Sherlock Holmes - Einem Mythos auf der Spur- von Ryukin ================================================================================ Kapitel 10: Eine unmissverständliche Botschaft ---------------------------------------------- Plötzlich vernahm ich Lestrades Stimme auf der Straße. Neugierig zog ich die Gardinen zurück und sah wie der Inspektor Holmes aus der Droschke verhalf. Aber irgendetwas stimmte nicht. Mein Mitbewohner lag schwer in seinen Armen. Nur mit viel Mühe hievte Lestrade ihn die Treppen zu unserer Wohnung hinauf. Die Tür sprang auf und stöhnend wurde mein Kamarad auf das Sofa bugsiert. Er sah stark mitgenommen aus. „Dr. Watson, er bestand darauf, dass ich ihn hier her bringen sollte. Ein Hospital lehnte er strikt ab. Dieser Sturkopf!“ „Vielen Dank, Inspektor Lestrade. Ich werde mich soweit um Ihn kümmern. Ich habe eine gewisse Erfahrung, müssen Sie wissen“, antwortete ich etwas beleidigt, da ich als Militärarzt schon weitaus schlimmere Verletzungen behandeln musste. „Holmes, wo haben Sie Schmerzen?“ Röchelnd lehnte er sich an die Polsterlehne. Er schloss die Augen, seine Lippen waren krustig. „Gentlemen, die Arbeit ruft. Ich wünsche gute Besserung und eine schnelle Genesung.“ Dann eilte er zur Tür hinaus. Trotz meines schmerzenden Schädels, holte ich meine Arzttasche aus meinem Zimmer. Als ich wieder den Salon betrat, konnte ich beim Holmes kümmerlichen Anblick ein Seufzen nicht unterbinden. „Waren das wieder die Schattengestalten?“ Holmes nickte: „Das war eine bittere Pille, die ich schlucken musste. Sie haben mir unmissverständlich erklärt, dass ich mich mit meinen Fall beschäftigen sollte und der Miss Oneggro meine Dienste erweise. Ich konnte unsere Klientin jedoch nicht wieder aufspüren. Sie ist ein kluge Frau und Ihre Absichten sind mir noch zum Teil schleierhaft. Es fehlen einfach noch einige Puzzleteile. Daher müssen wir erstmal den Rat der Männer befolgen. Unser nächstes Ziel ist ein Besuch in Brighton. Wir suchen die Papierfabrik auf und befragen die Bewohner. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir zu keinem Ergebnis kommen werden.“ Während er mir dies berichtete, versorgte ich die Wunden und beschlossen in vier Tagen abzureisen. Die nächsten Tage widmeten wir uns ausschließlich der Genesung. Zu meiner Überraschung schlief Holmes viel und nahm regelmäßig seine Mahlzeiten ein, was er ja zuvor nicht tat. Wir redeten viel, aber nicht über die Schatten oder Miss Oneggro. Jedoch ließ mich das Gefühl nicht los, dass er mir was wesentliches verschwieg. Oft saß er apathisch in seinem Sessel. Am Abend vor der Abreise, nahm der Detektiv doch noch einmal seine Unterlagen des Oneggro Falles zur Brust und schrieb einige Notizen auf. „Haben Sie schon gepackt? Wir werden einige Tage fort sein!“ „Natürlich, Holmes! Darf ich Sie was fragen?“ „Nur zu!“ „Was haben die Schattengestalten mit Ihnen angestellt?“ Zuerst stopfte er sich eine Pfeife und zündete den Tabak an bevor er sich nachdenklich an den Kaminsims lehnte. „Wie ich Ihnen in dem Telegramm berichtet hatte, inspizierte ich unseren Tatort in der Gasse. Ein älterer Herr kam zu mir und störte mich bei meinen Untersuchungen. Dennoch nutzte ich die Gelegenheit und fragte Ihn über muskulöse Männer in ausländischen Gewändern aus. Er verwies mich an Bruce, einen ausländischen Stallarbeiter, der wohl Gott und die Welt kannte. Er striegelte die Pferde, als ich mich näherte. Von seiner Statur her hätte er locker mit unseren nächtlichen Besuchern mithalten können. Trotz englischem Wetter, war er braun gebrannt. Sein Haar war kurz geschoren und der Bart war wirr am Kinn gewachsen. Er begrüßte mich freundlich und antwortete auf jede meiner Fragen. Dabei erledigte er seine Arbeit. Auf einmal scheute das Pferd und drängte mich in die