You Always Meet Twice A Lifetime von NguyenTranLoc (Final Fantasy VII) ================================================================================ Kapitel 1: Trail Of Blood ------------------------- Disclaimer: Da es mit dem Privatvermögen in Höhe mehrerer Millionen leider noch nicht geklappt hat, konnte ich die Rechte an FF7 und allen zugehörigen Charas leider noch nicht erwerben. Folglich liegen die Rechte immer noch bei Squaresoft und ich hab mir alles nur ungefragter Weise ausgeliehen. Dieses Fanfic dient keinerlei kommerziellen Zweck, sondern einzig und allein der Unterhaltung. Nur die von mir ausgedachten Charaktere sind mein geistiges Eigentum. Warnings & Pairings: Ich bin kein sonderlicher Fan von beidem, da beides eigentlich nur eine Art von Spoilern ist. Ich werde also an dieser Stelle kein Wort über irgendein Pairing verlieren (vielleicht gibst auch gar keins *g*). Lest die Geschichte, dann findet ihr es heraus. Und Warnungen? Also schön ein bisschen (aber nur, dass hinterher niemand schreit, ich hätte ihn nicht gewarnt!): Gewalt und Blut? Ja, definitiv. Flüche und Schimpfwörter? Ein bisschen. Sex? Ja, aber eher impliziert als explizit (geiler Satz *g*). Geistige Abgründe und Situation, die die menschliche Existenz an sich in Frage stellen? Ähm... gute Frage, nächste Frage! Pokemons? Nein, definitiv nicht! So, ich glaub, das reicht an Warnungen, oder? Vorwort: Final Fantasy VII ist mittlerweile über 7 Jahre alt. Auf dem Spielemarkt also ein alter Brocken. Lohnt es sich da eigentlich noch ein Fanfic dazu zu schreiben und zu hoffen, dass es von ein oder zwei Seelen gelesen wird? Definitiv! Ich wollte schon lange ein Fanfic zu FF7 schreiben und jetzt hat mich endlich die richtige Inspiration gepackt. Da ist es mir eigentlich egal, ob es jetzt 500 oder nur 5 Leute lesen. Ich hoffe diejenigen, die sich hierher verirrt haben, finden Gefallen an der Story. Viel Spaß beim Lesen! ----- FINAL FANTASY 7: You Alway Meet Twice A Lifetime ----- Der Lebensstrom war für gewöhnliche Sterbliche - sofern sie ihn überhaupt jemals zu Gesicht bekamen - nichts weiter als eine warme, grünlich leuchtende Flüssigkeit. Für Individuen, die ein etwas tieferes Verständnis vom Leben eines Planeten und seiner spirituellen Kraft besaßen, war er ein pulsierender Energiestrom voll von Lebenskraft und Erinnerungen derjenigen, die zum Planeten zurückgekehrt waren. Und für solche, die zum Lebensstrom zurückgekehrt waren, war es eine eigene Welt. Hier existierten all jene weiter, deren irdisches Leben ein Ende genommen hatte. Pflanzen warteten auf den nächsten Frühling um erneut zu sprießen und Tiere darauf als Mitglied einer neuen Generation ihrer Artgenossen wiedergeboren zu werden. Bei Menschen war es anders. Ein jeder durchstreifte den Lebensstrom auf andere Art und Weise. Manche wurden schon kurz nachdem sie gestorben waren - aller Erinnerungen beraubt - wiedergeboren, manche warteten ab, bis ihre Freunde oder Familien ebenfalls zum Planeten zurückkehrten und wieder andere weigerten sich wiedergeboren werden. Sie lehnten den Gedanken ab alle ihre Erinnerungen - sei es nun Freude, Trauer, Liebe oder Hass - zu verlieren und suchten verzweifelt einen Weg ohne Vergessen ins Leben zurückzukehren. Manche gaben nach einem Jahrzehnt auf, manche nach einem Jahrhundert und manche nie... Und dann gab es noch die, die einfach nur beobachteten. Tief im Lebensstrom saß einer von eben jenen Beobachtern, eine junge Frau und blickte durch ein Fenster, das wie eine in der Luft schwebende Wasserkugel wirkte, in die Welt der Lebenden. Sie war nichts weiter, als das Bewusstsein, das einst ihren Körper bewohnt hatte und doch besaß sie hier so etwas wie eine Gestalt. Langes braunes Haar umrahmte ein zartes Gesicht mit bleicher Haut, aus dem ein Paar grüne Augen wie zwei glänzende Smaragde hervorstach. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie spürte wie sich ihr ein anderes Bewusstsein näherte - eines, das sie nur allzu gut kannte. "Was führt dich hierher?", fragte sie mit sanfter Stimme. "Ich sollte eher fragen, was du von mir willst", antwortete der Neuankömmling leicht verärgert. "Warum hast du mich gerufen?" Das Mädchen blickte ihn ruhig an. Auch wenn ihr Gegenüber keinen Körper mehr besaß, so erschien er dennoch in derselben Gestalt wie zu Lebzeiten. Ein makelloser, muskulöser Körper, lange silbergraue Haare und ein schlankes, kräftiges Gesicht, das von zwei stolzen Augen, die ebenso grün waren wie die ihrigen, bewohnt wurde. "Wenn du meinen Gedanken, dass ich dich gerne hier sehen würde, als Ruf ansiehst, dann habe ich dich wohl gerufen", sagte sie mit ruhiger Stimme, unbeeindruckt von der Schroffheit des anderen. "Was willst du von mir?" Sie fuhr mit einer Hand an dem 'Fenster' vorbei, woraufhin die Oberfläche unruhig zu wabbern begann, als hätte man einen Stein in einen Teich geworfen. "Du solltest dir das mit ansehen. Auf unsere Freunde kommt etwas zu. Etwas, das von größerer Bedeutung sein könnte, als sie erahnen werden, und das für sie gefährlich werden könnte." "'Unsere Freunde'? Es sind deine Freunde! Also, was soll ich hier?" "Vielleicht müssen sie beschützt oder geleitet werden. Für mich alleine könnte das schwierig werden. Ich brauche deine Hilfe." "Pah, ich werde dir ganz sicher nicht helfen sie zu beschützen", entgegnete der Langhaarige und wandte sich zum Gehen. "Vielleicht besteht auch Gefahr für den Planeten." Er antwortete, ohne sich umzudrehen, blieb allerdings stehen. "Einst wollte ich diesen Planeten zerstören. Warum sollte ich ihn nun beschützen wollen?" "Nicht du wolltest den Planeten zerstören, sondern eine bösartige Kraft. Und eben jene finstere Kraft, die dich einst dazu getrieben hat, hat wieder an Macht gewonnen hat." Einen kurzen Moment lang sprach keiner der Beiden