Imperial Fortune von Lianait (Persona 4: Social Link 16.3) ================================================================================ Rank 1 ------ Naoto saß in ihrem Klassenraum und wartete nur darauf, dass endlich die Glocke läuten und sie aus den lackierten Klauen dieses mehr als nur uninteressanten Unterrichts befreien würde. Kashiwagi-sensei war wirklich nicht zum Unterrichten geeignet mit ihren ständigen Avancen gegenüber wahrscheinlich gutaussehenden Schülern. Naoto war sich nie sicher, wer gut aussah und wer nicht - aber sie machte sich auch eigentlich keinen Kopf um solche Dinge. Dafür hatte sie gar keine Zeit; sie hatte wesentlich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel herauszufinden, wer wirklich hinter diesen ganzen Morden in Inaba steckte. Endlich klingelte es und sie wurde von ihrem Leid erlöst. Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich aus dem Klassenraum verschwinden, doch nach der letzten Stunde herrschte immer ein gehöriger Andrang am der Tür aus dem Klassenzimmer. Also ließ Naoto sich etwas Zeit damit ihre Bücher und weiteren Habseligkeiten einzupacken. „Naoto-kun!“, ertönte schließlich schon nach kurzer Zeit der etwas ärgerliche Ruf einer vertrauten Mädchenstimme. „Wo bleibst du denn?!“ In der Tür zu ihrem Klassenzimmer stand bereits Rise Kujikawa, Ex-Idol und Mittglied des Investigation Teams, breitbeinig, mit funkelnden, braunen Augen und in die Hüften gestemmten Armen. Zumindest stemmte sie einen Arm in die Hüfte, denn in dem anderen hielt sie etwas Gelbes. Irgendwie sah es plüschig aus. Naoto wurde es warm ums Herz. Es war noch so ungewöhnlich für sie, dass jemand nach dem Unterricht auf sie wartete, mit dem sie tatsächlich nach Hause gehen wollte. „Entschuldige, Rise-chan!“, entgegnete sie und beeilte sich. Als sie Rise endlich erreicht hatte und mit ihr in Richtung der Schuhfächer ging, beäugte sie das gelbe Ding aus dem Augenwinkel. Es war eine plüschige Ente mit sehr großen Augen. Aber was wollte Rise mit einer Ente? Sie musste Naotos Blick bemerkt haben, denn sie kicherte. „Niedlich, nicht?“, meinte sie und hielt die Ente vor sich und Naoto, sodass jeweils eins der großen Augen eine von ihnen anstarrte. Naoto beschloss nichts dazu zu sagen, auch wenn sie die Ente zugegebener Maßen niedlich fand. Ein bisschen. „Kanji-kun hat sie für mich gemacht“, erzählte Rise ungetrübt weiter. Diese Bemerkung entlockte Naoto nun doch eine heftigere Reaktion, als sie verbergen konnte. Ihr Kopf zuckte herum und sie sah Rise überrascht an. „Kanji-kun?!“, entfuhr es ihr, bevor sie sich beherrschen konnte. Also ist er wegen Rise während des Ausflugs nach Iwatodai so oft rot geworden… Unvermittelt hatte sie ein unangenehmes Gefühl im Magen, das sie nicht zuordnen konnte, als ihre Schlussfolgerungen einen ganz neuen Sinn ergaben. Doch sie schob es einfach auf den paradoxen Gedanken an Kanji, der bevor er zum Investigation Team gestoßen ist, Biker Gangs verprügelt hatte und jetzt geziemt Kuscheltiere nähen sollte. Wahrscheinlich hatte sie Rise genau die Reaktion gegeben, die sie haben wollte, denn sie grinste. „Als ich letzte Woche Souji-senpai und Nanako-chan besucht habe, war Kanji schon da und hat Senpais ganzen Arbeitstisch eingenommen und für Nanako ein Kätzchen gebastelt.“ Ihr Gesicht nahm diesen träumerischen Ausdruck an, den sie immer aufsetzte, wenn sie von Souji-senpai sprach. Armer Kanji… „Ich fand es so unglaublich niedlich, dass er rot geworden ist, und stammelnd versprochen hat mir auch etwas zu nähen, wenn ich wollte. Oh, wenn man vom Teufel spricht! Hey, Kanji-kun!“, rief sie winkend über die Köpfe der restlichen Schüler. Kanji stand an seinem Schuhfach, mit einem Schuh noch in der Hand und dem zweiten schon am Fuß. Als er Naoto und Rise erblickte, schlich sich ein leicht panischer Ausdruck auf sein Gesicht und er sah sich offensichtlich nach einem Fluchtweg um. Naoto war sich nicht sicher, ob sie sauer darüber sein sollte. „H-Hallo“, murmelte er. „Ich dachte ihr wärt schon weg…“ Naoto wandte sich ihrem Schuhfach zu, als Kanji errötete. Irgendwie wollte sie ihm und Rise ein bisschen Privatsphäre verschaffen, auch wenn sie nicht genau wusste, woher dieses Bedürfnis kam. Hinter ihr begannen Rise und Kanji eine geflüsterte Diskussion und Naoto versuchte möglichst nicht hinzuhören, als sie ihr Fach öffnete. Ihr Vorsatz wurde wesentlich durch einen kompliziert gefalteten Zettel erleichtert, der auf ihren Schuhen lag. Sie nahm den Zettel in die Hand und zog sich geistesabwesend ihre Schulschuhe aus und ihre Straßenschuhe an, als sie den Zettel untersuchte. Auf dem, was man als die Oberseite bezeichnen konnte, stand in einer kantigen, männlichen Handschrift ihr voller Name, Naoto Shirogane. Allerdings war der offenkundige Brief auf kariertem Papier geschrieben, was ihr augenblicklich klarmachte, dass der Brief von einem Schüler sein musste. Ihre Laune sank rapide und sie seufzte. Sie hatte wieder einen Liebesbrief von jemandem bekommen, der sie gar nicht kannte. Ihre weibliche Fangemeinde wurde scheinbar auch immer größer. Letztens hatte sie schon im Beisein von Souji-senpei einen Brief von einem Mädchen bekommen. Auch wenn dieser Brief heute zur Abwechslung mal von einem Jungen zu sein schien. Nachdem sich auch ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Brief lenken ließ, bemerkte sie erst, dass Kanji und Rise ihre Diskussion beendet hatten. Naoto wandte sich zu den beiden um; Kanji sah ein bisschen verloren und ängstlich aus, während Rise ein Grinsen aufgesetzt hatte. Anscheinend hatte sie die Diskussion gewonnen, deren Inhalt Naoto tunlichst überhört hatte. „Was ist?“, fragte Rise und kam hinüber zu Naoto. „Das, äh, war nur in meinem Spint“, erklärte Naoto und hielt den ungeöffneten Brief hoch. „Oh, ein Liebesbrief!“, kam es aufgeregt von Rise. Ungewollt stieg Naoto die Röte ins Gesicht und sie senkte kurz den Blick, um sich wieder zu fassen. „Was ist los? Mach ihn schon auf!“, drängte Rise. Kanjis lautes Schlucken ließ Naoto stirnrunzelnd wieder aufsehen. Kanji sah etwas grün im Gesicht aus. „Nicht nötig. Alles in Ordnung mit dir Kanji-kun?“ „Ja“, murmelte er. „Ich hab nur was Falsches gegessen.“ Rise warf ihm einen undeutbaren Blick zu und wandte sich wieder Naoto zu. „Was heißt das, ‚nicht nötig‘?“, wollte sie mit einem bohrenden Blick wissen. „Dass es nicht nötig ist, diesen Brief zu öffnen“, meinte Naoto ruhig und sah ihr fest in die Augen. „Dieser Brief steht in keinster Weise im Bezug zu meiner Arbeit. Ich bekomme ständig irgendwelche Briefe von Leuten, die mich nicht kennen und mir ihre trotzdem unsterbliche Liebe gestehen. Das hier,“ - sie hob den Brief hoch - „ist nur ein weiterer und ich habe keine Zeit, um mich mit so etwas auseinanderzusetzen.“ Entschlossen wandte sich Naoto von den beiden ab und warf den ungeöffneten Brief demonstrativ in einen Mülleimer am Schulausgang . Sie deutete Rises Schweigen als Schock, doch da Naoto ihr den Rücken zugewandt hatte, sah sie nicht, wie Rise Kanji einen traurigen Blick zuwarf. Rank 2 ------ Naoto war sich durchaus des Grundes bewusst, warum ihre beiden Freunde auf dem Heimweg schwiegen, doch sie sah keinen Fehler in ihrer Logik, also brach sie die Stille auch nicht. Obwohl sie zunehmend unangenehmer wurde. Mit einem Mal blieb Kanji stehen. „Das hab ich voll vergessen!“, rief er aus und schlug sich die Hand vor die Stirn. „Was?“, wollte Rise wissen und drehte sich, ebenso wie Naoto, verwundert zu ihm um. „Heute Morgen“, fing er an zu erklären und kramte in seiner Tasche herum, „hat mir ein Typ, was für dich mitgegeben, Naoto.“ „Für mich?“ Wer sollte Kanji etwas für sie mitgeben? „Ja. Hier.“ Er hielt ihr eine zusammengefaltete Karte hin. Benutzten ihre ominösen Verehrer jetzt schon ihre Freunde als Postboten? Zögerlich nahm sie die Karte in die Hand und streifte dabei leicht Kanjis Finger, welcher seine Hand rasch zurückzog. Doch schon als sie das Papier in ihrem Händen fühlte, wusste sie, dass dieser Zettel von keinem liebestollen Schüler kam; es sei denn er wollte sie mit besonders schönem und schwerem Papier beeindrucken. Als sie wieder aufblickte, hatte er einen seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht, den er jedoch schnell wieder verbarg. „Äh, ich geh dann mal, ich muss meiner Mutter helfen“, murmelte er vor sich hin und stakste steifen Schrittes die Straße entlang, ohne sich noch einmal zu Naoto oder Rise umzudrehen. Naoto wollte ihm gerade hinterherrufen, um Kanji zu fragen, wer ihm die Karte gegeben hatte, doch ihr Handy klingelte und sie schreckte auf. Auf dem Display erschien Yakushijis Name und sie klappte ihr Telefon auf, um den Anruf entgegen zu nehmen. „Ja, ich bin’s“, sagte sie kurz und knapp. „Naoto-sama“, ertönte die Stimme des Sekretärs ihres Großvaters aufgelöst. „es ist etwas ganz Furchtbares passiert!“ „Ganz ruhig“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Was ist passiert, Yakushiji-san?“ „Es wurde eingebrochen!“ „Was?! Ist Großvater etwas passiert?“ „Nein, das nicht…“, stammelte Yakushiji. „Es wurde auch nicht viel gestohlen, aber Ihr Zimmer…“ Augenblicklich ließ Naoto den Atem aus, von dem sie noch nicht einmal gemerkt hatte, dass sie ihn angehalten hatte. „Ich nehme an, Sie haben die Polizei angerufen?“ „Ja, das schon… „Gut. Beruhigen Sie sich erst einmal“, wies sie Yakushiji an und nach einem kurzen Moment des Überlegens fügte sie hinzu: „Ich versuche, heute nach Hause zu kommen.“ Nach dem der aufgelöste Sekretär noch etwas Unverständliches gemurmelt hatte, legte Naoto auf. „Was ist passiert?“, fragte Rise besorgt. „Bei meinem Großvater wurde eingebrochen. Ihm ist nichts passiert, aber ich werde mir das trotzdem genauer anschauen“, erklärte Naoto. Sie warf dem mittlerweile verschwundenen Kanji noch einen letzten Blick hinterher. Es sah so aus, als würde sie ihn erst morgen fragen können, was es mit dieser ominösen Karte auf sich hatte. „Wir sehen uns“, meinte sie noch, bevor sie sich von Rise abwandte und zur Bushaltestelle hastete, um ihren Bus noch zu bekommen. Die Fahrt zum Haus ihres Großvaters dauerte länger als sie erwartet hatte, da durch einen umgestürzten Baum die Straße gesperrt war, also hatte Naoto genügend Zeit sich mit der gefalteten Karte, die ihr Kanji gegeben hatte, auseinanderzusetzen. Und musste feststellen, dass sie leer war. Das Papier war zwar teuer und fühlte sich schwer in ihrer Hand an, doch rein gar nichts war darauf geschrieben worden. Das einzig Bemerkenswerte war ein schwacher Geruch nach Citrus. Etwas viel Aufwand, nur um ihr einen Streich spielen zu wollen, fand Naoto und steckte die Karte ein wenig verärgert in ihren Kalender. An der Residenz ihres Großvaters angekommen, öffnete ihr Yakushiji die Tür. Er sah immer noch ein bisschen nervös aus, doch schien er sich sehr darum zu bemühen, es sich nicht anmerken zu lassen. „Naoto-sama…“, begrüßte er sie erleichtert und trat augenblicklich beiseite. Sie schenkte ihm ein schwächliches Lächeln. „Was genau ist passiert?“, fragte sie den Sekretär noch während sie in das Foyer eintrat. „Dein Zimmer wurde durchsucht und ein paar von meinen eigenen Sachen wurden gestohlen“, ertönte eine weitere bekannte Stimme. Naoto wandte sich um und sah ihren Großvater neben einer Gruppe von Koffern stehen. Obwohl er schon älter war, hielt sich Naoyuki Shirogane immer noch aufrecht, während seine Hand auf seinem verzierten Gehstock ruhte. Als ihr Großvater ihr ein warmes Lächeln schenkte, das seine Falten hervortreten ließ, breitete sich ein warmes Gefühl in ihr aus. Nachdem ihre Eltern früh bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, wurde Naoto von ihrem Großvater aufgenommen und aufgezogen. Dieses Haus und seine Bewohner waren also für Naoto alles, was sie an Familie je gekannt hatte. „Als Yakushiji-kun meinte, dass du so schnell wie möglich herkommen würdest, haben wir alles so gelassen, wie wir es vorgefunden haben“, erklärte ihr Großvater, als sie gemeinsam die Treppe in den oberen Stock erklommen. Naoto war zwar der Meinung, dass Yakushiji wahrscheinlich wieder mit seinem ‚so schnell wie möglich‘ maßlos übertrieben hatte, sodass es sicher so geklungen hatte, als könne sie es nicht erwarten nach Hause zu kommen, doch sie ließ die Behauptung dennoch einfach im Raum stehen und konzentrierte sich auf das Wesentliche. „Weißt du schon, was gestohlen wurde?