Die Vergessenen Phönixe von SeKaYa (Die Geschichte der Gefallenen Helden) ================================================================================ Kapitel 3: Der Mann in Eile --------------------------- ~*~ Der Mann in Eile ~*~ "Benjy Fenwick, auch ihn hat's erwischt, wir haben nur Stücke von ihm gefunden ..." Auror Benjy Fenwick. Moody wusste bis heute nicht, wie er diesen Mann definieren sollte. Einerseits galt er seinerzeit als der Mann ohne Hobbys – aber wer in der Zentrale hatte noch ein wirkliches Privatleben besessen? Benjy war immer in Eile gewesen. Ob beim Essen, beim Berichte schreiben – Bones hatte sich mehr als einmal über die Schlampigkeit der Berichte beschwert – oder bei anderen Dingen. Er war immer in Eile. Das einzige, wo er sich Zeit nahm, war Planung. Und die Vorbereitung auf einen Einsatz. Benjy hatte seinen Job wirklich ernst genommen. Vielleicht, weil sein Leben davon abhing, oder weil er Auror war und dies sein Leben so bestimmte, dass er keine andere Möglichkeit mehr hatte. Moody wusste es nicht, aber er wusste, dass Benjy ein echter Held gewesen war und es nicht verdient hatte, vergessen zu werden. Niemals. ooOoo Es war die wöchentliche Lagebesprechung. Bones war da, Moody war da und der Rest der Bande war auch da. Auch der genervte Blick war da – Bones hatte soeben die Wochenberichte erhalten und wie immer war sie wenig begeistert von dem, was dabei herausgekommen war. "Alastor, kannst du nicht ein einziges Mal darauf achten, dass man noch lesen kann, was du schreibst?", fragte Amelia und wedelte mit einem Bericht herum, der mehr nach Altpapier aussah, dass zum Aufwischen benutzt worden war. "Ich meine... was soll das hier heißen? Das liest sich wie... wie... irgendetwas über Karpfen. Ich weiß, dass du 'Kämpfe' schreiben wolltest, aber das hier... nein. Definitiv nein." Moody brummte nur, schenkte dem aber nicht mehr Beachtung. Seine Berichte waren immer unleserlich – das lag meist daran, dass er beim Berichtschreiben Kaffee trank, und nie dazu kam, einen Bericht zu beenden, bevor er nicht zu einem Einsatz musste. Das Ende vom Lied war, dass der Kaffee auf dem unfertigen Bericht landete und Moody sich nicht die Mühe gab, den Bericht neu zu schreiben. Seiner Ansicht nach waren Berichte sowieso Zeitverschwendung. "Meadowes, du genauso – mehr Mühe!" Bones wandte sich Moodys gelehriger Schülerin zu. "Ich meine, ich kann wenigstens lesen, was da steht, aber der Sinn fehlt. Es ist bestimmt kein Beinbruch, ein paar Wörter auszuschreiben. Was soll ich denn denken, wenn da 'T' steht – heißt das Troll oder Todesser oder was?" "Ja, ja", sagte Dorcas abwinkend. "Wenn ich Zeit hab..." Moody schnaubte. Das war genauso gut wie 'niemals', denn sie hatten eigentlich nie Zeit, nicht genug, um für Bones ordentliche Berichte abzuliefern. Aber gut, im Vergleich zu Benjy Fenwick war jeder Bericht druckreif – Benjy hatte weder Zeit noch Interesse an Berichten und so sahen sie auch aus. Kein Wunder also, dass Bones sich als nächstes Fenwick zuwandte. "Und du hast ja wohl den Vogel abgeschossen!", fauchte Bones. "Was soll ich hiermit anfangen?" Die versammelte Mannschaft brach in Gelächter aus, als Amelia einen Fetzen Papier hochhielt, der offenbar Benjys Bericht darstellen sollte. Abgesehen davon, das er mehrmals zum Aufwischen und als Teller missbraucht worden zu sein schien, ließ sich auch erkennen, dass eigentlich alles nur aus einzelnen Symbolen – Buchstaben konnte man das nicht mehr nennen – bestand. "Z T t n d A e u b d d w V", las Bones mit sichtlicher Mühe von dem Fetzen ab. "Was zur Hölle soll ich damit anfangen? Ich bin kein Hellseher, Fenwick! Ich kann nicht einfach wissen, was du damit sagen willst!" Benjy blickte trotzig zu Bones hinüber und die beiden lieferten sich ein Blickduell. Moody beugte sich zu Frank hinüber. "Ein Mittagessen auf Fenwick", flüsterte er. "Da gehe ich mit", sagte Frank. Einige Minuten lang starrten sich Fenwick und Bones noch an, dann sahen beide gleichzeitig weg. Moody sah Frank an. Frank zuckte mit den Schultern. "Alice wollte dich eh mal einladen...", meinte er nur. ooOoo Moody und Fenwick hatten sich zur Feier des Tages in die Cafeteria gesetzt und vernichteten den dortigen Kaffeebestand. Natürlich saßen sie nicht vollkommen nutzlos herum – sie hatten sich die neusten Angriffspläne geschnappt und waren am Diskutieren. "Ich denke, der beste Angriffspunkt ist hier" – Fenwick deutete auf eine der Karten – "Ist recht abgelegen, da erwartet niemand einen Angriff." "Also Frontalangriff durch die Hintertür, eh?" Moody nickte bedächtig. "Zur Sicherheit sollte man die Prewetts vorne ein Ablenkungsmanöver starten lassen." Fenwick beugte sich über die Karten und malte ein paar zusätzliche Pfeile ein, die er knapp mit den entsprechenden Taktiken