Trauerspiel von abgemeldet (Eine Geschichte um das alte Team von Kakashi) ================================================================================ Kapitel 2: Gegen das Schicksal ------------------------------ Ein paar Augenblicke verstrichen und ein leises Geräusch erreichte mich. Zuerst hielt ich es für eine Windböe, doch es wurde langsam aber sicher lauter und ich hörte ganz deutlich, wie jemand immer und immer wieder meinen Namen rief. Was mir dabei die Haare zu Berge stiegen ließ, war, dass es sich um diese Stimme handelte. Ja, ich war mir absolut sicher. Es war er. Mein toter Sensei. Namikaze Minato. Während ich den Ruf meines Namens wiederholt hörte - wobei sie immer deutlicher und lauter wurde, bis ich das Gefühl hatte, er stünde direkt bei mir - verschwand die Dunkelheit um mich herum und meine Sicht kehrte allmählich zurück. Ein verschwommenes Bild schwirrte vor meinen Augen und wurde von Sekunde zu Sekunde schärfer. Und dann konnte ich alles klar und deutlich erkennen. Er blickte mich direkt an. Erschrocken zuckte ich zurück. „Minato-sensei?“ Meine eigene Stimme klang fremd in meinen Ohren und auch meine körperliche Größe war ungewohnt. Aber das alles verblasste im Vergleich zu der Tatsache, dass ich meinem lebendigen Sensei gegenüberstand, der mich immer noch mit einem bedrückten und besorgten Blick bedachte. „Was ist los, Kakashi-kun?“, versuchte Minato-sensei es erneut und schnippte ein paar Mal vor meinem Gesicht, um eine Reaktion zu erhalten. „Was soll denn los sein?“, konterte ich unsicher, denn noch immer konnte ich nicht fassen, dass der alte Mann sein Wort tatsächlich gehalten hatte. „Was los ist? Seit Minuten stehst du wie erstarrt da und spielst Freiheitsstatur. Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ Es tat unglaublich gut, noch einmal in den Genuss der warmen und ruhigen Art meines Lehrers zu kommen. Ich konnte nicht anders als zu lächeln, während die sommerliche Brise sanft durch mein Haar glitt und mein erhitztes Innenleben trotz Nichtberührens kühlte. „Es geht mir gut. Ich war nur zu sehr in meinen Gedanken versunken“, redete ich mich heraus und bemerkte selbst, dass ich inzwischen Meister darin war, billige Ausreden zu erfinden. Obito hatte wahrlich auf mich abgefärbt. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch meine alte Teamkameradin da war. In der Aufregung hatte ich sie nicht wahrgenommen. „Dann ist ja gut. Wir haben uns Sorgen gemacht. So abwesend bist du doch sonst nicht, Kakashi-kun“, sagte das einzige Mädchen aus unserem Team und wandte sich dabei zärtlich lächelnd zu mir herum. Ihre Gutherzigkeit und der Anblick ihres lieblichen Gesichts hatten mir all die Jahre gefehlt. Beiden drehten sich danach um und vergaßen den kleinen Zwischenfall mit mir. Die Sonne war heute nicht besonders warm und das obwohl wir uns mitten im Hochsommer befanden. Das Klima war sehr angenehm, genauso wie ich es in Erinnerung hatte. Der Trainingsplatz war wie immer. Selbst sechzehn Jahre später würde er genauso ansehen. Drei Baumstämme ragten mit einem Abstand von etwa zwei Meter in der Mitte des riesigen Platzes aus der Erde. Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich Naruto an einem dieser festgebunden. Den Sohn von Minato-sensei. Automatisch schwenkte ich meinen Kopf zu dem Blonden, der mit dem Rücken zu mir auf einem Felsen saß und gedankenversunken in die Ferne blickte. Wenn man ihn so sah, konnte man meinen, er versuche einen Blick auf die Zukunft zu werfen. Er sollte froh sein, dass er das nicht konnte. Rin saß ruhig auf dem Boden, die Beine vor ihrem Oberkörper gedrückt und die Arme darum geschlossen. Ich bemerkte, wie sie mir immer wieder verstohlen Blicke zuwarf. Ob sie das damals auch schon so getan hatte und mir fiel das nur nie auf? Vermutlich. Heute wusste ich, was sie für mich empfand, hat sie es mir doch vor sechzehn Jahren selbst gestanden. Ich liebte Rin. Aber ich liebte sie nicht, wie ein Mann eine Frau liebt. Ich liebte sie, wie ein Bruder seine Schwester liebt. Nach Obitos Tod verbrachten wie sehr viel Zeit zusammen, halfen uns über den gemeinsamen Verlust hinweg, auch wenn wir kein einziges Wort über den heutigen Tag verloren. Es reichte, dass wir beide da waren. Ich für sie und sie für mich. Rin wurde Familie für mich und als sie dann ebenfalls tragisch aus dem Leben schied, fiel ich erneut in das Loch, das Obitos Tod gebuddelt hatte. Es dauerte viele Monate, bis ich ihren Tod akzeptiert hatte und damit umgehen lernte. