zum einen war ich froh, aber zum anderen, als ich nach draußen trat und merkte, wie dunkel es war, zögerte ich und spielte mit dem Gedanken, Fay an zu rufen und sie zu bitten mich ab zu holen. Dann aber sagte ich mir, dass ich nicht so ein Schisser sein sollte. Ich hatte es schließlich nicht sonderlich weit und würde schnell zuhause sein, wenn ich mich beeilte. Dennoch hatte ich ein beklemmendes Gefühl, während ich los lief und immer wieder Blick umher schweifen ließ. Die letzte Nacht hing und das darin erlebte, holte mich wieder ein mit der Wucht eines Alptraums, den ich für vergessen gehofft hatte. Ließ meinen Puls wieder raßen. Meine Hand glitt zum Pfefferspray, welches Fay mir zu anfang gebeben hatte. Aber ich bezweifelte, dass mir das helfen würde, sollte mich etwas anderes als ein Mensch angreifen. Zwar versuchte ich es nicht zu zulassen, aber ich musste dabei an Erik denken, wie er da in der Dunkelheit gestanden und mich angesehen hatte, als wollte er… Ich schüttelte den Kopf. Hör endlich auf, in ihm so etwas wie eine Gefahr zu sehen. Er würde dich niemals angreifen! Er ist schließlich...dein Beschützer! Kaum dachte ich das, hörte ich in meinem Inneren ein hähmisches Lachen, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ und dass in mir den Verdacht weckte, beobachtet zu werden. Ich beschleuinigte meine Schritte. Fühlte dabei die Gefahhr, die mir im Nacken saß und meine Angst verstärkte. Schließlich rannte ich. Als ich endlich die Lichter von unserem Haus sah, der Weg zog sich trotz Rennens wie Kaugummi, atmete ich auf. Schloss die Tür auf und knallte sie sogleich zu als ich drinnen war. Fay sah vom Fernseher auf und schaute mich entgeistert an. Dann aber war sie ganz in ihrem Element und kam zu mir. „Allison alles okay?“, fragte sie mich und umfasste meine Schultern. Dabei merkte ich erst jetzt wie ich zitterte. Ich nickte, sagte aber kein Wort. In ihren Augen musste ich ausgesehen haben, als wäre der Teufel hinter mir her gwesen. „Ja, ich…!“, brachte ich endlich nach einigen Atemzügen hervor. Hielt aber inne weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich wie zuvor vollkommen außer Stande ihr zu sagen, was eigentlich mich so aufwühlte. Dabei wäre es so einfach gewesen. „Ich…ich dachte, dass ich mich jemand verfolgt!“ Und dass das Pfefferspray mir nichts gegen diesen nützen würde, dachte ich anschließend. „Hast du jemanden gesehen?“, fragte Fay mich nach einem prüfenden Blick. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte bloß das Gefühl!“, erklärte ich. Fay legte den Arm um mich und bugsierte mich zur Couch. „Hier, setz dich. Ich mache dir erstmal einen Tee!“, sagte sie und ging in die Küche. Ich schaute ihr nach. Und verfluchte mich selbst, dass ich einfach nicht alles gesagt hatte. Warum bloß war ich so feige? Sicher kann sie mir helfen. Sie hatte sicher Erfahrung in solchen Dingen. Aber was wenn sie das ihrem Vater erzählt und dieser das als eine Art Bedrohung sah. Was würde er tun? Erik etwa angreifen und aus dem Weg räumen? Zu zutrauen wäre es ihm. Beide schienen eine wirkliche komische Art von Bekanntschaft zu pflegen. Während Erik ihm immer wieder unter die Nase rieb, dass er meiner Mutter wegen irgendwas schuldete, schien Brian ihm am liebsten an den Kragen gehen zu wollen. Und so langsam fragte ich mich, was dahinter steckte. Welche Schuld konnte soviel wiegen, dass Erik ihn immer wieder daran erinnerte? Was auch immer es war, aber Brian schien sich darin nicht sonderlich wohl zu fühlen. Nein. Ihn konnte ich nicht einweihen. Zwar mochte er in mir so etwas wie einen Klotz am Bein sehen, dultete mich aber dennoch. Aber bei Erik… Ich war mir nicht sicher, was er tun würde, wenn er nur den Hauch eines Verdachts hätte, was ihn betraf, und wollte es mir auch nicht ausmalen. „Hier!“, sagte Fay und holte mich so fürs erste aus meinen finsteren Gedanken. Stellte mir eine dampfende Tasse Tee hin. Ich nahm sie, roch kurz daran. Es roch nach Kräutern und Honig. Vorsichtig nippte ich daran. Schmeckte Baldrian und noch etwas anderes. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Trank weiter vom Tee. Und nach einer Weile fühlte ich mich besser. Ich sah Fay dankbar an. Sie wartete noch ein Weilchen. „Du konntest wirklich niemanden sehen?“, fragte sie mich dann vorsichtig. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Es war einfach nur das Gefühl. Aber das reichte schon aus!“ „Fühlte es sich an, als würde es sich hierbei um einen Menschen handeln oder um was anderes?“, fragte sie dann. Gute Frage. Bisher habe ich keinen Unterschied gesehen. Und mir kam dabei ein schlimmer Gedanke. „Meinst du, dass da auch ein…ein Dämon dahinter steckt?“ Fay schien erstmal selbst darüber nach zu denken. „Bis jetzt habe ich keine Aktivitäten bemerkt, die dafür sprechen. Mal abgesehen von diesen Zahlen, die die Opfer haben. Aber sicher wäre es, wenn dir alle Optionen für denkbar halten!“ „Dann wird das Pfefferspray wohl nicht reichen!“, murmelte ich. Und schaute dabei auf mein Handgelenk, um das sich das schwarze Armband wand. Fay schien meinem Blick gefolgt zu sein. „Wenn, dann hast du immer noch eine Chance, dich zu wehren!“, meinte sie. Aber ich hatte da so meine Zweifel. Sie nagten an mir. Machten es mir nicht gerade leicht, darauf zu vertrauen. Wie sehr ich es hasste, ständig über Vertrauen nach zu denken. Dabei sollte ich es besser wissen. Erik gab es mir, damit ich mich schützen konnte, wenn er es nicht konnte. Wenn er mal nicht zur Stelle war. Und bis jetzt hatte es auch immer funktioniert. Aber was wenn ich es irgendwann gegen Ihn verwenden muss? Könnte ich das? Würde es das tun? Sich gegen ihn wenden? Und was wenn nicht? Je mehr ich darüber nachdachte, wurde mir übel bei diesem Gedankenn und hoffte, dass es niemals so weit kommen würde. Auch wenn Erik sich in Schweigen hüllte, was ihn und seine Vergangenheit betraf, wollte ich dennoch nicht gegen ihn kämpfen. Es schien mir nicht richtig. Meine Finger glitten über das Armband und ich meinte es unter meiner Berührung pulsieren zu spüren. Als wäre es lebendig. Ich unterdrückte ein Schaudern. „Wir sollten jetzt ins Bett gehen!“, hörte ich Fays Stimme. Ich hatte nichts dagegen. Auch wenn ich fürchtete, dass ich wieder wachwerden und Erik in dieser bedrohlichen Dunkelheit wieder sehen würde. Aber besser als die Nacht wach zu bleiben und vor Erschöpfung weg zu dämmern. So oder so. Ich würde mich sicher wieder in solch einer Situation wiederfinden. Da machte es keinen Unterschied. Ein Geräuch hatte mich aufgeweckt. Ich richtete mich auf. Lauschte. Fay schien es nicht gehört zu haben, da sie weiterschlief. Ich wollte sie schon wecken. Auf keinen Fall wollte ich alleine nach sehen. Nach der Nachricht von heute Vormittag war es gut möglich, dass man uns einen Besuch abstatten wollte. Aber so sehr ich es auch versuchte, ich bekam sie nicht wach. Irgendwann gab ich es auf, kletterte aus dem Bett, griff mir das Pfefferspray und eine Taschenlampe, die jede von uns nun sicherheitshalber auf unseren Nachtschränkchen stehen hatten und schaute nach. Sah jedoch weder eine zerbrochene Fensterscheibe noch irgendwelche andere Anzeichen, dass hier jemand sich einen schlechten Scherz erlaubt hatte. Und ich wollte schon zurück ins Schlafzimmer. Da aber kam mir die Verandatür in der Küche in den Sinn und ich blieb wie angewurzelt stehen. Was wenn sich da einer zuschaffen gemacht hatte? Langsam und vorsichtig ging ich in die Küche, schaltete aber das Licht nicht ein. Ging dann zur Tür und schaute nach, ob man sie gewaltsam geöffnet wurde. Nein. Zum Glück nicht. Sie war verschlossen. Ich schaute nach draußen, durch das Fenster. Dahinter lag nichts anderes als Dunkelheit und gegen jede Vernunft, öffnete ich die Tür und ging hinaus. Das kleine Licht draußen sprang an und warf einen schwachen Schein auf die Veranda. Ich schwengte die Taschenlampe umher und leuchtete die Fläche ab, die die Lampe nicht erfassen konnte. „Ist da jemand?“, rief ich laut genug. „Kommen Sie raus. Ich weiß, dass Sie da sind!“ Nichts tat sich. Das hätte ich mir auch denken können. Sicher war derjenige schon über alle Berge, als er sah, dass ich nach draußen kam. Oder aber er lauerte irgendwo in den Büschen und wartete, bis ich mich umdrehte, damit er sich auf mich werfen konnte. Ich fasste das Pfefferspray stärker und machte mich bereit auf einen Angriff. Dabei kam ich mir wie eine dieser nervösen Frauen vor, die hinter jeder Ecke eine Gefahr vermutete und zu übertriebenen Reaktionen neigten. Aber ich wollte auch nicht von irgendeinem Spinner überrascht werden. „Entweder Sie kommen jetzt aus Ihrem Loch, in das Sie sich verkrochen haben oder ich komme zu Ihnen und zerre Sie raus und dann setzt es was!“ Nichts. Kein Rascheln, keine Schritte. Nicht mal ein Atmen. Zum Teufel nochmal. Spielten mir meine Sinne jetzt schon so weit einen Streich, dass ich mir Sachen einbildete? Aber ich hatte doch was gehört. Nocheinmal leuchtete ich alles ab. Wollte mir nicht eingestehen, dass ich einer Täuschung aufgesessen war. Da flackerte aufeinmal das Licht der Taschenlampe. Ich schüttelte sie, damit sie wieder einwandfrei funktionierte. Es klappte. Allerdings nur kurz. Denn sie flackerte wieder. Das Flackern glich einem Morsecode. Lang Lang Kurz, dann Pause. Dann wieder Kurz. Pause. Kurz Kurz Lang Kurz. Pause. Kurz Lang. Pause. Dann viermal Kurz. Pause. Kurz Lang Kurz. Dann ging sie vollständig aus. „Was zum…?“, fragte ich und schlug dagegen. Aber es tat sich nichts. Noch ehe ich daraus schlau werden konnte, begann auch noch das Licht über mir an der Veranda zu flackern. Im gleichen Rhythmus wie die Taschenlampe zuvor. Langsam wurde mir das doch unheimlich. Das konnte doch nicht wahrsein. Ich schaute zu dieser hoch und hoffte, dass das einfach nur eine Störung war. Dass diese es schaffen würde. Als diese dann aber mit einem leisen Pling auch noch ihren Geist aufgab, stand ich nun in der Dunkelheit und war starr vor Schreck. Eine plötzliche Stille trat ein, die mich nervös machte und die die Wahrscheinlichkeit schrumpfen ließ, dass ein Mensch hier sein könnte. Ich hatte nun den Eindruck dass etwas anderes hier war und mich belauerte. Etwas, das gegen das Pfefferspray nichts ausrichten konnte. „Erik!“, flüsterte ich und ließ den Blick unruhig hinundher schweifen. „Bist du hier?“ Nichts. Nur Stille. Die Nervösität schlug in schleichende und zugleich lähmende Angst um und ließ meine Stimme zittern. „Lass den Unsinn. Du machst mir Angst!“ Wie als haben meine Worte etwas gewirkt, hörte ich nun doch etwas. Ein Rascheln, dann das Auftreten von etwas, was mich an Füße erinnern ließ. Nein, nicht von Füßen. Dafür waren sie zu dumpf. Es klang eher wie das Geräusch von…Pfoten oder zumindest von ziemlich großen Pranken. Stapfend und näherkommend. Ich machte sogleich einen Schritt zurück und starrte in die Richtung aus der die Geräusche kamen. Aus der Dunkelheit schälte sich langsam aber sicher etwas hervor. Eine gebückte Gestalt. Groß, massig und zottelig. Zuerst dachte ich, ein Hund hätte sich hier verlaufen. Aber kein Hund war so groß wie ein Pferd. Oder hatte gar Augen, die in der Dunkelheit zu glimmen schienen wie Kohlen. Mir fuhr der Schreck in die Glieder. Das war kein Hund. Auch wenn er die Gestalt eines solchen hatte. Als es näher kam, konnte ich es nun etwas besser erkennen. Spitze aufrechtstehende Ohren, ein langer umherschwingender Schweif. Große Pfoten, die in sich in das Gras drückten. Und eine lange Schnauze, unter dessen Lefzen scharfe, dolchartige Reisszähne zum Vorschein kamen. Sie leuchteten wie kaltes Eis auf und ließ mich starr vor Angst werden. Scheisse, was zum Teufel war das bloß? Etwa ein Werwolf? Ein kehliges Knurren war plötzlich von diesem Ungeheuer zu hören und seine Augen glühten nun lodernd auf. Ich sah, wie es seine Muskeln anspannte. Sich bereit machte zum Sprung. Es war deutlich zu sehen was es vorhatte. Noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, schien die Zeit für mich plötzlich wie in Zeitlupe zuvergehen, wobei hingegen das Monster plötzlich blitzschnell war. Ich sah wie es loshetzte, sprang und mit weitaufgerissenem Maul auf mich stürzte. Ich konnte nur noch einen Schrei ausstoßen, ehe mich das Monster in einem Stück verschlang und mich eisige Kälte umschloss. Dann wurde es schwarz um mich. Ich erwachte mit einem erstickten Schrei, doch es reichte aus, um Fay auf zu wecken. Alarmiert schaltete sie das Licht ein. „Allison!“, rief sie erschrocken. „Was ist los?“ Ich war unfähig, etwas zu sagen. Sondern schaute panisch vor mich hin, während mein Körper wie unter einem schlimmen Fieber anfing zu zittern. Es kam mir vor als sei das alles wirklich passiert. Als hätte mich dieses Monster wirklich verschlungen. Noch deutlich fühlte ich die Kälte, die in seinem Schlund geherrscht hatte und jeden meiner Gedanken und Empfindungen auslöschte, sodass es nichts mehr in mir gab. Nur Leere. Ich zog die Knie an mich heran und schlang die Arme darum. Machte ich klein, damit ich mich besser wärmen konnte. Ich konnte deutlich Fays besorgte Blicke auf mir spüren und auch, dass sie sich wahnsinnige Sorgen um mich machte. „Allison!“, versuchte sie es erneut und fasste mich an der Schulter. Ein Wimmern kam als einzige Antwort über meine Lippen. Wasrum passierte das? Wieso träumte und erlebte ich sowas? Waren das doch Visionen? Wollte Erik mich etwa vor sich selbst warnen? Aber warum? Er würde mir doch niemals etwas tun? Oder etwa doch? „Willst du darüber sprechen?“, fragte mich Fay am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Aber ich schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall wollte ich das nochmal durchleben. Ich wollte nicht mehr daran denken. Einfach nur vergessen. Doch ich musste einfach nur die Augen zu machen und schon sah ich dieses riesige Maul voller Zähne, das mich verschlang. Fay seufzte. Ich wusste, dass sie mir nur helfen wollte. Dass sie es gut meinte. Aber ich konnte erstmal nicht darüber sprechen. Und selbst wenn ich es täte, wie konnte sie mir dabei helfen? Immerhin wusste keiner von uns beiden, wer oder was dieses Monster wirklich war. „…Hier draußen, ist es zu gefährlich!“, hatte er gesagt. Das hatte deutlich nach einer Warnung geklungen. Nur vor was wollte er mich warnen? Meinte er dabei sich selbst? Oder doch eine andere Gefahr? Ich hoffte das letzteres. Der Gedanke, dass Erik die nahende Gefahr war, machte mich schier verrückt. „Bitte, lass das das nicht Erik sein!“, dachte ich nur. Fay sah mich eine Weile noch an, dann stand sie auf und räumte ab. Ich merkte ihr deutlich an, dass sie mit sich kämpfte. Auf der einen Seite wollte sie mich wohl nicht drängen, mit der Sprache raus zu rücken, aber auf der anderen Seite wollte sie nicht so einfach nachgeben. Ich schätzte das schon an ihr. Sie war wirklich eine gute Freundin. Nicht nur weil sie denselben Job hatte, noch dazu länger als ich, sodass sie mir was vorraus hatte und wusste, was zu tun war. Sondern auch weil sie mich nicht wie ein Kleinkind behandelte. Nicht so wie ihr Bruder. „Allison!“, sagte sie und ich schaute zu ihr. In ihren Aunge sah ich den gleichen mütterlichen Blick, den ich schon bei Esmeralda gesehen hatte und kurz fühlte ich mich sicher. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist und kann verstehen, wenn du dich davor fürchtest. Aber…eines solltest du wissen: Du musst das nicht allein durchstehen! Du kannst mir alles sagen!“ Und das glaubte ich ihr. Ich lächelte. Es fühlte sich an wie das erste Lächeln nach einer langen Zeit. Gerade wollte ich ihr etwas sagen, als plötzlich ein Polizeiwagen an unserem Wohnzimmerfenster vorbeiraste. Mit Blaulicht und tönender Sirene. Sofort waren wir alarmiert und eilten nach draußen. Folgten dem Polizeiwagen. Eine Menschentraube hatte sich bereits auf einer Kreuzung gebildet und tuschelte. Die Polizisten, die aus dem Streifenwagen gestiegen waren, hatten es schwer, die Leute zurück zu drängen, sodass der Gerichtsmediziner sich den Toten anschauen konnte. Wir schoben uns durch die Leute, die uns daraufhin einen finsteren Blick zu warfen. Fay schien in der Menge jemanden gefunden zu haben, denn sie schnappte mich am Arm und zog mich hinter sich her. Sie blieb neben einer älteren Dame stehen. „Was ist passiert?“, fragte sie die Frau. Diese sah Fay aufgelöst an und schüttelte den Kopf. „Schon wieder ein Toter. Dieses Mal ist es Jack Hanning!“, erklärte sie nur. Mir sagte der Name nichts und auch Fay nicht. Aber als ich einen Blick auf den Toten warf, der da lag, vielmehr auf sein Gesicht, zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Es war dergleiche Jack, dem Jackie am vorabend eine verpasst hatte. Meine Knie wurden weich. „Und Doc? Was sagen Sie?“, fragte einer der Polizisten. Doc schaute sich die Leiche noch eine Weile an. Nahm dann dessen Hand und drehte sie, sodass er die Handfläche sehen konnte. „Wie die vorherigen Opfer. Stich ins Herz und eine römische Ziffer in die Hand geritzt. Dieses Mal ist es eine sechs!“, erklärte er im sachlichen Ton. Danach machte er sich Notizen. „Das geschieht ihm Recht. Diesem untreuen Mistkerl!“, raunte eine giftige Stimme und ich schaute zu einer Frau, die nur wenige Meter von mir entfernt stand. Ihr Gesicht war zu einer grmmigen Maske verzerrt und alles an ihr sprach für Abscheu, die sie gegenüber dem Toten verspürte. Es hatte gar nicht ihres Kommentars bedurft. Als sie dann zu mir schaute, verfinsterte sich ihr Gesicht und whisperte in unheilvollem Ton mir zu:„ Gott straft alle Sünder!“ Nachdem die Polizisten und der Gerichtsmediziner mit ihrer Arbeit fertig waren, kam sogleich der Leichenwagen. Zwei Männer legten den Toten in einen Plastiksarg und luden ihn ein. Als diese weggefahren waren, zerstreuten sich die Leute und gingen nachhause. Auch ich und Fay machten uns wieder auf den Heimweg. Und auch wenn keine von uns etwas sagte, wusste jeder, was die andere dachte. Immer wieder musste ich an den Blick und an die Worte dieser Fraue denken und ich wollte schon fragen, ob das diese Mrs. Jenkins war. Aber da kam mir Fay zuvor. „Diese widerliche alte Krähe!“, knurrte sie. „Lass mich raten: Das war Mrs. Jenkins?“ Fay schnaubte nur. „Ja! Möchte mal wissen, was Ihr Problem ist. Es können ja nicht alle wie im Mittelalter leben, wie Sie!“ „Mir tut Ihr Mann ganz schön leid. Sicher lässt Sie ihn nicht sehr oft ran!“, bemerkte ich mit einem Kichern. Solche Leute, die streng nach Schema F leben und die Bibel förmlich anbeten, sind sicher alles andere einfach. Fay verzog den Mund zu einem bitteren Grinsen. „Sicher ist er der nächste auf der Liste. Wenn schon dieser Jack abgemurkst wurde, weil er seine Finger nicht bei sich behalten konnte, wird sich Ihr Mann auch was anderes suchen!“ Okay, das klang nicht gerade aufbauend. Aber es brachte mich wieder zum Nachdenken. „Was sagte eigentlich nochmal der Doc? Dass es diesesMal eine Sechs war? Auf seiner Hand meine ich?“ Fays Gesicht nahm nun auch einen nachdenklichen Ausdruck an. „Ja. Und sicher hat das auch wieder was bedeuten!“, murmelte er. „Fragt sich nur was?“ „Vielleicht hat ja dein Bruder was rausgefunden. Wollte er sich nicht auch wenig umhören?“ „Ja, aber bis jetzt hat er sich noch nicht gemeldet!“, sagte sie niedergeschlagen. „Dabei wären wir sicher weiter, wenn wir endlich wüssten, was das Motiv von diesem Killer ist!“ Fay wischte sich über das Gesicht, als wäre sie tot müde. „Uns bleibt leider nichts anderes übrig als zu warten!“ Die Stimmung in der Schenke war nun wie ausgewechselt. Wo vorher noch Leute munter geplaudert hatten oder irgendwelche Pläne geschmiedet hatten, in denen sie mit den Mörder weiss Gott was anstellen wollten, war nun bedrückende Stille. Und wenn gesprochen wurde, dann leise. Im gesenkten Ton und niedergschlagener Stimmung. Auch der Pfarrer war wieder in der Schenke. Seine Stimmung ebenso im Keller, wie bei den anderen. Aber ich glaube ihn traf es noch am schwersten. Da er sicher nicht gewollt hat, dass ein Gemeindemitgleid so schnell aus dem Leben schied. Er fühlte sich für jeden hier verantwortlich. Ich trat an den Pfarrer heran. „Darf ich Ihnen was bringen?“, fragte ich höflich. Der Pfarrer nur kurz zu mir auf. Senkte dann wieder den Kopf. „Einen Brandy!“, sagte er nur. Ich erwiderte darauf nichts. Sondern ging an die Bar und gab die Bestellung auf. Ich hatte in diesem Fall Verständniss dafür. Ich wartete gerade darauf, dass mir der Wirt das gewünschte Glas einschenkte, als ich hörte, wie jemand den Pfarrer ansprach. „Wielange soll das noch gehen?“ Ich drehte mich halb herum und sah wie sich einige Männer vor ihm aufgebaut hatten und in finster anschauten. „Sie sagten, Sie würden Scotland Yard einschalten, damit das endlich ein Ende hat. Aber nichts tut sich!“, blaffte einer von ihn. Ich erkannte sofort wieder. Es war Joe, der schon voher Stunk gemacht hatte. „Scotland Yard nimmt sich gerade des Falles an. Sie tun, was Sie können!“, erwiderte der Pfarrer müde. Joe lachte nur bitter. „Sie tun, was Sie können!“, echote er. „Einen Scheiss tun die. Nur Fragen stellen. Nichts weiter!“ „Sie könnten sicher schneller vorran kommen, wenn Ihr Euch nicht so in Schweigen hüllen würdet! Oder irgendwelche falsche Tatsachen verbreitet!“ Die Stimme des Pfarrers wurde nun scharf und ich sah wie Joes Gesicht eine tiefrote Farbe annahm. In dem Moment fragte ich mich, ob er vorher was getankt hatte. Denn ein nüchterner Mann würde einen Pfarrer sicher nicht so anfahren. Außerdem begann er nun bedenklich zu schwanken. Mit einem wütenden schnauben schnappte er sich den Pfarrer und riss ihn auf die Füße. „Das nennt sich ein Pfarrer? Nicht in der Lage die Gemeinde zu schützen und irgendwas unterstellen!