ein Wort, dann drehte sich der Langhaarige wieder um. "Jenova." Das Mädchen nickte kurz. "Sie ist der Grund, warum du immer noch hier bist, nicht wahr? Wegen ihr versuchst du einen Weg zurück ins Leben zu finden, ohne deine Erinnerungen zu verlieren. Du hast Angst, dass sie andernfalls wieder Besitz von dir ergreifen könnte, wenn du nichts mehr von ihrer Existenz weißt. Diesmal besteht die Chance sie vielleicht endgültig zu vernichten und dann kannst vielleicht auch du endlich deinen Frieden finden." Wieder schwiegen beiden. "Was weißt du schon von meinen Ängsten!", meinte der Krieger schließlich widerwillig und schritt wieder auf das Mädchen zu. "Du hilfst mir also?", fragte sie freudig. "Wer weiß..." "Danke." * * * Heiß. Alles um sie herum war heiß. Ihr ganzer Körper brannte wie Feuer und pulsierte förmlich vor Schmerzen. Das einzige was sie hörte, war ein lautes Dröhnen, das alle anderen Geräusche ausblendete. Schwerfällig erhob sie sich von der Holzbank auf der sie gelegen hatte und blickte sich um. Allerdings konnte sie nicht viel erkennen. Das grelle Licht an der Decke überforderte ihre geplagten Sinne bei Weitem und raubte ihr fast komplett die Sicht. Sie befand sich allem Anschein nach in einem kleinen Raum mit sandigem Boden und unverputzten Wänden. Die Holzpritsche, auf der sie gelegen hatte, ein Waschbecken und eine Toilette waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Sie begann auf die schwere Stahltür, die den einzigen Zugang zu dem Raum darstellte, zuzutaumeln. Alles drehte sich um sie herum und bei beinahe jedem Schritt wurde ihr kurzzeitig schwarz vor Augen. Schließlich erreichte sie die Tür und sank kraftlos dagegen. Sie war abgesperrt. Einen Augenblick lang kratzte sie an der Tür, dann durchfuhr ein weiterer Schmerzimpuls - sehr viel stärker als die Vorherigen - ihren Körper und ließ sie sich zusammenkrampfen. Abermals wurde es schwarz vor ihren Augen. Luft! Sie brauchte Luft! Sie fuhr herum und erblickte an der Wand gegenüber ein vergittertes Fenster. Sie fiel mehr darauf dazu, als dass sie ging. Und wieder wurde alles schwarz. Das nächste was sie wahrnahm, war ein kühler Luftzug, der ihr ins Gesicht strömte und dass ihr rechter Arm in einem Loch in der Wand steckte, wo kurz zuvor noch das Fenster gewesen war. Ohne groß nachzudenken begann sie weiter auf die Wand einzudreschen und versuchte das Loch zu vergrößern. Mit einem Mal fuhr sie erschrocken herum. Die Tür war geöffnet worden und zwei Männer in dunkler Kleidung hatten den Raum betreten, und schienen sie anzuschreien - sie hörte jedoch keinen Ton. Sie wankte ihnen entgegen und wieder verschwamm alles um sie herum. Als ihr Blick sich wieder klärte, lag einer der Männer blutverschmiert am Boden und ihre Hände fühlten sich feucht an. Der andere Mann wich erschrocken zurück und sie konnte sich nicht zurück halten und sprang auf ihn zu. Etwas vor seinem Körper blitzte auf und ein gleißender Schmerz durchfuhr ihren geschundenen Körper. Schwarz. Sie kam wieder zu sich und bemerkte, dass sie auf dem anderen Mann lag. Alles um sie herum war rot. Sie blickte einen langen Gang entlang und erblickte weitere Männer, die auf sie zueilten. Sie rappelte sich auf und sprintete in ihre Zelle zurück. Mit aller Wucht hechtete sie sich gegen die beschädigte Fensterwand. Dann befand sie sich zusammen mit etlichen Trümmerbrocken im freien Fall und schlug nach einiger Zeit - die auf eine ungesunde Falldistanz schließen ließ - auf dem Boden auf. Sie zog sich an etwas hartem hoch und floh - teils taumelnd, teils krabbelnd - in die Dunkelheit, ohne auch nur einmal einen Blick zurückzuwerfen. * * * "Dreckswetter!", fluchte Tifa. Es war nicht ihr erster Fluch an diesem Tag. Sie fror, war nass bis auf die Haut und hatte eine mordsschlechte Laune. Nicht nur, dass ihr Lieferant genau die Sorte Whisky, die sie in fast zwei Drittel ihrer Getränke verwendete, vergessen hatte, der Kerl hatte ihr - als sie ihn darauf aufmerksam gemacht und verlangt hatte, dass die fehlende Ware nachgeliefert wurde - auf die für einen Midgarbürger übliche, freundliche Art erklärt, dass sie ihn kreuzweise könne und sich ab nächsten Monat gefälligst einen neuen Lieferanten suchen könne, da er auch gut und gerne darauf verzichten konnte ihren 'Drecksschuppen' zu beliefern. Tifa hatte gute Lust gehabt, den Kerl einfach zu einfach zu einem Häufen Brei zu schlagen, aber hatte sich dann darauf beschränkt ihn einfach ebenfalls mit Beleidigungen einzudecken - und die bereits gelieferte Ware ohne Bezahlung zu behalten. Auch wenn Midgar bei weitem noch kein schöner oder sicherer Ort zum Leben war, so gab es doch seit etwas mehr als zwei Jahren wieder Gesetze in Midgar und eine Polizei, die zumindest versuchte die Einhaltung dieser Gesetzte durchzusetzen. Selbstjustiz und Faustrecht waren deshalb nicht mehr angebracht. Also hatte sich Tifa, nachdem sie den Lieferanten davongejagt hatte, aufgemacht ihre Whiskyvorräte selbst aufzustocken, so dass sie wenigstens die nächsten zwei Tage versorgt wäre. Deshalb marschierte sie nun auch mit zwei schweren Getränkekartons unter den Armen durch den strömenden Regen. Sie hoffte nur, dass sie bis dahin wieder einen andern Lieferanten finden konnte. Wetter war für viele Bewohner Midgars eine der vielen Neuerungen seit dem Vorfall mit Meteor vor etwas mehr als vier Jahren. Midgar hatte damals schwer Schäden erlitten und als von der neuen, etwas menschenfreundlicheren Regierung der Wiederaufbau beschlossen worden war, wurde gleichzeitig auch durchgesetzt, die oberen Platten der Sektoren zu entfernen und die Stadt stattdessen in Breite zu vergrößern, so dass auch die Slums darunter wieder mit Tageslicht in Kontakt kamen und vielleicht wieder zu lebendigeren Orten werden konnten. Allerdings sind Planung und Durchführung