Stallungen. Bruce hatte das Pferd beruhigen können, aber er versperrte mir den Ausgang. Von hinten wurde ich gepackt und in eine Box gezerrt. Als ich im Schwitzkasten meines Angreifers fixiert wurde, konnte ich an seiner dunkelhäutigen Hand einen auffälligen Ring sehen. Ein Kamee mit dem Bildnis einer hübschen Frau. Ein typisches Profil einer griechischen Schönheit. Bruce verpasste mir einige schmerzhafte Schläge. Geschwächt von letzter Nacht, konnte ich mich kaum zu Wehr setzen. Er hätte mich zu Tode prügeln können, aber er packte mich und warf mich auf den Hinterhof. Er hockte sich neben mich und flüsterte mir ins Ohr, ob ich nun mit meinem Schnüffeleien aufhören wolle. Es würden einige Menschenleben davon abhängen. Dann gab er mir noch einen Tipp. Die Augen der Götter seien überall. Ich bin mir sicher, dass der Ursprung dieser obstrusen Geschichte in Griechenland entsprungen ist. Wie Sie gerade gesehen haben, habe ich noch einmal alle meiner Notizen angesehen und bin mir dessen sicher. Gerne können Sie sich davon überzeugen.“ Mit offnen Mund und weit aufgerissenen Augen stand ich vor dem Detektiv. Und auf einmal schien es einleuchtend zu sein. Ich nahm seine Unterlagen zur Hand und breitete sie auf den Boden aus. Für einen genauen Überblick, ordnete ich die Ereignisse chronologisch an. Alles begann mit dem Brief, der eine besondere Herausforderung für Holmes beinhaltete. Danach kam die Verfasserin Miss Oneggro und beauftragte ihn das Rätsel der Skulpturen zu lösen. Der Zweck war ein Test für Holmes‘ Intelligenz. Hier war ein Papierstück mit der Aufschrift: Beschattung in der Bakerstreet. Wann fing es damit an? Ich richtete die Frage an Holmes und er antwortete: „Sehr früh schon. Direkt nach dem Besuch der jungen Dame.“ Ich schüttelte mein Unbehagen ab und nahm den nächsten Zettel in die Hand. Die Notiz offenbarte den Vorfall im Garten von Mr. Miller. Ich lächelte kurz und dachte über die Skulpturen nach, aber ich war zugleich schockiert über den damaligen Zustand des älteren Herren, der wohl den Teufel gesehen hatte. Was war es wirklich? Es wurden ja die Fußabdrücke einer Frau gefunden. Dann war da noch der zugesteckte Zettel von dem Mann aus dem Hydepark, von wem wir jetzt wussten, dass es ein Professor war, der uns was wichtiges mitteilen wollte. Der jetzt aber in den Händen dieser Schattengestalten war. Wir mussten der armen Seele helfen. Aha, der Fall im Big Ben. Jeffrey Johnston war einer der Keeper of the great clock und war verlobt mit der Griechin Stefania Pantagiota. Vielleicht nur ein Zufall? Eine Randnotiz mit weitere Nachforschungen! Jetzt der nächste Zettel. Owen Hamilton, Mörder von Johnston. Er starb im Gefängnis an einem Giftanschlag. Mord oder Suizid? Der Leichnahm wurde aus dem Leichenschauhaus entwendet. Welchen Grund gab es dafür? Warum verkleideten sich Frauen als Männer? Der einzige Zusammenhang mit unseren Fall lag wohl darin, dass wir den Zeitungsartikel über die neue Ausstellung im britischen Museum fanden. Zu guter Letzt waren da noch die Schatten, die muskulösen ausländischen Männer, die zu einer religiösen Gruppe gehörten und einer Priesterin dienen. Irgendetwas ließ mich nicht los. Ich glaubte ich müsste mich noch an irgendetwas erinneren. Und als ich die Bücher sah, die ich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, da fiel es mir wieder ein und ich stieß aufgeregt hervor: „Griechische Mytholgie! Das ist es!“ Holmes sah mich verständnislos an. Aufgeregt rannte ich zum Bücherregal und hob das schwere Lexikon heraus. Was sagte der gute Mann? Er las die Geschichte über Perseus. Ich schaute was ich finden konnte. Mein Bewohner verstand und gesellte sich neben mich. Irgendwie schien er peinlich gerührt zu sein. „Watson, ich gratuliere Ihnen. Sie haben die richtige Fährte aufgenommen. Da ich meine Kapazitäten nur mit den wichtigsten Informationen fülle, blieb mir diese Schlussfolgerung verborgen. Ein fataler Fehler, den ich wieder entschädigen möchte.