Die Legende vom Avatar von NarutoNinja ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Das Dorf lag noch im tiefen Schlummer, als Kenai leise durch die eisigen Straßen schlich. Es war ein seltsames Gefühl. Er war daran gewöhnt überall auf bekannte Gesichter zu stoßen, die ihn morgens freundlich grüßten und ihm einen schönen Tag wünschten, doch jetzt war alles ruhig. Niemand rührte sich, kein Laut war zu hören. Es würde jedoch nicht mehr lange dauern bis die Sonne wieder aufgehen und mit ihr das Leben in den Häusern erwachen würde. Bis dahin würde er längst weit draußen auf dem Ozean sein. Aber vorher musste er noch etwas erledigen. Es dauerte nicht lange und er hatte sein Ziel erreicht: Eine Hütte, kaum zu unterscheiden von den anderen um sie herum, doch er erkannte sie sofort. An ihrem Eingang blieb er stehen, setzte sein Bündel ab und begann nach etwas zu suchen. Kurz darauf zog er seine Lieblingsflöte daraus hervor. Er lächelte. Kaija würde große Augen machen. Eigentlich wollte er sie nicht hergeben, doch da er nicht wusste, wie lange er fortbleiben würde, wollte er ihr etwas dalassen, was sie an ihn erinnerte. Und was konnte es besseres geben? Sie hatte selbst darum gebeten. Mit einem Lächeln auf den Lippen wollte er gerade die Hütte betreten, als sich plötzlich just in diesem Moment jemand aus der Hütte herausschlich. Erschrocken sahen sich die beiden Frühaufsteher an. „Was machst du denn hier?“, fragten sie gleichzeitig. „Ich will mit Nuka mitfahren“, antwortete Atka. „Und du?“ „Ich auch“, sagte Kenai. „Und was machst du dann hier?“, fragte Atka, der seinen Freund argwöhnisch musterte, bis ihm die Flöte in dessen Hand auffiel. Er grinste und sofort schoss Kenai das Blut ins Gesicht. „Ich verstehe.“ „So … So ist das nicht!“ „Ja, ja. Schon klar. Lass dich nicht stören. Ich gehe schon einmal vor.“ Atka klopfte ihm vielsagend grinsend auf den Rücken, bevor er kurz darauf zwischen den Hütten verschwand. Kenai sah ihm nach, dann schlich er sich durch den Eingang. Er wagte es nicht zu weit hinein zu gehen, aus Furcht in dieser fremden Umgebung irgendetwas umzustoßen und legte die Flöte daher auf einen Tisch, bevor er sich so leise wie möglich wieder zurück zog. Wenig später holte er Atka wieder ein, kurz bevor sie die Anlegestelle der Boote erreichten. „Welches ist es?“, fragte Atka, doch kaum hatte er das gefragt, entdeckten sie auch schon Nuka, der gerade sein Proviant unter einigen Fellen verstaute, die er in sein Boot geladen hatte. Als er die beiden Jungen entdeckte, grinste er breit. „Ich wusste, dass ihr kommen würdet. Schnell. Steigt ein, bevor die Wachen hier auftauchen um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich verschwinde.“ Die beiden Jungen sahen sich an, dann folgten sie der Aufforderung. „Tut eure beiden Beutel nach vorne und dann legt euch hin.“ „Wieso?“, kam die gleichzeitige Frage, doch da sie keine Antwort erhielten, gehorchten sie nach kurzem Zögern. Im nächsten Moment wurden sie unter Fellen begraben. „Brave Jungs. Schön liegen bleiben für die nächsten ein bis zwei Stunden, ja? Wir wollen doch nicht, dass man euch entdeckt und an den Ohrläppchen wieder hier her zurück schleift, oder?“ Unter den Fellen warfen sich die beiden Jungen einen kurzen Blick zu, rührten sich jedoch nicht. Kurz darauf spürten sie, wie sich das Boot in Bewegung setzte. Nuka war kein Wasserbändiger, weswegen er auf die herkömmliche Art steuern musste. Mit einem Paddel. Dementsprechend langsam bahnte sich das Boot durch das ruhige Wasser. Erste Nebelfasern kamen auf, schlängelten sich langsam die weiten Gassen entlang und versperrten ihm die Sicht. Irgendwann tauchten neben ihm zwei kleine Boote auf, Wachen, die ihn aus dem Dorf geleiten sollten. Unter den Fellen lugte Kenai kurz hervor, doch der Nebel versperrte ihm die Sicht. Schweigend ruderte Nuka das Boot dem langsam heller werdenden Horizont entgegen, bis die Wachen schließlich abdrehten und ihn alleine ließen. Misstrauisch blickte er ihnen nach. Erst als er sicher war, dass sich niemand mehr in den Nebelbänken verbarg, hörte er auf zu rudern. „Ihr könnt jetzt rauskommen.