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass Minato-sensei und Rin tatsächlich wieder lebten. Bei so viel Glück lauerte das Unglück vielleicht schon hinter einem Felsen. Ich versuchte, mich zu beruhigen und mich nicht zu sehr von meinen Gefühlen beherrschen zu lassen. All die Jahre war mir das problemlos gelungen, warum fiel es mir jetzt so verdammt schwer? Mich überkam das Bedürfnis, herauszuschreien, was mir auf der Seele brannte. Ich wollte sie um Vergebung bitten, dafür, dass ich in der Vergangenheit immer wieder versagt hatte. Ich wollte sie um Vergebung bitten, dafür, dass ich sie nicht gerettet hatte. Ich wollte sie um Vergebung bitten, dafür, dass ich nicht da war, als sie mich am meisten gebraucht hatten. Ich wollte einfach nur um Vergebung bitten. Aber ich konnte es nicht. Kein Wort der Vergebung kam über meine Lippen. Sie waren versiegelt und zum Schweigen verdammt. Bis Obito auftauchen würde, würden noch ein paar Minuten vergehen, weswegen ich eine Hand in meiner Hosentasche vergrub und mich auf einen naheliegenden Baum zubewegte, an dem ich mich dann anlehnte. Wie gewöhnlich griff ich in meine kleine Tasche an der Seite, um mein Flirtparadies herauszuholen und mir ein wenig die Zeit zu vertreiben. Doch beim Anblick des verwunderten Gesichtsausdrucks meines Senseis und meiner Teamkamerdin zog ich verdutzt meine Hand wieder heraus und schaute sie ebenso perplex an. Wie konnte ich denn nur vergessen, dass ich ein dreizehnjähriger Bengel war, der noch nicht einmal Bücher wie das Flirtparadies kaufen, geschweige denn lesen durfte? Außerdem gab es das Buch noch nicht einmal, weswegen ich ohnehin nur Shuriken und Kunais in meiner Tasche fand. Warum schauten sie mich also an? „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte ich nichtsdestotrotz gelassen, um wenigstens Selbstsicherheit vorzutäuschen. „Du benimmst dich heute sehr merkwürdig, Kakashi-kun.“ Minato-sensei sah mich mit einem Lächeln an, das genauso aussah wie Narutos. Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn war verblüffend. Ihre gesamte Ausstrahlung war nahezu identisch. Ich setzte zu einer Antwort an, bemerkte im letzten Augenblick aber, dass meine Mundwinkel dabei waren, sich nach oben zu ziehen. Außerdem war eine Hand in meiner Hosentasche vergraben. Das passte nicht zu meinem jüngeren Ich. Also verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und sagte kurz und knapp: „Alles bestens.“ Nach drei Atemzüge fiel mir auf, was sie seltsam fanden, nämlich, dass ich nicht schimpfte, dass Obito mal wieder seit zwei Stunden überfällig war. Deswegen schlüpfte ich wieder in meine alte Persönlichkeit und mimte den Kakashi, der damals mit Obito gestorben war. „Dieser Versager kommt schon wieder viel zu spät. Ehrlich, Sensei, Sie sollten nicht immer so nachsichtig mit ihm sein, dann wird er es vielleicht auch irgendwann lernen, pünktlich zu sein.“ „Kakashi“, sagte er sanft, „sei nicht immer so streng mit ihm. Er wird es schon noch lernen.“ „Das sagen Sie immer und bis jetzt hat er es noch nie geschafft, wenigstens nicht volle zwei Stunden zu spät zu kommen.“ Als die letzte Silbe meinen Mund verlassen hatte, spürte ich, wie er sich uns näherte. Der Rhythmus meines Herzschlages geriet aus dem Takt und beschleunigte sich enorm. Endlich würde ich Obito wiedersehen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich mit einem sehnsüchtigen Blick in die Richtung schaute, aus der er kommen würde. Gleich. Gleich würde er da sein. Ich musste mich beruhigen. Ich durfte mir absolut nichts anmerken lassen. Und da war er. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Seine Landung war wieder genau wie vor 16 Jahren. Er stolperte über ein Seil und prallte frontal auf dem Boden auf. Wehleidig rieb er sich den Kopf und setzte sich dann hin. Alles in mir sehnte sich danach, ihn zu umarmen und ihm zu sagen, wie leid es mir tat, dass er damals sein Leben für mich gelassen hatte. Aber ich konnte nicht. Ich durfte nicht. Ich nahm alles in mir zusammen und trat aus meinem schattigen Platz unter dem Baum. Vor ihm blieb ich stehen und zwang mich dazu, missbilligend zu gucken. Doch so sehr ich mich anstrengte, es wollte mir nicht gelingen. Er sah etwas verwundert zu mir hoch mit seinen unschuldigen schwarzen Kinderaugen. Wie sehr er mir doch gefehlt hatte! Und jetzt durfte ich ihm nicht einmal zeigen, was er mir inzwischen bedeutete. Ich versuchte mein Möglichstes, um die Fassung zu bewahren. Schon bei Sensei und Rin war mir dies sehr schwer gefallen, aber bei Obito verlangte es mich alles ab, was ich als Ninja im Bereich Gefühlskontrolle gelernt und an Erfahrungen gesammelt hatte. Er drückte plötzlich schmollend seine Augenbrauen herunter. „Warum starrst du mich so an?“ Der Klang seiner Stimme, obgleich verärgert, hinterließ einen wunderschönen Nachhall in meinen Ohren. Doch ich musste mich zusammenreißen. „Du bist schon wieder zu spät, Loser. An Disziplin scheint es euch Uchihas anscheinend zu mangeln“, provozierte ich ihn, wie ich es damals beinahe pausenlos getan hatte. Jedoch klang ich dabei nicht so kalt wie erhofft. „Eine alte Dame hat mich nach dem Weg gefragt, da habe ich ihn ihr gezeigt“, rechtfertigte er sich. Und sofort drehte ich meinen Kopf nach hinten, wo mein Sensei sich noch immer befand, weil ich wusste, dass er etwas sagen würde. Um genau zu sein, wusste ich sogar noch den exakten Wortlaut. „Beruhige dich, Kakashi-kun. Obito hat recht. Einer alten Frau muss man doch helfen.