“ Ihr Großvater seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, ob aus deinem Zimmer überhaupt irgendetwas fehlt, aber mir wurden die die Detektiv-Werkzeuge gestohlen, die du als Kind gemacht hast.“ Naotos Kopf schnellte zu ihrem Großvater herum. Als sie sah, dass er sie mit einem warmen Lächeln bedachte, fühlte sie, wie ihr die Wärme in die Wangen hinaufkroch und sie senkte rasch den Blick wieder. „Ich weiß gar nicht, warum du die alten Dinger noch hast…“, murmelte sie verlegen. „Oh, ich kann einfach nichts wegwerfen“, antwortete er leichthin. Auch wenn sie wusste, dass das nur die halbe Wahrheit war, war sie ihm gegenüber dankbar, dass er nichts übermäßig Sentimentales wie etwa ‚weil du sie gemacht hast‘ gesagt hatte. Mittlerweile hatten sie ihr Zimmer erreicht und Naoto stieß die Tür auf. Dort, wo sich einst ihr Zimmer befunden hatte, hatte sich nun heilloses Chaos eingenistet; Schubladen waren aus den Schränken gezogen und geleert, Regale ausgeräumt und ihr penibel sauberer Schreibtisch verwüstet worden. Auf den allerersten Blick sah es katastrophal aus, aber auf den zweiten bemerkte Naoto, dass nichts wirklich beschädigt worden war. „Kann ich…?“, wandte sie sich an ihren Großvater. Er nickte. „Ja, wir haben Fotos gemacht. Oder vielmehr die Polizei.“ Sie watete durch das Chaos und versuchte herauszufinden, was gestohlen worden war, doch fand natürlich nichts, ohne sich genauer umzusehen. Sie räumte ein bisschen hier und dort herum, stellte etwas Ordnung wieder her und suchte dabei nach Hinweisen, die der Täter hinterlassen haben könnte. Doch sie fand nichts und bevor sie sich versehen hatte, war es schon so spät, dass Moriyama, die Haushälterin ihres Großvaters, tadelnd im Türrahmen stand, um sie dazu zu drängen, endlich etwas zu essen. „Du siehst schon wieder so blass und dürr aus, Liebes“, kommentierte sie Naotos Aussehen und zwang sie hinunter zu kommen. Naoto fügte sich einfach, denn sie wusste aus Erfahrung, dass es zwecklos war, allein zu versuchen Moriyama zu wiedersprechen. Wenigstens nahm sie ihr Abendessen nicht einsam und alleine zu sich, dann ihr Großvater saß bereits am dunklen Esstisch, seinen Gehstock an den Tisch gelehnt. Dennoch sagte sie kaum etwas; ihre Gedanken waren noch zu sehr mit dem Einbruch beschäftigt. „Hast du herausgefunden, was fehlt?“, brach ihr Großvater schließlich das Schweigen. „Hä?“, entfleuchte es ihr wenig eloquent. „Oh. Nein. Ich glaube, es fehlt gar nichts.“ „Hmmm“, machte er. „Dann wird es wohl besser sein, wenn sich die Polizei weiter darum kümmert.“ Naoto sah ihn verwundert an. „Warum?“ „Du bist immer noch mitten in diesem Fall in Inaba und ich fliege immerhin morgen in die Staaten, um Charles zu besuchen. Es ist also keiner von uns beiden hier, um sich darum zu kümmern“, erklärte er gütig. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ihr Großvater schon seit Monaten geplant hatte nach Amerika zu fliegen. Sie schalt sich ebenfalls innerlich eine Närrin, da sie einfach dieses klitzekleine Detail der fünf Koffer im Foyer übersehen hatte, neben denen ihr Großvater bei ihrer Ankunft noch gestanden hatte. Unter diesem Aspekt betrachtet, war der Vorschlag ihres Großvaters natürlich mehr als nur logisch, dennoch wurmte es sie, dass eine Detektivfamilie, wie ihre, einen Fall an die Polizei übergeben musste, anstatt sich selber darum zu kümmern, weil niemand da war. Dennoch nickte sie. Allerdings wurde ihre ach-so-logische Planung über den Haufen geworfen, als sie an diesem Abend zu Bett gehen wollte. Da ihr kompletter Boden mit Dingen überhäuft gewesen war, hatte sich ihre Aufmerksamkeit darauf gerichtet und so hatte sie schon zum zweiten Mal an diesem Abend etwas Entscheidendes übersehen. Auf ihrem Kopfkissen lag eine zusammen gefaltete Karte. Sehr geehrter Detektiv, ich halte Ihre wertvollen Besitztümer in meiner Hand; sind Sie in der Lage sie sich zurückzuholen? Das Spiel hat begonnen. Der Phantomdieb Rank 3 ------ Naotos erste Reaktion bestand darin zu blinzeln. Ihre zweite war der Gedanke, dass ‚Phantomdieb‘ ein wirklich lächerlicher und nicht ernstzunehmender Name war. Mittlerweile fragte sie sich auch schon ernsthaft, ob heute der Lasst-uns-alle-Naoto-Shirogane-sinnlose-Nachrichten-schreiben!-Tag war; erst ein Liebesbrief, dann eine kryptisch-leere Karte und schließlich eine infantile Herausforderung von einer Person, die sich selber unseriöser Weise ‚Der Phantomdieb‘ nannte. Gerade wollte sie die Karte auf ihren nicht mehr vollkommen chaotischen Schreibtisch legen, als ihr etwas auffiel. Das Gefühl der Karte in ihrer Hand kam ihr irgendwie seltsam vertraut vor… Wie vom Blitzschlag getroffen, realisierte sie auch woher. Naoto kramte ihren Kalender aus ihrer Tasche hervor und nahm die Karte, die ihr Kanji gegeben hatte, heraus. Neben der Tatsache, dass auf Kanjis Karte absolut nichts stand, sahen sie vollkommen identisch aus; die Schnittränder der Karten ließen sogar vermuten, dass sie aus demselben Stapel stammten, was den Verdacht erhärtete, dass es sich bei dem Absender der beiden Karten um ein und dieselbe Person handeln könnte. Super… sie hatte einen Stalker. Nicht nur, dass er in das Haus ihres Großvaters eingebrochen war, nein, er belästigte sogar ihre Freunde, indem er sie in seine kindischen Pläne mithineinzog. Sie sollte diesem Unsinn so schnell wie möglich ein Ende setzen. Naoto war schon drauf und dran Kanjis Nummer zu wählen, um ihn nach Details bezüglich seiner Inbesitznahme der Karte zu fragen, als sie die Uhrzeit bemerkte; es war bereits nach Mitternacht. Sicher, sie hatte schon spät abends mit ihm telefoniert, doch immer nur, wenn sie den Midnight Channel beobachteten. Was, wenn er schon schlief und sie ihn weckte, nur um ihn weiter mit Belanglosigkeiten zu belästigen? Ein Blick aus dem Fenster auf den sternenklaren Himmel sagte ihr, dass es unwahrscheinlich war, dass Kanji gerade vor einem ausgeschalteten Fernseher saß und darauf wartete, dass etwas auf dem schwarzen Bildschirm erschien. Nein. Sie wollte nicht, dass Kanji vielleicht sauer auf sie war, weil sie ihn nachts anrief und um seinen benötigten Schlaf brachte, falls sie morgen wieder von Souji-senpai durch die TV-Welt geführt wurden, um gegen Shadows zu kämpfen. Auch wenn sie noch nie Kanjis Stimme schwer vom Schlaf gehört hatte und sich insgeheim fragte, ob sie wohl wirklich so tief war, wie sie glaubte, redete sie sich ein, dass es für die Teamdynamik äußerst unförderlich sein würde, wenn Kanji auf sie sauer wäre. Also würde sie wohl oder übel erst am nächsten Tag nach der Herkunft dieser ominösen Karte fragen können. Am nächsten Morgen wachte Naoto lange bevor ihr Wecker klingelte auf. Nun ja, eigentlich stand sie einfach nur auf, weil sie die Unordnung in ihrem Zimmer so sehr abgelenkt hatte, dass sie kein Auge hatte vernünftig zu tun können. Allerdings war das Gute daran, dass sie den frühesten Bus in das weiter entfernte Inaba nehmen und so vielleicht sogar noch mit Kanji vor der Schule reden konnte. Für ihre Nachforschungen in Inaba hatte Naoto zuerst im Amagi Inn gewohnt, da es ihrer Meinung nach zu uneffektiv für ihre Arbeit gewesen wäre, wenn sie jedes Mal anderthalb Stunden später eintraf, weil sie den Bus in die Stadt nehmen musste. Als sich Naoto schließlich auch noch dazu entschlossen hatte, die Schule zu wechseln, um vollends dem Investigation Team beizutreten, schien es für sie unvermeidlich sich eine Wohnung in der Kleinstadt zu suchen. Die unmittelbare Folge dessen war natürlich, dass sie Moriyama immer mit Essen überschüttete, wenn sie doch einmal nach Hause kam. Obwohl Naoto die gutherzige Frau zwar nun schon ihr ganzes Leben lang kannte, hatte sie bis heute nicht herausgefunden, wie Moriyama es schaffte, Naoto zu jeder Tageszeit ein frisches Bentô zuzubereiten, wann auch immer sie das Haus verlassen wollte. Dass es Naoto trotz ihrer überaus rationalen Einstellung als Detektiv dennoch ernsthaft in Erwägung zog, dass Moriyama irgendeine Art von Zauberkräften besaß, sollte einiges aussagen. So saß sie also mit ihrer Tasche auf dem Sitz neben sich und ihrer Bentôbox auf dem Schoß im Bus nach Inaba. Als sie endlich ankam, war es früh, aber nicht zu früh, um jemandem auf seinem Schulweg einzusammeln. Sie hätte zwar an der Schule aussteigen können, doch entschied sich dagegen und stieg an der Haltestelle in der Einkaufsstraße aus, die nicht übermäßig weit von Kanjis Wohnhaus entfernt war. Kaum war Naoto in die Straße eingebogen, sah sie auch schon, wie ihr Rise entgegenstürmte; Naoto hätte sogar ohne detektivischen Scharfsinn erkannt, dass sie es ziemlich eilig hatte. Regelrecht schlitternd kam Rise vor ihr zum Stillstand und wartete noch nicht einmal, um wieder zu Atem zu kommen, als sie sofort flehend ihre Hände zusammenlegte und es schaffte gleichzeitig verschwörerisch zu zwinkern und entschuldigend zu bitten. „Entschuldige, wenn ich dich nicht sofort frage, wie es bei deinem Opa war, aber Nanako hat mich gerade angerufen und mir gesagt, dass Senpai bereits das Haus verlassen hat!“, sagte sie sehr schnell und aufgeregt. „Heute erwische ich ihn vor allen anderen!“ Von neuem Tatendrang gepackt, setzte sie erneut zum Lauf an. Rise war bereits ein paar Häuser weiter, als sie über ihre Schulter zurück zu Naoto rief: „Wir reden in der Pause, okay?!“ Sie wartete zwar nicht auf Naotos Antwort, sondern stürmte gleich weiter, doch Naoto nahm es ihr nicht übel. Rise hatte sich fest in den Kopf gesetzt so viel Zeit wie möglich mit Souji-senpai zu verbringen, was natürlich auch bedeutete, zusammen mit ihm zur Schule zu gehen. Naoto musste schon bei dem Gedanken daran schmunzeln, sich eine weitere Tirade darüber anzuhören, wie ihr Yosuke-senpai mal wieder die kostbarsten Momente ihrer Jugend gestohlen hatte, indem er einfach vor Rise mit Souji-senpai zusammengestoßen war. Wie konnte er auch nur. „Was ist so lustig? Habe ich was verpasst?“, hörte sie eine vertraute, tiefe Stimme. Versunken in ihre Gedanken und das Bemühen nicht mädchenhaft – und vielleicht auch ein bisschen verrückt, da sie alleine unterwegs war – zu kichern, hatte Naoto gar nicht gemerkt, wie weit sie bereits gegangen war. Als sie aufblickte, sah sie einen verwirrten Kanji vor sich. „Nein“, bemühte sich Naoto ruhig zu sagen, „nur Rise.“ „Oh“, meinte Kanji verstehend. „Vielleicht ist sie ja heute schneller als Yosuke-senpai…“ „Vielleicht“, stimmte Naoto mit zuckendem Mundwinkel zu. „Versteh mich nicht falsch, Naoto“, begann Kanji schließlich als sie den Samegawa überquerten, „aber warum bist du in die falsche Richtung gegangen? Die Schule ist auf der anderen Seite des Flusses.“ „Ich wollte zu dir.“ „Zu mir?“ Kanji klang außerordentlich verblüfft, als wäre die Vorstellung für ihn vollkommen, nun ja, unvorstellbar. Als Naoto sich ihm zuwenden wollte, drehte er rasch den Kopf und sah stur nach vorne, auch wenn seine Wangen immer noch ein bisschen rosa waren. Vielleicht hatte er ja Fieber; das würde zumindest einen kleinen Teil seiner sonderbaren Reaktion erklären. Er hatte gestern aber auch sehr grün um die Nase ausgesehen. „Warum?“, fragte er brüsk, wie um von seiner vorangegangenen Reaktion abzulenken. „Die Karte, die du mir gestern gegeben hast“, sagte sie langsam, „weißt du noch, von wem du sie bekommen hast?“ Er warf ihr einen Blick unter seinen zusammengezogenen Brauen hervor zu; scheinbar überlegte er. „Von einem Typen; er hatte dunkle Haare, eine Sonnenbrille und hat einen Anzug getragen. Ich kannte ihn nicht, aber er meinte, du würdest Bescheid wissen. War was an der Karte?