“ „Na endlich!“ Sofort warf Kenai die Felle beiseite und japste nach Luft. Sein Gesicht war knall rot. Atka sah nicht besser aus. „War das heiß darunter.“ „Ich dachte schon ich ersticke.“ „Jetzt übertreibt mal nicht“, tadelte Nuka, doch er lächelte zufrieden. „Zumindest ihr beiden habt Mumm in den Knochen. Aber von meinem Neffen und Nakanas Sohn war auch nichts anderes zu erwarten. Wir können eure Hilfe gut gebrauchen.“ „Ich will zu meinem Vater“, sagte Atka ernst. „Seit ich klein bin träume ich davon ihn wieder zu sehen. Jetzt, wo ich die Chance dazu habe, kann ich einfach nicht länger warten. Wenn ich dabei meine Dienste tun kann, tue ich das mit Freuden. Wozu hat mich Meister Kohei sonst ausgebildet?“ „Du meinst wohl eher ‚wozu hat mich Meister Kohei sonst versucht auszubilden‘, oder?“, verbesserte Kenai grinsend. „Du warst von uns beiden der hoffnungslosere Fall.“ Im nächsten Moment war er vollkommen durchnässt. „Wer ist hier Hoffnungslos?“, fragte Atka unschuldig. „Hey, hey, hey!“, machte Nuka und hob seine Hände. „Keine Auseinandersetzungen. Wenn ihr Bändigen wollt, dann bändigt das Wasser so, dass wir schneller vorankommen. Wir haben einen weiten Weg vor uns und ich will unsere Krieger nicht länger warten lassen als unbedingt nötig.“ Die Jungen nickten und standen auf. Doch bevor sie sich daran machten das Wasser zu bändigen, warfen sie einen letzten Blick zurück. Die ersten Sonnenstrahlen erhellten den Himmel und in einiger Entfernung konnten sie das Funkeln der Eisklippen sehen, dort, wo ihr Dorf gerade erwachen musste. Es war ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass sie es lange nicht mehr sehen würden. Doch dann rissen sie sich von dem Anblick los, hoben ihre Arme und spürten, wie das Wasser sich ihrem Willen beugte. Wellen hoben das kleine Boot an und trugen es hinaus in den weiten Ozean. Zwei Tage lang waren sie unterwegs, bis die eintretende Wärme sie dazu zwang sich ihrer dicken Kleidung zu entledigen. Ein weiterer Tag verging, bis am Horizont die ersten, fremden Gebilde auftauchten. „Wir werden bald Land erreichen“, erklärte ihnen Nuka, der seit dem Morgengrauen nicht mehr vom Bug des Bootes gewichen war, wo er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen aufs Wasser hinaus blickte und die Jungen das Bändigen überließ. „Wie lange wird es dauern, bis wir unsere Truppen erreicht haben?“, fragte Atka, dem langsam der Schweiß in den Augen brannte. Er war es nicht gewöhnt so lange das Wasser zu bändigen. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang waren er und Kenai am Arbeiten, nur unterbrochen von kleineren Pausen. Er konnte kaum noch seine Arme spüren. „Das kommt darauf an wo wir landen. Sobald wir an Land sind, werden wir das Boot verstecken und den Rest des Weges zu Fuß zurück legen. Da wir nur eine sehr kleine Gruppe sind, werden wir wohl in keine Schwierigkeiten geraten.“ „Wieso sollten wir in Schwierigkeiten geraten?“, fragte Kenai, doch anstatt Nuka, antwortete ihm Atka. „Das ist doch wohl klar. Da draußen herrscht Krieg. Eine größere Gruppe könnte auf Krieger hindeuten.“ „Also ich wäre bei einer kleineren Gruppe misstrauischer. Wer weiß, was die im Schilde führen.“ „Euch beiden würde niemand einen Krieger abkaufen“, kommentierte Nuka trocken. „Dafür seid ihr eindeutig noch zu grün hinter den Ohren. Aber das wird sich noch ändern sobald ihr richtige Männer seid.