“ „Sag‘ ich doch“, verließ es Obito grinsend. „Das ist doch nur eine billige Ausrede. Shinobi haben Regeln, die unbedingt beachtet werden müssen, Obito“, wies ich ihn zurecht, auch wenn ich schon lange nicht mehr an Regeln festhielt und an sie glaubte. Obito sprang auf und ballte seine Faust. „Immer redest du von Regeln und Bestimmungen“, warf er mir vor und rieb sich nebenbei die Augen. Nun kam Rins Part. Sie hob beschwichtigend ihre Hände und sagte: „Hört auf, ihr zwei! Wir sind doch ein Team.“ „Rin, du lässt Obito zu viel durchgehen. Heute ist doch ein wichtiger Tag für mich.“ Seit ich hier war, war der letzte Satz der erste, der keinen Funken Unehrlichkeit in sich barg. „Stimmt, du hast recht“, sagte sie unsicher und lächelte sanft. „Worum geht’s?“, hörte ich Obito fragen. Damals habe ich ihm geglaubt, dass er es vergessen hatte, doch heute … wusste ich es besser. Noch bevor jemand Obito eine Antwort gab, warf unser Sensei ein, dass wir uns nun auf dem Weg machen würden und das taten wir auch sofort. Ich stolzierte an der Spitze … genau wie damals. Ganz hinten schlenderte Obito uns hinterher. Ein frischer Wind zog über die Landschaft und wiegte die Grashalme geschmeidig hin und her. Alles schien so voller Leben. Es stellte einen so starken Kontrast zu den damaligen Ereignissen an diesem Tag dar, dass ich es fast schon für einen im wahrsten Sinne des Wortes göttlichen Witz hielt. Leider Gottes waren es aber keine Lachtränen, die wir damals vergossen hatten. Hinter mir hörte ich, wie Obito und Rin über die Beschenkung zu meiner Ernennung zum Jounin sprachen. Es zauberte mir automatisch ein Lächeln auf die Lippen, das ich jedoch unterdrückte, weil ich damals einfach kein Mensch war, der viel lächelte. Stets lag etwas Ernstes in meinen Augen, das mich älter und gefährlicher wirken ließ. Meine eisenharte Maske war damals gegen alles gewappnet, … nur nicht gegen das Ableben eines Freundes. Unterwegs teilte Minato-sensei uns mit, dass wir uns in zwei Teams aufteilen würden. Er erklärte mich zum Anführer des Teams, welches ich gemeinsam mit meinen beiden Teamkameraden bilden würde. Team Kakashi. Wie viele Teams hatten schon diesen Namen getragen? Wie viele Menschen waren ihm zum Opfer gefallen? Wie viel Blut klebte an seinen Händen? Als Obito mürrisch das Gesicht verzog und beleidigend dreinblickte, sagte Rin zu ihm: „Wir haben doch schon einmal darüber gesprochen, Obito, und auch darüber, was wir Kakashi schenken. Kannst du dich etwa nicht erinnern?“ „Tut mir leid, das muss ich wohl verdrängt haben“, sagte er grimmig, während der Grashalm in seinem Mundwinkel im Wind tanzte. Wie auf Kommando zog der zukünftige Hokage ein Kunai heraus und überreichte es mir mit den Worten: „Das hier ist ein selbstangefertigtes Kunai. Es hat eine spezielle Form und ist schwerer als gewöhnliche. Aber wenn du dich erst einmal daran gewöhnt hast, wird es sich als sehr nützlich herausstellen.“ „Danke“, entgegnete ich und nahm das Geschenk entgegen. Als Rin mir ein Päckchen hinhielt, packte ich den Kunai weg und wendete meine Aufmerksamkeit auf die viereckige Box. „Ich habe dir ein Medizin-Päckchen zusammengestellt. Es ist leicht zu bedienen.“ Ihr Lächeln strahlte mir entgegen und am liebsten hätte ich ihr ebenso ein Lächeln geschenkt. Doch das konnte ich nicht tun. Stattdessen entnahm ich es aus ihrer Hand und sagte nur trocken: „Danke.“ Einen einzigen Blick warf ich zur Seite zu meinem besten Freund und wandte mich dann wortlos zum Gehen. Obito schien meine Schweigsamkeit oder meinen Blick falsch gedeutet zu haben, denn er wendete sich mir gereizt zu. „Was? Ich habe nichts für dich! Mir ist es sowieso ein Rätsel, wie man ausgerechnet dich zum Jounin ernannt hat! Ich bin vom Uchiha Clan. Ich bin Uchiha Obito und eines Tages werde ich dich überflügeln, sobald mein Sharingan erwacht.“ Ich schwieg. Sagte rein gar nichts dazu. Langsam nämlich bemerkte ich etwas: Der Tag wiederholte sich, so als würde ich ein Video erneut abspielen. Und auch wenn ich versuchte dagegenzuwirken, indem ich bestimmte Sätze nicht sagte, so passierte doch alles so, wie ich es in Erinnerung hatte. Aber es durfte sich nicht zu 100% wiederholen, denn sonst würde die Mission erneut mit Obitos Tod enden, und das durfte nicht passieren. Niemals. „Wir besprechen jetzt die Mission“, sagte unser Sensei und wir folgten ihm zu einem großen Stein, auf dem er die Karte ausbreitete. Wir beugten uns alle darüber und ließen uns alles von ihm erklären. Hin und wieder warf Rin etwas ein. Ich schwieg, in der Hoffnung, dass ich irgendwas an diesem Tag ändern konnte, ohne dass es jemandem als Solches auffiel. Die Art, wie mein Sensei mich gelegentlich ansah, wollte sagen: Wieso sagst du denn nichts? Sonst hast du doch immer Fragen, Bemerkungen, Zweifel oder Ideen. In der Tat war ich stets aufmerksam und tat mein Bestes, um einen strategisch guten Plan aufzustellen. Doch