“ „Das ist es ja: Es steht nichts darauf, das einzig Bemerkenswerte war ein leichter Citrus-Geruch. Allerdings bin ich im Haus meines Großvaters zu einer weiteren Karte gekommen, die darauf schließen lässt, dass sie vom selben Absender kommen.“ Naoto war bereits dabei ihre Schlussfolgerungen in einen zusammenhängenden Kontext zu bringen, sodass sie Kanjis scharfes Inhalieren nur nebenbei bemerkte. Wahrscheinlich hatte sich Kanji wirklich erkältet und musste nun durch den Mund atmen. „Wenn du den Mann, der dir die Karte geben hat, nicht kanntest, dann wird er wahrscheinlich ein Fremder von außerhalb der Stadt gewesen sein, schließlich bist du hier aufgewachsen und kennst viele Menschen allein vom Sehen“, sinnierte sie laut. „Aber warum gibt er dir eine Karte, anstatt sie mir persönlich zukommen zu lassen, wenn er doch weiß, wo ich beziehungsweise mein Großvater wohnt? Ziemlich unlogisch.“ Aber gut, er nennt sich immerhin auch Phantomdieb… „Es wird wohl kaum gewesen sein, weil ich besonders verlässlich aussah“, lachte Kanji leise in sich hinein, aber sein Lachen klang nicht sonderlich amüsiert. Der Unterton dieser Aussage ließ Naoto zu ihm aufblicken. Irgendwie machte sich in ihr das unbestimmte Bedürfnis breit, ihm zu sagen, dass sie ihn für durchaus verlässlich hielt. Gerade als sie den Mund öffnen wollte, um etwas Entsprechendes zu sagen, ergriff Kanji erneut das Wort. „Es ist ja auch nicht so, als würden wir so aussehen, als ob wir uns sonderlich nahe stehen würden“, sagte er in einer Mischung aus Stottern und Murmeln. Die Erkältung musste wohl auch seine Sprachorgane beeinflussen. Damit Kanji nicht sehen konnte, dass sie tatsächlich ein bisschen errötete senkte sie erneut den Blick. Wie sollte man sie denn ernst nehmen, wenn sie immer gleich rot wurde? Ungünstiger Weise wusste sie in diesem Moment wirklich nicht, wie sie das Thema wieder vernünftig auf die Karten bringen konnte, sodass sie schweigend nebeneinander hergingen und das Schultor passierten. Als ihr Hirn endlich einen Weg gefunden hatte, murmelte Kanji etwas davon, noch etwas vor dem Unterricht erledigen zu wollen und wandte von ihr ab. Sein steifer Gang den Flur entlang ließ vermuten, dass ihn ihr gemeinsames Gespräch nicht sonderlich erbaut hatte; er hatte eine Erkältung und sie schwallte ihn über unbeschriebene Karten zu, bevor sie das Gespräch mädchenhaft errötend abbrach. Ganz großes Kino. Dann hätte sie ihn auch gleich die vorangegangene Nacht anrufen können. Es wäre einiges eben doch manchmal wesentlich einfacher, wenn sie ein Junge wäre. Rank 4 ------ Allen Erwartungen zum Trotz hatte sich Naotos Prognose nicht bewahrheitet. Yosuke-senpai war Rise an diesem Morgen nicht zuvor gekommen. Aber Yukiko-senpai. Seit zehn Minuten beobachtete sie, wie Rise vor ihr auf und ab ging und mit sich selbst haderte, obgleich der Stärke ihrer Eifersucht Yukiko-senpai gegenüber. Naoto musste zugeben, dass es durchaus ein amüsantes Schauspiel war, wie Rise versuchte sauer auf ihre vermeintliche Rivalin zu sein, aber ihr gleichzeitig gewisse Schwärmereien entfleuchten. Allerdings hatte sie auf diese Reaktion bis nach der Schule warten müssen, da Souji-senpai während der Pause mit Rise zu Mittag gegessen hatte. Naoto hatte nicht den Frevel begehen wollen, die beiden zu stören. Abgesehen davon war der Phantomdieb in ihren Augen auch nicht wirklich wichtig. „Unsichtbare Tinte“, ertönte just in diesem Moment eine tiefe Stimme hinter ihr. Naoto verfluchte sich innerlich dafür, dass sie zusammenzuckte. Dennoch bemühte sie sich ganz gelassen auszusehen, als sie sich zu Kanji umdrehte, während Rise hinter ihnen immer noch auf und ab ging. „Bitte was?“, fragte sie, als er sich neben sie auf die Bank setzte. Naoto hielt es für außerordentlich unwahrscheinlich, dass Kanji ihr einen neunen Spitznamen hatte geben wollen. „Unsichtbare Tinte“, meinte er und ein verlegenes Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Das ist die Lösung.“ Als sie immer noch auf dem Schlauch stand und ihn verwirrt anstarrte, fügte er hinzu: „Für die leere Karte, die nach Citrus riecht.“ „Karte? Citrus? Riechen? Worüber redet ihr überhaupt?“, schaltete sich nun auch Rise ein. Scheinbar war ihr doch nicht vollkommen entgangen, dass Kanji aufgetaucht war. Es war aber auch auf die Dauer zu schwer, einen so großen Kerl wie Kanji einfach zu übersehen, fand Naoto. In kurzen Sätzen fasste Naoto schließlich das ganze Geschehen um die Karten sowohl für Rise als auch für Kanji zusammen. „Keine Sorge! Meinem Großvater ist nichts passiert“, ergänzte Naoto auf Rises geschockte Reaktion hin. Augenblicklich entspannte sie sich. „Und jetzt versucht ihr diesen Phantomdieb zu finden?“, wollte Rise wissen. „Ja“, sagte Kanji. „Nein“, meinte Naoto gleichzeitig. „Was?! Warum denn nicht?“, fragte Rise schon fast entsetzt nach. „Weil es nur ein infantiler Streich ist“, erklärte Naoto. „Ich lasse die beiden Karten dem Sekretär meines Großvaters zukommen und dieser kann sie dann als Beweismaterial an die Polizei weiterleiten. „Naoto Shirogane, du kannst mir nicht sagen, dass dein Interesse nicht geweckt wurde!“ Rise verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich breitbeinig vor Naoto. Sie funkelte sie so lange mit ihren braunen Augen an, bis Naoto seufzte. „Immerhin ist er wirklich bei meinem Großvater eingebrochen. Die Angelegenheit zu ignorieren, könnte den Shirogane-Ruf aufs Spiel setzen…“, gab Naoto zu, „Aber ich will auch nicht auf sein kindisches Spiel einsteigen.“ Sie zog eine Grimasse. „Anderseits macht es mich wirklich wütend, es zu ignorieren!“ Sie war wirklich kurz davor, sich ihre Mütze vom Kopf zu reißen und zu zerknautschen. „Dann lass ihn uns zusammen fassen, Naoto“, meinte Kanji, „und ihm eine Lektion erteilen!“ „Genau“, stimmte Rise zu. „Es ist ja nicht so, als würden wir dich damit alleine lassen. Wozu sind Freunde schließlich da?“ Kanjis Bereitwilligkeit, sie tatkräftig zu unterstützen, und Rises aufrichtiges Lächeln, brachten Naoto dazu, verlegen den Blick zu senken. „O-Okay“, sagte sie und ihre Stimme klang ein wenig höher und unsicherer als sonst. Reiß dich zusammen, Naoto! „Aber unsichtbare Tinte? So etwas Simples? Wirklich?“ Sie war sehr froh, dass ihre Stimme wieder normal klang. „Naja, wenn der Dieb Dinge aus deiner Kindheit gestohlen hat, ist es dann nicht auch wahrscheinlich, wenn er einen kindischen Trick benutzt?“, warf Kanji ein. Da war natürlich auch etwas dran, musste Naoto schulterzuckend zugeben. „Also starten wir Mission: Geheimtinte!“, rief Rise enthusiastisch aus. „Zuerst: auf zum Nähclub!“ Kanji stand nicht weniger enthusiastisch auf. Mit vor Tatendrang funkelnden Augen sahen beide Naoto hoffnungsvoll an und sie seufzte erneut. Die beiden haben jetzt schon viel zu viel Spaß an der ganzen Sache… Voller Elan und federnden Schrittes führte Kanji sie beide durch die Schule, bis hin zu dem Raum, in dem sich der Nähclub regelmäßig traf. „Wir brauchen ein Bügeleisen!“, rief er in den Raum hinein, als er die Tür aufriss. Um seine Schulter herum konnte Naoto sehen, wie die Mitglieder des Nähclubs ihn perplex und vielleicht ein bisschen furchtsam ansahen. Kanji schien sich aber nicht sonderlich daran zu stören und ging einfach in den Raum hinein, geradewegs auf ein unbenutztes Bügelbrett und Bügeleisen zu. Als Naoto Rises Blick mit einer hochgezogenen Braue und einem Schulterzucken erwiderte, grinste diese, griff nach Naotos Arm und schleifte sie hinter Kanji in den Raum. Sie murmelte noch ein „Entschuldigt bitte die Störung“ zu den Clubmitgliedern, welche ausschließlich aus Mädchen zu bestehen schienen, während Kanji bereits (sehr fachmännisch) das Bügeleisen eingesteckt hatte und darauf wartete, dass es sich erwärmte. Als Rise und Naoto sich neben Kanji stellten, konnte sie ein schmachtendes Ausatmen vernehmen, dass sich durch den Raum zog. Niemand schien sie bei ihrem unorthodoxen Vorhaben stören zu wollen, aber es schien sich auch niemand mehr sonderlich mit seinen eigentlichen Arbeiten zu beschäftigen. „Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, Kanji-kun?“, fragte Rise als sie die leere Karte begutachtete. „Geschichte war heute wieder sehr langweilig, sodass meine Gedanken abgedriftet sind. Irgendwie musste ich daran denken, wie ich letzten Sonntag für Nanako das Kätzchen gemacht habe. Während ich gearbeitet habe, hat sie mir und Senpai erzählt, dass sie in der Schule Experimente mit Zitronensaft als unsichtbarer Tinte gemacht hat“, erklärte er. „So, ich glaube, das Eisen ist heiß genug.“ Rise legte die Karte wieder auf das Bügelbrett und Kanji ging langsam mit dem Bügeleisen darüber. Als Naoto sich kurz in dem kleinen Clubraum umsah, zuckten einige Schüler kurz zusammen und schienen sich auf einmal sehr für ihre Arbeit zu interessieren, nachdem sie offenkundig Rise, Kanji und Naoto beobachtet hatten. Entgegen Naotos skeptischer Erwartung erschienen schon nach dem ersten Streich schwache Muster auf der Karte und Kanji bügelte noch ein paar Mal über die Karte, bis ein eindeutig lesbarer Text sichtbar wurde. „Uoah!“, rief Rise staunend aus und wollte nach der Karte greifen, doch Kanji hielt sie tadelnd davon ab. „Pass auf, die Karte ist noch heiß!“, meinte er und Naoto musste aufgrund dieser fast mütterlichen Anweisung schmunzeln. Während sie darauf warteten, dass die Karte etwas abkühlte, war Kanji bereits dabei das Bügeleisen wieder auszustöpseln und an einen sicheren Ort zum Abkühlen zu stellen. Während dieser ganzen Episode fühlte Naoto noch immer die verhaltenen Blicke der Clubmitglieder in ihrem Rücken und da sie sich verhältnismäßig sicher war, dass der anfängliche Stupor, den Kanjis plötzliches Auftreten mit sich gebracht hatte, nicht ewig anhalten würde, griff sie schließlich nach der Karte, um sie einzustecken. Sie fühlte sich immer noch warm in ihrer Hand an; Kanji hatte Rise also zu recht gewarnt, sonst hätte sie sich sicher die Finger verbrannt. „Kommt“, meinte sie mit einem Nicken in Richtung Tür. Rise warf noch ein letztes Mal ein strahlendes Lächeln in die Runde, während Kanji sich mit einem düsteren Blick begnügte, und sie setzten sich in Bewegung. An der Tür angekommen, drehte sich jedoch Kanji noch einmal um und rief in den Raum: „Ich solltet die Wassercontainer der Bügeleisen nicht so austrockenen lassen, sonst bekommt ihr Kalkflecken auf den Stoff, wenn ihr es das nächste Mal einschaltet und damit bügeln wollt!“ Rise warf Naoto einen amüsierten Blick zu, doch bevor sich Kanji in Rage reden und den Clubmitgliedern weitere Anweisungen geben konnte, griff sie ihn am Arm und schleifte ihn hinter sich und Naoto her. „Was?! Das ist wichtig!“, murmelte er einen verteidigenden Protest, aber Rise hielt erst an, als sie vor den Schuhfächern angekommen waren. „So, was steht jetzt auf der Karte?“, fragte sie neugierig. „So etwas wie ein Rätsel“, antwortete Naoto, die die Karte schon begutachtet hatte, während Rise Kanji noch durch die Gänge geschleift hatte, und verzog das Gesicht. „Ein erwachsener Mann, der sich solch kindischer Tricks bedient!“ Doch obwohl sie sich jetzt am liebsten noch länger über dieses Verhalten und vor allem den Text auf der Karte aufgeregt hätte, riss sie sich erneut zusammen und trat zwischen Kanji und Rise, sodass sie ebenfalls die Karte lesen konnten. Briefe fressend, mit einem roten Gesicht. „‘Briefe fressend, mit einem roten Gesicht‘?“, las Rise skeptisch vor. „Was soll das sein?“, fügte Naoto stirnrunzelnd hinzu. „Ein Briefkasten?“, schlug Kanji unsicher vor. „Tatsächlich…“, meinte Naoto und blickte zu Kanji auf. Irgendwie hatte sie nicht erwartet, dass er gut in der Lösung von Rätseln war und schenkte ihm quasi als wieder Gutmachung ein Lächeln. Kanjis Fieber schien in diesem Moment wieder zu kommen und er senkte hustend und mit geröteten Wangen den Blick. „Zwischen Deidara und unserem Tofu-Laden ist ein roter Briefkasten!