Klassisch von papierkorb (KaiHiromi, ReiMao) ================================================================================ Kapitel 18: Nicest Thing ------------------------ Ich stand vor dem Dojo und kaute auf meiner Unterlippe herum. Vor ein paar Stunden hatte Takao eine Rundmail geschrieben und alle zu sich eingeladen. Wie immer eigentlich. Aber die letzten dieser Mails hatte ich ignoriert. Ich hatte meine Jungs seit zwei Wochen nicht gesehen. Ich wusste gar nichts. Nicht, ob Mao und Rei sich wieder zusammengerauft oder sich sogar getrennt hatten. Nicht, ob Kai doch wieder zu Alyona gerannt war. Nicht, ob überhaupt irgendetwas von Belang passiert war. Ich hatte einfach nicht hingehen können. Es war mir alles zu viel geworden, und ich hatte mich verkrochen wie eine Schnecke im Schneckenhaus. Jedesmal, wenn ich auf meinem Handy eine SMS oder einen Anruf von einem der Jungs sah, wollte ich es am liebsten irgendwo hinwerfen, wo ich es nicht mehr sehen musste. Schließlich hatte ich es tatsächlich ausgeschaltet, es kam mir vor, als wäre es das erste Mal seit Jahren, dass ich das tat. Und von da an konnte ich wieder klarer denken. Ich ging auch nicht mehr mit Katsumi auf irgendwelche Konzerte. Die Gefahr, dort auf Kai zu treffen, war wirklich zu groß. Und spätestens unsere letzte Begegnung hatte mir gezeigt, dass ich Abstand von ihm brauchte. Seit ich an diesem Abend mit Katsumi nach Hause gegangen war, fühlte ich mich zunehmend mieser. Einerseits fragte ich mich die ganze Zeit, wegen was zum Teufel Kai und Alyona sich so heftig gestritten hatten. Andererseits sah ich ihn auch immer nur einfach vor mir. Wie er in der Menschenmasse plötzlich vor mir stand. Wie er das Gesicht verzog, als Alyona mich ahnungslos umarmte. Wie er an einer Zigarette zog (dabei verengte er die Augen, als würde er angestrengt nachdenken) und beim Sprechen langsam weißen Rauch ausstieß. Das war einfach zu viel. Ich musste einen Schlussstrich ziehen, oder es würde mir nie gelingen. Also kappte ich jede Verbindung zur Clique. Natürlich taten mir die anderen, die doch nichts mit der Sache zu tun hatten, Leid. Sie wussten gar nicht, warum ich so handelte. Und besonders Mao hätte bestimmt eine Freundin nötig, die sie trösten konnte. Das war doch alles krank. Mao zwang sich, still zu halten und zu lächeln, während Rei seine verfrühte Midlife-Crisis an ihr ausließ, und ich versteckte mich, um Kai ja nicht unter die Augen zu treten. Warum machten wir so etwas? Wir konnten auch einfach auf die Kerle zugehen und ihnen klipp und klar erklären, dass es so nicht laufen konnte. Dass sie sich gefälligst selbst am Riemen reißen sollten. Aber dann war mir eingefallen, dass das vielleicht Mao helfen würde, aber nicht mir. Jemandem wie Kai zu sagen, er solle sich zusammenreißen, war ein Eigentor epischen Ausmaßes. Ich stand also vor dem Dojo und hoffte inständig, dass nicht alle die mühsam halb-verarbeiteten Gefühle wieder hochkamen, wenn ich es betrat. „Hiromi? Hey, schön dich zu sehen!“ Ich drehte mich zu dem Sprecher um und sah Max, der gerade von seinem Fahrrad absaß. „Hey“, grüßte ich zurück und merkte erleichtert, dass ich wirklich froh darüber war, ihn wieder zu sehen. „Schön, dass wenigstens du kommst“, meinte Max gut gelaunt und ging voraus ins Dojo, „Rei hat schon wieder angefangen zu lernen, weil es für eines seiner Seminare im nächsten Semester einen Eingangstest gibt. Und Kai muss arbeiten, hat er gesagt.