jetzt tat ich nichts anderes als mir die Gebiete auf der Karte genau anzusehen, deren Grenzlinien sich zu den Umrissen eines tödlichen Felsens formten. Als Teamleader ging ich voran und meine Teamkameraden und mein Sensei folgten mir. Langsam gingen wir in den tiefen Wald hinein, wo riesige Pilze vorzufinden waren. In dieser Situation habe ich damals das erste Mal mein Chidori ausprobiert. Ohne Zweifel wäre es böse für mich ausgegangen, wenn Minato-sensei nicht in aller letzten Sekunde eingegriffen hätte. Ich spürte den Feind. Ich blieb stehen. Wie damals. Neben mir legte mein Sensei einen Finger auf dem Boden und ließ uns wissen, dass es zwanzig an der Zahl waren, wobei er davon ausging, dass die Person das Kagebushin-No-Jutsu angewandt hatte. Ich verharrte in meiner Position und begab mich nicht wie damals in Kampfposition. Stattdessen wartete ich ab, was Sensei sagen würde. „Am besten ich kümmere mich darum und ihr gebt mir Rückendeckung.“ Offensichtlich wollte er mein Okay hören, denn er drehte sich etwas fragend zu mir um. Er hatte nicht vergessen, dass ich der Teamleader war. „In Ordnung“, sagte ich und nickte ihm bejahend zu seiner unausgesprochenen Frage zu. In rasanter Geschwindigkeit erledigte er einige Schattendoppelgänger, bevor er den echten unter ihnen fand und ihn mit einem Kunai die Kehle aufschnitt. Das alles hatte er in ein paar Sekunden erledigt. Er trug nicht umsonst den Spitznamen „Der gelbe Blitz“. Seine Schnelligkeit war beeindruckend und die meisten Gegner fielen ihr zum Opfer. Genauso wie dieser. Er schloss sich uns wieder an und verlor über das Geschehene kein Wort. Er warf einen Blick gen Himmel und murmelte „Es wird bald dunkel“ vor sich hin, ehe er an uns gewandt sagte: „Wir suchen uns jetzt einen Platz, wo wir schlafen können.“ „Eigentlich hättest du doch als unser Teamleader die Feinde besiegen müssen oder nicht? Du hältst doch sonst auch immer an Regeln fest!“, zischte mir Obito aus heiterem Himmel zu. Da ich verhindern wollte, dass sich wieder ein Streit zwischen uns auftat, der letztendlich damit enden würde, dass Minato-sensei uns einen Vortrag hielt, reagierte ich nur mit einem trockenen „Lass mich in Ruhe, Obito“ und kehrte ihm den Rücken zu. „Will das ach so große Genie nicht zugeben, dass es versagt hat?“, rief er mir wutentbrannt hinterher und ich spürte regelrecht seine von Zorn erfüllten schwarzen Augen auf meinem Rücken. „Halt die Klappe, Heulsuse“, entgegnete ich dieses Mal prompt, bereute es im nächsten Augenblick aber schon wieder, denn nun legte Obito erst recht los und wiederholte in etwa genau das, was er auch damals zu mir gesagt hatte. Verdammt. Wieder hatte ich es nicht geschafft, etwas zu verändern. Wie kam es, dass ich mich anders verhielt und trotzdem den Lauf der Dinge nicht veränderte? „Jetzt ist aber Schluss, ihr zwei!“, meldete sich nun Minato-sensei zu Wort und ich wusste genau, was jetzt folgen würde. Ich war selbst überrascht darüber, dass ich mich fast an jede Kleinigkeit erinnerte. Aber dieser Augenblick war mir so gut in Erinnerung geblieben, weil es das erste Mal war, dass ich unseren Sensei so wütend gesehen hatte. Heute konnte ich ihn sehr gut verstehen, damals wehrte es mein Idealismus mit Händen und Füßen ab. „Kakashi“, sprach er mich an und ich drehte mich zu ihm um, im Wissen darüber, was er mir sagen würde. „Es stimmt, dass Regeln und Vorschriften wichtig sind, aber sie sind nicht alles. Ich habe dich gelehrt, dass es Situationen gibt, die nach Improvisation verlangen.“ Gern hätte ich jetzt gesagt, dass ich es begriffen hatte. Nach vielen Jahren hatte ich es endlich vollständig begriffen. Ich hatte es begriffen. Obito freute sich wie damals darüber, dass ich von Sensei ausgeschimpft wurde, auch wenn ich diesmal so gehandelt hatte, wie ich es auch damals hätte tun sollen. Es schien so, als könnte ich tun und lassen, was ich wollte; ich konnte einfach nichts ändern und das bereitete mir große Sorgen. Obito durfte kein zweites Mal sterben. Als Obito seine Standpauke von Minato-sensei erhalten hatte, suchten wir nach einem geeigneten Platz, wo wir ein wenig schlafen konnten. Diesen fanden wir auch rasch. Am Ende des Waldes direkt vor einem riesigen Baum, worunter sich ein großer Felsen befand, setzten wir uns zur Ruh‘. Der Vollmond stach stolz aus dem dunkeln Hintergrund des Himmels hervor und helles, warmes Licht ging von ihr aus. Ich liebte den Mond, denn er war oft das einzige, was ich nachts auf Missionen sah. Er hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und ich hatte Gefallen daran, die Faszination, die von ihm ausging, zu betrachten. Manchmal, wenn ich ihn lange ansah, verlor ich mich in ihm und die Dunkelheit aus meinen Augenwinkel verschwand. Der Mond wirkte beizeiten hypnotisierend. Rin, Obito und ich legten uns in unsere Schlafsäcke, während unser Sensei auf dem neben uns liegenden Felsen Platz nahm und nachdenklich in die dunkle Nacht hinaussah. Was er wohl