“ Atka lächelte, doch Kenai wandte seinen Blick ab, ohne etwas zu sagen. Seine Miene war unergründlich wie die See und unmöglich zu deuten. Sein Blick wanderte den endlosen Horizont entlang, bis er auf den näherkommenden Flecken in der Ferne ruhen blieb. Etwas kribbelte in ihm. Einen Moment gestattete er diesem Gefühl sein innerstes zu erfüllen, dann hob er langsam seine Arme und grinste. Das Boot begann plötzlich gefährlich zu schaukeln, als es sich aus dem Wasser zu erheben begann. Atka und Nuka strauchelten, plötzlich überrumpelt von dieser unerwarteten Bewegung. „Was ist das?“, rief Nuka und hielt sich an der Reling fest, dem Beispiel von Atka folgend, der nach unten starrte. Einer Nussschale gleich thronte das Boot auf der Spitze einer plötzlich heraufbeschworenen Welle, die nur noch darauf wartete losgelassen zu werden. „Kenai! Was machst du da?“ „Unsere Reise beschleunigen.“ In dem Moment wurde das Wasser entfesselt und schnellte, von der Welle getrieben, über den Ozean. Nur wenig später raste das kleine Boot ungebremst auf einen Flecken Land zu, bis es brutal von einer Sandbank abgebremst wurde. Im hohen Bogen segelte Nuka elegant durch die Luft und prallte, mit dem Gesicht zuerst, in einen Sandhaufen, der ihn unter sich begrub. Nur noch seine strampelnden Beine lugten daraus hervor. „Bist du verrückt geworden?!“, fauchte Atka Kenai an, der sich mit einem halben Herzinfarkt an die Überreste des sehr mitleidig aussenden Bootes klammerte. „So eilig hatten wir es auch nicht!“ „Sorry, sorry. Es ist einfach über mich gekommen.“ Er lächelte entschuldigend, dann trat er zu seinem Onkel und half ihm, sich aus seiner prekären Lage zu befreien. „Aber immerhin sind wir endlich da.“ „Wir zwei“, brummte Nuka finster, der versuchte etwas Sand aus seinen Ohren zu pulen, „werden noch ein ernstes Wörtchen über Diskretion führen müssen. Was, wenn uns jemand gesehen hat? Du kannst nicht so übertreiben! Wenn man euch als Wasserbändiger entlarvt, haben wir ein ernstes Problem! … Hörst du mir überhaupt zu?“ Kenai hörte ihm nicht zu. Mit großen Augen sah er an ihm vorbei und erblickte eine neue Welt, die sich ihm offenbarte. Nuka hatte Recht gehabt. Hier sah die Welt vollkommen anders aus. Egal in welche Richtung man auch blickte, nirgendwo gab es Eis und Schnee. Stattdessen erstreckte sich vor ihm ein weiter, braungelber Teppich, nur unterbrochen von kleineren Flecken nackter Erde und Steinen, die in den Himmel ragten. Neugierig streichelte Kenai das Gras, das auf seiner Haut lustig kitzelte. Es fühlte sich seltsam an, so fremd, so anders als alles, was er kannte, doch auch irgendwie vertraut, auch wenn es ihn für einen kurzen Augenblick irritierte. Da erblickte er in seiner Nähe plötzlich etwas, was sich vom Boden abhob und raschelt in die Höhe ragte. Bäume. Das waren Bäume! Echte Bäume! Aufgeregt rannte er auf sie zu. Das Holz war grob und rau, von zahlreichen Rinnen durchfurcht, doch er hatte noch nie zuvor etwas schöneres gesehen. Blätter raschelten im Strammen Wind, der sein Haar zerzauste. Fahles Sonnenlicht brach durch die Blätter der Bäume und tanzte auf seinem strahlenden Gesicht. Es erinnerte ihn an irgendetwas, doch so sehr er sich auch bemühte, er kam nicht darauf an was. Er zuckte nur mit den Schultern, dann begann er auch schon mit dem klettern. Nach nur wenigen Minuten hatte er die Kronen erreicht. Ein strammer Wind zerzauste ihm das rabenschwarze Haar, der salzige Geruch des Meeres lag auf seinen Lippen, das Rauschen der Wellen erklang in seinen Ohren, doch all das nahm er gar nicht wahr. Er sah nur noch das Land, das sich ihm offenbarte. Ein seltsamer Druck schien von seinen Schultern zu weichen. Er fühlte sich mit einem Mal leicht, beinahe als könne er schweben. Er wusste nicht woher diese plötzliche Freude herrührte, doch er wusste, dass er hier sein musste. Er spürte es, tief in sich drinnen und bevor ihn irgendjemand daran hindern konnte, stieß er einen lauten Freudenschrei aus, der vom Wind hinaus in die weite Welt getragen wurde. „Kenai!