“ „Oh, schade“, murmelte ich, doch in Wahrheit war ich einfach nur erleichtert. Kais Abwesenheit würde das Ganze nur einfacher machen. Aber dann stutzte ich: „Er muss arbeiten?“ „Jepp“, antwortete Max, „Sein Großvater gibt ihm wohl wieder mal nicht genügend Geld, also hat er einen Nebenjob genommen. Barkeeper oder so. Irgendwas mit Alkohol jedenfalls.“ Er lachte. „Es wird ihn umbringen, wenn er im Semester weiterarbeitet, aber du kennst ihn ja.“ Ich schnaubte. Kai kam normalerweise erst zu der Erkenntnis, dass irgendwas falsch lief, wenn er kurz vorm Zusammenbruch war. Dass er uns davor schon wochenlang mit seinem zombiehaften Aussehen schockierte, merkte er irgendwie nicht, oder besser: er ignorierte unsere besorgten Äußerungen gekonnt. Wir betraten das Wohnzimmer der Kinomiyas, wo Takao mangalesend auf uns wartete. Neben ihm saßen Daichi und Kyouyju und wählten lustlos ein Fernsehprogramm. Sie freuten sich allesamt darüber, mich zu sehen und unterließen es Gott sei Dank, mich mit Fragen zu löchern. Vielleicht hatten sie aus meinem Verhalten geschlossen, dass ich irgendwann von alleine reden würde, oder gar nicht. Schließlich waren in letzter Zeit schon genug seltsame Sachen innerhalb der Gruppe passiert. „Wisst ihr, was ich heute gefunden habe?“, fragte Takao später. Wir hatten die erste Stunde unseres Treffens damit verbracht, einen alten Film zu gucken und dabei Knabberzeug in uns reinzustopfen. Die Gespräche hatten sich auf blöde Kommentare zur Filmhandlung beschränkt, aber die Stimmung war trotzdem durchweg gut. Gemütlich und friedlich. Wie die faulen Wochenenden von vor ein paar Jahren, die wir oft abhielten, wenn wir Kai dazu überreden konnten, nicht jede freie Minute mit Beyblade-Training zu verbringen. „Na?“, fragte Max erwartungsvoll, doch gerade, als Takao zu einer Antwort ansetzen wollte, ging die Tür auf und Mao kam herein. „Hallo. Tut mir Leid, dass ich zu spät bin.“ Dann sah sie mich. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein breites Lächeln aus, und sie fiel mir in die Arme. „Na endlich bewegst du deinen Hintern wieder hierher!“, rief sie aus, „Ich wollte schon zu dir kommen und nachsehen, ob du dich nicht vielleicht erhängt hast oder so!“ „Schön, dich wiederzusehen“, murmelte ich und es war ehrlich gemeint. Ich hatte sie vermisst. Wir sahen uns an und wussten wohl beide, dass wir uns bald noch einmal lang und ausführlich unterhalten mussten. Aber nicht jetzt. Hier hatten wir nicht die Ruhe dazu. Ich zog Mao neben mich auf die Couch und drückte ihr eine Schüssel mit Chips in die Hand. Der Nachmittag versprach besser zu werden, als ich mir hätte erhoffen können. „Na was hast du denn nun gefunden, Takao?“, nahm ich den angefangenen Gesprächsfaden wieder auf. Takao hob den Zeigefinger und griff neben sich, wo etwas auf dem Boden lag. Es war ein Fotoalbum. „Oh, Fotos! Was denn für welche?“, fragte Mao neugierig, während Max das Buch erkennend musterte. „Oh Gott, ich erinnere mich!“, sagte er, „Das ist unser Bladebreakers-Album!