Regen von ferowyn ================================================================================ Kapitel 3: Lluvia ----------------- Regen 3. Lluvia Mein konzentrierter Blick huscht immer wieder hoch und mustert hoffnungsvoll den wolkenverhangenen Himmel, während ich es mir auf einem Baum am Rand eines Friedhofs in Birmingham bequem mache. Alastor koordiniert heute die Kämpfe, deshalb muss ich mich nicht ganz so sehr konzentrieren. Der Friedhof ist riesengroß und ich kenne nur ungefähr die Orte, an denen sich die anderen verstecken, zudem wird es bereits dunkel. Ich bereite einen Fluch, der einen sofortigen Herzstillstand nach sich zieht, vor, falls Späher in meiner Nähe landen sollten und warte dann zufrieden auf die Ankunft der Todesser und den Regen. Ein leichter Magieschub von Alastor kündigt mir an, dass ich Arbeit bekommen werde und im selben Augenblick taucht eine der Schwarzkutten keine fünf Meter entfernt zwischen zwei Gräbern auf – mit dem Rücken zu mir. Nach dem Zeichen des Ex-Aurors, laut dem sie ihrem Lördchen Bescheid gegeben haben, dass die Luft rein ist, schicke ich meinen Fluch auf den ahnungslosen Vollkoffer los und bereite sofort neue Zauber vor. Minerva hat uns das beigebracht, eine kleine Menge Magie bereits zu formen, aber noch zurück zu halten. Wir werden heute nicht mit Mugglewaffen kämpfen und so nütze ich Alastors wenig später eintreffendes Signal direkt, um die zurück gehaltene Kraft als breite Welle loszuschicken, mitten in die im selben Moment ankommenden Todesser. Es sind fast siebzig und wir nur fünf, da die anderen in Leeds kämpfen. Keine Ahnung, wo Voldi auf einmal so viele Speichellecker her hat … Eigentlich sollte ihre Anzahl eher rückläufig sein, bei dem Enthusiasmus, mit dem wir sie in letzter Zeit entsorgen. Bei Circe, Merlin und Morgana, dieser kleine Severus in meinem Kopf soll die Klappe halten – der sarkastische Teil meines Gehirns klingt langsam aber sicher wirklich wie er. Das nervt! Über mich selbst grummelnd widme ich mich wieder dem Kampf. Noch haben die Schwarzkutten nicht wirklich verstanden, was los ist – die lernen aber echt Nichts dazu! – also bereite ich einen weiteren tödlichen Zauber so vor, wie den letzten, und jage ihn mit dem nächsten Magieschub Mad-Eyes breit gefächert in die Menge. Dieses Spiel wiederholen wir noch drei Mal, dann haben Voldemorts Anhänger, die sich eigentlich nur darauf eingestellt hatten, in Ruhe einige Mugglegräber aufzuwühlen und vielleicht ein paar Inferi mit nach Hause zu nehmen, Schilde erstellt und wir müssen die Strategie ändern. Mit einem Seufzen verstärke ich meine eigenen Schutzzauber und springe dann mit gezogenem Schwert einfach mitten unter sie, köpfe mit einer Drehung gleich die ersten paar. Sie begreifen diesmal schneller, was ihre Kameraden erledigt hat, und plötzlich hagelt es Flüche von allen Seiten. Gerade noch rechtzeitig ziehe ich einen Spiegelschild hoch – die Dinger brauchen eine Menge Konzentration und Magie, aber sie sind echt Gold wert! – und die Hälfte der eben ankommenden Todesflüche erwischt die Schwarzkutten selbst. Zufrieden senke ich den Schild im nächsten Moment wieder und starte einen weiteren Angriff mit dem Schwert, jetzt wieder mit eisiger Wirkung. Auf einmal erkenne ich Caceys Maske in der Menge. Unauffällig jage ich ihm einen Stupor auf den Hals, beschütze ihn so. Zum Glück habe ich ihn rechtzeitig