zwei unterschiedliche Sachen und so ging die Umsiedlung der Bewohner und die Demontage der Platten sehr viel langsamer vonstatten als man angenommen hatte. Nicht zuletzt deshalb, weil nur die wenigsten der Hundertausenden Bewohner der oberen Region Midgars die Umsiedlung einsahen. Somit war es bis zum heutigen Tag nur gelungen Sektor 3 - und natürlich den eingestürzten Sektor 7 - aufzudecken. Und in eben jenem Sektor 3 hatte Tifa ihre neue Bar eröffnet, die sie wieder auf 'Siebter Himmel' getauft hatte. So schön es im Sommer auch war, tagsüber die Sonne und nachts Sterne anstatt von Beton und flackernden Lichtern zu sehen, an diesem kalten Herbstag wünschte Tifa sich nichts sehnlicher als eine Platte über dem Kopf. Anscheinend ging es auch den anderen Bürgern so, denn abgesehen von einigen wenigen Leuten unter Regenschirmen und Obdachlosen war niemand unterwegs. Nur die Autos schoben sich in gewohnter Zahl an ihr vorbei und mehr als nur einmal deckte ein Raser sie beim Durchfahren einer Pfütze mit einem Schwall Wasser ein - der aber ohnehin keinen Unterschied mehr machte. Tifa seufzte genervt und machte unter dem Vordach eines verschlossenen Zeitungskiosks halt. Nasser konnte sie zwar sowieso nicht mehr werden, aber sie wollte warten, bis der Regen wenigstens ein kleines bisschen nachließ, so dass sie zumindest weiter als ein paar Meter sehen konnte. Vielleicht sollte sie sich auch einmal ein Auto zulegen, aber sie besaß ja nicht einmal einen Führerschein - früher hatte man so etwas nicht gebraucht, da sich niemand darum geschert hatte; aber die Zeiten hatten sich nun mal geändert. Manches war besser geworden, manches schlechter und manches war gleich geblieben. Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick auf den ShinRa-Tower, der immer noch über der Stadt aufragte - dank Meteor nicht mehr ganz so hoch wie früher - und von wo aus die Mächtigen nach wie vor auf Midgar herabblickten. Offiziell hieß er heute Midgar-Tower, aber Tifa kannte eigentlich niemanden, der das Gebäude - obwohl aller Firmenlogos beraubt - nicht mit ShinRa identifizierte. Heute diente der Turm allerdings nicht mehr einem Konzern aus Firmengebäude, sondern war Rathaus, Museum, Einkaufszentrum und Universität zugleich. Der größte Teil der 'Sister Ray', ShinRas gewaltige Makokanone, befand sich ebenfalls noch an Ort und Stelle. Die Waffe war ein typisches Opfer der Bürokratie. Niemand wollte die immensen Kosten aufbringen, die zur Demontage und zum Abtransport nötig wären. Weder Midgar - "Die Sanierung der Stadt kostet auch so schon genug" - noch Junon - "Die Waffe hat keinen Wert mehr für unsere Stadt. Warum sollten wir sie zurückholen?" - waren bereit die finanziellen Mittel zu stellen oder sich daran auch nur zu beteiligen. Und an Wutai, das angeboten hatte die Waffe aufzukaufen und abzutransportieren, wollte man trotz aller Geldsorgen nicht verkaufen. Zu groß war die Angst dem geschlagenen Reich im Westen eine solch mächtige Waffe anzuvertrauen, die es - trotz heftiger Dementi - wahrscheinlich dazu benutzen würde, wieder seine alte Machtposition zu erreichen. Somit thronte die 'Sister Ray' immer noch über der Stadt und zielte auf den Nordkrater. Tifa wischte sich ein paar nasse Strähnen aus dem Gesicht, besann sich wieder auf ihre eigenen Probleme und stellte fest, dass der Regen in den letzten paar Minuten tatsächlich etwas nachgelassen hatte. Sie hoffte, die durchgeweichten Kartons würden den zehnminütigen Weg nach Hause noch durchhalten. Sie hatte keine Lust die teure Ware über den Asphalt verteilt zu sehen, vor allem weil sie dann diesen Regentrip vollkommen umsonst durchgezogen hätte. Die beiden Kisten fest unter die Arme geklemmt, eilte sie weiter. Sie wollte nur noch nach Hause, also beschleunigte sie ihre Schritte soweit, bis ihr Gang gerade noch als Gehen und nicht als Rennen gewertet werden konnte. Die junge Frau verließ die Hauptstraße und bog in eine kleinere Nebenstraße ein. Sie überquerte ein paar kleinere Kreuzungen und passierte mehrere Geschäfte und Bars ohne groß auf ihre Umgebung zu achten, bis sie schließlich den Durchgang zu einem Hinterhof passierte. "Halt!" Tifa blieb an Ort und Stelle wie erstarrt stehen und blickte sich verwirrt um. Niemand war in ihrer Nähe, der sie angesprochen haben könnte und doch war sie sich ganz sicher, dass sie eine leise, weibliche Stimme gehört hatte. Sie hätte sogar schwören können, dass sie die Stimme kannte. Bevor sie sich jedoch groß Gedanken darüber machen konnte, stürzte jemand aus dem Durchgang und krachte ungebremst in sie hinein. Tifa, die viel zu überrascht war, als dass sie reagieren hätte können, stürzte zusammen mit der anderen Person zu Boden. Ein lautes Klirren verriet ihr, dass ihr momentan schlimmster Alptraum wahr geworden war. "Miststück", fluchte eine Männerstimme neben ihr und der dazugehörige Besitzer stand wieder auf und wollte in den Hinterhof zurückeilen. Tifa sprang auf, packte den Rüpel am Kragen seiner Jeansjacke und riss ihn herum. Sie zog ihn zu sich herab und zwar so nahe, dass ihre Gesichter beinahe zusammenstießen. Sie hatte ein typisches Mitglied der vielen Straßenbanden Midgars vor sich - tätowiert, gepierct und in dreckige Fetzen gehüllt, die irgendwann mal als Kleidung durchgegangen waren. "WEISST DU EIGENTLICH WAS ICH FÜR DIESE FLASCHEN DURCHGEMACHT HABE?!", fuhr sie den Mann an. "Hältst du es nicht mal für angebracht, dich wenigstens zu entschuldigen, Dreckskerl?" Mit mehr Kraft, als sie ihm zugetraut hatte, befreite sich der Kerl von ihrem Griff und sah sie genervt an. "Okay, sorry. Und jetzt verzieh dich, alte Schachtel!" Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, machte der Kerl kehrt und verschwand wieder in dem Hinterhof. Das Mädchen blieb noch kurz vor Wut nach Luft schnappend stehen, dann ballte es zornig die Fäuste und sprintete hinterher. "KOMM SOFORT ZURÜCK!!!" Kaum hatte Tifa den Hinterhof betreten, erblickte sie den Übeltäter auch schon wieder und stürzte sich auf ihn. Die vier anderen Männer, die gerade dabei waren ein blondes Mädchen mit Schlägen und Tritten am Boden zu halten, bemerkte sie erst gar nicht. Der Punk, sichtlich überrascht, dass er verfolgt wurde, zögerte nicht lange und schlug nach ihr. Tifa wich dem Schlag ohne Mühe aus und startete im gleichen Moment ihren Gegenangriff. Das Können des Schlägers war, verglichen mit ihrem, minimal, und so fand auch der Kinnhaken ungehindert sein Ziel. Mit einem Knacken, das sich sehr nach einem gebrochenen Kiefer anhörte, ging Tifas Gegner bewusstlos zu Boden. Zufrieden klopfte sie ihre Hände aneinander ab und wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht. "Pah, von wegen 'alte Schachtel'! Erstens bin ich erst vierundzwanzig und zweitens zeig mir eine alte Schachtel, die das mit dir anstellen kann!" "Wer zum Teufel bist du?" Erst jetzt machte die Stimme Tifa darauf aufmerksam, dass sich noch andere Personen in dem Hinterhof befanden. Sie drehte sich um und erblickte vier Männer vom gleichen Schlag wie der Typ, den sie gerade niedergeschlagen hatte - und sie blickten nicht so drein, als hätte es sich bei dem Bewusstlosen um einen Feind von ihnen gehandelt. Dann sah sie das zusammengekauerte Mädchen, das nur ein paar zerrissene, blutige Fetzen am Körper trug. Tifa stieß einen genervten Seufzer aus. "Jungs, ich weiß ja, dass es mich nichts angeht, aber warum verzieht ihr euch nicht und lasst das Mädel in Ruhe?" "Einen Dreck werden wir tun", meinte ein kleinerer Kerl mit rotgefärbten Haaren und zog ein Klappmesser aus der Tasche. "Die Tussi hat zwei unserer Freunde fertig gemacht und jetzt wird sie dafür bestraft." Mit einem 'Klack' ließ er das Messer aufspringen. "Aber du bist herzlich eingeladen bei unserer kleinen Party mitzufeiern, Baby." "Ich dachte mir fast, dass ich so was zu hören bekomme", antwortete die Kämpferin wenig beeindruckt und ließ ihre Fingerknöchel knacken. "Dann wollen wir mal!" Ohne weite Vorwarnung schoss sie auf den ersten Punk zu und grub ihm ihre Faust in den Magen. Mit entsetzt aufgerissenen Augen krümmte sich der Getroffene zusammen. Tifa zog ihre Faust zurück und sandte den Schläger mit einem Ellbogenhieb in den Nacken ins Reich der Träume. Gleich darauf wirbelte sie herum verpasste einem zweiten Angreifer einen hohen Tritt ins Gesicht. Wieder brach ein Kiefer und wieder klatsche einer der Kerle auf den nassen Boden. Tifa hatte nicht viel Zeit ihren Triumph zu feiern, denn es stürzte sich schon der Nächste auf sie. Sie wich seinem Schlag routiniert aus, packte ihn an Arm und Kragen seines Pullovers und donnerte ihn mit einem gekonnten Schulterwurf auf den harten Boden. Mit einem anschließenden Tritt sorgte sie dafür, dass er auch dort blieb. Ein weiteres Mal wirbelte sie herum und stellte sich dem letzten übriggebliebenem Gangmitglied. Doch der Punk machte gar keine Anstalten sie anzugreifen, sondern packte das Mädchen, das anscheinend bewusstlos war, an den Haare, zog sie etwas hoch und presste ihre eine Pistole an den Kopf. "Keine Bewegung, Schätzchen", befahl er, "sonst blas ich ihr den Schädel weg!" Tifa verzog keine Miene, blieb aber stehen, wo sie war. "Und was machst du, wenn ich sage, dass sie mir egal ist?" "Ist sie dir aber nicht", meinte der Schläger zuversichtlich. "Das seh ich dir doch an. Du bist eine von denen, die immer helfen muss, wenn sie gebraucht wird. Und ihr 'Helden' habt ein Problem: Man kann euch so leicht erpressen." Er begann hämisch zu grinsen. "Und jetzt Hände hoch, Schätzchen!" Tifa schluckte unwillkürlich. Der Typ hatte leider Recht. Ihr könnte das Mädchen zwar wirklich egal sein, aber sie konnte nicht einfach daneben stehen, wenn wehrlose Menschen erschossen wurden. Widerwillig streckte sie die Hände hoch. Gleichzeitig versuchte sie jedoch auch festzustellen, ob sie irgendwie eine Gelegenheit finden konnte den Punk doch noch zu überwältigen. Wenn er etwas näher käme, hätte sie vielleicht die Chance ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Es war zwar ein riskantes Manöver, aber gegen Diamant-Weapon zu Fuß anzutreten war auch nichts Ungefährliches gewesen und überlebt hatte sie trotzdem. "So ist's brav, Schätzchen", lachte ihr Gegenüber und richtete die Waffe auf sie. Anschließend riss er das Mädchen an den Haare hoch und schleuderte sie in eine Ansammlung von leeren Kisten und Tonnen hinter sich. Dann trat er langsam auf Tifa zu, während der Regen immer noch in Strömen auf sie hinter regnete. *Perfekt*, dachte Tifa, allerdings erhielten ihre Pläne gleich darauf einen Dämpfer. "Planst wohl schon, wie du deinen Karatescheiß durchziehen kannst, was Schätzchen? Ich sag dir was: Wenn von dir auch nur eine Wimper zuckt, bist du tot." Kurz vor Tifa blieb er stehen und presste ihr den Lauf der Pistole an die Stirn. Er musterte sie von oben bis unten, wobei offensichtlich war woran sein Blick am längsten haften blieb, dann blickte er ihr in die Augen und begann zu grinsen. "Was mach ich nur mit dir, Schätzchen, was mach ich nur?" Er leckte sich über die Lippen. "Du gefällst mir sehr viel besser als dieses Häufchen Elend da hinten." "Selbst schuld, wenn ihr sie so zugerichtet habt", meinte Tifa zornig. "Hehe, zuviel der Ehre, Schätzchen", lachte der Punk. "Wir haben sie schon in diesem Zustand gefunden. Aber das kann dir ja egal sein." Tifa überlegte verzweifelt, was sie tun sollte. Eine Waffe an die Stirn gepresst zu bekommen war eine ungenehme Sache, aber sie konnte die Fähigkeiten des Kerls einfach nicht einschätzen. Wenn er schneller reagierte, als sie dachte, hätte sie eine Kugel im Kopf. Was den ohnehin schon beschissenen