“ Er holte schon aus um ihm eine zuverpassen. Aber seine Freunde hielten ihn gerade noch zurück und auch der Wirt meldete sich nun. „Hör auf mit dem Mist, Joe. Und geh mal an die frische Luft. Ein Schlägerei ist jetzt das letzte, was ich hier haben will!“ Joe wehrte sich noch einige Male und wollte sich seine Freunde vom Hals schaffen. Dann aber schien er doch vernünftig zu werden und ließ sich von diesen nach draußen schleppen. Als ein wenig Ruhe reinkam, kam ich wieder zum Pfarrer, der sich seine Kleidung richtete und sich wieder setzte. Ihm war deutlich an zu sehen, dass ihn das alles ziemlich mitnahm. „Hier. Ihr Brandy!“, sagte ich und stellte das Glas ab. „Oder soll ich Ihnen was anderes bringen?“ Pfarrer Remington lächelte schwach. „Nein, danke!“ Er nahm das Glas und nippte vorsichtig daran. „Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten würden. Sie scheinen nicht so voreingemommen, wie die anderen zu sein!“ Zuerst war ich mir unsicher und schaute kurz zu meinem Chef. Der schien hingegen nichts einwenden zu haben. Also erklärte ich mich einverstanden und setzte mich dem Pfarrer gegenüber. Vielleicht war das auch eine gute Möglichkeit an Infomationen ran zu kommen. „Sie scheinen auch mit dem Latein am Ende zu sein!“, sagte ich. Die Miene des Pfarrers verfinsterte sich. „In der Tat. So langsam weiß ich gar nicht mehr, was ich tun soll. Vor einigen Tagen war ein Mitarbeiter von Scotland Yard bei mir. Natürlich stellte er mir wieder Fragen über die Verstorbenen und was sie in der Vergangenheit so getrieben haben. Gerne hätte ich es ihm gesagt. Aber leider bindet mich mein Gelübde daran zu schweigen!“ Dann schaute er in die Runde. Aber wenn die anderen endlich zur Vernunft kommen und selbst den Mund aufmachen würden, wäre der Mörder schon längst gefasst. Aber so…!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. Und ich verstand was er meinte. Ihm waren die Hände gebunden. Den anderen aber nicht. „Vielleicht brauchen Sie nur etwas Zeit. Bis sie das Schweigen brechen?“, vermutete ich. Remington lächelte nun traurig. „Ihr Wort in Gottes Ohr!“, sagte er und tätschelte mir freundschaftlich meine Hand. Dabei bemerkte er das Armband. Er runzelte die Stirn und machte erstaunte Augen. „Ein interessantes Schmuckstück!“, sagte er dann und betrachtete es genauer. Im ersten Moment wollte ich die Hand wegziehen. Doch das hätte etwas Verdächtiges. So ließ ich es ihn anschauen. „Ja, es…es ist ein Geschenk!“ Da sah der Pfarrer auf und ein Funkeln lag in seinem Blick. „Etwa von einem Verehrer?“ Ich musste fast lachen. Ein Verehrer wohl kaum. Aber ich hütete mich, die Wahrheit zu sagen. „Nein. Ein Verehrer nicht. Meine…meine Freundin hat es mir geschenkt!“ „Sie scheinen sich sehr nahe zu stehen oder?“, fragte er dann. Ich nickte. „Ja. Sie…sie war immer für mich da!“, erklärte ich. Damit lag ich gar nicht mal so falsch. Fay war wirklich für mich da. Ich musste an das denken, was sie heute Morgen gesagt hatte. „Du musst das nicht allein durchstehen! Du kannst mir alles sagen!“ Mir wurde sofort warm ums Herz und ich musste unwillkürlich lächeln. „Wie lange kennen Sie sich schon?“, fragte mich Remington. „Schon ziemlich lange!“, gestand ich. Auch wenn ich mich langsam fragte, wieso er mich sowas fragte. Aber vermutlich wollte er sich nur ablenken und ein wenig Smalltalk halten. „Ich hoffe, dass Sie jetzt nichts Falsches denken von Aldbury. Eigentlich ist das wirklich ein schönes Stückchen Erde!“, gestand er. „Das tue ich nicht. Ich hoffe auch, dass Sie diesen Typen so schnell wie möglich schnappen!“, sagte ich ehrlich. Da hörte ich den Wirt rufen. Ich schaute zu ihm und er wiederum zeigte auf einen Tisch, dessen Gäste sich abmühten, mich auf sich aufmerksam zu machen. Ich nickte und bedeutete ihm, dass ich ihn verstanden habe. „Tut mir leid. Aber ich muss wieder an die Arbeit!“ Der Pfarrer lächelte milde. „Kein Problem. Und danke, dass Sie sich ein wenig mit mir unterhalten haben!“ „Immer wieder gern!“ Fay wartete auf mich vor dem Hintereingang. Nach allem was passiert war, wollte sie mich nun nicht mehr allein nachhause laufen lassen. Ich kam mir dabei wie eine sechsjährige vor, die man von der Schule abholen musste. Aber ich war auch froh. Denn so würde ich mich nicht mehr so unwohl fühlen. „Und wie war es?“, fragte sie mich. Ich hob die Schultern. „Naja…die Stimmung dadrin war echt down. Und einer von den Leuten wäre beinahe auf den Pfarrer losgegangen!“, berichtete ihr. Fay machte nur:„ Hm!“ „Das ganze beginnt langsam zu brodeln und zu kochen, wie ein Hexenkessel!“ „Denkt du, die Leute hier werden sicher irgendwann etwas ziemlich Dummes tun?“ Fay verzog spöttisch das Gesicht. Und das reichte mir schon als Antwort. Sicher würden Sie irgendwann die Geduld verlieren und zu drastischen Methoden greifen. Welche das waren wollte ich mir nicht vorstellen. „Leute aus einer kleinen Gemeinde neigen zu solchen Methoden, wenn in Ihren Augen nichts getan wird!“ Allmählich glaubte ich, dass Fay schon seine solche ähnliche Erfahrung gemacht hat. Wie sonst könnte sie so sicher darüber sprechen. „Dann sollten wir uns beeilen!“, sagte ich. „Nicht dass Sie uns noch auf den Scheiterhaufen zerren!“ Da musste Fay lachen. Aber es war ein freudloses Lachen. So als wäre das gut möglich. Den nächsten Tag hatte ich frei. Aber das lag sicher nur daran, weil Sonntag und damit auch Gottesdienst war. Zum Glück hatte Fay für solche Momente auch passende Kleider angezogen. Schwarz und sehr konservativ. Heißt bis zum Hals zugeknöpft und so lang, dass die Knie bedeckt waren. Ich betrachtete mich ein wenig skeptisch im Spiegel. Irgendwie kam es mir falsch vor. Ich bin zwar schon sonntags in die Kirche gegangen und wusste, wie man sich dafür kleidet. Aber in diesem Fall wirkte das alles wie eine Farce. Zumal diese Mrs. Jenkins uns für Sünder hielt und uns sicher nicht dort sehen wollte. Keine Ahnung, aber es war so ein Gedanke, den ich nicht abschütteln konnte. „Glaub mir. Auch ich würde jetzt noch gerne im Bett liegen. Aber wir dürfen nichts auffallen!“, sagte Fay. In meinen Augen war das auch der einzige gute Grund. Der Pfarrer wartete am Eingang der Kirche und grüßte jeden, der reinging. Auch mich und Fay. Besonders mich und ich merkte, wie ich rot wurde. Wie mochte das aussehen. Ein Pfarrer, der eine Frau, die noch nicht lange hier lebte, auf eine weise grüßte, die eigentlich nicht üblich war. Nicht angemesssen war. Fay nahm mich am Arm und zerrte mich mit sich. „Was sollte das denn?“, fragte sie mich und schaute kurz zurück zum Pfarrer. „Keine Ahnung. Aber mir ist das auch nicht gerade angenehm!“, sagte ich kleinlaut. „Ja, und ich fürchte, dass du dir damit noch Feinde machst!“ Ich sah sie mit einer Mischung aus Frage und Bitterkeit an. Sie hingegen schaute an mir schräg vorbei und ich folgte ihrem Blick. Und stöhnte innerlich. Mrs. Jenkins saß auf der anderen Seite, schräg gegenüber von uns und taxierte mich mit finsteren Blicken. Klasse! Wieso musste ich immer wieder ihren Weg kreuzen. Das hier war zwar ein Dorf, aber selbst hier musste es doch möglich sein, sich nicht so oft ins Gehege zu kommen. Ich versuchte sie zu ignorieren aber ich konnte deutlich ihren stechenden Blick auf mir spüren. Die ganze Messe über musste ich das erstragen und hatte mehr als einmal den Wunsch auf zu stehen und den Gottesdienst zu schmeißen. Riss mich aber zusammen. Bloß nicht auffallen! Aber wenn ich so recht überlege, scheint das auch hier nicht gerade leicht zu werden. Der Gottesdienst schien sich unendlich in die Länge zu ziehen. Umso erleichterter war ich, als die Glocken läuteten und das Ende der Messe verkündeten. Ich atmete auf. Nach und nach standen die Leute auf und strömten Richtung Ausgang. Auch dort wartete der Pfarrer und verabschiedete sich. Dieses Mal aber gönnte er mir nur ein kurzes Nicken, welches ich höflich erwiderte. „Solangsam entwickelt das sich hier zu einem echten Spießrutenlauf!“, sagte Fay als wir daheim waren und sie einen extrastarken Kaffee aufsetzte. „Ich frage mich echt, was die für ein Problem hat!“ „Vielleicht ist sie eifersüchtig auf dich!“, sagte Fay und grinste feixend. Ich verzog das Gesicht. „Machst du Witze?“, platzte es aus mir heraus. „Wieso sollte die auf mich eifersüchtig sein?“ „Naja, so wie die dich angeschaut hat, könnte man denken, du würdest dich für den Pfarrer interessieren. Oder er für dich!“ „Mach dich nicht lustig über mich!“, sagte ich bitter. „Ich geb ja zu. Remington sieht schon gut aus. Aber er ist ein Geistlicher. Ein katholischer noch dazu. Sein Job verbietet ihn irgendwelche Anbändeleien!“ „Das heißt nicht, dass er nicht in Versuchung geraten könnte!“ So langsam nahm das absurde Züge an. Ich hoffte inständig, dass sie mich dabei nur auf den Arm nahm. Ich schüttelte den Kopf. „Du hast eine blühende Fantasie!“ Am Abend bekamen wir einen Anruf, der es in sich hatte. Lex hatte endlich etwas herausgefunden. Es betraf die beiden Männer, die jeweils eine sieben eingeritzt bekamen. „Es hat etwas gedauert, aber endlich habe ich was gefunden, was uns weiterbringt!“, erklärte er durch das Telefon. Fay hatte den Lautsprecher angeschaltet, sodass wir beide zuhören konnten und konnten es kaum abwarten. „Echt? Und was?“, fragte sie. Sie war genauso aufgeregt wie ich. „Mal langsam ja. Also…wie es aussieht haben die beiden vor ungefähr zwei Jahren einen Diebstahl verübt. Raubüberfall auf eine Bank. Einige Million haben die dabei mitgehen lassen. Alles schien recht harmlos abgelaufen zu sein. Trotz dass sie bewaffnet waren, haben sie niemanden über den Haufen geschossen. Somit gab es auch keine Toten. Danach waren sie dann untergetaucht. Keiner wusste wohin es sie verschlagen hatte. Nach Aldbury kamen sie erst einige Monate später, als wohl genug Gras darüber gewachsen war. Keiner hier schien sich zu fragen, woher diese beiden Gestalten kamen oder wie sie zu viel Geld kamen. Aber offensichtlich schien sie jemand erkannt zu haben. Oder zumindest über den Banküberfall bescheid zu wissen. Wieso sonst sollten beide jetzt tot sein?“ „Und was ist mit den anderen Opfern?“ „Sorry. Aber da ist mir nichts bekannt. Wir konnten die beiden Opfer auch nur identivizieren, weil wir dessen Fingerabdrücke im Archiv hatten!“ „Verstehe. Aber immerhin etwas!“, räumte Fay ein. „Was ist mit Euch? Habt Ihr was rausgefunden?“ Fay seufzte. „Nein, leider nicht. Es gab wieder einen Toten. Stellt Euch schon mal eine weitere Autopsie ein!“ „Wieder mit einem Stich getötet und eine Zahl in der Haut?“, fragte Lex. „Japp. Dieses Mal eine sechs!“ Dann herrschte kurz Stille. „Hm, dass ist jetzt nur eine Vermutung, aber was wenn diese Zahlen nicht rein zu fällig sind. Was, wenn sie irgendwelche Bedeutungen haben ?“ „Dass sie irgendwelche Bedeutungen haben, habe ich mir auch schon gedacht. Die Frage ist nur welche?“, sagte Fay bitter. „Wenn wir rausfinden, warum die beiden Männer die sieben hatten, dann kriegen wir auch raus, was es mit den anderen auf sich hat!“ „Ich frage mich generell wieso jemand zwei Räuber ermorden sollte. Rache kann es nicht sein. Denn es gab ja keine Opfer, wie du sagtest. Und auch wenn das ein Verbrechen ist und sie nicht dafür belangt wurden, finde ich das schon ein wenig extrem!“, kam es von Fay nachdenklich. „Ich meine: Es ist ja nicht so als ob sie eine Todsünde begangen haben!“ Bei diesem Wort klingelte etwas in mir. „Was sagtest du gerade?“ Fay sah mich an, als hätte ich sie nicht verstanden. Oder vielmehr mich nicht. „Dass sie keine Todsünde begangen haben!“, wiederholte sie dann und schien sich daraus keinen Reim zu machen. Ich hingegen schien aufeinmal einen Geistesblitz zu haben. „Haben wir eine Bibel?“ „Bitte?“ Fays Augen wurden groß wie Untertassen und sie fragte sich wohl, was das solle. Doch statt weiter auf eine Antwort zu warten oder sie nochmal zu fragen, stand ich auf, lief zum Bücherregal und fing an zu stöbern. Ich hatte bis jetzt noch keine Bibel hier in diesem Haus gesehen, aber dennoch hoffte ich, dass ich eine finden würde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Mit einem triumphierenden Grinsen zog ich den alten Schinken hervor und kehrte wieder auf die Couch zurück. Fay sah mich immer noch an, als wäre ich nicht ganz dicht. „Was ist denn da los bei Euch?“, fragte Lex, der sich wohl auch fragte, was ich da trieb. Ich sagte nichts, sondern schlug das Buch auf und begann wie wild darin zu blättern. Solange bis ich die richtige Stelle gefunden hatte. „Hier. Ich glaub, ich hab’s!“ „Was hast du?“, fragte Fay und beugte sich zu mir. „Lex, sag mir nochmal welche Zahlen die jeweiligen Opfer hatten!“, bat ich ihn. Lex seufzte. Wohl eher weil er genervt war. Tat aber, worum ich ihn bat und mit jedem Opfer und dessen Zahl wurde ich mir sicher. „Würdest du mir endlich mal sagen, was das alles soll?“, fragte er dann und ihm riss nun wirklich der Geduldsfaden. „Ganz einfach. Jdes Opfer hat diese Zahl, wegen es gegen eines der zehn Gebote verstoßen hat. Die beiden Männer haben die sieben. Und die steht für das Gebot…!“ „Du sollest nicht stehlen!“, hauchte Fay tonlos. „Du hast Recht!“ „Und das Mädchen musste sterben, weil sie gegen Gebot nummer vier verstieß!“ Das alles ergab auf einmal einen Sinn und war soch einfach zu erklären. „Jetzt wo du es sagst…Sie hat Ihre Eltern nicht gerade stolz gemacht!“, sagte nun Lex und selbst am Telefon konnte ich hören, dass er sich einen Facepalm verpasste. „Darauf hätte ich auch kommen sollen!“ „Wir haben auch erstmal nicht den Wald voller Bäume gesehen!“, gestand Fay. Nach und nach schrieben wir die Namen der Opfer, die Zahlen, die man ihnen verpasst hatte und für was sie standen. Und solangsam formte sich immer mehr ein Bild daraus. Wer auch immer dahinter steckte: Er war versessen darauf all jene zu bestrafen, die gegen die zehn gebote verstießen! „Es ist wohl klar, dass wir es hier mit einem Fanatiker zutun haben. Der über Leichen geht!“ Mir fiel da nur eine Person ein, die dafür in Frage kam. Und gerade wollte ich es aussrpechen, doch da kam mir Lex zuvor. „Das denke ich auch! Und sicher wird er sich bald ein neues Opfer suchen!“ Der Meinung waren wir auch. Und wir mussten ihm zuvor kommen. Nur wie? Die einfachste und logischte Möglichkeit war es, zu behaupten, einer von uns hätte ebenso gegen die Gebote verstoßen. Aber wie wahrscheinlich war es, dass der Killer sich uns aussucht und kein anderes Opfer auserkort. Immerhin kannte dieser Killer die meisten von hier schon länger und wartete sicher nur darauf, bis sie unachtsam wurden. Genau das muss auch Fay durch den Kopf gehen. Denn in ihrem Gesicht arbeitete es. „Hm…!“, machte sie nur. „Ich habe da so eine Idee, wie wir ihn aus der Reserve locken könnten!“, sprach sie dann weiter und sah mich dann mit einem seltsamen Blick an. Okay. Was ging ihr gerade durch den Kopf? Was für eine Idee hatte sie? Noch bevor ich sie das fragen konnte, fragte sie mich:„ Was hälst du davon von anderen Ufer zusein?“ Fays Frage hatte mich erstmal ganz schön aus der Bahn geworfen und ich hielt das erstmal für einen Scherz. Aber dann sickerten ihre Worte in meinen Kopf und ich starrte sie nur mit offenem Mund an. „Wie-wie?“ „Findest du nicht, dass das ein wenig übertrieben ist?“, fragte ich dann etwas zerknirscht. Wie kam sie bloß auf so eine Idee? „Weil wir nur so schneller die Aufmerksamkeit des Killers auf uns ziehen können!“, erklärte Fay sachlich. Aber das genügte mir nicht. „Wo liegt da der Unterschied ob wir einfach gute Freundinnen oder ein lesbisches Paar sind?“ „Bei guten Freundinnen würde einige männer hier auf dumme Ideen kommen. Gerade weil wir hier noch neu sind. Frischfleisch praktisch gesehen. Bei einem lesbischen Paar allerdings, werden die sich sicher das Maul zerreissen und somit den Killer auf unsere Spur bringen!“ „Und was macht dich da so sicher? Selbst wenn wir lesbisch sind, was wir nicht sind, wieso sollte der Killer uns gerade ins Visier nehmen?“ Fay hob die Braue und sah mich an, als würde ich hinter dem Mond leben. „Du weisst nicht viel von Erzkatholischen, wie?“, kam es dann trocken von ihr. „Für die ist die gleichgeschlechtiliche Liebe genauso schlimm und widerlich wie Sex vor der Ehe. Wenn der Killer wirklich so ein Fanatiker ist, wie wir vermuten, dann dürften wir in Null komma Nichts ganz oben auf seiner Abschlussliste stehen!“ Okay, das leuchtete ein. Aber dennoch habe ich da meine Zweifel. Wie sollten wir diesen Leuten weißmachen, dass wir nicht auf Bananen stehen? „Und wie soll das gehen? Soll ich mir ein Schild umhängen mit der Aufschrift: Ich bin eine Lesbe?“ Fay gluckste, schüttelte dann den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Es reicht, wenn du den Eindruck erwweckst, als würdest du dich für Männer nicht interessieren. Halt sie dir vom Hals!“ Das war wirklich nicht schwer. Zumal mich keiner dieser Männer hier interessierte. Die meisten von denen waren so alt, dass sie mein Vater hätten sein können. Ich musste an den Kerl denken, der Jackie zu nahe gekommen war. Ich hoffte insgeheim, dass er der einzige war, der so drauf war. „Und wie sollen wir dann diesen Killer schnappen? Ich meine, der wird sicher nicht lange zögern, um einen von uns zu erwischen. Welche Geschichte willst du denn überhaupt erzählen, um ihn auf uns zu hetzen? Ich kenne kein Gebot, dass verbietet, lesbisch zu sein. Erzkatholisch hin oder her!“ „Das stimmt. Daher werden wir noch behaupten, oder viel mehr ich werde behaupten, dass ich aus einer gescheiterten Ehe komme. Dass ich zu spät gemerkt habe, dass ich nicht Männer, sondern Frauen liebe und meine Ehe daher keinen Sinn hatte!“, erzählte Fay theatrahlisch und schniefte. Ich sah sie nur an. Die Frau hätte Schauspielerin werden sollen. „Wow. Das nenne ich wirklich mit Feuer und Flamme dabei zu sein, wenn du dir so eine Story ausdenkst!“ Fay grinste stolz. Ich muss gestehen, dass ich mich etwas davor fürchtete, mich schlafen zu legen. Der Alptraum von letzter Nacht blieb mir noch all zu deutlich in Erinnerung und ich wollte diesem Monster nicht schon wieder begegnen. Auch wenn es nur ein Traum war, fühlte es sich so real an, dass ich mich in einer meiner Visionen fühlte. Mir lief es kalt den Rücken runter. Und auch wenn es eigentlich albern war, bat ich Fay, dass wir noch ein wenig fernschauten. Und dabei war es schon kurz vor elf. „Bist du denn nicht müde?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. Sagte, dass ich viel zu aufgekratzt sei. Jetzt wo wir endlich das Motiv des Killers erkannt hatten. Fay sah mich noch lange mit einem forschenden Blick an und ich ahnte, dass sie mir das nicht so recht abkaufte. Aber sie drängte mich auch nicht und war einverstanden. So saßen wir auf der Couch und schauten fern. Ich hatte mich in eine warme, weiche Decke gekuschelt und schaute auf die Mattscheibe, ohne dabei darauf zu achten, was da eigentlich lief. Fay beobachtete wie Allisons Kopf immer wieder mal nach unten auf ihre Brust sank und sie gleich darauf wieder hochschreckte. Dabei versuchte sie auch krampfhaft ihre Augen offen zu halten, was ihr natürlich kläglich misslang. Fay wollte sie schon doch dazu zu überreden sich schlafen zu legen. Aber sie hatte auch gesehen, wie sehr sie sich davor fürchtete und fragte sich wieder, was sie nur so ängstigte. Eins wusste sie aber: So konnte das nicht weitergehen. Irgendwann aber siegte die Müdigkeit über Allison und sie sank in sich zusammen. Fay wartete noch einen kurzen Moment dann, schaltete sie den Fernseher aus und legte Allison behutsam auf die Couch. Leise schlich sie sich aus dem Wohnzimmer und machte das Licht aus. Dabei schaute sie noch einmal zu Allison, die tiefatment da lag und hoffte, dass sie dieses Mal eine ruhige Nacht haben würde. Erik saß mit steinerner Miene auf dem kleinen Wohnzimmertisch und schaute auf Allison hinunter. Deutlich, trotz der Dunkelheit, konnte er sehen, wie sich ihre Augen hinter den Lidern unrhig hin und her bewegten. Konnte die Unruhe, welche sie ergriffen hatte, deutlich spüren, als wäre es seine eigene. Vielleicht war es auch so. Seit er in diesen Spiegel gesehen hatte, spürte er, wie etwas, was er tief in sich eingeschlossen hatte, nun ausbrechen wollte. Wie es mit scharfen Krallen an der Mauer kratzte, die es eingesperrt hielt und dabei tiefe Furschen hineingrub. Erik konnte förmlich das wütende Knurren und Fauchen hören, welches das Wesen ausstieß und nach seiner Freilassung verlangte. Hart presst er die Lippen aufeinander und ballte die Fäuste, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstachen. Verbissen drängte er das Wesen zurück. Verstärkte die schützende Mauer um dieses herum. Woraufhin das Ding noch vehementer und wütender dagegen schlug. „Ich lasse nicht dich raus. Egal ,wie sehr du tobst!“, schwor er sich. Doch statt weiter das Monster wütend brüllen zu hören, lachte es nun höhnisch und glaubte sogar es sprechen zu hören. „Denkst du wirklich, dass du noch länger dagegen ankämpfen kannst?