bemerkt. Irgendwo bin ich sogar froh, so offen gegen Voldi zu stehen – als Spion zwischen den Fronten festzustecken muss noch beschissener sein. Erleichtert, dass ich Cacey für dieses Mal wieder aus dem Verkehr ziehen konnte, konzentriere ich mich wieder auf alle möglichen tödlichen Methoden, um meine Lieblingsfeinde auszuschalten. Voldi hat doch eigentlich wirklich einen unglaublichen Verschleiß an Leuten, überlege ich wieder, während ich einen Crucio mit meinem Schwert reflektiere. So viele, wie wir jedes Mal erledigen … Natürlich, einige werden einfach geheilt und Lucius überlebt immer – zum Glück, wäre sonst ja langweilig! – aber ich habe jetzt schon alleine mindestens zwanzig Todesserchen den Weg zur Hölle gezeigt. Wo bekommt Snakeface echt die ganzen Anhänger her? Ich meine, an seinem Aussehen kann es ja wohl kaum liegen … Zwei Dinge unterbrechen plötzlich meine eigentlich absolut unpassenden und ablenkenden Gedankengänge: Ein Regentropfen trifft mein Gesicht und vor mir steht jemand, dessen Maske ich immer wieder erkennen würde. Mein Herz beginnt sofort, schneller zu schlagen – und zum ersten Mal fällt mir auf, dass ich regelrecht glücklich bin, Lucius über den Weg zu laufen. Es macht mir Angst. Nein, es beunruhigt mich ein bisschen, aber ich konnte solche Kleinigkeiten schon immer gut verdrängen – vor allem, wenn ich etwas Besseres zu tun habe. Wie jetzt … Das Malfoy-Oberhaupt fordert meine Aufmerksamkeit, als er sich verbeugt, um unser Duell einzuleiten. Ein weiterer Tropfen fällt auf mein Gesicht und meine Wahrnehmung beginnt, sich zu verschieben. Ich verbeuge mich ebenfalls, löse nebenbei die wasserabweisenden Zauber auf meiner Kleidung. Wir richten uns wieder auf. Ein Tropfen trifft meine Nase. Adrenalin schießt durch meine Adern. Er hebt den Zauberstab, ich tue es ihm gleich. Er schickt mir einen Fluch entgegen. Das Tröpfeln wird stärker, Wasser fällt auf meinen Handrücken. Ich blocke mühelos. Kontere. Der Himmel öffnet alle Schleusen. Ich weiche einem Schmerzfluch aus. Dann bin ich komplett durchnässt und meine Magie beginnt, zu kochen und einen Weg aus meinem Körper zu suchen. Ich habe noch nie im Regen gegen Lucius gekämpft, und bisher waren wir einander immer ebenbürtig. Doch jetzt … Ich gebe die Kontrolle ab und lasse meine übersprudelnde Magie übernehmen. Eine unglaubliche Kraft wächst in meinen Muskeln und meine Sinne werden immer noch stärker. Die ganze Welt scheint sich ein wenig zu verlangsamen. Mein Zauberstab wird immer heißer, glüht regelrecht in meiner Hand. Ich beginne, im Sekundentakt Zauber los zu jagen und weiche seinen wenigen Konterversuchen elegant aus. Heißes Blut rauscht durch meine Adern, brodelt ebenso wie meine Magie. Die ganze Macht, die normalerweise versperrt und ungenützt in mir ruht, ist jetzt befreit und sucht sich ihren Weg nach draußen – ich habe mich überhaupt noch nie im Regen mit jemandem duelliert. Das ist … unglaublich. Ich fühle mich beinahe unbesiegbar. Ich halte den Blonden ziemlich auf Trab, er sieht mich ungläubig an. Das erkenne ich sogar durch seine Maske. Ein böses Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Er hat meinen Flüchen kaum noch etwas entgegen zu setzen und ich dränge ihn langsam in Richtung der Friedhofsmauer. Er zieht als letzten Ausweg in einer fließenden Bewegung sein Schwert. Ich tue es ihm gleich, immerhin will ich ja fair sein (zumindest solange ich gegen ihn kämpfe) und greife ihn nicht mehr aktiv mit Flüchen an. Trotzdem sucht meine Magie nach einem Weg, sich zu befreien, was dazu führt, dass meine Waffe komplett vereist, dadurch kondensiert die Luft um sie herum und schwebt in Form von kleinen Eiskristallen zu Boden. Sein Schwert dagegen kann aufgrund des etwas (räusper) feuchten Wetters nicht brennen. Noch ein Vorteil für mich. Ich habe ihn inzwischen bis zur Mauer gedrängt. Wir stehen nun mit gekreuzten Schwertern da, er hat die Steine im Rücken und keucht hörbar. Jetzt könnte ich ihn so leicht töten … Aber das will ich eigentlich gar nicht, wie ich verwundert feststelle. Stattdessen hebe ich die Hand und reiße die Maske von seinem Gesicht, werfe sie einfach weg. Seine Haare sind verwuschelt (ich habe ihn noch kein einziges Mal nicht perfekt frisiert gesehen! Ich muss allerdings zugeben, dass er so echt heiß aussieht … ähm … Was zum Teufel denke ich da bitte??) und er starrt mich mit seinen wunderschönen eisblauen Augen direkt an. Ich habe nie zuvor Emotionen in diesen eisigen Seen auch nur aufblitzen sehen. Jetzt erkenne ich jedoch ganz klar Angst, und noch etwas anderes, das ich nicht identifizieren kann. Verwirrt reiße ich mich von seinem regelrecht hypnotisierenden Blick los, konzentriere mich wieder auf die Situation. Ich müsste nur meinen Stab mit der freien Hand in sein Gesicht halten und einen tödlichen Fluch sprechen … Stattdessen lasse ich zu, dass er jetzt meine Kapuze abstreift. Vielleicht ist das mit dem Regen doch nicht so gut, schießt es durch mein Gehirn. Ich hätte meinen Instinkten nicht einfach die Kontrolle überlassen sollen, denn ich handle definitiv nicht so, wie ich es normalerweise tun würde. Dann verschwindet dieser kurze Moment der Besinnung wieder und meine ungeduldige Magie übernimmt erneut die Herrschaft. Ich versinke ein weiteres Mal in diesen unglaublichen blauen Augen … Gleichzeitig, als hätten wir uns abgesprochen, lassen wir unsere Schwerter einfach fallen und unsere Münder krachen regelrecht zusammen, er küsst mich besitzergreifend und ich erwidere den Kampf. Minutenlang ringen wir um die Vorherrschaft, bis ich schließlich aufgebe. Jetzt küsst er mich sanft und zärtlich. Oh Himmel … Ich hätte es wissen sollen, warum ich jedes Mal so euphorisch gewesen bin, wenn ich mit ihm gekämpft habe. Ich wäre allerdings nie auf die Idee gekommen, dass ich Gefühle für ihn haben könnte. Ja, ich weiß, dass ich schwul bin, aber dass ältere blonde Schnösel mein Typ sind … Nun, meiner Magie war das offenbar sehr klar, so wie sie mich zu ihm getrieben hat. Hätte ich die Kontrolle behalten wäre das nie passiert … er ist ein Todesser, er ist Dracos Vater!! Aber er kann höllisch gut küssen – meine Knie sind schon ganz weich und ich fürchte, jeden Moment umzukippen, doch zum Glück hält er mich mit seinen starken Armen –mein Herz rast, als wollte es einen Marathon gewinnen; macht mir somit klar, dass es genau das will. Und ich sollte bloß nicht wagen, damit aufzuhören … als ob ich das könnte. Ich spüre, wie sich meine Magie um uns schleicht und ihn fester an mich drückt, sich mit seiner vermischt. Das fühlt sich einfach nur unglaublich an. Es klingt selbst in meinem Kopf unsagbar kitschig, aber ich weiß, dass ich ihn nie wieder loslassen will. Nie wieder loslassen kann. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir so dastehen, uns eng aneinander drängen und uns küssen, mal zärtlicher, mal wilder. Seine Arme liegen schraubstockartig um meinen Oberkörper, ich wühle meine Hände in seine langen, blonden Haare. Drücke mich an ihn. Ich wünschte nur, dieser Moment würde nie vergehen. Irgendwann lösen wir unsere Lippen schwer atmend voneinander, ohne unsere Körper auch nur einen Millimeter von dem des jeweils anderen wegzubewegen, blicken uns ernst in die Augen. Wieder stehen wir einige Zeit lang einfach so im Regen, ich suche in seinem Blick, was meiner sicherlich sehr deutlich zeigt. Schließlich finde ich es – und es nimmt mir den Atem. Er bemerkt das und lächelt kurz sanft, dann wird seine Miene wieder ernst, er nickt mit einem Seufzen. „Wehe, du stirbst.“ Mein Herz macht einen regelrechten Sprung – so muss sich ein verliebtes Schulmädchen fühlen. Aber bei dem Gedanken daran, was das bedeutet, kann ich nur überglücklich sein. „Das hatte ich nicht vor.“ Ich küsse ihn wieder. „Wartest du kurz hier? Ich sollte helfen.“ Er grinst amüsiert, nickt aber. Bevor er mich gehen lässt drückt er seine Lippen noch einmal auf meine, dann lässt er mich los. Ich kann regelrecht spüren, wie schwer ihm das fällt, immerhin geht es mir nicht anders. Meine Magie klammert sich allerdings regelrecht an seine … Ich hebe mein Schwert auf und eile zurück zu den anderen, setze im Laufen meine Kapuze wieder auf. Meine Magie vibriert vorfreudig auf den Kampf, bleibt dabei jedoch die ganze Zeit mit Lucius‘ in Verbindung. Dieser Bund ist wie ein feiner, unendlich dehnbarer Faden, den ich hinter mir herziehe und der sich den Gegebenheiten anpasst. Meine Kameraden ringen mit den übrigen dreißig Todessern und es sieht im Moment eher schlecht für sie aus. Kurz übermannt mich das schlechte Gewissen, dann verbanne ich diese Gedanken – ich kann mich für das eben Geschehene einfach nichts schlecht fühlen – und konzentriere ich mich wieder auf den Kampf. Netterweise regnet es immer noch in Strömen, also übergebe ich die Kontrolle wieder endgültig meinen Instinkten und ‚schieße‘ los – wortwörtlich, aus meinem Zauberstab hagelt es Flüche, dass die Schwarzkutten nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist. Dank meiner Verstärkung bekommen die anderen schnell wieder die Oberhand und innerhalb von fünf Minuten haben wir die Todesser zur Hölle gejagt. Ich sehe mich auf dem nun wieder ruhigen Friedhof um. Plötzlich tun mir die Muggle leid, immerhin ist das hier der Ort, an dem sie ihre Toten betrauern … Meine Magie schnellt netterweise von selbst wie in einer Schockwelle in alle Richtungen von mir, stapelt unsere toten Feinde und repariert alle Schäden. Ich kann Lucius Amüsement regelrecht spüren und Alastor sieht mich ungläubig an, allerdings schickt er die Leichen dann mit einem schnell erschaffenen Portschlüssel einfach in das Atrium des Ministeriums. Die werden sich freuen … Der Ex-Auror gibt anschließend endlich das Signal zum Rückzug. Meine magischen Fühler gleiten über den Friedhof, sie suchen und finden den bewusstlosen, Cacey, binden ihn an mich, festigen die Verbindung zu Lucius, dann klinke ich mich in Mad-Eyes Apparation ein und wir werden fortgerissen. Wie üblich tauchen wir vor der Haustür auf, Neville klopft. Noch hat niemand meinen unerwarteten Begleiter entdeckt. Diesmal öffnet Sandrin. Ihr Blick fällt natürlich sofort auf Cacey, sie lässt ihn augenblicklich