Die Vergessenen Phönixe von SeKaYa (Die Geschichte der Gefallenen Helden) ================================================================================ Kapitel 1: Die mürrische Heilerin --------------------------------- Die mürrische Heilerin ~*~ "... das ist Marlene McKinnon, sie wurde zwei Wochen nach dieser Aufnahme umgebracht, die haben ihre ganze Familie ausgelöscht." Moody betrachtete das Bild eingehend, beide Augen auf dieselbe Person fixiert. Marlene McKinnon. Wenn er an sie dachte, dachte er an Schmerz. Er hatte sich oft genug von ihr zusammenflicken lassen, was das betraf. Zu oft, wenn er es recht bedachte. Aber er war nicht der einzige gewesen, der ihre heilenden Hände benötigt hatte. Sie hatte einen großen Anteil daran, das er den Krieg überstanden hatte – heil überstehen konnte man so etwas nicht, doch Marlene hatte dafür gesorgt, dass er und die anderen weiterkämpfen konnten. Und vielleicht auch noch etwas länger überleben konnten. ooOoo "Verdammt noch Mal, Moody!" Wenn es eines gab, was Marlene McKinnon hasste, dann war es die Art und Weise, wie Moody es jedes Mal schaffte, sie zur Weißglut zu bringen – selbst wenn die Schuld nicht bei ihm lag. "Was hast du dieses Mal schon wieder angestellt?" Moodys einzige Antwort bestand darin, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen und etwas zu knurren, dass sowohl "Kammerjäger" als auch "Kampf" bedeuten könnte. Marlene entschied sich für letzteres – sie wollte gar nicht erst wissen, was Moody tun würde, wenn er ein Insektenproblem hatte. Vermutlich das Haus anzünden. Aber das war auch mehr Meadowes' Metier. "Das sehe ich", sagte sie verärgert, während sie den Zauberstab über Moodys Gestalt kreisen ließ. "Ich meine, was hast du angestellt? Man verliert nicht einfach so die halbe Nase!" Ihr Patient war von der äußerst widerborstigen Sorte und statt eingeschüchtert zu sein, spuckte er einfach nur einen Schwall Blut aus und knurrte, diesmal verständlicher: "Woher soll ich wissen, was für'n verkappten Fluch Rosier benutzt hat? Seh ich aus wie'n Hellseher, oder was?" "Nein." Marlene wandte sich ab und kramte in ihrer Medizintasche. "Du siehst aus, als wärst du gerade aus dem Reißwolf gekommen. Aber ich krieg das wieder hin..." "Das will ich auch hoffen, ich hab später noch Dienst!", fluchte Moody, während er sich erneut durchs Gesicht wischte, um das Blut daran zu hindern, in den Mund zu laufen. "Wenn Longbottom mich nicht hergeschickt hätte –" "– dann lägst du auf der Bahre und nicht im Krankenbett. Halt gefälligst still!" Moody ließ sich murrend zurück in die Polster sinken. Er wusste es besser, als mit Marlene zu streiten. Zumindest vermutete Marlene, dass das der Grund war. Der Schmerz konnte es nicht sein, denn wenn sie Franks Worten Glauben schenken durfte, dann war Moody noch durch die halbe Zentrale gelaufen, hatte sich schon auf halbem Weg zum Abteilungsleiter befunden und war dann erst zusammengeklappt. Lange hatte es nicht gehalten. "Wann kann ich gehen?", wollte Moody schon wissen. "Ich habe zu tun, verdammt!" "Einen Tag Bettruhe, mindestens. Oder besser, du kannst in sechs Stunden zum Dienst – dann ist morgen", brummte Marlene. Und, als sie sah, dass Moody sich für Widerstand bereit machte, fuhr sie entschlossen fort: "Das ist das mindeste! Sonst gehe ich und lasse dich für eine Woche krankschreiben – du brauchst zumindest einige Stunden, damit die Heilzauber wirken und die Wunde nicht wieder aufbricht, Moody. Ich warne dich!" Das war einer der seltenen Augenblicke, in denen Alastor Moody tatsächlich genau das tat, was man ihm sagte. Die Drohung war aber auch unter der Gürtellinie gewesen... ooOoo "Du hättest nichts mehr tun können", sagte