“ Das Bladebreakers-Album. Natürlich. Kurz nach dem Justice-Five-Turnier hatte Mr. Dickinson uns dicke Ordner übergeben, die er aus der alten BBA-Zentrale mitgenommen hatte und Takao zur Aufbewahrung überließ, bis ein neues BBA-Gebäude errichtet sein würde. In diesen Ordnern hatten wir neben vielen offiziellen Schriftstücken auch Fotos von den verschiedenen Turnieren gefunden. Daraufhin hatten wir festgestellt, dass sich auch in unserem privaten Besitz der ein oder andere Schnappschuss befand. Und so war dieses Album entstanden. Ich hatte es eigentlich nie ganz zu Gesicht bekommen, weil die Jungs es zusammengeklebt hatten, als ich im Familienurlaub gewesen war, und danach war irgendwie lange keine Zeit gewesen, es sich anzusehen. Und dann hatten wir es vergessen. „Hier, nimm“, sagte Takao und reichte Mao das Album. Er ging um die Couch herum, um ihr über die Schulter zu sehen. Wir anderen beugten uns von links und rechts über das Buch. Die erste Seite zeigte die Profilbilder der Jungs vom ersten Turnier, an dem sie alle teilgenommen hatten und das zur Gründung der Bladebreakers geführt hatte. „Oh mein Gott, ihr seht so jung aus!“, stellte ich laut fest, denn zu dieser Zeit hatte ich die Jungs ja auch noch nicht gekannt. „Takao, du hast total den Babyspeck!“, giggelte Mao und deutete auf Takaos Bild, woraufhin hinter uns nur ein beleidigtes Brummen ertönte. „Wir hatten alle Babyspeck“, murmelte er, „Guck dir doch Reis Pummelgesicht an!“ Auf der nächsten Seite fanden wir einen Zeitungsartikel, der vom Sieg der Bladebreakers bei den Asian Tournaments berichtete. „Meine Güte!“, stieß Max überrascht aus, „Ich habe bisher nie gemerkt, dass Kai auf diesem Bild tatsächlich lächelt!“ „Wahrscheinlich vor Erleichterung, weil er es entgegen aller Vermutungen doch überlebt hat“, kommentierte Takao. So ging es weiter. Seite um Seite verfolgten wir den Weg des Teams durch Asien, Amerika und Europa. Es gab Aufnahmen von Battles und Pressekonferenzen, aber auch Unmengen an Schnappschüssen aus ihrer Freizeit. Mehr als einmal sah man Takao sich auf ein Buffet stürzen oder Kyouyju an einem Blade basteln. Da waren auch die typischen Touristenfotos, auf denen sie vor irgendwelchen Wahrzeichen posierten. Und einmal hatten sie es sogar geschafft, Kai im Schlaf zu knipsen. Takao stieß zufrieden die Luft aus. „Ich wusste, ich würde ihn kriegen, hah!“, meinte er, „Ohne Streifen, ohne Haarspray und schlafend! Liebe Leute, das ist der Beweis: Kai Hiwatari ist ein Mensch!“ Ich lächelte in mich hinein und betrachtete das Foto. Er sah immer noch beinahe genauso aus, wenn er schlief… „Haha, sieh mal!“ Max deutete auf ein anderes Foto, „Kennst du den?“ Ich beugte mich noch ein Stück weiter über das Buch und runzelte die Stirn. „Ist das Yuriy?“, fragte ich ungläubig. „Psycho-Mode“, ergänzte Takao, „Da war noch nicht so gut mit ihm Kirschenessen.“ „Ich seh’s“, murmelte ich. Selbst auf Papier war dieser Blick noch unheimlich genug. Wer war bloß so lebensmüde gewesen, davon ein Foto zu machen? Ich war froh, den Russen erst Jahre später kennengelernt zu haben. Dann die Bilder aus der Zeit, in der ich die Jungs kennenlernte. Die harten Trainingseinheiten am Strand. Morgens, mittags, in der Abendsonne. Das Barbecue… „Das Barbecue!“, riefen Takao und ich gleichzeitig aus. „Was ist damit?“, fragte Daichi, also erzählten wir abwechselnd, wie wir uns mal wieder zerstritten hatten und zur Versöhnung diese Grillparty am Kanal veranstalteten. Fotos von den Saint Shields. Fotos von den Psykicks. Fotos von Zeo Zaggart. „Hat man von ihm eigentlich noch mal was gehört?“, fragte Kyouyju. „Jepp“, antwortete ich, denn ich hatte vor ein paar Monaten erst seinen Namen in einem Bericht gelesen, „Er soll sich in Europa rumtreiben und den Majestics ordentlich einheizen.