“ Ein eisiger Schauer rann ihm über den Rücken. Und kurz blitzte ein Bild vor seinem inneren Auge auf. Erin, die ausgemergelt und mit dumpfen Augen vor sich hin starrte. Totenbleich und mit zitternden Händen. Dann veränderte sich das Bild und sie war nun wie ausgewechselt. Ihr Gesicht war zu einer grässlichen Grimasse verzogen, ihre Augen waren dunkel und glühten im kalten Feuer. In Erik zog es alles zusammen, als er sich daran zurück erinnerte und zwang dieses Bild aus seinem Geist. Sein Blick hing noch immer auf Allison und sein Gesicht nahm nun einen kummervollen Ausdruck an. Auf keinen Fall wollte er, dass sich das wiederholte. Auch wenn er wusste, dass es nicht leicht sein würde. Dennoch musste er es versuchen. Schon allein weil er IHR versprochen hatte auf Allison acht zu geben. Die Ladenglocke bimmelte, als Fay in den kleinen Lebensmittelladen eintrat. „Guten Morgen!“, grüßte sie die ältere Dame. Agatha winkte und lächelte. „Guten morgen!“ Langsam und gemütlich schlenderte Fay durch die Gänge. „Finden Sie alles?“, fragte Agatha und wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Ja…ich denke schon!“, sagte Fay und schaute dabei auf ihre Einkaufsliste. Sie hatte alles. Bis auf eines. „Haben sie vielleicht etwas, was einen Nachts ruhigschlafen lässt?“, fragte Fay. Agatha schien erstmal nicht zu verstehen. Dann aber nickte sie. „Natürlich. An was haben Sie da gedacht. Etwas Pflanzliches vielleicht? Lavendel ist ein gängiges Hausmittel. Ohne Chemie oder sowas!“, schlug Agatha vor. „Hört sich gut an!“, sagte Fay. Agatha eilte davon, kam dann aber nach einigen Minuten wieder. In ihrer Hand ein frischer Bund Lavendel, der einen intensiven Duft verströmte. „Haben Sie etwa Schlafstörungen?“, fragte Agatha, während sie ein Artikel nach dem anderen über den Scanner führte und den Betrag eintippte. „Ich nicht. Meine Freundin aber!“ Dann, nach einer Weile, fuhr Fay in einem betroffendem Ton fort:„ Vermutlich fällt es ihr schwerer sich hier ein zu leben, als gedacht!“ „Hm…wenn ich ehrlich sein darf: Zwei so junge Damen, wie Sie es sind, scheinen wirklich nicht hierher zu gehören. Nicht falsch verstehen. Aber Aldbury ist viel zu, naja…verschlafen, als das zwei junge Leute hier leben könnten!“ Fay lächelte verständnissvoll. „Um ehrlich zu sein, wünschte ich, es liegt nur an der Abgeschiedenheit, die uns hierher geführt hat!“ Nun machte sie ein betroffendes Gesicht, dabei musste sie innerlich lächeln. Sie sah die Chance gekommen, ihre Idee um zu setzen. „Zeit die Gerüchteküche ein wenig zum brodeln zu bringe!“, dachte sie. Agatha sah sie daraufhin betroffen an. Sicher stellte sie sich die schlimmsten Dinge vor, die die beiden jungen Frauen bewogen hatte, das Stadtleben hinter sich zu lassen. „Ich…Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, weil…weil ich meine Familie ziemlich schwer enttäuscht habe und meinem Mann…das Leben ruiniert habe. Aber…ich sah keinen anderen Ausweg!“ Fay schaute nieder, sah aber wie Agathas Gesicht zu arbeiten anfing. „Tut mir leid, ich…ich will Sie wirklich nicht damit belästigen!“, sagte Fay schnell. „Nein…nein. Schon gut!“, kam es aus Agathas und Fay musste fast lachen. Es war immer wieder erstaunlich wie einfach es war die Neugier von Außenstehenden zu wecken und sie dabei nichts merken zu lassen. „Ich habe mir schon gedacht, dass das nicht alles sein kann!“ „Und Ihre Freundin? Wieso kann Sie nicht schlafen?“ „Weil Sie der Grund für all das ist!“ Agathas Augen wurden groß als sie das hörte. „Wegen Ihr habe ich meinen Mann verlassen!“ „Wir…wir lernten uns in einem Cafe kennen. Sie arbeitete dort und…naja…es kam, wie es kommen musste. Wir trafen uns immer häufiger und schließlich…verliebten wir uns in einander!“ Agathas Augen wurden so groß, dass Fay insgeheim fürchtete, dass sie ihr aus dem Kopf herausfielen. „Sie…soll das heißen, dass Sie…!“ Fay nickte. „Ja, wir…wir sind ein Paar!“ Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihre Lippen. Für einen Moment war es totenstill und Agatha sah sie nur an. Dann aber schien sich die Frau gefasst zu haben. Sie räusperte sich. „Ich muss zugeben, dass ich sowas nicht erwartet habe!“, räumte sie ein. Fay lächelte schwach. „Es ist auch nicht gerade üblich, wenn man als Frau eine Ehe wegen einer anderen Frau beendet!“ „Ja!“, stimmte Agatha zu und schaute Fay ein wenig verunsichert an. Fay konnte ihr deutlich ansehen, dass sie sich fragte, wie sie sich nun ihr gegenüber verhalten sollte. „Ich hoffe zumindest, dass wir hier nun ein wenig Ruhe bekommen!“, sagte Fay und nahm die Tüte mit den eingekauften Sachen. Den betroffenden, erschütterten Blick Agathas spürte sie deutlich in ihrem Rücken und Fay musste sich zusammen reißen, um nicht los zu prusten. „Und sie hat es wirklich geschluckt?“, fragte ich nachdem Fay zurück kam und mir haarklein alles erzählt. Fay grinste zufrieden von einemOhr bis zum anderen. „Der Köder ist ausgeworfen. Jetzt müssen wir nur noch warten!“ Ich wünschte ich könnte Fays Enthusiasmus teilen. Aber bei der Vorstellung, dass man sich über uns das Maul zerriss und uns damit ins Visier des Killers brachte, behagte mir nicht. Auch wenn ich wusste, dass sowohl Fay als auch Lex nun Augen und Ohren aufhalten und den Killer schnappen würden, sobald dieser sich rührte. Ich hatte da meine Zweifel. Was wenn der Killer einen Komplizen hatte? Zwar sprach alles für einen Einzeltäter, aber sicher konnten wir uns auch nicht sein. Fay schien meine Skepsis zu merken, denn ihr Strahlen ließ nun nach. „Ich weiß, was dir gerade durch den Kopf geht!“, sagte sie. „Und du hast recht. Es ist ein Risiko. Aber uns bleibt nichts anderes übrig als zu warten! Und die Leute nun genau beobachten. Wenn ich mich nicht irre und Agatha richtig einschätze, wird sie sicher gleich dem nächstbesten davon erzählen, der in den Laden kommt!“, murmelte Fay. Kurz lächelte sie, so als würde sie sich darauf freuen. Ich konnte ihre Freude allerdings nicht teilen. Geistig sah ich mich schon auf einem Seziertisch im Leichenschauhaus. In meiner Hand eine sechs eingeritzt. Mir wurde schlecht bei dieser Vorstellung und ich drängte diese aus meinen Gedanken. „Hab Vertrauen. Fay und Lex werden das nicht zu lassen!“, sagte ich mir stattdessen. Und musste dabei an Erik denken. Vertrauen. Dieses Wort steht zwischen uns wie eine Mauer, die ich nicht überwinden konnte. Auf der einen Seite wollte ich ihm vertrauen. Tat es wohl auch ein wenig, da er immer zur Stelle war, wenn es brenzlig wurde. Aber auf der anderen Seite…wusste ich nichts über ihn. Woher kannten meine Mutter und er sich? Klar, sie waren Partner. Das hatte Erik mir am Anfang gesagt. Aber das erklärte nicht, wie sie zusammen gekommen waren. Ich glaube nicht, dass sie sich bei ihren Streifzügen über den Weg gelaufen waren. Zumal Erik kein normaler Mann war. Er war…nicht von dieser Welt. Dass liegt klar auf der Hand. Aber es blieb dennoch die Frage nach dem Woher… Es bestand kein Zweifel, dass meine Mutter wusste, was oder wer er war. Und sie musste ihm vertraut haben. Denn warum sonst sollte sie ihn darum gebeten haben, auf mich auf zu passen? Nur wie weit reichte ihr Vertrauen? Hatte sie auch so ihre Bedenken? Oder sah sie ihn wirklich als einen Verbündeten. Als einen Partner. Als einen…Freund? „Hey, alles okay?“, fragte Fay mich und holte mich so aus meinen Gedanken. „J-Ja…ich…ich war nur ganz woanders!“ Fay legte den Kopf schräg und hob dabei die Brauen. Ich fühlte deutlich, wie sie mich zu durchleuchten versuchte. Ahnte sie was? Schnell drehte ich mich weg und klaubte meine Sachen zusammen. Meine Schicht begann bald und ich wollte nicht zu spät losgehen. Ich hatte wirklich Mühe mit den Gedanken nicht woanders zu sein. Doch immer wenn ich mal fünf Minuten hatte, in denen ich kurz tief durchatmen konnte, musste ich daran denken. Nicht an die bestehende Gefahr von diesem fanatischen Killer erwischt zu werden, sondern an Erik. Hatte dabei das Gefühl, dass ich mich im Kreis drehte und diesen einfach nicht durchbrechen konnte. Eriks Vergangenheit ließ mich einfach nicht los. Es waren immer die gleichen Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten. Und mich natürlich umso mehr aufwühlten. Ach, verdammt. Warum jetzt? Wo ein gestörter Killer Jagd auf alle macht, die gegen die heiligen Zehn Gebote verstoßen? Wieso kann ich mir nicht Gedanken darüber machen, wenn wir das alles hinter uns haben? „Hey, träumst du? Die Bestellung von Tisch fünf ist fertig!“, blaffte mich mein Chef an und riss mich aus meinen Grübeleien. Schnell machte ich, dass ich die Bestellungen an den besagten Tisch brachte und nahm sogleich die nächste an. Konzentierte mich darauf alles sorgfältig auf zu schreiben, wobei ich deutlich die Blicke der Leute vor und hinter mir zu spüren glaubte. Kurz schaute ich von meinem Block auf und stellte fest, dass mich einige der Gäste hier mit einem lauernden Blick anschaute. Ich bekam sofort einen Kloß im Hals. Und musste mich daran erinnern, was Fay gesagt hatte. „Wenn ich mich nicht irre und Agatha richtig einschätze, wird sie sicher gleich dem nächstbesten davon erzählen, der in den Laden kommt!“ Das musste schneller gegangen sein als Fay es für möglich gehalten hatte. Aber was anderes war ja auch nicht zu erwarten. Aldbury war schließlich ein Dorf. Hier kannte jeder jeden. Dennoch fühlte es sich an, als würden sie mich mit ihren Blicken durchbohren wollen und ich konnte mir vorstellen, was ihnen durch den Kopf ging. Oh man. Das konnte ja heiter werden. Noch nie habe ich mich so sehr auf den Feierabend gefreut, wie jetzt. Fay wartete bereits auf mich und als ich und sie die Gaststätte hinter mir ließen, atmete ich erleichtert auf. „Ein harter Tag, wie?“, fragte Fay, worauf ich ihr einen finsteren Blick zu warf. „Hast du eine Ahnung!“, murrte ich. „Deine Vermutung hat sich übrigens bestätigt. Fast jeder scheint hier über unsere...Beziehung bescheid zu wissen!“ „Oh, wirklich! Das ging ja schnell!“, sagte Fay. Ich gab nur ein Knurren von mir. Fay sah mich von der Seite an und seufzte. Sie schien zu wissen, woher meine miese Laune kam. „Ich gebe es zu. Das war nicht gerade die schlauste Idee!“, räumte Fay ein. „Das wir lesbisch sind und du angeblich eine Ehe hast platzen lassen…selbst ein Idiot sieht doch, das daran was faul ist!“, murmelte ich. „Unterschätze niemals konservative Menschen. Denen ist das egal ob das nach Falle riecht oder nicht. Für sie zählt nur, dass das nicht in ihr Weltbild passt!“, sagte Fay. „Außerdem hassen sie alles, was sie nicht verstehen. Oder verstehen wollen!“, fügte sie hinzu und ich meinte so etwas wie bittere Ernücherung darin zu hören. Ich biss mir auf die Unterlippe. Vermutlich hatte sie sowas schon öfters erlebt. Schweigend liefen wir weiter. Dabei ließ ich immer wieder den Blick umher wandern. Es war zu einer Angewohnheit geworden, seit ich…seit ich Monster jagte. Oder viel mehr seit sie mich jagten. Ich rechnete damit hinter einem Baum oder hinter einem dunklen Fenster eine Gestalt zu sehen, die uns belauerte. Vielleicht der Killer? Oder einer der Bewohner, in deren Augen wir nun die Ausgeburt der Hölle sind? Fay merkte natürlich, was mir gerade durch den Kopf ging und lächelte. Sie legte den Arm um meine Schulter. „Hey, no Panik. So schnell geht das auch nicht!“ Ich stand vor dem Bett und sah es an, als wäre es eine tödliche Falle. Dabei schrie mein Körper danach, sich rein zu legen und die Augen zu zu machen. Aber wie in der letzte Nacht hatte ich auch jetzt Angst, ein zu schlafen. Ich wollte nicht wieder mit diesem Ungeheuer konfrontiert werden. Fay merkte natürlich, wie sehr ich mit mir kämpfte. „Hier, nimm das!“, sagte sie nach einer Weile dann und reichte mir einkleines Säckchen, das einen würzigen Duft ausströmte. Ich erkannte ihn. „Lavendel?“ Verwirrt schaute ich sie an. „Hilft einen besser schlafen zu können!“ Ich musste schwach Lächeln und wog das Säckchen in meiner Hand. Auch wenn es nett von ihr war, bezweifelte ich, dass es mir helfen würde. Dennoch wollte ich nicht undankbar sein. Und die Aussicht, eindlich mal wieder richtig schlafen zu können, mit welchen Mitteln auch imme, war durch aus verlockend. „Danke, Fay!“ Zu Anfang war es noch ein wenig schwer, Schlaf zu finden, aber als ich einige tiefe Atemzüge genommen und den Duft des Lavendel eingeatmet hatte, merkte ich, wie ich immer träger und auch entspannter wurde, bis ich dann doch einschlief. Und zu meiner Erleichterung, hatte ich auch keine Alpträume. Ich rollte mich gerade auf die andere Seite und wollte mich tiefer in meine Decke einkuscheln als mich ein Geräusch aufweckte. Platsch! Platsch! Platsch! Ich öffnete die Augen und schaute auf. Was war das? Platsch…Platsch…Platsch… War irgenwo was undicht und tropfte nun rein? Ach Qutasch. Es hatte in der ganzen Zeit, in der wir hier waren nie geregnet. Unwahrscheinlich, dass es hier rein regnete. Aber was war es dann. Ich schlug die Decke beiseite und verließ das Schlafzimmer. Lauschte. Da! Da war es wieder und als ich genauer hinhörte, merkte ich, dass es nicht nach Wasser klang, das irgendwo aufplatschte. Sondern irgendwie dumpf. Als würde jemand Schlammbrocken auf etwas werfen. Platsch…Platsch… Es kam von der Eingangstür. Keine Ahnung wie ich das hören konnte, aber ich hörte es einfach und ging zur Eingangstür. Mit einem Schwung riss ich sie auf. Aber nichts und niemand waren da. Gerade wollte ich die Tür wieder schließen, als mein Blick auf das Holz dieser fiel und ich kurz glaubte, meine Augen würden mir einen Streich spielen. Nach einigem Blinzeln aber sah ich, dass ich richtig sah und wusste nicht ob ich lachen oder fluchen sollte. Die Tür war über und über mit Eiern beworfen worden. Das war also das Geräusch gewesen. Jemand hatte sich einen Spass daraus gemacht und unsere Tür neudekoriert. Zäh lief der Eidotter an der Tür hinunter, während die Schalen noch an dem Holz kleben blieben. Lauernd und suchend schaute ich mich um. Vielleicht hatte sich der Übeltäter irgendwo versteckt und fruete sich diebisch, dass man sein Werk entdeckt hatte. Aber nichts… Ich blieb noch lange so stehen und mein Blick wechselte von der beschmierten Tür hin zu den Gebüschen, hinter denen man sich bestimmt prima verstecken konnte. „Hey, wieso lässt du die Tür offen stehen? So stickig ist es hier drinnen doch nicht!“, hörte ich Fay rufen und einige Minuten später neben mich treten. Als sie es dann auch sah, gab sie nur ein trockenes „OH!“, von sich. Mit finsterer Miene, einem Putzeimer und einem Lappen, schrubbte ich die Sauerei von der Tür. Immer wenn ich das Tuch in das Putzeimer tauchte und den Lappen ausrang, stellte ich mir vor, wie ich diesem Spaßvogel die Gurgel umdrehte. Ich bin bei Gott kein aggressiver Mensch, aber bei sowas sehe ich rot. Ich zweifelte nicht daran, dass das mit unserer kleinen Romanze zutun hatte. Jemand hier ging es deutlich mehr als gegen den Strich, dass sich hier ein lesbisches Paar niedergelassen hat. Fay hatte dazu nichts weiter gesagt. Nur dass es allmählich losgeht. Und dass selbst sie nicht erwartet hätte, dass das so schnell um sich greift. Für sie war zwar schon klar gewesen, dass wir nun in ein bestimmtes Licht gerückt werden, aber nicht dass die Anfeindungen so schnell, Schlag auf Schlag kommen. Zuerst wollte sie die Schmierei beseitigen, doch ich sagte, dass ich das machen würde. Ich hatte eine stinkwut im Bauch und die wollte ich beim Putzen auslassen. Auch wenn ich nur zu gern denjenigen in die Finger bekommen hätte, der das hinterlassen hat. Es ist doch immer wieder erstaunlich wie rückständig und primitiv manche Menschen sind. Fast schon könnte man Mitleid mit Ihnen haben, weil sie nie über den Tellerrand hinaus schauen konnten. Aber nur fast. Meine Wut war dafür zu groß. „Schade um die Eier!“, murmelte ich vor mich hin. „Was ist denn hier passiert?“, fragte plötzlich eine Stimme und ich hielt inne. Schaute dann auf und sah Pfarrer Remington vor mir stehen. Er betrachtete die verschmierte Tür mit gehobenen Brauen. Ich richtete mich auf und wischte mir die Hände an der Jeans ab. „Jemand hielt es für komisch unserer Tür einen neuen Anstrich zu verpassen!“, murrte ich. „Oh!“, gab Remington nur von sich. „Haben Sie gesehen, wer es war?“ Ich schüttelte den Kopf. „Wenn, dann glauben Sie mir, hätten wir ihm schon diesen Blödsinn aus getrieben!“, kam es drohend von mir. „Zumindest ich!“ Ich spürte deutlich den Blick, den mir der Pfarrer zu warf. Aber ich störte mich daran nicht. Wieso sollte ich mich auch verstellen und die Naive, die Überraschte spielen? „Hatten Sie schon mal sowas erlebt?“, fragte er mich dann nach einer Weile und ich hielt inne, bevor ich weitermachte. In mir klingelte es und ich hatte einen wahnwitzigen Einfall. Ich seufzte schwer. „Ja, leider!“ Nach einer wohlbedachten Pause, sagte ich dann: „ Offensichtlich gibt es immer noch Menschen auf der Welt, die in im Mittelalter stecken geblieben sind und glauben, dass es sich hierbei um eine Krankheit handelt!“ Die Brauen des Pfarrers wanderten noch höher und ich konnte deutlich hören, wie es in seinem Kopf arbeitete. Ich musste fast grinsen, riss mich aber zusammen. „Wie…Wie meinen Sie das?“, fragte Pfarrer Remington. „Naja…!“, druckste ich und tat so als sei es mir irgendwie unangenehm. Dann aber holte ich tief Luft und sagte: „ Ich und…wir sind ein Paar!“ Für einen kurzen Moment entweichen Pfarrers Remington sämtliche Gesichtszüge. Verwirrung lag deutlich darin, aber dann begriff er und ihm klappte der Mund auf. Ich machte ein etwas verlegenes Gesicht. „Ich hoffe, ich habe damit nicht Ihr Weltbild ruiniert!“ „Nein…nein. Alles in Ordnung. Ich…!“ Er räusperte sich. „Ich hätte es nur nich gedacht, dass Sie…!“ „Sie sehen nicht so aus!“ Nun fühlte ich mich ehrlich beleidigt. Wie sehen denn Lesben für ihn aus? Mannsweiber mit Nasenpiercing und tattowiert bis zum geht nicht mehr? Der Pfarrer musste gemerkt haben, was mir gerade durch den Kopf ging. Denn er hob die Hände und sagte hastig: „Ich wollte Sie nicht beleidigen…!“ Ich winkte ab. Tat so, als würde mich das nicht weiter jucken. „Machen Sie sich nichts draus. Jeder, der davon erfährt reagierte so!“ Nach einem kurzen Blick zur Tür, seufzte ich. Ich schüttelte gespielt enttäuscht den Kopf und zwang mich zu einem Lächeln. „Darf ich Sie zu einer Tasse einladen?“ Pfarrer Remington zögerte kurz. Dann aber nickte er. Vermutlich wollte er nicht unhöflich sein. Ich brühte uns einen Pfefferminztee auf und goss ihn in zwei Tassen ein. Wortlos reichte ich eine Remington und setzte mich ihm gegenüber. Danach trat unangenehmes Schweigen ein und ich bereute nun, dass ich so gastfreundlich war und ihn einlud. Zumal es nicht sicher war, wem wir trauen konnten. Jeder könnte der Killer sein. Selbst… Mein Blick ging verstohlen zu Remington, der gedankenverloren in seinem Tee rührte. „Ach, Quatsch. Du spinnst doch!“, sagte ich zu mir selbst. „Ein Mann Gottes würde niemals morden!“ Dabei hatte ich aufeinmal einen faden Geschmack auf der Zunge. Und musste mich an den Geschichtsunterricht erinnern. Wie war das mit dem finsteren Mittelalter und der Hexenverfolgung? Ich schauderte und versuchte nicht weiter daran zu denken. Versuchte vielmehr mir ein zureden, dass die Zeiten sich geändert haben und dass ein Pfarrer in keinem Dorf zu sowas fähig wäre. Und sei dieses Dorf und dessen Bewohnter noch so konservativ und beschränkt. Ich schaute Remington über den Rand meiner Tasse an. Hm. Er wirkte auf mich so als würde er nicht wirklich hierher passen. Völlig fehl am Platz. Zugegeben. Er sah gut aus und hätte sicher auch gute Chancen auf einen Job in der Stadt gehabt. Vielleicht als Banker. Oder Direktor. Dass er hier in diesem Kaff lebt und den Leuten die Beichte abnahm, schien nicht richtig zu ihm zu passen. Ich stellte mir vor, wie er jeden Tag im Beichtstuhl saß und sich die kleinen oder großen Sünden seiner Mitmenschen anhörte und dabei kein eigenes Urteil haben durfte. Auch ich habe mir die Sorgen und Nöte anderer angehört. Aber da waren es auch Freunde gewesen, die mir ihr Herz auschütteten. Zumindest bis zu dem Punkt, wo ich mich distanzierte. Aber auch das hatte sich wieder geändert, als ich Marie, Lucy und Gweny getroffen hatte. Dennoch war das kein Vergleich. Freunde waren was anderes als irgendwelche Menschen, die ich grad mal am Morgen in der Kirche sehe und von denen erwartet wird, dass man ihnen hilft. Ohne sie wirklich zu kennen. Und dabei auf alles zu verzischten. Auf ein Leben, dass andere führen durften. Fast hatte ich Mitleid mit ihm. Sagte mir aber dann, dass er sich diesen Beruf ausgesucht hatte und es mich nichts anging. Fragte mich aber, was jemanden hierher verschlug und zu solch einer Arbeit gebracht hatte. War das vielleicht sein Herzenswunsch? Gehörte er zu der Sorte Menschen, die die Welt ein bisschen besser machen wollten? Eine aussterbende Art, wie ich finde. Da man in den Nachrichten meistens nur von schlimmen Dingen hörte. Die meisten von Menschen verursacht. Oder hatte man ihn dazu gedrängt? „Stimmt was nicht?“, fragte Remington und holte mich so aus meinen Gedanken. Ich schreckte etwas zusammen und merkte sogleich, wie meine Wangen brannten. Oh Shit! Hatte er bemerkt, wie ich ihn angestarrt habe? Schnell senkte ich den Blick. „Nein. Alles in Ordnung!“, sagte ich. Konnte aber dennoch nicht aufhören darüber nach zudenken und irgendwann musste ich ihm diese Frage stellen. „Was hat Sie eigentlich hierher verschlagen?“ Remington schaute auf und wusste wohl nicht was ich mit dieser Frage meinte. Dann aber begriff er und lächelte. „Meine Bestimmung!“ Ich musste fast schon lachen. Echt jetzt? Das nannte er Bestimmung? „Bestimmung?“, wiederholte ich und hob die Brauen. Remington lachte kurz. „Ich weiss, wie sich das in Ihren Ohren anhört, aber es ist so!“, erklärte er. „Ich wusste ganz genau, was ich aus meinem Leben machen wollte. Anderen Menschen helfen und sich um ihre Nöte zu kümmern, ist das, was ich für das Richtige hielt!