Tag noch beschissener gemacht hätte. "Hmm...", überlegte der Schläger. "So schade es ist, aber ich glaube es wäre ungesund für mich, mich mit dir zu vergnügen. Aber zum Glück weiß ich auch noch eine andere Lösung: Ich kenn da einen Kerl, der zahlt viel Geld für so hübsche Leichen, wie du gleich eine sein wirst." Der Kerl begann dreckig zu lachen. Tifa wusste, dass sie nichts zu verlieren hatte und wollte gerade einen Entwaffnungsversuch starten, aber dazu kam es nicht mehr. Mit einem Mal spritzte ihr plötzlich ein ganzer Schwall Blut ins Gesicht. Erst war sie geschockt, denn sie dachte er hätte schon geschossen, dann bemerkte sie, dass nicht sie tödlich verletzt war sondern der Punk. Etwas hatte seinen Brustkorb knapp unterhalb des Halses durchschlagen. Etwas, das aussah wie eine Krallenhand, mit vier Fingern und langen schwarzen Fingernägeln, an einem muskulösen Arm, dessen Fleisch pulsierte und mit dicken Adern überzogen war. Der Arm verschwand wieder in dem Loch, das er erschaffen hatte und der röchelnde Punk ging zu Boden, wo sich sein Blut mit Regenwasser vermengte. Hinter ihm kam das blonde Mädchen zum Vorschein, doch ihr Äußeres wirkte nicht so wehrlos, wie es vorher noch den Anschein gehabt hatte. Ihr rechter Arm war eben derjenige, der gerade noch in den Rücken des Schlägers gerammt worden war. Oberhalb der blutverschmierten Kralle konnte Tifa erkennen, dass das zuckende Fleisch des Armes einen grünlichen Farbton hatte. Die Adern waren von einem helleren, fast schon gelben Farbton. Tifa konnte das Gesicht des Mädchens nicht sehen, da es den Kopf gesenkt hatte, allerdings konnte sie eine lange, gespaltene Zunge erkennen, die immer wieder kurz hervorzuckte. Ansonsten wirkte das Mädchen relativ normal, ihre Kleidung war größtenteils zerrissen und mit Blut verschmiert, von denen das meiste wohl von Wunden des Mädchens selbst stammte. Auch ihre Haltung verriet, dass es ihr alles andere als gut ging. Tifa wusste nicht ob sie das Weite suchen, angreifen oder sich bedanken sollte. Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, geschah etwas mit dem Mädchen. Der rechte Arm begann sich zu verkrampfen, dann plötzlich traten die Adern zurück und auch das pulsierende Fleisch ging zurück. Schließlich wurde aus der Monsterklaue wieder ein gewöhnlicher schlanker Arm mit normaler Hautfarbe - davon abgesehen, dass er immer noch blutverschmiert war. Das Mädchen taumelte einen Schritt nach vorne, dann stolperte sie und stürzte auf Tifa, welche sie mehr instinktiv als freiwillig auffing. Bevor Tifa einen Gedanken daran verschwenden konnte, was sie nun tun sollte, konnte sie erstmals das Gesicht der Bewusstlosen erkennen. "Elena!?" * * * "Gleich haben wir's geschafft." Tifa fingerte mit der linken Hand die Wohnungsschlüssel aus ihrer Tasche, während sie mit der anderen die immer noch bewusstlose Elena stützte. Sie öffnete die Hintertür des 'Siebten Himmels', schleifte die ehemalige Turk ins Innere und zog die Tür wieder hinter sich zu. Elena über die Treppe hoch in die eigentliche Wohnung zu schaffen stellte sich als anstrengender heraus, als Tifa angenommen hatte, denn die zierliche Blondine, deren Haare nun etwas länger waren, als Tifa sie in Erinnerung hatte, war schwerer als sie aussah. Oben angekommen, setzte sie Elena auf ihrer alten Ledercouch ab, bettete ihren Kopf auf zwei Kissen und legte ihre Füße hoch. Dann trat Tifa einen Schritt zurück und dachte erst einmal über ihre Lage nach. Vor ihr lag ein schwerverletztes Mitglied der Spezialeinheit ihrer ehemaligen Erzfeinde, das vor ein paar Minuten noch eine Schlangenzunge und einen Monsterarm besessen und einen Straßenpunk umgebracht hatte - und sie hatte es einfach in ihre Wohnung gebracht. Sie hatte Elena - oder die Turks überhaupt - seit dem letzten Kampf in den U-Bahntunneln von Midgar nicht mehr gesehen, aber sie hatte auch nicht darüber nachgedacht, was aus ihnen geworden sein könnte. Elenas Zustand ließ jedoch darauf schließen, dass die drei Turks immer noch keiner ungefährlichen oder seriösen Tätigkeit nachgingen. Tifa kam der Gedanke, dass das vielleicht eine weniger gute Idee gewesen sein könnte Elena herzubringen, aber jetzt konnte sie es auch nicht mehr ändern. Sie beschloss, dass sie sich erst einmal endlich etwas Trockenes anziehen würde, bevor sie weiter überlegte, was sie als nächstes tun sollte. Sie eilte in ihr Schlafzimmer, befreite sich von den nassen Sachen und schlüpfte in eine lange Trainingshose, einen Wollpulli und warme Socken. Anschließend marschierte sie ins Bad und warf das Bündel nasse Klamotten in die Dusche. Wieder im Wohnzimmer, betrachtete sie die übelzugerichtete Elena eine Weile, allerdings fiel ihr immer noch nicht ein, was sie mit ihr anstellen sollte. Sie beschloss also Elena schlafen zu lassen und erst mal Kaffee zu kochen. "Wo... Wo bin ich?" Tifa machte auf der Schwelle zur Küche wieder kehrt und eilte zur Couch zurück. Elena hatte die Augen aufgeschlagen und blickte konfus herum. "Wo bin ich?", fragte sie noch mal. "In meiner Wohnung", antwortete Tifa ruhig. "Wie geht es dir?" Erst jetzt schien Elena Tifa zu bemerken. Die Augen der Blondine fixierten sie und blickten sie eine zeitlang unsicher an. "Deine... Wohnung?", fragte sie unsicher, dann schien sie zu erkennen, wer vor ihr stand. "Du... Du bist... Lockheart... Ti... Ti..." "Tifa", antwortete die infrage stehende Person. "Wie..." "Ich hab dich in einem Hinterhof gefunden", berichtete Tifa und ging neben Elena in die Hocke. "Ein paar Punks wollten dich "bestrafen". Du hast offensichtlich einige Freunde von ihnen vermöbelt. Was hast du angestellt?" "Ich..." Elena zog sich an der Lehne der Couch hoch und setzte sich auf. "Ich weiß... es nicht. Alles ist so verschwommen." Die Turk begann am ganzen Körper zu zittern, krampfte