Caradoc behutsam und versuchte ein wenig unbeholfen Marlene zu beruhigen. "Niemand hätte das." "Aber ich...", begann Marlene, brach jedoch ab. "Niemand", knurrte Moody mit der Einfühlsamkeit einer Dampflok. "Die haben sie massakriert, da war nichts mehr zu helfen. Sie kamen, sie mordeten, sie gingen. Keine Zeit, irgendwas zu tun. Wir haben den Alarm einfach viel zu spät bekommen." "Du verstehst es, einen aufzumuntern", grollte Dearborn, als Moodys Worte den gegenteiligen Effekt auf Marlene hatten. Marlene sank immer mehr in sich zusammen. Moody brummte etwas Unverständliches, woraufhin Dearborn ihn hart in die Rippen stieß. "Halt – den – Mund!", zischte er und wandte sich wieder Marlene zu. "Wie Moody so taktvoll gesagt hat: Wir waren zu spät. Wie hättest du dann noch irgendetwas anderes tun können als ihren Tod festzustellen?" "Ich... ich hätte..." Marlene verstummte. "Gar nichts hättest du", brummte Moody. "Du hättest dich unnötig in Gefahr gebracht, mehr auch nicht. Ich wette, diese Schweinehunde sind ganz versessen darauf, dich in die Finger zu kriegen, immerhin bist du unsere Heilerin!" "Moody!", stieß Dearborn aus. "Du verstehst es wirklich, einen aufzubauen", sagte Marlene tonlos. "Aber ich schätze, du hast recht... das einzige, was ich tun kann, ist euch wieder zusammenzuflicken. Und eure Aufgabe wird es sein, Edgar und seine Familie zu rächen. Passt aber auf Amelia auf, ja? Sie wird ziemlich wütend sein, immerhin war er ihr Bruder..." Moody und Dearborn sahen sich an und nickten fest. Edgar war nicht nur Amelias Bruder, er war ein Kamerad – ein Freund. Und Auroren ließen niemals ihre Kameraden einfach so sterben, nicht, wenn sie deren Tod in irgendeiner Weise rächen konnten. "Ich werd auf sie Acht geben", sagte Moody fest und er meinte es genau so, wie er es sagte. ooOoo Die Feder hing in der Luft, nur darauf wartend, dass man ihr sagte, was sie schreiben sollte. Jedoch hatte Moody keine Ahnung, wie er beginnen sollte. Natürlich, es war nicht das erste Mal, dass er so etwas schrieb, aber er war einfach mit den Gedanken woanders. "Immer noch bei deinem Bericht?" Fenwick lugte ins Büro. "Du weißt schon, dass du ihn schon vor drei Stunden auf Bones' Schreibtisch hättest abliefern sollen...?" "Ach, verdammt noch mal!", knurrte Moody, warf die Feder hin und stürmte an Fenwick vorbei aus dem Büro. "Berichte! Papierkram! Verdammte Bürokratie!" Alice sah über die Trennwand ihrer Zelle und sah Fenwick fragend an. "Was ist es diesmal?" "Das übliche, vermutlich. Gepaart mit den letzten Verlustmeldungen", sagte Fenwick. "Ich kann's ihm nachfühlen – man hat wirklich keinen Nerv dafür." "Moody noch weniger." "Ich vermute, er krallt sich Meadowes und verlangt ein Trainingsduell, um sich abzulenken." Alice nickte leicht und sah dann Moody nach, wie er in Richtung der Trainingsräume rauschte – Meadowes war ihm dicht auf dem Fersen. Wäre nicht klar gewesen, dass es ums Training ging und es die Normalgeschwindigkeit war, mit denen Meadowes und Moody sich fortbewegten, immer rennend, egal wohin, dann wäre es ein äußerst merkwürdiges Bild gewesen. "Hoffentlich bringen sie sich nicht um", sagte Dearborn, der soeben hinzugekommen war, leise, die Stimme ein wenig brüchig. "Marlene ist nicht mehr da, um sie zusammenzuflicken..." Alice und Fenwick sahen sich kurz an, bevor sie nickten. Marlene war nicht mehr da. Nie wieder würde sie einen von ihnen anfahren, dass sie vorsichtiger sein sollten. Sie und ihre Familie – ausgelöscht. Alles, was blieb, waren die Narben, die jeder von ihnen trug. Narben von Wunden, die Marlene geheilt hatte. Das würde die Erinnerung an sie wach halten, jeden Tag. 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