dachte? Ob ihm etwas Sorgen bereitete? Das Blau seiner Augen wurde von der Dunkelheit verschluckt und ließ stattdessen nichts weiter als schwarz erkennen. Ich drehte mich zur anderen Seite und versuchte, darüber nachzudenken, wie ich Obito retten konnte. Sowie es momentan aussah, wiederholte sich die Geschichte und das obwohl ich bewusst versuchte, dagegenzuwirken. Völlig in Gedanken versunken, fand ich den Schlaf nicht. Ruhig liegend genoss ich die nächtliche Stille, durch die ein sanfter Windzug fuhr. Damit war es allerdings schnell vorbei, denn Obito kroch plötzlich aus seinem Schlafsack. Was hatte er denn vor? Ich rührte mich nicht und tat so, als wenn ich tief und fest schlief. Mit stark pochendem Herz lauschte ich dem Gespräch zwischen Obito und unserem Lehrer. Und jedes Mal, wenn der Name Hatake Sakumo fiel, versetzte etwas meinem Herz einen gewaltigen Stich. Es war lange her, dass ich jemanden seinen Namen aussprechen hörte. Mein Vater war inzwischen so lange tot, dass ich das Gefühl hatte, ihn aus einem anderen Leben gekannt zu haben. Er fehlte mir. Der Schmerz, der Obitos Worte begleitete, während er von seinen Gefühlen erzählte, kam unerwartet und brannte wie Feuer auf meiner Haut. Kein einziges Mal hatte ich auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass ich Obito möglicherweise damit wehtat, dass ich ihn über die Jahre immer wieder als Versager bezeichnete und ihn nicht anerkennen wollte. Es tut mir leid, … Obito. Ich konnte immer noch nicht glauben, was für ein Idiot ich damals gewesen war. Wenn ich heute zurückblickte, dann sah ich einen kleinen Jungen mit einer trügerischen Maske, die sich wie ein zweites Ich auf sein Gesicht gelegt hatte. Während der Tod seine Hand nach Obito ausgestreckt hatte, bekam die Maske, die ihn so lange geschützt hatte und die unverwundbar zu sein schien, einen tiefen Riss und zerfiel daraufhin wie ein Spiegel in ihre Einzelteile. Und all das nur, um das zum Vorschein zu bringen, was sich dahinter verbarg: einen einsamen, gebrochenen kleinen Jungen. Nach dem Gespräch schlüpfte Obito wieder zurück in seinen Schlafsack und es war nichts mehr zu hören außer dem Rufe der Eulen. „Von hier an trennen sich unsere Wege. Ich wünsche euch viel Glück“, sagte unser Sensei am nächsten Morgen zu uns, als wir uns inmitten des grünen Waldes befanden. Sein Blick wurde ernster, als er hinzufügte: „Der Feind gestern war nur ein Wachposten und er war allein, aber ab jetzt werdet ihr es mit Teams zu tun haben. Passt auf euch auf!“ „Ab jetzt hängt es von dir ab, Teamführer!“, sagte Obito an mich gerichtet, doch er vermied es, mich dabei anzuschauen. Ich sah, wie schwer es ihm fiel, solche Worte an mich zu richten. Dass er es trotzallem getan hatte, sprach für sein großes Herz. Wie blind ich doch gewesen bin, das nicht zu sehen! Es gab wahrlich zwei Arten der Freundschaft: die Offensichtliche und die Verborgene. Unsere Mission zu Dritt begann und ich spürte, wie sich eine leichte Anspannung in mir breit machte. Ich versuchte den Gedanken, dass sich Obitos Tod womöglich wiederholen würde, ganz weit weg zu schieben und in eine Ecke zu verbannen. Höchste Konzentration war jetzt gefragt. In Eiltempo durchschritten wir den Wald, der in einem sehr hellen Grün erstrahlte und für mich in diesem Moment meine Hoffnung auf ein glückliches Ende dieses Tages symbolisierte. Gleichzeitig belächelte ich mich innerlich selbst, denn aus allem versuchte ich Kraft zu schöpfen. Wenn der Mensch verzweifelt war, dann griff er in heller Not nach jedem Grashalm, um sich aus seinem Loch empor zu ziehen. Und auch wenn man das als Ninja irgendwann vergaß: wir waren letztendlich auch nur Menschen. Wir erreichten schließlich den Bach, wo Rin entführt wurde. Ich hatte in Erwägung gezogen, einen anderen Weg zu nehmen, allerdings war das mit einer viel größeren Gefahr verbunden. Die Feinde lauerten überall und hier hatte ich den Vorteil, dass ich wusste, was passieren würde. Das Wasser unter unseren Füßen machte bei jedem Schritt ein plätscherndes Geräusch, welches laut in meinen Ohren dröhnte. Die Anspannung war noch weiter angestiegen. Der Körpergeruch unserer Feinde verriet sie wieder und ich blieb stehen, was meine Teamkameraden ebenfalls aufgrund eines Handzeichen von mir taten. Ich wusste genau, was ich tat. Als die vielen kleinen Baumstämme auf uns zugeflogen kamen, machte ich einen Satz nach hinten, sodass Rin sich nun dicht vor mir befand und nicht als letzte allein dastand. Ich hörte Obito ausrufen „Katon: Gokakyou- No- Jutsu" , woraufhin ein riesiger Feuerball das Holz zu Asche verarbeitete. Im selben Augenblick drehte ich mich um, sodass sich Rins und mein Rücken beinahe berührten, zog das Tanto aus ihrem Halter und stach blind in die Luft. Ich wusste schließlich, dass der Feind damals genau hier aufgetaucht war, unsichtbar, um sich meine Teamkameradin zu schnappen. „Du kleiner Bastard!