“ „Oh, wisst ihr, was ich gehört habe?“, fügte Max hinzu, „Erinnert ihr euch noch an Carlos?“ Nachdenkliches Schweigen und verständnislose Blicke. Dann schnipste Takao mit den Fingern: „Klar! Der Typ von den Blade Sharks! Der war schuld daran, dass Kai und ich uns überhaupt kennengelernt haben.“ „Kennen und lieben, heh?!“, stichelte Max, „Aber ja, ich meine genau den. Der ist in Amerika aufgetaucht und hat vor kurzem Rick herausgefordert. Aber ich bin irgendwie nicht dahinter gekommen, wie das Match ausgegangen ist.“ „Moment mal.“ Ich hob beide Hände. „Das geht mir zu schnell. Wer ist Carlos, und warum hat er schuld an Takaos und Kais…nennen wir es Freundschaft?“ Daraufhin erzählten mir Max, Takao und Kyouyju von den wüsten Ursprüngen des Teams. „Kai war damals Chef der gefürchtetsten Blader-Gang in da hood“, sagte Max, „Aber Takao hatte natüüürlich keine Angst vor ihm und hat dafür erstmal ordentlich aufs Maul bekommen.“ „Hey!“, protestierte Takao, doch Kyouyju unterbrach ihn: „Er hat deinen Blade zu Konfetti verarbeitet, falls du dich nicht mehr erinnerst. Ja, ich würde sagen, da hast du aufs Maul bekommen, wie Max so schön sagt.“ Es war seltsam, so etwas erst jetzt zu erfahren. Aber die Jungs ließen sich Zeit und berichteten richtiggehend detailverliebt. Wahrscheinlich war auch die Hälfte von dem Gesagten übermäßig ausgeschmückt. „Er war ein ziemliches Arschloch“, schloss Max achselzuckend. „Ich find, da hat sich bis heute manchmal nichts dran geändert“, schickte Takao brummend hinterher und wurde dafür von seinem Vorredner in die Seite geknufft. „Na, ist doch wahr!“, beschwerte er sich, „In letzter Zeit war er wieder unerträglich. Ich meine, klar, sein Opa lässt ihn am ausgestreckten Arm verhungern, aber das ist ja nun nicht das erste Mal, und bis jetzt ist er deswegen noch nie so angepisst gewesen.“ „Schon mal dran gedacht, dass er wegen irgendwas anderem sauer sein könnte?“, meldete sich Daichi zu Wort, wofür er von uns allen überrascht angesehen wurde. Das machte ihn sichtlich verlegen; immerhin waren wir es auch nicht gewohnt, dass er sich in so ein Gespräch einmischte. Normalerweise konnte man mit Daichi gut übers Bladen, Manga und Anime reden, aber selten über irgendwelche zwischenmenschlichen Dinge. „Naja…“, fuhr er zögernd fort, „Ich meine, vielleicht liegt es ja gar nicht daran, dass sein Opa ihm wieder den Geldhahn zugedreht hat…vielleicht hat er ja andere Probleme…mit dem Studium oder…mit nem Mädchen oder so.“ „Mit nem Mädchen?“, fragte Takao zweifelnd. Ich sah Mao an und sie blickte mit gehobenen Augenbrauen zurück. Vermutlich dachte sie dasselbe, wie ich. „Naja, diese Alyona zum Beispiel“, sagte Mao und ich war froh, dass sie es zur Sprache gebracht hatte. Verdammt, ich hatte doch gerade nicht über Kai nachdenken wollen. Aber ich war eben doch verdammt neugierig, ob ich was verpasst hatte. Schließlich konnte ich auch einen guten Grund gebrauchen, um wütend auf ihn zu sein. Das würde einiges erleichtern. „Was, die? Nee!“, antwortete Max, „Hast du das gar nicht mitbekommen? Die hat ihn wohl dermaßen genervt, dass er sie in den Wind geschossen hat. Ist noch gar nicht so lange her…also, sie waren ja nicht mal zusammen, war wohl nur so ein ständiges Hin und Her, und dann hatte er doch keinen Bock mehr auf sie.