“ „Und dafür mussten Sie gleich Pfarrer werden? Was ist mit Arzt oder Anwalt?“ Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Was dachte ich mir nur dabei? Wenn dieser Mann dieses Leben führen will dann bitte. Aber es wollte mir einfach nicht in den Kopf. Wer würde freiwillig ein Leben in Enthaltsamkeit führen wollen? Remington schien sich über meine Frage nicht sonderlich zu ärgern, denn er lächelte nur mild. „Das wäre auch eine Möglichkeit. Aber für mich schien es nicht das richtige zu sein. Es stimmte passte zu mir einfach nicht. Und außerdem…!“, sagte er und senkte dann die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Kann ich kein Blut sehen!“ Da musste ich etwas grinsen. „Was ist mit Ihnen? Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?“, fragte er mich dann und ich hörte deutlich in meinem Kopf etwas schrillen. Ein klares Zeichen dafür, dass ich nun höllisch aufpassen musste. Ich hob die Schultern. „Im Moment möchte ich erstmal hier wieder etwas zur Ruhe kommen!“ Ich schaute auf die Tischplatte und betrachtete die Astlöcher. Konnte aber deutlich spüren, wie Remington mich anschaute. Mich förmlich durchleuchtete. Und das gefiel mir nicht. In dem Moment, als habe sie meine Gedanken gehört, kam Fay rein. Beladen mit Tüten voller Lebensmittel. Als sie unseren „Gast“ sah, machte sie große Augen. „Oh!“, gab sie von sich. Lächelte dann. „Ich wusste nicht, dass Sie uns besuchen, Pfarrer!“ „Es war ein rein spontaner Besuch!“, flunkerte ich. Vor einem Pfarrer lügen? Ganz schlechte Idee, Allison! Fay sah kurz mich an, dann wieder zum Pfarrer. „Bleiben Sie zum Essen?“ „Bedaure, aber ich habe noch einiges zu tun!“, sagte Remington und stand auf. Wirkte dabei ein wenig verlegen. „Vielleicht beim nächsten Mal!“ „Über was habt Ihr denn so gesprochen?“, fragte Fay, während sie den Salat durchmischte. „Ach, über dies und das!“ Ich hatte nicht weiter versucht über mein kleines Schwätzchen mit den Pfarrer nach zu denken. Da es mir nun ziemlich komisch vorkam. Er hatte so überzeugt von seiner „Bestimmung“ gesprochen, dass ich mich irgendwie ein wenig unwohl gefühlt habe. Seinen Beruf zu leben schön und gut, aber… Etwas hatte mich doch daran gestört. Oder leide ich schon an Paranoia und sah Geister, wo keine waren? „Alles okay?“ fragte mich Fay und holte mich aus meinen Gedanken. „Ähm…ja!“, gab ich schwach von mir. Fay sah mich von der Seite an und ich konnte förmlich ihre Gedanken hören. Sie lügt! Nichts ist in Ordnung! „Ich habe ihn gefragt, warum er sich gerade dieses Kaff ausgesucht hat!“, gestand ich dann doch. Weil ich dieses Schweigen, welches zwischen uns lag, nicht mehr aushalten konnte. Fay ließ diese Erklärung auf sich wirken, nickte dann. „Und? Was sagte er?“ „Das er sich dazu bestimmt gefühlt hat. Also als Pfarrer hierher zu kommen!“ Fays Mund verzog sich zu einem dünnen Grinsen. „Das es sowas noch gibt!“ „Ziemlich albern, oder?“ „Albern schon. Aber nichts Ungewöhnliches. Jeder versucht eine Bestimmung zu finden!“ „Du etwa auch?“, neckte ich sie. „Klar. Nur habe ich meine schon längst gefunden!“, erwiderte sie. „Bösen Monstern in den Arsch zu treten!“ Daraufhin mussten wir lachen. Und es tat gut. Auch wenn es nur kurz war. Aber es tat gut mal wieder zu lachen. Ich lag noch lange wach im Bett, während Fay friedlich neben mir lag und im Traumland wanderte. Es war jedoch nicht die Angst vor einem neuen Alptraum, die mich wachhielt. Sondern etwas anderes. Immer wieder geisterte mir ein Wort durch den Kopf und machte mich nachdenklich. Bestimmung! Zuerst habe ich darüber nur gelächelt, weil ich nicht so richtig daran glaubte. Aber nun fing ich doch an, mir darüber Gedanken zu machen. Was war meine Bestimmung? Etwa auch gegen diese Monster zu kämpfen? Für den Rest meines Lebens? In meinem Inneren wurde alles zu Stein und ich musste schlucken, weil sich in meinem Hals ein fetter, schleimiger Kloß bildete und es mir schwer machte, zu atmen. Auch wenn ich es immer schrecklich gefunden hatte, dass ich nichts gegen die Geschehenisse unternehmen konnte, die ich vorher sah und die dann wahr wurden, so fürchtete ich mich jetzt davor, dass das mein Leben sein würde. Wie als wollte etwas diese Angst schüren, tauchten all jene auf, die ihr Leben verloren hatten, weil sie mich kannten. Marie…Lucy… Und auch Gewny wäre beinahe drauf gegangen, wenn wir sie nicht rechtzeitig gerettet hätten. Das aber konnte mich nicht wirklich trösten. Das war nur eine Ausnahme gewesen. Das fühlte ich und ich fragte mich dabei, wieviele noch sterben würden und ob ich das überhaupt verhindern konnte. Wir kämpften immerhin gegen Monster, nicht gegen Menschen, die verwundbar waren und vielleicht Fehler machten. Ich verlor mich derart in diesen Gedanken, dass ich es irgendwann nicht mehr aushielt und aus dem Bett kletterte. Ich wickelte mich dann in die Tagesdecke und ging hinaus in die Nacht, um ein wenig Luft zu schnappen. Setzte mich auf die Bank und lehnte mich zurück. Schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. „Kannst du nicht schlafen?“ Ich machte einen Satz zur Seite als ich Eriks Stimme hörte und wünschte ihm zugleich irgendwas Schlimmes an den Hals. Wieso musste er mich denn immer so erschrecken? Dementsprechend sah ich ihn an. Er hielt sich ein wenig abseits von mir. Genauer gesagt im Schatten, der am Rande der Beleuchtung der Veranda war und mich von diesem aus anschaute. Sofort musste ich an den Traum denken, in dem ich diesem Monsterwolf gegenüberstand und der mich verschlang. Ich zog die Decke fester an mich, als könnte ich mich so schützen und rutschte etwas von ihm weg. Erik sah natürlich, dass ich mich nicht geradfe wohl fühlte. „Hattest du wieder einen Alptraum?“ Meine Augen wurden groß und ich sog scharf die Luft ein. Mein Herz stockte, nur um dann schneller als gut war zu schlagen. Mir wurde heiß und kelt zugleich. Deutlich ein Zeichen von Panik. Woher wusste er das? Hatte er etwa meine Gedanken gelesen? Ich schütelte langsam den Kopf. War nicht in der Lage ein Pokerface auf zu setzen und so sah er deutlich, wie sehr seine Frage mich aus der Bahn geworfen hatte. „Was ist es dann?“ Ich konnte nicht sofort antworten. Nur langsam drang seine nächste Frage in meinen Verstand und ich brauchte noch weitere Minuten, ehe ich antworten konnte. „Ich…ich frage mich, ob das nun mein…Ob das von nun an immer so sein wird?“ Erik legte den Kopf schien. Das konnte ich trotz der Dunkelheit, die ihn umgab, erkennen. Und ich schauderte ein wenig. Er schien förmlich mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Als sei er ein Teil von ihr. Fast schon wollte ich ihn bitten, etwas näher ins Licht zu kommen. Erinnerte mich aber dann wieder daran, dass er sich womöglich auflösen würde, sobald er in den Schein der Lampe trat. Ich zwang mich dazu, ihn nicht mehr an zu sehen, sondern fixierte einen Punkt irgendwo vor mir. Wenn ich nicht weiterhin in diese Dunkelheit schaue, werde ich vielleicht etwas ruhiger. Aber das klappte nicht. Denn nun fühlte ich deutlich seine Blicke auf mir und ich fror. Da half nicht mal die Decke. Denn die Kälte kam aus meinem Inneren. „Dass ich immer wieder gegen diese…diese Monster kämpfen muss!“ Darauf sagte Erik erstmal nichts und sein Schweigen machte mich noch nervöser. Flüchtig schaute ich zu ihm, ohne den Kopf zu bewegen. Konnte seine Umrisse sehen. Es schien ewig zu dauern, ehe er etwas sagte. „Du musst nicht, wenn du nicht willst!“ Daraufhin drehte ich nun den Kopf und sah ihn wieder an. Diesesmal erstaunt. Ich muss nicht, wenn ich nicht will? Warum dann mache ich das alles? Wieso erlebe ich diesen Horror und muss mit ansehen, wie andere zu Schaden kamen? Diese Fragen jagten immer wieder durch meinen Kopf und machten mich wütend. Ich sprang auf und stapfte auf ihn zu. Herausfordernd und wütend funkelte ich ihn an. „Warum? Warum dann mache ich dass alles? Wenn ich nicht muss?“ Erik sah mich nur an. Und meine Wut wurde größer. Wo ich vorher noch nervös war und mich fürchtete, war ich nun so frustriert und sauer, dass ich ihn am liebsten am Kragen gepackt und ihn geschüttelte hätte. Stattdessen sah ich ihn nur an und wartete auf eine Antwort. Grrr…. Erik sah mich an und schien zu überlegen. Lange zu überlegen. Viel zu lange für meinen Geschmack und ich merkte nun wie ich wieder unruhig werde. „Sag doch endlich was!“, drängte ich ihn in Gedanken. Doch statt etwas zu sagen, lächelte er nur. Und es war ein trauriges Lächeln. Es kam einer Orgfeige gleich und ich wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte. Meine Knie wurden weich und meine Wut, meine Frustration und sogar meine Unruhe lösten sich auf. Zurück blieb das hohle Gefühl von Verwirrung. Was zum Teufel sollte das? Wieso lächelte er? Wusste er etwas selbst nicht, was er darauf antworten sollte? Das machte mich nun noch mehr nervöser und ich wollte ihn schon wirklich packen und schütteln. Doch da beugte er sich vor, streckte die Hand nach mir aus und berührte meine Wange. Es war nur eine flüchtigte Berührung, aber sie reichte aus meine Knie weich werden zu lassen. „Niemand zwingt dich dazu. Es ist deine Entscheidung. Aber eins musst du dir klar sein: Du wirst immer im Visier der Schattenwelt sein. Es werden immer irgendwelche Monster hinter der her sein!“, sagte er und fast wollte ich aufschreien. Ihn anschreien. Niemand zwingt mich? Was habe ich dann für eine Wahl, wenn, wie er sagte, Monster hinter mehr her sein werden? Habe ich überhaupt eine Wahl? Wie sieht diese aus? Was für eine Alternative bleibt mir, wenn ich nicht weiterhin gegen Monster kämpfe? Soll ich mich in einem Loch verkrieschen? Ewig auf der Flucht sein? Was soll das für ein Leben sein? Und da wurde es mir klar. Erik hatte Recht. Ich hatte eine Wahl. Entweder ich lebe um zu sterben. Oder ich kämpfe um zu leben. Und früher oder später musste ich mich entscheiden. Ich stand am Thresen und wartete bis mein Chef die fünf Krüge mit Bier gefüllt hatte. Lud sie dann auf mein Tablett und balancierte sie durch den Schankraum. Dabei versuchte ich die bohrenden und forschen Blicke zu ignorieren, die mir die Gäste zu warfen. Dabei meinte ich sogar sie hinter meinem Rücken tuscheln zu hören. „Was für eine Verschwendung!“ „Eine Lesbe! Wieso muss sie eine Lesbe sein?“ „Bin sicher, dass man sie umpolen kann!“ Mir wurde schlecht und ich schaltete sofort auf Durchzug. Jackie sah mich ebenso befremdet an, als ich zusammen mit ihr in die Küche ging um die leeren Teller zurück zu bringen. Ich versuchte mich dumm zu stellen und mir nichts anmerken zu lassen. Was natürlich alles andere als einfach war. „Hab ich was im Gesicht, oder schaust du mich so an?“, fragte ich sie irgendwann und klang dabei ziemlich ruppig. Da es mir auch irgendwie auf den Geist ging. „Nein!“, sagte Jackie bloß und machte, dass sie aus der Küche kam. Weg von mir als ob ich eine Krankheit hätte. Wut stieg sogleich in mir hoch und ich musste mich beruhigen. „Es ist nur ein Job…Nur eine Tarnung!“, ermahnte ich mich. Dennoch kratzte es ehrheblich an meinem Ego, dass ich nun behandelt wurde, wie eine Geistesgestörte. Blöde, verbohrte Spießer. Wer uns die Eier an die Tür geworfen hatte, haben wir natürlich nicht raus bekommen. Da schwiegen sich alle aus. Was mich noch frustrierter machte. Umso froher war ich als meine Schicht endlich vorbei war. Wie immer wartete Fay auf mich. Und sie wollte mich mit einem Lächeln grüßen. Doch das verging ihr schnell, als sie meine finstere Miene sah. „Ohje…du hattest keinen angenehmen Tag oder?“ „Schlecht wäre noch untertrieben!“, murrte ich und erzählte ihr was ich so alles erlebt hatte. Fay sagte nichts dazu. Dazu gab es auch nichts zu sagen. Denn wir beide wussten, was hier los war. Allmählich wurde das zu einer wahren Hexenjagd. „Hat sich eigentlich Lex nochmal gemeldet? Hat er was rausgefunden?“, fragte ich weil ich das Schweigen, welches zwischen uns lag. Fay schüttelte den Kopf. Und meine Laune sank tiefer in den Keller. Auf einmal hatte ich den Wunsch, mich in die Wanne zu legen und ein langes ausgibiges Bad zu nehmen. Kaum dass ich in der Wanne lag, schloss ich die Augen und versuchte das Gefühlschaos, welches in mir tobte zu ordnen. Aber immer wieder sah ich wie die Gäste mich anstarrten und hinter meinem Rücken tuschelten. Eigentlich sollte mich das nicht sonderlich kümmern. Das war nur ein Job. Wie jeder andere auch. Also warum machte mich das so fertig? Lag es vielmehr daran, dass ich mich die Leute nun meiden würden. Mich behandelten wie eine Aussetzige. Wie ein Freak? Dunkle Erinnerungen aus meiner Kindheit kamen in mir hoch und ließen mich frieren. Trotz des warmen Wassers. Ich sank tiefer in das Wasser und wollte nicht weiter daran denken. Irgendwann hielt ich es aber dann nicht mehr aus und stieg aus der Wanne. Fay wartete unten im Wohnzimmer auf mich. Sie saß auf der Couch, vor ihr auf dem kleinen Tisch eine Schüssel mit PopCorn. Als sie mich sah, grinste sie. Ich hob die Brauen. „Was ist? Hab ich was verpasst?“ Ich fühlte mich müde und wollte nur noch ins Bett. „Nö, aber ich dachte ein netter Filmabend schadet nicht!“, sagte sie und wedelte mit einer DVD durch die Luft. Ich hob nur die Brauen. Wie kam sie denn daran auf? Ich trat zu ihr und schaute mir die DVD genauer an. Als ich jedoch den Titel las, dachte ich, sie verarscht mich. „Das Bikini Bitch Battle Massaker?“ Fay grinste nur breit. Ich hingegen war nicht gerade begeistert. Schon der Titel des Films verriet mir, dass es sich hierbei um einen Trashfilm handelte, wenig Wert auf Qualität legte. Geschweige denn auf eine gute Story. Darauf hatte ich defintiv keine Lust. Ohne auf irgendwelche Einwände zu warten, las Fay die Inhaltsangabe durch. „Es sollte ein Sommer voller Spass (und vorallem wildem Dauerrammeln werden). Aber es kommt anders. Candy und Sandy, zwei heiße Blondinnen und beste Freundinnen, wollen den Titel der Beauty Bikini Queen einheimsen und dabei ist Ihnen jedes Mittel Recht. Als am Ende keine der beiden diesen erhellt, sondern ihre ergste Konkurrentin Clarissa, schwören sie blutige Rache und begehen einen großen Fehler. Ohne zu ahnen, was sie da anrichten, beschwören sie einen alten Dämon herauf, der jeden abschlachtet, der schuld an ihrem Scheitern ist!“ Ich verzog das Gesicht. „Ach komm schon! Das wird sicher lustig!“, ermutigte mich Fay und legte die DVD ein. Ich zögerte und wollte mich schon umdrehen und die Treppe hochgehen. Hielt aber dann inne. Vielleicht ist es genau das, was ich brauchte um mich ab zu lenken. Warum nicht. Besser als im Bett zu liegen und sich den Kopf darüber zu zerbrechen. So setzte mich mit zu ihr auf die Couch und schnappte mir eine handvoll Pop Corn. Der Film war genauso wie ich gedacht hatte. Einfach nur billig und hirnrissig. Die beiden Hauptdarstellerinnen hätten genauso gut in einem Porno spielen können. Da hätten sie sicher mehr Chancen auf eine Karriere gehabt. Der Film hob zwar meine Laune nicht sonderlich, aber es lenkte mich zumindest ein wenig ab. Naja wenn man sich über die billige Produktion wundern und den Kopf schütteln, ablenken nennen kann. Als es endlich zuende war, streckte ich mich. „Was für ein Schund!“, bemerkte ich. Fay hob die Schultern. „Aber immerhin besser als hier rum zu sitzen und sich über diese Trottel da zu ärgern!“ Da hatte sie Recht. Aber jetzt wo der Film zuende war, kamen diese Gedanken wieder. „Meinst du, du kannst heute Nacht schlafen?“, fragte mich Fay dann und sah mich besorgt an. Ich war mir da selbst nicht so sicher. Zwar hatte ich die letzten paar Nächte eingiermassen gut geschlafen, ohne irgendwelche Altpräume, aber dennoch hatte ich Angst. Fay las wohl meine Gedanken. Denn sie ging in die Küche und kochte mir einen Tee. „Hier, das wird helfen!“ Sie reichte ihn mir und ich nippte vorsichtig daran. Ich schmeckte Kamille und Lavandel. Eine komische Mischung, aber wenn es half, dass ich ruhig schlief, warum nicht. So leerte ich nach und nach die Tasse und merkte nach wenigen Minuten auch schon, wie ich ruhiger, schläfriger wurde. Es war jedoch nicht die Art von schläfrigkeit, die ich zuvor verspürt hatte. Nicht diese Art, in der Mann einfach nur die Decke über den Kopf ziehen und nichts hören und nichts sehen will. Sondern eine angenehme Variante, in der man sich wohlfühlt und am liebsten an Ort und Stelle schlafen möchte. Ich schaffte es gerade noch mich hoch ins gemeinsame Schlafzimmer zu schleppen und mich umständlich aus meinen Klamotten zu schälen. Dann lag ich auch schon in den Federn. Und mir fielen sogleich die Augen zu. Als ich sie wieder aufmachte, fand ich mich in einem nächtlichen Wald wieder. Ich fror entsetzlich, da ich nur in meinem Nachthemd da stand. Zumal fragte ich mich auch, wie ich hierher gekommen war. Bin ich schlafgewandelt? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich das jemals gemacht hatte. Wie, also war ich hieher gekommen? Ich sah mich um. Doch außer Bäumen und Büschen sah ich nichts. Nebelschwaden waberten um mich herum und unter meinen Füßen fühlte ich kalte Erde und Moos. Sofort fing meine Nase an zu jucken und musste ein Niesen unterdrücken. Mist, wenn ich hier noch länger bleibe, hole ich mir noch ne dicke Erkältung. Doch diese Befürchtung wurde schnell von einer anderen abgelöst. Nein. Nicht schon wieder. Ich war wieder in einer Vision. Ich fragte mich sofort, was mich hier erwarten würde. Wieder der Wolf? Wieder dieses Ungeheuer, dass mich in Stücke reißen wollte? Der Gedanke einer weiteren Begegnung mit ihm machte mich starr vor Angst. Lähmte mich. Machte es mir unmöglich mich zu rühren oder gar einen klaren Gedanken zu fassen. Wieso nur? Wieso passierte das? Ein Rascheln ließ mich hochschrecken und trieb meinen Puls bis zum äußersten. In meinen Ohren hörte ich deutlich das Wummern meines Herzens und glaubte keine Luft zu bekommen. Ich schaute in die Richtung, aus der das Rascheln kam und zwang meine Augen dazu, die Dunkelheit, die da vor mir herrschte zu durchdringen. Mit dem Ergebnis, dass es vor meinen Augen zu flimmern begann. Ich presste sie zusammen und rieb sie um das Brennen dahinter los zu werden. Als ich sie wieder öffnete, stand er mir. Groß und bedrohlich. Ein Berg aus Muskeln und Fell. Glühende Augen starrten zu mir herüber. Und ich meinte ein tiefes kehliges Knurren zu hören. Obwohl alles in mir danach schrie, mich um zu drehen und das weite zu suchen, blieb ich wo ich war. Auf keinen Fall dieses Ungetüm aus den Augen lassen. Langsam setzte ich einen Fuss nach dem anderen nach hinten, sodass ich genug Abstand zwischen mir und diesem Ungeheuer brachte. Doch dieses schien genau zu wissen, was ich vorhatte. So senkte es den Kopf und ließ ein deutliches drohendes Knurren hören. Ich blieb stehen. Und musste wieder dagegen ankämpfen los zu rennen. „Was willst du von mir?“, brüllte ich erstickt und war erschrocken und auch wütend über mich selbst, dass ich dabei so erbärmlich klang. In den Augen des Monsters blitzte es kurz und ich meinte ein Lachen zu hören. Es zog alles in mir zusammen und ich schlang die Arme um mich. Langsam setzte sich der Wolf in Bewegung und kam auf mich zu. Schlich um mich herum als würde er nur den passenden Moment abwarten, um mich an zu fallen. Soleicht wollte ich es ihm nicht machen und folgte seinen Bewegungen. Wir umkreisten uns wie Gegner. Wobei ich mir keine allzu großen Chancen ausrechnete. Da dieses Vieh mich locker überragte und Zähne und Klauen hatte. Das einzige, was ich hatte war mein Nachthemd. Als mein Blick allerdings mein Handgelenk streifte, stockte mir der Atem. Der Armreif! Er erschien mir in diesem Moment wie die Rettung. Ich konzentierte mich sogleich darauf eine Waffe aus diesem herbei zu rufen. Das musste dieses Monster gemerkt haben, denn sofort bleckte es die Zähne und knurrte nun so laut, dass ich es hören konnte und dass ich glaubte, dass die Erde erzitterte. Ich erstarrte und blickte zu dem Tier, das die Muskeln anspannte und sich auf mich werfen wollte. Doch ehe es noch einen weiteren Schritt auf mich zu machen konnte, stellte sich ein zweiter Wolf vor mich. Ebenso pechschwarz und nicht minder groß. Dem ersten schien es offentsichtlich nicht zu gefallen, dass sich ein zweiter einmischte, denn er senkte den Kopf und fixierte den anderen über den Nasenrücken. Der anderer schien sich nicht davon einschüchtern zu lassen. Dennoch spürte ich deutlich, dass er auch sich anspannte. „Lass sie zu frieden!“, hörte ich es in meinem Kopf. Und mein Herz setzte einen Schlag aus. Erik! Das war Eriks Stimme. Aber wie… Der feindliche Wolf knurrte und in seinen Augen blitzte es. Erik baute sich umso mehr vor mir auf. „Geh ganz langsam zurück!“ Das war das einzige, was er sagte. Den Blick starr auf den anderen Wolf gerichtet. Ich wolle schon einen Schritt nach hinten machen. Hielt aber inne. Was wenn Erik dieses Ungeheuer nicht in Schach halten konnte? Wenn esihm irgendwie entwischte und mich dann… Erik schien mein Zögern bemerkt zu haben. Ohne auch nur einmal seinen Gegner aus den Augen zu lassen, sagte er dann: „Vertrau mir!