“, brüllte Nuka aufgebracht, als er zu ihm herüber eilte. „Bist du verrückt geworden?! Sei gefälligst leise und komm sofort da runter! Willst du uns etwa umbringen? Hier könnten überall Feinde sein!“ „Hier sind keine Feinde“, beruhigte ihn Kenai, der von den Kronen aus einen wunderbaren Rundumblick hatte. „Wir sind alleine.“ „Das muss nichts bedeuten. Du kennst diese Welt nicht. Hier haben sogar die Steine Ohren!“ „Wie können denn Steine Ohren haben?“ Verzweifelt klatschte sich Nuka die Hand auf die Stirn. „Ist er immer so?“, fragte er Atka, der an seine Seite getreten war. Dieser schüttelte besorgt den Kopf. „Eigentlich nicht. Aber ehrlich gesagt scheint er seit Tagen ein wenig neben der Spur zu sein.“ „Na, hoffentlich findet er wieder zu sich, bevor er uns in ernste Schwierigkeiten bringt … Oder uns am Ende gar noch umbringt.“ Mit einem letzten Blick auf die Baumgruppe, schulterte er sein Proviant und schickte sich an die Küste zu verlassen. „Kommt jetzt. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Sie wanderten zwei Tage, ohne dass sie auf irgendwelche Menschen trafen, doch während dieser Zeit brachte Nuka den beiden Jungen alles bei, was sie seiner Meinung nach über die hiesige Welt wissen mussten. Sie hörten aufmerksam zu, auch wenn Kenai mehr als einmal zur Ordnung gerufen werden musste, denn er entdeckte fast hinter jeder Biegung und jedem Stauch etwas Neues, was sein Interesse weckte. Manchmal ertappte er sich selber dabei, wie er sich selbst fragte, was eigentlich mit ihm los war, doch diese Momente waren selten. Er fühlte sich wie berauscht, manchmal sogar regelrecht erschlagen. Alles war so neu, so anders, so wunderbar faszinierend, doch zugleich gab es etwas, was ihn störte, doch dieses Gefühl war so schwach, dass er es kaum bemerkte. Vielleicht wollte er das auch gar nicht. Am Mittag des dritten Tages trafen sie zum ersten Mal auf Menschen. Sie wanderten gerade durch einen dichten Laubwald, als Nuka plötzlich stehen blieb und wachsam eine Hand hob. „Hört ihr das?“ Aufmerksam lauschend ließ er seinen Blick über die Baumstämme schweifen. „Versteckt euch!“ Sie hatten sich gerade hinter einer hohen Hecke versteckt, als auch schon eine kleinere Gruppe von Reitern an ihnen vorbei galoppierten, ohne sie zu bemerken. Nur durch einige Lücken in den Zweigen konnten sie einen kurzen Blick auf sie werfen. Nuka runzelte besorgt die Stirn. „Feuerbändiger.“ „Woher weißt du das?“, fragte Kenai, der es als erster wagte wieder auf den Weg zu treten. „An der Kleidung. Feuerbändiger haben eine Vorliebe für schwarz. Außerdem riecht es nach verbrannter Erde. Sie haben wahrscheinlich eine Siedlung überfallen.“ Nuka sollte recht behalten. Sie waren keine Stunde gelaufen, als sich der Wald vor ihnen lichtete. Atka erstarrte, Kenai drehte es den Magen um. Hier hätte ein kleines Dorf stehen sollen, doch wo noch wenige Stunden zuvor Kinder gespielt und Erwachsene gearbeitet hatten, war kein Leben mehr. Schwarzer Rauch verpestete die Luft und brannte ihnen in den Augen. Es stank fürchterlich nach Tod und verbranntem Fleisch. Dort, wo eigentlich Hütten hätten stehen müssen, ragten nur noch verkohlte Überreste aus einem weichen Ascheteppich hervor, der den Boden bedeckte. Vereinzelt brennte es noch. Kenai brannten Tränen in den Augen, als er seinen Blick über das Bild der Zerstörung schweifen ließ. Er wagte es nicht die Einzelheiten genauer zu betrachten. Aus den Augenwinkeln bemerkte er immer wieder seltsame Umrisse, Gestalten, die in grotesken Winkeln auf dem Boden lagen. Nicht weit vor ihm, nur halb von Asche begraben, lag eine Holzfigur auf dem Boden, ein kleines Kinderspielzeug, das bis vor noch nicht einmal einer Stunde noch ein Tier symbolisiert hatte und noch immer von der kleinen, verkohlten Hand ihres einstigen Besitzers umklammert wurde. Ihm wurde übel. Seine Beine gaben nach und er viel würgend auf die Knie. „Findest du diese Welt immer noch schön, Kenai?