“ „Sie wird ihn hassen“, murmelte ich. „Na, davon kannst du ausgehen“, meinte Max, „Aber ihr Sexappeal in allen Ehren, Alyona war ne ziemliche Tussi, wenn du mich fragst. Wobei ich zwischendurch auch dachte, dass Kai einfach jemanden braucht, mit dem er sich anzicken kann. Aber es war schon heftig. Ich glaube, sie haben ewig darüber diskutiert, warum er immer noch das Foto mit dir, Hiromi, als Facebook-Profilbild verwendet. Ja, genau so“, fügte er hinzu und deutete auf Takao, der die Augen verdrehte, „Das hat Kai sich bestimmt auch gedacht.“ „Aber das erklärt ja schon mal einiges“, meinte Mao und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Nein. Ganz sicher nicht. Sie nickte, als wolle sie sagen: Oh doch, meine Liebe, und das weißt du. „Ach, ich sag euch was“, sagte Takao grinsend, „Wahrscheinlich geht es in Wahrheit nicht um Alyona. Kai wird einfach Yuriy hinterherheulen, weil er sich jetzt wieder ohne seine Unterstützung mit uns rumschlagen muss.“ „Genau, das wird’s sein!“, bestätigte ich schnell und lachte. Je eher wir das Thema wechselten, desto besser. Sonst würde Mao mich mit ihren Blicken noch auffressen. „Stimmt schon“, meinte nun auch Max, „Wenn Takao und Kai ein altes Ehepaar sind, dann sind Yuriy und Kai…“ Er suchte nach einem Vergleich. „…Ein sich liebendes altes Ehepaar“, ergänzte Kyoujyu leise, wofür er von Max einen Schulterklopfer zur Belohnung bekam. „Genau!“ Während sie sich weiter unterhielten, klinkte ich mich ganz aus und griff nach dem Fotoalbum, um es selbst durchzublättern. Ich hatte so vieles vergessen, stellte ich fest, als sich Seite um Seite die letzten Jahre vor mir entrollten. Und vor allem, das musste ich mir eingestehen und grinste dabei sogar in mich hinein, hatte ich vergessen, wie ich Kai damals angehimmelt hatte. Warum waren die Jungs eigentlich nie darauf gekommen, dass ich verschossen in ihn war? Man sah doch auf so vielen Fotos ganz deutlich diesen Blick, den ich aufgesetzt hatte. Vielleicht war es armselig, so zu gucken, aber als ich meinem alten Ich nun wieder entgegenblickte, dachte ich nur daran, wie schade es war, dass das alles nun schon so lange zurücklag. Hatte Kai diese Blicke denn nie bemerkt? All I know is that you're so nice, You're the nicest thing I've seen. Das lief jetzt schon so lange. Irgendwie war ich ja immer ein Wenig verliebt in ihn gewesen, selbst wenn ich mit anderen Kerlen gegangen war. Ich war gern in seiner Nähe, redete ganz ernst mit ihm oder nur über kompletten Schwachsinn. Ich stritt mich sogar gern mit ihm, weil ich bis jetzt immer gewusst hatte, dass er es mir nicht übel nehmen würde. Wir vertrugen uns immer verdammt schnell. Außer jetzt, dachte ich. I wish that we could give it a go, See if we could be something. Da tauchte es auf. Dieses Foto. Kai und ich an einer Strandbar auf dieser Party, zu der Max uns alle geschleppt hatte. Ich hatte einen pikierten Spruch über irgendeinen Fremden gemacht und guckte dementsprechend aus der Wäsche und Kai lachte sich kaputt. Wirklich kaputt. Ich glaubte, es gab kein anderes Bild, auf dem er so lachte. Eine Ecke des Fotos war nicht auf dem Papier befestigt. Ich schob den Fingernagel darunter und merkte, dass die Klebestellen sehr leicht nachgaben. Die anderen beachteten mich gar nicht. Vorsichtig löste ich das Foto aus dem Buch und schob es unbemerkt in meine Handtasche. I wish I was your favourite girl, I wish you thought I was the reason you are in the world. I wish my smile was your favourite kind of smile, I wish the way that I dressed was your favourite