“, fügte Rise erfreut hinzu. Naoto musste innerlich schon zugeben, dass sie die Begeisterung der beiden mitriss und sie gerade wirklich ein wenig Spaß bei diesem Fall hatte. Es dauerte nicht lange, bis sie mit dem Bus in der Einkaufsstraße angelangt waren und vor dem in der Tat roten Briefkasten standen. Nach einer kurzen Untersuchung des Briefkastens stellte Naoto fest, dass etwas an der Rückwand des Kastens in einem Gefrierbeutel steckte. Mit einigen schnellen Handgriffen löste sie das Objekt vom Briefkasten. „Ähm, das ist…“, murmelte sie als sie ihr altes Detektiv-Abzeichen in Händen hielt. „Dass er das wirklich noch hatte…“ „Hey, ist doch gut, dass du es wiederhast!“, meine Kanji freudig. Naoto war wieder einmal froh, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, da sie ihm den Rücken zugewandt hatte, denn ihr kroch schon wieder die Röte in die Wangen. „Was ist es denn?“, wollte Rise wissen und beugte sich über Naotos Schulter. „Ähm… ein Detektivabzeichen“, murmelte Naoto und die Temperatur ihrer Wangen wollte und wollte sich nicht senken. „Es hat aber keine wirkliche Funktion…“ „Aww, das ist aber niedlich, Naoto-kun“, sagte Rise und griff nach dem Abzeichen. Natürlich gelang es Naoto nicht, sie davon abzuhalten und warf während sie sich umdrehte einen Blick auf Kanji. Super, spätestens jetzt hatte er sicher mitbekommen, dass sie wieder so rot wie ein gewisses Gemüse war. Verlegen senkte sie den Blick. Als Rise das Abzeichen in ihren Händen drehte, formte sich in Naotos Gedanken vage Vermutungen, bezüglich der Identität des Phantomdiebes. Aber warum sollte er die Detektiv-Werkzeuge stehlen? Allerdings musste Naoto sich eingestehen, dass der Fall für sie doch wichtiger war, als sie anfangs wahrhaben wollte, obwohl sie eine triviale Herausforderung gestellt bekommen und nur ein altes und dazu noch gestohlenes Abzeichen als Preis erhalten hatte. Doch wenn Rise und Kanji nicht gewesen wären, dann hätte sie sich nie die Mühe gemacht, sich mit diesem Fall auch nur auseinander zu setzen. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie beobachte, wie Rise versuchte einem stammelnden Kanji das Detektiv-Abzeichen anzustecken. Genau für solche Momente war sie Kanji und Rise unglaublich dankbar. Rank 5 ------ Nachdem sie das Rätsel um den Briefkasten gelöst hatten, fanden immer wieder neue mysteriös formulierte Karten ihren Eingang in Naotos eigenen Briefkasten. Die neueste beinhaltete ein Rätsel über Bäume. Zwar hatte Naoto schon während der Mittagspause mit Kanji darüber reden wollen – eigentlich nur deswegen war sie mit Rise auf das Schuldach gegangen – doch Chie-senpais und Yosuke-senpais zugegeben epischer Kampf um Yosuke-senpais Bentô hatte sogar Naoto abgelenkt. Sie saß allein an ihrem Tisch in ihrem mittlerweile leeren Klassenraum. Eigentlich hatte sie mit Rise nach Hause gehen wollen, doch diese war von Souji-senpai gefragt worden, ob sie ihn begleiten wollen würde und Naoto wollte sich nicht dazwischen drängen. Rise war natürlich überglücklich gewesen, aber hatte sich trotzdem bei Naoto entschuldigt und ihr versprochen, wenigstens Kanji Bescheid zu sagen, damit sie nicht alleine nach Hause gehen müsste. Vor ein paar Monaten wäre es Naoto noch vollkommen gleichgültig gewesen, ob sie alleine nach Hause ging, oder nicht, aber mittlerweile beruhigte es sie irgendwie, wenn jemand neben ihr ging und ihren Weg teilte, selbst wenn sie nicht viel mit diesem Jemand redete. Sie persönlich empfand Schweigen normalerweise nicht unbedingt als unangenehm, aber andere Leute. Allerdings wusste sie in den seltensten Fällen, worüber sie mit jemandem reden sollte… Mit Rise unterwegs zu sein, war einfach. Und angenehm. Naoto musste nicht unbedingt reden, sondern es genügte Rise, wenn sie ihr zumindest zuhörte und ihre Meinung zu gewissen Punkten äußerte. (Oder sie anfeuerte, in ihrem Bemühen, Souji-senpai für sich zu gewinnen.) Mittlerweile hatte Naoto auch eine Basis, auf der sie mit Kanji kommunizieren konnte, denn er wirkte gewillt, ihr bei ihrer Herausforderung durch den Phantomdieb zu helfen. (Auch wenn Naoto das ganze Vorhaben immer noch für kindisch hielt.) Naoto mochte es, mit Rise und Kanji zusammen zu sein, und genau deswegen hasste sie es auch, wenn die beiden nicht redeten. Sie mochte Rises klare, helle Stimme und Kanjis tiefen, grummelnden Bass. Sie mochte Rises freudiges Lachen, wenn sie von Souji-senpai sprach, und sie mochte es, wenn Kanji verlegen Nadel und Faden zückte, um zum Beispiel Daisuke-senpais Trainingsjacke zu flicken. Die Welt ist doch paradox…, dachte sie sich. Ein Gähnen unterdrückend, breitete sie sie ihre Arme auf dem Tisch auf und bettete ihren Kopf darauf. Gestern hatte Souji-senpai das Investigation Team wieder durch die TV-Welt geführt und Naoto war noch immer wie gerädert von den vielen Kämpfen gegen die zahlreichen Shadows. Als sie dann schließlich am Abend in ihrer Wohnung angekommen war, hatte sie eine neue Karte des Phantomdiebes in ihrem Briefkasten gefunden. Zum einen war sie unglaublich müde gewesen, doch zum anderen wollte sie dennoch das Rätsel lösen. Aber gerade weil sie so müde gewesen war, konnte sie nicht klar denken. Also war sie im Endeffekt auf keinen grünen Zweig gekommen und unverrichteter Dinge mitten in der Nacht ins Bett gefallen. Als Naoto sich einredete, dass sie ihre Augen nur kurz ausruhte, als sie diese schloss, fragte sie sich noch, warum sie Kanji letzte Nacht nicht angerufen hatte, nachdem sie die Karte gefunden hatte, aber sich keinen Reim daraus hatte machen können. Kanji war erstaunlich gut darin, die Rätsel des Phantomdiebes zu lösen; warum hatte sie ihn dann nicht angerufen? Wahrscheinlich weil sie sich schon vorstellen konnte, wie er reagieren würde… Sie hörte schon seine dunkle Stimme… „Verdammt, Rise…“, würde er fluchen. Rise? Warum sollte er Rise verfluchen? Moment… Naoto war sich in diesem Augenblick recht sicher, dass ihre Gedankengänge immer noch nicht wirklich klar waren. Sie hatte definitiv zu wenig Schlaf in den letzten Tagen gehabt. In ihrer Vorstellung hörte sie Kanji nun geschlagen seufzen. Ja, das passte wesentlich besser in das Bild von einem abendlichen Anruf. „Naoto“, hörte sie seine Stimme leise in den Hörer murmeln. Irgendwie mochte sie es, wenn er ihren Namen so sagte. Durch den Hörer klang seine Stimme so klar, als stünde er direkt neben ihr und spreche mit ihr. „Du mutest dir definitiv zu viel auf einmal zu“, kam sein Tadel. Er sprach immer noch so leise und vertraut. Naoto war einen Moment lang irritiert, als sie fühlte, wie ihr eine Hand sacht die Haare aus dem Gesicht strich. Sie hätte Kanji schließlich nicht angerufen, wenn er bei ihr wäre. Außerdem würde er ihr – sollte er paradoxer Weise doch anwesend sein – nicht die Haare klischeehaft wie in einem Shojo-Manga aus dem Gesicht streichen. Ihre Vorstellungskraft schien eindeutig mit ihr durchzugehen. Was allein schon das Auftauchen des Gedankens an Shojo-Manga bewies. Dennoch mochte ihr Shojo-Manga-Selbst, wie die Shojo-Manga-Version von Kanji ihr die Haare aus dem Gesicht strich und wie seine Hände ihre Stirn leicht streiften. Ihre Haut kribbelte sogar ein bisschen an der Stelle, an der sie der imaginäre Shojo-Manga-Kanji berührt hatte… Schluss jetzt mit diesen albernen Tagträumen! Innerlich herrschte sie sich an und zwang ihre Augen dazu, sich wieder zu öffnen. Immer noch mit auf ihren Armen aufgestütztem Kopf konnte sie ihren eigenen Schatten auf den Dielen des Klassenraums sehen, hervorgerufen durch die einfallende Nachmittagssonne. Aber etwas stimmte nicht mit dem Bild, das sich ihr bot… etwas war anders… Sie benötigte einen Augenblick, um zu realisieren, was es genau war, das sie störte. Ein zweiter Schatten zeichnete sich auf den Dielen ab. Jemand saß ihr an ihrem eigenen Tisch gegenüber! Nachdem sie diesen ersten Schock verarbeitetet hatte, erkannte sie auch an eindeutigen Merkmalen, wer bei ihr saß. Die Schultern, die Haare, der Schatten seiner übergeworfenen Jacke. Kanji. Augenblicklich stieg ihr die Hitze ins Gesicht, ihr Herz schlug einen Tacken schneller und ihre Kehle wurde trocken. Sie schluckte und drückte sich unwillkürlich fester auf ihren Tisch. Hoffentlich sieht er nicht zu sehr in meine Richtung! Am besten bleibe ich noch einen Moment an Ort und Stelle und tue so, als würde ich schlafen… ja, genau… Oh, mein Gott, ist mir das peinlich! Ich kann ihm ja schlecht rot, wie eine Tomate gegenübertreten. Dann weiß er, dass irgendwas nicht stimmt. Doch das Kribbeln auf ihrer Stirn wollte und wollte nicht aufhören und Naoto brauchte mehr als nur einen Moment, um sich wieder zu fangen. Irgendwann entschloss sie sich einfach dazu, das Kribbeln so gut es ging zu ignorieren und ‚aufzuwachen‘. Langsam richtete sie sich auf und rieb sich die Augen, um Kanji nicht sofort ansehen zu müssen. „Oh, du bist wach“, sagte er. „Ich wusste nicht, ob ich dich wecken soll…“ In ihren Ohren klang er ein wenig unsicher, aber als sie ihn ansah, war sein Blick klar. Er wirkte, als sei nichts weiter gewesen, auch wenn er die Stirn runzelte. Und so war es schnell wieder an ihr, den Blick unter seiner fragenden Miene zu senken. „Hättest du ruhig machen können“, antwortete sie nach einem anstrengenden Versuch, sich wieder an seine Frage zu erinnern. „Hast du lange gewartet?“ „Nee, ist schon okay“, meinte er ausweichend und zuckte mit den Schultern. „Sollen wir dann?“, fragte er, während er aufstand und Naoto ihre Tasche hinhielt. Sie nickte immer noch ein bisschen überfordert und nahm ihre Tasche entgegen. Als sie mit Kanji durch die menschenleere Schule zum Ausgang ging, war sie froh, dass er einen Schritt vor ihr ging, denn die Haut auf ihrer Stirn kribbelte noch immer. Rank 6 ------ Normalerweise mache ich sowas ja immer am Ende eines Kapitels, aber mich hat die rege Resonanz auf das letzte Kapitel doch schon so positiv überrascht, dass ich mich hier noch einmal für jeden Kommentar bedanken möchte, den ich im Laufe dieser FF bekommen habe, denn ich hab mich über jeden einzelnen gefreut ^///^ Danke schön~~~! *__* Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß mit dem neuen Kapitel ;) __________________ Rank 6 Naotos Herz pochte noch immer, genauso wie ihr Gesicht noch immer glühte. Auch wenn Chie-senpai ihr regelrecht gedroht hatte, hatte Naoto es nicht über sich gebracht, in einem Badeanzug auf die Bühne zu gehen. Also war sie nach dem ersten Teil des Schönheitswettbewerbes klammheimlich aus der Umkleide verschwunden, damit man sie nicht dazu zwingen konnte, auf die Bühne zu gehen. Sie hätte sich niemals so leicht bekleidet in der Öffentlichkeit sehen lassen können, wenn Souji-senpai oder Yosuke-senpai - oder schlimmer noch Kanji! - sie hätten sehen können. Er hätte sie niemals wieder für voll genommen, wenn sie halbnackt und stammelnd auf einer Bühne gestanden hätte. Naoto war sehr glücklich über die Tatsache, dass sie sich allein auf dem Schuldach befand, denn so konnte auch niemand sehen, wie sie abwechselnd ihre Haare immer wieder durcheinander brachte, indem sie sich mit den Händen frustriert hindurch fuhr, und danach versuchte, ihr brennendes Gesicht in ihren Knien zu verbergen, die sie mit ihren Armen umklammerte. Obwohl sie immer noch aufgeregt war, begann sie schließlich doch in ihren Manteltaschen nach ihrer Uhr zu kramen. Als sie aus der Umkleidekabine regelrecht geflohen war, hatte sie einfach nur nach ihrer Uhr gegriffen und sie in irgendeine Tasche gesteckt; aber in welche, blieb die Frage. Nach einigen Momenten des Suchens wurde sie fündig, doch als sie die Uhr aus ihrer Tasche fischte, stutzte sie einen Augenblick. Sie hatte die falsche Uhr mitgenommen. Sie hatte nicht ihre normale Uhr gegriffen, sondern die Uhr, die sie als Kind gebastelt hatte. Naoto hatte ganz vergessen, dass sie die Uhr mitgebracht hatte, und in ihrer Eile musste sie die beiden Uhren verwechselt haben. Die Uhr, die sie nun in Händen hielt, war eines der Detektiv-Werkzeuge, das sie gebastelt hatte; eine für ein Kind etwas zu große Uhr, ausgestattet mit einer starken Taschenlampe, die