beschriftete. Dann betrachteten sie gemeinsam den Schlachtplan für die morgige Mission. Wenn es zumindest anfangs nach Plan laufen würde, wäre der Rest vermutlich ein Erfolg. Oder eher ein Erfolg als es sonst der Fall wäre. Aber kein Plan hatte je den Feindkontakt überlebt. Es war also reines Wunschdenken, dass es funktionierte. "Hier seid ihr." Frank trat zu ihnen. "Was gibt's, Longbottom?", fragte Fenwick und beobachtete weiter die Karte, um Fehler zu finden. "Hoffentlich ist es wichtig, wir sind mitten im Angriff." "Die Verlustmeldungen", sagte Frank und warf nur einen kurzen Blick auf den Plan. "Es ist Marlene." Sowohl Moody als auch Fenwick sahen geradezu entgeistert auf. "Marlene?", stieß Fenwick hervor. "Sie ist Heilerin!" Frank schüttelte nur traurig den Kopf. "Es ist nicht nur Marlene. Die ganze Familie – sie sind alle tot. Kein einziger hat überlebt." Er nickte den beiden noch einmal zu und ging. Moody starrte vollkommen in Gedanken an die Stelle, an der Frank zuvor noch gestanden hatte. Fenwick indes wandte sich mit neuem Eifer dem Schlachtplan zu – jetzt war es keine einfache Mission mehr, es war ein Rachefeldzug. ooOoo "Bones?" Sie sah nicht einmal auf, als Moody in ihr Büro kam. Sie tat es nie, denn wenn es wichtig wäre, wäre Moody polternd hereingestürmt. Zumindest war das meistens so, und selbst dann war es nicht halb so wichtig, wie Moody es machte. "Bones." Amelia beschäftigte sich weiterhin mit ihrem Papierkram. Moody verdrehte die Augen. "Amelia... Benjy hat's erwischt." "Wie...?" Amelia blickte auf. "Ach ja, Benjy... sag ihm, ich komme gleich. Wird doch nicht so schlimm sein, oder? Ich meine, wenn er noch einen Ton von sich gibt, dann –" Moody schüttelte den Kopf. "Ich meine, es hat ihn erwischt." "Es hat ihn...?" "Erwischt, ja. Um den musst du dich nicht mehr kümmern. Außer, du willst das, was von ihm übrig ist, schön herrichten. Wenn ich so darüber nachdenke, das wäre ein sinnloses Unterfangen... nichts, was man noch herrichten könnte, wenn du verstehst, was ich meine." Amelia starrte ihn einfach nur an. Moody erwiderte den Blick mit scheinbar gelassener Härte, einem Blick, der geringere Leute als Amelia versenkt hätte. Aber Amelia Bones war Amelia Bones und sie war an Moodys Blick gewöhnt. "Wie ist es passiert?", fragte sie schärfer als beabsichtigt. "Nun, es waren Todesser, nicht wahr? Wer sollte es sonst gewesen sein?", grollte Moody. "Und wenn du das wer weißt – und das was gesehen hast – dann ist das wie überflüssig." Bones starrte auf ihren Schreibtisch, während Moody abwartend davor stand. Er konnte sich gut vorstellen, was ihr durch den Kopf ging. Vielleicht besser, als die meisten anderen, aber das war nicht so wichtig. Fakt war, er wusste, dass sie sich die Schuld gab. Sie gab sich die Schuld daran, dass es Benjy erwischt hatte, und sie gab sich die Schuld daran, dass sie nichts getan hatte, um ihn zu retten. Moody wusste das. "Du hättest nichts tun können. Niemand hätte das." Moody schüttelte erneut den Kopf. "Niemand. Nicht einmal der Herrgott im Himmel persönlich. Ich weiß, dass du dich für jeden Verlust persönlich verantwortlich machst, Amelia, aber es war nichts mehr, was man hätte tun können – sie haben ihn zerfetzt. Zerfetzt, sag ich! Da war kaum noch was von ihm übrig. Das Identifizieren war schwer genug, da hätte keiner mehr vermocht." Moody wandte sich zum Gehen. "Berührt dich sein Tod gar nicht, Alastor?" Moody hielt an der Tür inne. "Doch", gestand er nach einer Weile. "Doch, er berührt mich. Er berührt mich sogar sehr. War ein guter Mann, Benjy. Ein guter Auror. Ein guter Freund. Doch, es berührt mich. Aber ich habe einfach nicht die Zeit, um ordentlich zu trauern, Amelia. Ich habe keine Zeit dafür, denn da draußen sind immer noch Todesser. Solange da auch nur ein einziger Todesser ist, kann ich nicht trauern. Dieser verdammte Krieg raubt uns die Zeit dafür." Er blickte in die Ferne. "Aber weißt du, wenn ich im Feld bin, wenn ich im Feld bin und diesen verdammten Bastarden gegenüberstehe, Zauberstab zum Duell erhoben, ja, dann denke ich an ihn. Dann denke ich an ihn und an Marlene und an Edgar. Ich denke an sie alle, an alle, die für unsere Sache gestorben sind. Es heißt, Rache sein falsch, aber wenn ich im Feld bin, mit den Geistern meiner Kollegen um mich, mit diesen Gedanken, dann ist Rache richtig und ich kämpfe für sie und mit ihnen. Immer weiter und weiter bis dieser Krieg zuende ist oder ich tot unter der Erde liege." Er drehte sich noch einmal um. "Und deshalb brauchen wir dich, Amelia, damit du weiterhin dafür sorgst, dass ich, wir alle, weiterkämpfen können und das Andenken an unsere Kollegen und Freunde zu Felde tragen wie ein Schild." Dann ging er hinaus und schloss die Tür hinter sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)