“ Und dieses Mal tat ich es. Fragte nicht warum, oder hatte irgendwelche Gegenworte. Sondern machte nun doch einen Schritt nach hinten. Entfernte mich immer mehr und mehr von den beiden schwarzen Wölfen, die bloß mit ihren Blicken Gefechte austrugen und ich wollte nicht wissen, was passieren würde, wenn sie ganz aus meinem Sichtfeld verschwanden. Mit jedem Schritt den ich machte zog nun Nebel auf und ich wollte mich schon umdrehen. Weil ich fürchtete, dass aus eben diesem ein weiteres Untier auftauchen würde. Vielleicht das gleiche, welches Erik eben noch aufhalten konnte und es hatte sich doch an ihm vorbeigeschlichen. Sofort spannte sich jeder Muskel in mir zusammen. Aber nicht passierte und ich ging weiter. Weiter und weiter. Bis der Nebel mich umschloss und sich alles um mich herum auflöste. Als Erik sich sicher war, dass Allison sicher war, atmete er innerlich auf. Und fragte sich, wie sie hierhergekommen war. Hier, in einer Welt, die zwischen dem Dies-und Jenseits lag. Zu der nur er Zutritt hatte. Das dachte er zumindest. Als er dann Allisons Presänz bemerkte, bevor er sie überhaupt sah, und dann noch ihm gegenüber stehend, schrillten sämtliche Alarmglocken. Schnell war er zu ihr gerannt und hatte sich schützend vor sie gestellt. Ihr waren das Erstaunen und der Schrecken deutlich ins Gesicht geschrieben. Er konnte sich sehr gut vorstellen, dass sie nicht recht verstand und hätte ihr gerne alles erklärt. Doch dafür war keine Zeit. Zuerst musste sie von hier weg. „Denkst du wirklich, dass du sie noch länger anlügen kannst?“, hörte er den anderen Wolf hähmisch und wandte sich ihm zu. Ohne auf seine Frage ein zu gehen, wurden seine Augen schmal und er stiess ein Knurren aus. „Du hast sie hier her gebracht, oder?“ Der andere Wolf sagte nichts, sondern fing an, um her zu schleichen und Erik dabei verschlagen und lauernd an zu schauen. „Das sollte deine geringste Sorge sein!“, sagte er dann. „Was meinst du, wie lange es dauern wird, bis sie erfährt, wer du wirklich bist? Wer wir wirklich sind?“ Erik versteifte sich sofort. Gerne hätte ihn ausgelacht. Ihm gesagt, dass es niemals passieren wird und das Allison, selbst wenn es irgendwann zu treffen würde, ihm deswegen nicht den Rücken zu kehren würde. Aber er musste nur tief in sich hinein horchen um zu wissen, dass sein Gegenüber Recht hatte. Das Misstrauen ihm gegenüber war immer noch präsent. Auch der andere schien es gemerkt zu haben und bleckte die Zähne. Dann veränderte er sich seine Gestalt, schrumpfte in sich zusammen und erhob sich dann. Nahm die Form eines Menschen an. Erik veränderte nun auch seine Gestalt und beide standen sich jetzt als Menschen gegenüber. Ein lebender grinsender Totenschädel blickte ihn an und aus seinen Augen sprühte es kalt vor Hähme. Erik presste die Lippen hart aufeinander. Wie sehr hatte er dieses Gesicht gehasst. Sein Gesicht! „Früher oder später wird sie es erfahren. Und dann wird sie wirklich einen Grund haben, dir zu misstrauen!“, sagte der andere und löste sich dann in dunklen Rauch auf. Ich erwachte in unserem Bett. Blinzelte ein paar Mal. Schaute an die Zimmerdecke. Zuerst fühlte sich das alles so unwirklich an. Selbst Körper fühlte sich an als würde er nicht mir gehören. Ich brauchte eine Weile ehe ich mich wieder im Hier und Jetzt fand. Ich warf die Decke zurück und schaute mir meine Fußsohlen an, aber weder Moos noch Dreck hingen da dran. Hatte ich das alles wirklich geträumt? Anders konnte es ja nicht gewesen sein. Aber es fühlte sich echt an. Oder habe ich mich irgendwie an einen anderen Ort teleportiert ohne dabei richtig, körperlich da zu sein? War sowas denn möglich? Nach all dem Scheiss, würde mich das nicht wundern. Dennoch blieb eine Frage offen. Wieso habe ich zwei Wölfe gesehen, wenn der eine Erik war? Wer war der zweite Wolf? Etwa ein neuer Gegner? War dieser Serienkiller nicht die einzige Bedrohung? Wobei, wenn ich so genauer darüber nachdachte, verblaste neben den zweiten Wolf allerdings die Gefahr, die vom Killer ausging. Irgendwie machte mir dieser Wolf mehr Angst. „Alles in Ordnung?“, fragte Fay mich. Sie schien mir an zu sehen, was mir gerade im Kopf durchging. Wie so oft. „Ich bin mir nicht sicher!“, murmelte ich, während ich auf meinem Brötchen herumkaute. „Hast du schlecht geschlafen?“ Eine Frage, die schon fast zum Alttag gehörte. Wie die, ob man noch einen Kaffee will. Das ich weder was sagte noch nickte, schien ihr schon als Antwort zu genügen. „Magst du darüber reden?“ Und ob ich das wollte. Ich wollte mir alles von der Seele reden, denn sonst würde ich noch verrückt werden. Nur wie sollte ich anfangen? „Woher kennt Ihr eigentlich Erik?“ Die Frage war mir einfach so über die Lippen gekommen und ich war erstmal selbst erstaunt, warum ich gerade diese Frage stellte. Aber dann gab ich zu, dass diese berechtigt war. Erik schien sie zu kennen und sie kannten ihn auch. Woher auch immer. Wobei Brian und er sich anscheinend nicht so grün sind. Dennoch aber zusammen arbeiteten. Mit einem Mal schien es sich Fay anders überlegt zu haben. Denn kaum hatte ich die Frage ausgesprochen hatte, nahm ihr Gesicht einen ziemlich unsicheren Ausdruck an. So, als müsse sie genau überlegen, was sie als nächstes sagte. Und das machte mich wiederum äußerst nervös. „Nun!“, begann sie nach einigen schweigsamen Minuten. „Wir…er…wir hatten mal zusammen gegen einen fiesen Dämon gekämpft. Zusammen mit deiner Mutter!“, gestand sie und es zog mir den Boden unter den Füßen weg. Meine Mutter? Dass sie auch gegen Monster gekämpft hatte, hatte ich ja bereits erfahren. Wobei es mir immer noch schwer fiel, das zu glauben. Aber irgendeine Verbindung muss es ja gegeben haben, wenn sie sich alle kannten. Dennoch fühlte sich das alles an, wie ein schlechter Scherz. Ich verstand nun nichts mehr. Das alles wurde mir zuviel und ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Fay biss sich auf die Unterlippe. „Vielleicht sollten wir das auf ein andernal verschieben!“, schlug sie mir vor. Auch sie schien sich nicht gerade wohl dabei zu fühlen. Da sie zumal über meine Schulter schaute und etwas zu sehen schien, was mir wiederum unsichtbar blieb. Ich drehte mich dennoch um und kaum dass ich das tat, streifte mich ein eiskalter Lufthauch und ich wusste, dass das Erik war. Doch lange Zeit darüber nach zu denken blieb mir nicht, da aufeinmal etwas durch das Küchenfenster krachte und polternd zu Boden fiel. Wir machten einen Satz nachhinten und wusste erstmal nicht, was abging, dann aber sahen wir, was da durch das Fenster geflogen kam und wir seufzten frustriert. Es war ein Stein, umwickelt mit einer Schnurr, an der ein Zettel befetigt war. Nicht schon wieder. Ich schnappte mir sogleich den Stein, zog den Zettel unter der Schnur raus und entfaltete ihn. „Raus aus unserem Dorf, Ihr elenden Huren!“ Schlagartig war meine Unsicherheit verflogen und rasende Wut packte mich. Ich musste nicht lange überlegen, um zu wissen wer uns diesen netten Brief geschickt hatte. Wie von der Tarantel gestochen, stürmte ich aus dem Haus. Zuvor hatte ich mir aber geistesabwesend den Zettel geschnappt. Ich wollte nicht ohne Beweise vor diese Hexe treten. Fay versuchte noch mich zurück zu halten, aber ich hörte nicht auf sie. Zuwütend war ich, als das ich noch die Füße still halten könnte. Schnell war ich draußen und lief los. Ich wusste zwar noch nicht, wo ich hingehen musste, aber mein Gefühl sagte mir, dass ich einfach nur meiner Wut folgen musste. Irgendwie würde ich schon das Haus dieser alten Hexe finden. Und ich fand es. Zumindest fand ich sie. Mrs. Jenkins kam gerade aus der Haustür. „Mrs. Jenkins!“, schrie ich schrill. Diese blieb wie angewurzelt stehen. Kaum dass sie mich aber sah, machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte wieder ins Haus. Laut knallte sie die Tür hinter sich zu. Doch davon ließ ich mich nicht abbringen. Ich stürmte auf die Tür zu und hämmerte wie wild gegen das Holz. „Mrs. Jenkins. Machen Sie die verdammte Tür auf!“, schrie ich wütend. Diese feige Schlange. Erst schmeisst sie uns einen verdammten Stein durch das Fenster, wohl wissend dass sie uns damit hätte verletzen können und nun schliesst sie sich in ihr Haus ein. Glaubt sie wirklich, dass die mir so entwischen konnte? Ich schlug und trat gegen die Tür. Wollte wenn es nötig war, mir mit Gewalt Zutritt ins Haus verschaffen. „Jetzt mach endlich auf, du alte Schachtel!“, keifte ich. „Annabelle!“, hörte ich Fay hinter mir rufen. Ich achtete nicht auf sie, sondern ließ meine Wut weiterhin an der Tür aus. Auch wenn ich wusste, dass diese Frau nicht aufmachen würde. „Annabelle, jetzt beruhig dich doch!“ Fay packte mich an den Schultern und wollte mich zurückziehen. Ich wehrte mich wie eine wilde Katze. Keifte, fauchte und wollte sogar auf sie losgehen. Ich war nicht mehr ich selbst. „Annebelle!“, bat mich Fay nun eindringlicher, riss mich herum, sodass ich sie ansah, und ich hielt inne. „Alli! Komm wieder zu dir!“ Ich begann am ganzen Körper zu zittern und ich glaubte, meine Knie würden mich nicht aufrecht halten können. Was war nur los mit mir? Wieso war ich von null auf hundert so voller Hass und Wut? Vielleicht war das alles zuviel für mich. „Was ist denn hier los?“, rief plötzlich Pfarrer Remington. „Wir…ähm…wir haben nur einen kleinen Streit mit Mrs. Jenkins!“, versuchte Fay das ganze runter zu spielen. Ich musste fast bitter lachen. Kleinen Streit! Das war wirklich untertrieben. Die Alte hat uns einen Stein durch das Fenster geworfen. Zusammen mit dieser netten Botschaft. Pfarrer Remington sah uns mit gehobenen Brauen an. Er schien Fays Worte nicht richtig glauben zu können. Klar. Er hatte ja gesehen, wie ich ausgerastet bin. Denn sonst wäre er nicht hier. Und das er nun wissen wollte, was hier vor sich ging, war ja verständlich. „So wie Sie an die Tür gehämmert haben, könnte an meinen, dass es sich hierbei mehr als nur einen Streit handelt!“, sagte Remington und schaute dabei mich an. Ich schaute beschämt zu Boden. „Was hat denn diesen Streit ausgelöst?“, fragte er dann. Fay sah ich an. Das sah ich aus dem Augenwinkel und mein Blick fiel auf den Zettel, den ich noch immer in der Hand hatte. Zuerst zögerte ich. Dann aber hielt ich ihm hin. Pfarrer Remington nahm ihn und las. Sein Gesicht nahm einen enttäuschten Ausdruck an. Wandte sich dann der Haustür von Mrs. Jenkins und rief nach ihr. „Mrs. Jenkins. Würden Sie bitte die Tür öffnen. Ich möchte mit Ihnen sprechen!“ Es dauerte eine Weile, ehe sich die Tür öffnete und eine vollkommen verschreckte Mrs. Jenkins raustrtat. Kaum dass ich sie sah, wollte ich mich auch schon wieder auf sie stürzen. Doch Fay packte mich am Arm und hielt mich eisern fest. Eingeschüchtert trat Mrs. Jenkins auf die Schwelle und sah nervös zu uns herüber. Besonders mich sah sie an als sei ich der Leibhaftige. Und das freute mich irgendwie. „Haben Sie das geschrieben?“, fragte Pfarrer Remington und hielt ihr den Zettel hin. Mrs. Jenkins Augen wanderten über die Zeilen und sie schüttelte sofort den Kopf. „Lügnerin!“, wollte ich schon schreien, hielt mich aber zurück. Darauf hin sah Remington uns an. Eine peinliche Stille entstand. „Dann war es jemand anderes!“, sagte Fay zu ihm. Sah dann zu Mrs. Jenkins. „Tut mir leid, dass wir Sie erschreckt haben!“ Dann schleifte sie mich mit sich. Als wir dann Zuhause waren, stellte sie mich zur Rede. „Was ist nur in dich gefahren?“ Ich ließ mich entkräftet auf die Couch fallen. Wusste selber nicht, was ich darauf antworten sollte. So zuckte ich einfach nur die Schultern. Fay sah mich an, dann seufzte sie. Setzte sich neben mich. „Auch wenn sie es war, kannst du nicht einfach so losstürmen und gegen Türen treten. Was werden die anderen denken?“ Das war mir eigentlich so ziemlich egal. Ich war einfach nur wütend. Und frustriert. In diesem Moment kam ich mir von Fay verraten vor. Wieso hatte sie nicht eingehender darauf behart, dass es sich herbei nur um Mrs. Jenkins als Täterin handeln konnte? Selbst sie musste es doch einsehen. Wieso also? „Wir dürfen nicht auffallen!“, rief sie mir eindringlich ins Gewissen. „Nicht auffallen? Wir spielen ein lesbisches Liebespaar!“, platzte es aus mir heraus. „Wobei du den Part hast, der eine Ehe beendet hatte. Nur um mit jemand anderen zusammen zu sein!“ Meine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, den Fay sah auch ein, dass ihr Vorsatz nicht gerade einfach zu erfüllen war. „Okay, dann nicht so weit auffallen als es nötig ist!“ Mein kleiner Ausraster am Morgen war natürlich das Gesprächsthema als ich auf Arbeit ging. Wann immer ich den Gästen den Rücken zudrehte, begannen sie schon hinter mir zu tuscheln und ich musste mich echt zusammenreißen, ihnen nicht auch gleich an die Gurgel zu gehen. Sicher hatte die gute Mrs. Jenkins rumerzählt, dass ich wie eine Furie auf sie losgehen wollte. Vermutlich dass sogar der Teufel dabei in mir gesteckt hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ausgesehen haben musste, aber nach ihrem Gesichtsausdruck und wie schnell sie im Haus war, musste ich wirklich wie ein rasender Dämon ausgesehen haben. Fast schon musste ich darüber grinsen. Aber dann fragte ich mich wieso ich so aggro gewesen war. Das konnte doch nicht allein daran liegen, dass meine sexuelle Verirrung einigen gegen den Strich ging? Vielleicht lag es auch daran, dass mich diese Träume einfach nur verunsicherten und fertig machten. Ich musste daran denken, was Fay gesagt hatte und wie sie dabei gewirkt hatte. So als würde sie zögern, mir alles zu erzählen. Was war da damals passiert? Wusste sie etwas, was sie mir nicht erzählen wollte? Was vielleicht meine Zweifel Erik gegenüber noch verstärken konnte? Ich musste sie nochmal darauf ansprechen. Aber erstmal musste ich diesen Tag hinter mich bringen. Jackie sah mich auch hin und wieder an als würde ich gleich jemanden ein Tablett um die Ohren hauen. Vermutlich ihr. Ich seufzte innerlich. Ich kam mir allmählich wie in einer Schlangengrube vor. Und die größte Schlange war Mrs. Jenkins. Auch wenn es mich so sehr danach verlangt, dieser Schnepfe einen zweiten unliebsamen Besuch ab zu statten, so musste ich mich dennoch zusammenreissen. Wer weiß, was ich damit noch alles los trete. Sicher würden sie mich irgendwann aus dem Dorf jagen. Irgendwann war die Arbeit fertig und ich konnte Nachhause gehen. Ich verzischtete aber darauf Fay bescheid zu sagen. Ich wollte nicht, dass sie für mich den Babysitter spielte. Wenn ich wirklich angegriffen werde, dann würde ich mich zu wehren wissen. Mein Blick fiel auf das Armband. Wie so oft. Aber konnte ich denn mit dieser Waffe einen Menschen verletzen? Bis jetzt habe ich nur Monster damit angegriffen. Würde sie gegen einen Menschen ebenso Wirkung zeigen? Darüber wollte ich mir eigentlich keine Gedanken machen. Ich tastete nach dem Pfefferspray in meiner Jackentasche. Als ich es unter meinen Finger spürte, atmete ich etwas erleichert auf. Auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte, dass ein einfaches Pfefferspray gegen einen Irren helfen würde, hatte es dennoch etwas Beruhigendes. Ich lief die Strasse weiter. Dabei schaute ich mich hin unter wieder um. Zwar war ich allein auf der Gasse, aber das hiess nicht, dass ich aus einem Versteck oder mehreen heraus beobachtet wurde. Und nach meinem kleinen Ausraster bin ich ganz sicher auffällig geworden. In diesem Punkt konnte ich Fay verstehen. Aber was soll’s. Passiert ist eben passiert. Und so lief ich die Strasse weiter. Habe die Hände tief in den Taschen gegraben und die Schultern hoch gezogen. Auch wenn ich mir immer wieder sagte, dass ich mich einfach nur beeilen und die Augen offen halten musste, hatte ich dennoch ein mieses Gefühl. In meinem Nacken begann es zu kribbeln und ich schüttelte mich. Schon konnte ich unser kleines Haus sehen und beschleunigte meine Schritte. Als ich plötzlich ein Licht in einem der Häuser sah und stehen blieb. Das Haus kannte ich doch. Es gehörte dieser alten Gewitterziege. Eigentlich sollte mich das nicht kümmern. Was interessierte es mich, was diese Schrulle macht. Ich wollte schon weitergehen, als ich sah, dass sich der Vorhang etwas teilte und ein Gesicht dahinter auftauchte, welches nicht Mrs. Jenkins gehörte. Es war das eines Mannes. Ungefähr in dem Alter von Mrs. Jenkins. Hatte eine Halbglatze und trug eine dicke Brille. Sein Gesicht machte einen etwas verlegenen, ja fast schon verschreckten Eindruck. Das konnte ich selbst in dieser Entfernung erkennen. Einige Minuten sahen wir uns an. Dann schien man ihn erwischt zu haben, denn er drehte sich erschrocken herum und zog den Vorhang wieder zu. Fast wollte ich schon darüber den Kopf schütteln. Wenn dieser Mann wirklich irgendwie was mit Mrs. Jenkins zu zun hat, dann konnte der arme Kerl wirklich einem leidtun. „Ein Mann? In Mrs. Jenkins Haus?“, staunte Fay, die auf ihrem Brot herumkaute. Ich nickte. „Ja, ich dachte auch, dass ich einen Knick in der Optik habe!“ Fay musste ein wenig grinsen. „Hätte nich gedacht, dass sich ein männliches Wesen in ihre Nähe wagt!“ „Für jeden Topf gibt es einen Deckel!“, murmelte ich. Ich war mir inzwischen sicher, dass es sich hierbei entweder um den Ehemann oder Lebensgefährten von Mrs. Jenkins handeln musste. Dabei fragte ich mich immer mehr wie es eine Frau wie sie geschafft hatte, sich einen Mann zu angeln. Hatte sie ihn unter Drogen gesetzt? Ich weiß, ich klang in diesem Moment ziemlich gehässig, aber ich konnte nicht anders. „Hat sich Lex mal gemeldet?“ Fay schüttelte den Kopf. „Nein. Offensichtlich schient er sich genauso im Kreis zu drehen wie wir!“ Mit einem frustrierten Seufzen warf sie die Brotrinde auf den Teller. „Wir wissen, nach welchen Muster der Killer seine Opfer aussucht. Aber wir wissen nicht, wer dafür in Frage kommen würde. Es könnte eigentlich jeder sein!“ „Ich wüsste schon wen!“, kam es prompt von mir. Fay lächelte etwas. „Daran habe ich auch schon gedacht. Aber ohne einen Beweis, können wir nichts tun!“ „Außerdem!“, begann sie dann nach einer weile und klang dabei ziemlich skeptisch. „Scheint Sie nicht der Mensch dafür zu sein. Sie keift und zettert zwar…aber Mord…!“ „Was macht dich da so sicher?“ Sie hob die Schultern. „Ist so ein Gefühl!“ „Wir sollten uns nicht nur auf eine Person beschränken. Es kommen viele in Frage. Auch wenn das hier ein Dorf ist!“ Da war was Wahres dran. Aber für mich war Mrs. Jenkins die Verdächtige Nummer eins. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen wie sie jemanden niederschlug und abstach. Dazu braucht man schon ein gewisses Maß an Entschlossenheit. Im negativen Sinne natürlich. Fay hatte Recht. Wer immer das auch war, musste sich förmlich in seinem Wahn verbissen haben. Es lief mir kalt den Rücken hinunter. Es stimmte, was Esmeralda sagte. Nicht immer waren Dämomen das Übel. Und sofort war ich mit meinen Gedanken wieder bei Erik. Bravo. Wieso ließ mich das einfach nicht los? Wieder stand ich in diesem Wald. Auf dieser Lichtung. Und wieder diesem Wolf gegenüber. Erik! Doch dieses Mal war es anders. Er saß einfach da und schaute mich an. Keine Agression, keine Anzeichen dafür, dass er mich bedroht. Es war als wäre er wieder ganz der alte. Ruhig und beherrscht. Und dennoch spürte ich, dass es etwas in der Luft lag. Ich konnte es mir nicht richtig erklären, aber etwas schien sich zwischen uns zu befinden, was wie eine Mauer war. Lange Zeit schauten wir uns nur an. Dabei sah ich, wie sich seine Umrisse veränderten. Sie schienen für einen kurzen Moment zu verschwimmen. Wie Nebelschwaden zu zerfasern und sich dann wieder zu verfestigen. Irgendwann aber konnte ich es nicht mehr aushalten. Diese Stille machte mich noch wahnsinnig. „Was soll das?“, fragte ich aufgebracht. Meine Stimme zitterte dabei. Ich musste mich zusammen reissen, um nicht hysterisch zu klingen. „Was ist das für ein krankes Spiel? Wieso sehe ich dich doppelt? Und in dieser Gestalt?“ Erik sagte nichts. Sondern sah mich nur an. Das und dass er meine Frage wohl überhört zu haben schien, machte mich wütend. Unfähig aber irgendwas zu tun konnte ich ihn nur weiterhin ansehen. Es war reine Verschwendung ihn an zu brüllen, ihm zu drohen oder vor Wut zu schreien. Dennoch tobte in mir etwas, was nur schwer zu kontrollieren war. „Warum sagst du nichts, verdammt nochmal!“, presste ich hervor. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Eriks Augen schimmerten für einen flüchtigen Augenblick. Dann erhob er sich und kam langsam auf mich zu. Ich machte sofort einen Schritt zurück. Trotz meinem Ärger auf ihn, wollte ich dennoch vorsichtig sein. Nicht dass es sich hier bei um Eriks Zwilling handelte, und mich doch noch angriff. Erik schien meine Gedanken gehört zu haben, denn er blieb stehen und senkte den Kopf. Etwas in seiner Haltung veränderte er sich. Er schrumpfte in sich zusammen. Wurde kleiner. Wirkte nun nicht mehr so bedrohlich. Dennoch blieb ich vorsichtig. Immerhin wusste ich nicht, welchen Erik ich vor mir hatte. Eine lange Zeit standen wir da und schauten uns nur an. Und während wir uns nichts sagten, merkte ich deutlich, wie sich alles um uns herum veränderte. Es wurde dunkler und kälter. Nebelschaden stiegen nun auf und schienen uns ein zu hüllen. Erik wurde nach und nach vom Dunst verschluckt, sodass ich nur noch schwach seine Umrisse sehen konnte. Dann waren auch diese verblasst und ich war allein in diesem Nebel, der nun so dick wie sonst was war. Ich rief nach Erik, weil ich mich auf einmal ziemlich verlassen und verloren vorkam. Wo ich vorher noch voller Misstrauen war, wollte ich nun, dass er wieder kam und bei mir war. Dann fing alles um mich herum an, sich auf zu lösen. Der Nebel leuchtete von innen heraus auf. Wie als wenn ein Scheinwerfer durch die Suppe dringen wollte. Nach und nach wurde das Leuchten immer stärker, bis der Nebel gänzlich um mich herum erstrahlte und ich die Augen zukneifen musste, da das Leuchten mich blendete. Als ich sie wieder öffnete, schaute ich an die Zimmerdecke von meinem und Fays Schlafzimmer. Mit einem Stöhnen wischte ich mir über das Gesicht. Ich hatte geträumt. Schon wieder. Und wieder war es so real gewesen. Minutenlang lag ich einfach nur da. Ich hatte langsam genug davon. Ständig diese Erscheinung von Erik als Wolf und diese unerklärbare Bedrohung, die von ihm ausging. Wollte er mich vor etwas warnen? Etwa vor sich selbst? Ich musste es wissen. Von einem wilden Entschluss erfasst warf ich die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Noch heute würde ich Erik zur Rede stellen. Fay wunderte sich ein wenig, als ich sie bat, mich für ein paar Stunden allein zu lassen. Hatte aber keine Einwände dagegen. Sondern sagte, dass sie sich dann ein wenig umhören würde. „Vielleicht kriege ich etwas über unsere liebe Mrs. Jenkins raus!