zur Not auch einen Angreifer blenden konnte. Nachdem Kanji sie letzte Woche aus ihrem Klassenraum abgeholt hatte, als sie peinlicherweise beinahe eingeschlafen wäre, hatten sie beide gemeinsam das Rätsel um die Obstbäume der letzten Karte gelöst und die Detektiv-Uhr am Samegawa River gefunden. Ihr entfleuchte ein leiser Lacher. In einem sentimentalen – wahrscheinlich von ihren vorangegangenen Tagträumen beeinflussten – Moment hatte sie Kanji sogar erzählt, dass sie als Kind eine Geheimbasis hoch oben in den Bäumen gehabt hatte. Da Naoto die Uhr seit Jahren nicht mehr verwendet hatte, war die Batterie leer und konnte nun auch nicht mehr ihrer primären Funktion nachgehen und Naoto die Uhrzeit mitteilen. Ihre Lippen immer noch zu einem leichten Lächeln verzogen, steckte sie die Uhr wieder zurück in ihre Manteltasche. Scheinbar blieb ihr nichts anderes übrig als darauf zu warten, dass sich die Tore der Aula öffneten und eine lärmende Masse an Schülern herausströmte, um festzustellen, wann der Schönheitswettbewerb endlich vorbei war und es sich als gefahrlos gestaltete, sich wieder unter Menschen zu begeben. Allerdings schien die ganze Schule nur aus einer einzigen lärmenden Masse zu bestehen und Naoto hatte keine Möglichkeit, um festzustellen, ob der Schönheitswettbewerb schon vorüber war. Da sie aber im Augenblick nicht das geringste Bedürfnis hatte, ihr noch immer flammendes Gesicht unter die Leute zu bringen, blieb sie sicherheitshalber alleine auf dem Dach sitzen. Während ihr eine leichte Brise die Haare ins Gesicht blies, versuchte sie erneut die aufkommenden Gedanken an diese peinlichen Momente auf der Bühne zu verdrängen. Als sie aus Frust die Augen schloss und sich ihre Mütze tief ins Gesicht zog, hörte sie eine Tür knarren. Super. Es hatte noch jemand die Idee gehabt sich auf dem Dach zurückzuziehen. Hoffentlich war es kein Pärchen, das sich gehauchte Liebesschwüre zuflüstern wollte… Um ja nicht aufzufallen, umschloss sie ihre Knie mit den Armen, verbarg ihr Gesicht erneut in ihren Knien und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Vielleicht verschwand das Pärchen dann schnell wieder… „Du hast deine Uhr vergessen“, hörte sie jedoch eine vertraute, tiefe Stimme sagen. Naoto hob leicht den Kopf an und konnte aus dem Augenwinkel heraus Kanji sehen, der mittlerweile mitten auf dem Dach stand, zwischen Naotos Sitzplatz und der Eingangstür, und ihre Uhr in einer Hand hielt. Als sie ihm nicht direkt antwortete, setzte er sich nach einem kurzen Zögern wieder in Bewegung und ließ sich schließlich neben ihr nieder. Nachdem sie einige Augenblicke schweigend nebeneinander gesessen hatten, ergriff Naoto schließlich das Wort. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie leise, ohne den Kopf zu heben. Er antwortete nicht gleich, aber Naoto konnte an seinem Gesicht nicht den Grund ablesen, weshalb er zögerte. Erschwert wurde die Angelegenheit natürlich auch durch die Tatsache, dass Naoto ihm nicht ins Gesicht schauen wollte. „Wahrscheinlich Glück“, meinte er schließlich. „Du hast gesagt, dass du hohe Plätze magst, also bin ich zuerst auf das Dach gegangen.“ Allein die Tatsache, dass ihm dieses kleine Detail im Gedächtnis geblieben war, brachte Naoto erneut in Verlegenheit. Sie hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass er sich an so etwas Banales erinnern würde. „Ahm“, war alles, was sie hervorbrachte. „Oh.“ „Der Wettbewerb ist übrigens vorbei; du kannst also wieder mit nach unten kommen“, sagte er ruhig. „Hmhm“, kam es wieder von ihr. Scheinbar hatte sie die Fähigkeit verloren, ganze Sätze zu bilden. Aber selbst, wenn sie sie noch gehabt hätte, hätte sie keine Ahnung gehabt, was sie hätte sagen sollen. Ihr Kopf war wie leer gefegt. Unerwarteter Weise fühlte sie plötzlich etwas Schweres auf ihrem Kopf. Vor Überraschung vergaß sie vollkommen ihr Gesicht zu verbergen und blickte reflexartig zu Kanji neben sich auf. Verblüfft stellte sie fest, dass er ihr eine Hand auf den Kopf gelegt hatte und sie nun aufmunternd anlächelte. „Ich fand es übrigens sehr mutig von dir, dass du überhaupt an diesem Wettbewerb teilgenommen hast“, erklärte er ihr. Wieder stieg ihr die Hitze ins Gesicht und Naoto war mittlerweile fest davon überzeugt, dass es nie wieder seine ursprüngliche Temperatur zurückerlangen würde. Unsicher und verlegen zugleich wandte sie ihren Blick wieder ab und versuchte sich tunlichst auf ihre Schnürsenkel zu konzentrieren. Allerdings konnte sie auch schlecht einfach hier sitzen und nichts sagen, nur weil sie außerordentlich verlegen war, weil Kanji offensichtlich nur versucht hatte, sie aufzubauen. „Ich, äh“, begann sie schließlich leise zu stammeln, „habe für dich gestimmt, auch wenn ich mit Teddie in einem Team war.“ „Oh, danke“, meinte er und sie glaubte eine Spur Überraschung heraushören zu können. „Aber im Gegensatz zu dir habe ich leider nicht gewonnen.“ Immer noch verwirrt, benötigte sie einen Moment, um diese Aussage korrekt in ihrem Hirn zu sortieren. Heißt das, dass Kanji für mich gestimmt hat? Hätte er gerne gewonnen? Gewonnen… Moment…! Ruckartig drehte sie sich zu ihm um. „Ich habe gewonnen?!“ Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und er nickte. „Aber… warum?“ „Ich glaube, der Großteil der Mädchen hat für dich gestimmt“, antwortete er und rollte mit einer Schulter. „Oh“, sagte sie wieder uneloquent. „Bevor ich es vergesse: hier deine Uhr“, meinte er und reichte ihr ihre richtige Armbanduhr. „Danke“, erwiderte sie leise und nahm die Uhr entgegen, um sie sich wieder überzustreifen. „Mir ist da vielleicht auch eine Idee für das neueste Rätsel gekommen“, setzte er nachdenklich nach. An diesem Morgen hatte erneut eine der rätselhaften Karten des Phantomdiebes in Naotos Briefkasten gelegen, doch durch das Schulfest hatten sie und Kanji wenig Zeit gehabt, sich um das Rätsel zu kümmern. Ein erster flüchtiger Blick hatte ihnen nur einen Haufen unzusammenhängender Wörter gezeigt, unter denen ‚Minus 40, Minus 4‘ gestanden hatte. In ihrer Aufregung hatte Naoto die Karte fast gänzlich vergessen und war nun ein wenig überrascht, dass Kanji sogar die Zeit gehabt hatte, sich damit zu beschäftigen. „Was denn für eine?“, fragte sie und begann unwillkürlich ihre Haare zu ordnen. Ein halbes Lächeln schlich sich auf seine Züge und Naoto bemerkte, dass seine Lippen noch immer von dem knalligen Lippenstift, den er am Vormittag getragen hatte, leicht gerötet waren. Auch wenn er den Lippenstift wahrscheinlich nicht sonderlich gut vertragen hatte, bot diese Tatsache Naoto die Gelegenheit dazu, festzustellen, dass sie sein Lächeln irgendwie mochte. Als Kanji ihr antwortete, versuchte sie sich wenigstens nichts von ihrer erneuten Erkenntnis anmerken und ihre Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen, auch wenn ihr Gesicht noch immer warm war. „Eben, als ich auf deine Uhr gesehen habe, ist mir die Idee gekommen, dass die Lösung von diesem Kauderwelsch-Rätsel vielleicht in den Zahlen ‚40‘ und ‚4‘ liegt, weißt du was ich meine?“ Naoto runzelte die Stirn. „Sollen wir vielleicht ‚40‘ und ‚4‘ aus den Wörtern subtrahieren? Hm.“ Sie sprach zwar mehr mit sich selber, als mit Kanji, aber er antwortete ihr trotzdem. „Vielleicht. Hast du die Karte hier?“ „Nein“, entgegnete sie mit einem Kopfschütteln. „Ich habe sie heute Morgen mit meinen Büchern in meinen Spind gelegt…“ „Naja, dann kümmern wir uns eben später darum. Ich glaube auch kaum, dass es diesem Phantomdieb darauf ankommt, dass wir die Rätsel möglichst schnell lösen“, erwiderte er leichthin mit einem Schulterzucken. „Auch wenn ich keine Ahnung habe, worauf es ihm überhaupt ankommt“, fügte er nach einem Augenblick hinzu und schnitt eine Grimasse, sodass Naoto ein Lachen unterdrücken musste. „Aber sehen wir das ganze doch positiv“, meine Kanji, als er aufstand. „So können wir uns wenigstens mit den anderen das Schulfest ansehen.“ Wieder grinste er und reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen. Sie ignorierte die unerwartete neue Gegebenheit des plötzlichen Ausbleibens ihres Herzschlags und griff nach seiner ausgestreckten Hand. Rank 7 ------ Naoto warf einen Blick auf die zugezogene Wolkendecke. Der Himmel war heute genauso undurchsichtig wie der Fall um den ominösen Phantomdieb. Ihr Lösungsansatz für das letzte Rätsel hatte sich als richtig erwiesen und Naoto und Kanji hatten im Junes Food Court unter einem der Tische ihren alten modifizierten Kugelschreiber gefunden, der sowohl als Stift als auch als Taschenlampe oder sogar als Teleskop dienen konnte. Mittlerweile verfestigte sich Naotos vage Idee um die Identität des Diebes immer stärker, doch verstand sie sein Motiv noch immer nicht. Zu allem Überfluss hatte sie in den letzten Tagen weder ihren Großvater noch dessen Sekretär Yakushiji über ihre Handys erreichen können, also konnte sie ihre Vermutungen auch nicht gegenprüfen. Scheinbar blieb ihr wirklich nichts anderes übrig, als den Phantomdieb zu schnappen und ihn dann persönlich zu fragen. Naoto wartete bei den Schuhfächern auf Kanji, um mit ihm gemeinsam zum Shiroku Store zu gehen. Rise würde sie heute auch wieder nicht begleiten, denn Nanako hatte sie gebeten, ihr zu zeigen, wie man Tofu richtig zubereitete, sodass Rise bereits überglücklich mit Souji-senpai nach Hause gegangen war. Während sie wartete, betrachtete sie den wolkenverhangenen Himmel. Hoffentlich regnet es nicht. Ich habe keinen Schirm dabei. Als Kanji endlich neben ihr auftauchte, entschuldigte er sich brummend und zog sich rasch seine Straßenschuhe an. „Geschichtshausaufgaben werden definitiv überbewertet“, murmelte er mit finsterer Miene, als er sich zu ihr gesellte. „Definitiv“, erwiderte Naoto ernst und versuchte erfolglos das Zucken in ihrem Mundwinkel zu unterdrücken. Um diesen zum Scheitern verurteilten Versuch gleich zu vertuschen, setzte sie sich in Bewegung in Richtung Schultor. Als sie in der Mittagspause die verschiedenen Rätselkarten des Phantomdiebes erneut verglichen hatten, mussten sie wieder feststellen, dass die Karten aus demselben Kartenblock stammten. Da Kanjis Erinnerung an den Mann, der ihm die erste Karte hatte zukommen lassen, jedoch mit mehr vergangener Zeit nicht besser werden würde, hatten sie sich dazu entschieden, heute die Ladenbesitzer in der Einkaufsstraße zu fragen, ob ihnen die Karten oder der Mann etwas sagten. Zudem mussten sie sich neues Verbandszeug für den morgigen Eintritt in die TV-Welt zulegen und wollten daher noch zum Shiroku Store. Als sie in der Einkaufsstraße ankamen, war ihr erster Anlaufpunkt der Bücherladen, da er auch Schreibwaren führte, doch leider wurden sie hier nicht fündig und der junge Mann hinter der Kasse konnte ihnen nur sagen, dass ihr Laden diese Art von Karten nicht mehr führte. Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatten, bei Deidara etwas über die Karten erfahren zu können, betraten sie dennoch den Laden, da Naoto neue Munition benötigte und Kanji sich nach einem neuen Schild erkundigen wollte. Etwas demotiviert betraten sie schließlich den Laden der alten Dame Shiroku, die sie nichtsdestotrotz gewohnt freundlich begrüßte. Während Kanji die Mullbinden mit Leichtigkeit aus einem der oberen Regale holte, an die Naoto nicht ohne Hilfe eines Stuhles gekommen wäre, suchte sie nach einer schwellungslindernden Salbe. Während sie sich umdrehte, stieß sie jedoch versehentlich an eine zum Verkauf stehende Brotdose, die schließlich zu Boden fiel. Als sie die Dose aufheben wollte, fiel ihr Blick auf einen Stapel Karten, der weiter unten im Regal lag. Mit gerunzelter Stirn nahm sie sowohl die Salbe, als auch die Bortdose in eine Hand und holte mit der anderen die Karten aus dem Regal. Sie sahen genauso aus, wie die des Phantomdiebes! „Kanji“, meinte sie leise. „Hm?