sich zusammen und schlang die Arme um ihren Bauch. "Kannst du dich an gar nichts erinnern? Wie bist du hierher gekommen? Wer dich so zugerichtet? Einer der Punks hat gesagt, sie hätten dich schon so gefunden." "Ich..." Weiter kam Elena nicht, sie krümmte sich vorne über und erbrach eine Mischung aus halbverdautem Essen, Magensäure und viel Blut auf Tifas Fußboden. Die dunkelhaarige Kämpferin sah angewidert weg. Kotzende Menschen waren Anblick auf den sie verzichten konnte, allerdings erkannte sie, dass es Elena alles andere als gut ging. "Wir sollten uns um deine Wunden kümmern. Oder dich sogar in ein Krankenhaus schaffen." "Mir ist kalt", antwortete die Turk abwesend, anstatt auf Tifas Vorschlag einzugehen. Tifa stand auf, nahm eine Decke, die neben der Couch lag und wickelte Elena darin ein. "Ich lass dir ein heißes Bad einlaufen, bis dahin muss die Decke reichen." Elena antwortete nicht, sondern zog die Decke weiter um sich. Mit geschlossenen Augen und am ganzen Körper zitternd saß die blonde Frau schweigend auf der Couch und wippte leicht vor und zurück. Ihre Wohltäterin dagegen kam zu dem Schluss, dass sie im Moment nichts weiter tun konnte, also begab sich ins Bad um die Wanne vollaufen zu lassen und Putzzeug für ihren Boden zu holen. "Danke", hörte sie Elena schließlich wimmern. Tifa machte vor der Tür zum Badezimmer kurz halt und blickte über ihre Schulter zurück ins Wohnzimmer. "Schon okay." * * * Eine halbe Stunde später war der Kaffee durch gelaufen und Tifa damit fertig ihren Boden von Elenas Erbrochenem zu säubern. Nachdem sie das Putzwasser entsorgt hatte, durchwühlte Tifa ihren Kleiderschrank und suchte nach ein paar Sachen, die sie Elena zum Anziehen geben konnte - denn deren alte Klamotten waren wirklich nicht mehr zu gebrauchen. Sie fand eine alte graue Trainingshose, ein dunkelblaues Hemd und eine warme Weste, von denen sie glaubte, dass sie ihrem Gast passen könnten. Zufrieden marschierte sie zum Badezimmer hinüber, klopfte kurz an die Tür - auch wenn es ihr dumm vorkam in ihren eigenen vier Wänden anzuklopfen - und trat ein. "Ich hab dir ein paar Sachen zum Anziehen rausgesucht. Deine anderen..." Tifa brach mitten im Satz ab und erstarrte förmlich vor Schreck, als sie Elena erblickte. Die Turk saß zusammengekauert in der Wanne, die Knie bis an die Brust gezogen und mit den Armen umschlossen und starrte regungslos ins Nichts. Das Wasser um sie herum war blutrot, und zum ersten Mal konnte Tifa das Ausmaß von Elenas Verletzungen erkennen. Über den ganzen Körper der jungen Frau waren hässliche blaue Flecken und tiefe Kratzer, wie von den Klauen eines Raubtiers, verteilt und in ihrer linken Schulter klaffte ein Loch, das verdächtig nach einer Schusswunde aussah. Elenas linkes Bein war vom Knie an abwärts durch eine metallische Prothese ersetzt worden, die Tifa entfernt an Vincents Klaue erinnerte, nur wirkte sie nicht ganz so klobig. Es sah so aus, als sei die Operation noch vor nicht allzu langer Zeit vollzogen worden - ein paar Tage vielleicht. Was aber am schlimmsten wirkte, war die rechte Körperhälfte. Der rechte Arm war mit einem Gewirr an roten Adern überzogen, die unterhalb der Haut verliefen und teilweise auch schon Elenas Oberkörper durchzogen. Knapp unterhalb des Halses schienen die Adern ihren Ursprung zu haben; dort befand sich auch eine weitere Wunde, die jedoch im Gegensatz zu den andern vernäht war. Jetzt war es Tifa die zu zittern begann. "Elena, was... was ist mit dir passiert? Wer hat dir das angetan?" Die Turk antwortete nicht gleich, sondern senkte ihren Blick und starrte in das blutige Wasser. "Es... war das..." "Es?" "Das Monster... es hat..." Elena machte eine kurze Pause und betrachtete ihr linkes Bein. "Aber das war mit Sicherheit er." Sie hob ihren rechten Arm hoch und sah ihn an, dann ballte sie die Hand ein paar Mal kurz zur Faust. "Und das war auch er." "Wer ist er?", fragte Tifa verwirrt. "Er... ist gefährlicher, als ich... dachte", sagte Elena und kippte im Anschluss daran nach hinten ins Wasser. Tifa ließ die Kleider fallen, die sie bis jetzt in der Hand gehalten hatte, und stürzte zur Wanne. Sie zog die verletzte Frau aus dem Wasser und wickelte sie in ein Handtuch. Vorsichtig trocknete sie Elena ab. "Wir müssen deine Wunden versorgen. Es ist ein Wunder, dass du überhaupt noch lebst, soviel Blut wie du verloren haben musst." Ihr Blick fiel wieder auf das Einschussloch in der linken Schulter. "Angeschossen wurdest auch. Und so wie's aussieht, steckt das Projektil immer noch in der Wunde." Vorsichtig half Tifa der anderen auf die Beine, stütze sie und führte sie dann ins Wohnzimmer. "Kein... Krankenhaus...", flüsterte die Turk schwach. "Hatte ich auch nicht vor", antwortete Tifa und legte Elena wieder auf die Couch. "Bin gleich wieder da." Tifa schnappte sich ihren Erste-Hilfe-Koffer aus dem Bad, dann eilte sie in ihr Schlafzimmer, zog die unterste Schublade ihrer Kommode auf und wühlte hektisch in ihren Socken, bis sie eine kleine, unscheinbare Schatulle fand. Ohne zu zögern öffnete Tifa sie und nahm die grünliche leuchtende Perle, die sie darin befunden hatte, heraus und betrachtete sie zwischen zwei Fingern. Ihr letztes Stück Materia. Vor drei Jahren war die Nutzung von Makoenergie offiziell geächtet und der Verkauf, Besitz und Gebrauch von Materia verboten worden. Auf den Einsatz der mächtigeren Arten von Materia stand sogar die Todesstrafe. Damals waren alle Bürger aufgerufen worden, ihre Materia an besonderen Sammelstellen abzugeben, zum Ausgleich hatte es dafür Geld gegeben. Zwar waren viele Leute dem Ruf gefolgt - und von offizieller Stelle hatte es auch geheißen, die Rückrufaktion sei mit fast hundertprozentiger Beteiligung erfolgt -, aber dennoch war immer noch sehr viel Materia illegal im Umlauf. Tifa hatte ihr Materia