“ Kaum, dass sie aus dem Haus war, machte ich mich daran im Haus alle Vorhänge zu ziehen. Dann setzte ich mich an den Tisch und rief nach Erik. Ich wusste, dass er nur erschien wenn es dunkel war. Zwar war es im Haus nicht so dunkel, wie bei Nacht, aber ich hoffte dennoch dass er erscheinen würde. Doch als einige Minutn vergangen waren, in denen nichts passiert war, trommelte ich unruhig auf der Tischplatte herum und schaute mich um. „Erik!“, kam es ungeduldig von mir. „Komm her. Wir müssen reden!“ Immer noch nichts und so langsam wurde ich sauer. Machte er das mit Absicht? Oder ahnte er, was ihm blühte und wollte mir einfach nicht Rede und Antwort stehen? Denn wenn es so war, müsste er doch wissen, dass er damit mein Misstrauen um so größer werden ließ. Und auch wenn meine Vernunft mir sagte, dass es keinen Sinn hatte, weiter auf ihn zu warten, wollte ich mich nicht so einfach damit abfinden. „Erik!“ Und einen Wimpernschlag später, saß er mir gegenüber. Mit zusammen gepressten Lippen und einem bitteren Ausdruck in den Augen. Zuerst war ich ein wenig erschrocken, doch dann riss ich mich zusammen. „Ich habe einige Fragen. Und ich will Antworten. Keine Ausreden!“, begann ich entschlossen. Eriks Blick wurde noch dunkler, falls das überhaupt möglich war und er verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann los. Frag mich!“ Sofort merkte ich, wie sich mein Hals zusammen schnürrte und mir das Sprechen auf einmal ziemlich schwer fiel. Was war jetzt auf einmal mit mir los? Ich war eben noch so fest entschlossen, Antworten zu bekommen. Und jetzt kriegte ich keinen Mucks aus mir heraus. Lag es vielleicht an seinen Ausdruck, seine Haltung. Oder daran, dass der Raum nun noch dunkler geworden war, seit er mir gegenüber saß. Ich brauchte eine Weile, ehe ich mich zusammen gerissen und meine Stimme gefunden hatte. „Wie-Wieso sehe ich dich als Wolf? Wieso gibt es zwei von dir? Wer…wer ist dieser zweite Erik?“ Es sprudelte nur so aus mir heraus und ich merkte, wie ich auf einmal zu zittern begann. Erik ließ mich ausreden und als ich fertig meine Fragen gestellt hatte, sah er mich für eine Weile schweigend an. In seinem Gesicht, das konnte ich trotz des Dämmerlichts sehen, arbeitete es. Er kaute auf der Unterlippe herum und sein Blick ging ins Leere. Er schien mich selbst nicht mehr zu sehen. Dann, als das Schweigen zwischen uns, in meinen Ohren zu dröhnen begann, wurde sein Blick klar und er holte tief Luft. „Glaubst du an das Böse?“ Ich blinzelte verwirrt. Was sollte diese Frage. Natürlich glaubte ich an das Böse. Immerhin kämpfte ich jedes Mal dagegen. Wie sollte ich nicht daran glauben? Gerade wollte ich das auch aussprechen, aber Eriks Blick ließ mich sofort verstummen. Nein, er meinte nicht diese Art vom Bösen. Nicht diese Geister und Dämonen. In meinem Bauch wurde alles zu Eis.Und ich wagte nicht laut aus zusprechen, was mir durch den Kopf ging. Bilder aus der Vergangenheit kamen in mir hoch. Bilder von meiner Mutter. Wie sie sich von einer Minute auf die nächste veränderte. Mal war sie die liebevolle Mutter, die mir so sehr fehlte, mal war sie jemand anderes. Jemand, der mir Angst machte. Ich musste zugeben, dass ich mich in diesem Moment schämte. Weil ich mich vor meiner eigenen Mutter fürchtete. Ich verdrängte sowohl schnell diese Erinnerungen als auch die Bilder. Doch es blieb ein bitterer Nachgeschmack. Erik schien genau zu wissen, was mir gerade durch den Kopf ging, denn sein Blick wurde weich. Aber auch traurig. Er lehnte sich zurück und dachte lange-sehr lange nach. Dabei schaute er nach unten. Dann sprach er weiter und seine Stimme klang belegt. „Man kann gegen unzählige Dämonen kämpfen, wie man will. Aber es gibt einen Feind, gegen den man nur schwer bestehen kann. Fast gar nicht!“ Da schaute er mich wieder an und sein Blick bohrte sich tief in mich hinein. „Und das ist man selbst!“ Mein Hals schnürte sich zu. „Willst du damit sagen, dass du auch etwas Dunkles in dir hast!“ Selbst in meinen Ohren hörte sich das bescheuert an. Ich wusste, dass Erik kein normaler Mensch war. Dennoch behagte es mir nicht, dass auch von ihm eine Gefahr ausgehen könnte. Hatte er mir nicht selbst gesagt, dass er mich beschützt, ich ihm dafür vertrauen soll? Damit, mit dieser Frage, war er doch alles über den Haufen! Ich wurde nicht schlau aus ihm. Wieder erinnerte ich mich. Dieses Mal an den Wolf aus meinen Träumen. An den, vor dem ich mich fürchtete und in mir reifte ein Verdacht. „Dieser zweite Wolf...ist er deine…deine dunkle Seite?“ Wieder hörte sich das total bescheuert an. Aber anders konnte ich das nicht ausdrücken. Erik presste die Lippen aufeinander. Ich hatte mit meiner Frage voll ins Schwarze getroffen. Und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das beruhigte. „Dann waren das nicht nur Träume…?“, flüsterte ich. Mir wurde kalt. „Ich kann mir das auch nicht erklären!“, sagte er und ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. „Aber irgendwie bist du…hat er dich…!“ Er schüttelte den Kopf. Wusste offensichtlich selber keine Antwort. Das war auch nicht nötig. Ich wusste nun, was ich wissen wollte. „Dann…kannst auch du mich angreifen?“ Meine Stimme war nichts weiter als ein Flüstern. Eriks Augen begannen zu flackern. In seinem Gesicht sah ich deutlich wie etwas darunter anfing zu brodeln. Kein Ärger. Keine Enttäuschung. Sondern etwas was mich viel mehr versunsicherte. „Das wird nicht passieren!“, kam es grimmig von ihm. „Ich werde es nicht so weit kommen lassen!“ Gerade wollte ich etwas darauf erwidern. Ob er wirklich dieses Versprechen halten konnte? Was wenn das Böse in ihm doch stärker war? Dinge, die ich eigentlich nicht stellen wollte, die aber dennoch mich quälten. Da klopfte es jedoch und ich zuckte zusammen. Erik blickte zur Eingangstür. „Fay?“ Ich schüttelte den Kopf. Fay hatte einen Schlüssel. Und so schnell war sie sicher nicht wieder zurück. Vielleicht war es auch Lex? Aber dann hätte er sich doch vorher gemeldet. Nein, wer auch immer vor der Tür stand. Er gehörte nicht zum Team. Ich schaute Erik an. Er die Tür. Sein Blick war lauernd. Er war wieder ganz der wachsame Beschützer. Mit einem Nicken gab er mir zu verstehen, dass ich zur Tür gehen soll. Langsam ging ich zu dieser, legte die Hand auf die Klinke. Schaute dann noch mal zu Erik. Er stand nur eine Armlänge von mir entfernt. Gab mir somit Deckung, falls vor der Tür ein ungebetener Gast stand. Ich holte tief Luft, dann drückte ich die Klinke herunter und sah einen Mann vor mir stehen. Doch es war nicht Pfarrer Remington. Sondern jemand, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Das dachte ich zumindest. Als ich ihn mir aber nochmal genauer ansah, erkannte ich ihn. Es war der Mann, der mit diesem Drachen lebte. Mrs. Jenkins. Wie am Abend zuvor sah er wie jemand aus, der sein ganzes Leben unter der Fuchtel eines anderen gestanden hatte. Im dem Fall von seiner Frau. Schon wie er angezogen war, sagte er deutlich, dass er nicht selbstständig denken konnte. Ein fies-karierter, kurzärmeliger Pollunder. Darunter ein steifgebügeltes weißes Hemd und eine graue Hose. Gekrönt wurde das alles von der dicken Hornbrille und dem ergrauten Haar, das sich schon ein wenig am oberen Ansatz lichtete. Es war gemein, dass zu denken, aber bei dem hatte Mrs. Jenkins echt leichtes Spiel ihm das Leben schwer zu machen. „Guten Tag!“, sagte dieser Schatten eines Mannes. „Guten Tag!“, grüßte ich ihn zurück. Als dann eine peinliche Stille entstand, machte ich den nächsten Schritt. „Kann ich Ihnen helfen?“ „Ähm…nein. Ich…ich wollte mich nur für das Verhalten meiner Frau entschuldigen!“, kam es zögernd von ihm. Und ich war baff. Wieso entschuldigte gerade er sich bei mir? Wenn, dann sollte seine Frau… Ach, was sage ich da. Diese alte Hexe wird sich sicher nicht entschuldigen. Eher friert die Hölle zu! Ihr Mann hingegen scheint es wirklich unangenehm zu sein, dass seine Frau dermaßen rumgiftet. „Keine Ursache!“, sagte ich, da ich nicht ihn zur Schnecke machen wollte. Er schien ja wohl ein netter Kerl zu sein. Und er tat mir ein wenig leid. „Sie ist eigentlich ganz umngänglich!“, fuhr er fort und ich wollte schon laut auflachen. „Nur ein wenig…verschlossen. Und überzeugt von den guten alten Sitten!“ Ja, das habe ich gemerkt. „In ihren Augen erscheint alles falsch und nicht richtig, was ihr Weltbild betrifft!“ Das war noch untertrieben. Ich musste mich ziemlich zusammen reißen, um kein Kommentar dazu zu geben. „Ich hoffe dennoch, dass Sie und Ihre Freundin sich hier wohlfühlen!“ Gerade wollte ich ihm sagen, dass wir uns hier sicher noch einleben werden, als ich eine mir bekannte keifernde Stimme hörte. „Hubert, was machst du da?“ Ruckartig drehte sich Mr. Jenkins herum und sah seine Frau auf uns zu maschieren. Sofort schrumpfte Mr. Jenkins in sich zusammen und zog den Kopf zwischen die Schultern, als ob er erwartete, dass sie ihn schlug. „Ich…ich wollte nur nachsehen, ob bei der jungen Dame hier alles in Ordnung ist. Da die Vorhänge zu gezogen waren!“ Mr. Jenkins schnaubte verächtlich. „Das ich nicht lache. Was geht es dich an, ob bei diesem…diesem verdorbenen Weibsstück alles in Ordnung ist?“ Bei diesen Worten hatte ich aufeinmal eine enorme Wut im Bauch und wollte etwas Passendes dazu sagen. „Verzeihung!“, hörte ich Erik hinter mir und zuckte zusammen. Ihn hatte ich vollkommen vergessen. Ich drehte mich zu ihm herum. Sah, dass er nun direkt hinter mir stand und sich beschützerisch aufgebaut hatte. Mr. und Mrs. Jenkins Gesichter spiegelten den gleichen erschrockenen Ausdruck. Vermutlich hatten sie nicht erwartet, dass ich Besuch hatte. „Dürfte ich erfahren, was meine Schwester verbrochen hat und sie deswegen so von Ihnen beschimpft wird?“ Mrs. Jenkins, immernoch etwas aus der Bahn geworfen, brauchte etwas um sich wieder zu sammeln. Dann straffte sie die Schultern. Versuchte sich nichts anmerken zu lassen und die taffe Frau zu mimen, die sie sonst immer an den Tag legte. Was ihr leider nicht wirklich gelang. „Wie können Sie als Bruder so gelassen sein? Stört es Sie nicht, dass Ihre Schwester eine Ehe auf dem Gewissen hat?“ Ich verdrehte die Augen. War ja klar, dass sie wieder diese Schiene fuhr. Es gab vielleicht Familien, die ein Mitglied wie einen Verbrecher behandelte, wenn dieses so etwas wie Ehebruch verursachte oder begann. Dennoch hoffte ich, dass es nur wenige gab. Erik schaute kurz zu mir, dann hob er die Schultern. „Solange es sie glücklich macht, habe ich nichts dagegen!“ Mrs. Jenkins schnappte nach Luft und für einen kurzen Moment dachte ich, dass sie umkippt. In einer theatralischen Geste, hib sie die Hände, als wollte sie ihn anflehen. „Wie können Sie das befürworten? Sie sind doch auch ein gottesfürchtiger Mensch!“ Da grinste Erik. „Nein. Weder fürchte ich, noch glaube ich an Gott!“ Das war zuviel für sie. Sie schnappte sich ihren Mann an der Hand, drehte sich auf dem Absatz um und rauschte davon. Noch als sie abhaute, hörte ich sie zu ihrem Mann sagen fassungslos sagen:„ Komm, Hubert. Ich will nur weg von diesen Gottlosen!“ Ich schloss die Tür und sagte erstmal nichts. Sah dann zu Erik, der ein breites Grinsen hatte. Was mich natürlich ansteckte. Dann begann ich zu lachen. „Das war sowas von genial, Erik!“, lachte ich begeistert. „Die wird sicher lange brauchen, um sich davon zu erholen!“ Erik grinste noch kurz. Dann wurde er ernst. „Hoffentlich war das kein Fehler!“ Ich winkte ab. „Ach, Quatsch. Was soll Sie schon machen?“, fragte ich. „Mich umbringen?“ Kaum hatte ich das ausgesprochen, wurde mir klar, dass das Eriks Befürchtung war. Denn der Killer suchte sich nur Opfe, die sündigten. Und das ich diesen förmlich herausgefordert, verursachte mir eine Gänsehaut. Auch wenn ich ihr sowas nicht wirklich zu traute, schien Mrs. Jenkins bestens in die Rolle des Mörders zu passen. Genug fanatisch schien sie mir zu sein. „Ein Vorteil hat es ja zumindest!“, holte Erik mich aus meinen Gedanken. „Wenn Sie wirklich die ist, die wir suchen, wird sie sicher aktiv werden!“ „Und wenn, dann schnappen wir sie uns!“, kam es grimmig von mir. „Wie? Mr. Jenkins war hier und hat sich bei dir entschuldigt?“, fragte Fay mich, als sie wieder daheim war. „Ja und es dauerte nicht lange ehe seine Ehefrau aufkreuzte und hier wieder ihr Gift verspritzt hatte!“, sagte ich und musste dannn grinsen. „Erik hat sie aber mit Pauken und Trompeten verscheucht!“ Fays Augen wurden groß, als sie das hörte. „Erik? Er war hier?“ Ich nickte. Erst jetzt merkte ich, dass ich ihr nicht den Grund genannt hatte, warum ich allein sein wollte. Und ich hatte nun ein schlechtes Gewissen. Fay war meine Freundin und sie hatte mir mehr als einmal gezeigt, dass sie um mich besorgt war, seit wir hier waren. Mir war klar gewesen, dass ich mich damit verdächtiger machte als zu vor. Es war nicht richtig ihr ins Gesicht zu lügen. „Ja,…ich…ich wollte mit ihm etwas bereden!“, kam es verlegen von mir. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie mich ansah und darauf wartete, dass ich weiter sprach. „Ich…ich weiss einfach nicht, was ich glauben soll!“ Fay sagte nichts. Brauchte sie auch nicht. Es sprudelte einfach so aus mir heraus. „Ich würde gerne glauben, dass Erik mich beschützt. Das er der ist, für den ich ihn halte. Aber etwas in mir sagt auch, dass da noch etwas anderes in ihm ist. Etwas…Gefährliches!“ Fay hörte sich alles an und sagte erstmal nichts. Schien selber darüber nach zu denken. Ich sah sie an und merkte plötzlich, wie sich ihr Gesicht veränderte. Deutlich glaubte ich zu sehen, wie sie sich über etwas Gedanken machte. So als wüsste sie etwas, was sie mir aber nicht sagen wollte. Warum auch immer. „Fay, gibt es da etwa was, was ich wissen sollte?“, fragte ich unbehaglich. Fay biss sich auf die Unterlippe. Wich nun meinem Blick aus. „Fay!“, kam es von mir. Flehend. Drängend. „Was sagte Erik denn?“ Wie vor de Kopf gestossen, schaute ich sie an. Fragte mich, wieso sie mir mit dieser Frage aus dem Weg ging. Und verspürte Ärger in mir hoch kommen. Doch ich schluckte diesen runter und bemühte mich um eine ruhige Antwort. „Das es in jedem etwas Böses gibt. Auch in ihm!“ Fay schwieg. Nickte dann. Hatte sie etwa das vermutet? Nein. Denn sonst würde sie nicht so ein Geheimnis daraus machen. Da steckte mehr dahinter. „Fay, wenn du etwas weisst, was Erik betrifft, dann sag es mir bitte!“ Fays Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. Und mein Magen drehte sich um. Was in Gottes Namen wusste sie. Noch bevor ich Fay noch weiter daszu drängen konnte, klingelte das Telefon. Wir beide schracken zusammen. Wie als wenn das ihre Rettung gewesen war, sprang sie zum Telefon und riss es förmlich von der Wand. „Ja, hallo?“, sagte sie aufgekratzt. Darauf herrschte kurzes Schweigen. „Lex!“, kam es als nächstes und ich merkte, wie erstaunt sie klang. Es war lange her gewesen, seit wir mit Lex gesprochen hatten und ich fragte mich, was der Grund dafür war. „Du hast was rausgefunden? Wirklich? Und du bist dir da ganz sicher? Okay, ich sage es Allison!“ Danach legte sie auf und schaute mich mit funkelnden Augen an. „Du wirst nicht glauben, was Lex rausbekommen hat!“ Für sie schienen die letzten vergangenen Minuten nicht gegeben zu haben. Was mich wieder ein wenig ärgerte. Aber ich wollte auch wissen, was Lex da aufgedeckt hatte. „So? Was denn?“ Fay grinste, so wie es Erik noch vor kurzem getan hatte. Sie setzte sich neben mich und sagte: „ Die gute Mrs. Jenkins ist vorbestraft!“ Mir fiel die Kinnlade runter als ich das hörte. Und auch wenn mich das eigentlich nicht wundern sollte, war ich dennoch überrascht. „Und wegen was?“ Fays Grinsen ging von einem Ohr zum anderen. „Wegen Belästigung, Sachbeschädigung und Verleumdung!“ Okay, das wunderte mich nun wiederu nicht. „Und warum hat man sie nicht verknackt?“ Fay hob die Schultern. „Vielleicht wogen die Strafttaten nicht schwer genug!“ Naja, ich weiss nicht. Auch wenn das zeigte, dass sie Dreck am Stecken hatte, passte das nicht zusammen. Da fehlte was. „Ist das alles? Keine Körperverletzung oder gar versuchter Mord!“ Fays Grinsen schwand nun und sie schüttelte den Kopf. „Nein. Leider nicht!“ Dieses „Leider“, klang aus ihrem Mund so falsch. Als würde sie das wirklich bedauern. Ich hob die Brauen. „Glaub mir, wenn es so gewesen wäre, wäre mir wohler. Denn dann könnten wir sie festnehmen und alles wäre vorbei!“ Da gab ich ihr Recht. „Ich frag mich echt, wieso das wieder macht. Sie sollte doch wissen, dass sie damit nur wieder Ärger kriegt!“, wandte ich ein, weil ich nicht begriff, wieso sie wieder kriminell wird. Aber ehrlich gesagt war mir das auch egal. Soll die Alte doch was auf die Finger bekommen. „Vermutlich kann sie einfach nicht aus ihrer Haut!“, behauptete sie dann. Verbohrt ohne ende traf es wohl eher. „Ihr Mann sagte schon, dass sie ziemlich engstirnig ist. „Also sind wir wieder bei Null!“ Ich sank tiefer in die Couch. Fay war wohl genauso niedergeschlagen. Ihr schien es auch nicht zu gefallen. Als ich auf die Arbeit kam, hätte die Stimmung nicht eisiger sein sollen. Kaum dass ich in die Gaststätte betrat, wurden mir finstere Blicke zu geworfen. Ich seufzte innerlich und ging in die Küche. Wortlos band ich mir die Schürze um und meldete mich zum Dienst. Jackie und alle anderen warfen mir weiterhin verstohlene Blicke zu. Ich versuchte es zu ignorieren, wobei es mich schon nervte. Ich wusste sofort, wem ich es zu verdanken hatte, dass ich wieder woll im Rampenlicht stand. Vielleicht sollte ich ihr mal Eier an die Tür werfen? Irgendwann war die Schicht vorbei und ich machte mich sofort auf den Heimweg. Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich wusste nicht, warum, aber ich fühlte ich beobachtet. Oder besser gesagt…belauert. Das war mir ja schonmal passiert und ich versuchte ruhig zu bleiben. Aber dieses Mal war es schlimmer. Es schnürte mir die Kehle zu und in meinem Inneren krampfte sich alles zusammen. So als erwartet etwas in mir einen Angriff. Schnell machte ich mich auf. Schaute dabei immer um mich und musste erstaunt aber auch besorgt feststellen, dass alles um mich herum dunkel war. Ich blickte auf meine Uhr. War es wirklich so spät? Nein. Es war zwar kurz vor Elf, aber dennoch mussten doch einige der Dorfbewohner noch wach sein. So früh konnten sie doch nicht schlafen gehen. Ich wollte aber auch nicht länger darüber nachdenken und lief weiter. Um meine Unruhe unter Kontrolle zu bekommen, fing ich an zu summen. Keine bestimmte Melodie. Sondern einfach nur Summen. Sah mich dabei aber immer noch um. Auch wenn alles danach schrie, dass da etwas im Busch war, meldete sich auch der Teil in mir, der rational dachte. „Du wirst langsam paranoid!