Imperial Fortune von Lianait (Persona 4: Social Link 16.3) ================================================================================ Rank 1 ------ Naoto saß in ihrem Klassenraum und wartete nur darauf, dass endlich die Glocke läuten und sie aus den lackierten Klauen dieses mehr als nur uninteressanten Unterrichts befreien würde. Kashiwagi-sensei war wirklich nicht zum Unterrichten geeignet mit ihren ständigen Avancen gegenüber wahrscheinlich gutaussehenden Schülern. Naoto war sich nie sicher, wer gut aussah und wer nicht - aber sie machte sich auch eigentlich keinen Kopf um solche Dinge. Dafür hatte sie gar keine Zeit; sie hatte wesentlich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel herauszufinden, wer wirklich hinter diesen ganzen Morden in Inaba steckte. Endlich klingelte es und sie wurde von ihrem Leid erlöst. Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich aus dem Klassenraum verschwinden, doch nach der letzten Stunde herrschte immer ein gehöriger Andrang am der Tür aus dem Klassenzimmer. Also ließ Naoto sich etwas Zeit damit ihre Bücher und weiteren Habseligkeiten einzupacken. „Naoto-kun!“, ertönte schließlich schon nach kurzer Zeit der etwas ärgerliche Ruf einer vertrauten Mädchenstimme. „Wo bleibst du denn?!“ In der Tür zu ihrem Klassenzimmer stand bereits Rise Kujikawa, Ex-Idol und Mittglied des Investigation Teams, breitbeinig, mit funkelnden, braunen Augen und in die Hüften gestemmten Armen. Zumindest stemmte sie einen Arm in die Hüfte, denn in dem anderen hielt sie etwas Gelbes. Irgendwie sah es plüschig aus. Naoto wurde es warm ums Herz. Es war noch so ungewöhnlich für sie, dass jemand nach dem Unterricht auf sie wartete, mit dem sie tatsächlich nach Hause gehen wollte. „Entschuldige, Rise-chan!“, entgegnete sie und beeilte sich. Als sie Rise endlich erreicht hatte und mit ihr in Richtung der Schuhfächer ging, beäugte sie das gelbe Ding aus dem Augenwinkel. Es war eine plüschige Ente mit sehr großen Augen. Aber was wollte Rise mit einer Ente? Sie musste Naotos Blick bemerkt haben, denn sie kicherte. „Niedlich, nicht?“, meinte sie und hielt die Ente vor sich und Naoto, sodass jeweils eins der großen Augen eine von ihnen anstarrte. Naoto beschloss nichts dazu zu sagen, auch wenn sie die Ente zugegebener Maßen niedlich fand. Ein bisschen. „Kanji-kun hat sie für mich gemacht“, erzählte Rise ungetrübt weiter. Diese Bemerkung entlockte Naoto nun doch eine heftigere Reaktion, als sie verbergen konnte. Ihr Kopf zuckte herum und sie sah Rise überrascht an. „Kanji-kun?!“, entfuhr es ihr, bevor sie sich beherrschen konnte. Also ist er wegen Rise während des Ausflugs nach Iwatodai so oft rot geworden… Unvermittelt hatte sie ein unangenehmes Gefühl im Magen, das sie nicht zuordnen konnte, als ihre Schlussfolgerungen einen ganz neuen Sinn ergaben. Doch sie schob es einfach auf den paradoxen Gedanken an Kanji, der bevor er zum Investigation Team gestoßen ist, Biker Gangs verprügelt hatte und jetzt geziemt Kuscheltiere nähen sollte. Wahrscheinlich hatte sie Rise genau die Reaktion gegeben, die sie haben wollte, denn sie grinste. „Als ich letzte Woche Souji-senpai und Nanako-chan besucht habe, war Kanji schon da und hat Senpais ganzen Arbeitstisch eingenommen und für Nanako ein Kätzchen gebastelt.“ Ihr Gesicht nahm diesen träumerischen Ausdruck an, den sie immer aufsetzte, wenn sie von Souji-senpai sprach. Armer Kanji… „Ich fand es so unglaublich niedlich, dass er rot geworden ist, und stammelnd versprochen hat mir auch etwas zu nähen, wenn ich wollte. Oh, wenn man vom Teufel spricht! Hey, Kanji-kun!