ins Haus schweben. Wir folgen ihr, erleichtert, endlich ins Trockene zu kommen – naja, ich bin eher traurig, würde nichts lieber tun, als Lucius noch einmal im Regen zu küssen. Aber ich kann mich ja zusammen reißen. Mit einem breiten Grinsen trete ich auch ins Haus, mein ‚Gast‘ bleibt unauffällig hinter mir. Rein zufällig berührt er mich dabei die ganze Zeit … Immer noch grinsend stelle ich die Schutzzauber wieder her und binde ihn in derselben Bewegung in sie mit ein. Die Magie, die dieser Regenguss in mir freigesetzt hat, rauscht noch immer durch meine Adern. Anschließend gehe ich in Richtung Wohnzimmer und mir wird klar, warum uns nicht Hermione hereingelassen hat – die anderen sind ebenfalls schon aus Leeds zurück und werden gerade versorgt. Blaise lässt von Rasmus, dessen Bruch er gerade verheilt hat, ab und kommt uns entgegen. „Wer von euch ist verletzt?“ Fred und Neville haben beide Schnittwunden und George eine Gehirnerschütterung, sonst sind wir alle okay – ich bin gerade noch rechtzeitig aufgetaucht. Ich führe das Malfoy-Oberhaupt unbemerkt in das leere Wohnzimmer, er selbst legt einige Ablenkzauber auf sich. Ich verankere sie in meinem Onyx. Meine Magie beruhigt sich nur langsam, zieht ihn mit unsichtbaren Armen näher an mich. Ich höre ihn belustigt kichern, was mich eine Augenbraue heben lässt. Allerdings amüsiert ihn das augenscheinlich nur noch mehr … Wir setzen uns nebeneinander auf ein Sofa und warten auf die anderen. Lucius rückt so nahe zu mir, dass sich unsere Beine berühren. Ich kann über die Verbindung spüren, dass er nervös ist, aber er hat sich entschieden und wird dazu stehen. Für mich. Für uns. Ich lächle glücklich. Irgendwann sind alle versorgt und wir sitzen im Wohnzimmer versammelt. Mysteriöserweise hat niemand neben mir Platz genommen … Ich grinse. Ein Hoch auf Ablenkzauber. Severus sammelt wie üblich unsere Erinnerungen ein. „Die aus Leeds kommen zuerst.“, beschließt er und murmelt den Projektionszauber. Er beginnt mit Marks Erinnerung. Ich kann die Überraschung meines ‚Mitbringsels‘ über die immer noch bestehende Verbindung spüren, als er sich plötzlich in einem leeren Park wieder findet, Seite an Seite mit seinem Sohn und zwei ehemaligen Todessern. Offenbar hat ihn das magische Band zwischen uns ebenfalls in den Zauber mit eingebunden. Diese Projektionen unterscheiden sich insofern von einem normalen Besuch in einem Denkarium, als dass man im Körper des sich Erinnernden feststeckt und nur erkennt, was dieser wahrnimmt. Zum Glück ist der Zauber auf visuelle und auditive Eindrücke beschränkt, Schmerzen spürt man keine. Trotzdem spüre ich Lucius neben mir zusammenzucken, als Mark von einem Schwert am Arm erwischt wird und sich eine tiefe Wunde einfängt. Dieser beißt verärgert die Zähne zusammen und nimmt sich einen Moment Zeit, um einen straffen Druckverband zu zaubern, dann legt er wieder los und der Todesser, der ihn getroffen hat, ist jetzt schwer mit Ausweichen beschäftigt. Wenig später hat er ihn besiegt, doch aufgrund des Blutverlusts geht ihm schnell die Kraft aus. Severus‘ Signal kommt wieder einmal genau im richtigen Moment. Der Sog der Apparation reißt ihn zurück zu unserem Hauptquartier und die Projektion endet. Ich spüre Lucius‘ Erschütterung neben mir. Das alles so hautnah zu erleben wirft einen die ersten paar Male immer aus der Bahn. Außerdem sieht er die Situation