“, schalt sie mich. Ist das ein Wunder? Immerhin läuft hier ein gestörter Mörder herum. Und es könnte jeder hier sein. Das schien zu reichen, denn die Vernunft sagte nichts mehr und zurück blieb weiterhin das Gefühl belauert zu werden. Und noch etwas war da, was mir nicht gefiel. Der Heimweg schien sich mit einem Male zu verlängern. Zog sich wie Kaugummi. Dabei lief ich schon schneller. Mist. Nun joggte ich. Ich atmete auf als ich die Lichter unseres Hauses sah. Noch im Laufen holte ich meinen Schlüssel heraus und wollte ihn schon ins Schloss stecken, als ich ein Geräusch, ein Rascheln, hörte. Zuerst dachte ich, es kam von einem Busch hinter mir, was schon schlimm genug war. Aber da war weder ein Busch noch etwas anderes hinter dem man sich verstecken könnte und was raschelte. Ich lauschte und hoffte ein wenig, dass es sich wiederholte. Das tat es aich und ich wusste nun woher es kam. Aus dem Garten hinter unserem Haus. Auch wenn alles in mir danach schrie, die Polizei zu rufen, schlug ich das in den Wind. Sicher war das nur ein Tier. Eine Katze, die sich verlaufen hatte und nun in einem Gestrüpp feststeckte. Und wenn nicht, wenn es sich wirklich hier um einen Einbrecher handelte, hoffte ich, dass Fay es ebenso mitbekommen hatte und schon auf der Lauer lag. Schnell aber dennoch leise schlich ich um das das Haus herum und kletterte über den Zaun, der das Haus und den Garten umfasste. Kaum das ich in diesem stand, sah ich schon wie sich eine dunkle Gestalt an der Hintertür zuschaffen machte. Tatsächlich! Ein Einbrecher! Sofort begann mein Herz zu rasen und tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. War das der Killer? Soll ich die Polizei rufen? Wird sie rechtzeitig hier sein? Hat Fay ihn schon bemerkt? Alles in unserem Haus war dunkel. Adrenalin pumpte durch meinen Körper und ich dachte noch eine Weile nach. Dann holte ich mein Handy raus, tippte Fay eine Nachricht und hoffte, dass sie sie noch rechtzeitig las und die Polizei rief. Als ich das getan hatte, wusste ich, dass ich nun handeln musste und fasste einen mutigen aber auch riskanten Entschluss. Ich würde den Einbrecher überwältigen und solange festhalten, bis die Polizei eintraf. Noch schien der Einbrecher mit der Tür beschäftigt zu sein. Nur wie lange noch? Ich atmete einmal tief durch, duckte mich und pirschte mich von hinten an ihn heran. Er schien mich nicht zu bemerken. Gut. Dann hätte ich leichtes Spiel. Ich war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Hielt dann inne, zählte von Drei rückwärts und warf mich dann mit aller Kraft auf ihn. Der Einbrecher gab einen erschrockenen Laut von sich und wollte sich von mir losreissen. Doch so leicht machte ich es ihm nicht. Ich schlang die Arme um ihn und trat mit den Knien heftig gegen seinen Rücken. Versetzte ihm dann mit meinem rechten Faust einen Schlag gegen seine Schläfe. Einmal. Zweilmal. Dreimal. Umklammerte noch seine Hüfte mit meinen Beinen, was ziemlich besheuert aussah. Aber das war mir in diesem Moment egal. Ich wollte verhindern, dass er sich befreite und auch abhaute. Wir rangen lange miteinander. Aus purer Verzweiflung, weil er endlich loskommen wollte, warf er sich nun mit dem Rücken gegen die Hauswand. Und damit mich. Ich achtete nicht auf den heftigen Schmerz in meinem Rücken, hielt mich noch fester an ihm fest. Es schienen Stunden zu vergehen als endlich die Dunkelheit vom aufblitzenden Blaulicht durchbrochen wurde und unformierte Leute in den Garten stürmten. Ich atmete erleichtert auf. Fay hatte meine SMS bekommen. Sofort waren die Beamten da und umstellten uns. Mein Gegner hatte inzwischen aufgegeben. Ergeben hob er die Hände und ging auf die Knie. Zwei der Beamten ging auf. Einer ergriff seine Hände und legte ihm Handschellen an. Ein anderer griff nach der Sturmmaske und zog sie ihm vom Kopf herunter. Darunter kam weder das Gesicht von Mrs. Jenkins noch ihres Mannes zum Vorschein. Ich muss gestehen ich war ein wenig enttäuscht. So entsetzt wie sie war, dachte ich, dass sie erneut einen Versuch machte, uns eins rein zu würgen. Aber vielleicht hatte sie ihn ja angestiftet. Der Kerl, der vor uns auf dem Boden kniete, wusste natürlich, dass er in Schwierigkeiten steckte. Und bereute es sichtlich. Fay kam aus der Hintertür und kam zu mir. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte bloß. Dann wandte sie sich an den Einbrecher. Schaute ihn sich genau an. „Kennen Sie ihn?“, fragte der Beamte, der dem Mann die Handschellen angelegt hatte. Die Frage galt uns beiden. Mit einem Male kam mir das so unwirklich vor. Und als ich begann das alles zu begreifen und noch mal zu durchleben, merkte ich, dass ich eine Gänsehaut bekam. Dieser Einbrecher wollte uns überraschen. Uns attackieren. Uns womöglich auch umbringen. War er der Killer? Eine innere Stimme sagte, dass dem nicht so war. Dieser Kerl machte nicht den Eindruck, als sei er gestört genug, um diese Morde zu begehen. Vielmehr wirkte er, als sei er in was hineingeschlittert, was er selbst nicht begreifen konnte. Oder wollte. Ohne eine weitere Frage, führten die Polizisten den Mann ab. Einer von ihnen drehte sich dennoch zu uns um und sagte, dass wir uns für weitere Fragen bereit hallten sollten, falls noch welche anstehen sollten. Dann ging er ohne auf unsere Antwort zu warten. „Ob Mrs. Jenkins diesen Einbrecher angeheuert hat?“ Fay machte eine vage Handbewegung. Wir saßen am Frühstückstisch und versuchten uns das Geschehene irgendwie zu erklären. Noch immer hatte ich den Verdacht gehabt, dass Mrs. Jenkins ihre Finger im Spiel hatte. Es musste einfach so sein. „Möglich ist es!“, fragte Fay. „Aber dann müsste sie sich bewusst sein, dass er sie verrät!“ Das leuchtete ein. Aber vielleicht war sie so verblendet, dass ihr das nicht bewusst war. „Was passiert jetzt?“ Fay hob die Schultern. „Vermutlich werden Sie ihn befragen und der wird sicher auspacken, um seine eigene Haut zu retten!“, erklärte sie gelangweilt. Es klang so als hätte sie das schon hunderte Male erlebt. „Dann werden Sie zu Jenkins gehen, Sie damit konfrontieren, wobei Sie natürlich alles abstreiten wird. Wird sich irgendwelche Lügen ausdenken, die sie wiederum noch verdächtiger machen werden, wodurch das alles sich uuuuunnötig in die Länge zieht!“ Ich musste etwas grinsen. „Klingt ziemlich aufregend!“ „So als würde man dem Gras beim wachsen zu sehen!“ Ich kicherte. „Das alles entwickelt sich langsam zur einer Hexenjagd und ich fürchte, dass die gute Mrs. Jenkins nicht die einzige ist, die einen Hals auf uns hat!“, sagte Fay dann, wodurch sie bei mir einen Nerv traf und das Kichern erstarb. Ich musste mich daran erinnern, wie die Leute in der Gastwirtschaft mich angesehen haben und dann hinter meinen Rücken anfingen zu tuscheln. Ich hatte sogleich ein ungutes Gefühl. Fay hatte Recht. Dabei war ich mir in Bezug auf Mrs. Jenkins so sicher. Mist! Am Mittag klingelte es an der Tür. Natürlich wollte keiner von uns auf machen. Nach all dem wollten wir keinen sehen. Es war albern, aber weder Fay noch ich verspürten das Bedürfnis mich jemanden aus dem Dorf zu sprechen. Als es jedoch zum dritten Mal klingelte, öffnete ich dennoch. Pfarrer Remington stand da. Ich stöhnte innerlich. Auch noch der! Und ich konnte mir denken, um was es bei seinem Besuch ging. „Guten Tag, Pfarrer Remington!“, grüßte ich verhalten. Pfarrer Remington wirkte ein wenig verlegen. „Darf ich…darf ich reinkommen?“ Fast wollte ich schon „Nein!“, sagen. Riss mich aber zusammen. Auf keinen Fall wollte ich es mir auch noch mit ihm verscherzen. Wer weiss, was dann noch kommen würde. So ließ ich ihn rein. Fay war genauso unerfreut wie ich, ließ sich aber nichts anmerken. „Pfarrer Remington, was verschafft uns Ihren Besuch!“ Pfarrer Remington lächelte etwas. „Ich…ich hab gehört was gestern passiert ist!“, begann er. Ich musste mich zusammen nehmen, um nicht mit den Augen zu rollen. Klar, wer hatte nicht davon gehört. Das machte schließlich rasend schnell die Runde in diesem Kaff. „Sie müssen mir glauben. Ich kenne diesen Jungen und er ein guter Mensch. Hat sich nie etwas zu schulden kommen lassen!“, sagte er entschuldigend. Fay sagte nichts, hörte nur zu. Ich hingegen musste mir auf die Lippe beißen, um nicht spöttisch auf zu lachen. Musste aber dann innehalten. Ich selbst hielt den Kerl für jemanden, der nicht von sich aus zu sowas in der Lage ist. Vielmehr als hatte jemand ihn angestiftet. „Sie meinen, dass das nicht allein auf seine Kappe ging?“ Es klang eher wie eine Feststellung als eine Frage. Remington sah mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Zweifel an. „Können Sie sich vorstellen, wer der Drahtzieher ist?“ Nun überwog der Zweifel. Fay sah mich warnend an. Sagte mir mit ihren Blicken, die Ahnunglose zu spielen. Doch jetzt hatte ich die Bombe platzen lassen. Remington schüttelte den Kopf. „Nein. Ich kenne die Menschen, die hier leben. Niemand würde das tun!“ „Nicht mal Mrs. Jenkins?“ Fays Blick wurde nun panisch. Aber ich konnte einfach nicht die Klappe halten. Remingtons Augen verengten sich. „Das ist eine schwere Anschuldigung!“, sagte er. „Was heißt hier schwer!“, meinte ich. „Dieser alten Hexe traue ich alles zu!“ „Sie sollten nicht einfach jemanden verurteilen, ohne einen Beweis!“ „Jaja. Kommen Sie mir jetzt nicht damit. „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen nächsten!“. Ich kenne das Gebot!“ „Richtig. Und ich werde es nicht dulden, dass Sie so über jemanden aus meiner Gemeinde reden!“ Ich wollte schon zu einer gepfefferten Erwiderung ansetzen, als ich seinen Blick sah. Sofort begann ich zu frösteln. Sein Blick hatte etwas drohendes. Und etwas sagte mir, dass ich nun nichts mehr falsches sagen sollte. „Sie wollte sicher nicht schlechtes über Mrs. Jenkins sagen. Es ist nur, dass das uns langsam an die Substanz geht!“, mischte sich nun Fay ein um die Wogen zu glätten. Wiedermal. Remington schien das zu besänftigen. „Das verstehe ich natürlich. Dennoch bitte ich Sie, Sie beide, mit solchen Vorwürfen sich zurück zu halten!“ Wieder lag mir etwas auf der Zunge, was ich zu gern los werden wollte, doch da sah mich Fay warnend an. Und dieses Mal hörte ich auf sie. Statt etwas zu sagen, nickte ich nur. Es wunderte mich nicht, dass unser nächtlicher Besucher auch in der Gaststätte das Gesprächsthema Nummer Eins war. Kaum dass ich in die Küche kam, hielten alle bei ihrer Arbeit inne und schauten mich an, als sei ich unerwartet aus dem Knast gekommen. Ich ließ mich davon nicht einschüchtern und zog mich um. Die ganze Zeit, während ich kellnerte, spürte ich deutlich die Blicke, die mir die Gäste zu warfen. Und auch was sie hinter meinem Rücken tuschelten. Zum zigten Mal. „Bei den Lesben wollte jemand einbrechen!“ „Ja, hab ich auch gehört!“ „Weiss man, wer es war?“ „Nein. Aber sicher war es der Killer!“ „Wieso der?“ Darauf war ich jetzt auch gespannt. Ich hatte auch vorher schon mit diesem Gedanken gespielt. Und es dennoch verdrängt. Auch wenn das die nächste Möglichkeit gewesen wäre. Warum aber dann so auffällig. Er müsste doch wissen, dass er dabei aufflog. Und sein Leben lang im Knast verbringen würde. Oder viel wahrschienlicher in der Klapse landete. Nein. Das war sicher nur ein Typ, der uns eins rein würgen wollte. Und das sicher nicht aus eigenem Antrieb. Wieder musste ich an Jenkins denken und mein Ärger bekam neue Nahrung. Dabei musste ich auch an die Unterhaltung mit dem Pfarrer denken. Und an den Blick, den er hatte als ich Jenkins verdächtige. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Bis jetzt hatte ich immer gedacht, dass Pfarrer Remington der typische Pfarrer des Dorfes war. Stets besorgt um das Seelenheil seiner Gemeinde und darauf bemüht über seine Schäfchen zu wachen. Aber nun... Hatte ich das Gefühl, dass hinter der Maske des Pfarrers mehr steckte als ein Mann Gottes. Plötzlich flog die Tür zus Gaststätte auf und ein wutentbrannter Mann stürmte hinein. „Wo ist das Mistsück, was meinen Jungen angezeigt hat?“ Schlagartig war es mucksmäuschen still und alle der Anwesenden schauten zu dem Neuankömmling. Ich blieb da stehen, wo und wie ich war und rührte mich nicht. Fuck! Das musste ja so kommen. Als niemand etwa sagte, tobte der Mann erneut. „Du!“ Ich zuckte zusammen. Wenn ich mir vorher die Mühe gemacht habe, mich nicht verdächtig zu machen, musste ich nun einsehen, dass das ein Schuss in den Ofen war. Ich hörte, wie er auf mich zu stapfte. Gerade wollte ich mich umdrehen, da packte er mich schon an der Schulter und wirbelte mich zu ihm herum. Kaum blickte ich ihm ins Gesicht, hatte er mich schon am Kragen und schüttelte mich. „Du verdammte Drecksschlampe!“ „Ganz ruhig, Joseph!“, mischte sich mein Chef ein und kam hinzu. Er wollte ihn von mir lösen, doch soleicht ließ sich der wütender Kerl nicht beruhigen. „Halt dich da raus. Das ist was zwischen mir und dieser wideerlichen Lesbe!“ Dann wandte er sich wieder an mich. „Was fällt dir ein, meinen Jungen an zu zeigen?“ „Er hat versucht bei uns ein zu brechen!“, presste ich hervor, weil ich trotz der bevorstehenden Eskalation, nicht einsah, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. „Lüge!“, schrie er mir ins Gesicht. „Alles nur Lügen. Du bist an allem Schuld. Du und deine Freundin!“ Da hob er die andere Hand und formte sie zu Faust. Wollte er mich wirklich schlagen? Hier, vor aller Leuten. Ich blickte mich flüchtig um. Doch keiner der Anwesenden schien Interesse zu haben, mir zu helfen. Mal abgesehen von meinem Boss, der kaklweiss da stand und erstmal nicht begriff, was hier vor sich ging. Bevor er jedoch einschreiten konnte, zog der Kerl seine Faus zurück um sie dann auf mich zurasen zu lassen. Doch bevor er mich treffen konnte, wurde er von einer anderen Hand gestoppt. Die Zeit schien für einen kurzen Moment stehen zu bleiben und wir alle starrten auf den, der den Schlag verhindert hatte. Es war Pfarrer Remington! Ich war noch nie so froh gewesen. Und kurz vergass ich auch dieses Schauern, was mich beschlichen hatte. „Lass auf der Stelle die Faust sinken, Joseph. Oder muss ich die Polizei rufen?“ „Halten Sie sich da raus, Remington!“, grunzte Joseph, ließ mich nicht aus den Augen. Als ob ich abhauen würde. Noch immer hielt er mich fest. „Nein. Egal, was du denkst. Die Hand gegen jemanden zu erheben, und noch dazu gegen einer Frau, macht es nur noch schlimmer!“ „Das ist keine Frau!“, knurrte Joseph. „Sie müssen es doch selber zugeben. Seit sie hier sind, gibt es nur Ärger!“ „Den hatten wir auch schon, bevor sie kamen!“, rief Remington ihm ins Gewissen. Noch immer flackerte Wut in Josephs Augen. Und ich fürchtete schon, er würde trotz Remingtons gutem Zureden zuschlagen. Aber dann ließ er mich doch los. Machte einen Schritt zurück und drehte sich dann schaubend um. Ohne ein weiteres Wort stapfte er davon. Ich atmete erleichtert auf. Das war knapp. Aber als ich Remington danken wollte, sah ich dass er mich finster anschaute. Ich schluckte die Worte hinunter, weil ich das Gefühl hatte, dass sie unangebracht waren. „Sie sollten lieber gehen!“, sagte er nur. „Das denke ich auch. Noch mehr Ärger kann ich nicht gebrauchen!“, sagte nun auch mein Chef. Und ich hatte das dumme Gefühl, dass da noch was kam. „Im Interesse aller, halte ich es für das Beste, wenn du deine Sachen nimmst und gehst!“ Mehr musste er nicht mehr sagen, da ich wusste, was das hieß. Ich bin gefeuert. Und zu meiner Überraschung wunderte mich das nicht. Ich war nicht mal niedergeschlagen. Viel mehr verspürte ich so etwas wie kalte Gleichgültigkeit. Wortlos ging ich meine Sachen holen, nahm die Schürze ab und verließ das Lokal. Fay wirkte ziemlich besorgt, als ich erzählte, was passiert war. Und ich teilte auch ihre Sorge. Wenn schon ein aufgebrachter Vater auf mich los ging, nur weil ich seinen Sohn wegen Einbruchs angzeigt habe, was würde dann noch auf uns zu kommen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie irgendwann mit Mistgabeln und Fackeln vor unserer Tür stehen und uns aus dem Dorf vertreiben. Uns womöglich noch schlimmeres antaten. Ich schüttelte mich, weil ich mich plötzlich an das finstere Mittelalter erinnerte, in dem angebliche Hexen aus welchen Gründen auch immer, auf dem Scheiterhaufen landeten. „Sollten wir die Polizei rufen. Ich meine, Ihnen sagen, dass man versucht uns Angst ein zu jagen!“, schlug ich mit belegter Stimme vor. „Haben die sich überhaupt gemeldet?“ Fays Gesicht wurde nun finster und sie murrte. „Die Untersuchungen laufen noch!“, sagte sie. „Aber so wie es aussieht steht unser Wort gegen seines!“ „In wiefern? Die haben doch gesehen, was Sache ist!“ „Ja, aber der Kerl behauptet, dass es sich hierbei um einen missglückten Streich handelt!“ Mir fiel alles aus dem Gesicht. Missglückter Streich? „Sicher wird er mit einer Verwarnung davon kommen!“, erklärte Fay. Das wurde ja immer besser. Ich hatrte einiges dazu zu sagen, verkniff es mir aber. Der kleine Vorfall in der Gaststätte hatte doch Spuren bei mir hinterlassen. Der Vater war drauf und dran gewesen mich fertig zu machen. Das bildete ich mir nicht ein. Sondern ich habe es deutlich in seinem Blick gesehen. Und mir graute davor, was noch kommen würde. „Wäre es möglich, dass wir Polizeischutz bekommen?“ Ich fühlte mich auf einmal müde und zerschlagen. Fay lächelte schwach. „Mit was für einer Begründung? Etwa das wir fürchten von den Leuten gelyncht zu werden?“ „Ja, verdammt. Immerhin rennt hier ein gestörter Killer rum und wir haben ihm mehr als einen guten Grund gegeben, um auf seinerListe zustehen!“, platzte es aus mir raus. „Die Polizei hier denkt leider nicht so!“, sagte Fay. „Für die ist das alles hier der typische Kleinkrieg von wütenden Leuten, die ein Problem mit einander haben!“ Gerade wollte ich darauf etwas erwidern. Doch Fay hob die Hand. „Glaub mir, ich fühle mich auch nicht gerade wohl. Und ich würde zu gerne alles hinschmeißen, aber wir sind kurz davor den Typen zu schnappen!“ „Du denkst, dass der Killer ein ER ist!“, fragte ich zweifelnd. Für mich war diese alte Schreckschraube unsere Verdächtige Nummer eins. „An wen denkst du da?“ „An den Pfarrer!“ Fays Antwort traf mich unerwartet und dennoch stimmte sie dabei etwas in mir an. Es war wie eine dünne, feine Saite, die zu schwingen begann. Ich musste daran denken, wie er mich angesehen hatte als ich etwas über Mrs. Jenkins gesagt hatte. So lauernd und gefährlich, dass ich schaudern musste. „Du meinst wirklich, dass Remington dahinter steckt?“ „Wer sonst? Wer sonst weiß so gut über jeden bescheid?“ „Aber sollte er nicht besser wissen, dass das falsch ist. Das er damit selbst gegen die Gebote verstößt!“ Fays Blick wurde aufeinmal düster. „Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mann Gottes selbst die Initiative ergreift und sich die Hände schmutig macht, weil es aus seiner Sicht richtig ist!“ Mit anderen Worten: Wir sind wieder im Mittelalter und wer auch immer der Killer ist, er denkt, dass er der Richter ist! „Vielleicht sollten wir Lex anrufen und ihn bitten uns zu beschatten!“ Mir war irgendwie nicht wohl dabei. Ein Killer! Zwei Verdächtige! Auch wenn es mir nicht gefiel, nahm die Sache langsam Fahrt auf. Fay teilte wohl meinen Gedanken und wählte sogleich die Nummer von Lex. „Ich soll auf euch aufpassen?“ Lex staunte, als wir ihm erzählten, was sich die letzte Zeit abgespielt hatte. Doch das legte sich dann wieder. „Hm, wäre wohl das Beste!“, murmelte er. „Nach allem was ihr mir so erzählt habt!“ „Habt Ihr schon eine bestimmte Person im Verdacht?“ „Sogar zwei!“, sagte Fay und hob zwei Finger hoch. „Und wen?“ „Einmal unsere liebe Nachbarin und den Pfarrer der Gemeinde!“ Beim letzten hob Lex die Brauen. „Ernshaft?“ Offensichtlich glaubte Lex auch nicht daran, dass der Pfarrer der Täter ist. Aber dann. „Naja, wäre nicht das erste Mal. Wobei das ziemlich klischeehaft wäre!“ „Vielleicht stecken auch beider dahinter!“, schlug ich vor. Ich hatte dieses rumrätseln satt. Fay und Lex tauschten Blicke. „Wäre auch möglich. Pfarrer Remington weiss über jeden bescheid und diese Hexe scheint auch einen guten Draht zu ihm zuhaben!“, grübelte Fay. „Dann schlage ich vor, dass wir uns die Gute mal vorknöpfen. Wenn die beiden wirklich zusammen arbeiten, dann müssen wir uns an sie halten. Sie scheint die Schwachstelle zu sein!“ Wenig später brachte ich den Müll raus. Bevor Lex ging, sagte er, dass wir ihm bescheid geben sollten, sollte sich was verdächtiges tun. Er würde sich hier in einem Hotel ein Zimmer nehmen und auf unseren Anruf warten. Sollte das passieren würden er und Fay Mrs. Jenkins beschatten und dann zuschlagen. Mein Aufgabe? Ich sollte Schmiere stehen und dafür sorgen, dass keine stiften ging. Wie ich das jedoch machen sollte? Keine Ahnung! Fay grinste. „Hau einfach zu. Du triffst schon!“ Ich konnte darüber nicht lächeln. Noch immer musste ich darüber nachgrübeln und fragte mich, ob das wirklich alles so reibungslos ablaufen würde, wie Lex und Fay sich das dachten. Das alles klang viel zu einfach. Aber andererseits hatten Lex und Fay das sicher zigmal gemacht. Ganz ruhig, Allison. Das wird schon, redete ich mir ein. „Muss das sein? Können wir es nicht gut sein lassen?“, hörte ich jemanden jammern. „Ich kann das nicht!“ „Stell dich nicht so an. Bei dem letzten Mal hattest du nichts dagegen!“ Sofort spitzte ich meine Ohren. Diese Stimme kannte ich doch. Mr und Mrs. Jenkins! Worüber unterhielten die sich da? „Du weisst genau, dass ich nicht der Typ dafür bin und das mir Gewalt zu wider ist!“ „Du wusstest genau auf was du dich da einlässt!“ „Wieso bist du nur so versessen darauf?“ „Du weisst wieso!“, zischte sie. Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Sie standen nicht gerade nah von mir entfernt und schienen mich nicht bemerkt zu haben. Trotzdem konnte ich deutlich hören, was sich da zwischen den beiden abspielte. Und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich wartete noch kurz, dann machte ich mich ins Haus und gab Fay bescheid. Die griff sofort nach dem Handy und alarmierte Lex. Sobald es dunkel wurde, schlichen Fay und ich uns aus dem Haus und nahmen den Weg durch die Hintergarten zu dem des Ehepaares Jenkins. Lex wartete auf uns bereits. Kaum das wir bei ihm waren, drückte er Fay eine Glock in die Hand, die Fay sofort entsicherte. Ich musste schlucken und war nun froh, dass ich nur Schmiere stehen sollte. „Warte hier!“, wies mich Fay an. Ich nickte. Was anderes konnte ich nicht machen. Lex machte sich an der Hintertür zu schaffen und öffnete diese lautlos mit einem Dietrich. Er ging als erster, schaute ob die Luft rein war und gab Fay ein Zeichen ihm zu folgen. Langsam und mit vorgestreckter Waffe durchschritten sie die Küche, die im Dunkeln lag. Dann lichen sie ins Wohnzimmer. Auch hier war alles dunkel. Als nächstes war das Schlafzimmer dran. Nichts. Lex warf Fay einen Blick zu. Mehr Möglichkeiten sich zu verstecken oder was auch immer zu machen blieb nicht mehr. Da drang plötzlich ein dumpfer Laut durch die Bretter unter ihnen. Zuerst wussten sie nicht was das für ein Geräusch war. Als es sich dann aber wiederholte, erkannten sie es. Es war ein Stöhnen. Fay und Lex waren sofort alarmiert und schauten sich angespannt um. Woher kam dieser Laut und wie kamen sie dorthin. Lex hielt plötzlich inne und winkte Fay zu. Zeigte dabei auf etwas. Fay folgte seinem Finger und musste fast lächeln, als sie die Tür entdeckte. Beide gingen auf diese zu und als Lex sie öffnete, kam eine Treppe dahinter zum Vorschein, die nach unten führte. Natürlich. Der Keller! Fay schaute ihren Bruder mit einem schiefen Grinsen an. „Echt jetzt!