“, meinte er und drehte sich mit den Armen voller Mullbinden zu ihr um. Sie hielt die Karten hoch und seine Augen weiteten sich in Verständnis. Immer noch mit Mullbinden bepackt, beugte er sich zu ihr hinunter, um sich die Karten ebenfalls genauer zu betrachten. Naoto legte ihm auch noch die Salben auf den Arm und legte die Brotdose zurück, ehe sie eine der Originalkarten aus ihrer Jackentasche zum Vergleich holte und sie neben die unbeschrifteten Karten hielt. Kanji hatte die Brauen zusammengezogen und den Mund in eine grimmige Linie verzogen, doch er schien zu demselben Schluss wie sie zu kommen. Die Karten kamen ursprünglich aus dem Laden der alten Dame Shiroku. „Kinder?“, hörten sie schließlich besagte Dame fragen. „Ist mit euch alles in Ordnung?“ Sie hörten ihre schlurfenden Schritte und keine zwei Sekunden später sahen sie die alte Dame besorgt um die Ecke der Regalreihe schauen. Scheinbar festigte sich ihr Eindruck, dass etwas nicht in Ordnung war, als sie Naoto auf dem Boden sitzend und Kanji mit Verbandszeug im Arm neben ihr hockend sah, sodass sie auf die beiden zugehumpelt kam. „Macht euch keine Sorgen, es ist nicht schlimm, wenn ihr etwas umgeworfen habt“, meinte die alte Dame und missdeutete die Situation, aber lächelte sie beide freundlich an. „Ähm, in Ordnung“, meinte Naoto etwas perplex, da ihre Gedanken sich immer noch um den Phantomdieb drehten. „Hast du schon wieder Probleme mit diesen Bikern, Kan-chan?“, fragte die alte Ladenbesitzerin und blickte besorgt auf die Mullbinden und die Salben in seinen Armen. „In letzter Zeit kaufst du so oft Verbandszeug…“ Kanjis Wangen röteten sich, als die alte Dame den Kosenamen benutzte, den er seit seiner Kindheit in diesem Teil der Einkaufsstraße innehatte. Um Kanji die Antwort zu ersparen, ergriff Naoto das Wort. „Entschuldigung“, sagte sie, als sie sich erhob. „Wissen Sie vielleicht, ob jemand in letzter Zeit solche Karten wie diese hier gekauft hat?“ Die alte Dame Shiroku blinzelte einmal und betrachtete dann mit zusammengekniffenen Augen die Karten, die Naoto ihr hinhielt. „Ja… jetzt, wo du es erwähnst“, entgegnete sie nachdenklich. „Da war ein junger Mann in einem schwarzen Anzug, der vor ein paar Wochen einen ganzen Stapel gekauft hat. Ich glaube nicht, dass er von hier war, denn ich kannte ihn nicht…“ „Hat er vielleicht auch eine Sonnenbrille getragen?“, fragte nun Kanji und stellte sich neben Naoto. „Ja. Ja, das hat er“, stimmte die alte Dame vehement nickend zu. „Ich nehme an, er hat Ihnen nicht zufällig einen Namen hinterlassen, oder?“, fragte Naoto skeptisch. „Nein, tut mir leid“, meinte die alte Dame und schüttelte bedauernd den Kopf. „Trotzdem vielen Dank“, erwiderte Naoto mit einem leichten Lächeln. „Sie haben uns sehr geholfen.“ Die alte Dame Shiroku schien zwar noch immer etwas verwirrt zu sein, als Naoto und Kanji schließlich ihre Mullbinden und Salben bezahlten, doch bohrte nicht weiter. „Wenigstens wissen wir jetzt, dass der Kerl, der mir die erste Karte gegeben hat, und der, der die Karten gekauft hat, wahrscheinlich ein und dieselbe Person sind“, meinte Kanji leise, als sie schließlich den Laden verließen. Ehe sie sich endgültig in Bewegung setzten, und sich ihr Weg trennen sollte, blieben sie noch einen Moment unter der Markise des Ladens stehen und betrachteten den Himmel skeptisch. Er hatte sich mittlerweile so stark zugezogen, dass einige Wolken regelrecht schwarz aussahen. Hoffentlich komme ich noch bis zur Bushaltestelle… Doch kaum hatte Naoto diesen Gedanken zu Ende gedacht, da begannen auch schon die ersten Tropfen auf die Markise über ihren Köpfen zu fallen. „Hast du einen Schirm mit?“, fragte Kanji. „Nein, aber bis zur Haltestelle ist es nicht weit“, erwiderte sie. Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Mein Haus ist gleich im die Ecke, wenn du willst, kannst du auch noch bei mir warten, bis das Gewitter vorbei ist…“ Gegen Ende des Satzes wurde seine Stimme etwas zittrig. Naoto haderte einen Augenblick mit sich. Aber was sprach schon dagegen? Sie wäre ja auch nicht zum ersten Mal dort und es prasselten immer mehr Tropfen auf die Markise. „Okay, danke“, meinte sie mit einem argwöhnischen Blick gen Himmel. Sie hatten den Shiroku Store keine fünf Meter hinter sich gelassen, als auch schon der Wolkenbruch über sie hereinbrach und sie zu rennen begannen. Die Tatsache, dass sie mit Kanji mithielt, ließ sie vermuten, dass er absichtlich langsamer rannte, um sie nicht hinter sich zurückzulassen, denn er hatte wesentlich längere Beine als sie und rannte für gewöhnlich auch wesentlich schneller. Schon nach kürzester Zeit war Naotos Uniform durchnässt und das Wasser lief ihr den Rücken hinunter. Als sie schließlich im Textilladen von Kanjis Mutter ankamen, waren sie beide klatschnass und tropften regelrecht auf den Fußboden. „Himmel, ihr beide seid ja völlig durchnässt!“, sagte Kanjis Mutter sobald sie die Schwelle überquert hatten. „Wartet einen Moment, ich hole ein paar Handtücher“, fügte sie noch hinzu und verschwand rasch im hinteren Teil des Ladens, hinter dem Naoto den Wohnbereich vermutete. Glücklicherweise war der Laden bis auf Kanjis Mutter leer gewesen und sie mussten nicht vor Kunden wie begossene Pudel dastehen. Nachdem Kanji und Naoto ihre Schuhe bereits ausgezogen – oder viel mehr von ihren Füßen geschält - hatten, kam auch schon Kanjis Mutter zurück und reichte ihnen beiden jeweils ein großes Handtuch. „Danke, Ma“, meinte Kanji, als er sich zu allererst die Haare trocknete. Er hatte mittlerweile auch seine Uniformjacke abgelegt und sein T-Shirt darunter war so durchnässt, dass es hauteng an seinem Körper klebte und man bei jeder seiner Bewegungen die Konturen seiner Muskeln darunter sehen konnte. „Ich habe euch auch schon Kleidung ins hintere Zimmer gelegt, sodass ihr euch umziehen könnt“, erläuterte sie und wandte sich dann nachdenklich an Naoto, die rasch den Blick von Kanji abgewandt hatte. „Auch wenn Kanjis Kleidung dir vielleicht ein bisschen zu groß sein könnte…“ Da es scheinbar zu Naotos Lieblingstätigkeit wurde, stieg ihr nun doch die Hitze ins Gesicht, als sie daran dachte, sich in einem Raum mit Kanji umzuziehen. Augenblicklich hörte auch Kanji auf sich die Haare zu trocken und zog sich ruckartig das riesige Handtuch vom Kopf, sodass seine Haare in alle Richtungen abstanden. „Ähm, Ma, die Sache ist die…“, begann er und klang sehr unsicher. „Naoto, ähm,…“ Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und es war mehr als deutlich, dass er jetzt nichts Falsches sagen wollte. Er war offensichtlich hin und hergerissen. Wozwischen auch immer. „Ja?“, fragte seine Mutter verwirrt nach und sah schließlich von ihm zu Naoto, die es nur geschafft hatte, peinlich berührt das Handtuch zu zerknautschen. „Ich, ähm“, sagte sie schließlich langsam und stockend, ohne Kanjis Mutter wirklich ansehen zu können. „Bin ein Mädchen“, schloss sie schließlich kleinlaut. „Oh“, kam es von Kanjis Mutter und Naoto konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass Kanji sie ebenso bedröppelt ansah, wie Naoto. „Oh“, wiederholte sie noch einmal, jedoch dieses Mal mit mehr Nachdruck. „Warum habt ihr das denn nicht gleich gesagt?! Kanji, geh dich umziehen, und du kommst einfach mal mit mir mit“, wies sie erst Kanji an und nahm dann Naoto an die Hand und begann sie fortzuführen. Als Naoto einen Blick über ihre Schulter zurück zu Kanji warf, sah sie ihn noch vollkommen perplex im Eingang stehen, ehe Kanjis Mutter sie tiefer in den Wohnbereich hinter dem Textilladen führte. „Hier drin kannst du dich schon einmal umziehen und abtrocknen“, meinte Kanjis Mutter freundlich, als sie schließlich vor einem Zimmer Halt machten. „Ich suche nur noch ein paar passende Kleidungsstücke für dich heraus und bringe sie dir dann gleich.“ „V-vielen Dank“, erwiderte Naoto verlegen und Kanjis Mutter schob sie mit an die Brust gepresstem Handtuch in das Zimmer. Eigentlich wollte sie ihr noch sagen, dass sie kein Problem damit gehabt hätte, zu große Kleidung zu tragen und dass sie sich keine Umstände machen sollte, aber Kanjis Mutter ließ ihr keine Gelegenheit dazu. „Das ist doch selbstverständlich. Außerdem ist es das erste Mal, dass Kanji ein Mädchen nach Hause bringt“, entgegnete Kanjis Mutter wieder, ehe sie sich abwandte und ein ‚Ohohohoho!‘ leise kichernd den Korridor hinunter ging. Naoto wurde nur noch verlegener, doch wollte Kanjis Mutter auch nicht direkt hinterherrufen. Im Endeffekt sah sie keine andere Möglichkeit, als zu tun, wie ihr geheißen war. Sie schloss die Tür hinter sich und begann sich aus ihrer klatschnassen Kleidung zu schälen. Ihre Uniform war vollkommen durchnässt, genau wie ihre Socken und sogar die Bandagen unter ihrem Hemd waren nicht mehr zu gebrauchen, denn sie hatten sich schon jetzt vollgesogen und begannen unangenehm zu spannen. Als sie die Bandagen schlussendlich gelöst und sich in das riesige, aber weiche Handtuch eingewickelt hatte, klopfte es schließlich an der Tür. „Ich habe hier ein paar Sachen für dich, die dir passen sollten“, ertönte die Stimme von Kanjis Mutter durch die geschlossene Tür. „Ich lege sie dir vor die Tür.“ Als Naoto sich verhältnismäßig sicher war, dass Kanjis Mutter den Gang wieder verlassen hatte, schob sie die Tür auf und holte das Kleiderbündel herein. Jedoch als sie die Kleidung entfaltete, stockte sie einen Augenblick. Kanjis Mutter hatte ihr Mädchenkleidung besorgt. Vor ihr lagen ein weißer Rock und eine türkise Bluse. Auch wenn sie bestimmt geschlagene fünf Minuten auf die ausgebreiteten Kleidungsstücke blickte, konnte sie schlecht nur mit einem Handtuch bekleidet durch Kanjis Wohnhaus wandern und es würde ihr letztendlich doch nichts anderes übrig bleiben, als die Kleidung anzuziehen. Wenn sie gewollt hätte, dass man sie halbnackt durch die Gegend stolzieren sah, wäre sie wohl kaum vor der Endrunde des Schönheitswettbewerbes geflüchtet. Der Rock fiel ihr zwar bis über die Knie, aber dennoch war das Gefühl für sie ungewohnt, genau wie das Tragen einer Bluse generell und dann auch noch in Kombination mit diesem Rock. Es war schon sehr lange her, seit sie das letzte Mal einen Rock getragen hatte; wahrscheinlich seit der Grundschule, denn in der Mittelschule war sie bereits auf die Jungenuniform umgestiegen. Als sie sich inbrünstig wünschte ihren Ausschnitt vielleicht etwas minimieren zu können, klopfte es erneut und Naoto erwiderte ein unsicheres ‚herein‘, das mehr nach einer Frage als einer Aussage klang. Kanjis Mutter öffnete die Tür und trat in den kleinen Raum. „Ah, es passt“, sagte sie glücklich und lächelte Naoto an. „Ja, vielen Dank“, erwiderte Naoto mit gesenktem Blick. Sie zögerte noch einen Moment, ehe sie erneut das Wort ergriff. „Also, ah, Kanji-kun und ich, das ist vollkommen anders; wir, ähm, sind nur Freunde…“, stammelte sie verlegen und versuchte Kanjis Mutter unsicher von unten herauf anzusehen, während ihr Gesicht wieder einmal vor Scham glühte. Kanjis Mutter war näher an sie herangetreten und strich ihr nun mit kühlen Händen die Haare aus dem Gesicht. „So ein hübsches Mädchen“, sagte sie mit einem weiteren Lächeln. „Mein Sohn kann nicht so blind sein.“ Naoto wusste beim besten Willen nicht, was sie drauf sagen sollte, also floh sie sich in ein verlegenes Schweigen. „Oh, Kind, mach dir doch nicht so viele Gedanken“, winkte Kanjis Mutter schließlich fröhlich ab. „Es sieht so aus, als würde es noch eine ganze Weile weiter schütten, wenn du willst, kann ich deine Uniform auch noch mit in den Trockner werfen“, setzte sie nach. „Aber nur, wenn es Ihnen keine Umstände bereitet“, antwortete Naoto leise. „Oh, nein, überhaupt nicht“, erwiderte Kanjis Mutter. „Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass überhaupt noch jemand bei einem Unwetter wie diesem in den Laden kommt, und ich wahrscheinlich nichts zu tun haben werde, würde sich ansonsten ohnehin Kanji darum kümmern. Aber nun komm. Hier drin ist es alleine so trostlos.