kind of style. I wish you couldn't figure me out, But you always wanna know what I was about. Ich wollte ihn sehen. Jetzt. Ich dachte gar nicht daran, mich nach dem Warum zu fragen, es war einfach so. Dieses Treffen war doch sinnlos; wir redeten nur über Belanglosigkeiten, um nicht daran erinnert zu werden, wie viele Probleme wir noch zu lösen hatten. Und die meisten Anwesenden wussten nicht einmal, worum es dabei ging. Also, warum nicht den Anfang machen? Ich wusste nicht, was das für eine Aktion werden sollte, aber ich hatte nun einmal das starke Bedürfnis, mit Kai zu reden. Unruhig rutschte ich hin und her. Ich konnte einfach nicht still hier sitzen bleiben, wenn so vieles im Argen lag. „Was ist denn, Hiromi?“, fragte Mao verwirrt, als sie meinen unbehaglichen Gesichtsausdruck bemerkte. I wish you'd hold my hand when I was upset, I wish you'd never forget the look on my face when we first met. „Sag mal, Max…“, sagte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen, „Du hast doch gesagt, Kai arbeitet in irgendeiner Bar. Weißt du, wo?“ „Willst du ihn besuchen?“, entgegnete er verwundert, „Oder wollen wir einen trinken gehen?“ Noch bevor jemand seine Zustimmung zu diesem Vorschlag geben konnte, lenkte ich ein: „Ach nein, ich wollte heute nicht trinken. Ich hatte eigentlich gehofft, dass er hier wäre, weil ich ihm noch was zurückgeben muss. Und naja, ich wollte sowieso nicht allzu lange bleiben und dachte…ich dachte, ich brings ihm dann noch schnell vorbei.“ „Oh, ach so“, meinte Max. Er klang etwas enttäuscht, und ich hoffte, dass ich sie alle nicht allzu sehr mit meinen Worten getroffen hatte. „Lass mich kurz überlegen, er hat irgendwas erzählt…“ „Die Bar heißt ‚Kaiser Wilhelm‘“, sagte Kyoujyu. „Okay, Chef, jetzt wird’s unheimlich!“, fuhr Takao ihn an, „Woher weißt du das alles?“ „Im Gegensatz zu anderen höre ich zu“, entgegnete Kyoujyu scharf und tippte etwas in sein Telefon, das smarter war, als wir alle zusammen. Dann hielt er mir das Gerät unter die Nase. „Da hast du die Adresse.“ I wish you had a favourite beauty spot that you loved secretly, 'Cause it was on a hidden bit that nobody else could see. „Danke“, sagte ich verdutzt, als ich auch noch Stift und Papier zum Abschreiben gereicht bekam. Basically, I wish that you loved me Dann packte ich hastig mein Zeug zusammen und verschwand. I wish that you needed me, I wish that you knew when I said two sugars, actually I meant three. I wish that without me your heart would break, I wish that without me you'd be spending the rest of your nights awake. I wish that without me you couldn't eat, I wish I was the last thing on your mind before you went to sleep. „Kaiser Wilhelm“ war gar nicht so weit von Kais Wohnung entfernt. Ich kannte die Gegend sogar, weil es hier ein paar gute Klamottenläden gab und einen Herrenausstatter, zu dem die Jungs immer gingen, wenn sie sich für irgendeinen offiziellen Event einkleiden mussten. Die Bar selbst allerdings war neu. Ich erinnerte mich dunkel, dass der Laden vorher ein Möbelgeschäft gewesen war. Davon war natürlich nichts mehr zu erkennen, man hatte die Inneneinrichtung komplett umgekrempelt. Am Eingang hing sogar noch ein Schild mit Stellengesuchen für Kellnerinnen und Kellner. Insgesamt wirkte der Laden ziemlich szenig. Draußen standen ein paar grob gezimmerte Holztische mit passenden Stühlen, auf denen sich hippe Leute in der Sonne aalten. Als