“ Leise aber auch zügig liefen sie die Stufen hinunter und standen dann vor einer weiteren Tür. Diese war jedoch nur angelehnt. „Ziemlich nachlässig!“, raunte Fay. Lex zuckte nur die Schultern und drückte sie auf. Kurz warteten sie einen Moment, dann gingen sie in den Raum daneben. Dumpfes Murmeln war zu hören, doch als sie näherkamen, wurde das Murmeln deutlicher. „Nein, bitte nicht!“, hörten sie eine Männerstimme jammern. „Sei ruhig. Du bist selber dran schuld!“, keifte eine weitere Stimme. Diese erkannte Fay sofort. „Das ist Mrs. Jenkins!“ Lex sagte nichts dazu, sondern spannte sich an. „Bitte, ich flehe Sie an!“ Lex hielt fünf Finger hoch und zog einen nach dem anderen ein. Zählte so runter. Als er bei Null war, machten sie einen Satz nach vorne und hielten ihre Waffen hoch. Bereit zu schießen, wenn es nötig sein musste. „Keine Beweg…What the Fuck?“ Mit allem hätte Fay gerechnet. Zumindest was mit Mord zu tun hätte. Aber das nicht. Anstatt Mrs. Jenkins über einem weiteren Opfer stehend zu sehen, die einen Dolch hielt, stand sie vor ihrem Mann, der an einem Andreakreuz gefesselt war und nichts außer einer ledernen Unterhose anhatte. Sie selbst trug ebenso wenig. Eine Ledercorsage, einen Tanga und hochhackige Stiefel. In ihrer Hand eine Gerte. Fay dachte, sie wäre im falschen Film. Verstohlen schaute sie sich um. Sah dass an den kahlen Steinwänden einige an diverse Sachen hingen. Paddel, Peitschen, Nippelklemmen, Knebel und sogar Dildos in allen Variationen. Eine peinliche Stille entstand. Dann aber musste Fay breitgrinsen. „Mrs. Jenkins!“, sagte sie gedehnt und gab sich alle Mühe schockiert zu wirken. Mrs. Jenkins schien auch erstmal nicht zu verstehen, doch dann schoss die Schamesröte in ihr Gesicht. „Was in Gottes Namen machen Sie hier?“ Fay grinste verschlagen. „Vorsicht! An ihrer Stelle würde ic ganz leise sein. Oder soll ich allen Mal erzählen, was für eine Neigung sie haben. Den einen oder anderen dürfte das sicher interessieren!“ Mrs. Jenkins wurde kreidebleich. „Das wagen Sie nicht!“ „Wollen wir wetten? Nach dem ganzen Terror den wir Ihnen zu verdanken haben, wäre das nur fair!“ Man sah Mrs. Jenkins deutlich an, dass sie um Fassung rang. Dann schaute sie auf die Waffen, die Fay und Lex immer noch auf sie richteten. „Wieso sind Sie überhaupt hier? Was haben Sie vor? Wollen Sie uns etwa erschiessen?“ „Nein!“, sagte Lex, konnte sich ein Grinsen aber auch nicht verkneifen. „Gestatten, Scotland Yard!“ Mit diesen Worten steckte er die Waffe weg und holte dafür seinen Ausweis. Ebenso Fay. Mrs. Jenkins Augen traten soweit aus den Höhlen hervor, dass Fay schon dachte, sie würden ihr rausfallen. „Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten!“ „Ich werde mal unseren Azubi holen und Entwarnung geben!“, sagte Lex und sagte noch schadenfroh an das Ehepaar:„ Nicht weglaufen!“ Fay grinste nur. Dann wandte sie sich wieder an Mrs. Jenkins. „Also. Wie gesagt bin ich von Scotland Yard. Ebenso meine…Freundin. Und wir ermitteln in diesem Mordfall, der hier ja die Runde macht. Können Sie uns mehr darüber sagen?“ Mrs. Jenkins verstand nicht wirklich. Immernoch war sie wie vom Blitz getroffen. Dann aber schien sie sich zu besinnen und zu begreifen. „Scotland…Scotland Yard!“, stammelte sie dann und schüttelte schließlich den Kopf. „Nein…nein!“ Fay nahm ihr das nicht ab. Aber bevor sie weiterhacken konnte, kam Lex die Treppe hinunter gerannt und war aufgekratzt. „Fay, wir haben ein Problem!“, sagte er hekcitsch und schaute hoch zur Treppe. „Wieso? Was ist los?!“, fragte sie und wunderte sich was in ihren Bruder gefahren war. Dann aber sah sie, das Allison nicht dabei war. „Lex, wo ist wo ist Allison?“ Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, wie ich über den Boden gezogen wurde. In meinem Kopf war ein zäher Nebel. Ich wusste erstmal nicht, was passiert war. Ich blinzelte paar Mal um den Schleier, der mir die Sicht nahm los zu werden. Doch kaum das die Sicht besser wurde, begann mein Schädel zu dröhnen, als hätte ich zu tief ins Glas geschaut. Außerdem war mir speiübel. Noch dazu kam, dass sich meine Schläfe seltsam nass anfühlte. Ich wollte die Hand heben um diese ab zu tasten. Doch da fiel ich auf den Boden und konnte ein schmerzhaftes Stöhnen nicht unterdrücken. Ich blieb einige Atemzüge ruhig liegen. Tastete aber dann vorsichtig den Boden unter mir ab. Ich fühlte Erde, feuchtes Laub und einige kleine Steine. Über mir sah ich den dunklen Nachthimmel und einige Bäume. War ich in einem Wald? Wie war ich hierher gekommen? Und wer hat mich hier hin gebracht? „Komm zu dir, Allison!“, hörte ich Erik wie aus weiter Ferne. „Erik!“, flüsterte ich und schaute hoch. Sah wie sich dann jemand über mich beugte. „Erik?“ „Nein, tut mir leid, mein Kind. Aber ich bin nicht Erik!“, sprach dieser Jemand sanft zu mir. Doch es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich kannte die Stimme. „Vater Remington?“ In kurzen Stichpunkten erzählte Lex Fay was passiert war, als er das Haus verlassen hatte. Allison war verschwunden! Der einzige Hinweis, was mit ihr geschehen war, war das Blut, welches auf einem Stein klebte und frisch glänzte. Fays Gedanken überschlugen sich und sie warf Mrs. Jenkins einen drohenden Blick zu. „Sollten Sie auch nur das Geringste damit zu tun haben, zeige ich Ihnen was wirkliche Schmerzen sind!“ Dann verließen sie den Keller und das Haus. „Ich rufe sofort bei der örtlichen Polizei an und geben denen bescheid!“, sagte Lex, während sie zum Auto liefen und einstiegen. „Wer hat sie? Und wohin ist sie verschleppt worden?“, kam es aufgebracht von Fay, die sich anschnallte. Lexs Gesicht war wild entschlossen. Er startete den Motor. „Keine Ahnung. Aber er kann nicht weit sein!“, sagte er. Und wählte die Nummer der Polizei. Gab ihnen bescheid, dass eine Entführung stattgefunden hatte und dass sie alle verfügbaren Kollgen schicken sollten. Während schaute Fay besorgt drein. Sie machte sich schreckliche Sorgen aber noch mehr machte sie sich Vorwürfe. „Das ist meine Schuld. Ich hätte sie nicht allein lassen sollen!“ Lex warf ihr kurz einen Blick zu und biss sich auf die Unterlippe. Auch er machte sich Sorgen um Allison, aber es war keinem von ihnen geholfen, wenn sie sich jetzt gegenseitig den schwarzen Peter zu schoben. „Du bist nicht schuld daran. Damit hatte keiner von uns gerechnet?“ „Wir hätten wachsamer sein sollen!“, warf Fay dazwischen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Und jetzt ist Allison in Gefahr und wir wissen nicht, wo sie ist!“ „Sie ist im Wald!“, kam es plötzlich von der Rückbank. Lex und Fay fuhren zusammen, was zur Folge hatte, dass Lex das Lenkrad verriss und der Wagen kurz ins Schlingern geriet. Als Lex wieder die Kontrolle über den Wagen hatte, drehte er sich um sah Erik dort sitzen. „Waszur Hölle machst du hier?“ Erik sah ihn schräg von der Seite an. „Euch sagen, wo Allison ist!“ „Und woher wiesst du das?“ „Willst du wirklich jetzt darüber mit mir streiten?“, kam es gereizt von Erik. „Uns läuft die Zeit davon!“ „Wieso bist du dann nicht bei ihr?“, schnaubte Fay. Ihre Sorge schlug ihn Wut um. Erik war ihr Beschützer und anstatt bei ihr zu sein, vergeudete er wertvolle Zeit. Erik sah sie finster an. „Wir treffen uns dort. Bis gleich!“ „Wo genau? Im Wald?“, fragte Lex. Doch da war Erik schon weg. „Was….verdammt!“, schnaubte Lex und lenkte den Wagen Richtung Wald. Meine Versuche mih zu wehren, als Vater Remington mich an einen Baum fesselte, waren nicht der Rede wert. Ich war immernoch zu ausgeknockt als das ich etwas gegen ihn ausrichten konnte. Und so saß ich da, auf dem feuchten Waldboden. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn böse an zu sehen und ihm hinundwieder einige Beleidgungen an den Kopf zu werfen. Diese überhörte er jedoch. Als wenn er alle Zeit der Welt hätte, zog er sich etwas über, was wie einn Gewand aussah und holte etwas aus einer kleinen Schatulle. Kurz blitzte es auf und als er sich um drehte, spannte sich alles in mir an. Ein Dolch! „Denken Sie wirklich, dass Sie damit durchkommen? Meine Freundin wird sicher schon die Polizei gerufen haben!“ Vater Remington lächelte milde. „Bis jetzt bin ich das. Und um deine kleine Hurenfreundin werde ich mich auch noch kümmern!“ Mir wurde noch übler als vorher schon und ich spukte ihn an. Fay hatte Recht gehabt. Hinter all dem steckte der Geistliche. Ich könnte mich ohrfeigen, wären mir die Hände nicht gebunden. „Und welche Zahl wird mir ehrenvoll eingeritzt?“ „Kannst du dir das nicht denken, du verkommenes Weib?“ „Sie sind krank!“ „Nein, ich bin auserwählt. Die Welt von Sündern zu befreien!“ „Da haben Sie sich ja was vorgenommen!“, giftete ich. „Irgendwo muss ich ja anfangen!“ Bedrohlich kam er dann näher. Ich rutschte automatisch zurück, was durch den Baum jedoch verhindert wurde. „Bleiben Sie mir vom Leib!“, fauchte ich und trat nach ihm. Vater Remington hatte immernoch dieses Lächeln, aber seine Worte waren eiskalt. „Keine Angst. Ich mache es schnell!“, versprach er und begann auf einmal das „Vater unser!“, runter zu beten. Kranker ging es echt nicht. Verzweifelt trat ich nach ihm, doch er wich meinen Tritten aus und setzte sich dann auf meine Beine. Dann packte ermich am Hals und drückte mir den Kopf gegen das Holz. Ich röchelte und bäumte mich unter ihm auf. Sah aus zusammengekniffenen Augen zu ihm auf und sah, wie er mit der anderen Hand den Dolch hob und mit der Spitze auf meine Brust zielte. Als er mit „Amen“, endete, stiess er zu und ich schloss die Augen in Erwartung des tödlichen Stoßes. Dieser kam jedoch nicht. Denn etwas musste sich auf ihn geworfen und zur Seite gerissen haben. Sobald der Griff um meine Kehle verschwunden war, rang ich nach Luft und schaute zum Vater, der sich wie wild über den Boden wälzte und auf etwas einschlug. Was es war, konnte ich nicht erkennen Aber ich konnte ein bedrohliches Knurren und wildes Kläffen hören. Wie gebannt sah ich zu, wie dieser Scheisskerl um sein Leben kämpfte und schrie und ich genoss es. Fast schon wollte ich meinen Retter anfeuern. Ich hoffte sehr, dass er ihm den Kopf abriss. „Alli?“, hörte ich plötzlich neben mir und mein Herz machte einen Hüpfer. Ich drehte den Kopf und blickte direkt in Fays Gesicht. „Fay!“ Aufeinmal liefen mir Tränen über die Wangen. Schnell machte sie die Fesseln los. Stürmisch fiel sie mir um den Hals und sagte immer wieder, dass es ihr leidtäte. Ich schluchzte nur und lachte auch. Nur nebenbei sah ich wie nun mehrere Leute auftauchten. Unter ihnen auch Lex. Hey, alles okay?“, fragte er. Ich nickte. „J…Ja!“ Lex lächelte und strubbelte mir durchs Haar. Eigentlich würde ichihm dafür eine knallen, weil ich mir dabei wie ein kleines Kind vorkam, aber ich war so heilfroh, dass mich noch rechtzeitig gefunden hatten, dass mir das ziemlich egal war. „Man kann dich auch keine Minute allein lassen!“, witzelte er, was ihm inen bösen Blick von Fay einbrachte. „Gib mir einfach nächstes Mal auch eine Glock!“, konterte ich. Nun mussten wir alle drei lachen. Doch unsere kleine muntere Unterhaltung wurde unterbrochen, als wir das wütende Rumbrüllen des Pfarrers hörten. „Lasst mich los, Ihr Narren!“, schrie er. Wir blickten zu ihm. Sahen wie er sich gegen die Polizisten wehrte, die ihn abführten. Dann als er an uns vorbeigeschliffen wurde, warf er uns einen hasserfüllten Blick zu. „Ihr! Ihr elenden Huren. Dafür werdet Ihr in der Hölle brennen. Möge das Höllenfeuer Euer Fleisch verzehren und Euch unglaubliche Qualen bereiten!“ Fay erhob sich und baute sich vor ihm auf. Ich musste nicht sehen, mit was für einen Blick sie ihn ansah, denn der Pfarrer wich auf der Stelle vor ihr zurück als ihn anblickte. Sie musste ihn mit dermaßen Zorn angesehen haben, dass er sofort still wurde. „Schafft ihn weg, bevor ich mich vergesse!“, zischte sie durch zusamen gebissenen Zähnen. Ein Arzt schaute sich später meine Kopfwunde an und erklärte mir, dass es nicht weiter schlimm war. Fragte ich ob mir übel wäre. Als ich verneinte, schien er beruhigt. Verband sie dennoch mit einem Pflaster und legte mir ans Herz, dass, sollte es mir schlechter gehen, ich sofort ins Krankenhaus gehen solle. Als alles vorbei war, packten wir zusammen und fuhren Heim. Wir waren allesamt froh, dass es nun vorbei war und Ruhe einkehrte. Doch als unser Haus in Sicht kam, sahen wir auch schon die Menschentraube, die sich auf der Strasse versammelt hatte. Das ganze Dorf musste auf den Beinen sein. Einige der Polizisten waren auch da und unterhielten sich mit einigen von ihnen. Wir alle stöhnten auf. Eins musste man der Polizei lassen. Wenn es sein musste, konnten die echt fix sein. Etwas abseits standen Mr. und Mrs. Jenkins und schauten etwas verdrießlich drein. „Machen wir es schnell!“, raunte Faymir zu. Ich hatte nichts dagegen. Alle zusammen stießen wir die Türen des Autos auf und machten dass wir ins Haus kamen. Krachend fiel die Tür ins Schloss. Wenig später, als ich warm geduscht hatte und mich einigermaßen erholt hatte, saßen wir auf der Couch und tranken heiße Schokolade. Wobei mir eigentlich nach was Hochprozentigem war. „Was macht dein Kopf?“, fragte Fay. Ich tastete nach dem Verband und zuckte etwas zusammen. „Geht so!“ „Du hattest Recht, was den Pfarrer anging!“ „Glaub mir, ich fühle mich dabei nicht gerade besser!“, kam es gedämpft von ihr. „Jetzt ist dieser Spinner weggesperrt. Und ihr könnt ruhig schlafen!“ Da verzog Fay das Gesicht. „Ich bezweilfe, dass ich in nächster Zeit schlafen werde geschweige denn die Augen zumachen kann, ohne Mrs. Jenkins als Domina zu sehen!“, jammerte Fay. „Ich werde sehr viel Alk brauchen um das zu vergessen!“ Mir wäre beinahe die Tasse aus der Hand gefallen, als ich das hörte. „Halt was?“ Lex grinste breit. „Ach, stimmt ja. Das weisst du ja noch nicht!“, feixte er und erzählte alles ganz ausführlich und mit einem blitzen in den Augen. Ich glaubte nicht, was ich da hörte. Diese verklemmt, rumpredigende Mrs.Jenkins, die uns das Leben schwer machte, weil wir nicht in Ihr Weltbild passten, war eine Domina. Ich musste schallend lachen. Das war die beste Nachricht an diesem Abend. Aber ich war auch sprachlos. So was Verlogenes. Ich hoffte, dass sie daran noch lange zuknabbern hatte, dass Lex und Fay ihr kleines Geheimnis entdeckt hatten. „Wäre ich nur dabei gewesen. Ich hätte die Alte dermaßen zerlegt!“, knurrte ich. Fay kicherte. „Zerbrich dir darüber nicht den Kopf!“ „Richtig, morgen packen wir alles zusammen und dann verlassen wir dieses Kaff!“, pflichtete Lex ihr bei und hob die Tasse um an zu stossen. Irgendwann gingen wir ins Bett. Das heißt Fay und ich schliefen in unser Bett, während wir Lex auf die Couch verbannt hatten. Doch schlafen konnte ich nicht. Die letzten vergangenen Stunden hatten ihre Spuren bei mir hinterlassen und ich konnte die Erinnerung daran nicht abschüttlen. Wann immer ich die Augen schloss, sah ich wieder Pfarrer Remington, der über mir war und mich ermorden wollte. Der Wahnsinn in seinem Blick verfolgte mich wie einen schrecklichen Alptraum und machte es mir schwer Ruhe zu finden. Dass mich Dämonen töten wollten, war nichts Neues für mich. Ich hatte mich irgendwie daran gewöhnt. Aber dieses Mal war es ein Mensch. Noch dazu ein Pfarrer. Ich war nicht gerade naiv was das betraf. Ich wusste ja selbst, dass Menschen aus welchen Gründen auch immer zu Monstern werden konnten. Schließlich war mein Vater selbst ein Polizist und ich bekam schon das eine oder andere mit. Dennoch hatte es mich tief getroffen. Und es würde mich noch die ganze Nacht lang beschäftigen. Schließlich gab ich es auf und stieg aus dem Bett. Ich ging geradewegs in die Küche und wollte nach draußen an die frische Luft. Mittlerweile war es wieder ruhig draußen, sodass ich in Ruhe dort stehen und ein wenig frische Luft schnappen konnte. Ich legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. „Es ist vorbei!“, begann ich dann vor mich hin zu murmeln. „Endlich vorbei!“ „Es ist noch nicht vorbei…Es ist noch nicht vorbei!“, brabbelte der Pfarrer vor sich hin wie ein Mantra. „Es ist noch nicht vorbei!“ Laut stiess er dann immer wieder diesen Satz aus und schlug gegen die Stäbe seiner Zelle. Im Nebenraum saßen die Polizisten, die die Nachtwache hatten. Aber sie hörten nicht auf daswas der Insasse sagte. Für sie war er ein weiterer Straftäter, der die Nacht hier verbringen sollte und morgen dann abtransportiert wird, um vor dem Richter geführt zu werden. „Ahnungslos…allesamt ahnungslos. Versteht Ihr denn nicht? Das Böse greift um sich. Und verdirbt alle Menschen. Macht sie zu Sündern. Zu Werkzeugen des Teufels!“, sinnierte er. „Und ich…Ich bin der einzige, der das stoppen kann!“ Er war so in diesem Wahn versunken, dass er nicht merkte, wie die Lampen an der Decke, die den Flur erleuchteten, eine nach der anderen flackerte und dann erlosch. Erst als die Lampe in seiner Zelle ebenso ausging, hielt er inne und schaute hoch. Was war los? Sicher ein Stromausfall, dachte er dann und wartete darauf, dass das Licht wieder anging. Als es jedoch weiterhin dunkel blieb, wurde er langsam nervös. Mit einem wachsenden Unwohlsein stierte er in die Dunkelheit und rief nach den Polizisten. Doch sie schienen ihn nicht zu hören. Oder wollten es nicht. Was sollte das? Wieso hörten Sie ihn nicht? Noch immer schaute er in die Dunkelheit. Spielten ihm seine Augen einen Streich oder wurde die Dunkelheitundurchdringlich. Fast schon erdrückend. Noch dazu kam mit dieser Dunkelheit eine beissende Kälte, die ihn zusammen fahren ließ und ihn zum Zittern brachte. Wie ein Leichentuch legte sie sich um ihn und schien ihm die Luft zu rauben. In kleinen weißen Wolken stieg sein Atem auf. Mehr und mehr kroch die Kälte durch seine Kleider und bohrte sich wie tausend Nadeln in seinen Körper. Vater Remington spürte deutlich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Etwas bedrohliches lag in der Luft und er spürte, dass er nicht allein war. Sogleich bekreuzte er sich und betete. Da packte ihn etwas ihn und warf ihn brutal gegen die Gitter. Die Wucht trieb ihn die Luft aus den Lungen und er rang nach Atem. Doch er hatte nicht die Gelegenheit sich von diesem Angriff zu erholen, als er erneut gegen die Wand geschmettert wurde. Das widerholte sich einige Male, ehe ihn die unsichtbare Macht hochhob und ihn festhielt. Wehrlos wie ein Insekt zappelte er im Griff und versuchte sich vergebens los zu reißen. Hielt aber inne als sich aus der Dunkelheit eine Gestalt schälte, die die Dunkelheit in der Zelle selbst noch übertraf. Schemenhaft sah Vater Remington die Konturen eines kalhen Totenschädels, dessen Zähne scharf und spitz waren. Aus den Augenhöhlen glimmte es rot. Remington war es so als würde sich der Blick dieses Wesens in seinen Verstand brennen und ihm schier zerfressen. Furcht erfasste und lähmte ihn. „Gütiger Herr. Hilf mir…!“, krächzte er. Die Gestalt lachte nur. „Dein Gott wird dir nicht helfen können!“ Dann herrschte Stille. Doch dann gellten die Schmerzensschreie des Pfarrers durch den Flur. Esmeralda saß im Halbdunkeln im Wohnzimmer und schaute in das fast erloschene Kaminfeuer. Lex hatte ihr und ihrem Mann berichtet, dass sie den Mörder gefunden haben. Ein Pfarrer! Und was er mit Allison vorhatte. Sie musste düster darüber lächeln. Wer hätte das gedacht. „Da zeigt sich doch deutlich, wie sehr die Menschen uns Dämonen ähneln!“, dachte sie bitter. Zum Glück war Erik noch zur rechten Zeit gekommen und hatte ihn aufgehalten. Ein süßlicher Geruch riss sie aus seinen Gedanken und ließ alles in ihr verkrampfen. Süßlich, metallisch. Sie erkannte ihn sofort und machte sie nervös. Es war der Geruch von Blut. Menschlichem Blut! Woher kam er? Esmeralda sprang aus dem Sessel als dieser Geruch intensiver wurde. Wachsam ließ sie den Blick umherschweifen. Sie hatte ungutes Gefühl. EineVampirin, die sie ja war, würde bei diesem Geruch in wilde Raserei verfallen, aber etwas an diesem Geruch störte sie. Und als Esmeralda Schritte hörte, spannte sich alles in ihr an. Allmählich schälte sich eine Person aus der Dunkelhei, die Esmeralda vertraut war. Und als die Gestalt nach und nach deutlicher zu sehen war und vor ihr stand, sog Esmeralda scharf die Luft ein. Erik! Aber was stimmte nicht mit ihm. Er stand einfach nur da. Sein Blick ging ins Leere. Er wirkte wie entrückt. Als würde er nichts um sich herum wahrnehmen. Nicht Esmeraldas verstörter Blick, nicht seine Anspannung und auch nicht das Blut, was an seinen Händen klebte. „Erik!“, kam es von Esmeralda angespannt. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Das etwas nicht mit Erik stimmte, wurde ihr mehr und mehr bewusst und es gefiel ihr nicht. Und als sie das Blut an Eriks Händen sah, war ihr, als würde ihr jemand kaltes Wasser überschütten. „Erik!“, presste sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor. „Was hast du getan?“ Erik sagte jedoch nichts, sondern starrte weiterhin vor sich hin. „Erik!“ Nun schrie Esmeralda und versuchte ihr Unbehagen zu unterdrücken. Was immer mit Erik war, es war sicher nichts Gutes. Endlich reagierte Erik auf ihr Rufen und blinzelte. Schien selbst nicht zu wissen, was mit ihm war. Ein verwirrter Ausdruck zeigte sich auf seinem Gesicht. Doch dann veränderte sich dieser Ausdruck und wurde zu etwas Dunklem. Mit Schaudern sah Esmeralda, wie sich Eriks Züge zu einem grausamen Grinsen verzogen. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Das war nicht Erik! Sondern etwas, was seine Form angenommen hatte. Noch bevor Esmeralda etwas tun konnte, war Erik verschwunden. „Was zum Teufel…!“, flüsterte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)