auf dem Schlachtfeld zum ersten Mal aus unserem Blickwinkel. Obwohl es kitschig ist und ich mir nicht sicher bin, ob er das möchte, taste ich unauffällig nach seiner Hand. Sobald ich sie gefunden habe schließen sich seine langen, feingliedrigen Finger um meine und jetzt schwappt Dankbarkeit über die Verbindung zu mir. Allerdings wenden wir beide den Blick nicht von Severus ab, der als nächste Rasmus‘ Erinnerung startet – welcher wie üblich skrupellos mit schwarzer Magie kämpft und seinen ehemaligen Kollegen so kräftig einheizt – und anschließend Dracos. Lucius neben mir spannt sich an, sein Griff um meine Hand wird schmerzhaft fest. Ich kann nichts anderes tun, als beruhigend mit dem Daumen über seinen Handrücken zu streichen und zu hoffen, dass dem Slytherin nichts passiert ist. Aber natürlich wurde der Idiot gerade heute getroffen, wir müssen untätig dabei zusehen, wie ein heftiger Knüppelzauber seine Wirbelsäule trifft und sie zertrümmert. Der Blonde bricht mit einem schmerzerfüllten Keuchen zusammen und Severus, der zum Glück in der Nähe ist, kämpft sich erbost zu ihm durch und übernimmt seine Deckung. Draco robbt langsam zu einer Hauswand, obwohl das offenbar Höllenqualen verursacht, und lehnt sich erschöpft gegen sie. Von dort aus kämpft er so gut er kann weiter. Der Tränkemeister hat sich inzwischen mit Nott duelliert, der diese Verletzung verursacht hat, und ihn besiegt. Wir haben schon lange begriffen, dass wir in solchen Fällen unserer Magie die Kontrolle überlassen sollten – die Wut und die Sorge, wenn einer der unseren getroffen wird, lassen uns fast immer über uns hinaus wachsen. Das ist ein Vorteil, den wir den Todessern gegenüber definitiv zu nutzen wissen. Nott war ein unglaublicher Duellant, Severus hatte schon oft bis zu einem Unentschieden mit ihm gekämpft, doch seinem plötzlichen Gefühlschwall hat er nichts entgegen zu setzen gehabt. Der Schwarzhaarige greift nun nach dem Arm seines Patenkinds und gibt das Signal zum Rückzug. Als die Projektion, die am Ende nur noch verschwommen gewesen ist, endet, liegen alle Blicke auf Draco, der in seinem Stuhl immer kleiner wird. Miones Klammergriff um seinen Arm sieht ziemlich schmerzhaft aus – ungefähr so, wie Lucius‘ um meine Hand. Ich schlucke kurz, als mir klar wird, wie es dem Blonden nach dieser Erinnerung gehen muss und sende ihm ein tröstendes Gefühl. Zurück kommen eine halbe hysterische Panik und der gewaltige Wunsch, Notts Leiche zu zerfetzen und die Stücke über ganz England zu verteilen. Ich bin Severus ziemlich dankbar, als dieser seine eigene Erinnerung startet, um uns von Draco abzulenken, doch im Nachhinein war diese Idee nicht ganz so gut – denn jetzt können wir sehen, wie schlimm es wirklich gewesen ist. Andererseits tut es verdammt gut zu beobachten, wie der Tränkemeister in Rage Nott mit einigen sehr unschönen Flüchen erwischt, die offensichtlich ziemlich weh tun, bevor er ihm endlich mit einem schwarzen Schneidezauber die Kehle aufschlitzt. Anschließend sieht er sich um, erkennt Marks missliche Lage und entschließt sich zum Rückzug. Severus hat aus der Situation zuvor gelernt und schickt Nevilles Erinnerung gleich hinterher, um uns keine Chance zu geben, Draco anzustarren. Es ist ein wenig verwirrend, ohne Vorwarnung so plötzlich an einem anderen Ort in einem anderen Körper festzustecken, aber ich habe mich schnell wieder orientiert. Mein