ich von der anderen Straßenseite aus nach drinnen spähte, erkannte ich verspielte Stuckelemente an den Wänden und Mobiliar mit roten Samtbezügen. Neobarock oder wie das hieß. Auf jeden Fall eine sehr coole Location. Nun war aber die Frage, ob ich auch reingehen würde. Ich biss mir auf die Unterlippe. Was wollte ich noch mal hier? Ach ja, mit Kai reden. Was für eine beschissene Idee. Vielleicht konnte ich so tun, als wäre ich nur zufällig hier und wollte mir die Bar einfach nur mal ansehen. Aber ich wusste nicht, ob ich angemessen überrascht wirken würde, wenn ich Kai tatsächlich sah. Und überhaupt, worüber sollten wir schon reden? Bei allem, was zwischen uns passiert war, konnte es ja nur ein Thema geben, und das war mir verdammt unangenehm. …Aber ich konnte auch einfach einmal daran vorbeigehen und gucken, ob von Nahem etwas mehr drinnen zu sehen war. Schaden tat das bestimmt nicht. Und außerdem war ich neugierig. Kais Anwesenheit sollte mich nicht davon abhalten, einen neuen Laden unter die Lupe zu nehmen! -Ja, mir war klar, dass ich mir selbst etwas vormachte. Aber ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um die Straßenseite zu wechseln. Ich wusste, wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich mich noch viel mehr über mich geärgert. Immerhin war ich schon so weit gekommen. Ich stand vor der Bar. So. Nur einmal dran vorbeigehen, dachte ich. Setzte mich in Bewegung. Und sah Kai. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Wer hätte denn auch ahnen können, dass der Tresen direkt am Fenster stand? Zum Glück stand er mit dem Rücken zu mir und sah meine entgleisten Gesichtszüge nicht. Als ich wieder einen tiefen Atemzug machen konnte und sich meine Glieder entspannten, ging ich ein Stück weiter und stellte mich neben eine Gruppe Touristen, die eine Karte studierten. Mit etwas Glück fiel ich ihm so nicht sofort ins Auge und konnte ihn noch eine Weile beobachten, während ich darüber entschied, ob ich reinging oder nicht. Nicht, dass er irgendetwas Spannendes tat. Gläser putzen, den Tresen putzen…da danach immer noch kein neuer Gast aufgetaucht war, begann er, die Getränkekarte zu studieren. Wahrscheinlich musste er sie auswendig lernen. Seltsamerweise hatte ich noch keine Tätigkeit, die von Kai ausgeführt wurde, als langweilig empfunden. Ich sah ihm einfach gerne zu, immer auf der Suche nach seinen kleinen, eigenen Gesten. Wenn er las, rieb er sich manchmal eine Stelle hinter dem linken Ohr oder zupfte an seiner Lippe (Aber das passierte wirklich selten. Kai war wie eine Katze; eigentlich achtete er immer darauf, dass er nicht so weit abschweifte, dass er nicht bemerkte, was er tat. Aber manchmal gab es Bücher, die waren einfach zu gut.). All I know is that you're the nicest thing I've ever seen… Hinter mir war es leise geworden. Die Touristen mussten wohl weitergegangen sein. Doch ich blieb, wo ich war; irgendwie war es ja auch egal. Ich beobachtete Kai. And I wish that we could see if we could be something Er richtete sich auf, legte die Karte weg und drehte sich um. Als hätte ich seinen Blick magisch angezogen, wanderte er zu mir. Wir starrten uns an, und ich glaube, ich blinzelte ein paarmal verwirrt. Dann zog er einen Mundwinkel nach oben und bat mich mit einem Wink hinein. And I wish that we could see if we could be something Song: "Nicest Thing" von Kate Nash Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)