“ Wieder führte Kanjis Mutter sie durch den Wohnbereich, ehe sie an einer Art Waschküche Naoto ihre durchnässte Wäsche abnahm und sie schließlich eine Treppe hinaufführte. Im oberen Gang angekommen traten sie sogleich in einen Flur und Kanjis Mutter klopfte an der ersten Tür, die sie passierten. Aus dem Inneren des Zimmers ertönte ein unverkennbar spezifisch gebrummter Laut, der nur von Kanji stammen konnte, und seine Mutter öffnete die Tür, aber Naoto konnte zuerst nicht in den Raum hineinsehen. „Achte bitte auf den Trockner“, wies ihn seine Mutter an und trat zurück, um Naoto in den Raum einzulassen. Kanji saß im Schneidersitz auf dem Boden eines überraschend ordentlichen Raumes, gekleidet in eine Jeans und ein weißes T-Shirt, und war gerade dabei einen Riss in einem weiteren T-Shirt zu flicken, während er sein Nähzeug um sich herum ausgebreitet hatte. Als Naoto eintrat, gefroren seine Bewegungen und auch sein Gesicht versteinerte sich. Sie sah sicherlich unglaublich lächerlich aus. Verlegen trat Naoto ein, nachdem Kanjis Mutter eine entsprechende Geste gemacht hatte. „Und nun habt viel Spaß“, meinte Kanjis Mutter und schloss die Tür mit einem weiteren ‚Hohohoho!‘. „Ma!“, protestierte Kanji, doch seine Mutter hatte bereits die Tür geschlossen und war verschwunden. Geschlagen hielt er sich den Kopf. „Entschuldige bitte“, meinte er schließlich etwas peinlich berührt an Naoto gewandt. „Manchmal hat sie seltsame Vorstellungen. Tut mir leid, dass sie dich in Mädchenkleider gesteckt hat. Setz dich.“ Sie kam seiner Bitte nach und setzte sich zu ihm auf den Boden. „Ist nicht schlimm“, meinte sie und schaute auf ihre Knie. „Es ist zwar ungewohnt nach so langer Zeit wieder einen Rock zu tragen, und es sieht sicher komisch an mir aus, aber es ist in Ordnung.“ Ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie fortfuhr und aus dem Fenster sah, an dem der Regen herunterrann. „Wäre ich ein Junge, wäre diese ganze Situation einfacher.“ „Ich bin froh, dass du ein Mädchen bist“, erwiderte er schlicht und setzte sich so, dass er neben ihr saß und auch aus dem Fenster sehen konnte. „Und selbst, wenn du keins wärst, wäre es immer noch in Ordnung. Mir ist vollkommen egal, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist. Du bist du.“ Sie warf ihm von der Seite einen Blick zu und er wirkte vollkommen ehrlich mit seiner Aussage. „Danke“, sagte sie leise und zog ihre Knie an, um ihre Arme darum zu schlingen. Wärme breitete sich in ihr aus und zum ersten Mal, seitdem sie sich erinnern konnte, hatte sie wirklich das Bedürfnis ein Mädchen zu sein. ______________ (Und hier der Autorenkommentar für Alona xD) Es ist zwar ein bisschen länger als gewohnt, aber ihr habt ja auch eine ganze Weile warten müssen ;) Hoffentlich hat es euch trotzdem gefallen. Leider habe ich zur Zeit etwas Stress in der Uni und mit meinem Job und komme daher nicht so recht zum Schreiben, weswegen es leider noch ein bisschen dauern könnte, bis ich mit den letzten drei Kapiteln fertig bin. Ich hoffe, ihr vergebt mir die Verzögerung ;_; Rank 8 ------ „Ich muss noch einmal in den Shiroku Store und für meine Oma eine Rheumasalbe besorgen“, sagte Rise, als mit Naoto und Kanji nach der Schule nach Hause ging und sie gemeinsam in die Einkaufsstraße einbogen. „Kommt ihr mit oder geht ihr schon weiter?“ Naoto warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sie hatte noch über eine halbe Stunde Zeit bis ihr nächster Bus kam, also sagte sie zu, während Kanji nur mit den Schultern zuckte. Rise warf ihnen beiden ein freudestrahlendes Lächeln zu, bei dem Naoto selbst ein Lächeln nicht unterdrücken konnte und Kanji einen gebrummten Laut von sich gab, aber als Erster die Ladentür erreichte. Unter dem Klingeln der Glocke traten sie ein. Rise bewegte sich schnurstracks auf die Abteilung mit den Salben zu und obwohl Naoto und Kanji sie begleiteten, kauften sie nichts. Zum einen hatte zumindest Naoto noch genügend Verbandszeug, so dass es für einige Ausflüge in die TV-Welt ausreichen müsste, und zum anderen hatten sich die Heilfähigkeiten von Yukiko-senpais Persona enorm verbessert. Nachdem Rise die Rheumasalbe für ihre Großmutter gefunden hatte, begaben sie sich schließlich an die Kasse, um zu bezahlen. Die alte Dame Shiroku nannte Rise den Preis und als sie das ihr gereichte Geld in die Kasse legen wollte, schien sie erst Naoto und Kanji zu bemerken, obwohl sie direkt neben Rise standen. Auf ihrem Gesicht breitete sich Erkenntnis aus, als sie den Blick zu ihnen hob. „Ah, Kan-chan, gut, dass du hier bist!“, meinte die alte Dame mit einem flüchtigen Lächeln. „Erinnerst du dich noch an den Mann, den ihr letzte Woche gesucht habt?“, wollte sie wissen. Überrascht sahen sich Kanji und Naoto an. „Ist Ihnen vielleicht noch etwas eingefallen?“, fragte Naoto hoffnungsvoll. Rise blickte verwirrt und fragend zwischen Naoto und Kanji hin und her, als sie ihr Wechselgeld einsteckte, doch auch Kanji schien voller Erwartung zu sein, als die alte Ladenbesitzerin nickte. „Ja. Der Mann war gerade eben hier. Er hat nur wenige Minuten bevor ihr hereingekommen seid den Laden verlassen“, antwortete die alte Dame Shiroku. Noch ehe sie ihre Antwort zu Ende gesprochen hatte, hatte sich Naotos Herzschlag vor Aufregung beschleunigt und sie war aus dem Laden gestürmt. Hinter ihr konnte sie noch Rises „Hey! Wartet auf mich!“ hören, ehe die Tür hinter ihr zuschlug. Auf der Straße angelangt, blickte Naoto nach links und rechts, doch erblickte niemand sonderlich Dubiosen, der sich an Briefkästen oder Ähnlichem zu schaffen machte. Naoto war sich mittlerweile ziemlich sicher, die Identität des vermeintlichen Phantomdiebes zu kennen, und glaubte auch zu wissen, welches der letzten beiden Detektiv-Werkzeuge er als Nächstes verstecken würde, doch wo versteckte man einen solchen Gegenstand in der Nähe der Einkaufsstraße? Ein möglichst abgeschiedener Ort wäre wahrscheinlich am besten… „Naoto-kun, Kanji-kun, was zum Teufel ist in euch gefahren?“, verlangte Rise zu wissen, als sie hinter Kanji aus dem Laden gestürmt kam und noch immer versuchte, die Salbe in ihrer Tasche zu verstauen. Doch Naoto bekam nur nebenbei mit wie Rise sie und Kanji anfunkelte, der ihr auch nicht antwortete und ebenfalls die Straße auf und ab spähte. Natürlich! Naoto fiel es wie Schuppen von den Augen, als ihr eine Idee kam, was das nächste abgeschiedene Versteck des Phantomdiebes sein könnte. „Siehst du ihn?“, wollte Kanji wissen. „Nein, aber ich habe eine Vermutung, wo er sein könnte!“, antwortete Naoto und rannte auch gleich schon wieder los. Auch wenn der Tatsuhime-Schrein in den letzten Wochen öfter besucht worden zu sein schien, war er immer noch der abgelegenste Ort der gesamten Einkaufsstraße und befand sich nicht unweit des Textilladens von Kanjis Mutter. Im Sprint legte Naoto den Weg zum Schrein zurück. Kanji lief direkt neben ihr, obwohl er eigentlich schneller rennen konnte als sie, doch da er nicht wusste, was ihr Ziel war, hielt er sich wahrscheinlich zurück. Rise bemühte sich aufzuholen, doch fiel verhältnismäßig schnell hinter den beiden zurück. Schnell atmend und mit klopfendem Herzen erreichten Naoto und Kanji zuerst den Schrein. Schon von weitem konnte sie den schwarz gekleideten Mann trotz seiner Sonnenbrille erkennen. Als sie sich ihm näherte, konnte sie hören, wie auch Rise schließlich keuchend den Schrein erreichte. „Sie sind es…“, sprach sie den vermeintlichen Dieb an. Überrascht drehte er sich zu ihr um, das Detektiv-Messer noch in seiner Hand. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt und sie konnte seinem Gesicht ansehen, dass er nicht damit gerechnet hatte, von ihr hier angetroffen zu werden. Jedoch hatte sie keine Gelegenheit dazu, ihn zur Rede zu stellen, denn urplötzlich stand Kanji zwischen ihr und dem Messer in der Hand des Diebes. „W-warte!“, rief sie aus und griff nach Kanjis Arm, um ihn davon abzuhalten dem Dieb, der höchstwahrscheinlich keiner war, gegenüber gewalttätig zu werden. Mit einem aufgebrachten und perplexen Blick zugleich wandte Kanji ihr den Kopf zu, doch stand nach wie vor zwischen ihr und dem Messer, sodass Naoto fortfuhr. „Das ist kein richtiges Messer, sondern nur ein Spielzeug!“ „Huh?!“, kam es nur von Kanji, während der Dieb das Messer fallen ließ und das Weite suchte. Doch Kanji war für den Moment noch zu überrumpelt, um ihm hinterherzurennen. Gut für den Sekretär… „Dieses Messer…“, sagte sie, als sie sich danach bückte, um es aufzuheben, „wusste ich es doch… Es ist ein weiteres der sieben Detektiv-Werkzeuge, die ich als Kind gebastelt habe. Ein Radio in Form eines Messers. Nichts weiter als ein Spielzeug, wie ich gesagt habe.“ „Aber nichtsdestotrotz“, begann sie von Neuem, als sie herumfuhr und Kanji ärgerlich anfunkelte. „Was du getan hast, war unvorsichtig! Was, wenn es ein richtiges Messer gewesen wäre?! Du hättest verletzt werden können! Argh! Du tust immer solche unüberlegten Dinge!“ Sie zitterte vor Wut und senkte dennoch den Blick ehe sie mit ihrem nächsten Satz fortfuhr. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine Frau zu werden, nur um mich dann von einem Mann beschützen zu lassen! …Warum?!“, setzte sie bitter nach und sah wieder zu Kanji auf. Auf seinem Gesicht zeichnete sich blanker Schock ab und er senkte rasch den Blick, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. „Ich… ähm… ich habe nicht nachgedacht“, erwiderte er leise und etwas stockend. „Tut mir leid…“ Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging steifen Schrittes an Rise vorbei, die einen undeutbaren Ausdruck auf dem Gesicht trug und sicherlich die ganze Szene mitbekommen hatte. Rise streckte noch einen Arm nach Kanji aus, wie um ihn aufzuhalten, doch er bewegte sich sehr schnell und war nur Augenblicke später hinter dem Ausgang zur Hauptstraße verschwunden. So groß war der Platz vor dem Schrein nicht, dass Naoto Rises niedergeschlagenes Seufzen hätte überhören können. Als sie sich jedoch zu Naoto umwandte, funkelten ihre Augen wütend. „Du bist manchmal so eine dumme Nuss, Naoto-kun!“, schimpfte sie. Da Naoto noch immer selbst mit sich zu kämpfen hatte, war sie zu überrascht als Rise nach ihrer Hand griff und sie hinter sich her vom Gelände des Schreines schleifte. ___________ (Autorenkommentar für Alona ;'D) Tut mir leid, dass die Kapitel so unterschiedlich lang sind, aber es geht leider nicht anders, um meinen perfiden Plan aufgehen zu lassen >_< Rank 9 ------ Rise hielt Naoto in einem erstaunlich festen Griff eisern gefangen und zog sie regelrecht hinter sich zum Tofuladen ihrer Großmutter. Naotos Wut über Kanjis unüberlegtes Handeln war in pure Verwirrung verpufft, denn sie hatte nicht den blassesten Schimmer, was in Rise gefahren war. „Rise-chan, was..?!“, fragte Naoto, doch Rise antwortete ihr nicht. Rises Großmutter sah überrascht auf, als ihre Enkelin und mit Naoto an der Hand in den Laden gestürmt kam, doch hatte kaum eine Gelegenheit nachzufragen, was denn passiert war, denn Rise führte Naoto gleich an ihrer Großmutter vorbei in den hinteren Bereich des Ladens. Zwei Türen und einen kleinen Korridor später fanden sie sich auf einem kleinen Innenhof wieder, auf dem sich der Eingang zum Wohnhaus von Rises Großeltern befand. Doch auch hier verschwendeten sie keine Zeit und Rise führte Naoto hinter sich in das Haus. Naoto bemerkte gerade noch, dass sie eine steile Treppe erklommen, ehe sie auch schon in einem äußerst farbenfrohen Zimmer standen. Rise ließ sie los, doch drehte sich mit wütend funkelnden braunen Augen ihr um. Licht fiel durch ein Fenster über einem pinken Schreibtisch ein und beleuchtete Rise von hinten, sodass ihr Gesicht im Schatten lag, doch Naoto konnte sehen wie sich Rises Brustkorb rasch hob und wieder senkte. Sie war eindeutig außer Atem. Und Naoto ging es überraschender Weise nicht anders. Einen Moment standen sie nur schwer atmend voreinander, ohne etwas zu sagen und sahen sich einfach nur an. Naoto schluckte und sog tief Luft ein. Es war, als würde mit der eingesogenen Luft auch ihre Wut wiederkehren. „Was sollte das denn jetzt?