“ „Sie müssen sich dafür nicht entschuldigen. Sie sind ein aussergewöhnlicher Gentleman mit großen Begabungen.“ Ich konnte nur erahnen, wie sich Holmes fühlen mochte. Er nahm sich dieses Unwissenheit zur Brust und im weiteren Verlauf unserer Freundschaft gab es nichts, was er nicht wusste. Er eignete sich ein immenses Fachwissen in fast jedem erdenklichen Bereich an, welches er zu jeder Zeit abrufen konnte. Laut las ich folgendes vor: „Perseus, Sohn des Zeus Perseus hatte den Auftrag von Polydektes erhalten, ihm den Kopf der Medusa zu überbringen. Polydektes nahm an, dieser würde niemals wieder zurückkehren, da er von ihrem Anblick versteinert würde. So hätte er keinen Nebenbuhler gehabt, um die Hand der Prinzessin Danae anzuhalten. Diese Mutmaßung verwies sich doch als Irrtum, denn Perseus konnte sich mit einem verspiegelten Schild vor dem Anblick der Medusa schützen. Nachdem er sie enthauptet hatte, entsprang aus ihrem Körper das geflügelte Pferd Pegasus. Es war das Kind von Medusa und Poseidon. Eine abscheuliche Geschichte. Wer aber war diese Medusa? Sie konnte mit ihrem Anblick Menschen versteinern? Es ist fast wie in unserem Fall mit den versteinerten Tieren, nicht wahr?“ „Wir sollten uns tiefer in diese Materie einlesen. Vielleicht hilft uns der Bibliothekar weiter? Er wohnt direkt über dem Bücherladen, wie sie wissen. So wie ich seine Beisterung kenne, wird er uns gerne die passenden Bücher heraussuchen.“ Ohne lange zu zögern, machte ich mich schleunigst auf den Weg dorthin. Ich bat Holmes zu Hause zu bleiben. Er war zwar auf dem Weg der Besserung, jedoch sollte er jede freie Minute damit verbringen sich noch zu schonen. Die bevorstehende Reise würde anstrengend genug werden. Der Abend war schon weit fortgeschritten. Der Weg zum Laden war nicht weit, dennoch rief ich aus Angst von einem erneuten Angriff der Schatten, eine Droschke herbei. Als wir ankamen, bat ich dem Kutscher zu warten. Es würde bestimmt nicht lange dauern. Zum Glück öffnete sich die Tür, nachdem ich klingelte. „Guten Abend, wie kann ich behilflich sein?“, wurde ich freundlich vom Bibliothekar begrüßt. „Einen schönen guten Abend. In der Tat brauche ich dringend ihre Hilfe. Können Sie mir ein Buch über die Griechische Mythologie ausleihen?“ Er nickte mir zu und bat mich einzutreten. Er ließ die Lichter an und im warmen Licht erschien mir die Bücherei gemütlich und vertraut. So als würde jeden Moment der ältere Bibliothekar von damals um die Ecke kommen. Er hatte ein freundliches vom Alter gezeichnetes Gesicht mit grauem Backenbart und wenigen Haaren gehabt. Jedoch war er schon einige Jahre von uns gegangen. Sein Nachfolger war jung, dynamisch und ebenso freundlich. Ein würdiger Nachfolger, wie ich zufrieden festellte. „Gerne helfe ich da weiter! Sie wollen sich wohl auf das kommende Wochenende vorbereiten? Die Ausstellung im Museum wird sicherlich sehr spannend werden. Ich bin auch schon sehr nervös und freue mich wie ein Kind! Bitte warten Sie einen Moment.“ Schon verschwand er in eine Ecke und kletterte auf eine leise, knirschende Leiter. Vom obersten Regal nahm er einen dicken Einbänder herunter. Eigentlich hatte ich darauf gewartet, wie eine dicke Staubwolke vom Buch fiel und der gute Mann zu husten anfing. Aber das Buch war sauber. Mit einem breiten Lächeln überreichte er es mir. „Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit Ihrer Lektüre!“ „Ein herzliches Dankeschön. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört.“ Der Bibliothekar fing herzlich an zu lachen und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. „Aber nicht doch! Ich kann Sie verstehen. Wenn ich offene Fragen habe, dann brauche ich nur hinunter zu kommen und habe das ganze Wissen vor mir. Sie mussten viel mehr auf sich nehmen, um ihre Fragen zu stillen.“ „Können Sie mir sagen, ob die Geschichte der Medusa in dem Buch verzeichnet ist?“ „Oh ja! Eine arme Kreatur. Aber ich möchte Ihnen nicht alles verraten. In dem Buch erfahren Sie alles.“ Wir verabschiedeten uns voneinander und ich bedankte mich nochmals sehr für seine Bemühungen. Dann ging es auch wieder zurück in die Bakerstreet, wo ich schon sehnsüchtig erwartet wurde. Auf dem Tisch stand heißer Tee und vom Stuhl aus sahen mich zwei erwartungsvolle Augen an. „Sie waren erfolgreich, Watson. Sehr gut! Aber nun setzten Sie sich neben mich und lassen Sie uns die griechische Mythologie erforschen!“ Ich spürte Holmes‘ Feuer, seine Wissbegierde und wurde schnell von seinem Elan angesteckt. Das Buch zeigte viele Zeichnungen von Göttern, Waffen und Tempeln. Es war wie eine andere Welt. Bei dem Kapitel der Medusa blieben wir stehen und ich bot an, es vorzulesen. „Medusa galt als eine wunderschöne junge Frau mit lockigen langem Haar. Da sie ein Keuchheitsgelübte abgelegt hatte und somit auch ein Symbol der Reinheit war, durfte sie im Pallas Athenes Tempel wohnen und ihr dienen. Jedoch ereignete sich eines Tages eine schreckliche Tragödie. Poseidon, der Gott des Meeres, der Stürme und der Erdbeben, besuchte den Tempel. Er hatte schon lange ein Auge auf die wunderschöne Medusa geworfen. Doch als er ihr seine Liebe gestand, wies die Jungfrau ihn ab. Das entzürnte ihn so sehr, dass er ihr daraufhin die Jungfräulichkeit mit Gewalt raubte. Als Athene dies mitbekam, war sie sehr empört gewesen. Athenes Tempel wurde geschändet und das bedurfte einer harten Strafe. Aber Poseidon traf keine Schuld, denn Medusa hatte ihn mit seiner Schönheit den Kopf verdreht. Die Göttin verwandelte Medusa in eine Gorgone mit häßlicher Fratze und lebendigen Schlangen als Haar. Sie verkörperte nun den Tod. Aber das war noch nicht genug, Medusas Blicke konnten jeden in Stein verwandeln. Daher wurde sie auf eine Insel verbannt. Ihre Hässlichkeit und die Isolation von der Gesellschaft war wohl die härteste Bestrafung für die junge Frau gewesen. Eine sehr traurige Geschichte. Und dann wurde die arme Frau noch enthauptet. Zum Glück leben wir im hier und jetzt. Dennoch ist es schwer zu verstehen, welchen Zusammenhang mit unserem Fall besteht.“ „Mir wird einiges klarer, mein lieber Watson. Diese Ringe von den Schattengestalten, wie sie immer zu sagen pflegen, zeigen das Abbild der Athene. Sie sagten doch, sie würden nur einer Gottheit dienen und das sollte diese Frau sein. Darüber hinaus waren sie sehr wütend geworden als wir den Namen unserer Klientin Miss Onerggo nannten.“ Dann stieß Holmes plötzlich hervor: „Ich habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Schauen Sie sich das an!“ Mein Freund nahm den Brief vom Experimentiertisch und hielt ihn mir unter die Nase. „Die Buchstabenreihenfolge,“ presste Holmes heraus, „schauen Sie hin.“ Er wischte die Tafel und schrieb Sadume von Oneggro auf. „Bei beiden Namen handelt es sich um Anagramme, die bei ihrer Einfachheit, der sprichwörtliche Handschuhschlag ins Gesicht für mich sein sollen. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand sollten selbst Sie in der Lage sein, diese zu entschlüsseln. Beachten Sie das von nicht, es dient lediglich dazu, den Namen aufzuwerten.“ Veränderte man die Buchstaben in ihrer Reihenfolge, so entstand ein neuer Name. „Medusa Gorgone!“ rief ich triumphierend. Holmes nickte und ließ sich wieder in seinem Sessel vor dem Kamin nieder. Nach dieser neuen Kundschaft gingen wir zu Bett. Morgen mussten wir wieder früh aufstehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)