“, fragte ihn Nuka mit trockener Stimme. „Das hier ist auch bei uns passiert und es passiert überall zu jeder Zeit. Kommt jetzt. Hier können wir nichts mehr tun.“ Er wollte gehen, doch weder Kenai noch Atka rührten sich. „Wir müssen weiter. Wenn ihr irgendetwas für diese armen Kreaturen tun wollt, dann helft uns diesen Wahnwitz zu beenden. Unser Lager kann nicht mehr weit sein. Wir müssen unsere Leute warnen. Wo eine kleine Gruppe ist, könnten noch viele weitere sein.“ Mit diesen Worten setzte er seinen Weg fort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Nur sehr langsam gelang es Atka, sich von diesem Anblick loszureißen und ihm zu folgen. Seine Augen waren rot und geschwollen, doch er weinte nicht, im Gegensatz zu Kenai, dem die Tränen über die Wangen liefen, bis er sie schließlich hinfort wischte. Mit zitternden Beinen stand er auf und sah sich um. Nicht weit entfernt entdeckte er einen kleinen Teich. Er schluckte schwer, dann schloss er seine Augen. Er konnte spüren, wie das Wasser ihm gehorchte. Er spürte den Fluss, die Energie, die ihn mit diesem kostbaren Element verband. Seinen anmutenden Bewegungen folgend, erhob es sich aus seinem natürlichem Gefäß, schwebte sanft durch die Luft, bis es über den kleinen Feuerherden zum Stillstand kam und die Brände löschte. Das war das einzige, was er noch tun konnte, doch dadurch fühlte er sich nicht besser. Schweren Herzens wandte er sich vom Dorf ab und folgte Atka und seinem Onkel, die an einer Weggabelung auf ihn warteten. Niemand redete mehr ein Wort. In dieser Nacht machten sie nur eine kurze Rast, am nächsten Tag hielten sie sich von sämtlichen Straßen und Wegen fern, wodurch sie gezwungen waren durch dichtes Unterholz zu kriechen. „Können wir nicht endlich eine Pause machen?“, fragte Kenai verzweifelt, als er sich zum gefühlten hundertsten Mal aus einem Dornenbusch befreien musste. Seine Wangen waren bereits ganz zerkratzt und er war ständig damit beschäftigt Zweige aus seinen Haaren zu pulen. Außerdem hatte er Hunger. „Wir sind seit dem Morgengrauen ohne Pause unterwegs.“ „Ich hätte auch nichts gegen eine kurze Rast“, kam ihm Atka zur Hilfe, der schon seit Stunden humpelte. Genervt rollte Nuka mit den Augen. „Ihr zwei seit furchtbar“, kommentierte er laut, doch nicht laut genug um sein eigenes Magenknurren zu überspielen. „Okay. Wir Rasten. Kenai, geh und besorg uns etwas Feuerholz. Du bleibst hier Atka. Ich will mir dein Bein ansehen.“ Erleichtert ließ sich Atka zu Boden sinken. Kenai stellte seinen Proviant ab, dann machte er sich auf die Suche nach geeignetem Feuerholz. Er genoss die Ruhe des Waldes. Es tat gut mal ein wenig für sich alleine zu sein. Kaum war er außer Sichtweite der anderen, ließ er sich, alle viere von sich gestreckt, zu Boden fallen und blickte zu den braunen Baumwipfeln empor, die so dicht waren, dass kein Sonnenlicht bis zur Erde durchdrang. Dunkle Schatten befleckten den Boden, ein leichter Windhauch ließ vereinzelte Sträucher leise rascheln. Plötzlich knackte ein Zweig. Sofort setzte sich Kenai auf, die Hand auf dem Griff seines Messers ruhend. „Ist da wer?“, fragte er wachsam, doch nichts rührte sich. Einen Augenblick lang lauschte er in die Stille hinein, dann ließ er sich schulterzuckend wieder zurücksinken. Vermutlich nur ein Tier, dachte er noch, als plötzlich etwas auf ihn herab fiel und seine Welt in Dunkelheit tauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)