“, keuchte er unter Schmerzen und hielt sich die tiefe blutende Wunde am Bauch, die ich ihm eben zugefügt hatte. In Windeseile führte ich die Handzeichen für mein Chidori durch und als das mir so vertraute Geräusch erklang, holte ich aus, um ihn damit zu töten bevor er reagieren konnte, doch der zweite Feind setzte seinerseits zum Schlag gegen mich an, sodass ich gezwungenermaßen zur Seite sprang und die leuchtenden Blitze in meiner Hand ausklingen ließ. „Verdammt!“, fluchte ich vor mich hin und sah schnell nach rechts, wo mich Obito und Rin mit einem erstaunten Gesicht ansahen. „Was war das eben?“, fragte mich Obito mit leicht offenstehendem Mund und sah mich mit drei Fragezeichen über den Kopf an. „Das ist jetzt unwichtig. Pass auf Rin auf“, befahl ich ihm in meiner typischen Tonlage und fixierte den gegenüberstehenden Feind mit den hellbraunem, lockigem Haar und dem widerlichen Grinsen im Gesicht. „Wie es mir scheint, bist du kein gewöhnliches Kind“, sprach er mich mit spöttischem Ton an, während neben ihm sein verletzter Partner vor Schmerz keuchte. Gleich durfte er am eigenen Leib erfahren, dass ich kein gewöhnliches Kind war, sondern ein 29jähriger Mann in dem Körper eines 13-Jährigen. Sie waren zwar nicht ungefährlich, aber ich war mir sicher, dass ich sie problemlos töten können würde. Er stürmte auf mich zu und versuchte, mir sein Kunai in den Hals zu stechen. In der Absicht ihn zu verunsichern, tat ich so, als würde ich ihn gar nicht ernst nehmen. Ich rührte mich solange nicht von der Stelle, bis ich das Metall seines Kunais fast riechen konnte. Im letzten Augenblick duckte ich mich blitzschnell und vergrub meine Faust in seinem Magen, ehe ich dann selbstsicher etwas zurücksprang. Mit Genugtuung beobachtete ich, wie er kurz vor Schmerz das Gesicht verzog und dann knurrend zu mir herübersah. „Na warte ab, Bengel!“ Ein Seitenblick verriet mir, dass Obito und Rin sich nicht von der Stelle gerührt hatten, was mir nur recht war. Auch wenn ich grundsätzlich lieber im Team arbeitete, so war ich dennoch froh, dass ich sie aus diesem Kampf heraushalten konnte. Rin durfte ihnen nicht in die Hände fallen. Wieder stürmte mein Gegner mit einem Aufschrei auf mich zu. „Geben Sie auf! Sie haben keine Chance gegen mich“, gab ich selbstsicher von mir, um ihn zum Rückzug zu bewegen, obwohl ich mir sicher war, er würde es nicht tun. „Vor einem Rotzlöffel lauf' ich doch nicht davon!“, schrie er mit entgegen, während er auf mich zusprintete. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, belehrte ich ihn wie ein kleines Kind und begab mich in Position. Plötzlich aber traf mich ein Luftzug am Hals, als wäre jemand blitzschnell an mir vorbeigelaufen. Sofort wurde mir klar, wer das sein musste. Ich sah rüber zu der Stelle, wo vor ein paar Sekunden noch der Mann gestanden hatte, den ich mit meinem Tanto am Bauch verletzt hatte. Er war weg. Und ehe wir uns versehen hatten, packte er Rin und machte zwei große Sprünge, die ihn auf den Ast eines Baumes beförderten. Sowie es aussah, war er nicht so geschwächt wie gedacht. An seiner Miene konnte ich zwar erkennen, dass er noch Schmerzen hatte, das hielt ihn aber augenscheinlich nicht davon ab, ihren Plan durchzuführen. Er grinste mich noch triumphierend an, ehe er im Wald samt Rin verschwand. „Halt!“, hörte ich Obito dem verletzten Feind noch verzweifelt hinterherrufen. Ich war von der ganzen Angelegenheit so abgelenkt, dass ich meinen eigentlichen Gegner in dieser kurzen Zeitspanne total vergessen hatte. Sein Kunai traf mich völlig unerwartet am linken Auge und hinterließ eine senkrechte Wunde, die mit Sicherheit zu der Narbe werden würde, die für mich inzwischen zu meinem Gesicht dazugehörte. Ich fiel mit einem kurzen Schmerzensschrei nach hinten, was meinem Feind zum schadenfrohen Auflachen animierte. Genauso schnell wie sein Lachen ertönt war, verstummte es auch wieder. „Kakashi“, verließ es Obito erschrocken. Er rannte zu mir, ging auf die Knie und fragte mich äußerst besorgt: „Ist alles in Ordnung mit dir? Sag doch was!“ Tränen traten in seine Augen, weswegen er seine Brille auf die Stirn schob und diese mit seinem Ärmel wegwischte. Langsam stand ich auf. Die Angst, dass ich auch bei Obitos Rettung versagen könnte, schnürte mir die Kehle zu und meine Beine fühlten sich so an, als würden sie von Bleigewichten brutal auf den Grund gedrückt werden. Apathisch legte ich eine Hand auf mein verletztes Auge. Blut rann in dicken Strahlen zwischen meinen Finger herunter und färbte das klare Wasser des Baches rot. „Es geht schon“, antwortete ich ihm nun. „Hauptsache dir geht es gut“, fügte ich nach einem kurzen Moment hinzu. Zwar passte es nicht zu mir, so nett zu Obito zu sein, doch ich konnte nicht anders. Ich war überglücklich, dass es ihm gut ging und dass ich ihn bei mir hatte. Gemeinsam würden wir jetzt auch noch Rin retten und dann konnten wir endlich zusammen durchs Leben gehen. Als Freunde. „Kakashi …“, wisperte er, fassungslos darüber, was ich gerade zu ihm gesagt hatte. Sein Blick senkte sich, sodass er sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche sehen konnte. Ich sah, wie er sein eigenes Abbild stillschweigend fixierte. Was ihm wohl in diesem Moment durch den Kopf ging? Dann plötzlich hob er wieder seinen Blick und sagte jene Worte, die ich nicht hören wollte: „ Ich habe immer nur große Töne gespuckt, musste mich von anderen retten lassen. Ich war nichts weiter als ein Loser. Aber ab jetzt werde ich meine Kameraden beschützen!“ Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass er unseren Feind anvisiert hatte. Ich musste mich nicht zu ihm herumdrehen, um zu wissen, dass er sein Sharingan aktiviert hatte. Wieder war die Verletzung meines Auges der Auslöser dafür. „Obito … dein Sharingan hat sich aktiviert“, sagte ich fast tonlos und so beiläufig, als wollte ich es nur gesagt haben. Und so war es auch. Obito schwenkte seinen Kopf zu mir, nahm kurz Augenkontakt auf, ehe er ganz langsam seine Hände hob und sie sich dicht vors Gesicht hielt. Erstaunt und fasziniert zugleich betrachtete er sich durch sein Bluterbe. „Ich sehe den Chakraverlauf in meinem Körper ganz genau“, sagte er gebannt und so, als könnte er es kaum glauben. „Endlich hast du dein Sharingan aktiviert“, flüsterte ich, innerlich lächelnd. Ich wusste, wie sehr er sich das gewünscht hatte. Ich hoffte nur, dass er dieses Mal nicht nach einigen Minuten wieder verlor. Nein, das würde ich nicht zulassen! Felsenfest entschlossen, Rin so schnell wie möglich zu befreien, begab ich mich in Kampfpose. Unser Feind grinste nur bösartig und sagte: „Tut mir leid, Kinder, aber ich habe keine Zeit mehr, mit euch zu spielen.“ Und damit rannte er davon. Wieder hatte ich versagt und diese Erkenntnis bohrte sich wie tausend Splitter eines zerbrochenen Spiegels in mein Herz. Schon wieder hatte ich versagt. „Komm, Kakashi, wir müssen unbedingt Rin retten! Wir werden den Kerl verfolgen! Er wird uns zu ihr bringen“, gestikulierte mein Teamkamerad hektisch, während er die Worte fast schrie. Er wartete nicht einmal auf eine Reaktion von mir, sondern lief eilig voran. Diesmal hielt ich ihn nicht auf. Ich folgte ihm. Ich glaube, dass ich mich noch nie im Leben so beeilt und so oft in Gedanken gebetet hatte, dass ich pünktlich ankommen möge. Eine frühzeitige Befreiung von Rin könnte den gesamten Ablauf zunichtemachen und Obito müsste nicht sterben. Ohne Rücksicht auf Verluste stürmten wir durch einen schmalen Weg, der sich abseits vom Wald befand. Noch immer sickerte Blut über meine linke Gesichtshälfte, doch es war mir völlig gleichgültig. Ich wollte nur noch meine Freunde retten, alles andere würde halb so schlimm sein. Als wir die Steinkuppel erreichten, machten wir auf einem Ast Halt. „Obito“, flüsterte ich ihm zu. „Lass uns absteigen und uns unauffällig ihrem Versteck nähern.“ Es war zwar ein Befehl, allerdings betonte ich die Wörter so, dass er die Möglichkeit hatte, zu widersprechen. Doch davon machte er keinen Gebrauch. Er nickte mir nur zu und ich erwiderte es. Dann kletterten wir leise herunter und versuchten so wenig Lärm wie möglich zu machen, als wir auf Rin's Gefängnis zugingen. Die Kuppel hatte einen kleinen Ein- beziehungsweise Ausgang, durch den ich ein weiteres Mal in meinem Leben gehen musste. Dahinter lauerte der Tod … damals. Was erwartete mich diesmal? Nebeneinander und zu allem entschlossen traten wir unserem Feind von vorhin gegenüber, bereit, ihn zu töten, um das Leben unserer Teamkameradin zu retten. „Ihr schon wieder! Ihr nervt, ihr kleinen Rotzlöffel!“, gab er gefühlskalt von sich. Er war alleine. Der verletzte Shinobi, der Rin entführt hatte, war nicht mehr da. Ich konnte ihn weder spüren noch riechen. Also würden wir es nur mit einem Gegner zu tun haben. Obito ignorierte ihn und sagte dann etwas zu mir, was ich schon wusste, bevor es passiert war: „Rins Chakra verläuft anormal. Anders als meins und deins.“ „Sie steht unter einem Genjutsu“, erklärte ich ihm und widmete mich dann wieder unserem Feind. Ich musste ihn unbedingt töten, bevor er die Möglichkeit hatte, sein Jutsu von damals wieder anzuwenden. Obito und ich begaben uns gleichzeitig in Kampfposition, um unseren Gegner herauszufordern. „Jetzt beruhigt euch doch erst einmal“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen und machte eine abwehrende Geste mit seinen Händen, indem er sie vor der Brust nach vorne und hinten bewegte. Und hier fing es an, seltsam zu werden. Damals hatte er uns sofort angegriffen, um uns schnell loszuwerden, doch dieses Mal schien es so, als versuchte er einem Kampf zu entgehen. „Vielleicht können wir einen kleinen Deal eingehen“, schlug er immer noch grinsend vor. „Ihr gebt mir die Information, die ich haben will, und dafür lasse ich eure kleine Freundin gehen. Na, was haltet ihr davon?“ „Kommt nicht infrage!“, ließ ich ihn wissen und verengte mein heiles Auge, um ihn damit zu fixieren. „Kakashi“, sprach mich nun Obito an und ich sah den etwas irritierten Ausdruck in seinem Gesicht. „Wollen wir uns nicht erst anhören, was er wissen will?