“, wollte sie erbost von Rise wissen. Doch Rise gab nicht klein bei, sondern warf ihre Tasche auf das Bett an der Wand und stemmte die Hände in die Hüften. Nur um gleich wieder ihre Pose aufzugeben und wütend die Hände zu Fäusten zu ballen. „Argh!“, stieß sie aus. „Naoto-kun, ich frage mich echt, wie du nur so blind sein kannst?!“ Aufgebracht fing sie an, im Zimmer auf- und abzugehen und wild zu gestikulieren. „Kanji-kun kann einem aber wirklich leidtun!“ „Kanji-kun?! Was hat er denn hiermit zu tun?“, verlangte Naoto nun auch aufgebracht zu wissen und deutete zwischen sich und Rise hin und her. Rises Auf- und Abgehen hatte sie mit in die Nervosität gerissen. „Was er...?!“, begann Rise schon fast außer sich. „Alles!“ Naoto stockte in ihren Bewegungen und auch in ihren Gedankengängen. Sie verstand gerade wirklich nur Bahnhof. Währenddessen sah Rise wirklich so aus, als sei sie kurz davor, sich die Haare zu raufen. „Ich hab ihm zwar versprochen nichts zu sagen, aber das ist ja wirklich mittlerweile nicht mehr mitanzusehen!“ Als sie dies sagte, hatte sie sich schon ihrem pinken Schreibtisch zugewandt und zog äußerst rabiat eine der Schubladen auf und begann wild darin zu kramen. „Was sagen? Und wem?“, hakte Naoto nun wesentlich verwirrter als wütend nach. „Wem?! Dir, du… Nuss, du!“, antwortete Rise und wedelte mit etwas Weißem in der Hand umher. „Hier“, meinte sie und drückte Naoto das weiße Etwas in die Hand. Stirnrunzelnd betrachtete Naoto den Gegenstand. Es war ein Brief. Aus kariertem Papier, fein säuberlich zusammengefaltet und auf einer Seite stand in einer ziemlich kantigen Handschrift ihr Name, Naoto Shirogane. „Was…?“, fragte Naoto verwirrt. Allerdings bei genauerer Betrachtung kam ihr die Schrift irgendwie bekannt vor… „Den hast du schon einmal bekommen“, erwiderte Rise mit einem Nicken in Richtung des Briefes und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vor ein paar Wochen. Ich hab ihn aus dem Müll gefischt.“ Nur noch schwammig konnte Naoto sich daran erinnern, einen speziellen Brief bekommen zu haben. Die einzigen Nachrichten, die ihr in letzter Zeit im Gedächtnis geblieben waren, waren die Karten des „Phantomdiebes“. Immer noch stirnrunzelnd sah sie Rise erneut an. „Lies ihn. Jetzt“, sagte diese nur sehr bestimmt. Mit einem skeptischen Blick in Rises Richtung entfaltete sie den Brief und begann zu lesen. Schon nach den ersten drei Worten wusste sie, dass es sich um einen Liebesbrief handeln musste und schlagartig kam ihre Erinnerung wieder. Vor ein paar Wochen hatte Kanji diese sonderbare Erkältung gehabt, die verursacht hatte, dass er gelegentlich nicht mehr sprechen konnte und grün um die Nase wurde. Um dieselbe Zeit hatte sie die erste Karte des „Phantomdiebes“ erhalten und ihn nach Informationen gefragt. Aber sie hatte auch einen Brief weggeworfen, worüber sich Rise aufgeregt hatte… Naoto, ich schreibe dir diesen Brief, weil ich nicht weiß, wie ich es dir anders mitteilen soll. Als wir uns das erste Mal begegnet sind, dachte ich noch, du wärest ein Junge. Trotzdem hat es mich sehr gefreut, als du gemeint hast, du hättest Interesse an mir. Ich weiß mittlerweile natürlich, dass du ‚berufliches Interesse‘ gemeint hast und nichts anderes, aber damals hat dieser kleine Satz schon für eine mittelschwere Identitätskrise gesorgt (wie dir sicher unschwer durch Yosuke-senpais Reaktionen aufgefallen ist), auch wenn es mich erfreut hat und ich angefangen habe, dich zu mögen. Sehr zu mögen. So zu mögen, dass ich nicht mehr vernünftig denken kann. Mir ist klar, dass du nie die Absicht hattest, diese Gefühle in mir hervorzurufen, aber ich wollte sie dir trotzdem mitteilen. Allerdings bekomme ich jedes Mal, wenn du vor mir stehst und mich mit deinen großen blauen Augen anschaust, kein klares Wort heraus und stammele irgendeinen Unsinn vor mich hin. Deswegen habe ich mich für den feigen Weg entschieden und dir diesen Brief geschrieben. Ich kann vollkommen nachvollziehen, wenn du nicht so fühlst wie ich – immerhin mache ich auch meiner Mutter nichts als Ärger – und dich lieber für jemand bodenständigen wie Souji-senpai entscheiden würdest, aber ich wollte es dir trotzdem irgendwie mitteilen. Wenn irgendetwas in Teddies Welt schieflaufen sollte, will ich nichts bereuen müssen – egoistisch, ich weiß, aber so bin ich leider nun mal. Kanji Tatsumi Noch während des Lesens hatte Naoto sich hingesetzt, wahrscheinlich auf Rises Bett, aber sie war sich nicht sicher und es war auch eigentlich egal. Ihr Kopf war wie mit Watte gefüllt und sie merkte erst nach einigen Augenblicken, dass ihr Mund offen stand. Sein ganzes Verhalten machte auf einmal einen ganz anderen, neuen Sinn… Vollkommen überfordert mit dieser gänzlich unerwarteten Situation blickte sie wieder zu Rise auf, die mittlerweile neben ihr saß. Zumindest schien sie nicht mehr wütend zu sein, sondern betrachtete Naoto nachdenklich. „Geh schon“, sagte sie leise. Und Naoto stand auf und verließ den Raum. Maximum! -------- Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie ihm eigentlich sagen wollte, rannte Naoto zum Textilladen von Kanjis Mutter. In ihrem Kopf schwirrten etliche Szenarien herum und ihr Herz klopfte wie wild – ob von dem Sprint oder der Aufregung konnte sie nicht sagen – als sie sich dazu durchrang, die Ladentür zu öffnen. Kanjis Mutter war gerade dabei, einen Kunden zu bedienen, als sie eintrat. „Einen Moment bitte. Ich bin sofort bei Ihnen… oh“, sagte sie, bis sie schließlich Naoto erkannte. „Tut mir leid, aber Kanji ist nicht hier.“ Naotos Herz sank. Dieses Szenario hatte sie nicht bedacht. „Wissen Sie zufällig, wo er sein könnte?“, fragte sie nachdem sie erst einmal einen Kloß hinunterschlucken musste. „Hm“, meinte Kanjis Mutter nachdenklich. „Er sagt mir ja nie, wo er hingeht, aber er sah ein bisschen geknickt aus, als er eben kurz nach Hause gekommen ist. Vielleicht ist er am Fluss… er ist schon als Kind oft dorthin gegangen, wenn er seine Ruhe haben wollte.“ „Danke!“, rief Naoto aus und stürmte sogleich wieder aus dem Laden. In dem Moment war ihr egal, was der Kunde wohlmöglich von ihr hielt. Sie rannte den ganzen Weg durch die Einkaufsstraße zum Flussbett und warf all ihre vorher ausgedachten Szenarien erneut in ihrem Kopf um. Ihr Herz klopfte wie verrückt und ihre Lungen brannten bei jedem Atemzug, als sie den Damm erreichte. Sie benötigte nicht lange um Kanji zu entdecken; er saß direkt am Flussbett, hatte noch den Stiel eines Eises im Mund und blickte auf das sich bewegende Wasser hinaus. „Kanji…“, keuchte sie, als sie ihn erreichte und schlitternd zum Stehen kam. Vor Seitenstechen musste sie sich vorbeugen und die Hände auf den Knien abstützen. „Naoto? Ist alles in Ordnung?“, fragte er. Er stand schon fast alarmiert auf und nahm den Eisstiel aus dem Mund, um ihn in eine nahe Mülltonne zu werfen. Als sie zu ihm aufblickte, war ihr Kopf wie leergefegt. All die Szenarien, in denen sie wusste, was sie sagen wollte, waren weg. Das Einzige, das ihr auffiel, war die Tatsache, dass sie ihn nicht richtig angeredet hatte, aber es ihn kein Stück zu kümmern schien, als er besorgt zu ihr kam. „Ist was mit dem Phantomdieb?“, wollte er wissen. „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Der ist jetzt unwichtig.“ Sie stand einfach nur da. Mit wirren Haaren und schief sitzender Mütze stand sie einfach nur da, seinen Brief zusammengedrückt in einer Hand und atmete schwer vor sich hin. Sein verwirrtes Gesicht half ihr auch kein bisschen, um einen klaren Gedanken zu fassen – wie ironisch. „Was dann?“, fragte er schließlich und machte einen besorgten Schritt auf sie zu. „Warte!“, erwiderte sie schon fast panisch und Kanji gefror mitten in der Bewegung. Sie senkte den Kopf wieder und schluckte einen weiteren Kloß hinunter, ehe sie versuchte gefasster fortzufahren. „Ich… wollte mich bei dir entschuldigen. Für vorhin“, begann sie immer noch nach Atem ringend. Zwar richtete sie sich auf, doch brachte sie es nicht wirklich fertig in sein Gesicht zu blicken. „Ich weiß, dass du mir nur helfen wolltest, aber in dem Moment…“ Sie schluckte wieder als unerwartete Wärme in ihr aufstieg. Sie brach den Satz ab und flüchtete ihren Blick auf den vorbeifließenden Fluss. Als Kanji nichts sagte, begann sie erneut zu reden. „Als Kind wollte ich eigentlich Detektiv werden, weil ich Rätsel schon immer mochte und durch die Lösung von diesen Rätseln den Menschen helfen können würde. Damals war es mir vollkommen egal, ob ich ein Mädchen oder ein Junge war. Aber in letzter Zeit hat sich alles in meinem Kopf darum gedreht, als würdiger Erbe der Shirogane-Linie erkannt zu werden.“ Oh, nein. Ich brabbele wieder völlig unzusammenhängenden Unsinn vor mich her! Immer wenn sie aufgeregt war, fing sie an ihre Nervosität mit unsinnigen Erzählungen überspielen zu wollen. Auf dem Punkt kommen, Naoto! Immerhin sah Kanji gerade nicht so aus, als würde er wirklich wissen, was sie ihm sagen wollte. Aber was, wenn sich seine Gefühle geändert haben? Was, wenn nicht?, fragte sie ihre innere Stimme. Sie holte tief Luft. „Wie dem auch sein mag… dass du dich bereit erklärt hast, mit mir nach meinen uralten, selbst gebastelten Detektiv-Werkzeugen zu suchen“, sagte sie sehr schnell, „hat mir geholfen genau das zu realisieren, genau wie die Tatsache, wie sehr ich ein Mädchen bin und dass ich nichts mehr daran ändern wollen würde. Dass es dir egal ist, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin und…“ Es kam ihr so vor als müsste sie ihr ganzes Herz herunterschlucken, das ihr mittlerweile die Kehle hinaufgekrochen war, als ihr Gesicht regelrecht zu glühen begann bei dem Gedanken daran, worauf sie zu sprechen kommen wollte. In ihrer Hand zerknitterte sie seinen Brief nur noch stärker. „…du mich bereits mochtest, als du noch dachtest, ich wäre ein Junge…“, stammelte sie stetig leiser werdend vor sich hin. In ihrer Verlegenheit schaffte sie es nur kurz den Blick zu heben und ihn anzusehen, aber sein Gesicht war blass geworden und sein Blick war auch nicht auf ihr Gesicht gerichtet, sondern auf ihre Hand. Vollkommen entgeistert starrte er auf den Brief und nachdem er erkannt haben musste, was es war, das sie da in der Hand hielt, röteten sich seine Wangen. „Du… ähm… hast ihn doch gelesen…“, stammelte er nicht weniger verlegen zurück und senkte ebenfalls den Blick. „Du musst nicht… also… du kannst ihn auch einfach vergessen…“ Kanji redete also auch wenn er nervös war. Naoto musste auch in ihrer Verlegenheit gegen ein Lächeln ankämpfen. „Kanji?“, sagte sie und ließ dieses Mal mit Absicht das „-kun“ weg. Als er mit einem unsicheren schiefen Blick aufschaute, konnte sie das Zucken ihrer Mundwinkel nicht mehr unterbinden. „Sei bitte einfach still“, meinte sie und holte ein weiteres Mal tief Luft. Schnell machte sie zwei Schritte auf ihn zu, ehe sie der Mut verließ. Völlig überrumpelt ließ der über einen Kopf größere Kanji es geschehen, dass sie ihn an seinem T-Shirt zu sich hinunter zog, auch wenn sie sich trotzdem auf ihre Zehenspitzen stellen musste. Sie sah noch sein überraschtes Gesicht, ehe sie die Augen schloss und ihre Lippen auf seine legte. Als sie Kanji küsste, konnte sie noch das Zitroneneis schmecken, das er zuvor gegessen haben musste, und fühlen, dass seine Lippen erstaunlich weich waren. Da er stocksteif dastand und sich nicht bewegte, hatte sie einen Moment lang Angst, dass sie zu weit gegangen war, doch dann konnte sie zögerlich seine Hände an ihren Schultern fühlen. Als sie sich schließlich von ihm löste, sahen sie sich beide verlegen in die Augen, doch Kanji wandte zuerst den Blick ab und ließ einen unverständlich gebrummten Räusperlaut vernehmen, den sie eher fühlte als hörte, als er sie in die Arme schloss. „Warum sagst du nichts?“, wollte Naoto nervös wissen. „Du hast doch gesagt, ich soll still sein“, erwiderte Kanji mit roten Wangen und blickte stur geradeaus. Mit einem scheuen Lachen erwiderte sie seine Umarmung und konnte durch den Stoff seines T-Shirts seinen schnellen Herzschlag an ihrer Wange fühlen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)