ebenfalls nicht behalten, allerdings hatte sie sie auch nicht zu einer Sammelstelle gebracht. Sie hatte fast alle der Kristalle Yuffie gegeben, mit Ausnahme von dem, den sie nun in der Hand hielt. Diese Materia hatte sie für Notfälle behalten. Sie schnappte sich ein Armband aus ihrer Schmuckkiste, entfernte eine der nutzlosen Zierperlen aus ihrer Halterung und ersetzte sie durch den grünen Kristall. Warum Materia erst in Verbindung mit Metall reaktiv wurde, war bis heute nicht bekannt, aber Tifa war es auch relativ egal. Sie wusste, wie sie damit umgehen musste und das reichte ihr. Wieder im Wohnzimmer kniete sie sich neben Elena, legte das Armband auf den Couchtisch, stellte den Verbandskasten daneben und öffnete ihn. "Ich hab hier ein Stück Materia, damit sind deine Wunden in Windeseile verheilt", teilte sie Elena mit. "Vorher müssen wir allerdings die Kugel aus deiner Schulter holen." Die Turk nickte stumm und betrachtete das Armband. "Das wird ziemlich wehtun. Beiß hier drauf, wenn's zu schlimm wird", meinte Tifa mitfühlend und gab Elena eine hölzerne Haarbürste, deren Stiel sie mit Mullbinde umwickelt hatte; etwas Besseres hatte sie auf die Schnelle nicht gefunden. "Okay, bereit?" Wieder nickte Elena stumm. "Gut, dann fangen wir an." Tifa nahm ein Skalpell aus dem Koffer und machte vorsichtig einen kleinen Schnitt an der Schusswunde. Ihre Patientin zuckte zusammen, biss auf den Bürstenstiel und verkrampfte sich. Einen Moment hätte Tifa sogar schwören können, dass die seltsamen Adern an Elenas rechtem Arm hervorgetreten waren. Tifa legte das Skalpell beiseite und griff zur Pinzette. "Der richtige schmerzvolle Teil kommt jetzt", warnte sie Elena. Langsam führte Tifa die Pinzette in die Wunde und tastete sich zu dem Projektil vor. Elena verkrampfte sich weiter, warf den Kopf in den Nacken und stöhnte leicht auf. Tifa ließ sich davon nicht ablenken und drang tiefer ein, bis sie Kugel spürte und sie mit der Pinzette packte. Nachdem sie sich sicher war, sie fest im Griff zu haben, begann sie langsam das Projektil aus der Wunde zu ziehen. Ihrer Patientin rutschte die Bürste aus dem Mund und sie begann laut zu schreien. Tifa versuchte sich zu beeilen, doch die Kugel saß tief und fest. Schweiß begann sich auf ihrer Stirn zu sammeln, als ihr plötzlich das Projektil davon rutsche und wieder zurück in die Wunde sank. Elena entfuhr ein weiterer Schrei, doch zu Tifas Entsetzen hörte er sich diesmal nicht mehr sehr menschlich an und bevor sich die Kämpferin versah, wurde sie von etwas hartem im Gesicht getroffen, durch den Raum geschleudert und prallte gegen die Wand. Als sie die Nachwirkung des Schlages abschüttelte, sah sie, dass Elena sich aufgesetzt hatte. Der rechte Arm der jungen Frau hatte sich wieder in dieselbe grünhäutige Kralle wie in dem Hinterhof verwandelt. Zwischen spitzen Zähnen zuckte auch die Schlangenzunge wieder aus Elenas Mund, und aus dem Gesicht starrten Tifa zwei reptilienhafte Augen an. Geschockt an die Wand gepresst, befürchtete Tifa bereits was als nächstes passieren würde. Und tatsächlich hob die Kreatur ihren Klauenarm. Allerdings stürzte sie sich nicht auf Tifa, sondern rammte sich zwei der scharfen Nägel in die Wunde. Elena stieß einen weiteren unmenschlichen Schmerzensschrei aus, der Tifa kaltes Entsetzen durch den Körper jagte, und begann in der Wunde herumzupulen. Schließlich riss sie die Finger zusammen mit etwas blutigem Gewebe aus Schulter und schleuderte es in den Raum. Das Geräusch, das beim Aufprall entstand, ließ Tifa erahnen, dass es sich dabei um die Kugel gehandelt haben musste. Erschöpft sank die Kreatur auf die Couch zurück und verwandelte sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurück. "Was haben die nur mit mir angestellt?" begann Elena zu schluchzen und verlor sich in einem Weinkrampf. Tifa saß noch eine Weile geschockt an der Mauer, bevor sich von dem Schreck erholte und langsam wieder zu der aufgelösten Turk hinüber krabbelte. "Elena, du..." Tifa brach den Satz ab; nicht nur weil sie eigentlich nicht wusste, was sie sagen sollte, sondern auch da Elena plötzlich nach ihr gegriffen und sie an sich gezogen hatte und nun ihr Gesicht in Tifas Pullover vergrub. Tifa wusste nicht wie sie weiter reagieren sollte, also beschloss sie, Elena sich erst einmal ausheulen zu lassen, doch dann fiel ihr Blick wieder auf die Wunden der anderen. Die gerade durchgeführte 'Operation' hatte nicht gerade dazu beigetragen den Zustand der Schulter zu verbessern. Im Gegenteil: die Wunde blutete sehr viel stärker als zuvor; aber wenigstens befand sich die Kugel nicht mehr in der Schulter. Vorsichtige löste Tifa sich aus Elenas Griff und sorgte dafür, dass sie wieder gerade auf der Couch lag, dann schnappte sie sich ihr Armband und schnallte es sich um das rechte Handgelenk. "Halt still", sagte Tifa leise. "In ein paar Minuten geht's dir besser." Sie wartete bis Elena sich etwas beruhigt hatte, dann legte sie vorsichtig die Hände über die Wunde an der Schulter, ohne sie direkt zu berühren und begann sich zu konzentrieren. Da es etwas länger her war, seitdem sie Materia das letzte Mal verwendete hatte, dauerte es etwas bis sie die Kraft des magischen Kristalls anzapfen konnte, aber schließlich fühlte Tifa wie sich eine wohltuende Wärme in ihren Händen ausbreitete und ein grünlicher Schimmer darum entstand. Ein paar Sekunden vergingen, dann begann die hässliche Wunde an Elenas Schulter sich zu verschließen. Sie wartete noch einen Moment, dann vollzog sie die gleiche Prozedur bei den anderen Verletzungen. Kratzer um Kratzer verschwand, ebenso die blauen Flecken. Sie half Elena sich kurz aufzusetzen und behandelt die Wunden am Rücken. Schließlich ließ sie ihre Patientin sich wieder zurücklehnen und es blieb nur noch die seltsame Wunde an der rechten