“ „Obito“, sagte ich ruhig. „Wir werden Rin so oder so retten. Dafür müssen wir nicht unser Dorf verraten und das Leben vieler auf diese Weise in Gefahr bringen.“ Obitos Miene veränderte sich sofort und er gab mir damit zu verstehen, dass er es einsah. Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn jemals von etwas überzeugt zu haben. Aber ich führte das darauf zurück, dass er einfach meiner Meinung war, denn sonst hätte er niemals so schnell nachgegeben. „Wollt ihr es euch nicht vielleicht noch einmal überlegen?“ Die Art, wie er mit uns sprach, bewegte sich zwischen Spott und Ernsthaftigkeit. Er konnte sich selbst nicht eingestehen, dass er gegen zwei Kinder Schwierigkeiten hatte und so versuchte er, diese Tatsache zu kaschieren, indem er seine Tonlage höher ansetzte als normal und ihr damit einen nichternstzunehmenden Klang verlieh. Ohne weiter auf ihn einzugehen, holte ich das Andenken meines Vaters heraus, das Tanto, und griff ihn zielbewusst an. Obitos Schritte konnte ich deutlich hinter mir hören. „Rette du Rin, ich werde mich um diesen Kerl kümmern“, rief ich ihm im Laufen zu, worauf er nur hastig „okay“ sagte. Hätten wir wie beim letzten Mal gemeinsam angegriffen, hätte es vermutlich mit demselben Ausgang geendet. Ich musste also sicherstellen, dass Obito Rin befreite und sich mit ihr zum Ausgang begab, während ich diesen Kerl beschäftigte. „Jetzt reicht es mir aber!“, wisperte mein Opponent voller Ernsthaftigkeit und doch hatte ich jedes Wort deutlich verstanden. Die vollführten Handzeichen spielten sich wie in Zeitlupe vor meinem Auge ab, denn jedes einzelne davon fügte Stück für Stück ein Teil des Puzzles ein, das letztendlich Obito begraben unter einem Felsen zeigen würde. Nein, das durfte nicht geschehen! Nicht heute, nicht morgen. Niemals. So schnell ich konnte und mit allem, was ich hatte, stürmte ich auf ihn zu, um ihn von der finalen Handbewegung abzuhalten und so das Schicksal meines Kameraden zu wenden. Eine Handbreite trennte uns. Fast hatte ich es geschafft. Nicht mal mehr eine Sekunde brauchte ich. Doch … Er rief: „Doton: Iwa Yado Kuzushi" und besiegelte damit unser aller Schicksal. Meine Faust traf ihn noch, doch er ignorierte es vollkommen und sprang hastig auf die Beine, um durch den einzigen Ausgang zu entwischen, bevor die Steine wie Regen auf ihn niederprasseln würden. Keine weiteren Gedanken verschwendete ich an ihn, sondern widmete meine gesamte Aufmerksamkeit meinen Freunden. Ich war erstaunt darüber, wie schnell ich akzeptiert hatte, dass ich wieder versagt hatte. Dafür fehlte mir wohl einfach nur die Zeit. Die Steinunterkunft fiel wie ein Kartenhäuschen in sich zusammen und das Geräusch dabei erinnerte mich an das Grollen des Donners an stürmischen Herbsttagen. Es war Ironie des Schicksals, dass ich die bunten Farben der Blätter des Herbstes als auch das wütende Geschrei des Himmels dem Sonnenschein und der milden Tage vorzog. Der Herbst war für mich nie die Jahreszeit des Sterbens, sondern der Freiheit und Erkenntnis. Die Blätter rissen sich von ihren Bäumen los, um sich vom Winde verweht in alle Richtungen zu zerstreuen. Auf den ersten Blick war das Blatt hilflos und schwach, nicht in der Lage dazu, selbst zu entscheiden, wohin es gehen wollte und doch; wenn man genauer hinsah, es beobachtete, dann erkannte man, dass die Freiheit nicht zwingend bedeutete, dass man frei entscheiden konnte, was man tat, wohin man ging; Dass Freiheit schon dann beginnen konnte, wenn man sich aus den Fesseln befreite, die einen an Ort und Stelle festhielten. Aber eines erkannte das Blatt zu spät, nämlich, dass der Baum ihm das Leben ermöglichte. Eine Erkenntnis, die zu spät kam. Ein Fehler, den das Blatt jedes Mal wieder begehen würde. Wenn es aber der Baum war, der das Blatt verbannte? Es war wohl so, dass der Baum das Blatt brauchte, genauso wie das Blatt den Baum brauchte. Eine Erkenntnis, die auch die meine war. „Kai!“ Ich löste das Genjutsu auf und zögerte keine Sekunde, um Obito und Rin hier herauszubringen. „Wir müssen hier schleunigst raus!“, sagte Obito hastig. „Ja, kommt!“ Ganz bewusst rannte ich erst drei Sekunde nach den beiden auf den Ausgang zu. Vielleicht konnte ich das Schicksal so überlisten. Krachend fielen die Steine herunter und ihr Staub bildete einen grauen Nebel, der uns die Sicht ein ganzes Stück nahm. Glücklicherweise war die Distanz zwischen meinen Teamkameraden und mir nicht allzu groß. Ich konnte sie immer noch sehen. Sie hatten es fast geschafft und ich kam nicht umhin, schon jetzt Freude zu empfinden, auch wenn die Gefahr noch nicht vollständig gebannt war. Doch kaum war der Funken Freude aufgekommen, erlosch er jäh, als ein Schrei ertönte, den ich schon einmal gehört hatte … damals … von derselben Person … in derselben Situation. Bitte nicht schon wieder. Nein. „Obito!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)