schlechtes Gewissen ist auf einmal wieder da, als ich sehe, welche Probleme die anderen ohne mich haben. Obwohl – wäre die Sache mit dem Kuss nicht passiert, hätte ich die Zeit vermutlich damit verbracht, mit Lucius zu kämpfen (ich hätte ihn in dieser Situation nie umbringen können, das ist mir jetzt sehr klar) und wäre auch nicht verfügbar gewesen. Also verbanne ich diese Gedanken und beobachte, wie mein ehemaliger Klassenkamerad die Schwarzkutten systematisch mit Flüchen eindeckt. Der früher pummelige und ungeschickte junge Zauberer schaltet seine Feinde jetzt konzentriert aus. Plötzlich wird mir schlecht. Was hat der Krieg aus meinen Freunden gemacht. Was habe ich aus meinen Freunden gemacht? Ein Würgen unterdrückend beobachte ich, wie sich der Dunkelblonde gegen eine Überzahl von Todessern zur Wehr setzen muss, wie er selbst tödliche Flüche spricht und doch zu unterliegen droht – bis ich endlich dazu komme. Sobald die Erinnerung vorbei ist springe ich auf, löse meine Hand von Lucius‘ und renne zum Klo. Unser Band dehnt sich. Gerade noch rechtzeitig erreiche ich die Toilette und verabschiede mich von meinem Mittagessen. Nach wenigen Minuten klopft es und Hermione steht in der Tür. Sie mustert mich kurz, dann setzt sie sich einfach neben mich, lehnt ihren Kopf ebenfalls an die angenehm kühlen Fliesen und schlingt ihre Arme um meinen Oberkörper. Sie sieht mich nicht an, kuschelt sich nur an mich und hält mich fest. „Es ist nicht deine Schuld, Harry.“, murmelt sie. Ich wundere mich nicht einmal mehr darüber, dass sie so genau weiß, was meine plötzliche Flucht ausgelöst hat. Rons Tod vor ein paar Jahren hat uns noch weiter zusammen geschweißt und seit dem Mord an ihren Eltern kurz darauf sind wir endgültig nicht mehr nur Freunde, sondern eher Geschwister. Seelenverwandte. Stünden sich Fred und George nicht zusätzlich noch näher, als Zwillinge das normalerweise tun, würde ich sagen, wir sind wie sie. Meine Mione. Sollte Draco es wagen, sie zu verletzen, werde ich ihn drei Mal zur Hölle und zurück hexen – egal, was Lucius dazu sagt. Ich muss plötzlich lächeln. „Danke.“, murmle ich und vergrabe mein Gesicht nach einem schnellen Reinigungszauber in ihrer Mähne. Und ich weiß, ich kann ihr keine Sekunde länger verschweigen, was auf dem Friedhof geschehen ist. „Er ist hier.“ Sie dreht nicht einmal den Kopf, drückt mich nur noch fester an sich. „Lucius?“ Warum bin ich bloß nicht überrascht? Schmunzelnd nicke ich. Sie kichert leise, dann steht sie auf, zieht mich mit sich hoch. Jetzt sieht sie mir doch in die Augen, auch, wenn sie den Kopf dazu in den Nacken legen muss. „Es ist nicht deine Schuld, Harry!“, sagt sie noch einmal, mit Nachdruck. „Die war es nie und wird es auch nie sein. Die Verantwortung liegt bei Voldemort, und bei Dumbledore, weil er es zugelassen hat. Dank dir leben wir noch – dank dir haben wir noch die Kraft, zu kämpfen.“ Sie lächelt sanft. Und ich kann nur nicken und ihr glauben, was sie sagt. „Ich werde euch von ihnen befreien.“, schwöre ich ihr. „Von beiden.“ Noch nie habe ich das versprochen. Mione kuschelt sich noch einmal an mich. „Ich weiß.“, murmelt sie. „Wir alle wissen das. Und selbst, wenn du es nicht schaffen solltest – jeder von uns ist sich bewusst, dass du alles geben wirst.“ Damit greift sie nach meiner Hand und führt mich zurück ins Wohnzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)