Schulter zurück. Tifa zögerte kurz und setzte ein nachdenkliches Gesicht auf, was Elena jedoch nicht bemerkte. Die junge Turk schien sich etwas beruhigt zu haben und hatte die Augen geschlossen. Also fuhr Tifa mit der Behandlung fort. Sie schob ihre Hände in Richtung Elenas rechter Schulter und verharrte dort über der vernähten Wunde, die ganz offensichtlich der Ursprung der seltsamen roten Adern war. Die Verletzung an sich verheilte auch schnell, die Adern jedoch blieben wo sie waren, unbeeindruckt von der Behandlung durch die Materia. Tifa gab allerdings noch nicht auf und versuchte sich verstärkt zu konzentrieren um die Wirkung des Zaubers zu erhöhen, allerdings erzielte sie auch so keinerlei Wirkung. "Lass es! Das bringt sowieso nichts." Elenas Stimme riss Tifa aus ihrer Konzentration. Die Blondine hatte die Augen wieder geöffnet und blickte betrübt auf ihren rechten Arm. "Was immer das ist, so einfach werde ich es wohl nicht mehr los." "Aber irgendetwas muss es doch geben!" Tifa weigerte sich so einfach aufzugeben. Vor allem, da dieser Zustand alles andere als gesund wirkte und nicht nur für Elena selbst, sondern auch für ihre Umgebung (selbst) schädlich war. Die Turk setzte sich vorsichtig auf und schüttelte leicht den Kopf. "Wenn, dann ist das sowieso mein Problem", lenkte Elena ab. Sie blickte anschließend kurz an sich hinunter und sah Tifa daraufhin wieder an. "Du sagtest doch vorher, dass du Klamotten für mich hättest. Könnte ich..." "Aber sicher doch!", antwortete Tifa schnell und sprang auf. "Die liegen noch im Bad. Ich hol sie schnell." Kaum hatte sie einen Schritt getan, blieb Tifa stehen und drehte sich noch mal zu Elena um. "Wie geht es dir jetzt?" "Besser", antwortete Elena schwach und schloss die Augen. "Aber immer noch nicht gut." * * * Der Kaffee war inzwischen kalt geworden, also hatte Tifa ihn weggeschüttet und neuen aufgesetzt. Sie reichte der am Küchentisch sitzenden Elena, die endlich wieder vernünftig angezogen war und sich noch dazu in eine Decke gehüllt hatte, eine Tasse mit dem heißen Getränk. Ihr Gast nahm vorsichtig einen Schluck, während Tifa sich wieder umdrehte und schenkte sich selbst eine Tasse voll ein. "Warum tust du das?" "Was?" fragte Tifa zurück und nahm gegenüber von Elena am Küchentisch platz. "Warum hilfst du mir?" Als Tifa nur mit einem fragenden Blick antwortete, fuhr die Turk fort. "Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, waren wir Feinde. Ich kann mich erinnern, dass ich mehr als nur eine Handgranate in deine Richtung geworfen habe. Und jetzt?" Elena blickte sich kurz um und sah dann Tifa wieder in die Augen. "Du ziehst mich aus der Gosse, verarztest meine Wunden mit etwas wofür du ins Gefängnis kommen könntest und gibst mir was zum Anziehen. Warum?" Tifa wich dem Blick aus und starrte in ihre Kaffeetasse. "Frag mich nicht. Ich weiß es nicht. In Gasse dachte ich noch, du wärst einfach irgendein junges Ding, das diese Punks vergewaltigen wollten. Und als ich dich dann erkannt hatte und gesehen habe, wie schwer du verwundet warst... ich konnte dich ja schlecht da liegen lassen." Tifa sah kurz auf. Elena blickte sie immer noch an und irgendwie fehlte es ihr gerade an Willen den Blick zu erwidern, also richtete sie ihre Augen wieder auf die Tasse, die sie mit beiden Händen umschlossen hielt. "Ich hör mich jetzt wahrscheinlich an, wie einer dieser naiven Samariter, die allen Notleidenden helfen..." Sie brach ab und blickte erstaunt auf, als Elena plötzlich ihre linke Hand auf Tifas legte und sie kurz drückte. Die Turk lächelte sie an. "Danke." Tifa nickte und begann ebenfalls zu lächeln. Es vergingen einige Minuten, in denen keine der Beiden ein Wort redete und sie ruhig an ihren Kaffeetassen nippten. Schließlich war es Tifa, die das Schweigen wieder brach. "Kannst du dich mittlerweile schon wieder an etwas erinnern? Ich meine, an irgendetwas von dem, was mit dir geschehen ist?" Elena schüttelte nur den Kopf. "Das einzige woran ich mich erinnere, ist viel grelles Licht und enorm viele Schmerzen", erzählte die Blondine leise. "Die letzten paar Tage sind wie... Welcher Tag ist heute?" "Der Elfte." "Oktober?" Tifa nickte kurz zur Bestätigung. "Dann", fuhr Elena fort, "ist seit vorgestern Nacht alles verschwommen. Ich weiß nicht was in den letzten achtundvierzig Stunden mit mir passiert ist." "Aber was davor passiert ist, weißt du noch, oder?" Diesmal war es Elena, die zustimmend nickte. "Also, das was kurz zuvor geschehen ist, muss doch auch irgendwie mit der Sache zu tun haben. Und wer ist 'Er'?" "Das ist eine längere Geschichte", winkte Elena ab. Tifa blickte kurz zu ihrer Wanduhr - es war kurz vor vier Uhr Nachmittags -, dann wanderte ihr Blick durch das Küchenfenster nach draußen. Es regnete immer noch in Strömen. "Egal. Ich hab Zeit", antwortete sie schließlich. Der weibliche Turk folgte ihrem Blick nach draußen und seufzte schließlich kurz. "Na gut. Du hast mir geholfen, da ist es wohl nur fair, wenn ich dir erzähle was passiert ist." "Schön, dass du es auch so siehst", meinte Tifa und lehnte sich nach vorne, wobei sie ihren Kopf auf den Händen abstützte und die Ellenbogen auf den Tisch stützte. Elena atmete noch einmal kräftig durch, dann begann sie zu erzählen. "Das ganze begann vor nicht ganz zwei Monaten..." ---------- Ende Kapitel 1 ---------- Anmerkungen des Autors: Eigentlich bisher keine besondern, bis auf: Ich hab keine Ahnung wie man eine Kugel aus einer Schulter operiert. Aber ich hab "Ronin" vor kurzem mal wieder gesehen, da wird auch an einer Schußwunde rumoperiert. Ich hab das einfach mal als Vorlage genommen. Ratschläge von fachkundigen Medizinern werden gerne angenommen ;) Also dann! Bis zum nächsten Mal! Nguyen Tran Loc (NguyenTranLoc@gmx.de) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)