“, rief sie winkend über die Köpfe der restlichen Schüler. Kanji stand an seinem Schuhfach, mit einem Schuh noch in der Hand und dem zweiten schon am Fuß. Als er Naoto und Rise erblickte, schlich sich ein leicht panischer Ausdruck auf sein Gesicht und er sah sich offensichtlich nach einem Fluchtweg um. Naoto war sich nicht sicher, ob sie sauer darüber sein sollte. „H-Hallo“, murmelte er. „Ich dachte ihr wärt schon weg…“ Naoto wandte sich ihrem Schuhfach zu, als Kanji errötete. Irgendwie wollte sie ihm und Rise ein bisschen Privatsphäre verschaffen, auch wenn sie nicht genau wusste, woher dieses Bedürfnis kam. Hinter ihr begannen Rise und Kanji eine geflüsterte Diskussion und Naoto versuchte möglichst nicht hinzuhören, als sie ihr Fach öffnete. Ihr Vorsatz wurde wesentlich durch einen kompliziert gefalteten Zettel erleichtert, der auf ihren Schuhen lag. Sie nahm den Zettel in die Hand und zog sich geistesabwesend ihre Schulschuhe aus und ihre Straßenschuhe an, als sie den Zettel untersuchte. Auf dem, was man als die Oberseite bezeichnen konnte, stand in einer kantigen, männlichen Handschrift ihr voller Name, Naoto Shirogane. Allerdings war der offenkundige Brief auf kariertem Papier geschrieben, was ihr augenblicklich klarmachte, dass der Brief von einem Schüler sein musste. Ihre Laune sank rapide und sie seufzte. Sie hatte wieder einen Liebesbrief von jemandem bekommen, der sie gar nicht kannte. Ihre weibliche Fangemeinde wurde scheinbar auch immer größer. Letztens hatte sie schon im Beisein von Souji-senpei einen Brief von einem Mädchen bekommen. Auch wenn dieser Brief heute zur Abwechslung mal von einem Jungen zu sein schien. Nachdem sich auch ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Brief lenken ließ, bemerkte sie erst, dass Kanji und Rise ihre Diskussion beendet hatten. Naoto wandte sich zu den beiden um; Kanji sah ein bisschen verloren und ängstlich aus, während Rise ein Grinsen aufgesetzt hatte. Anscheinend hatte sie die Diskussion gewonnen, deren Inhalt Naoto tunlichst überhört hatte. „Was ist?“, fragte Rise und kam hinüber zu Naoto. „Das, äh, war nur in meinem Spint“, erklärte Naoto und hielt den ungeöffneten Brief hoch. „Oh, ein Liebesbrief!“, kam es aufgeregt von Rise. Ungewollt stieg Naoto die Röte ins Gesicht und sie senkte kurz den Blick, um sich wieder zu fassen. „Was ist los? Mach ihn schon auf!“, drängte Rise. Kanjis lautes Schlucken ließ Naoto stirnrunzelnd wieder aufsehen. Kanji sah etwas grün im Gesicht aus. „Nicht nötig. Alles in Ordnung mit dir Kanji-kun?“ „Ja“, murmelte er. „Ich hab nur was Falsches gegessen.“ Rise warf ihm einen undeutbaren Blick zu und wandte sich wieder Naoto zu. „Was heißt das, ‚nicht nötig‘?“, wollte sie mit einem bohrenden Blick wissen. „Dass es nicht nötig ist, diesen Brief zu öffnen“, meinte Naoto ruhig und sah ihr fest in die Augen. „Dieser Brief steht in keinster Weise im Bezug zu meiner Arbeit. Ich bekomme ständig irgendwelche Briefe von Leuten, die mich nicht kennen und mir ihre trotzdem unsterbliche Liebe gestehen. Das hier,“ - sie hob den Brief hoch - „ist nur ein weiterer und ich habe keine Zeit, um mich mit so etwas auseinanderzusetzen.“ Entschlossen wandte sich Naoto von den beiden ab und warf den ungeöffneten Brief demonstrativ in einen Mülleimer am Schulausgang . Sie deutete Rises Schweigen als Schock, doch da Naoto ihr den Rücken zugewandt hatte, sah sie nicht, wie Rise Kanji einen traurigen Blick zuwarf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)